Wolfgang Baasch
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Last Statements
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist Absurdistan ja ganz nah. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, dass der Kollege Kubicki mit dem Kollegen Lafontaine aus dem Bundestag dafür streitet, dass Hartz IV wieder zurückgedreht wird,
dann finde ich das sehr, sehr lustig. Ich glaube, Sie würden auch mit jedem anderen Politik betreiben. Hauptsache, Sie können Ihr Spielchen dabei spielen. Nur dabei helfen Sie den Menschen überhaupt nicht.
Für Sie scheint Politik nur eine Art von Spiel zu sein, und das entlarvt Sie eigentlich sehr.
Ich glaube, bei den Mindestlöhnen geht es - wenn man versucht, das noch einmal ernsthaft anzuführen - darum, tatsächlich auch das Selbstwertgefühl von Menschen zu stärken,
das Selbstwertgefühl von Menschen, die in der Lage sind, von dem Geld, das sie nach einer Woche Arbeit verdient haben, tatsächlich auch ihre Familie zu ernähren und sich nicht zusätzlich Transferleistungen holen zu müssen und sich dabei der Maßgabe auszusetzen, alles an Einkommen und Lebenssituation darzulegen, was da ist. Das ist oft sehr demütigend.
Und genau von dieser Demütigung wollen wir die Menschen befreien, indem wir sagen: Mindestlöhne schaffen Grundrechte, schaffen einen Grundsatz, der notwendig ist, um davon leben zu können.
Dann will ich auch noch einmal die Scheinheiligkeit der Kolleginnen und Kollegen von der CDU ansprechen. Ich habe an einigen Podiumsdiskussionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes teilgenommen, unter anderem auch in Lübeck. Die Kandidatinnen und Kandidaten der CDU hatten alle keine Zeit, weil sie mit dem Ministerpräsidenten zum Labskaus-Schmaus mussten. Da hat man den stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDA geschickt. Er stand vor den DGB-Leuten und hat ge
nau das gesagt, was, wie ich finde, vielleicht auf Ihrer Seite Beachtung finden sollte: Mindestlöhne wären richtig und notwendig. Und er hat gesagt, nicht nur Mindestlöhne seien richtig und notwendig, sondern auch Flächentarifverträge seien notwendig. Wir haben alle mit offenem Mund gestanden und nachgefragt, und er hat gesagt: Aber das ist in meiner Partei nicht durchsetzbar.
Und jetzt tun Sie nicht so, als wenn es bei Ihnen nicht auch Leute gibt, die ganz vernünftig und richtig die Situation von Menschen betrachten.
Der Kollege von der CDA hat das, wie ich finde, sehr richtig dargestellt. Hören Sie doch lieber öfter auf Ihren Arbeitnehmerflügel, dann kommen Sie mit Ihrer Politik auch besser mit der Realität zurecht.
Ein letzter Punkt: Auch wenn man davon ausgeht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist - und ich habe versucht, deutlich zu machen, wo ich glaube, dass Würde von Menschen, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einsetzt -, will ich Ihnen auch ganz offen sagen: Man muss nicht immer hinter seinem Recht herbetteln, auch wenn man es einklagen kann. Ich finde, Würde und dass der Mensch unantastbar ist, gilt auch für Arbeitgeber.
Herr Minister, können Sie bestätigen, dass in SchleswigHolstein Jahr für Jahr 170 Millionen € aus Steuermitteln ausgegeben werden, um den Niedriglohnsektor zu finanzieren, und dass man dieses Geld vielleicht besser für Arbeitsförderung einsetzen könnte?
Können Sie bestätigen, dass in Schleswig-Holstein Jahr für Jahr 170 Millionen € als Unterstützungsmittel für die Förderung des Niedriglohnsektors ausgegeben werden und dass dieses Geld eventuell besser anders - zum Beispiel für die Arbeitsmarktförderung - ausgegeben werden könnte?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Ulrich Hase hat uns seinen dritten Tätigkeitsbericht für die Jahre 2005 bis 2008 vorgelegt. Im Namen der SPD-Fraktion darf ich dem Landesbe
auftragten und seinem Team ein herzliches Dankeschön sagen, für den Bericht und für die in den letzten Jahren geleistete Arbeit. Herzlichen Dank, Ulli!
Der Bericht macht deutlich, dass in allen Lebensbereichen die Rechte und die Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit verdienen. Der Bericht gibt auch deutlich das hohe Engagement von Ulli Haase und seinem Team wieder, das auch in seiner Anwaltsfunktion für die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein tätig ist. Der Landesbeauftragte hat mit seinem Team nicht nur Menschen mit Behinderung bei der Eingliederung in Gesellschaft und Beruf ganz praktisch unterstützt; er hat auch beständig um Solidarität und um Verständnis für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung geworben.
Mit den Arbeitsschwerpunkten „Arbeit für Menschen mit Behinderung“, „Barrierefreiheit“, „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung“, „Stärkung kommunaler Beiräte von Menschen mit Behinderung“ sowie der Umsetzung der Kommunalisierung der Eingliederungshilfe sind die großen Themenblöcke des Berichts benannt. In all diesen Bereichen zeigt der Bericht auf, was sich in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein entwickelt hat. Aber er zeigt auch da, wo das nötig ist, die deutlichen Schwachstellen auf.
Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik werden neben der Erwähnung der nach wie vor schwierigen Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt auch Best-Practice-Betriebe genannt. Der Landesbeauftragte hat gemeinsam mit dem Unternehmensverband Nord und der Bundesagentur für Arbeit einen Integrationspreis ins Leben gerufen. Dieser Integrationspreis zeichnet Unternehmen aus, die sich vorbildlich und in besonderer Weise für Menschen mit Behinderung einsetzen. 2008 sind es drei Unternehmen gewesen, die es, wie ich finde, auch wert sind, dass sie hier genannt werden. Es sind die Unternehmen Nissen Elektrobau aus Tönning, Schülke und Mayr aus Norderstedt und Caterpillar Motorenwerke aus Kiel ausgezeichnet worden. Ich glaube, es ist richtig, in einem solchen Bericht nicht nur Negativbeispiele aufzuzeigen, sondern ebenfalls zu zeigen, was gut und hervorragend ist. Deswegen finde ich es auch richtig und wichtig, dass wir als Parlament das unterstützen.
Es ist sehr positiv, dass Ulli Hase mit seinem Tätigkeitsbericht nicht nur Schwachstellen aufzeigt, sondern auch besonders gute und nachahmenswerte Beispiele nennt, Beispiele, die zeigen, dass die Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt möglich ist. Unternehmen können sich auf die besondere Unterstützung für behinderte Arbeitnehmer einstellen, und Vorurteile werden abgebaut.
Es ist unmöglich, in fünf Minuten Redezeit den umfassenden Bericht von Ulli Hase detailliert zu würdigen. Ich will aber noch einen Punkt ganz besonders herausgreifen; das ist der Begriff „Barrierefreiheit“. Er zieht sich durch viele Praxisbeispiele und Anforderungen für die Lebensgestaltung von Menschen mit Behinderung durch den Bericht. Der Bericht macht deutlich, dass für eine wirkliche Barrierefreiheit im Bereich der Mobilität noch viele Hemmnisse bestehen. Unter anderem hat aber Ulli Hase an anderer Stelle festgestellt: Der öffentliche Stadtverkehr ist für Menschen mit Behinderung entweder gar nicht oder nur mit einer Hilfe zu benutzen. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf, sowohl beim öffentlichen Personennahverkehr wie auch bei der Bahn. Viele Menschen mit Behinderung schildern uns die Situationen, die sie alltäglich erleben müssen. Es kann nämlich sein, dass der Niederflurbus nicht eingesetzt wird, weil es zu wenig Niederflurbusse gibt, sodass man an der Haltestelle steht und gar nicht erst mitgenommen wird. Ich finde, dies ist ein Skandal an sich.
Es wird im Bericht aber auch deutlich, dass es um Barrierefreiheit im Tourismus geht, dass es um Barrierefreiheit beim Wohnen und in der Freizeit geht, aber auch um barrierefreie Informationstechnologien. Der Begriff „Barrierefreiheit“ zieht sich wie ein roter Faden durch den umfangreichen Bericht und macht deutlich, wie viel wir noch in der politischen Gestaltung umdenken müssen, wenn wir Menschen mit Behinderung wie selbstverständlich Zugänge und Teilhabe ermöglichen wollen.
Im Bericht wird der umfassende Ansatz der Inklusion aufgegriffen. Mit der Diskussion um die Leitorientierung „Inklusion“ hat die Sozialministerin die Interessen und die Anliegen von Menschen mit Behinderung stärker in den Blickpunkt genommen und Veränderungen in allen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderung angeschoben. Diese Diskussion hat der Landesbeauftragte mit seiner Forderung nach umfassender Barrierefreiheit und der Verstärkung der Bemühungen um Integration von Menschen mit Behinderung massiv unter
stützt. Dadurch ist es Uli Hase gelungen, dass die Betroffenen noch verstärkt in die Entscheidungen und Diskussionen einbezogen werden.
Die Forderung, noch mehr und detaillierte Konzepte für eine verbesserte Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung aufzustellen, hat Uli Hase mit einer Rundreise durch alle Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein untermauert. Er hat gemeinsam mit dem Landesverband der Lebenshilfe vor Ort und in direktem Kontakt mit Menschen mit Behinderung ihre Probleme und Nöte aufgenommen, aber auch ihre Forderungen und Anregungen für eine umfassende Inklusionspolitik in Schleswig-Holstein aufgegriffen. Als Folge seiner Gespräche vor Ort wurden bereits einige Aktivitäten gestartet. Es sind Fortbildungsangebote für Menschen mit Behinderung initiiert worden, und es wurde eine Informationsbroschüre zur politischen Organisation von Kommunen auf den Weg gebracht, eine Broschüre, die ich übrigens jedem, auch hier im Haus, empfehlen kann, erklärt sie doch unter der Überschrift „Was ist Politik?“ in leichter Sprache, wie politische Prozesse gestartet werden und wie auch Menschen mit Behinderung auf politische Prozesse einwirken können. Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Teilhabe umgesetzt wird. Wenn ich allerdings an die letzten Tage denke, dann haben einige Punkte, wie Politik gestaltet wird, noch keinen Eingang in die Broschüre gefunden. Vielleicht muss man auch Konflikte noch einmal deutlicher beschreiben.
Es gäbe noch viele Punkte anzusprechen. Dies ist aus zeitlichen Gründen an dieser Stelle für mich nicht mehr möglich.
Darum bitte, ich den Bericht - wie meine Vorrednerin schon gesagt hat - an die Ausschüsse zu überweisen. Wir sollten dort direkt mit dem Landesbeauftragten die Diskussion intensiv weiter führen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich könnte man die Diskussion an dieser Stelle tatsächlich kurz machen, denn den Verdacht, noch in dieser Legislaturperiode eventuell vollendete Tatsachen für bestimmte Bereiche zu schaffen, hat der Minister dankenswerterweise ausgeräumt.
Ich finde es auch richtig, deutlich zu machen, dass an der Umsetzung des bestehenden Strukturkonzepts nicht gerüttelt werden soll. Auch das ist eine wichtige Botschaft. Daher könnten wir die Diskussion eigentlich in den Ausschüssen führen, und ich nehme Ihr Angebot auf, von Ihnen in den Ausschüssen informiert zu werden.
Ich will hier trotzdem zumindest zwei Punkte ansprechen. Ich glaube nach wie vor, dass es wichtig ist festzuhalten, dass die strategischen Ziele, die mit dem Sanierungskonzept verbunden sind und die auch der Kollege Herbst eben noch einmal beschrieben hat, die wir uns gemeinsam gestellt haben, wirklich im Vordergrund stehen. Es geht darum, die Investitionslücken zu schließen. Es geht darum, das Niveau der medizinischen Maximalversorgung nicht nur nicht anzutasten, sondern zu steigern. Es geht darum, die wissenschaftliche Exzellenz und die medizinische Forschung und Lehre zu sichern und auszubauen, und es geht darum, die Rechte und die Beteiligung der Beschäftigten zu stärken und die Umsetzung des Sanierungskonzepts nicht auf dem Rücken der Beschäftigten durchzuführen, zumal man immer wieder und gar nicht oft genug betonen kann, dass die Beschäftigten des UK S-H bisher erhebliche Vorleistungen erbracht haben, um die Wirtschaftlichkeit des UK S-H in der Zukunft darzustellen.
Wenn man diese Positionen berücksichtigt, kann es in der einen Frage gar keine Differenzen mehr geben. Wenn die entsprechenden Informationen regelmäßig fließen, ist das eine gute Voraussetzung für die Umsetzung.
Ich will einen zweiten Punkt aufgreifen. Ich habe das Gefühl, dass mit der Berufung des neuen Vorstandsvorsitzenden zumindest mehr Ruhe und mehr Sachlichkeit in die Arbeit im UK S-H eingeflossen sind. Ich glaube, dass dort mit den neuen Strukturen, mit der vorgesehenen Zentrumsstruktur und der geplanten Campusstruktur Ideen gekommen sind, die dazu führen, dass vielleicht mehr als bisher am UK S-H Menschen gemeinsam an einem Ziel in eine Richtung arbeiten. Genau dies ist notwendig.
Ich will deswegen gar nicht darüber spekulieren, warum sich Personalentscheidungen so ausgewirkt haben, wie sie sich auswirken. Das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber das Gefühl ist: Es wird konsequenter in eine Richtung gearbeitet. Das ist für das UK S-H wichtig, denn wir brauchen das UK S-H an beiden Standorten, in Lübeck und in Kiel, und wir brauchen auch die Universitäten an beiden Standorten, in Lübeck und in Kiel, als wich
tigen Arbeitgeber, aber auch als wichtige Standorte für medizinische Forschung und maximale Krankenversorgung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal schadet es nicht, eine überregionale Zeitung zu lesen. Ich will kurz zitieren:
„Deshalb müssen jetzt alle zusammenstehen, die nicht wollen, dass das ganze System an die Wand fährt. Wir müssen die Landesregierung im Bundesrat darauf drängen, diese Jobcenterreform mitzutragen.“
Das waren die hessischen Grünen im Hessischen Landtag. Das sind schlaue Leute. Man muss zwar nicht überall hessische Verhältnisse haben, aber in diesem Fall wären hessische Grüne durchaus vernünftige Diskussionspartner, weil sie begriffen haben, dass es so nicht funktioniert.
Wenn in Presseerklärungen gesagt wird, außerdem hätten die Kommunen nach wie vor keine Möglichkeit, eigenständig Programme für Langzeitarbeitslose zu schaffen, dann denke ich, dass dies deutlich zeigt, dass hier eher Naivität als Sachkenntnis vorherrscht, denn die Kommune, die eigenständig Langzeitarbeitslose auf den Markt bringen und damit erfolgreich sein kann, ohne mit der Arbeitsagentur zusammenarbeiten zu können, möchte ich sehen. Ich glaube nicht, dass das machbar ist. Deshalb halte ich diese Aussagen eher für fahrlässig als hilfreich für die Diskussion.
Die Betreuung der Menschen, die Arbeitslosengeld bekommen, bleibt vorerst in einer Hand. Das ist nur vorerst so, weil die Unionsfraktion im Bundestag die notwendige Neuorganisation der Jobcenter blockiert. Bis zum 31. Dezember 2010 muss es eine Neuorganisation geben. Diesen Auftrag hat das Bundesverfassungsgericht der Politik erteilt. Die einfache Wahrheit ist: Bleibt die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag bei ihrer Verweigerungshaltung, gibt es ab dem 1. Januar 2011 nur noch die getrennte Aufgabenwahrnehmung. Die ARGEn werden aufgelöst und in der Konsequenz entfällt damit auch für die Optionskommunen die Arbeitsgrundlage. Dies wäre also eine Entscheidung, die das Chaos in sich trüge.
Alle Bundesländer wollen eine Lösung, die die Zusammenarbeit von Bundesagentur und Kommunen auch weiterhin ermöglicht. Die Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Kurt Beck haben gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz eine Lösung präsentiert, die die bisherigen ARGEn in „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung ist nur mit einer Grundgesetzänderung zu erreichen, die im Ergebnis garantiert, dass Arbeitsuchende weiterhin eine einzige Anlaufstelle mit kompetenten Ansprechpartnern und die Beschäftigten in den Arbeitsgemeinschaften eine sichere berufliche Perspektive haben. Zunächst war nicht klar, ob dies durchzusetzen wäre. Unser Arbeitsminister Uwe Döring hat das als einer der Ersten ins Spiel gebracht. Alle haben damals gedacht: Wenn das mal
hinkommt. Aber es hat geklappt. Für diesen Einsatz ein herzliches Dankeschön. Ich denke, der gefundene Kompromiss ist durchaus brauchbar.
16 Bundesländer, die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, die Landesregierung und die Landtagsfraktionen von CDU und SPD hier in Schleswig-Holstein sind für diese Lösung, sehen wir doch alle, dass jetzt rasch eine Lösung gefunden werden muss, die noch von der Großen Koalition in Berlin umgesetzt werden kann. In den Regierungsfraktionen hier in Schleswig-Holstein herrscht Einigkeit in dieser Frage.
Um die Bemühungen der Landesregierung auf Bundesebene zu unterstützen, sind die Arbeitskreise Soziales von CDU und SPD nach Berlin gefahren und haben in Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium und den schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD für diese Lösung geworben. Leider waren unsere Kollegen von der CDU bei ihren Bundestagsabgeordneten nicht erfolgreich. Darum fordere ich heute auch Sie, Herr Ministerpräsident Carstensen, noch einmal auf: Nehmen Sie Ihre Autorität als Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU wahr, und reden Sie Ihren CDU-Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein ins Gewissen.
Wer wie die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nicht handeln will, organisiert Chaos und Unsicherheit. Gerade jetzt, mitten in einer Wirtschaftskrise, können wir uns dies überhaupt nicht leisten.
Noch eine Anmerkung zum Antrag „Kommunale Trägerschaft im SGB II“ der Grünen, der ebenfalls heute zur Mitberatung ansteht. Die Grünen in Schleswig-Holstein begrüßen, ganz anders als die Grünen im Deutschen Bundestag, das Aus für die Jobcenter. Damit fordern die Grünen den Rückfall in alte Zeiten, wo sich Langzeitarbeitslose auf der einen Stelle die Arbeitslosenunterstützung und auf der anderen das Geld für die Miete abholen mussten.
In ihrer eigenen ideologischen Wahrnehmung verkennen die Grünen die erfolgreiche Arbeit der Ar
beitsgemeinschaften aus Bundesagentur und Kommunen, die auch mit gezielten Programmen -
- Ja, ja.
Dass diese Arbeit erfolgreich ist, beweist zum Beispiel die Evaluierung des Bundesrechnungshofs. Diese einmal zu lesen, würde helfen.
Wie man jetzt auch wieder hört, verkennen also die Grünen in ihrer ideologischen Wahrnehmung die erfolgreiche Arbeit der Arbeitsgemeinschaften aus Bundesagentur und Kommunen, die auch mit gezielten Programmen und Maßnahmen Langzeitarbeitslosen Chancen eröffnet haben und die Integration vieler in den ersten Arbeitsmarkt bewirkt haben.
Den Antrag der Grünen werden wir ablehnen. Mein Appell geht noch einmal an die CDU: Machen Sie sich stark, damit Ihre Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein und die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag zur Vernunft kommen!
Für die SPD ist klar: Wer hier blockiert, handelt verantwortungslos und schadet den Interessen der Arbeitsuchenden und den Beschäftigten in den Jobcentern.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jahrzehntelang wurde das an Heimkindern verübte Unrecht verdrängt, totgeschwiegen oder verharmlost. Ministerin Trauernicht sagt in der Dokumentation zum zweiten runden Tisch in Schleswig-Holstein:
„Die Aufarbeitung der bundesdeutschen Fürsorgeerziehung nach 1945 bis in die 1970erJahre ist inzwischen auch in anderen Bundes
ländern Thema für Länderparlamente und Regierungen. … Dabei darf auch die Frage nach finanziellen Entschädigungen nicht außen vor bleiben, denn dieses Thema betrifft viele Menschen in allen Bundesländern - teilweise auch solche, die in mehreren Einrichtungen von unterschiedlichen Trägern in verschiedenen Ländern waren.“
Am 17. Februar 2009 ist der runde Tisch „Heimkinder“ auf Einladung des Bundestags zum ersten Mal zusammengetreten. Insofern ist die Entwicklung schon über unseren interfraktionellen Antrag hinweggegangen, in dem noch von einem empfohlenen runden Tisch auf Bundesebene die Rede ist.
Seine Leiterin, die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, hat klargestellt, das es sich beim runden Tisch nicht um ein Tribunal handelt, das Anklage, Verteidigung und Urteil beinhaltet; es soll in erster Linie den Betroffenen als Schlüsselpersonen des Prozesses der Aufklärung ein Forum verschaffen, um sich mit ihrem Erleben, ihrer Geschichte und ihren Forderungen für die Aufarbeitung einzubringen. Natürlich sind aber auch Jugendämter, Richter von Vormundschaftsgerichten sowie die öffentlichen und privaten Trägen solcher Einrichtungen an der Aufarbeitung am runden Tisch beteiligt.
Den auf Bundesebene geforderten regionalen runden Tisch gibt es bei uns bereits. Es werden Akten gesichert, eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist verabredet, und mit dem früheren Landrat Gorissen haben die Betroffenen einen direkten Ansprechpartner und Berater. Dies ist eine sehr wichtige Aufgabe und eine sehr gute Entscheidung der Landesregierung.
Die Auseinandersetzung mit eigener Verantwortung hat auf mehreren Ebenen begonnen. So hat im Februar die katholische Deutsche Bischofskonferenz ihr Bedauern darüber bekundet, dass auch in katholischen Heimen Kindern und Jugendlichen Unrecht und schweres Leid zugefügt worden ist. In Schleswig-Holstein stellen sich auch die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände der Aufarbeitung der Fürsorgeerziehung in ihrer Verantwortung.
Das ist gut und notwendig, denn ein Großteil der Heime war in der Hand konfessioneller und nicht konfessioneller Träger. Deren einschlägige Akten sind ebenso zu sichern wie auch die der schleswigholsteinischen Kommunen. Natürlich gilt es auch für die Betriebe, vor allem für die vielen landwirt
schaftlichen Betriebe, die von der Zwangsarbeit der Heimkinder profitierten. Das heißt, wir brauchen Bestandsaufnahmen der damaligen Ereignisse und der ihnen zugrunde liegenden organisatorischen Strukturen und Denkweisen. Dazu haben der Bericht der Landesregierung und die Dokumentation der bisherigen beiden runden Tische einen Anfang geleistet.
Zu dieser Aufklärung gehört eben auch das gesellschaftliche Umfeld, das diese Einrichtungen als normale und notwendige Instrumente der Erziehung von jungen Menschen verstanden hat. Aber auch die ganze Verkommenheit der staatlichen Obrigkeit wird beim Lesen der Dokumentationen deutlich. So haben Jugendämter einzelne junge Menschen jahrelang beobachtet, um einen Grund für das Wegsperren in Fürsorgeerziehung zu finden. Unglaublich, aber Realität, und es wurde nie ein Wort der Entschuldigung an die Betroffenen gefunden!
Frau Vollmer hat davon gesprochen, dass die meisten früheren Heimzöglinge noch immer ein Gefühl von unglaublicher Ohnmacht und Ausgeliefertsein empfinden. Wir müssen den ehemaligen Heimkindern verdeutlichen, dass dieses Ausgeliefertsein ein Ende hat, indem wir öffentlich machen, dass diesen jungen Menschen, egal aus welchen Gründen sie in Fürsorgeheimen gelandet sind, dort Unrecht widerfahren ist.
Es kann nicht mit einem schulterklopfenden Wort des Bedauerns sein Bewenden haben. Für viele, wahrscheinlich die meisten Heimzöglinge, ist mit ihrer Entlassung aus dem Heim ihr Leiden nicht zu Ende gewesen, sondern das Stigma des früheren Fürsorgezöglings, die dort erlittenen Traumatisierungen und die versäumten Chancen auf Bildung und Ausbildung wirkten sich für den Rest ihres Lebens aus - auch mit materiellen Folgen.
Die bisher vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten einer materiellen Wiedergutmachung reichen für diese Fälle nicht aus. Sie wird auch nicht ausschließlich Aufgabe der öffentlichen Hände sein, weil eben ein großer Teil der Erziehungsheime in nicht öffentlicher Hand war. Deswegen müssen wir nach Möglichkeiten suchen, die wenigstens einen Teil der materiellen Nachteile, die diese Frauen und Männer lebenslang begleiten, ausgleichen.
Wir bitten daher die Landesregierung mit unserem Antrag, uns über den Fortgang der Aufarbeitung re
gelmäßig zu berichten und die Arbeit der runden Tische in Schleswig-Holstein und auf Bundesebene eng miteinander zu verbinden.
Ich bitte um Unterstützung des interfraktionellen Antrags und bedanke mich insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen für die Erarbeitung dieses Antrags.
Wir sollen hier ja reden und nicht singen. Das Singen ist bei mir schrecklicher als das Reden. Dann ist es besser, wenn ich eine Rede halte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung und den Ländern mit auf den Weg gegeben hat, ist sicherlich die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktreformen eines der Hauptthemen im arbeits- und sozialpolitischen Bereich. Die Überlegungen zur Weiterentwicklung der Arbeitsmarktreformen, also von Hartz IV, stehen im Mittelpunkt aller Aufgaben. Sie sind aus meiner Sicht auch notwendig, denn sie müssen am Ende dazu führen, dass es dabei bleibt, eine einzige und kompetente Anlaufstelle für die Menschen zu haben, die einen Unterstützungs- und Hilfebedarf haben. Das heißt, die Betreuung und die Gewährung von Hilfen und Leistungen muss auch weiterhin aus einer Hand erfolgen.
Die Hartz-IV-Reformen müssen aber ebenfalls weiterentwickelt beziehungsweise bei Ihnen muss nachgebessert werden - je nach Sprachgebrauch. Auf jeden Fall hat der Arbeits- und Justizminister Uwe Döring recht - ein Justizminister sollte auch immer recht haben -, wenn er anmerkt, dass die weiter ansteigende Zahl von Klagen vor den Sozialgerichten gegen Hartz-IV-Bescheide nicht mehr zu akzeptieren ist.
Das fordert zum Handeln heraus.
Weit über 100.000 neue Klagen vor den Sozialgerichten im letzten Jahr begegnet man nicht mit dem ständigen Einstellen von neuen Sozialrichterinnen und Sozialrichtern, sondern mit der konsequenten Überarbeitung der Gesetzgebung. So wäre es sinnvoll, wenn endlich bundesweit einheitlich festgelegt
würde, was bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern als angemessener Wohnraum gilt.
Auch die Lebenssituation von Menschen, die trotz Berufstätigkeit auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, gilt es zu überprüfen. Der größte Teil dieser sogenannten Aufstocker arbeitet in Teilzeit, weil das größte Hemmnis, sich eine Vollzeitstelle zu suchen, die Anrechnungssummen für Geringverdiener bei gleichzeitigem ALG-II-Bezug sind. Der Grundfreibetrag liegt bei 100 €. Von jedem zusätzlich verdienten Euro bleiben nur 20 % bei den Menschen, die arbeiten. Ab 800 € sind es sogar nur noch 10 %. Dies motiviert nicht. Diese Regelung bedarf ebenfalls der Überarbeitung. Am besten wäre ein gesetzlicher Mindestlohn, denn dieser würde an dieser Stelle für die größte soziale Gerechtigkeit sorgen.
Wer ist überhaupt hilfebedürftig? Wie definiert sich eine Bedarfsgemeinschaft? Ist die Wohnung zu teuer oder unangemessen groß? Ist eine Sanktion gegen Leistungsbezieher rechtens, die sich nicht an Meldeauflagen gehalten haben oder die sich nicht ausreichend um einen Arbeitsplatz bemüht haben? Dies ist nur eine Auswahl von Stichworten, die zu Klagen vor den Sozialgerichten führen. Über diese Klagen muss oft im Eilverfahren entschieden werden. Es eilt fast in jedem Fall, denn wer vor das Sozialgericht geht, hat im Regelfall keine finanziellen Rücklagen. Wenn jeder dritte Kläger Recht bekommt, bleibt auch festzuhalten, dass fehlerhafte oder schlampige Bescheide ebenfalls zur Antragsflut bei den Sozialgerichten beitragen.
All dies wird von einer Arbeitsgruppe der Justizminister aufgearbeitet und hoffentlich werden praktikable, einfache und nachvollziehbare Lösungsansätze gefunden, sodass Arbeitssuchende weiterhin nicht nur Leistungen aus einer Hand erhalten, sondern auch von kompetenten und möglichst fehlerfrei arbeitenden Ansprechpartnern betreut werden, die sich auf eindeutige, klare Regelungen stützen können.
Aus meiner Sicht gilt es nun, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Justizminister nicht nur abzuwarten, sondern auch sehr genau zu überprüfen, was uns vorgeschlagen wird. Ich finde im Übrigen, dass es nicht schadet, wenn wir uns auch selber ein paar Gedanken machen. Warum sollten wir uns im Sozialausschuss - ich gehe davon aus, dass der So
zialausschuss nach der Überweisung für diesen Antrag zuständig sein wird - nicht einmal mit dem Präsidenten des Landessozialgerichtes, Herrn Stoll, oder auch einmal mit der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten, Frau Wille-Handels, zusammensetzen? Wir könnten dann darüber sprechen, welche Gesetze im Detail zu ändern wären. Ich glaube, dass es - wie im Antrag der Grünen vorgesehen - mit der Abschaffung einer Bedarfsgemeinschaft schlicht und einfach nicht getan ist, weil die Problemlage aus meiner Sicht dann noch größer wird. Nur deshalb, weil es eine Bedarfsgemeinschaft nicht gibt, muss der Bescheid schließlich nicht fehlerfrei sein. Wir müssen dies umfassender sehen. In diesem Sinne sollten wir im Sozialausschuss weiter über den Antrag beraten. Ich plädiere für Überweisung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut vorliegendem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden sicherzustellen, dass die ARGEn in Schleswig-Holstein die Antragsberechtigten
umfassend beraten. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern, dafür zu sorgen, dass die ARGEn an Antragsteller vor der möglichen Leistungsgewährung schon mal Geld auszahlen. Der Landtag soll die Landesregierung auffordern zu klären, dass in begründeten Einzelfällen durch die ARGEn Ermessenspielräume genutzt werden, und so weiter.
Ich glaube, dass man da festhalten muss: Ja, wir alle sind dafür, dass Menschen umfassend und vernünftig beraten werden. Nur, das entscheiden nicht wir hier im Landtag. Ich finde, es ist schwierig, die Landesregierung aufzufordern, dies entsprechend umzusetzen. Aber es bleibt festzuhalten: Natürlich ist es schwierig, sich in diesem Dschungel von Antragstellungen und verschiedenen Ämtern zurechtzufinden. Aber sich in die Umsetzung, wie und mit welchen Ermessenspielräumen vor Ort entschieden wird, einzumischen, das geht nicht, meine ich. Darum ist es gut, dass dieser Antrag - das hat der Kollege Geerdts auch schon gesagt - noch weiter im Ausschuss beraten wird.
Ich finde es auch schwierig, wenn der Antrag suggeriert, dass wir entsprechend Einfluss auf die anderen Gebietskörperschaften nehmen können. Die Kommunen gewähren unabhängig davon auf freiwilliger Basis Betroffenen auch finanziellen Ausgleich in Notsituationen. Wenn wir hier festlegen wollten, wie die Kommunen bestimmte Rabatte oder Vergünstigungen zu ordnen haben, würden wir auch auf der falschen Baustelle arbeiten.
Von daher habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Antrag, den die Fraktion der Grünen heute vorgelegt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nach wie vor enttäuschend, dass die Kindergelderhöhung von zehn beziehungsweise 16 € nicht bei Familien im SGB-II-Bereich zum Tragen kommt. Der Einsatz der Landesregierung, eine Übergangslösung bei der Bundesregierung zu erreichen - Kollege Geerdts hat es angesprochen -, ist ebenso zu begrüßen wie der beharrliche Einsatz für einen eigenständigen kinderspezifischen Regelsatz. Der Einsatz der Sozialministerin hat unsere Unterstützung. Der Bundesrat hat diese Initiative am Freitag letzter Woche aufgegriffen. Das macht Hoffnung auf eine baldige sachgerechte Lösung zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern.
Wir wissen, dass die Situation von Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, auch stark davon abhängt, wie gut die ARGEn ihre Arbeit machen. Das
haben wir im Landtag schon oft erörtert. Wir sollten im Bund und ebenso auf Landesseite sicherstellen, dass die ARGEn alle Voraussetzungen wahrnehmen, um die Situation von Arbeitslosen zu verbessern.
Genau hier setzen die neuen Regelungen an, die am Freitag letzter Woche beschlossen worden sind. Die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat der Bundestag am 5. Dezember verabschiedet. Mit diesem Gesetz wird es zum Beispiel leichter, pragmatisch mit den Bedarfen von Arbeitslosen umzugehen. Ein gutes Beispiel ist das des Lagerarbeiters, dem empfohlen wird, in Schlips und Kragen zum Vorstellungsgespräch zu gehen. Er besitzt aber keinen Schlips und Kragen. Diesem Mann ist mit einer unbürokratischen Hilfe für Vorstellungsbekleidung gut geholfen. Genau so etwas ist nach dem neuen Gesetz möglich.
Oder denken Sie an den neuen Rechtsanspruch auf das Nachholen eines Hauptschulabschlusses. Das wäre konkrete Hilfe. Sie wird gerade denjenigen zugutekommen, die schon häufiger im Leben die Erfahrung gemacht haben zu scheitern. Auch für die Bildungsträger ist dieser Rechtsanspruch eine neue Herausforderung. Daher steht für uns nach wie vor im Mittelpunkt: Die Arbeitsvermittlung ist an erster Stelle zu sehen, bevor wir uns auf die anderen Bereiche mit der Arbeitsgesetzgebung konzentrieren.
Weitere konkrete Hilfen kommen direkt den Familien zugute: Familien mit Kindern bekommen mehr Geld. Das Kindergeld wird erhöht. Und mit der Kombination aus Kinderzuschlag und Wohngeld werden rund 250.000 Kinder von dem Bezug von Arbeitslosengeld II unabhängig. Das Schulbedarfspaket in Höhe von 100 € pro Schuljahr ist auch eine richtige Entscheidung, wenngleich ich mir gewünscht hätte, dass es auch für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe gilt, denn wir wollen ja auch die Bildungsgerechtigkeit verbessern. Hier bleibt die Hoffnung auf die Bundesratssitzung am 19. Dezember. Für eine Korrektur dieser Entscheidung hat die Landesregierung, Herr Arbeitsminister, die volle Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion. Denn es bleibt dabei: Der Geldbeutel der Eltern darf nicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kind eine weiterführende Schule besucht oder nicht.
Das ist reale Politik, eine Politik, die unterstützt, wo Hilfe notwendig ist, die Chancen, auch zweite
Chancen, eröffnet und sich im Interesse der Betroffenen weiterentwickelt.
Ich freue mich darauf, dass wir dieses Thema noch einmal im Ausschuss behandeln, denn über soziale Gerechtigkeit kann man nicht oft genug sprechen. Nur eines ist noch besser: sie umzusetzen. Und genau das wird mit den neuen Gesetzen, die am 5. Dezember beschlossen worden sind, versucht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was beschließen wir heute? - In einfacher Sprache würde ich das so ausdrücken: Erstens. Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung soll sich besonders um die Angelegenheiten von Menschen mit Behinderung kümmern.
Zweitens. Der Landesbeauftragte soll dafür sorgen, dass es Menschen mit Behinderung nicht schlechter geht als anderen. Und mit der Gesetzesänderung von heute kümmert sich der Landesbeauftragte im Auftrag des Landtages um die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein.
Drittens. Der Landesbeauftragte ist die Person, an die sich die Menschen mit Behinderung und die Behindertenverbände wenden können, wenn sie Probleme haben.
Viertens. Das ist gut für die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein.
Dies ist mein Versuch, in einfacher Sprache unsere heutige Gesetzesberatung zu erklären. Darüber hinaus will ich aber betonen, dass mit der heutigen Änderung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung gestärkt wird. Der Landesbeauftragte wird in Zukunft noch entschiedener darauf hinwirken können, dass in SchleswigHolstein gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen werden. Der Landesbeauftragte kann nun direkt auf die politischen Entscheidungen des Landtages einwirken und unsere Gesetzgebung aktiv begleiten.
Aber nicht nur unsere Gesetzgebung hat Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung, sondern auch allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen können erhebliche Auswirkungen haben. Diese Entwicklungen wird der Landesbeauftragte wie bis
her beobachten, analysieren und diskutieren und dem Landtag in Zukunft direkt berichten. Dies ist ein Anliegen, das wir aus der Anhörung aufgenommen haben.
Der Landesbeauftragte wird auch in Zukunft eine Anwaltsfunktion für die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein haben. Er wird auch weiter mit Praxistipps behilflich sein und Menschen bei der Eingliederung in Gesellschaft und Beruf unterstützen. Und überall, wo es auch in unserem Bundesland noch notwendig ist, wird er um Solidarität und um Verständnis für die Situation von Menschen mit Behinderung werben. Diese Aufgabe wird bisher ganz hervorragend von Ulli Hase geleistet, und wir wollen, dass Ulli Hase und sein Team diese Arbeit auch in Zukunft fortsetzen können.
Für die SPD-Landtagsfraktion soll der bisherige Landesbeauftragte mit seinem Team auch weiterhin die Aufgabe des Landesbeauftragten unter „neuem Dach“ wahrnehmen. Darum sollten wir die Wahl hier im Landtag möglichst rasch vornehmen; einen entsprechenden Artikel, um dieses sicherzustellen, haben wir in das Landesbehindertengleichstellungsgesetz eingefügt.
Unsere heutige Entscheidung, die unabhängige Stellung des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung zu stärken, sollte auf kommunaler Seite als Signal verstanden werden, dass auf kommunaler Ebene ebenfalls die Rechte und Einflussmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung gestärkt werden.
Wir brauchen auf kommunaler Ebene mehr Beauftragte und Beiräte für Menschen mit Behinderung. Wir brauchen ein Mehr an Einflussmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung, damit Barrieren überall abgebaut werden und es zumindest weniger Ungleichbehandlung gibt.
Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung muss auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen aktiv gefördert werden. Hierzu gehört auch der umfassende Ansatz der Inklusion, den die Landesregierung fördert und in vielen Veranstaltungen ins Land getragen hat. In der nächsten Woche wird der „5. Dialog: Inklusion“ stattfinden und sich mit dem Thema Arbeit für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein beschäftigen beziehungsweise präziser formuliert - die Forderung „Arbeiten dort, wo andere auch arbeiten“ in den Mittelpunkt stellen.
Mit der Diskussion um die Leitorientierung Inklusion hat die Landesregierung die Interessen und Anliegen von Menschen mit Behinderung wieder stärker in den Blickpunkt gestellt und Veränderungen in allen Bereichen angeschoben. Es ist gut, dass wir in Schleswig-Holstein wieder mehr und verstärkt über die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung reden und dass wir auf ihre Anliegen sensibel eingehen, dass wir umfassende Barrierefreiheit einfordern und uns für die Integration von Menschen mit Behinderung stark machen.
Eine moderne, eine inklusive Politik für Menschen mit Behinderung verbindet professionelles Handeln und ehrenamtliches Engagement von Bürgerinnen und Bürgern - eine Politik, die immer davon bestimmt sein muss, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt und selbstständig über ihre Geschicke entscheiden können.
Ich darf mich bei allen an dieser Gesetzesänderung Beteiligten für die Diskussion und Unterstützung bedanken. Dieser Dank schließt auch ganz besonders den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages ein. Einen Dank richte ich auch an alle Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuss dafür, dass wir diese Gesetzesänderung in unserer letzten gemeinsamen Sozialausschusssitzung auf den Weg gebracht haben. Das war zu Beginn nämlich nicht selbstverständlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es noch einmal mit einfacher Sprache zu versuchen und meine Rede damit auf den Punkt zu bringen: Wir wollen erreichen, dass mehr für gleiche Rechte von Menschen mit und ohne Behinderung getan wird, dass Menschen mit Behinderung über sich selbst bestimmen und nicht andere. „Nicht ohne uns - mit uns!“, ist ein Schlagwort aus der Diskussion. Und wir wollen erreichen, dass sich Ulli Hase noch besser für Menschen mit Behinderung in unserem Land einsetzen kann.
Herr Kollege Garg, ist Ihnen bewusst, dass es nicht nur darum geht, durch Beratung in Pflegefällen direkt zu helfen, sondern durch diese Beratung auch Pflegefälle zu vermeiden oder auch Menschen zu helfen, zum Beispiel länger in der häuslichen Umgebung zu bleiben, bevor man in eine stationäre Einrichtung wechselt, und dass dies auch Effekte sind, die direkt bei den Menschen ankommen?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dokumentation des runden Tisches, den die Sozialministerin zu Gesprächen mit ehemaligen sogenannten Fürsorgezöglingen einberufen hat, ist eine beklemmende Lektüre. Diese Dokumentation zeigt ein Thema auf, das lange Zeit mit einem Tabu belegt war. Die Menschen können sich heute kaum noch vorstellen, dass solche Geschehnisse in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Realität waren. Die Fürsorgeerziehung der 50er- bis 70erJahre ist eindeutig ein dunkler Fleck in unserer Geschichte.
Aus heutiger Sicht ist es nahezu unfassbar, aus welchen Gründen junge Menschen in solche Einrich
tungen weggesperrt werden konnten. Instabile Familienverhältnisse, besonders die uneheliche Geburt von einem Drittel der Insassen, die damals ja nicht nur als Makel für die Mutter, sondern auch für das Kind galt, waren offensichtlich dafür eine Voraussetzung. Wenn noch jugendtypisches Verhalten dazukam, auf das wir heute sehr differenzierte pädagogische Antworten haben, war es offensichtlich möglich, junge Menschen in Fürsorgeerziehung einzuliefern. Wohlgemerkt: Das waren nicht etwa Jugendliche, die schwerste Gewalttaten begangen hatten, sondern es waren Jugendliche, die in ganz normaler Weise auffällig wurden.
Mit dem Film „In den Fängen der Fürsorge“ hat das ZDF dies in beklemmender Art und Weise dokumentiert. Einschüchterung und Quälerei, Psychoterror und Gewalt werden in Fürsorgeheimen in Glückstadt und quer durch die Bundesrepublik geschildert. Was allein durch eine solche Art der Behandlung an Traumatisierungen bei einem jungen Menschen verursacht wird, mag man sich kaum ausmalen. Der SPD-Abgeordnete Erwin Lingk bezeichnete anlässlich eines Besuches des Ausschusses für Volkswohlfahrt am 19. August 1969 die in Glückstadt angewendete Form der Jugendfürsorge als verdeckten Strafvollzug statt Erziehung und setzte sich gegen den Widerstand des damaligen liberalen Sozialministers Eisenmann für eine Schließung der Einrichtung ein.
Ein wesentlicher Punkt der damaligen sogenannten Fürsorge war Erziehung durch Arbeit. In der Regel war es erzwungene Arbeit, die nicht der beruflichen Qualifizierung der jungen Menschen diente und bei der Bildung und Ausbildung grundsätzlich nicht stattfanden. Das Fürsorgeheim im Glückstadt hat hier offensichtlich eine ganz besonders finstere Rolle gespielt.
Mir ist persönlich selten so deutlich geworden, dass die berühmte Formulierung aus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Willy Brandt „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ mehr war als bloße Rhetorik. Sie beinhaltete auch die Forderung nach einem Bruch mit autoritären Traditionen. Wie kann man junge Menschen, die Probleme in ihrer sozialen Entwicklung haben, in ein derart abschreckendes Gebäude einsperren, wie es in Glückstadt geschah, ein Gebäude, das nicht nur eine traurige Vergangenheit als Zwangsarbeitshaus hatte, sondern das in den Jahren 1933 und 1934 sogar als sogenanntes wildes Konzentrationslager der Nazis genutzt wurde? Diese Einschüchterungsarchitektur wurde noch durch Personal ergänzt, das darauf trai
niert war, junge Menschen nicht aufzubauen, sondern sie zu brechen.
Selbstverständlich gilt auch im Falle solcher Beschuldigungen die Unschuldsvermutung. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass es in Jugendbetreuungseinrichtungen aller Art, insbesondere dann, wenn die sogenannten Betreuer allmächtig sind und die Jugendlichen ihnen ausgeliefert sind, immer wieder gerade Gewalttätige oder auch Pädophile sind, die dort eine Beschäftigung suchen.
Wir im Landesparlament, aber auch alle im Jugendhilfebereich tätigen Träger in kirchlichem oder staatlichem Auftrag müssen sich der Verantwortung für die Aufarbeitung der Geschehnisse in diesen Einrichtungen stellen. Demütigungen, Missachtung von Würde und Verletzung von Menschenrechten gilt es zu erkennen und aufzuarbeiten, wenn man die Opfer nicht erneut demütigen will.
Es hat im Vorfeld der heutigen Sitzung eine Vielzahl von Gesprächen gegeben und ich glaube, wir haben eine vernünftige Lösung gefunden. Wir wollen mit einem interfraktionellen Antrag die Landesregierung um einen Bericht bitten. Den Entschließungsantrag der Grünen möchten wir federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Innenausschuss überweisen. Wenn uns der Bericht der Landesregierung vorliegt, wollen wir uns darum bemühen, eine gemeinsame Entschließung zu erarbeiten.
Der Petitionsausschuss des Bundestages hat in seinem Bericht aus diesem Jahr angekündigt, zu einer gemeinsamen und parteiübergreifenden guten Lösung kommen zu wollen. Das ist ein gutes Signal auch für unsere weitere Diskussion, wenn wir das Thema ehemalige Heimkinder aufarbeiten wollen.
Es bleibt festzuhalten: Wir stehen in einer Diskussion, die auf Bundesebene geführt werden muss, da in der Fürsorgeerziehung, ob nun unter konfessioneller oder staatlicher Aufsicht, in dieser Zeit erhebliche Missstände aufzuarbeiten sind. Für meine Fraktion und mich will ich hier und heute sehr deutlich sagen: Es ist erschütternd, die Berichte zu lesen und die Schicksale wahrzunehmen. Die betroffenen Menschen haben unser Mitgefühl und wir haben die Verpflichtung, ihre Schicksale aufzuarbeiten und zu helfen. Ich danke Frau Ministerin Trauernicht ganz besonders dafür, dass sie die Initiative bezüglich des runden Tisches und zur weiteren Aufarbeitung der Geschehnisse in Glückstadt ergriffen hat.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten macht erneut deutlich, dass die Institution der Bürgerbeauftragten notwendig und wichtig ist. Die hohe Zahl von 83,6 % positiv abgearbeiteter Eingaben zeigt: Die Bürgerbeauftragte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten kompetente und wirksame Hilfe und Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Frau Wille-Handels, Ihnen und Ihrem Team ein herzliches Dankeschön für die geleistete Arbeit!
Lassen Sie mich an dieser Stelle bekennen: Wir, die SPD-Landtagsfraktion, sind sehr froh, dass Sie Ihre erfolgreiche Tätigkeit in Schleswig-Holstein auch in den nächsten Jahren fortsetzen werden.
Die Bürgerbeauftragte hat selbst die Probleme mit dem Sozialgesetzbuch II - Hartz IV - als Schwerpunkt der Petitionen herausgestellt. Die Eingaben, Fragen und Beschwerden in diesem Bereich wiesen im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um allein 28 % aus. Dieser Anstieg der Eingaben zum Sozialgesetzbuch II ist besorgniserregend und zeigt, dass sich die Qualität der Leistungserbringung bei den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen erheblich verbessern muss.
Bei den anstehenden Veränderungen in der Organisation der Umsetzung des Sozialgesetzbuches II muss stärker als bisher auf die Hilfe aus einer Hand gesetzt werden Transparente und nachvollziehbare Leistungsentscheidung müssen im Vordergrund stehen. Jede bundesgesetzliche Regelung
muss diese Eckwerte, muss passgenaue Hilfe sowie eine zügige, transparente und möglichst einfache Leistungsgewährung zur Grundlage haben. Dies gilt es, auf Bundesebene aber auch auf kommunaler Ebene einzufordern. In den Arbeitsgemeinschaften und Optionsgemeinschaften wird eben nicht nur über die Arbeitsfähigkeit, über das Fördern und Fordern bei der Integration in den Arbeitsmarkt entschieden, sondern es wird auch über die Zumutbarkeit von Wohnungen und die Gewährung zusätzlicher Hilfen entschieden. Gerade bei der Zumutbarkeit von Wohnraum oder bei der Gewährung zusätzlicher Hilfen werden mögliche Entscheidungsspielräume nicht oder nur sehr begrenzt genutzt. Der Bericht der Bürgerbeauftragten zeigt die Mängel hier deutlich auf.
Es bleibt festzuhalten: Wer Armut und Perspektivlosigkeit bekämpfen will, muss Hilfebedürftigkeit abbauen. Um Armut und Perspektivlosigkeit zu überwinden, bedarf es aber im Regelfall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.
Dies steht im Vordergrund der Aktivitäten und darf nicht durch Verweigerung von Unterstützungsleistungen oder sonstiger Hilfe konterkariert werden.
Die künftige Organisation der Grundsicherung muss die Voraussetzung dafür verbessern, dass die Ziele des Konzeptes „Fördern und Fordern“ für die betroffenen Menschen besser als bisher erreicht werden. Mit der notwendigen Neuorganisation der Leistungsgewährung nach dem SGB II besteht hier die Chance, nicht nur das Organisatorische verfassungsrechtlich abzusichern und zu gestalten, sondern auch die Leistungsgewährung besser an den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren sowie notwendige Leistungsverbesserungen gerade vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und Lebensmittelpreise vorzunehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt im Bericht der Bürgerbeauftragten ist die Eingliederungshilfe. Probleme beziehungsweise Eingaben zum Thema Eingliederungshilfe tauchen immer wieder in den unterschiedlichsten Bereichen des Berichtes auf. So wird unter dem Kapitel „Sozialhilfe“ dargestellt, dass seelisch behinderte Bewohner einer vollstationären Eingliederungshilfeeinrichtung Therapiebeziehungsweise Motivationsgelder gestrichen bekommen. Diese 30 bis 150 € monatlich waren gestrichen worden, weil sie eine rein freiwillige Leistung waren, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Dieses Vorgehen ist genauso unverständlich wie die Strei
chung von heilpädagogischen Leistungen für Kinder in Kindertagesstätten.
Im Bereich des Behinderten- und Schwerbehindertenrechts ist ein Anstieg der Eingaben um 12 % zu verzeichnen. Dies macht deutlich, dass gerade in dem Bereich der Menschen mit Behinderung immer noch viele verschiedene und ungenaue Auslegungen von sozialgesetzlichen Ansprüchen bestehen und vermehrter Handlungsbedarf bei der Gestaltung der Eingliederungshilfe vorhanden ist. Gerade vor dem Hintergrund der Kommunalisierung müssen wir darauf achten, dass diese Ansprüche der Menschen nicht zu kurz kommen.
Dem Thema „persönliches Budget“ widmet die Bürgerbeauftragte ein eigenes Kapitel. Das persönliche Budget, das Menschen mit Behinderung individueller unterstützen soll, ist noch weitgehend unbekannt. Von den Hilfesuchenden wird bemängelt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden noch nicht oder gar nicht über die Inhalte der Regelungen des persönlichen Budgets geschult sind. Das persönliche Budget, das die Selbstständigkeit und Individualität der Menschen stärken und unterstützen soll, wird oft nicht beantragt, weil die Hilfesuchenden die Vor- und Nachteile nicht richtig abschätzen können und die Beratung und Leistungsgewährung noch völlig unzureichend sind.
Kollegin Franzen hat es schon gesagt, seit dem 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch darauf. Im Sozialgesetzbuch ist diese Regelung des persönlichen Budgets aber schon seit vielen Jahren als freiwillige Leistung verankert. Man muss festhalten, es ist wirklich Schindluder getrieben worden, indem man nicht dafür gesorgt hat, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden entsprechend geschult sind und indem kein Wert darauf gelegt worden ist, diese passgenaue Hilfe für Menschen mit Behinderung zum regulären Hilfesystem weiterzuentwickeln. Hier besteht weiterhin viel Handlungsbedarf. Die Aufforderung der Bürgerbeauftragten, Information und Beratung zum persönlichen Budget intensiver und umfassender zu gestalten, kann nur voll unterstützt werden.
Im weiteren Bericht der Bürgerbeauftragten geben die Einzelfälle wie immer einen sehr direkten Blick auf die Fragestellung und auf die Probleme, die Menschen mit den sozialen Sicherungssystemen haben. Diese Einzelfälle zeigen sehr deutlich, wie not
wendig Hilfen und Unterstützung in vielen Fällen ist.
Der Bericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2007 macht erneut deutlich, wie wichtig die Einrichtung der Bürgerbeauftragten ist. Die Aussage von Frau Wille-Handels zu den Problemen und Eingaben, die das SGB II betreffen, sind eindeutig:
„Der Anstieg der Eingaben ist erschreckend. Insbesondere die deutliche Zunahme von Beschwerden im Bereich Sozialgesetzbuch II wirft ein schlechtes Bild auf die betroffenen Behörden. Es zeigt sich, dass sich die Probleme in diesem Bereich verfestigt haben.“
Dieses Zitat macht deutlich, dass wir in der Realität noch sehr weit entfernt davon sind, die Langzeitarbeitslosigkeit durch eine enge Verknüpfung von Arbeitsvermittlung, Fallmanagement und sozial integrativen Maßnahmen wirksam zu bekämpfen.
Das Ziel muss sein, Dienste und Hilfen aus einer Hand zu gewähren, sodass sie koordiniert und aufeinander abgestimmt sind. Ziel muss es sein, bürgerfreundliche Verfahren mit klaren und nachvollziehbaren Bescheiden umzusetzen. Der Tätigkeitsbericht von Frau Wille-Handels gibt hier eindeutige und gute Vorgaben, über die wir im Sozialausschuss weiter vertiefend beraten sollten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast eine halbe Million Menschen in SchleswigHolstein ist direkt betroffen, wenn wir davon reden, Politik für Menschen mit Behinderung zu gestalten. Mit Angehörigen, Eltern, Geschwistern, Familien und Freunden können wir behaupten, dass im näheren oder weiteren Umfeld fast jeder von uns ganz
direkt einen Menschen kennt, der von Behinderung betroffen ist. Dies macht deutlich: Es geht nicht nur darum, Politik für Menschen mit Behinderungen zu gestalten, sondern unseren Einsatz für den Abbau von Barrieren umfassend in allen Bereichen voranzutreiben. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen umfassend Teilhabe verwirklichen können. Ein Abbau beziehungsweise die Beseitigung von Barrieren gilt für Barrieren im Baubereich genauso wie für die barrierefreie Nutzung der Medien. Wir wollen eine uneingeschränkte barrierefreie Nutzung im öffentlichen Personennahverkehr und auch Teilhabe am Arbeitsleben.
Bezogen auf die direkte Förderung von Menschen mit Behinderung durch die Eingliederungshilfe haben wir im Zeitraum von 2002 bis 2006 einen Anstieg der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Eingliederungshilfe um fast 12 % und bei den Menschen, die auf stationäre Hilfe angewiesen sind, eine Steigerung von 6 % zu verzeichnen. Dies macht deutlich, dass die stationäre Hilfe nach wie vor einen großen Anteil an der Unterstützung von Menschen mit Behinderung einnimmt. Sie wird auch weiterhin ein Eckpfeiler bei der Unterstützung und Förderung von Menschen mit Behinderung bleiben.
Gleichzeitig wollen wir jetzt aber auch den mit dem Sozialgesetzbuch IX eingeleiteten Paradigmenwechsel bei den Leistungen für Menschen mit Behinderung umsetzen, das heißt im verstärkten Maße den Vorrang ambulanter vor stationärer Leistung umsetzen. Dies wird dazu führen, dass es einen vermehrten Bedarf an ambulanten Leistungsangeboten geben muss: ambulante Angebote, die dazu führen, dezentral in der gewohnten Lebensumgebung unterstützt zu werden beziehungsweise Hilfe zu bekommen; ambulante Angebote, die ebenfalls dazu führen, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Eine Feststellung, die, wie ich finde, auch selbstverständlich dazu gehört: Ambulante Hilfen müssen nicht immer die kostengünstigeren Hilfen sein.
Mit der Kommunalisierung der Eingliederungshilfe gehen wir in Schleswig-Holstein auf einem konsequenten Weg, um die Hilfen aus einer Hand zu erbringen und die Vernetzung verschiedener Leistungen zu erleichtern. Seit Anfang 2007 verfolgt die Landesregierung in der Weiterentwicklung der Politik für Menschen mit Behinderung das Konzept der Inklusion, ein Konzept, das die Verwirklichung und Umsetzung von Teilhabe in den Mittel
punkt stellt, ein Konzept, das ein wenig störrisch klang, aber in den letzten anderthalb Jahren dazu geführt hat, dass über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein in verstärktem Maße diskutiert wird und die Teilhabemöglichkeiten auf allen Ebenen gestärkt werden.
Es ist dabei sehr erfreulich, dass sich neben den großen Leistungserbringern, im Regelfall den Wohlfahrtsverbänden, und den Kostenträgern auf den kommunalen Ebenen in zunehmendem Maße auch Menschen mit Behinderung selbst und direkt an diesen Diskussionen beteiligen und ihre Rechte einfordern. Dies ist ein gewaltiger Schritt in der Diskussion, um die politischen Entscheidungen für Menschen mit Behinderung transparent und fortschrittlich zu gestalten. Wir, die SPD-Fraktion, unterstützen nachdrücklich den Kurs der Sozialministerin und des Sozialministeriums zur Umsetzung der Leitorientierung Inklusion.
Die Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ist ebenfalls in der Großen Anfrage angesprochen. Sie bleibt auch für die Zukunft ein Schwerpunkt in der Förderung von Teilhabe. Die Bundesagentur für Arbeit hat den überwiegenden Teil ihres Budgets für die berufliche Ersteingliederung von Jugendlichen aufgewendet, wobei auch hier festzuhalten ist, dass die Berufsausbildung behinderter Jugendlicher noch weitgehend in behindertenspezifischen Einrichtungen stattfindet. Auch in diesem Bereich sollte über verstärkte Maßnahmen der Integration und Inklusion nachgedacht werden.
Die Bundesagentur für Arbeit fördert aber auch die Integration schwerbehinderter Menschen ins Arbeitsleben und ihre Teilhabe, und zwar vorrangig mit Eingliederungszuschüssen, die sie den Arbeitgebern bei der Einstellung eines schwerbehinderten Menschen zur Verfügung stellen. Auch in diesem Bereich sollten wir dafür sorgen, dass Barrieren nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in den Köpfen von Arbeitgebern weiter abgebaut werden, damit Menschen mit Behinderung vermehrt in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden.
Als herausragendes Beispiel für eine weitsichtige Arbeitgeberhaltung beim Abbau von Barrieren ist die Firma Nissen Elektrobau in Tönning zu nennen. Die Firma wurde gestern für ihr beispielhaftes Agieren bei der Integration von Mitarbeitern mit Behinderung mit dem Integrationspreis des Landes ausgezeichnet. Ich gratuliere der Firma Nissen
Elektrobau in Tönning an dieser Stelle noch einmal herzlich!
Es bleibt für mich festzuhalten, dass Arbeit nicht nur einen hohen sozialen und ökonomischen Stellenwert hat. Arbeit bedeutet auch gesellschaftliche Anerkennung und Integration. Arbeit ermöglicht individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und schafft Kontakte zu Mitmenschen. Damit ist sie ein zentrales Element jeder Teilhabe an der Gesellschaft. Das persönliche Budget wird vor allem in den ehemaligen Modellkreisen Schleswig-Flensburg und Segeberg umgesetzt. Da das persönliche Budget, um zum Beispiel eine Persönlichassistenz oder direkte finanzielle Leistungen für sich einsetzen zu können, noch ein sehr neues beziehungsweise uneingeübtes Unterstützungsinstrument ist, sollten wir in absehbarer Zeit die Erfahrung mit dem persönlichen Budget erneut aufgreifen und auswerten. Ich glaube allerdings, dass das persönliche Budget die Eigenverantwortung und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft stärken wird. Dies sollten wir positiv begleiten.
Ich will noch einen weiteren Punkt der Großen Anfrage ansprechen, nämlich die Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung auf der kommunalen Ebene. Gefragt wurde, in welchen Kreisen und kreisfreien Städten es in SchleswigHolstein kommunale Behindertenbeiräte beziehungsweise Behindertenbeauftragte gibt. Hier sind die Landkreise Ostholstein und Segeberg hervorzuheben, weil sie einen Menschen mit Behinderung als Beauftragten im Landkreis haben. Der Kreis Schleswig-Flensburg hat ebenfalls einen Weg gefunden, um einen Beauftragten aus dem Kreis der aktiven Organisationen von Menschen mit Behinderung zu benennen. In Kiel gibt es einen Beirat, wobei dort der Vorsitzende als Beauftragter gilt. In Flensburg ist eine Beauftragte durch die Stadt benannt, und in der Hansestadt Lübeck gibt es einen Sprecherrat, der die Aufgaben eines Beirats für die Stadt wahrnimmt.
Das heißt, in gut 20 der über 1.000 Städte und Gemeinden Schleswig-Holsteins sind kommunale Beauftragte oder Beiräte auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und mit variierenden Aufgabenbeschreibungen tätig. Ich finde, dies ist dann, wenn wir von Teilhabe und von dem Abbau von Barrieren reden, eindeutig zu wenig. Wir sollten
überlegen, wie wir mehr Beauftragte oder kommunale Beiräte für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein bekommen.
Wir sollten in diesem Zusammenhang auch darüber beraten, ob wir nicht ähnlich wie bei der Gemeindeordnung in der Frage der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auch darüber diskutieren sollten, ob wir den Kommunen eine stärkere Verpflichtung zur Bildung von kommunalen Behindertenbeiräten oder -beauftragten auferlegen.
Abschließend will ich mich bei der CDU-Fraktion und dort besonders bei der Kollegin Heike Franzen für die Große Anfrage bedanken. Mein Dank gilt aber auch dem Sozialministerium für die Beantwortung. Die Beantwortung dieser Großen Anfrage zur Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein macht deutlich, dass die Entwicklung eines Gesamtkonzepts zur Politik für Menschen mit Behinderung zu den Schwerpunkten der Regierungsarbeit gehört. Mit der Diskussion über die Leitorientierung Inklusion ist eine lebendige und sehr spannende Diskussion über die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein eröffnet worden. Das ist gut so.
Die Diskussion beziehungsweise den Briefwechsel mit den kommunalen Landesverbänden über die Beantwortung der Großen Anfrage will ich nicht weiter aufgreifen. Ich sage nur so viel: In einem Schreiben vom 23. April 2008 bieten die kommunalen Landesverbände den Fraktionen baldmöglichst ein Gespräch an. Ich finde, wir sollten dies aufgreifen, denn es ist immer besser, man redet miteinander und nicht übereinander. Das Ziel, nämlich die Schaffung von Rahmenbedingungen, die sich vom tradierten Fürsorgegedanken lösen und allen Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, wird von der SPD Fraktion umfassend unterstützt.
Herr Kollege Garg, geben Sie mir Recht, dass es einen Unterschied zwischen einer kurzfristigen Arbeitsmarktmaßnahme und einer Geschäftsidee, die darauf aufbaut, Menschen so gering zu bezahlen, dass sie staatliche Zuwendungen in Anspruch nehmen müssen, gibt?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig, richtigzustellen, dass die Fraktionen von Rot-Grün nicht erst jetzt, sondern schon weit vor dem Jahr 2005 angefangen haben, sich für Mindestlöhne einzusetzen. Der Kollege Weber hat es eben gesagt. Das Entsendegesetz, das dies für bestimmte Branchen regeln soll, besteht schon länger. Mindestlöhne sind aber nicht nur eine Erfindung von Rot-Grün. Vielmehr werden Mindestlöhne in der Wirtschaft - zum Beispiel in der Baubranche - von den Unternehmen und von den Arbeitnehmern gemeinsam getragen. Im Baubereich sind wahrlich nicht alles Sozialisten, die dort Unternehmen haben.
Der verbindliche Tariflohn ist im Osten und im Westen Deutschlands noch unterschiedlich. Der verbindliche Tariflohn regelt jedoch, dass man den Wettbewerb organisiert und dass man sich nicht mit Billigarbeitskräften gegenseitig kaputt konkurrieren will. Das ist zumindest im Baubereich tariflich geregelt. Überall dort, wo das nicht tariflich geregelt wird, wollen wir tarifliche Regelungen haben. Wenn das aber nicht geht, dann soll es einen Mindestlohn geben. Den organisieren wir im Moment, und zwar auch gemeinsam mit den Kollegen der Großen Koalition in Berlin, indem wir das Entsendegesetz geöffnet haben. Weitere acht Branchen mit über 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen dieses Entsendegesetz an, weil man das in diesen Unternehmen so will. Das zeigt, dass wir das brauchen. Das zeigt, dass das richtig
und notwendig ist. Daher glaube ich, dass die Große Koalition in Berlin hier gute Arbeit leistet.
Ich beziehe mich nun noch einmal auf die Arbeitsmarktreform, da man die Dinge hier fröhlich durcheinander würfeln kann. Warum haben wir bis 1998 auf kommunaler Ebene Beschäftigungsgesellschaften aufbauen müssen? Warum haben wir bis 1998 regionale Arbeitsmarktprogramme - wie Sie auch der Kollege Garg mit ASH I, II und III aufgezählt hat - entwickeln müssen? Wir mussten dies tun, weil man sich bis 1998 unter der Mitverantwortung der liberalen Partei in der Bundesregierung auf Bundesebene überhaupt nicht um die Arbeitsmarktpolitik gekümmert hat. Man hat den Kommunen alles überlassen. Man hat nichts gemacht, und da waren Sie in der Verantwortung. Sie als FDP waren mit der größte Bremser in dieser Frage.
Dann war es notwendig, kommunal und regional gegenzusteuern. Das haben wir in Schleswig-Holstein, wie ich glaube, gut auf die Reihe gekriegt. Unsere Arbeitsmarktpolitik hat sich sehen lassen können. Die Ergebnisse, die wir heute im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu verzeichnen haben, auch was die Zusammenarbeit im Rahmen der Große Koalition hier in Kiel angeht, sind meines Erachtens vernünftig. Die Reden von der FDP sind Ausdruck populistischer Schauspielerei. Das hat sehr viel von Gregor Gysi; das gebe ich zu. Da passen Sie zusammen. Das ist auch in Ordnung. Das, was Sie geliefert haben, war aber nicht von Sachkenntnis und von dem Willen, am Arbeitsmarkt Fortschritte zu erzielen, gekennzeichnet.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Gedanken noch zu dieser Diskussion um das UK S-H. Ich glaube, wenn man die Geschichte und die Entwicklung der letzten Monate betrachtet, kann man festhalten, dass eine Sanierung beziehungsweise ein Umsteuern in einem Gebilde wie dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein nicht ohne die Beschäftigten geht. Wer also erfolgreich sein will - und wir wollen, ja müssen erfolgreich sein -, was die finanziellen Rahmendaten, aber auch die medizinische oder Versorgungssituation am UK S-H für das Land Schleswig-Holstein anbelangt, der kann dies nur mit den Beschäftigten gestalten und muss diese auf dem Weg mitnehmen.
Verunsicherung und Konflikte sind da nicht hilfreich. Deswegen ist es gut, dass mit dem Tarifabschluss auch Planungssicherheit gegeben ist. Ich finde aber auch, dass bei diesen Beschlüssen der Landesregierung Planungssicherheit gegeben ist. Anzunehmen, dass gerade vor dem Hintergrund der uns allen bekannten Konflikte ein Zusammenführen und Zusammenwachsen des UK S-H an den Standorten in Lübeck und in Kiel mal eben schnell gemacht werden kann, kann auch nicht richtig sein. Nun weiß ich nicht, ob drei Jahre zu lang oder zu kurz sind. Das will ich gar nicht bewerten. Aber ich glaube, es ist richtig, Zielvorgaben zu machen, an denen man sich inhaltlich orientieren muss, wann dieses UK S-H zu einer wirklich einheitlichen und schlagkräftigen Aufstellung findet. Von daher sollten wir nicht darüber streiten, ob drei Jahre zu viel oder zu wenig sind.
Ein zweiter Gedanke, den ich aufgreifen will - Kollege Weber hat gestern schon darüber gesprochen -, ist unser Expertenhearing, in dem wir über die Frage Pflege und Patientenservice im Vorstand gesprochen haben. Was hier deutlich herüberkam, war die Stimmung, die uns von den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des UK S-H, die daran teilgenommen haben, herübergebracht worden ist, aber auch von Vertretern großer Unikliniken aus Rostok, Greifswald oder Hamburg, die ebenfalls an der Veranstaltung teilgenommen haben. Es kam zum Ausdruck, dass das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des UK S-H beschädigt ist und man jetzt dafür sorgen muss, dass dieses Vertrauen zurückgewonnen werden kann, dass dem UK S-H die Möglichkeiten gegeben wird, genau an dieser Stelle zu sagen: Jetzt haben wir das Fundament, und nun wird darauf aufgebaut. Wir brauchen die hohe Leistungsfähigkeit des UK S-H und des Klinikums in Schleswig-Holstein, weil es die beiden Häuser der Maximalversorgung sind, die wir haben. Wir brauchen sie und wollen sie auch haben, weil sie auch Ausstrahlung in viele andere Bereiche haben.
Die Gesundheitswirtschaft wäre in der Region Lübeck nicht denkbar, wenn es nicht ein leistungsfähiges UK S-H gäbe. Von daher ist es richtig, dass wir alle dazu beitragen, dass dieses unser Unternehmen erfolgreich und auch mit Vertrauen in der Bevölkerung seine Arbeit fortsetzen kann.
Ein dritter Gedanke, den die Kollegin Birk zu Anfang ihrer Rede aufgegriffen hat, der eigentlich gar nicht kommentiert zu werden brauchte, weil ich finde, Frau Birk, Sie sind da auf dem falschen Weg wir haben das schon x-mal auch in diesem Haus festgestellt -: Tarifverhandlungen führen Tarifpar
teien, und Politik ist schlau, wenn sie sich da heraushält. Ergebnisse mögen uns passen oder mögen uns nicht passen. Manchmal ist es auch schlau, wenn sich Politik vielleicht in Hintergrundgesprächen, in Sondierungsgesprächen äußert, aber die Verhandlungen führen die Beschäftigten und das Unternehmen, und das sollten wir immer und an jeder Stelle akzeptieren. Ich glaube - da gebe ich Ihnen in der Konsequenz dann recht -, die Beschäftigten haben gut verhandelt, und das Ergebnis ist für das Unternehmen wirklich auch ein Weg nach vorn. Deswegen: Im Ergebnis Zustimmung, aber die Kritik daran war unangebracht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem SGB II liegt das Konzept „Fördern und Fordern“ zugrunde. Damit soll neben der Sicherung des Lebensunterhalts die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft verbessert werden. Kernstück des Konzepts ist, dass Integrationshilfen für Langzeitarbeitslose individuell passgenau zugeschnitten werden müssen und eine intensive persönliche Beratung Voraussetzung des Erfolgs ist. Zudem sollen Dienste und Hilfen aus einer Hand gewährt werden, sodass sie koordiniert und aufeinander abgestimmt sind.
Es sollen Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen werden, die die Aufgaben beider Seiten in einem kooperativen Prozess regeln. Ein hoher Anteil der Hilfeempfänger ist seit mehreren Jahren ununterbrochen im Leistungsbezug. Fast die Hälfte der Neuantragsteller auf Leistungen der Grundsicherung waren in den vergangenen zwölf Monaten bereits Leistungsbezieher. Das bedeutet auch für uns, dass es gilt, bei dem sogenannten harten Kern von Langzeitarbeitslosen alle Anstrengungen zu unternehmen, um eine Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen.
Die künftige Organisation der Grundsicherung muss die Voraussetzungen dafür verbessern, dass die Ziele des Konzeptes „Fördern und Fordern“ für die betroffenen Menschen besser als bisher erreicht werden. Zugleich sind aber auch die bisherigen Erfahrungen und Erfordernisse für die Leistungsverbesserung zu berücksichtigen. Die Bundesregierung, die Bundestagsfraktionen, aber auch die Bundesagentur für Arbeit, wir mit unserer regionalen Arbeitsmarktpolitik und die Kommunen sind aufgefordert, im Zuge der erforderlichen Neuorganisation der Strukturen die folgenden Aspekte zu berücksichtigen - ich will einige wenige nennen -:
Erstens. Die Leistungen nach dem SGB II müssen auch in der Zukunft aus einer Hand und unter einem Dach gewährleistet werden.
Zweitens. Die Nachfolgeorganisation der ARGEn muss gesetzlich abgesichert und organisatorisch
eindeutig geregelt werden. Sie muss den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts unzweifelhaft entsprechen und damit langfristig Planungssicherheit für die neuen Strukturen gewährleisten, auch wenn dies neue gesetzliche Regelungen erfordert.
Drittens. Die fachliche Kompetenz der ARGE-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter darf auch in den neuen Organisationsstrukturen nicht verloren gehen.
Viertens. Langzeitarbeitslosigkeit kann nur durch eine enge Verknüpfung von Arbeitsvermittlung, Fallmanagement und sozial-integrativen Maßnahmen bekämpft werden. Die soziale Integration betrifft nicht nur die klassischen sozialen Leistungen wie Schuldnerberatung, Suchtberatung, Hilfe bei der Kinderbetreuung und so weiter, sondern auch die Arbeitsvermittlung, die Wirtschaftsförderung und die soziale Stadtteilentwicklung.
Fünftens. Die Finanzierung muss eindeutig und unterscheidbar geregelt sein. Der Bund steht weiterhin in der Verantwortung für die Finanzierung der Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit, die Kommunen dürfen dabei nicht zusätzlich belastet werden, im Gegenteil, die damals ausgehandelten finanziellen Entlastungen der Kommunen müssen weiter bestehen bleiben. Deswegen ist es auch zu kurz gesprungen, nur zu sagen: Wir wollen, dass der Bund den Kommunen das Geld für die Finanzierung gibt. Nein, es geht auch um die finanziellen Entlastungen, die den Kommunen mit dem Umsetzen der Hartz-Reform zugesagt worden sind.
Sechstens. Es gilt in diesem Prozess aber auch inhaltliche Anpassungen des SGB II zu diskutieren. So sollten zum Beispiel die Grundlagen der Regelsatzbemessung jährlich überprüft und angepasst werden, alle Anpassungsmechanismen der Regelsätze müssen jetzt zum Beispiel mit auf ihre Wirksamkeit und Zielerreichung überprüft werden. Weiter sollte auch das Verfahren über die Anspruchsberechtigung bei Kinderzuschlägen überprüft und vereinfacht werden.
Mit unserem Antrag wollen wir der Landesregierung insgesamt und ganz besonders dem Arbeitsminister vor der am 9. Mai 2008 stattfindenden Sonderkonferenz der Arbeits- und Sozialminister den Rücken stärken, um die bewährte Zusammenarbeit von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit weiterhin als Regelmodell umzusetzen, aber auch den beiden in Schleswig-Holstein arbeitenden Optionskommunen langfristig Planungssicherheit zu geben.
Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag „Hilfe aus einer Hand bei der Grundsicherung für
Arbeitsuchende“, dem sich jetzt auch die FDP angeschlossen hat. Dafür herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine moderne Politik für Menschen mit Behinderung verbindet professionelles Handeln mit dem ehrenamtlichen Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist aber immer an dem Leitgedanken orientiert, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt, selbstständig über ihre Geschicke entscheiden können. Wenn diese Selbstständigkeit und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt stehen, dann glaube ich, dass die Integration der Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft einen großen Schritt vorankommt. Heute stärken wir diesen Weg, indem wir den Beauftragten für Menschen mit Behinderung stärken. Das Amt des Beauftragten für Menschen mit Behinderung soll künftig direkt bei der Präsidentin oder bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages eingerichtet sein.
Ich sage auch: Unsere unterschiedlichen Entwürfe enthalten ja nicht nur unser eigenes Gedankengut, sondern wir haben uns dort erheblich vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtages helfen lassen, weil wir natürlich alle Schwierigkeiten haben, so etwas einfach in einem Guss zu formulieren. Von daher ist es nicht ganz richtig, hier große Differenzen aufzubauen, sondern das Fundament ist für beide Anträge gleich.
Zweitens möchte ich einwerfen: Wenn man über das Vorschlagsrecht streiten will, kann man das tun. Ich glaube aber, dass es richtig ist, zumindest mit den unterschiedlichen Verbänden auch zu diskutieren, in welcher Form man Beratung, Anhörung, Unterstützung für eine solche Wahl organisieren kann, denn ich glaube, es hilft auch nicht viel, einfach zu behaupten: Die Verbände haben ein Vorschlagsrecht. Es gibt sehr differenzierte Verbände auch in der Behindertenarbeit. Auch wenn es darum geht, nicht nur Verbände zu hören, sondern - wie eben ausgeführt - die Menschen mit Behinderung selbst ein Stück weit mitentscheiden zu lassen, um diese Prozesse zu organisieren, sollten wir uns zusammensetzen, sollten überlegen, was da geht, aber vielleicht auch festhalten, wenn es nicht geht, es vielleicht anders zu organisieren. Von daher glaube ich nicht, dass es nur einen Weg gibt, den man heute schon vor der Anhörung der Verbände und der Menschen mit Behinderung einfach so festschrei
ben kann. Also warten wir auf die Ausschussberatungen und die Anhörung in diesem Bereich.
Ebenfalls differenziert zu betrachten ist der Tätigkeitsbericht; darüber hat Kollegin Franzen schon gesprochen. Ein letzter Gedanke zu dieser Diskussion: Gerade wir sollten uns davor hüten - egal, in welcher Diskussion auch immer -, den Beauftragten für Menschen mit Behinderung zu instrumentalisieren, um damit zu beweisen, dass unsere eigene Meinung die richtige ist.
Es geht darum, die Menschen mit Behinderung und ihren Beauftragten zu stärken.
Wir wollen den Beauftragten zum Landtag übertragen. Wir stärken damit die Unabhängigkeit des Beauftragten für Menschen mit Behinderung. Wir stärken damit seine Möglichkeiten, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung zu unterstützen. Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung sowie die Beseitigung von Barrieren für Menschen mit Behinderung brauchen politisches Handeln, brauchen politische Unterstützung.
Politik für Menschen mit Behinderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann nur in gemeinsamer Verantwortung von Land, Kommunen, Verbänden, Einrichtungen und Betroffenen erfolgreich weiterentwickelt werden.
Mit der Gesetzesänderung wollen wir auch die unabhängige Stellung des Landesbeauftragten stärken. Wir wollen auch in Zukunft dabei nicht auf die bewährte Arbeit des Landesbeauftragten Ulrich Hase verzichten. Darum soll Ulrich Hase mit seinem Team auch weiterhin die Aufgaben des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung - unter anderem Dach - wahrnehmen. Auch dafür haben wir ähnlich lautende Formulierungen in unseren unterschiedlichen Gesetzentwürfen gefunden. Ich füge hinzu: Vielleicht führt diese Entscheidung, die unabhängige Stellung des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung zu stärken, auch dazu, dass wir auf kommunaler Ebene mehr Beauftragte für Menschen mit Behinderung bekommen und mehr Beiräte, die sich dieser Aufgaben annehmen. Das wäre zumindest auch ein Erfolg unserer Beratungen.
Ich würde diese Entwicklung sehr begrüßen, gilt es doch, auf allen Ebenen des Zusammenlebens das Barrierenabbauen zu forcieren. Darum bleibt auch die Feststellung richtig: Barrierefreiheit fördert
Teilhabe. Teilhabe fördert Barrierefreiheit. Darum sollten wir intensiv im Sozialausschuss beide Gesetzentwürfe weiter beraten und schauen, wie weit wir gemeinsam sind. Je mehr Gemeinsamkeit wir erreichen, desto stärker die Stellung des Beauftragen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Kollegin und dem Kollegen des SSW für ihren Antrag in Drucksache 16/1735 (neu), ging er doch am selben Tag wie der entsprechende Beschluss des Bundeskabinetts ein. Wie schön, wenn eine sozialpolitisch richtige Forderung vom wirklichen Leben überholt wird. Nun kommt es darauf an, dass auch der Bundestag ebenso schnell und zielgerichtet handelt.
Ohne eine Koalitionskrise zu beschwören, lieber Herr Kollege Geerdts, bleibt der Hinweis, dass der
Ursprung des jetzt veränderten Gesetzes von einer rot-grünen Regierung stammt. Allerdings hat sie diesen Beschluss im Vermittlungsausschuss gemeinsam mit CDU und CSU gefasst.
Wir tragen also alle ein kleines bisschen Verantwortung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ältere gehören nicht zum alten Eisen. Sie werden gebraucht, und sie sollen alle Chancen erhalten, im Arbeitsmarkt zu bleiben. Die Chancen steigen; das wird aus den Arbeitsmarktzahlen der letzten Monate deutlich. Die älteren Arbeitslosen sind die Gewinnerinnen und Gewinner des wirtschaftlichen Aufschwungs. Gegenüber dem November 2006 ist ihre Zahl in Schleswig-Holstein von gut 30.000 auf gut 25.000 gesunken. Das sind immer noch zu viele Betroffene, aber es sind auch 5.000 Menschen mehr, die wieder eine Arbeitsstelle haben. Diese Entwicklung zeigt, dass die Betriebe inzwischen endlich wieder berufliche Erfahrung nachfragen.
Im Koalitionsausschuss auf Bundesebene haben sich die sozialdemokratischen Vertreterinnen und Vertreter mit ihrer Forderung nach einer Verbesserung für die älteren Arbeitslosen durchgesetzt. Die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II müssen nicht mehr befürchten, mit 58 Jahren gegen ihren Willen verrentet zu werden. Die mit einer frühen Verrentung verbundenen Abschläge bei der Altersrente hätten zu starken finanziellen Einbußen geführt. Ich darf daran erinnern, dass Franz Müntefering bereits Anfang November entsprechende Vorschläge gemacht hat.