Protocol of the Session on July 2, 2014

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, der 62. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Vertreterinnen und Vertretern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir dürfen auch heute jemandem zum Geburtstag gratulieren, nämlich Herrn Minister Guntram Schneider, der heute seinen 63. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch vom Hohen Haus!

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen im Namen des Hohen Hauses alles Gute, kann Ihnen aber leider keine kurze Plenarsitzung versprechen. Aber wir freuen uns alle, den Tag mit Ihnen gemeinsam verbringen zu dürfen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Sie gerne noch darüber unterrichten, dass die Landesregierung mit Schreiben vom 1. Juli eine Unterrichtung zu dem Thema „Auswirkungen des Urteils des Verfassungsgerichtshofs NRW vom 1. Juli zu dem Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land NRW“ angemeldet hat. Die Unterrichtung soll heute als Tagesordnungspunkt 2 durch den Finanzminister erfolgen.

Die für heute angemeldete Unterrichtung zu den Unwetterereignissen vom 9. Juni soll laut Vorschlag der Landesregierung für morgen oder für Freitag als Tagesordnungspunkt 1 vorgesehen werden. Mit Blick auf den weiteren Verlauf dieser Woche lautet mein Vorschlag, das morgen als Tagesordnungspunkt 1 auf die Tagesordnung zu setzen. Die Verständigung mit den Fraktionen ist angelaufen, aber vor Beginn der Sitzung noch nicht vollständig abgeschlossen worden. Deshalb schaue ich einmal in die Runde. – Die Fraktionen nicken. Dann verfahren wir so.

Ich will gleichzeitig bereits jetzt darauf hinweisen, dass zu dem neuen Tagesordnungspunkt 2 heute, der Unterrichtung durch den Finanzminister, ein Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP eingereicht worden ist und Ihnen vorliegen müsste. Dieser Entschließungsantrag trägt die Drucksachennummer 16/6206 – Neudruck – und wird nachher auch noch beim Aufruf des Tagesordnungspunktes genannt.

Mit diesen Vorbemerkungen treten wir in die heutige Tagesordnung ein.

Wir kommen zu:

1 Nachwahl eines Schriftführers des Landtags

Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6096

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen. Deshalb können wir direkt zur Abstimmung über diesen Wahlvorschlag kommen. Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann haben wir den Wahlvorschlag mit der Drucksachennummer 16/6096 einstimmig angenommen.

Herr Oliver Bayer ist damit unser neues Mitglied im Kreis der Schriftführerinnen und Schriftführer. Herzlichen Glückwunsch und auf gute Zusammenarbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Damit rufe ich auf:

2 Auswirkungen des Urteils des Verfassungs

gerichtshofs NRW vom 1. Juli zu dem Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land NRW

Unterrichtung durch die Landesregierung

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/6206 – Neudruck

Der Chef der Staatskanzlei hat, wie eben schon ausgeführt, mit Schreiben vom 1. Juli mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu diesem Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch den Finanzminister Dr. Walter-Borjans, dem ich hiermit das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hat gestern Teile des Besoldungsanpassungsgesetzes für nicht mit der Verfassung vereinbar erklärt. Die Verfassungsrichter haben ihre Entscheidung in fünf Leitsätzen zusammengefasst:

In dem ersten Leitsatz weisen sie darauf hin, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, wie sie in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes stehen, auch Bestandteil der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen sind.

Mit dem zweiten Leitsatz sagen sie, dass nach dem Alimentationsprinzip der Gesetzgeber die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger anhand einer Gegenüberstellung mit bestimmten Vergleichsgruppen innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes festsetzen muss.

Drittens. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger an eine positive Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen.

Viertens. Der Gesetzgeber darf die Bezüge kürzen oder mit einer Anpassung hinter der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zurückbleiben, um eine Überalimentation abzubauen. Das ist jedoch nur dann statthaft, wenn die Bezüge nicht bereits an der unteren Grenze einer amtsangemessenen Alimentation liegen.

Fünftens. Hält der Gesetzgeber für die Besoldungsgruppen A2 bis A10 eine Erhöhung der Besoldung von 5,6 % zur Sicherung einer amtsangemessenen Alimentation für sachgerecht, dann darf er ohne sachlichen Grund die Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A11 und A12 nicht auf 2 % beschränken und jedenfalls nicht schon ab Besoldungsgruppe A13 auf jede Erhöhung der Grundgehaltssätze verzichten.

Es gibt eine längere Begründung zu diesem Urteil, die ebenfalls erst seit gestern vorliegt. Die gilt es jetzt auszuwerten. Das geht sicher nicht in einem Tag.

Eines wird allerdings schon bei der ersten Lektüre dieser Begründung klar: Für die große Pose, wie sie gestern von der Opposition eingenommen wurde, und für starke Sprüche, wie sie gestern zu vernehmen waren, gibt es wenig Anlass.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Mit seiner Urteilsbegründung macht das Gericht nämlich in jedem Satz deutlich, wie schwer es fällt, verlässliche Leitlinien für die zukünftige Beamtenbesoldung zu formulieren – Leitlinien, die nicht außer Acht lassen, dass es neben dem Verfassungsgebot einer amtsangemessenen Besoldung und ausreichender Abstände zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen auch das Verfassungsgebot eines ab 2020 ausgeglichenen Haushalts ohne Kreditaufnahme gibt.

Das Gericht hat den Versuch unternommen, Leitplanken für Entscheidungen in einer Frage zu definieren, der Beamtenbesoldung, die nicht erst nach dem gestern monierten Besoldungsanpassungsgesetz und nicht nur in Nordrhein-Westfalen die Gemüter erhitzt.

Die Frage, wann und wie Ergebnisse der Tarifverhandlungen für die Tarifbeschäftigten der Länder auf die Beamtenbesoldung zu übertragen sind bzw. was unter der Anpassung der Besoldung an wirt

schaftliche und finanzielle Entwicklungen zu verstehen ist, stellt sich spätestens, seitdem die Föderalismuskommission 2006 die Kompetenz für die Besoldung auf die Länder übertragen hat.

Seither waren Entscheidungen in vielen Landtagen immer wieder umstritten und haben auch zu Klagen bei Verfassungsgerichtshöfen geführt. Das nimmt in dem Maße zu, wie wir uns auf das Jahr 2020 zubewegen.

(Zuruf von den PIRATEN)

Die Verfassungsrichter unterstreichen in ihrer Entscheidung ausdrücklich die Zulässigkeit der Unterschiede in den Besoldungsniveaus der Länder als Folge dieser Kompetenzübertragung auf die Länder.

Es ist dem Gericht erkennbar nicht leichtgefallen, solche Leitplanken zu formulieren. Deshalb gibt es auch deutlich mehr Aussagen dazu, was nach Ansicht des Verfassungsgerichts zwar grundsätzlich geht, aber nicht so, wie es der Landtag in das Gesetz geschrieben hat. Aussagen dazu, wie es denn geht, damit es verfassungskonform ist, sucht man vergeblich. Das ist jetzt Sache des Gesetzgebers in Nordrhein-Westfalen – aber nicht nur hier; denn wir wissen, dass es in anderen Ländern ähnliche Fragestellungen gibt und da nach ähnlichen Leitplanken gesucht wird.

Man kann jetzt schon sagen: Wenn man eine Anpassung vornimmt, die nicht eins zu eins der Tariferhöhung entspricht – genau das hat der Verfassungsgerichtshof ja für möglich erklärt –, dann wird es immer Regelungen geben, die das Risiko in sich bergen, von den Verfassungsgerichten verworfen zu werden. Das ist ein ziemlich normaler Vorgang.

(Lachen von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Ja! Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. Warten Sie mal ab!

(Widerspruch von Lutz Lienenkämper [CDU] – Weitere Zurufe)

Ihr eigener Verfahrensbevollmächtigter hat als Begründung für die Statthaftigkeit des Antrags, den Sie gestellt haben, gesagt: Es geht um die Klärung von Zweifelsfragen der Verfassungsauslegung. – Damit haben Sie begründet, dass Sie das bei Gericht überhaupt klären lassen dürfen. Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs mit Strafprozessurteilen gleichzusetzen scheint eine nordrheinwestfälische Spezialität von Ihnen zu sein.

Das Verfassungsgericht ist aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Karlsruhe und anderswo kein Strafgericht. Die Richter richten nicht über Schuld oder Unschuld, sondern sie entscheiden in einer Streitfrage.

(Zurufe von der CDU)

Moment! Sie scheinen keine Nachrichten zu hören. – Karlsruhe macht so etwas fast jeden Monat. In der vergangenen Legislaturperiode hat Karlsruhe 33 Normen oder Gesetze für mit der Verfassung nicht vereinbar erklärt.

Wir haben es ja gerade mit der Frage zu tun, ob wir uns zusammen mit dem Bund an einem Verfahren beteiligen wollen. Als Nächstes steht in Karlsruhe nämlich das Thema „Erbschaftsteuer“ auf der Tagesordnung. Wie furchtbar, dass darüber befunden wird! Und die Folgen der grundgesetzwidrigen Sozialleistungsregelungen für Flüchtlinge waren erst vor ein paar Tagen Thema in den Nachrichten.

Für den Bund ist das also offenbar normal; da gibt es kein Empörungsgeschrei. Und das, was für Sie von CDU und FDP während Ihrer Regierungszeit hier in Nordrhein-Westfalen offenbar auch normal war, das ist für die heutige Landtagsopposition eine immer wieder gerne genutzte Reckstange für mediale Klimmzüge.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)