Norbert Römer
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsminister hat uns gerade über die reale wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen berichtet, und Herr Wüst hat eine Expedition in ein düsteres Paralleluniversum vorgenommen.
Es war eine, Herr Kollege Wüst, im Wortsinn fabelhafte Geschichte aus einer Parallelwelt. Aber in die müssen Sie ja offensichtlich als CDU auch Ihren Wahlkampf verlegen, weil Ihre Kampagne in der Wirklichkeit verdampft wie ein Schluck Wasser auf einer heißen Herdplatte.
Jetzt ist es Zeit, wieder in die wirtschaftliche Realität unseres Landes zurückzukehren und vor allem in die Lebensrealität seiner Menschen. In der Wirklichkeit unseres Landes haben 6,6 Millionen Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz – 6,6 Millionen, Herr Wüst; so viele wie nie zuvor. Das Wirtschaftswachstum ist mit 1,8 % stattlich und robust. Nullwachstum hat es nie gegeben. Die Arbeitslosigkeit ist so gering wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Für ausländische Unternehmen – ich wiederhole das immer wieder gerne – ist Nordrhein-Westfalen der attraktivste Standort in Deutschland. Unser Land – der Minister hat darauf hingewiesen – erhält mehr ausländische Direktinvestitionen als Bayern oder BadenWürttemberg, fast so viele wie die beiden zusammen, und für die britische „Financial Times“ ist Nordrhein-Westfalen die wirtschaftliche Zukunftsregion Nummer 1. – Das muss man überall erzählen; das ist die Realität.
Und ganz gleich, in welche Region man schaut: Fast ausnahmslos stehen die Zeichen auf Wachstum, auf Prosperität, und das zeigen die Konjunkturberichte der Industrie- und Handelskammern. Die Überschriften des Konjunkturberichts des IHK-Bezirks Aachen lauten zum Beispiel: „Unternehmen starten zuversichtlich ins neue Jahr“, „Aussichten bleiben überdurchschnittlich gut“, „Exporterwartungen steigen deutlich“, „Unternehmen wollen weiter mehr investieren“.
Bei der IHK Arnsberg heißt es: „Wirtschaft bleibt auf Kurs“, „Mit rückläufigen Geschäften rechnet 2017 kein einziger Wirtschaftszweig“, „Beschäftigung und Kaufkraft sind weiter gewachsen“.
Auch die IHK des Bezirks Düsseldorf schaut überaus optimistisch in die Zukunft: „Die Kaufkraft der Bürger steigt“, „Die Beschäftigungsquote erreicht Rekordhöhen“, „Die Finanzierungskosten bleiben günstig. Da die Unternehmen eher Chancen als Risiken sehen, planen alle Branchen, zusätzlich Arbeitskräfte einzustellen“.
Die IHK Ost-Westfalen jubelt geradezu: „Konjunktur läuft rund“, „Beschäftigungsplus auf breiter Front“, „Industrie überwiegend sehr zufrieden“.
Letztes Beispiel – die IHK Ruhr. Sie schreibt: „Die Ruhr-Wirtschaft präsentiert sich zum Jahresbeginn 2017 in guter Verfassung. Neun von zehn Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage mit gut oder befriedigend. In allen Wirtschaftsbereichen überwiegen deutlich die positiven Beurteilungen. Im Zuge der Wirtschaftsbelebung erwarten die Unternehmen einen höheren Bedarf an Arbeitskräften. Und damit bestehen Aussichten auf eine weitere konjunkturell bedingte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.“
Ich weiß, wir wissen, dass selbstverständlich nicht alle Regionen Nordrhein-Westfalens gleich stark sind. Es gibt Boom-Regionen mit Vollbeschäftigung; es gibt Regionen, die noch immer unter relativ hoher Langzeitarbeitslosigkeit und sozialer Ungleichheit zu leiden haben. Das ist, das bleibt unbestritten; das hat der Wirtschaftsminister ja herausgestellt. Unbestreitbar sind aber auch die großen Erfolge dieses Landes bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, beim Ausbau der digitalen Infrastruktur und bei der Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft. Und unbestritten sind die Erfolge bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt.
Die Rekordinvestitionen in Bildung, in Wissenschaft und Forschung, nicht zuletzt die enormen Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – kurzum, meine Damen und Herren, Herr Wüst, das ist das Kontrastprogramm. Beschäftigung auf einem Rekordhoch, Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief, Zukunftsinvestitionen auf Rekordniveau und mehr Familienleistungen als jemals zuvor – das ist die Realität des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 2017.
Ich füge hinzu: Bei allen Problemen, die es immer noch gibt, bei allen Herausforderungen, die vor uns liegen – nach sieben Jahren Rot-Grün ist NordrheinWestfalen in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung als am Ende der schwarz-gelben Vorgängerregierung.
Meine Damen und Herren von der CDU, ich habe ja der Presse entnommen, dass Sie mit Länder-Rankings eine Plakatkampagne bestreiten wollen. Ich kann Ihnen mit ein paar Vorschlägen behilflich sein: Wirtschaftskraft mit gut 670 Milliarden € – Platz 1 aller Bundesländer; Investitionen ausländischer Unternehmen – mit gut 200 Milliarden € der Spitzenreiter, Platz 1 von 16; Ausbildung von Fachkräften für Mittelstand und Industrie – in keinem Bundesland ist die Absolventenquote von Mathematikern, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern höher als in NRW, wieder Platz 1 von 16; Unternehmensgründungen – mit 1.465 Start-ups seit 2014 Platz 1 vor Berlin, vor Bayern, vor Baden-Württemberg; Breitbandversorgung – mit 82 % wieder Platz 1, und übrigens mit einer Ausbaudynamik, die im vergangenen Jahr – der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen – doppelt so hoch war wie in Bayern.
Damit, meine Damen und Herren von der CDU, könnte man selbstverständlich eine Plakatkampagne machen – dumm nur, dass diese Fakten die Untergangsgeschichten widerlegen, die Sie im Wahlkampf erzählen wollen.
Ich habe ja den Eindruck, meine Damen und Herren von der CDU – und die Menschen spüren das doch auch –: Je schlechter Ihre Umfragedaten sind, desto gespenstischer gerät Ihre NRW-Erzählung. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Herr Lienenkämper, dass da vielleicht ein Zusammenhang besteht? Ist Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, dass sich die Menschen in Ihrem NRW-Bild nicht wiederfinden und auch gar nicht wiederfinden können? Könnte es sein, dass die Menschen Ihnen deshalb so wenig zutrauen, weil Sie über NordrheinWestfalen so reden wie Pinguine über den Nordpol?
Sie haben keine Ahnung vom Land, Sie haben keine Ahnung von der Lage der Menschen.
Wir kennen die Herausforderungen, die mit der Digitalisierung, dem demografischen Wandel oder der Energiewende auf Nordrhein-Westfalen zukommen. Wir wissen aber auch, wie sie zu meistern sind: durch Investitionen in wirtschaftliche Innovation, in eine moderne Infrastruktur, in Bildung, in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sind die vier Säulen unseres Zukunftsplans für Nordrhein-Westfalen, für einen starken Standort NRW.
Die erste Säule sind Innovationen. Mit 70 Hochschulen und 60 außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat Nordrhein-Westfalen die dichteste Wissenschaftslandschaft Europas. Unsere Unternehmen sollen noch stärker von diesem Standortvorteil profitieren, damit wissenschaftliche Innovationen aus NRW noch schneller zu wirtschaftlicher Wertschöpfung in NRW werden. Deshalb machen wir Nordrhein-Westfalen zu einem internationalen Vorbild für die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft – durch regionale Innovationsnetzwerke, durch die Initiative „HochschulStart-up.NRW“ und das Förderprogramm „Mittelstandsinitiative Forschungsförderung“.
Die Erfolge unserer Strategie sind nicht zu übersehen. Die Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen gehören zu den Vorreitern der Digitalisierung in Deutschland. Auch der NRW-Mittelstand zeichnet sich mittlerweile durch einen überdurchschnittlichen Digitalisierungsgrad aus.
Die zweite Säule unseres NRW-Plans ist die Infrastruktur. Wir investieren massiv in die Mobilität von Menschen, von Gütern, von Daten. Die Mittel für die Landesstraßen haben wir um 70 % erhöht, und in den kommenden 13 Jahren werden über 14 Milliarden € in die Modernisierung von Bundesstraßen, Autobahnen, Brücken, Bahntrassen und Datenleitungen fließen. Der Minister hat es herausgestellt:
Schon Ende nächsten Jahres wird Nordrhein-Westfalen über ein flächendeckendes Breitbandnetz mit mindestens 50 Mbit/s verfügen.
Damit nicht genug! Schon heute hat die Breitbanddichte einen deutlich positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, und dieser Einfluss wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen in spätestens neun Jahren über ein flächendeckendes, gigabitstarkes Glasfasernetz verfügen wird. Nordrhein-Westfalen wird das Digitalland Nummer eins in Deutschland sein.
Dritte Säule, die Bildung: Wenn wir trotz des demografischen Wandels auch in Zukunft über ausreichend Fachkräfte für Innovation, Qualität und Ingenieurkunst verfügen wollen, müssen wir in ein leistungsstarkes und gerechtes Bildungssystem investieren. Genau das tun wir. Insgesamt haben wir seit 2010 gut 200 Milliarden € für Kitas, Schulen, Universitäten bereitgestellt – mehr als das Doppelte als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.
Unsere Bildungspolitik ist Politik für Fachkräftenachwuchs. Sie ist eine Politik für sozialen Aufstieg. Unsere Programme „Kein Kind zurücklassen!“ und „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sind heute Vorbilder für ähnliche Ansätze, national wie international. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.
Die vierte Säule unseres NRW-Plans ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie ist ein Gebot der Gleichberechtigung, weil auch immer mehr Männer mehr Zeit für ihre Kinder und Familienangehörigen haben wollen – im Übrigen auch haben müssen. Sie ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft, weil unsere Unternehmen mehr denn je Frauen brauchen, deren Kompetenzen, ihre Leistungen, ihren Ehrgeiz, und zwar vom Ladenlokal bis zur Chefetage.
Die vier Säulen unseres NRW-Plans sind Innovation, Infrastruktur, Bildung und Familie. Diese vier Säulen stehen auf einem gemeinsamen Fundament: auf sozialer Gerechtigkeit. Gerechtigkeit beginnt immer mit Chancengleichheit, aber sie hört damit noch nicht auf. Noch immer arbeiten 20 % aller Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen im Niedriglohnbereich. Wir wissen das, und wir arbeiten dagegen an. Für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat NRW mit Erfolg für mehr Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gekämpft: für den Mindestlohn, für bessere und gerechtere Regeln bei der Leih- und Zeitarbeit.
Nicht zuletzt für diese Beschäftigten haben wir das Tariftreue- und Vergabegesetz in Kraft gesetzt,
denn wer für die öffentliche Hand arbeitet, darf kein Opfer von Lohn- und Sozialdumping werden. Ehrbare Unternehmer, die sich um Aufträge der öffentlichen Hand bemühen, dürfen nicht von skrupellosen Konkurrenten ausgestochen werden. Unser Gesetz ist ein großer Erfolg, und das wird bleiben.
Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit sagen: Diese Regierung, diese Koalition steht an der Seite aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir werden uns vor die Beschäftigten stellen, wenn andere Sozialstandards, Mindestlöhne oder die Mitbestimmung angreifen.
Das meinen CDU und FDP doch in Wirklichkeit mit ihrer Wortleiche „Bürokratieabbau“: weniger Arbeitnehmerrechte, weniger Umweltschutz, weniger Frauenförderung.
Wir haben das immer wieder gehört. Zuweilen bringt diese kalte Privat-vor-Staat-Ideologie der Opposition programmatische Stilblüten von verstörender Pracht hervor. So fordert die FDP eine Art soziales Jahr in Unternehmen. Das muss man sich einmal vorstellen.
Auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen junge Menschen in Betrieben schuften dürfen. Bei dem Gedanken drehen sich doch die Väter des Ordoliberalismus im Grabe um. So absurd ist das, meine Damen und Herren. Das darf man nicht zulassen.
Ich will allerdings eines einräumen. Das muss man der FDP lassen. Sie steht wenigstens noch zu ihrer neoliberalen Ideologie. Bei ihr weiß der Wähler, was er bekommt. Keine Frage! Bei der CDU ist das nicht so. Deren Wahlprogramm ist weniger ein Nachschlagewerk für Wählerinnen und Wähler als eine Examensprüfung für Juristen, für Germanisten und für Theologen. „Was möchten uns die Autoren sagen?“ fragt man sich, wenn man hineinschaut. Keine klaren Ansagen, Ausweichen, es jedem recht machen wollen! Wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, an was mich das erinnert? An den Wahlkampf 2012! Röttgen heißt jetzt Laschet. Geändert hat sich bei Ihnen überhaupt nichts.
Meine Damen und Herren, im Land hat sich viel geändert. Der schwarz-gelbe Mehltau ist seit Langem weggeblasen. Keine Frage, wir erleben das überall.
Viel Zuversicht ist da.
Diese Zuversicht speist sich aus dem Selbstbewusstsein der Menschen in Nordrhein-Westfalen, aus ihrer Leistungsbereitschaft und aus ihrer Leistungskraft; denn die Menschen in Nordrhein-Westfalen wissen, was sie können, und sie tun, was sie können – jede an ihrem oder jeder an seinem Platz, ob im Handwerk oder im Mittelstand, im Handel, im Gewerbe oder in der Industrie, ob als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber, ob als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer.
Diese Menschen strengen sich jeden Tag an. Sie bringen unser Land Schritt für Schritt nach vorn. Wir, meine Damen und Herren, haben Respekt vor ihrer Leistung. Wir reden diese im Gegensatz zu Ihnen nicht klein. Wir loben die Menschen dafür. Und wir bedanken uns dafür. Wir bedanken uns auch heute, weil diese Menschen in Nordrhein-Westfalen Dank, Anerkennung und Respekt für ihre Lebensleistung auch von diesem Hohen Haus erwarten dürfen.
Meine Damen und Herren, gleich wird unser Kollege Reiner Priggen seine vermutlich letzte Rede in diesem Hohen Haus halten. 17 Jahre war er Mitglied im nordrhein-westfälischen Landtag. Weil wir über eine lange Zeit hinweg viel und ganz eng zusammengearbeitet habe, füge ich hinzu:
Erstens. Reiner, ich freue mich jetzt schon auf deine Rede.
Zweitens. Das war eine gute Zeit mit dir. Sie war gut für die Zusammenarbeit in unserer Koalition, gut für die erfolgreiche Arbeit der Landesregierung und vor allem – das ist das Wichtigste – gut für die Menschen im Land.
Um deren Alltagsprobleme haben wir uns genauso gekümmert wie um ihre Zukunftsperspektiven. Das war in unserer Koalition nicht immer reibungslos. Aber wir beide haben erfolgreich – ganz erfolgreich – einen ganz eigenen Konfliktregelungsmechanismus entwickelt. Ja, wir haben gemeinsam viel für das Land und die Menschen erreicht. Reiner, das bleibt. Darauf kannst du stolz sein. Auch dafür spende ich dir Beifall.
Meine Damen und Herren, das ist eben der Unterschied zu der Regierungszeit von Schwarz-Gelb. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern: Sie wurden abgewählt,
weil Sie in nur fünf Jahren ein kommunalpolitisches Trümmerfeld, ein schulpolitisches Chaos,
eine verzweifelte Kita-Landschaft und eine wirtschaftliche und soziale Perspektivlosigkeit hinterlassen haben, von der die Menschen einfach die Nase voll hatten. Die hatten die Nase voll von Ihnen. Nach fünf Jahren! So war das damals.
Meine Damen und Herren, „Privat vor Staat“ hat ein für alle Mal abgewirtschaftet. Das bleibt.
Wir dagegen machen unser Land noch stärker und noch gerechter. Wir bauen auf dem auf, was wir schon erreicht haben. Wir haben viel erreicht. Es ist noch viel zu tun. Auf uns können sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlassen. – Vielen Dank fürs Zuhören. Glück auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist gerade wieder deutlich geworden: Die Opposition hat sich im Fall Amri in eine tückische Zwickmühle manövrieren lassen.
Entweder, Herr Kollege Laschet, Sie beteiligen sich an der Sachaufklärung im Untersuchungsausschuss, oder Sie nutzen den Terroranschlag für eine Kampagne – für Ihre Kampagne.
Beides gleichzeitig – Sie wissen das – geht nicht. Aufklärung oder Kampagne, das sind die Alternativen. Sie haben sich für die Kampagne entschieden; das haben wir gerade gemerkt.
Ich kann das ja sogar ein Stück weit nachvollziehen, ich bin lange genug dabei. Ich weiß, wie groß die Versuchung einer Kampagne sechs Wochen vor der Wahl gewesen sein muss. Aber für Ihre aggressive Rücksichtslosigkeit, Herr Kollege Laschet, auch für die Irrationalität Ihrer Fraktion in den vergangenen Tagen und Wochen ist die Landtagswahl allein keine Erklärung, schon gar keine Entschuldigung. Um das zu verstehen, muss man schon auf Kategorien der Psychologie zurückgreifen.
„Die Reaktionen des Menschen“
so heißt es bei Wikipedia, das können Sie nachlesen –
„können bei zunehmender Angst nicht-rational und nicht-sozial werden, …“
Dieses unvernünftige und unzweckmäßige Verhalten wird als Panikverhalten bezeichnet. Ja, Herr Kollege Laschet, das ist die Erklärung für Ihr Gebaren. Sie sind in Panik.
Deshalb ignoriert die CDU, die Opposition, Fakten und verbreitet Verschwörungstheorien.
Wirklich schäbig aber – das will ich Ihnen auch sehr persönlich sagen –
ist Ihr Versuch, die Regierung zu treffen, indem Sie einen anerkannten Wissenschaftler um seinen guten Ruf bringen wollen. Das ist unfassbar.
Das zeugt von der panischen Rücksichtslosigkeit, von der ich eben gesprochen habe.
Ja. Herr Prof. Kretschmer, Herr Laschet, steht in Berufungsverhandlungen …
Herr Laschet, ich spreche Sie an. Sie haben das gerade gesagt. – … mit der Universität Bielefeld. Aber sowohl auf das Berufungsverfahren als auch auf die Berufungsverhandlungen hat die Landesregierung nicht den geringsten Einfluss.
Die Landesregierung hat damit nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das ist von Gesetzes wegen, Herr Kollege Laschet, ausschließlich eine Angelegenheit der Universität. Das wissen Sie ganz genau,
und trotzdem behaupten Sie, Herr Prof. Dr. Kretschmer sei befangen gewesen.
Im Übrigen, Herr Kollege Laschet: Zeitungsberichten zufolge ist Herr Prof. Kretschmer auch CDU-Mitglied. Das spricht nicht gegen ihn, aber das trifft Sie doch besonders mit Ihrer maßlosen, unverschämten Kritik an einem unbescholtenen Wissenschaftler, meine Damen und Herren.
Ich füge hinzu: Offensichtlich wissen Sie gar nicht, was Sie anrichten. Sie treffen doch damit die gesamte Wissenschaftslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Sie stellen alle unter Generalverdacht, Herr Kollege Laschet.
Die Wahrheit ist ja eine andere. Der einzige Grund, warum Sie sich, Herr Kollege Laschet, zu den Vorwürfen gegen Herrn Prof. Dr. Kretschmer haben hinreißen lassen, ist, dass er Ihre Vorwürfe, die Vorwürfe der Opposition, nicht bestätigen konnte und sie zum Teil sogar widerlegt hat.
Dabei zwingt Sie doch überhaupt niemand, sich seine Schlussfolgerungen zu eigen zu machen.
Aber anstatt sich auf der Sachebene mit dem Gutachten auseinanderzusetzen, suggerieren Sie, Herr Prof. Dr. Kretschmer hätte sich unter Druck setzen lassen oder der Regierung eine Gefälligkeit erwiesen. Sie wissen ganz genau, wie ehrabschneidend und wie rufschädigend ein solcher Vorwurf ist.
Herr Kollege Laschet, nehmen Sie das gegenüber Herrn Prof. Kretschmer endlich zurück!
Meine Damen und Herren, es waren CDU und FDP, die unbedingt noch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen wollten.
Jetzt haben wir den Untersuchungsausschuss, der in der Kürze der Zeit die Aufklärung leisten muss, die noch zu leisten ist. Was aber müssen wir erleben? Die Einzigen, die emsige Ausschussarbeit leisten, sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Das sind die Einzigen, meine Damen und Herren. Diese beiden Fraktionen sind es, die Anträge zur Akteneinsicht einreichen, die Zeitpläne aufstellen, die Zeugen vorschlagen und Vernehmungen ansetzen. Wo ist denn die konstruktive Mitarbeit der Opposition?
Fehlanzeige, meine Damen und Herren, genau bei diesen Punkten!
Wir wissen ja, warum das so ist. Sie haben doch gemerkt, dass man mithilfe der Zeugen zwar Sachverhalte beleuchten, aber nicht die Regierung beschädigen kann.
Deshalb sind die Pressetermine das Einzige, was Sie noch interessiert. Zudem erfinden Sie ständig neue Nebenkriegsschauplätze. Aus harmlosen und, mit Verlaub, auch ziemlich nichtssagenden E-Mails spinnen Sie wilde Verschwörungstheorien.
Dann treffen Sie Absprachen zur Vernehmung der Ministerpräsidentin – an die Sie sich zwei Stunden später schon gar nicht mehr halten wollen –, weil Sie die Chance für eine Skandalisierung wittern. Jetzt möchte die FDP auch noch gegen den Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses klagen, weil die Dokumentation von Zeugenaussagen eine unzulässige Bewertung sei.
Mit Verlaub, Herr Kollege Stamp, das ist doch an Bigotterie überhaupt nicht mehr zu überbieten.
Meine Damen und Herren, Sie werfen uns politische Bewertungen vor und nehmen selbst in der Presse und im Fernsehen eine vorschnelle politische Bewertung nach der anderen vor.
Sie verstoßen fortwährend gegen die Regularien des Untersuchungsausschussgesetzes. Ja, es sind immer noch viele Fragen offen. Aber wie soll dieser Landtag glaubwürdige Aufklärungsarbeit leisten, wenn wir uns nicht gegenseitig mit dem gebotenen Mindestmaß – mehr verlange ich ja gar nicht – an Anstand und Respekt begegnen?
Herr Kollege Lindner, der heute nicht hier sein kann, hat dem Innenminister – ich wiederhole das, ich habe es hier schon einmal gesagt – Strafvereitelung im Amt vorgeworfen. Bis heute hat er sich dafür nicht entschuldigt.
Herr Laschet behauptet, die Regierung würde – vermeintlich – belastende Akten vernichten, wenn man sich nicht daran hindere. Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass dieser Vorwurf berechtigt ist. Herr Kollege Laschet, Sie sollten sich schämen und sich dafür entschuldigen.
Ein Wahlkampf erklärt ja vieles, aber er entschuldigt nicht alles. Am 14. Mai – wir alle wissen das – entscheidet sich eine ganze Menge: für unser Land, für unsere Parteien und auch für jede und jeden einzelnen Abgeordneten. Aber eines – das sage ich an die Adresse der Opposition gerichtet – sollten Sie dabei bedenken: Es wird auch einen 15. Mai geben. An dem Montagmorgen werden auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den Spiegel schauen und sich fragen müssen, ob der Zweck die Mittel geheiligt hat und ob das Ergebnis Ihres Redens und Ihres Handelns von heute
das alles rechtfertigt hat. Gehen Sie mal in sich. – Vielen Dank fürs Zuhören. Glück auf!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerpräsidentin hat gerade gezeigt, was politische Führungskraft auszeichnet:
Entschlossenheit, Besonnenheit und Orientierung. Sie hat unserem Land die Richtung für einen erfolgreichen Kampf gegen den Terror gewiesen. Der Herr
Oppositionsführer hat dagegen seiner Partei gerade eine Anleitung für den Wahlkampf gegeben:
Verwirren statt Führen, Alarmismus statt Besonnenheit. Welch ein Kontrast, Herr Kollege Laschet!
Meine Damen und Herren, wir haben es oft gehört. Ja, es heißt, absolute Sicherheit könne es in einem freien Rechts- und Verfassungsstaat nicht geben. Der Satz ist schnell geschrieben, noch schneller gesagt. Was er aber konkret bedeutet, hat uns der Terroranschlag von Berlin auf grausame Art vor Augen geführt. Dabei ist es ja wahr: Absolute Sicherheit gibt es nirgendwo, in keinem Land der Welt. Und doch: Ein Terroranschlag ist keine höhere Gewalt, keine Naturkatastrophe, erst recht kein tragisches Unglück, das man einfach hinnehmen muss.
Es ist die Aufgabe des Staates, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, ihr Leben in Freiheit und ihr Leben selbst. Das ist in Berlin nicht gelungen; das hat die Ministerpräsidentin vorhin herausgestellt.
Niemand kann behaupten, es seien dem Staat und seinen Sicherheitsbehörden keine Fehler unterlaufen. Zwölf Menschen sind ermordet worden, viele weitere wurden an Leib und Seele verwundet. Die Opfer und ihre Angehörigen wollen jetzt wissen: Warum konnte ein den Sicherheitsbehörden bekannter Gefährder einen Anschlag verüben? Was ist falsch gelaufen? Jeder will das zu Recht wissen.
Der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, hat in seiner Trauerrede für die Opfer des Terroranschlages eine zeitlos gültige Mahnung des verstorbenen Bundespräsidenten Roman Herzog zitiert: „Wer – wo auch immer – führt, muss den Menschen, die ihm anvertraut sind, reinen Wein einschenken, auch wenn das unangenehm ist.“
Diese Mahnung gilt, meine Damen und Herren. Wir müssen aufklären, wo und warum es Fehleinschätzungen gegeben hat.
Wir müssen Klarheit schaffen, was jetzt getan werden kann und muss, damit in Zukunft ein solcher Terroranschlag verhindert werden kann. Nicht erst die Schlussfolgerungen und Konsequenzen ziehen und Schuldzuweisungen vornehmen, bevor überhaupt aufgeklärt worden ist, sondern die Reihenfolge muss lauten, Herr Kollege Laschet:
aufklären, sich Klarheit verschaffen und dann die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen.
Die Landesregierung stellt sich dieser Verantwortung, das will ich noch einmal herausstellen. Die Ministerpräsidentin hat der Opposition vorgeschlagen, einen unabhängigen Sonderbeauftragten mit der Aufklärung zu betrauen. Die CDU hat das abgelehnt, obwohl Sie selbst gerade wiederum die entsprechenden Fragen gestellt haben, die durch eine solche Beauftragung beantwortet werden könnten, Herr Kollege Laschet. Ich will gar nicht kritisieren, dass Sie sich verweigern. Die Aufklärung durch einen unabhängigen Sonderbeauftragten – das hat die Ministerpräsidentin erklärt – wird es trotzdem geben, und zwar umfassend, offen, transparent. Das erwarten die Menschen von ihrer Regierung. Diese Regierung wird sie nicht enttäuschen; das hat die Ministerpräsidentin gerade herausgestellt, meine Damen und Herren.
Ich will offen sagen: Es ist durchaus legitim, Terrorabwehr und öffentliche Sicherheit zu Themen einer Wahlkampagne zu machen. Ja, das ist legitim.
Es gibt aber einen Punkt, meine Damen und Herren, von dem an sich Aufklärung und Kampagne gegenseitig ausschließen. Dieser Punkt ist überschritten, wenn aus jeder noch offenen Frage gleich ein Täuschungsversuch konstruiert wird, nur um die persönliche Integrität des politischen Gegners zu beschädigen, wenn mit ungeprüften Behauptungen und Vorwürfen hantiert wird, ganz gleich, wie haltlos sie sind, Hauptsache, sie werden gedruckt, gesendet, und es bleibt etwas hängen.
Erst recht ist die Grenze zwischen Aufklärung und Kampagne überschritten, wenn damit angefangen wird, dem politischen Gegner den Willen abzusprechen, nach bestem Wissen das Leben und die Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Dann ist die Grenze überschritten.
Wir alle haben die Wahl: Aufklärung oder Kampagne? Nach all dem, was ich heute und in den vergangenen Wochen von Ihnen gehört und gelesen habe, Herr Kollege Laschet, muss ich leider feststellen: Die Opposition hat sich für die Kampagne entschieden. Wohin soll das führen? Waren wir nicht alle entsetzt, als der amerikanische Wahlkampf die politische Kultur der USA, des Mutterlandes der modernen Demokratie, vergiftet hat?
Waren wir nicht alle empört, als die Kandidatin der demokratischen Partei als Kriminelle, als betrügerische Hillary diffamiert wurde?
Das war doch der Grund, warum der Vorsitzende der FDP einen Fairnesspakt für die kommenden Wahlkämpfe vorgeschlagen hat.
Das dachte ich jedenfalls, Herr Kollege Lindner. Fairness, so beteuerte Herr Lindner, bedeute für die FDP den Verzicht auf persönliche Herabwürdigung und Demagogie.
Die Freien Demokraten, so Herr Lindner wörtlich, machten sich für eine politische Kultur stark, die die Unterschiede herausarbeite, aber deren Ziel nicht die persönliche Vernichtung des politischen Gegners sei. Liberalität, haben Sie hinzugefügt, sei nicht nur eine Frage von Inhalten, sondern auch eine Frage des politischen Stils.
Keine drei Wochen später bezichtigt derselbe Vorsitzende der FDP den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen der Strafvereitelung im Amt.
Lieber Herr Kollege Lindner, ich weiß ja, dass Politik für Bigotterie anfällig ist. Mit ist das klar. Aber ein derartiges Maß an selbstgerechter Doppelmoral sucht schon seinesgleichen.
An einem Tag fordern Sie einen Pakt für Fairness, und am nächsten Tag behaupten Sie, der Innenminister habe mit Absicht die Verfolgung eines Kriminellen und späteren Terroristen verhindert.
Selbstverständlich ist das nichts anderes als Demagogie und persönliche Herabwürdigung.
Wollen Sie wirklich auf diesem Niveau Wahlkampf führen, Herr Lindner? Wollen Sie wirklich, dass wir uns in den kommenden Monaten gegenseitig vorwerfen, Kriminelle zu sein? Ist das der politische Stil der Liberalen, meine Damen und Herren?
Ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte, Herr Kollege Lindner: Nutzen Sie gleich ein bisschen von der Redezeit, die Ihnen Herr Dr. Stamp lassen wird. Entschuldigen Sie sich bei Herrn Jäger. Schaffen Sie die Angelegenheit aus der Welt.
Ja, Herr Kollege Lindner, machen Sie das. Dann können wir uns alle wieder in die Augen schauen. Vor allen Dingen können Sie, Herr Kollege Lindner, dann wieder in den eigenen Spiegel schauen. Machen Sie das. Entschuldigen Sie sich. Sie haben die Gelegenheit dazu.
Der Innenminister hat wiederholt dargelegt, warum es mit dem Wissensstand der Sicherheitsbehörden vor dem Anschlag keine juristische Handhabe gab, den späteren Attentäter dauerhaft in Haft zu nehmen. Der Bundesinnenminister hat übrigens die Rechtsauffassung des NRW-Innenministeriums bestätigt. Die Hürden für eine Abschiebeanordnung samt Abschiebehaft waren zu hoch und sind es immer noch. Deshalb sind bisher alle Versuche gescheitert, diese Regelungen auf terroristische Gefährder erfolgreich anzuwenden. So war es auch im Fall des Attentäters von Berlin.
Die Opposition versucht, diese Rechtsauffassung zu widerlegen. Das ist ihr bisher nicht gelungen, und es wird ihr auch nicht gelingen. Da kann die Opposition noch so viele Rechtsgutachter beauftragen, die selbst mit dem Wissen von heute große juristische Akrobatikkünste unter Beweis stellen müssten, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen. Es wird ihr nicht gelingen.
Der FDP-Gutachter hat im Übrigen ausgelassen, dass auch das Bundesinnenministerium eine Abschiebeanordnung hätte verhängen können, wenn es denn möglich gewesen wäre. Es war aber nicht möglich, meine Damen und Herren. Das ist doch der springende Punkt.
Mit ihren Vorwürfen versucht die Opposition zu suggerieren, unter ihrer Verantwortung wäre es nicht zu Fehleinschätzungen gekommen, und es hätte eine andere Entscheidung gegeben. Sie wollen uns weismachen, Sie wären klüger gewesen als alle anderen: klüger als der NRW-Innenminister – ich weiß das – und seine Beamten und Experten, klüger als der Bundesinnenminister, der Generalbundesanwalt, das Bundeskriminalamt, klüger als alle Experten aus 40 Sicherheitsbehörden, die den Fall im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum beraten haben.
Doch, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind nicht klüger als alle anderen. Sie hätten mitnichten anders gehandelt. Selbstverständlich würde sich auch ein Innenminister Laschet nicht über den Rat und den Sachverstand seiner Juristen und Sicherheitsexperten hinwegsetzen.
Herr Kollege Laschet, ich nehme an, Sie wären verantwortungsbewusst genug, um zu wissen, wie hochgradig fahrlässig das wäre. Ohne die Expertise und die Erfahrung unserer Sicherheitsexperten ist unser Land nicht zu schützen. Das sind sehr
gute Leute – die Ministerpräsidentin hat es herausgestellt –, die bereits zwölf geplante Terroranschläge zu verhindern wussten.
Ja, in diesem Fall hat es eine fatale Fehleinschätzung über die Gefährlichkeit eines Mannes gegeben. Wir müssen aufklären, wie es dazu kommen konnte, damit wir daraus lernen und die richtigen Schlüsse ziehen.
Die Politik muss jetzt Entschlossenheit und Besonnenheit unter Beweis stellen – Entschlossenheit im Kampf gegen Terroristen und Besonnenheit für den Schutz unserer Freiheit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Wir werden genau das tun, was zum Schutz unseres Lebens in Freiheit getan werden kann und getan werden muss. Bestehende Rechtslücken müssen und werden wir schließen, insbesondere bei der Anordnung von Abschiebehaft für sogenannte Gefährder.
Die Eckpunkte des Bundesministers des Innern und des Bundesministers der Justiz weisen dabei in die richtige Richtung; das hat die Ministerpräsidentin herausgestellt. Die Staaten Nordafrikas müssen dazu verpflichtet werden, ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger zurückzunehmen, und zwar schneller und in weitaus größerer Zahl als bisher. Wir erwarten entsprechende Initiativen von der Bundesregierung, vom Bundesinnenminister zumal.
Der Bundesminister des Innern und der Bundesminister der Justiz wollen die Überwachung von Gefährdern mit elektronischen Fußfesseln ermöglichen. Das Ziel dieser Maßnahme, nämlich ihre bessere Überwachung, unterstützen wir ausdrücklich.
Ich betone noch einmal: Wir werden der terroristischen Bedrohung mit Entschlossenheit und Besonnenheit begegnen. Entschlossenheit verlangt die konkrete Verbesserung von Sicherheitsgesetzen zur Abwehr konkreter Bedrohung. Besonnenheit verlangt, alles zu unterlassen, was die individuellen Freiheiten unserer Bürgerinnen und Bürger unnötig einschränkt.
An einem Überbietungswettbewerb um neue Gesetzesverschärfungen und Grundrechtsbeschränkungen werden wir uns nicht beteiligen. Sicherheitsgesetze sind kein Selbstzweck. Sicherheitsgesetze dienen der Freiheit, und sie müssen wirken.
Was tatsächlich wirkt, ist Prävention; auch das hat die Ministerpräsidentin erklärt. Wir dürfen nicht übersehen, dass mehr als die Hälfte der sogenannten Gefährder deutsche Staatsbürger sind. Wir müssen
die Ursachen ihrer Radikalisierung bekämpfen und ihnen einen Weg zurück in die Gesellschaft aufzeigen. Unser Programm „Wegweiser“ war dafür bahnbrechend. Wir werden es weiter ausbauen und landesweit etablieren; die Ministerpräsidentin hat darauf hingewiesen.
Zusammen mit Schulen, Jugendhilfe, Polizei und Moscheegemeinden werden wir den verfassungsfeindlichen Salafismus an der Wurzel bekämpfen, und das, indem wir seine ersten Opfer schützen, meine Damen und Herren: junge Menschen, die Perspektiven für ihr Leben brauchen. Das ist Prävention, die wirkt.
50 Jahre Kriminalitätsforschung lassen keinen Raum für Zweifel: Dort, wo sich soziale Ungleichheit in Grenzen hält, Armut die Ausnahme ist und eine kluge Sozial- und Bildungspolitik für sozialen Aufstieg sorgt, gibt es wenig Kriminalität und keine Radikalisierung. Niemand wird als Krimineller oder gar als Terrorist geboren. Kinder, um die man sich kümmert, die man an die Hand nimmt und in ein gelingendes Leben führt, werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie kriminell. Nur ein gerechtes Land ist auch ein sicheres Land. Das ist Maßstab unserer Politik.
Wir führen den Kampf gegen die Feinde der offenen Gesellschaft, so hoffe ich, gemeinsam. Diesen Kampf werden wir gewinnen, wenn wir auf die Werte und Stärken Nordrhein-Westfalens setzen: Vielfalt und Solidarität; Zukunft zählt, nicht Herkunft; kein Kind wird zurückgelassen; niemand fällt ins Bergfreie; Aufstieg und soziale Sicherheit ist für alle möglich, Herr Kollege Laschet, die sich anstrengen; jeder hat das Recht auf eine zweite und auch eine dritte Chance. Dafür arbeiten wir, und darauf können sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlassen. – Herzlichen Dank und Glück auf für unser Land!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung des CDU-Bundesparteitags nach einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ist eine schwere Niederlage für die Bundeskanzlerin, und sie ist eine Sabotage der Integrationspolitik in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.
Jetzt heißt es in der Union wieder, der Wunsch nach einer doppelten Staatsangehörigkeit sei Ausdruck mangelnder Loyalität zu Deutschland. – Das ist kein Argument. Das ist eine Unterstellung, und sie ist falsch.
Gefühle der Verbundenheit und Loyalität sind keine abgezählten Güter, die man dem einen nur geben kann, indem man sie einem anderen wegnimmt. Das weiß jeder von uns, der enge und aufrichtige Gefühle der Zuneigung für seine Eltern und Großeltern, für seine Geschwister und Freunde empfindet.
Wer aus der Türkei stammt, kann aufrichtige Loyalität zu seiner neuen Heimat Deutschland empfinden und sich gleichzeitig noch immer seiner alten Heimat als Bürger oder Bürgerin verbunden fühlen. Das ist kein Widerspruch, meine Damen und Herren.
Ja, gemischte Identitäten gehören zur Realität einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Im Internet findet man den offenen Brief einer jungen Niederländerin. Sie lebt seit fast 20 Jahren in Hannover. Ihr Oberbürgermeister hatte sie eingeladen, auch deutsche Staatsbürgerin zu werden, also zukünftig mit einer doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland zu leben.
Die junge Niederländerin freute sich über die Einladung. Sie schrieb:
„Ich bin Niederländerin, fühle mich jedoch genauso als Mitglied der deutschen Gesellschaft. Tatsächlich würde ich gerne Deutsche werden. Ich sehe die Einbürgerung als einen symbolischen Akt, mit dem ich mich auch offiziell zu meiner zweiten Heimat bekenne.“
Doch leider musste sie dann doch auf die deutsche Staatsangehörigkeit verzichten; denn dann hätte sie nach niederländischem Recht ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben müssen. Das wollte sie nicht. Ich zitiere sie noch einmal:
„Während ich mich in Deutschland als vollständig integriert betrachte, bin ich gleichzeitig stark in der niederländischen Gesellschaft und Kultur verwurzelt. Das wird auch immer so bleiben. Weshalb also den niederländischen Pass – das Symbol meiner niederländischen Identität – aufgeben?“
Wer wollte, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Frau unterstellen, sie sei nicht integrationswillig oder nicht loyal zu ihrer zweiten Heimat Deutschland? – Ich glaube, niemand von uns – nicht einmal die CDU.
Auch sie will die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft für EU-Bürgerinnen und -Bürger nicht abschaffen. Jetzt bin ich an einem heiklen Punkt. Das gebe ich zu. Die Forderungen des CDU-Parteitags zielen unausgesprochen auf Einwanderer aus islamisch geprägten Ländern, vor allem auf Menschen mit türkischen Wurzeln. Sie zeugen von einem tiefen Misstrauen gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern muslimischen Glaubens. Wie soll denn da, meine Damen und Herren, Integration überhaupt noch gelingen? Das frage ich mich, das frage ich Sie.
Dabei geht es heute nicht einmal um eine allgemeine doppelte Staatsbürgerschaft. Der CDU-Parteitagsbeschluss zielt auf junge Erwachsene, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Deutschland ist ihre Heimat. Aber sie wollen sich eben auch zur Herkunft ihrer Eltern und Familien bekennen. Doch jetzt kommt die CDU und sagt: Es war ein Fehler, euch die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben. Wir glauben nicht, dass ihr loyal sein könnt.
Meine Damen und Herren, das ist ein verheerendes Signal an diese jungen Menschen.
Müssen die eigentlich dafür büßen, dass die CDU Stimmen an die Nationalisten der AfD verloren hat? Muss an diesen jungen Menschen ein Exempel statuiert werden, weil die Union um ihre konservative Seele bangt? Das darf doch nicht wahr sein.
Waren wir nicht schon weiter? War nicht auch die CDU schon einmal weiter? Noch vor knapp drei Jahren, im Februar 2014 – ich will Sie daran erinnern –, hat die CDU-Fraktion einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für junge Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich begrüßt, meine Damen und Herren: Drucksache 16/5092. Gilt das noch? Es waren doch führende CDU-Politiker aus NordrheinWestfalen, die den Parteitagsbeschluss initiiert und durchgesetzt haben. Wer führt eigentlich den CDULandesverband in diesen so wichtigen Fragen der Integrationspolitik? Jens Spahn? Paul Ziemiak? Oder vielleicht doch – er ist ja nicht hier – der nominelle Vorsitzende Armin Laschet? Ich gehe einmal davon aus, dass er gleich kommen wird. – Und ich kann es ja wohl nur als ein Versehen einschätzen, dass Sie vergessen haben, ihn auf die Rednerliste zu setzen.
Wer nicht stark genug ist, meine Damen und Herren, die eigene Partei zu führen, der ist erst recht zu schwach, unser Land zu führen, meine Damen und Herren.
Herr Laschet ist doch ein Anhänger der doppelten Staatsbürgerschaft für junge Menschen. Das hat er immer wieder deutlich gemacht. Wenn er das tatsächlich sein sollte, dann darf er sich nicht wegducken, meine Damen und Herren. Dann sollte er – wie die Bundeskanzlerin – zu seiner Überzeugung stehen. Die hat gesagt: Der Doppelpass wird nicht abgeschafft. Stimmt. Auf die SPD kann sich die Kanzlerin verlassen.
Gilt das aber auch für die NRW-CDU, meine Damen und Herren?
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie können noch so viel brüllen, an einen Punkt kommen Sie nicht vorbei: Ihr Vorsitzender duckt sich weg, stellt sich nicht der Verantwortung, ist noch nicht mal im Parlament bei dieser wichtigen Debatte.
Herr Laschet muss für Klarheit sorgen.
Ich hoffe, er wird es noch machen. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Laschet, bevor ich Ihnen antworte, möchte ich Ihnen am Ende dieser Legislaturperiode durchaus meinen Respekt aussprechen, und zwar für Ihre Haltung in der Flüchtlings- und Integrationspolitik. Sie haben das zwar gerade in Ihrer Rede schamhaft verschwiegen, aber ich will das noch einmal herausstellen. Sie waren ja von Anfang an der festen Überzeugung, dass die Öffnung der Grenzen für Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen mussten, eine richtige Entscheidung war. Das eint uns, Herr Kollege Laschet.
Nicht alle Menschen werden bleiben können – das ist richtig –, aber diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, verdienen jetzt eine Chance auf Integration. Sie, Herr Kollege Laschet, werden nicht müde, dies zu betonen, und auch zu betonen, dass der Islam zu Nordrhein-Westfalen gehört. Religion allein ist kein Integrationshindernis – das ist auch meine Überzeugung, ebenso wie die Ihre.
Gleichwohl: Angesichts schmerzhafter Wahlniederlagen für unsere Parteien war die Versuchung groß, sich von der Politik der Bundesregierung zu distanzieren. Sie, Herr Kollege Laschet – ich will das ausdrücklich herausstellen –, haben dieser Versuchung widerstanden, andere allerdings nicht. Andere rückten die Bundeskanzlerin in die Nähe des DDRRegimes, als sie ihre Flüchtlingspolitik eine „Herrschaft des Unrechts“ nannten. Wieder andere warfen ihr im schlimmsten Nazi-Jargon eine Umvolkung Deutschlands vor oder stellten flüchtende Menschen unter generellen Terrorverdacht, weil für sie die Unschuldsvermutung nicht gelten dürfe.
Das alles haben Sie nicht getan, Herr Laschet. Sie haben die Politik der Bundesregierung verteidigt. Ich weiß, das war nicht immer einfach, und es ist aller Ehren wert. Deshalb stelle ich das ausdrücklich heraus.
Jetzt allerdings versuchen Sie, diesen unangenehmen Konflikten dadurch zu entkommen, dass Sie bei jeder unpassenden Gelegenheit behaupten, es sei diese Landesregierung, auch die Ministerpräsidentin, die den Populismus fördere. Wissen Sie, wie sich das anhört, wenn Sie mit gespielter Empörung diesen abwegigen Vorwurf vortragen? – Verunsichert und hilflos – verunsichert und hilflos, Herr Kollege Laschet.
Ich weiß – Sie ja auch –, das hat mit dem Rechtsruck Ihrer Partei zu tun.
Sie, Herr Kollege Laschet, sind ein Anhänger der doppelten Staatsbürgerschaft, genauso wie ich. Nur, Ihre Partei ist vor einer Woche zu den Gegnern übergelaufen. Jetzt müssen Sie aber Farbe bekennen, Herr Kollege Laschet. Wer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden will, darf doch in dieser wichtigen Frage nicht lavieren. Ducken Sie sich nicht weg!
Stehen Sie zu Ihrer Überzeugung! Zeigen Sie, ob Sie Führungsstärke haben! Ja oder nein, Herr Kollege Laschet!
Es ist doch ganz offensichtlich: Die Zwischenrufe beweisen das. Die Kluft zwischen Ihnen und der Mehrheit der NRW-CDU wird immer größer. Deshalb stehen Sie doch so unter Druck; deshalb ist Ihre Polemik so zügellos.
Bei keinem anderen Thema – ich will das noch einmal aufnehmen – haben Sie sich so sehr verrannt wie bei der inneren Sicherheit. Besonders abstoßend war ein Satz; den haben Sie zwar vorhin in Ihrer Rede nicht gesagt, Sie haben ihn aber öffentlich immer wieder wiederholt. Besonders abstoßend war der Satz: Die bayerische Polizei hätte die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht nicht geduldet.
Das können Sie, Herr Kollege Laschet, selbstverständlich gar nicht wissen. Die bayerische Polizei ist froh, dass sie das gar nicht hat herausfinden müssen. Sie wollen uns – das ist uns doch klar – mit einem solchen Satz treffen. Aber merken Sie denn gar nicht, dass die Flugbahn Ihrer Vorwürfe mitten durch die Berufsehre der Polizei verläuft? Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist nicht schlechter als die Polizei in Bayern – sie ist mindestens genauso gut.
Sie hat aus den Vorfällen der Silvesternacht gelernt. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen verdient unser Vertrauen, auch das Vertrauen dieses Hauses, meine Damen und Herren!
Im Übrigen: Die Polizei dieses Landes ist keine SPDPolizei, sie ist auch keine rot-grüne Polizei, sondern sie ist die Polizei Nordrhein-Westfalens. Herr Kollege Laschet, damit ist sie auch Ihre Polizei! Und unsere Polizei kann auf große Erfolge verweisen bei der Verhinderung von Terroranschlägen, bei der Bekämpfung von Jugend- und Gewaltkriminalität und nicht
zuletzt bei der Eindämmung von Gewalt und Diebstahl in Kriminalitätsbrennpunkten, wie zum Beispiel in Duisburg-Marxloh, und auch bei der Verhinderung von Wohnungseinbrüchen. So groß das Problem nach wie vor ist – das verschweigen wir doch gar nicht –, gibt es dennoch Erfolge.
Wir haben, Herr Kollege Laschet, in den vergangenen Jahren die Haushaltsmittel für die innere Sicherheit drastisch erhöht. Wir investieren massiv in die Ausstattung der Polizei und Justiz. Gut 30 Milliarden € sind zwischen 2010 und heute in Personal und Material für Sicherheit und Ordnung geflossen. Das ist fast doppelt so viel wie zur Regierungszeit von CDU und FDP, fast doppelt so viel!
Herr Kollege Laschet, daran will ich Sie erinnern: Sie saßen damals mit am Regierungstisch in der Regierung Rüttgers. Auch Sie haben zu verantworten, dass da jahrelang zu wenig Nachwuchs bei der Polizei eingestellt worden ist – zu wenig Nachwuchs, Herr Kollege Laschet!
Wir hingegen stellen so viele Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ein wie nie zuvor – 2.000 jedes Jahr. Das, Herr Kollege Laschet, gehört zu den Kernaufgaben unseres Landes.
Der springende Punkt ist, dass die Opposition – vor allen Dingen die CDU – überhaupt nicht erklären kann, was sie denn anders oder besser machen würde. Fast alles, was Sie fordern, ist in NordrheinWestfalen doch schon längst Praxis; von der Videoüberwachung über den Einsatz intelligenter Software bis hin zu beschleunigten Gerichtsprozessen.
Herr Kollege Laschet – weil Sie es gerade noch mal herausgestellt haben: Gewiss kann man über den Nutzen der Schleierfahndung streiten, aber rechtfertigt das Ihren Auftritt hier? – Nein! Herr Kollege Laschet, Ihre Stimme ist laut, Ihre Wortwahl ist dramatisch, Ihre Vorwürfe sind maßlos, nur – und auch das ist gerade wieder deutlich geworden – Ihre Alternativen sind blass und begrenzt.
Das alles gilt auch für Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit jeder Rede, die Sie halten, wird Ihre düstere NRW-Erzählung noch eine Spur schauriger. Das Land stehe vor dem Untergang, und Hoffnung gebe es nur, weil die NRW-CDU fest entschlossen sei, das Tariftreue- und Vergabegesetz abzuschaffen und selbstverständlich auch den Blitzmarathon – Hoffnung für die Menschen.
Herr Kollege Laschet, wenn das die Geschichte ist, die Sie den Menschen im Wahlkampf erzählen wollen, dann sollten Sie stets auch betonen, dass Sie Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden wollen und nicht etwa von Molwanien.
Dann könnten Sie Missverständnisse vermeiden, Herr Kollege Laschet. Weil ich da gerade verständnislose Gesichter sehe: Sie können gerne googeln, was „Molwanien“ ist, damit der Herr Kollege Laschet diese Missverständnisse nicht mehr produziert.
Aber bleiben wir ernst. Es ist wahr, Herr Kollege Laschet – und da sind wir uns doch einig –, dass man Menschen nicht ernst nimmt, wenn man ihre Probleme leugnet. Wenn man jedoch das Land, in dem diese Menschen leben, wider besseres Wissen klein- und schlechtredet,
dann ist das auch ein Täuschungsversuch zu taktischen Zwecken.
Ich rede gerne über die Fakten und nenne sie jetzt mal. Während unserer Regierungszeit sind in Nordrhein-Westfalen 650.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu entstanden. Wir haben die Arbeitslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 1993 gedrückt. Die Jugendarbeitslosigkeit in NordrheinWestfalen ist heute auf einem historischen Tiefststand und die Beschäftigung insgesamt auf einem historischen Höchststand. Heute haben mehr als 6,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen einen regulären Job – so viele wie nie zuvor.
Herr Kollege Laschet, Nordrhein Westfalen erhält mehr ausländische Direktinvestitionen als Bayern und Baden-Württemberg zusammen.
In keinem anderen Flächenland ist der Breitbandausbau so weit fortgeschritten wie in Nordrhein Westfalen.
Schon zum zweiten Mal in Folge hat die britische „Financial Times“ Nordrhein-Westfalen zu Europas Zukunftsregion Nummer eins gekürt. NRW punktet mit seinem innovativen Mittelstand und seiner starken Industrie. Hier gibt es die dichteste Hochschullandschaft Europas, ein duales Ausbildungssystem von Weltruf und mehr hochqualifizierte Fachkräfte als irgendwo sonst in Europa.
Das sind die Fakten, und die sind auch unwidersprochen. Nordrhein-Westfalen ist heute in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung als am Ende der schwarz-gelben Regierungszeit, meine Damen und Herren!
Herr Kollege Laschet, nur weil Sie schwarzmalen, fange ich nicht an, alles rosarot zu malen. NordrheinWestfalen ist ein Land großer ökonomischer und sozialer Unterschiede. Wir haben das immer wieder gesagt, und wir wissen es, da wir mitten in diesem Land leben. Boom-Regionen mit Vollbeschäftigung grenzen an strukturschwache Regionen, die gegen Langzeitarbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit zu kämpfen haben. Aussprechen, was ist, aber sich nicht mit den Dingen abfinden, so wie sie sind – das ist seit 153 Jahren die Politik meiner Partei.
Die Frage ist also nicht, ob es diese Probleme gibt – natürlich gibt es sie –, sondern vielmehr, wie man sie tatsächlich lösen kann: mit einer widerlegten Privatvor-Staat-Ideologie oder mit den mutigen Investitionen eines modernen Sozial- und Innovationsstaates. Das ist die Frage.
Herr Kollege Laschet, wir wissen – und das ist hier im Haushalt nachzulesen –, dass ein erfolgreiches Wirtschaftsland mehr denn je ein Innovationsland sein muss. Deshalb investiert Nordrhein-Westfalen heute 40 % seines Haushalts in Bildung, Wissenschaft und Forschung, mit 1.100 € pro Einwohner.
Meine Damen und Herren, mit 1.100 € pro Einwohner und Jahr liegen wir im Vergleich aller Bundesländer auf Platz zwei, knapp hinter Baden-Württemberg und vor Bayern. Insgesamt haben wir seit 2010 gut 200 Milliarden € für Kitas, Schulen und Universitäten ausgegeben. Herr Kollege Laschet, das ist mehr als das Doppelte von dem, was die abgewählte schwarzgelbe Vorgängerregierung ausgegeben hat.
Wir investieren in die Mobilität von Menschen, von Gütern und von Daten. Bis 2030 werden über 13 Milliarden € in Straßen, Brücken, in Bahnstrecken und in Datenleitungen fließen. Schon 2026 soll Nordrhein-Westfalen über ein flächendeckendes Glasfasernetz verfügen.
Mit 70 Hochschulen hat Nordrhein-Westfalen die dichteste Wissenschaftslandschaft Europas. Unsere Unternehmen – und darauf kommt es an – sollen noch stärker von diesem Standortvorteil profitieren. Deshalb machen wir Nordrhein-Westfalen zu einem Vorbild für regionale Innovationsnetzwerke. Sieben
dieser Netzwerke gibt es hier bereits – im Übrigen nur hier und in keinem anderen Bundesland.
So vernetzen wir Wirtschaft und Wissenschaft, damit besonders kleine und mittelständische Unternehmen aus neuen Technologien marktreife Produkte und Dienstleistungen entwickeln können. Wissenschaftliche Innovationen aus Nordrhein-Westfalen werden so noch schneller zu einer wirtschaftlichen Wertschöpfung in Nordrhein Westfalen führen. Auch darüber legt dieser Haushalt für das nächste Jahr beredt Zeugnis ab.
Wir nutzen die Energiewende als Fortschrittsmotor. Längst geht es nicht mehr um den Konkurrenzkampf zwischen erneuerbaren und konventionellen Energien; vielmehr geht es um eine intelligente Vernetzung aller Energiequellen, in der die erneuerbaren Energien eine dominierende und – ja klar – irgendwann die einzige Rolle spielen werden.
Nordrhein-Westfalen hat der Kohle – auch und besonders der Braunkohle – viel zu verdanken, und wir brauchen sie immer noch, mindestens noch 20, vielleicht sogar 30 Jahre.
Mit der Leitentscheidung zu Garzweiler II hat die rotgrüne Koalition für Planungssicherheit gesorgt. Die Braunkohle ist der Geleitschutz, den wir brauchen, um Nordrhein-Westfalen in die Zukunft einer klimaneutralen Energieversorgung zu führen. Wir sorgen dafür, dass das geht – bestens orientiert und sicher bis ans Ziel, meine Damen und Herren.
Eines der großen Probleme unseres Landes ist die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit in Großstädten, die der Strukturwandel gezeichnet hat. Ja, Herr Kollege Laschet, ich hätte von Ihnen dazu gerne einen Lösungsvorschlag gehört. Den haben Sie aber nicht gegeben.
Die Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit sind mitnichten konjunkturelle Schwächen oder Wachstumsdellen. Verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit ist meist die Folge mangelnder Bildungsabschlüsse und mangelnder Berufsqualifikation.
Gleichzeitig droht unserer Wirtschaft ein Fachkräftemangel. Wir brauchen mehr Handwerker, Facharbeiter und Facharbeiterinnen, mehr Ingenieure. Genau hier setzt doch unsere vorbeugende Politik an. Bildungsarmut darf sich nicht mehr vererben, sie darf kein Grund für Fachkräftemangel sein. Deshalb
spannen wir ein flächendeckendes Netz aus individuellen Unterstützungsleistungen und Förderangeboten für Kinder und ihre Familien.
Dabei geht es um frühkindliche Bildung, um Lese- und Sprachförderung, um Familienbegleitung und Schulsozialarbeit. Es geht auch um individuelle Betreuung und Beratung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Das machen wir. Schauen Sie sich das an! Unser Projekt „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist derart erfolgreich, dass die Bundesagentur für Arbeit es nun auf das gesamte Bundesgebiet übertragen will. Es lohnt also, eine solch vorbeugende Politik zu machen.
Ja, wir stehen vor rasanten Veränderungen – wer wollte das bezweifeln? Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel sind passende Stichworte dafür. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen kennen Wandel. Sie haben keine Angst vor Veränderungen. Sie können Wandel auch. Sie wollen aber, dass es dabei gerecht zugeht. Und Gerechtigkeit beginnt immer mit Chancengleichheit – aber sie hört damit doch noch nicht auf!
Wem das Leben aus den Händen gleitet, verdient zweite und dritte Chancen – zum Beispiel auch durch einen sozialen Arbeitsmarkt. Gemeinnützige Aufgaben, die der Allgemeinheit zugutekommen, die bisher aber liegengeblieben sind, gibt es reichlich, genauso wie Menschen, über die der Strukturwandel hinweggegangen ist, die keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie wollen aber dennoch etwas leisten, und sie können auch etwas leisten.
Ja, wir in Nordrhein-Westfalen gehen jetzt voran. Wir schaffen für 4.000 dieser Menschen neue Chancen – neue Chancen durch dauerhafte Beschäftigung auf einem sozialen Arbeitsmarkt. Auch das legen wir mit diesem Haushalt fest, meine Damen und Herren!
Herr Kollege Laschet, da könnten Sie doch mithelfen. Jetzt allerdings muss der Bund endlich nachziehen, und Bundesfinanzminister Schäuble muss endlich seine ideologischen Bremsen lösen – um der Menschen Willen, die darauf warten, dass sie in Beschäftigung kommen. Das ist der entscheidende Punkt für den sozialen Arbeitsmarkt, damit er am besten flächendeckend ausgeweitet werden kann.
Jetzt habe ich vorhin bei der Rede des Kollegen Laschet darauf gewartet, dass er endlich einmal Alternativen aufzeigt. Was aber gab es? – Das alte Lied vom Bürokratieabbau; das haben Sie schon 2005 gesungen.
Hunderte von Regeln und Vorschriften – ich erinnere Sie noch einmal daran – wollten Sie damals abschaffen; ein fulminantes Streichkonzert sollte es geben. Und was haben Sie dann aufgeführt? Ein Konzert mit der Luftgitarre!