Nils Schmid

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Last Statements

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Das Leiden der Menschen in Ja pan erfüllt mich mit tiefer Trauer. Wir alle spüren das Bedürf nis, innezuhalten und daran zu denken, was den Menschen
dort widerfahren ist, die ihr Hab und Gut, die Angehörige, Freunde und Bekannte so plötzlich verloren haben und jetzt vor einer ungewissen Zukunft stehen, die nicht wissen, wie es weitergeht – und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn die Katastrophe in Japan ist noch am Brodeln, und die Konse quenzen sind bislang unabsehbar.
Das Einzige, was wir in Europa, in Deutschland, in BadenWürttemberg tun können, ist, unser Mitgefühl auszusprechen und dort zu helfen, wo man noch helfen kann. Deshalb ist es richtig, dass in Baden-Württemberg auf Landesebene, bei den Hilfswerken, bei den Verbänden, alles darangesetzt wird, Hilfsanforderungen aus Japan entgegenzukommen.
Natürlich denken wir an unsere Freunde und Partner in Kana gawa, an die Städte und Gemeinden in Japan, die mit unseren Städten Partnerschaften und Freundschaften pflegen.
Mir kommt in diesen Tagen noch eine andere Erinnerung wie der in den Sinn, nämlich die Erinnerung an das Unglück in Tschernobyl vor 25 Jahren. Das war nicht ganz so weit von uns entfernt. Da hieß es: „Spielt nicht mehr draußen, verzehrt kein Wild und keine Pilze mehr.“ Es herrschte eine große Un gewissheit, weil wir keine Ahnung hatten, was diese ominö se Wolke bedeutete. Meine französischen Freunde sagten da mals, bei ihnen gebe es gar keine Wolke.
Ich bin drei Jahre später im Rahmen eines Schüleraustauschs in die damalige Sowjetunion, in die Ukraine, gereist. Das war der erste Schüleraustausch mit Poltawa. Ich weiß noch ganz genau, wie wir im Jahr 1989 auch in unseren Familien verun sichert waren und uns fragten, ob man da überhaupt hinfah ren könne. Wir haben uns damals gesagt, dass dieser Ort öst lich von Tschernobyl liegt und die Wolke eher Richtung Wes ten getrieben ist. Insofern war klar, dass wir uns auf die Rei se dorthin machten. Als wir aber dann dort vor Ort waren – drei Jahre nach dem Unglück –, hatten wir manchmal den Ein druck, wir wüssten mehr über das, was geschehen war, als die Menschen dort vor Ort. Trotzdem haben wir sofort gemerkt, welch einen tiefen Einschnitt es für eine Gesellschaft bedeu tet, wenn ein solch apokalyptischer Unfall über ein Land kommt. Die Folgen dieses Reaktorunglücks sind ja auch bis heute nicht bewältigt.
So, wie es vor 25 Jahren richtig war, darüber zu reden, was dieses Unglück für uns, für unsere Energiepolitik bedeutet, ist es jetzt unsere Pflicht, darüber zu sprechen, was die Ereignis se in Fukushima für uns in Deutschland, in Baden-Württem berg bedeuten. Es ist unsere Pflicht, darüber zu sprechen, wie solche Katastrophen in Zukunft verhindert werden können. Das ist eine hochpolitische Frage, eine Frage, der wir noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen als in der Vergangen heit. Eben weil es eine hochpolitische Frage ist, reicht es auch nicht aus, hilflos mit Vertröstungen darauf zu reagieren. Denn eines ist klar: CDU und FDP haben in diesem Punkt ein ganz dickes Glaubwürdigkeitsproblem.
Harrisburg, Tschernobyl und nun Fukushima – diese Katast rophe ist nicht irgendwo passiert, sondern im Hochtechnolo gieland Japan. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass sich dieses angebliche Restrisiko sehr schnell und furchtbar reali
sieren kann, der hat nichts verstanden. Deshalb ist jetzt auch nicht die Zeit, darüber zu reden, wie man sich irgendwie über Wahltermine retten kann,
sondern es geht darum, jetzt darüber zu reden, wie wir in Deutschland diese Risikotechnologie Atomkraft endgültig ver bannen können.
Die Atomkraft birgt unbeherrschbare Risiken. Wir haben es erlebt. Die Katastrophe von Fukushima – ein Vierteljahrhun dert nach dem Super-GAU von Tschernobyl – war ein Fanal. Am 12. März 2011 um 15:36 Uhr ist das Atomzeitalter zu En de gegangen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar nicht nur für drei Monate, nicht nur bis zur Landtags wahl, sondern für immer.
Die Halbwertszeit von Plutonium-239, das Medienberichten zufolge aus einem der Reaktoren entwichen ist und von dem schon wenige Milligramm tödlich wirken, beträgt 24 000 Jah re. Ihr Aussetzen des Ausstiegs vom Ausstieg wird maximal drei Monate Bestand haben.
Wenn Sie, Herr Mappus, sagen, es sei ein emotionaler Aus nahmezustand, der da die Republik erfasst habe, dann sage ich Ihnen eines: Das einzige Ziel des Moratoriums ist es, die Menschen zu betäuben und ihnen eine Beruhigungspille zu verpassen. Das wird nicht ausreichen.
Wer soll Ihnen diese neue Nachdenklichkeit denn überhaupt abnehmen?
Sie waren über Jahre hinweg der größte Atomlobbyist in der ganzen Republik.
Sie sind vorneweg marschiert, als es darum ging, den rot-grü nen Atomkonsens aufzukündigen und die Laufzeiten zu ver längern.
Sie haben maßgeblich dafür gesorgt, dass auch die Menschen in Baden-Württemberg 25 Jahre länger mit dem Restrisiko von Atomkraftwerken leben müssen.
Die Menschen im Land vertrauen Ihnen nicht. Ihre Glaubwür digkeit in dieser Frage ist auf dem Nullpunkt, und Ihr durch sichtiger Aktionismus verunsichert, anstatt Sicherheit zu ge ben.
Sie beruhigen die Menschen nicht, sondern Sie bringen neue Unruhe hinein.
Denn Ihr plötzlicher Kurswechsel mit der Ankündigung von Sicherheitsüberprüfungen ist auch in den Augen der Bürge rinnen und Bürger eindeutig eine beschwichtigende Rhetorik, wie wir sie vor 25 Jahren schon einmal erlebt haben.
Die Fakten liegen auf dem Tisch, sie wurden nur von der CDU und von der FDP lange ignoriert. Es ist erwiesen, dass insbe sondere die älteren AKWs gegen Flugzeugabstürze ungenü gend gesichert sind. Bekanntlich haben Philippsburg 1 und Neckarwestheim I keine gesonderte Betonhülle. Selbst bei ei nem kleineren Flugzeugabsturz können große Unglücke pas sieren.
Auch die Erdbebengefahr im Rheintal ist bekannt. Genau dort steht eine ganze Reihe von Kernkraftwerken. Das Bundesum weltministerium unter Leitung Ihres geschätzten Parteifreunds Norbert Röttgen sagt dazu:
Bei der Ermittlung des Bemessungserdbebens müssen be stimmte Annahmen getroffen werden. Um den dadurch auftretenden Unsicherheiten Rechnung zu tragen, werden für die Erdbebenauslegung im kerntechnischen Regelwerk „Sicherheits-Zuschläge“ vorgesehen, die eine Unter schätzung des Bemessungserdbebens verhindern sollen.
Aber was passiert, wenn sich die Natur nicht an die Ausle gung hält? Genau das ist in Japan geschehen.
Die Defizite bei der Sicherheit sind bekannt. In Japan war der Ausfall der Stromversorgung der entscheidende Auslöser. Wie es damit im Land aussieht, wissen wir seit den Vorgängen in Philippsburg im Jahr 2001. Schlampigkeiten beim Personal, bei der TÜV-Aufsicht, bei der Atomaufsicht hätten damals zu einer verheerenden Katastrophe führen können.
Damals gingen Faxe verloren, Mitarbeiter gingen einfach ins Wochenende, und die TÜV-Aufsicht hat trotz blinkender und summender Warnsysteme angeblich nichts bemerkt.
All das macht deutlich: Es ist eine Lebenslüge der schwarzgelben „Verlängerungskoalition“, dass die Risiken beherrsch bar wären.
Die Wahrheit ist: Wir haben bislang schlicht Glück gehabt. Am 10. März hat Ihre Umweltministerin Tanja Gönner den noch behauptet:
Die Kernkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim erfüllen alle geltenden Sicherheitsstandards und sind kon tinuierlich nachgerüstet worden.
Ich kontrastiere das einmal mit einem anderen Satz, der in die sem Haus geäußert wurde:
Ich möchte hier einmal ganz offen sagen, dass es mich be troffen macht, wenn Politiker jetzt plötzlich erklären, wir müssten die Sicherheit unserer Kernkraftwerke neu über prüfen. Wenn ich als Politiker erkläre, dass ich jetzt zu überprüfen begänne, dann würde ich als Bürger sagen: „So habe ich mir die Politiker immer vorgestellt. Es muss erst etwas passieren, bis sie die Sicherheit ernst nehmen.“
Dieser Satz stammt von Lothar Späth, 1986, nach Tscherno byl.
Herr Mappus, warum muss es immer erst zur Katastrophe kommen, bis Sie Ernst machen? Wenn es einen roten Faden in Ihrer Politik der letzten 14 Monate gibt, dann diesen. Wenn Sie jetzt von Überprüfungen und neuen Regeln sprechen, dann frage ich Sie: Warum erst jetzt?
Fünf Jahre lang hatten Experten des Bundesumweltministeri ums unter Sigmar Gabriel mit Bundesländern und Energiekon zernen neue Sicherheitsregeln für Atomkraftwerke verhandelt. Seit April 2009 lag dann eine Aktualisierung des kerntechni schen Regelwerks vor, das der deutschen Atomaufsicht neue Handhaben zur Überprüfung von Sicherheitsstandards gibt.
Welche Priorität die Sicherheit für Schwarz-Gelb hat, hat man nach der Bundestagswahl gesehen. Die schwarz-gelbe Koali tion hat dieses neue Regelwerk außer Kraft gesetzt und das alte, lückenhafte, 30 Jahre alte Regelwerk wieder in Kraft ge setzt. Das ist die Wahrheit über Ihre Atompolitik.
Sie haben den rot-grünen Atomkonsens von Gerhard Schrö der ohne Not gebrochen. Sie haben die Laufzeitverlängerung vorangetrieben. Sie haben damals gesagt: „Wir brauchen 15 plus x Jahre Laufzeitverlängerung; 15, 16, 17 Jahre halte ich für sinnvoll.“
Als selbst CDU-Umweltminister Röttgen dies für zu viel er achtet hat, haben Sie ihn zum Rücktritt aufgefordert.
Herr Mappus, Sie haben den gesellschaftlich und wirtschaft lich vernünftigen Atomkonsens zusammenbrechen lassen. Sie haben damit Deutschland bei den erneuerbaren Energien um Jahre zurückgeworfen.
Die SPD ist seit bald drei Jahrzehnten für den Atomausstieg und nicht erst seit 15 Stunden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Denn die Gefahr eines Super-GAUs infolge einer Kern schmelze ist unbeherrschbar und unberechenbar. Das ist kei ne theoretische Rechengröße. Diese Gefahr kann sich reali sieren.
Deshalb hat die Atomkraft keine Zukunft.
Wir haben in unserem Regierungsprogramm klar aufgezeigt, wie der Weg in die Zukunft der Energiewirtschaft aussehen muss.
Wir wollen z. B. den Atomkonzern EnBW zu einem Erneuer bare-Energien-Konzern ausbauen.
Sie haben die EnBW als Atomkonzern gekauft, um mit Atom kraft Geld zu verdienen.
Sie wollen die EnBW wieder weiterverkaufen, um mit Atom kraft Geld zu verdienen. Sie haben keinen anderen Plan für die EnBW als die Verlängerung von Laufzeiten. Das ist Ihr Problem.
Glauben Sie denn ernsthaft, Sie könnten langfristig mit einem Atomkonzern Geld verdienen? Sie haben sich zum Gefange nen Ihrer Laufzeitverlängerung gemacht, als Sie die EnBW gekauft haben. Sie haben keinerlei Strategie, wie Sie die Ab hängigkeit dieses Konzerns von der Atomenergie vermindern wollen.
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben sich bei diesem Geschäft schlicht und einfach verzockt.
Wenn Sie jetzt sagen: „Es ist großartig, dass wir den Ankauf getätigt haben; denn nun können wir abschalten“ – wie bei Neckarwestheim I –,
dann ist das eine ganz neue Volte.
Das gibt uns auch die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, wie wir als Eigentümer der EnBW den ursprünglich geplan ten Atomausstieg endlich durchsetzen können.
Das war immer unsere Linie. Das haben wir vorgeschlagen. Wir haben gesagt: Gerade weil wir Eigentümer sind, wollen wir die Strategie der EnBW so ausrichten,
dass wir den ursprünglichen Atomkonsens wiederherstellen.
Ich freue mich darüber, dass Sie auch dabei sind.
Aber dann lassen Sie uns den Weg konsequent zu Ende ge hen. Es ist unglaublich,
dass Sie zuerst die Laufzeitverlängerung durchboxen wollten und dann erklären, Sie hätten die EnBW nur gekauft, um die AKWs abzuschalten. Das ist nicht sehr glaubhaft.
Wenn Sie jetzt als der Papst der erneuerbaren Energien auf treten
und sagen: „Wer für erneuerbare Energien ist, der muss für Biosprit sein“,
dann sage ich erst einmal: Wer für erneuerbare Energien ist, der muss auch einmal bereit sein, Windkraftanlagen zu geneh migen.
Sie haben die Windkraft auf 99 % der Landesfläche verhin dert. Sie haben das rot-grüne Erneuerbare-Energien-Gesetz bis aufs Messer bekämpft.
Egal, was Sie uns heute sagen: Stefan Mappus und erneuer bare Energien, das bleibt ein Widerspruch in sich.
Schwarz-Gelb hat seinen Atomkurs immer mit wirtschaftli chen Argumenten begründet. Sicherheitsaspekte waren nach rangig. Sie haben behauptet, Atomstrom sei billig. Das ist nun wirklich ein PR-Märchen der Atomlobby, bei dem die Folge kosten verschwiegen werden.
Sie haben behauptet, die Atomkraftwerke sicherten Arbeits plätze in Baden-Württemberg. Ich bin jeden Tag im Land un terwegs
und kenne keinen Mittelständler, keinen Maschinen- oder An lagenbauer, der Atomkraftwerke baut, aber ganz viele, die Windkraftanlagen und Wasserkraftanlagen bauen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie haben behauptet, die Atomkraft sei eine Brückentechno logie. Spätestens seit den Ereignissen in Japan ist klar: Diese Technologie führt in eine Sackgasse.
Mehr denn je brauchen wir verlässliche und berechenbare Rahmenbedingungen für die deutsche Energiewirtschaft. Ger hard Schröder mit seiner rot-grünen Bundesregierung hat mit dem Atomkonsens genau diese berechenbaren und verlässli chen Rahmenbedingungen geschaffen.
Er hat deutlich gesagt, die Atomkraftwerke in Deutschland werden Schritt für Schritt abgeschaltet, so, wie die technolo gischen Standards es erfordern, das heißt, die älteren, störan fälligen Meiler zuerst und dann zum Schluss, bis Anfang der Zwanzigerjahre, die moderneren Kernkraftwerke, die bis da hin immer wieder entsprechend nachgerüstet wurden.
Es geht in der Tat nicht um einen Ausstieg auf Knopfdruck, sondern um einen planbaren, verlässlichen Ausstieg, der der Energiewirtschaft – sowohl den Atomkonzernen als auch den Stadtwerken und denjenigen, die in der Erzeugung von erneu erbaren Energien tätig sind – Sicherheit für ihre Investitionen gibt. Genau diesen Atomkonsens haben Sie mit einem Feder strich zunichtegemacht und damit Investitionen von Stadtwer ken in der ganzen Republik in Höhe von 10 Milliarden € auf Eis gelegt. Sie haben Unsicherheit hineingebracht. Sie sind der Unberechenbare in diesem Spiel, Herr Mappus.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat noch einmal deutlich gemacht, dass der Ausstieg so, wie er von RotGrün geplant war, möglich ist – auch in Baden-Württemberg –, und zwar mit der Abschaltung der Kraftwerke Schritt für Schritt, wie wir es beschlossen haben.
Übrigens: Neckarwestheim I wäre nach dem rot-grünen Aus stiegsbeschluss Ende letzten Jahres endgültig stillgelegt wor den, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dazu brauchen wir Ihre Mithilfe nicht.
Sie haben sich durch Ihre Atompolitik in eine heillose Lage gebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und von der FDP. Sie haben durch die Laufzeitverlän gerung für AKWs neue Rechtspositionen geschaffen, die Sie nur mit Moratorien vorübergehend beseitigen können. Sie sind aber auf Gedeih und Verderb auf das Wohlwollen der Atom konzerne angewiesen. Sie haben das Heft des Handelns bei der Energiewende aus der Hand gegeben. Das ist das Fatale gewesen.
Ich führe noch ein Zitat aus der Debatte aus dem Jahr 1986 an:
Die Weichen für Alternativen zur Kernkraft müssen... heute gestellt werden und nicht erst nach dem Jahr 2000.
Das hat damals Erwin Teufel gesagt.
Das Problem war jedoch: Er hat die Weichen nicht gestellt. Das war dann Rot-Grün – leider erst 1998; wir haben viel Zeit verloren. Sie haben durch die Laufzeitverlängerung dazu bei getragen, dass wir noch mehr Zeit verloren haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien, die Erfolgs geschichte von Schröder und Rot-Grün für die Energiewende im Land, für Sicherheit für die Menschen, für viele Jobs bei Maschinen- und Anlagenbauern gerade auch in Baden-Würt temberg, diese Erfolgsgeschichte kann nur fortgeschrieben werden, wenn Ihre Geschichte am 27. März endet.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Der Gleichstellungsatlas der Bun desregierung aus dem Jahr 2010 bringt es ans Licht: Die Bi lanz für Baden-Württemberg ist verheerend. Beim Frauenan teil in den Verwaltungsspitzen der Kommunen belegt das Land den drittletzten Platz, beim Frauenanteil bei den absolvierten Promotionen den vorletzten Platz, beim Frauenanteil bei den Mandatsträgern in kommunalen Vertretungen den letzten Platz, beim Anteil der Ministerinnen in den Landesregierun gen den vorletzten Platz, beim Frauenanteil bei den Manda ten in den Länderparlamenten den letzten Platz. Das ist Ihre Bilanz bei der Gleichstellung hier in Baden-Württemberg.
Wenn man dann noch den Zuständigkeitsbereich betrachtet, bei dem die Landesregierung unmittelbaren Einfluss hat,
dann sieht man, dass der Anteil von Frauen in Führungsposi tionen in der Landesverwaltung gerade einmal 13 % aus macht. Aktuellen Angaben aus dem Sozialministerium zufol ge wurden im Land seit Inkrafttreten des Chancengleichheits gesetzes im Jahr 2005
in die Gremien, bei denen das Besetzungsrecht durch die Lan desregierung ausgeübt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, 370 Männer, aber nur 79 Frauen berufen. Das ist Ihre verheerende Bilanz bei der Gleichstellung von Männern und Frauen.
Es geht nicht nur um die Bereiche, in denen das Land direkt Einfluss hat, sondern es geht auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, damit Frauen überhaupt die Chance ha ben, Karriere zu machen und sich auch in Führungspositio nen hochzuarbeiten. Das Ziel ist eine echte Wahlfreiheit für Männer wie Frauen, damit sie sich aus freien Stücken dazu entscheiden können, Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen.
Aber auch hier ist die Bilanz in Baden-Württemberg verhee rend. Der Ausbau der Kinderkrippen, der Kleinkindbetreuung läuft schleppend. Es fehlt an Ganztagsangeboten in Kinder gärten und Schulen. Nur als Beispiel: Der Anteil der Ganz tagsangebote in Kindergärten ist hier mit etwa 11 % bundes weit am niedrigsten, und bei den Grundschulen machen nur 8,8 % der Schulen Ganztagsangebote.
Damit hat Baden-Württemberg in diesem wichtigen Feld, in dem es darum geht, dass Männer und Frauen auf der einen Seite verlässliche Betreuungsangebote haben und auf der an deren Seite ihr berufliches Fortkommen strukturiert und ver lässlich organisieren können, die große Chance verpasst, die Weichen richtig zu stellen. Es darf nicht sein, dass die Fami lien – in der Regel betrifft das ja die Frauen – nach der halb wegs gut organisieren Zeit im Kindergarten dann nach dem Übergang in die Schule alles neu organisieren müssen, weil das Kind um 13:00 oder 14:00 Uhr wieder auf der Matte steht. Dies ist eines modernen Landes nicht würdig.
Es ist auch für die Kinder fatal, dass für ihre Bildung und Er ziehung so wenige Möglichkeiten in der frühkindlichen Bil dung, in den ersten Bildungsphasen bestehen. Denn wir wis sen aus vielen Untersuchungen, zuletzt aus einer Untersu chung der Bertelsmann Stiftung, dass das, was in den Phasen der frühen Kindheit versäumt wird, später nur schwer nach geholt werden kann.
Gerade zur Wahrung der Chancengleichheit unserer Kinder und im Hinblick auf den sich abzeichnenden Fachkräfteman gel in der Zukunft ist es unerlässlich, dass es uns gelingt, dass diese Kinder unabhängig davon, aus welchen Familien sie kommen, aus welchen Stadtteilen sie kommen und welche Herkunft sie haben, von Anfang an optimal und individuell gefördert werden. Dazu brauchen wir endlich verlässliche Ganztagsangebote, die bei den Kindergärten anfangen und über alle Schularten hinweg reichen.
Sie bemühen sich, die Wettbewerbsfähigkeit der baden-würt tembergischen Wirtschaft zu verbessern. McKinsey wurde be auftragt, ein Gutachten zu erstellen. Die Ergebnisse wurden vorgestellt. Daraufhin hat das Wirtschaftsministerium ein paar Millionen Euro in die Hand genommen, um irgendwelche För dertöpfe anzulegen. Eine entscheidende Lehre aus dieser Stu die war aber, dass der Fachkräftemangel, der sich für die nächsten Jahrzehnte abzeichnet, nur bewältigt werden kann, wenn wir es schaffen, dass mehr Frauen im Beruf bleiben und mehr Frauen kontinuierlich Karriere im Beruf machen kön nen.
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskam mertag hat noch einmal darauf hingewiesen, dass in BadenWürttemberg bereits im Jahr 2014 über 3 000 Fachkräfte feh len werden. Das heißt, dass wir in diesem Land nicht mehr viel Zeit haben. Wir müssen es endlich anpacken und es schaf fen, dem Fachkräftemangel offensiv zu begegnen. Dazu ge hört in erster Linie, dass die am besten ausgebildete Frauen generation in unserer Geschichte auch eine echte Chance ha ben muss, ihre beruflichen Fertigkeiten anzuwenden.
Wenn wir es ernst damit meinen, dass Frauen echte Gleich stellung erfahren sollen, dass sie ihre Talente in der Gesell schaft, in der Wirtschaft wirklich entfalten können sollen, da mit nicht nur die Hälfte des Himmels, sondern auch die Hälf te der Erde den Frauen gehört, dann muss diese Gleichstel lung endlich auch in den Führungsetagen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung ankommen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir auch in BadenWürttemberg eine Frauenquote.
Die Zukunftsfähigkeit des Landes hängt natürlich auch von einer guten Verkehrsinfrastruktur ab. Sie hängt davon ab, dass wir starke Unternehmen haben, die gut forschen und entwi ckeln. Sie hängt davon ab, dass wir im Bereich der Bildung genügend Geld anlegen. Aber die Zukunft dieses Landes hängt auch davon ab, dass Männer und Frauen in diesem Land end lich die gleichen Chancen bekommen. Dafür werden wir kämpfen – jetzt und auch nach dem 27. März 2011.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Der derzeitige Länderfinanzaus gleich ist ungerecht, benachteiligt Baden-Württemberg und setzt zu wenig Leistungsanreize. Deshalb kämpft die SPD schon seit Jahren für Verbesserungen und ist auch bereit, da gegen zu klagen.
Aber wir betreiben dieses Geschäft ernsthaft
und nicht nur in Wahlkampfzeiten, meine sehr verehrten Da men und Herren.
Sie kündigen seit vielen Monaten eine Klage an.
Die Gutachten liegen vor. Jetzt wird die Klage noch einmal vertagt. Das zeigt: Ihnen geht es in erster Linie um Wahl kampf, nicht um Verbesserungen für das Land Baden-Würt temberg.
Ihre Ernsthaftigkeit ist auch deshalb in Zweifel zu ziehen, weil Sie von einer falschen Grundannahme ausgehen, Herr Groh und meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU.
Der Länderfinanzausgleich ist einnahmeorientiert und nicht ausgabenorientiert.
Deshalb ist Ihr Lamento über die Ausgabenpolitik der ande ren Länder völlig fehl am Platz. Wir müssen vielmehr die Ein nahmeseite dieser Länder verbessern.
Es wird immer eigenständige Angelegenheit der Landespoli tik sein, über die Prioritäten auf der Ausgabenseite zu ent scheiden. Alles andere wäre für den Föderalismus in Deutsch land auch fatal.
So, wie die CDU in Nordrhein-Westfalen entschieden hat, Milliarden in die WestLB zu stecken, so haben wir in BadenWürttemberg entschieden, Milliarden in unsere Landesbank zu stecken
und für den Ankauf der EnBW-Aktien auszugeben. Ich will, dass es weiterhin Sache des Landtags von Baden-Württem berg bleibt, solche Entscheidungen zu treffen.
Genauso ist es Sache der Landtage in anderen Ländern, ihre Prioritäten in der Bildungspolitik festzulegen, und genauso
werden wir in Baden-Württemberg weiterhin dafür kämpfen, dass der Zugang zu Bildung kostenlos wird.
Die Ernsthaftigkeit Ihres Unterfangens ziehe ich aber noch weiter in Zweifel. Sie haben im Sommer die Einbindung der größten Oppositionsfraktion angekündigt. Herr Mappus hat hier in einer Debatte zugesagt:
Jawohl, wenn wir uns in der Sache einig sind, dann gehen wir auch den Weg zur Klage gemeinsam.
Bis heute haben wir aber nicht einmal das Gutachten vorge legt bekommen, das Sie dazu haben erstellen lassen.
Ich gehe einmal zu Ihren Gunsten davon aus, Herr Mappus, dass dieses Gutachten tatsächlich existiert. Da bin ich recht zuversichtlich.
Aber eines ist auch klar: Mit einer Klage ist es nicht getan. Wer wüsste das besser als die SPD in Baden-Württemberg?
Denn diese Landesregierung hat schon einmal geklagt.
Sie hat einem Länderfinanzausgleich zugestimmt, der das Land nicht ausreichend berücksichtigt.
Das ist Ihr Länderfinanzausgleich und nicht unserer.
Hinzu kommt, dass die Landesregierung von Baden-Württem berg bei der Föderalismusreform II einen zweiten Finanzaus gleich draufgesetzt hat,
nämlich mit den Sonderhilfen für hoch verschuldete Länder.
Auch das ist Ihr Finanzausgleich und nicht unserer.
Mit einer Klage ist es nicht getan. Denn eine Klage hat auch ihre Tücken. Das wissen wir seit der letzten Klage, die von Herrn Teufel angestrengt worden ist. Wenn man z. B. um De tails feilscht und das Bundesverfassungsgericht dazu zwingt, zu einzelnen Kriterien des Finanzausgleichs Stellung zu neh men, dann kann schnell etwas herauskommen, was für BadenWürttemberg nicht so günstig ist.
Sie haben – so habe ich es zumindest in der Presse lesen kön nen – zu Recht die sogenannte Einwohnerveredelung zum Ge genstand Ihrer rechtlichen Erwägungen für eine Klage ge macht. Das ist ein Detail. Es gibt aber noch ein anderes De tail, das dann sicher auch auf den Prüfstand kommt: Das ist die kommunale Finanzkraft. Im jetzigen Länderfinanzaus gleich wird die kommunale Finanzkraft zu 64 % den Ländern zugerechnet. Dies ist ein rein politischer Wert. Entweder wird die kommunale Finanzkraft zugerechnet, oder sie wird nicht zugerechnet. Ich sage Ihnen eines: Wenn dies einmal verfas sungsmäßig erörtert wird, dann spricht vieles dafür, dass in Zukunft die ganze kommunale Finanzkraft dem Land zuge rechnet wird –
mit entsprechenden Nachteilen für das Land, weil wir im Bun desländervergleich starke Kommunen haben.
Also: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Die Klage hat ihre Tü cken. Deshalb sollte man sich nicht allein auf Klagen verlas sen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Schließlich wird das Bundesverfassungsgericht Ihnen auch nicht ein neues Finanzausgleichsgesetz malen bzw. schreiben.
Vielmehr wird dies letzten Endes politische Verhandlungssa che zwischen Bundesrat und Bundestag sein, so, wie in der Vergangenheit auch.
Deshalb ist es vornehme Aufgabe des Landes Baden-Würt temberg, ein Verhandlungsklima aufrechtzuerhalten, bei dem man nach erfolgreicher Klage mit den anderen Ländern ein neues Finanzausgleichsgesetz zu einem guten Ende führen kann. Das ist Ihnen nämlich nach der letzten Klage nicht ge lungen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dazu braucht es nicht nur Klagen – das ist nur der Anfang –, sondern auch eigene Konzepte. Die Grünen haben ein solches vorgelegt. Ich will gleich sagen: Es ist unrealistisch. Denn es geht davon aus, dass die Last des Finanzausgleichs allein dem
Bund auferlegt wird. Dies ist aus meiner Sicht mit der Verfas sungsordnung
nicht vereinbar. Die Länder würden zu reinen Kostgängern des Bundes degradiert.
Die bündische Solidarität gilt auch zwischen Ländern. Des halb ist der einfache Federstrich aus meiner Sicht falsch.
Er wurde auch in der Föderalismuskommission schon einmal diskutiert und zu Recht abgelehnt.
Das zweite Problem bei dem Konzept der Grünen ist, dass das reine Ankoppeln an die Umsatzsteuerverteilung mit Kriterien wie Arbeitslosigkeit etc.
das Land Baden-Württemberg nicht entlasten, sondern stär ker belasten würde.
Insofern ist das kein guter Vorschlag für das Land BadenWürttemberg.
Wir sollten realistische Konzepte einbringen, die auf dem auf bauen, was den Föderalismus in Deutschland ausmacht. Des halb sage ich Ihnen: Wir klagen, um die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Unser Konzept für die notwendigen Verhandlun gen – –
Lieber Herr Groh, das Verfassungsgericht wird Ihnen das Finanzausgleichsgesetz nicht schreiben. Das werden Bundes tag und Bundesrat tun.
Deshalb sollte man auch eigene Ideen haben. Wir haben un sere Ideen schon verschiedentlich vorgetragen,
übrigens in einem gemeinsamen Konsens dieses Landtags, ei nen stärkeren Selbstbehalt der Länder bei Mehreinnahmen und vor allem Steuerautonomie für die Länder einzuführen. Dies ist die Antwort auf die Ungerechtigkeiten im Länderfi nanzausgleich.
Mein Appell an alle hier vertretenen Fraktionen und an die Regierung ist: Lassen Sie uns wie bei der Föderalismusre form II gemeinsam für die Landesinteressen streiten, mit re alistischen Konzepten,
mit der harten Ansage, dass wirklich geklagt wird,
aber auch mit Ideen, wie dieser Länderfinanzausgleich in Zu kunft für Baden-Württemberg besser aussehen kann. Dies ist der Weg der Vernunft, den ich vorschlage.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie müssen sich jetzt schon entscheiden, ob Sie klagen wollen oder ob Sie ein ganz großes Fass aufmachen wollen,
das mit der Klage überhaupt nichts zu tun hat. Sie werden doch nicht glauben, dass Sie mit einer Klage vor dem Bun desverfassungsgericht zum Thema Länderfinanzausgleich auch den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen behan deln können.
Das glauben Sie doch in drei kalten Wintern nicht. Vielmehr geht es um die Ausgleichsmaßstäbe entlang Artikel 107 des Grundgesetzes.
Wenn Sie schon anfangen, aufzurechnen, lieber Herr Groh, dann warne ich auch ein bisschen davor, das nur einseitig zu sehen. Sie haben recht: In vielen Bereichen zahlt Baden-Würt temberg wegen der Solidarität überproportional in die sozia len Sicherungssysteme ein,
weil es ein starkes Land ist.
Bei Forschungseinrichtungen, die vom Bund finanziert wer den, haben wir auch überproportionale Anteile – zu Recht, weil wir eine starke Wissensinfrastruktur haben. Darauf sind wir stolz.
Aber wenn Sie jetzt anfangen, das eine herauszupicken und das andere nicht zu sehen, dann werden Sie damit weder beim Bundesverfassungsgericht noch bei der Bevölkerung durch kommen.
Wenn Sie schon über Ausgaben reden, bin ich sofort bei Ih nen. Die sind bisher aber kein Maßstab im Länderfinanzaus gleich.
Ich bin gespannt, ob das Gutachten herausarbeitet, dass wir mit diesem Aspekt vor dem Bundesverfassungsgericht Er folgsaussichten haben. Deshalb erneuere ich die Forderung an Sie, uns einmal die Gutachten vorzulegen, damit wir wissen, woraus sich die Erfolgsaussichten der Klage schließen lassen.
Wenn wir über Ausgaben und über Investitionen reden,
dann stellt sich schon die Frage, ob eine Investitionsrechnung, die da sagt: „Das, was ich in die WestLB und in die LBBW stecke, sind gute Investitionen, und das, was ich in Bildung stecke, sind schlechte Investitionen“, auf Dauer für ein Land sinnvoll ist.
Genau das ist das Problem bei Ihrer Argumentation. Wir wol len starke Länder in der Fläche. Dazu müssen wir zuerst ein mal den ungerechten Länderfinanzausgleich mit einer Klage knacken. Deren Einreichung sollte man nicht dauernd verzö gern. Dann brauchen wir eigene Konzepte, um ihn gerecht zu gestalten. An beiden Stellen sind Sie blank. Sie verschieben die Klage, Sie haben keine eigenen Ideen. Das ist Ihr Prob lem.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Herr Mappus hat in seiner Regie rungserklärung im Landtag am 15. Dezember 2010 im Zu sammenhang mit der Notbewilligung durch den Finanzminis ter zum Ankauf der EnBW-Anteile behauptet – ich zitiere aus dem Protokoll –:
Zu dieser Frage wurde vorab ein verfassungsrechtliches Gutachten der beratenden Anwaltskanzlei eingeholt, wel ches das Vorgehen des Finanzministers bestätigt.
Die SPD-Fraktion hat nachgefragt und hat eine Stellungnah me von viereinhalb Seiten der Anwaltskanzlei, datiert vom 15. Dezember 2010, erhalten – neun Tage nach Vertrags schluss.
Es wurde ausgeführt, es hätte im Vorfeld Memos der Anwalts kanzlei gegeben, die man leider nicht zur Verfügung stellen könne. Neuerdings sagt die Landesregierung, die Beratung im Vorfeld sei mündlich erfolgt.
Das vorab eingeholte Gutachten existiert also überhaupt nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Diese Tatsachen bleiben bis heute unwidersprochen. Damit steht fest: Herr Mappus, Sie haben am 15. Dezember 2010 das Parlament und die Öffentlichkeit belogen.
Heute ist die Gelegenheit: Raus aus der Schmollecke! Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung! Räumen Sie den Fehler ein, und entschuldigen Sie sich öffentlich, Herr Mappus!
Eines ist auch klar, nachdem ich die Berichterstattung über den gestrigen Tag gelesen habe: Nach dem politischen Flur schaden, den Sie in Ihrer kurzen Zeit als Ministerpräsident an gerichtet haben, Herr Mappus, sind Sie der Allerletzte,
der in dieser Frage politische Stilkritik üben sollte.
Ja, der Ankauf der EnBW-Anteile
ist richtig. Aber in einer Demokratie kann man Inhalt und Form eines solchen Geschäfts nicht voneinander trennen.
Deshalb sage ich Ihnen: Wer solch einen Ankauf nur mit Ver fassungsbruch und mit Vetterleswirtschaft tätigen kann, der hat nicht mehr unsere Unterstützung, Herr Mappus.
Man muss sich einmal die Begründung auf der Zunge zerge hen lassen: Es sei gar nicht anders möglich gewesen. Herr Mappus sagt: „Ich weiß, was für das Land wichtig ist,
und deshalb ziehe ich diesen Kauf ohne Rücksicht auf Verfas sung und auf rechtliche Regeln durch.“ Diese Art von Frei fahrtschein für Unternehmensankäufe am Parlament und an der Verfassung vorbei bekommen Sie von uns nicht, Herr Mappus.
Dann setzen Sie noch einen drauf und sagen: Ich würde das genau so wieder tun.
Damit sind wir auf dem Weg zu einem selbstherrlichen Al leinherrschertum jenseits des Parlaments,
jenseits parlamentarischer Spielregeln. Ich sage Ihnen: Dies tut dem Land nicht gut.
Eines können Sie uns auch nicht abverlangen, und zwar, dass wir die Katze im Sack kaufen.
Der EnBW-Ankauf ist ohne eine vorherige sorgfältige Unter nehmensbewertung, genannt Due Diligence, durchgeführt worden. Sie haben bis heute dem Finanzausschuss keinen Wirtschaftsplan über die weitere Entwicklung und über Ihre Finanzierungskonstruktion vorlegen können. Die „Financial Times“ nennt das „Schwäbische Milchmädchenrechnung“. Ich glaube, da hat sie durchaus recht.
Schließlich etablieren Sie einen Regierungsstil, der auf Ge heimniskrämerei beruht. Schon im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten ist deutlich geworden, dass zu wichtigen Besprechungen im Vorfeld keine Protokol le auffindbar waren.
Jetzt wird das Vorliegen von Gutachten behauptet, die gar nicht existieren. Ich sage Ihnen eines: Demokratie lebt von Transparenz und Nachvollziehbarkeit; sonst ist auch keine de mokratische Kontrolle mehr möglich.
Ich bin schon froh, dass zumindest der Kaufvertrag schriftlich geschlossen wurde, meine Damen und Herren.
All dies lässt das Land nicht als seriösen Geschäftspartner im Wirtschaftsleben erscheinen.
Dieses Gebaren entspricht nicht dem eines ehrbaren Kauf manns.
Deshalb appelliere ich hier und heute an Sie: Schicken Sie nicht Ihren Hausmeier vor.
Stellen Sie sich selbst der Verantwortung. Stehlen Sie sich nicht aus der politischen Verantwortung für diesen Fehler. Räumen Sie ihn ein. Entschuldigen Sie sich heute vor dem Parlament und in der Öffentlichkeit.
Alles andere wäre ein schwerer Schaden für die politische Kultur in unserem Land.
Die Landesregierung hat sich um den EnBW-Deal herum in zahlreiche Widersprüche verstrickt. So ist z. B. bis heute die Rolle des Finanzministers völlig unklar.
Offenkundig wurde er erst wenige Stunden vor Vertragsab schluss informiert. Interessanterweise wurde aber dann diese Stellungnahme der Anwaltskanzlei vom Finanzministerium nachträglich in Auftrag gegeben. Aber es liegt doch der Ver dacht nahe, dass der Finanzminister gar nicht ausreichend über Vertragsinhalte und über die rechtlichen Voraussetzungen der Anwendung des Notbewilligungsrechts informiert war,
um es dann absegnen zu können.
Herr Stächele, Sie wurden in dieser Affäre zu einem reinen Abnicker degradiert.
Bis heute ist auch unklar, wie genau die Honorare für Morgan Stanley aussehen und welche persönlichen Vorteile Herr Not heis aus diesem Geschäft gezogen hat. Ich sage Ihnen, Herr Mappus: Hier ist nun wirklich brutalstmögliche Aufklärung erforderlich.
Ich darf Ihnen zum Schluss aus der heutigen Ausgabe des „Handelsblatts“ zitieren:
Einst standen Deutschlands Konservative, zumal im Sü den, für Gründlichkeit, Wahrhaftigkeit und eine wertebe zogene Politik. Nun stehen sie für mündliche Gutachten und schnelle Notlügen.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, dass der Vertreter der CDU in seiner ganzen Rede zum Gesetzentwurf der Fraktion
der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 14/7308, kaum etwas zu dem gesagt hat, was die Regierungs fraktionen selbst vorschlagen, um die Durchführung von Volksabstimmungen zu erleichtern.
Denn Ihre Aussagen waren nur heiße Luft. Sie haben über haupt kein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gemacht, wie sie stärker in die politische Willensbil dung und in politische Entscheidungen einbezogen werden. Sie haben luftig und wortreich die Schlichtung zu Stuttgart 21 beschworen. Aber Sie haben keinerlei konkrete Konsequenz aus dem gezogen, was sich um Stuttgart 21 herum, aber auch in der Gesellschaft insgesamt an Beteiligungsansprüchen, an Mitwirkungsansprüchen entwickelt hat.
Deshalb war Ihr Beitrag ein Ausweichen vor dem, was in Ba den-Württemberg an modernen Entwicklungen im Gange ist. Wie bei anderen Themen auch – seien es Themen der Bil dungspolitik, seien es Themen der Wirtschafts- und der Ener giepolitik –
entpuppt sich diese Regierung einmal mehr als ein Moderni sierungshindernis ersten Ranges für unser Land.
Für Ihr Demokratieverständnis ist es auch bezeichnend, dass Sie einen Schlichterspruch hochleben lassen, der aber alles andere als demokratisch legitimiert ist.
Er ist übrigens eine Notlösung,
nachdem das Kind schon längst in den Brunnen gefallen ist. Es geht darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger bei gro ßen Infrastrukturvorhaben rechtzeitig beteiligen, anstatt hin terher zu reparieren, nachdem ein Polizeieinsatz aus dem Ru der gelaufen ist. Das ist die Herausforderung, vor der das Land und die Regierung stehen.
Deshalb sage ich Ihnen: Wir reden heute darüber, die Voraus setzungen für die Durchführung einer Volksabstimmung zu erleichtern. Wir werden aber auch darüber reden müssen, in einem weiteren Schritt eine echte Mitwirkung und auch eine echte Entscheidung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Pla nung von Großvorhaben zu ermöglichen. Wenn vor einem Planfeststellungsbeschluss Bürgerinnen und Bürger entweder
über einen kommunalen Bürgerentscheid oder über einen Volksentscheid die Möglichkeit hätten, zu entscheiden, wel che Planungsvariante, welches Projekt sie wollen, wäre das ein echter Fortschritt für die Demokratie in diesem Land.
Wenn Sie die repräsentative Demokratie jetzt zu Recht loben, dann müssen Sie sich fragen lassen, ob denn Ihre Praxis mit diesen hehren Worten in Übereinstimmung steht. Gestern ha ben wir einen Tiefpunkt parlamentarischer Demokratie in die sem Landtag erlebt,
nachdem fast 6 Milliarden € ohne Zustimmung des Landtags schon rechtskräftig
ausgegeben worden waren. Sie haben es nicht geschafft, bei diesem Milliardengeschäft den Landtag ordentlich zu beteili gen. So viel zur Wertschätzung von parlamentarischer Demo kratie.
Die parlamentarische Demokratie ist nicht etwas, was den Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag oder der Regierung zur Disposition steht. Vielmehr ist sie konstitutiv für unser de mokratisches Miteinander. Gerade demjenigen, dem es wich tig ist, dass das Parlament seine Rechte selbstbewusst wahr nimmt, darf es nicht passieren, dass man Verträge ohne Par lamentsvorbehalt schließt und solche Milliardensummen am Landtag vorbei bewilligt.
Dies ist einer gereiften parlamentarischen Demokratie nicht würdig.
Ihr Gesetzentwurf, den Sie heute vorstellen, würde in Bezug auf die direkte Demokratie fast keinen Fortschritt bringen. Sie wollen nur das Quorum absenken, wenn es ein Volksbegeh ren überhaupt einmal an die Wahlurne geschafft hat. Das ist so ähnlich, als wenn Sie sagten: „Wir wollen jetzt den Acht tausender besteigen, aber der Weg zum Viertausender bleibt weiterhin versperrt.“