Frank Mentrup
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Last Statements
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Hoffmann, lassen Sie mich den Ball auf nehmen und zunächst über die frühkindliche Bildung spre chen.
Nach fast 20 Jahren Rechtsanspruch auf eine Kindergarten betreuung für Drei- bis Sechsjährige – damals wurde dies un ter der Überschrift „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und in Anbetracht der zurückgehenden Kinderzahlen eingeführt – stelle ich fest: Wir haben im Bundesvergleich heute noch im mer eine der niedrigsten Frauenbeschäftigungsquoten.
Seit zehn Jahren diskutieren wir darüber, dass 30 % der Kin der beim Übergang auf die Grundschule Sprachdefizite haben. Wir haben eine ganze Reihe von Projekten und Programmen erlebt mit dem Ergebnis, Herr Hoffmann, dass nach wie vor 30 % der Kinder Sprachdefizite haben, wenn sie auf die Grundschule kommen. Die Wissenschaft sagt uns, dass unse re Sprachförderung zu spät beginnt, das sie zu punktuell ist, dass wir integrativere Projekte brauchen und dass wir diese vor allem früher brauchen. Auch an dieser schlechten Aus gangssituation von vor zehn Jahren hat sich nichts geändert.
Seit fünf Jahren arbeiten wir an einem Bildungsplan. Er heißt Orientierungsplan und ist von allen anerkannt. Ein wesentli ches Merkmal dieses Orientierungsplans ist die Elternarbeit. Denn wir alle haben mittlerweile erkannt, dass es ohne Eltern arbeit nicht geht. Jetzt ist dieser Orientierungsplan nach lan ger Diskussion nicht verbindlich eingeführt worden, die Rah menbedingungen reichen nicht aus, um die Qualität zu si chern, und die Elternarbeit hat man sich herausverhandeln las sen.
Auch das ist kein guter Zwischenschritt, Herr Hoffmann.
Wir diskutieren jetzt über die frühkindliche Bildung auch un ter dem Aspekt des Fachkräftemangels. Wie wollen wir unse ren Wirtschaftsstandort halten? Dazu sagen sowohl der Inno vationsrat als auch McKinsey, dass wir mittlerweile zwar bei der Kinderbetreuung – quantitativ gesehen – im bundesdeut schen Mittelfeld liegen, dass aber nur ein Angebot von Ganz tagsplätzen geeignet ist, diese Zukunftsaufgabe zu lösen. Bei de Berichte, die Sie selbst angefordert haben, schreiben die ser Landesregierung in das Stammbuch, dass es unerträglich ist, dass wir bei der Ganztagsbetreuung von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren, zwischen drei und sechs Jahren sowie zwischen sechs und zehn Jahren letzte Plätze in der Bundes republik Deutschland einnehmen. Auch das ist eine Klatsche für Ihre Politik.
Wir diskutieren auch darüber, dass wir die Arbeit der Erzie herinnen und Erzieher aufwerten müssen und dass wir sie von der Qualifizierung her verbessern müssen.
Meine Damen und Herren, Sie haben Studienplätze einge führt. Es gibt aber noch immer kein abgestimmtes Konzept, welche Berufsbezeichnung diejenigen, die dieses Studium ab geschlossen haben, überhaupt führen dürfen. Das wollen Sie in diesem Jahr bundesweit regeln. Warum haben Sie es nicht im letzten Jahr landesweit geregelt, als die entsprechenden Absolventinnen und Absolventen auf der Straße standen? Sie haben bis heute nicht geklärt, mit welcher Besoldung an wel cher Stelle diese Menschen in den Kindertagesstätten über haupt arbeiten sollen. Auch an dieser Stelle haben Sie keinen wesentlichen Zwischenschritt erreicht.
Die meisten dieser Absolventen – Herr Hoffmann, Sie wissen das – haben am Ende ihres Studiums keinen Arbeitsplatz ge habt, weil niemand wusste, wo sie überhaupt eingesetzt wer den sollten.
Lassen Sie uns daher hier nicht über das große Ablenkungs manöver „Einheitlicher Bildungsplan vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr im Jahr 2020“ diskutieren, sondern las sen Sie uns über die Ziele diskutieren, die wir zum Teil seit 20 Jahren kennen und von denen Sie am Ende dieser Legis laturperiode keines erreicht haben. Wir haben ein Projektsam melsurium, Herr Hoffmann. Darauf bezog sich meine Kritik am Projekt „Singen – Bewegen – Sprechen“. Ich habe über haupt nichts gegen dieses Projekt – fachlich –, aber die Kin dertagesstätten sagen mir zum Teil: Wir verzichten darauf, weil wir nicht allmählich die Manager von Projektideen wer den wollen und unsere Kinder nur noch von Projektstunde zu Projektstunde zu Projektstunde schieben wollen.
Wir wollen ausreichende Rahmenbedingungen haben, um das alles im Rahmen unseres Orientierungsplans selbst zu ma chen. Wir haben ein Projektsammelsurium.
Sie haben mit Ihrer bisherigen Umsetzung der Projekte einen Flickenteppich an Qualität in diesem Land erzeugt. Es gibt Tagesstätten, die an zwei oder drei Projekten teilnehmen, es gibt Tagesstätten, die an keinem einzigen Projekt teilnehmen und teilweise auch nicht teilnehmen können, weil sie die Rah menbedingungen überhaupt nicht haben. Damit erfüllen Sie nicht den Auftrag einer einheitlichen Qualititätssicherung der Bildung für alle Kinder in diesem Land.
Sie haben ein ungeklärtes Kompetenzproblem zwischen So zialministerium und Kultusministerium, und zeitweise treibt Sie auch noch der Integrationsbeauftragte vor sich her. Das haben wir in den letzten Jahren oft genug erlebt. Auch das – Herr Hoffmann, das haben Sie verschwiegen; schade – wur de auch von den anderen Beteiligten bei der besagten Podi umsdiskussion auf der „didacta“ als großes Problem angespro chen.
Sie haben mit der haushaltstechnischen Abwicklung der früh kindlichen Bildung das mit Sicherheit unterfinanzierteste Zu kunftsprojekt in diesem Land. Das ganze Projekt Bildungs haus ist im Wesentlichen über Fördermittel, die vom Bund ka men, finanziert worden. Der ganze Komplex „Schulreifes Kind“ und Sprachförderung wird aus den Lehrerpersonalstel len im Haushalt entnommen. Da können Sie doch nicht be haupten, Sie hätten diese Projekte und diese Ziele wirklich ab gesichert.
Die frühkindliche Bildung ist weiter ein ungeklärter Streit punkt zwischen Kommunen und Land. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie das alles umsetzen wollen, drohen die Kommunen mit Klage. Was für ein Zustand ist denn das? Und Sie zeigen, dass Sie von der politischen Führung her, die in diesem Be reich sicherlich besonders erforderlich ist, nicht in der Lage sind, hier ein klares Ziel mit allen Beteiligten einmal so soli de durchzuplanen und durchzuorganisieren, dass die gesteck ten Ziele erreicht werden können.
Deshalb, meine Damen und Herren: Ich bin froh, dass die Er zieherinnen und Erzieher draußen eine so gute Arbeit machen. Aber an Ihnen liegt das an dieser Stelle sicher wahrlich über haupt nicht.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Hoffmann, ich bin Ihnen noch eine Ant wort schuldig.
Herr Präsident, es waren doch zweimal fünf Minuten verein bart, oder?
Ach so. Okay, alles klar. Dann kann ich mich etwas entspannen.
Ist es ein Widerspruch, dass Kommunen, die von der SPD ge führt werden, Bildungshäuser beantragen, während ich dage
gen sage, dass ich das Bildungshaus nicht für eine konzepti onelle Leitidee halte?
Lassen Sie uns kurz noch einmal über das Projekt Bildungs haus reden. Das Bildungshaus ist eingeführt worden – das war schon die Grundannahme, die ich nicht teile –, weil man ge sagt hat: „Der Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule ist das Hauptproblem.“ Das deckt sich nicht mit mei nen Erfahrungen.
Für mich sind Übergänge zwischen der vierten Klasse und der weiterführenden Schule ein Hauptproblem,
und für mich sind Übergänge nach der Schule in die Ausbil dung ein Problem.
Aber das Problem, das hier im Mittelpunkt steht, habe ich noch nie so verstanden. Ich sehe lauter Kinder, die sich dar auf freuen, in die Schule zu gehen. Das Einzige, was an die ser Stelle vielleicht ein Problem ist, ist, dass manche Kinder nicht ausreichend vorbereitet waren. Aber das ist keine Ma nagementfrage für den Übergang, sondern eine Frage nach der Qualität des vorherigen Systems.
Herr Hoffmann, mit der Idee des Bildungshauses haben Sie schon immer ablenken wollen und haben gesagt: Der Über gang ist das Thema, nicht die Qualität des vorherigen und die Qualität des nachgeordneten Systems.
Warum aber funktioniert dieses Projekt dann so gut? Ich neh me eine traditionelle Kindertagesstätte, die den Orientierungs plan noch nicht eingeführt hat – so war das vor fünf Jahren, als die Modelle losgingen – und die eher auf einen Vormit tagskindergarten orientiert ist. Ich nehme eine traditionelle Grundschule, die genauso organisiert ist. Dann pumpe ich 4,5 Millionen € Bundesmittel in 33 Projekte und bringe an jede Kindertagesstätte und an jede Grundschule eine wissenschaft liche Fachkraft aus dem Institut von Herrn Spitzer,
die nichts anderes macht, Herr Hoffmann, als dort die Einfüh rung individueller Förderung des Kindes, längerer Betreu ungsrahmen und guter Vernetzung sowie die Öffnung ver schiedener Beteiligter für eine solche Blickweise zu organi sieren.
Dieselben wissenschaftlichen Mitarbeiter nehmen anschlie ßend die Evaluation vor. Deswegen ist doch klar: Wenn man die Qualität einführt, die man vorher nicht hatte, und wenn man das Ganze noch von denjenigen untersuchen lässt, die es selbst eingeführt haben, dann werden am Ende gute Ergebnis se herauskommen. Das ist doch völlig logisch.
Deswegen sind alle Bildungshauskonzepte, Herr Hoffmann, gleichermaßen erfolgreich, egal, ob man sie über den Weg A oder den Weg B geht. Deswegen sind all Ihre Konzepte „Schulreifes Kind“ erfolgreich, egal, ob man A, B oder C oder die Untergruppen 1, 2 oder 3 macht. Das belegt, dass es über all dort, wo die Rahmenbedingungen stimmen, weil genug Personal vorhanden ist, wo man individuelle Förderung be treibt, wo man aus dem Halbtagsansatz heraustritt und wo man kooperiert, zu besseren Bildungsergebnissen kommt. Aber da zu hätte man das Bildungshaus nicht gebraucht.
Da wir im Moment nichts anderes anbieten, ist es doch lo gisch, dass jeder Standort, der diese zusätzlichen Mittel und diese zusätzliche Unterstützung bekommt, jetzt natürlich ver sucht, ein Bildungshaus zu werden. Aber ich frage mich, wie Sie den Menschen draußen im Land erklären wollen, dass Sie eine Leitidee haben, die Sie 4,5 Millionen € für 33 Einrich tungen gekostet hat, bei der Sie jetzt 200 Anträge für den nächsten Ausbauschritt und 7 000 Kindertagesstätten haben. Wie das die Leitidee auf der Zeitachse werden soll, damit Sie bis zum Jahr 2020 einen integrierten Bildungsplan umsetzen, das müssen Sie den Leuten erst einmal erklären.
Im Grunde genommen macht das Ganze eigentlich nur dort Sinn, wo die Kindertagesstätte und die Grundschule in einer relativen räumlichen Nähe sind und wo es klare Zuordnungen gibt. Ich kenne Stadtteile mit einer Grundschule und fünf Kleinstkindertagesstätten. Wie soll ich denn da mit diesem Bildungshauskonzept überhaupt irgendeinen Erfolg feiern?
Frau Schick, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass der größ te Teil des Weges noch vor uns liegt. Aber wir haben ein von allen anerkanntes Konzept, die Qualität der Bildungseinrich tung Kindertagesstätte einzuführen, umzusetzen und abzusi chern, und das ist der Orientierungsplan. Die Erzieherinnen und Erzieher, die das schon jetzt zum Teil unter großer Mühe umsetzen, brauchen eine klare, verbindliche Planung, wann dies im Gesetz steht, wann dies von den Rahmenbedingungen umgesetzt werden soll, wie Sie sich mit den Trägern auf die Qualitätsmerkmale verständigen und wie man das überprüft.
Das reicht völlig aus, um den Anspruch an Bildung im früh kindlichen Bereich umzusetzen. Dafür braucht man nicht die Verschiebung der Verantwortung auf das Jahr 2020 und die nächste Stufe eines Bildungskonzepts, nämlich einen integ rierten Bildungsplan vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr. Das verwirrt. Das nennen Sie mittelfristig. Ich nenne das für die nächsten Jahre mittelmäßig. Das kann nicht das Ziel die ser Strategie sein.
Ein letzter Satz zur Sprach förderung. Es gibt schon jetzt, ergänzend zu dem SETK 3-5, einen Sprachtest für Kinder, die eine andere Muttersprache mitbringen. Von diesem Sprachtest habe ich in Ihren Unter suchungen noch nichts gehört. Es gibt Konzepte an der Uni versität Mannheim von Frau Tracy, wie man Erzieherinnen
sowie Grundschullehrerinnen und -lehrer an integrierte Sprach förderung heranführt. Sie sind noch nie abgerufen worden.
Sie sagen jetzt wieder, Sie wollten das früher machen. Wann denn? Wenn Sie das im Rahmen des Orientierungsplans ma chen, dann muss er endlich konsequent umgesetzt werden. Wir werden aber auch noch zusätzlich Sprachförderung brau chen. Dazu haben Sie auch kein konkretes Angebot gemacht. Ich bitte Sie um eine endlich konsequente Umsetzung der Qualität, um eine konsequente Sprachförderung und um eine konsequente politische Führung.
Liebe Frau Schick, tun Sie doch nicht so, als würden Sie das nicht verstehen.
Natürlich kann man vor Ort ganz unterschiedliche Wege zu lassen. Dem widersprechen wir auch gar nicht. Aber man muss sich erst einmal gemeinsam über die Qualität und über die Rahmenbedingungen verständigen, damit vor Ort Qualität überhaupt gesichert werden kann. Nichts weiter wollen wir.
Wenn wir sagen, hier müssten Sie politische Führung über nehmen, hier müssten Sie dies mit den Trägern und den Kom munen einvernehmlich regeln, dann bedeutet dies auch, dass die Ergebnisse am Ende gesichert und von allen akzeptiert sein müssen. Die Umsetzung vor Ort kann selbstverständlich unterschiedlich sein.
Das ist im Grunde doch überhaupt kein Widerspruch. Sie schlittern ja nur von einer Situation, in der Ihnen die Kommu nen eine Klage androhen, in die nächste Situation. Das ist si cherlich nicht die Form der Zusammenarbeit, die wir hier brauchen.
Sehr geehrter Herr Abgeord neter, Sie haben vorhin wieder erwähnt, dass dieser Deal oh ne die Zustimmung des Landtags zur Bürgschaft geplatzt wä re.
Hat Ihnen noch nie jemand erzählt, dass im Finanzausschuss alle beteiligten Experten in klusive der Landesregierung mehrfach dargestellt haben, dass das Abstimmungsergebnis im Parlament keinerlei Einfluss mehr auf dieses Geschäft hatte und das Geschäft nicht mehr rückabwickelbar war?
Liebe Frau Berroth, ich war gestern mit meinem Sohn unterwegs, um ihn an einem beruf lichen Gymnasium anzumelden. Man kann heute auf einem Anmeldezettel acht Prioritäten angeben. Diese werden über das Regierungspräsidium dann zusammengefasst und ausge wertet.
Er würde gern in erster Priorität auf ein sozialwissenschaftli ches Gymnasium, in zweiter Priorität auf ein Gymnasium mit Schwerpunkten wie Design und Marketing gehen. Ich habe ihn davon überzeugt, dass er sicherheitshalber auf den Plät zen 7 und 8 der Prioritätenliste ein ernährungswissenschaftli ches und ein wirtschaftliches Gymnasium erwähnt.
Dann sind wir mit dieser Liste mit acht Prioritäten losgezo gen. Beim Gymnasium, das als erste Priorität auf der Liste steht, muss man diese Liste abgeben. Als wir diese Liste dort abgegeben haben, haben uns die von der Schule gesagt: „Sie haben hier fünf oder sechs sozialwissenschaftliche Gymnasi en angegeben. Das können Sie bei dem Notendurchschnitt von vornherein vergessen. Wir wissen schon jetzt aus Querbefra gungen, dass man mindestens einen Notendurchschnitt von 2,0, wahrscheinlich sogar einen besseren haben muss, um dort überhaupt einen Platz zu bekommen.“
Ähnliches galt für die Gymnasien mit Schwerpunkten Mar keting und Design. Mit dem ernährungswissenschaftlichen Gymnasium, worauf er überhaupt keine Lust hat
und dafür vermutlich auch nicht begabt ist,...
... und mit dem Wirtschafts gymnasium könnte es klappen, aber auch nicht sicher. Das ist frustrierend, nicht wahr?
Ich will Ihnen dies einfach zum Thema Phantomdebatte als ein ganz konkretes Beispiel nennen.
Ich komme gleich zur Fra ge.
Wenn wir hier jetzt nicht sieben oder acht Prioritäten aufge führt hätten, dann gäbe es für ihn vermutlich gar keinen Platz.
Dann haben wir ihn sicherheitshalber auf fünf Berufskollegs angemeldet. Von dort kam jedes Mal die Rückmeldung: Es sind bereits 100 Bewerbungen eingegangen, wir haben aber nur 30 Plätze; es sieht für Ihren Sohn sehr schlecht aus.
Erklären Sie mir jetzt erstens, wie ich meinem Sohn erklären soll, dass wir hier aus Ihrer Sicht eine Phantomdebatte füh ren, und zweitens, was das mit Menschenbild zu tun hat, wenn er vermutlich weder für das eine noch für das andere Angebot einen Platz bekommt
und sich dann sagen lassen muss – auch in Ihrem Sinn, Frau Krueger –: „Es müssen halt Menschen übrig bleiben, die nicht
zum Abitur kommen, denn das Menschsein fängt nicht mit dem Abitur an.“
Ich bitte Sie einfach, den Vorwurf sein zu lassen, wir würden hier eine Phantomdebatte führen. Wenn Sie sagen, Sie könn ten das hierfür nötige Geld nicht bereitstellen, ist das eine an dere Diskussion.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will nur noch kurz die verschiedenen Argumente wiederholen, die schon vielfach ausgetauscht wor den sind, und zunächst feststellen, dass das G 8 weiter in der Kritik ist, weiter in der Kritik bleibt und dass, liebe Frau Voss schulte, bei allen Umfragen 70 bis 80 % der Eltern angeben, dass sie sich eher einen neunjährigen Gymnasialzug wünschen und dass sie mit dem bisherigen G-8-Zug unzufrieden sind. Das ist bei allen Umfragen zu allen Zeitpunkten, seitdem das G 8 eingeführt wurde, der Fall.
Daher müssen Sie eigene Vorschläge bringen, statt einfach nur auf das einzuschlagen, was an Vorschlägen von der anderen Seite kommt.
Ein echtes Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 wollen wir nicht für alle Bereiche, sondern wir wollen dort, wo es gewünscht wird, einen neunjährigen Zug an einem G-8-Gymnasium er möglichen.
Das ist auch keine Rückkehr zu dem früheren G 9, sondern – jetzt kommen wir zu den Kosten – es ist eine andere Vertei lung der 265 Wochenstunden, nämlich auf einen um ein Jahr längeren Zeitraum. Daher gibt es allenfalls zusätzliche Kos ten, weil Sie in dem Gymnasium möglicherweise einen zu sätzlichen Zug einrichten müssen. Das kann passieren. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber es führt nicht per se zu hö heren Kosten. Wenn Sie darauf bestehen, dass es so ist, dann hätten alle Eltern recht, die bisher gesagt haben: Das G 8 war auch ein Einsparmodell, wenn jetzt das G 9 plötzlich mehr
kosten würde. Deswegen wäre ich an Ihrer Stelle sehr vor sichtig, dies als gravierendes Argument anzuführen.
Wir gehen nicht davon aus, dass es überall Gymnasien gibt, die einen neunjährigen Zug einrichten wollen. Das ist auch gar nicht unsere Absicht. Warum soll man es aber dort verbie ten, wo es gewünscht ist, wo sich der Schulträger, wo sich das Gymnasium einen neunjährigen Zug vorstellen und einen sol chen Weg entwickeln?
Die bisherigen Anträge dazu, Frau Vossschulte – dazu haben Sie bisher keine Antwort gegeben – kommen eher aus Regi onen, in denen festgestellt wird: Es gehen überproportional viele Kinder mit Gymnasialempfehlung auf die Realschule, und zwar nicht unbedingt deshalb, weil ihre Eltern ihnen den Weg über das Gymnasium nicht zutrauen würden, sondern weil sie sagen: „Die Belastung in der Unter- und Mittelstufe ist zu hoch, um die Schule mit dem langen Schulweg und dem Engagement der Kinder in den Vereinen, in den Musikschu len und anderswo vor Ort unter einen Hut zu bringen.“
Frau Gurr-Hirsch, daran ist zunächst einmal nichts schlecht. Denn Sie weisen zu Recht darauf hin – wir haben das beruf liche Gymnasium nie schlechtgemacht –, dass es eine Alter native gibt. Nur: Eine echte Alternative ist es nicht in der Tie fe des Unterrichtsstoffs, was die Fremdsprachen und andere allgemeinbildende Fächer betrifft. Denn am Ende wird auf ein beruflich orientiertes Abitur und nicht auf ein allgemeines Ab itur hingearbeitet, das die Voraussetzung z. B. für Fremdspra chenstudiengänge und anderes ist. Das ist gar keine Kritik. Die Werte sind vom Abschluss her gleichwertig, von den In halten her sind sie unterschiedlich.
Was spricht dagegen, dass diejenigen, die eine Gymnasial empfehlung haben, aber gern den neunjährigen Weg beschrei ten möchten, dieses Angebot in einem Gymnasium allgemei ner Art bekommen?
Die Wege wären dann im Hinblick auf die Wahrscheinlich keit, dass das Ziel erreicht wird, gleichwertig. Auch in dieser Hinsicht haben Sie etwas nachzuholen. Solange Sie nämlich nicht sichergestellt haben, dass es für jeden mit mittlerer Rei fe einen Platz in einem beruflichen Gymnasium gibt, können Sie natürlich die Gleichwertigkeit der Abschlüsse postulieren – das stimmt –, aber Sie können nicht die Gleichwertigkeit der Erreichbarkeit dieser Abschlüsse postulieren. Das stimmt eben nicht.
So lange ist das eben nicht so.
Zu den entsprechenden Kritikpunkten: Das Thema Kosten wurde bereits angesprochen.
Ein beliebter Kritikpunkt ist auch, zu sagen, das Ganze sei or ganisatorisch schwierig, und es finde eine Art sozialer Ausle
se statt. Das Auguste-Pattberg-Gymnasium in Mosbach hat klar widerlegt, dass das der Fall ist. Dort hat man Erfahrun gen mit der Parallelführung, weil man schon in der Modell phase des G 8 einen G-8-Zug parallel geführt hat. Dort sagt man: „Das ist organisatorisch machbar.“
In Mosbach hat man auch die Eltern der Kinder, die am Ende der vierten Klasse waren, gefragt, ob sie einen neunjährigen Zug beim G 8 bevorzugen würden. Diejenigen, die sich für einen neunjährigen Zug beim G 8 ausgesprochen haben, ha ben als Argument dafür überwiegend nicht angeführt, sie wür den ihren Kindern die Leistung nicht zutrauen. Sie haben auch nicht auf sogenannte Spätentwickler oder andere definierte Gruppen verwiesen. Vielmehr haben sie als Argument – so, wie ich es schon wiedergegeben habe – darauf verwiesen: lan ger Schulweg, andere Interessen vor Ort. Das heißt, es würde an den entsprechenden Gymnasien nicht zu einer sozialen Se lektion zwischen Schwächeren und Stärkeren kommen, so dass auch das eine Befürchtung ist, die nicht greift.
Sie sagen nun in Abwandlung eines Satzes von Angela Mer kel: „Wer für so etwas ist, muss ein Sozialdemokrat sein.“ Das ist interessant. Denn ich würde Ihnen gern einmal Folgendes aus dem Wahlprogramm der CDU in Rheinland-Pfalz zitie ren:
Um den unterschiedlichen Begabungen gerecht zu wer den, sollen Schülerinnen und Schüler am Ende der Klas senstufe 6 die Wahl zwischen dem acht- und dem neun jährigen Weg zum Abitur haben.
Ich habe eben etwas aus Rheinland-Pfalz zitiert. Dort sind wir nicht in der Opposition.
Ich darf ferner aus der Pressemitteilung eines Kultusministe riums zitieren:
Ein Kernpunkt des Gesetzes ist, dass an Gymnasien wie der die Möglichkeit für den neunjährigen Gymnasialweg geschaffen wird.
Dieses Land
„... setzt damit als erstes Bundesland den vielfach geäu ßerten Elternwillen um“, sagte der Minister. Er empfahl allen Beteiligten mehr Gelassenheit und Vertrauen in die Fähigkeiten der Schulen, vor Ort eigenverantwortlich ei ne für sie gute Entscheidung zu treffen.
Das Gesetz, das dort verabschiedet wurde, sieht vor, dass es achtjährige und neunjährige allgemeinbildende Gymnasien oder Gymnasien mit beiden Zügen geben kann. Auch dies, Frau Vossschulte, ist kein „rotes“ Bundesland, sondern es ist Schleswig-Holstein. Dieses Gesetz wurde am 26. Januar die ses Jahres verabschiedet.
Lassen wir also doch hier die Polemik. Nehmen wir einen Weg in die Palette der bisher bestehenden Möglichkeiten auf, den sich die Eltern wünschen, der von den Schulen als machbar betrachtet wird, der dort eingeführt werden kann, wo es vor Ort Konzepte gibt und auch die Beteiligten dies möchten. Da mit schaffen wir ein zusätzliches Angebot, das niemandem schadet, aber vielen nutzt.
Herzlichen Dank.
Gern.
Das ist richtig.
Ich sage ja, wir sollten die Polemik weglassen.
Dies wurde dort mit der Begründung abgelehnt, dass es Ge meinschaftsschulen gibt, die in jeder Klassenstufe auch ein gymnasiales Niveau anbieten, und dass es dort dann über ei ne dreijährige Oberstufe in neun Jahren den Weg zum Abitur gibt. Man sieht hier im Tun der Landesregierung einen Ver such, diesen Gemeinschaftsschulen sozusagen die gymnasia le Attraktivität ein Stück weit abzugraben, indem man die Gymnasiasten wieder in die klassischen Gymnasien hinüber zieht. Das ist an dieser Stelle eine spezifisch schleswig-hol steinische Sondersituation, weswegen die SPD es dort auch abgelehnt hat.
Aber dies unterstreicht, Frau Vossschulte, dass die von Ihnen angeführten Gründe, warum so etwas nicht möglich sein soll, dort offensichtlich keine Rolle gespielt haben. Daher kann ich überhaupt nicht erkennen, was das mit Rot oder Schwarz zu tun hat. Dies hat vielmehr etwas mit der Fortentwicklung der jeweiligen Systeme zu tun. In Baden-Württemberg passt ein neunjähriger Zug an einem G-8-Gymnasium hervorragend in das System. Daher sollten wir das auch zulassen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit der Einführung des G 8 kommt das G 8 in der baden-württembergischen Form aus der Kritik nicht her aus. Das hat auch sehr viel mit der Umsetzung des G 8 in Ba den-Württemberg zu tun. Denn wenn wir uns andere Bundes länder anschauen, stellen wir fest, dass dort Kritik und auch anhaltende Initiativen der Eltern nicht in dem Maß präsent sind, wie wir es aus Baden-Württemberg kennen.
Allen Ankündigungen und allen Nachbesserungen zum Trotz halten dieser Protest und diese Unzufriedenheit an. So ist es kein Wunder, dass sich in allen bisherigen Umfragen – egal, wer sie gemacht hat – etwa 70 bis 80 % der Eltern mit G-8Erfahrung gegen die Einführung des G 8 in dieser Form aus sprechen. In einer weiteren Umfrage, die in einem Gymnasi um in Mosbach gemacht wurde, bei der es darum ging, wel che Form des Gymnasiums die Eltern von Viertklässlern gern für ihr Kind hätten, sagten immerhin 30 bis 40 %: Wir wür den für unsere Kinder lieber einen neunjährigen gymnasialen Zug als den achtjährigen auswählen, wenn es ihn alternativ gäbe.
Jetzt hat die Landesregierung bisher nicht überzeugend dar stellen können, wie sie hier eine innere Reform anstreben oder umsetzen möchte, um diese Kritik endlich einmal aus der Welt zu schaffen und damit auch vielen Kindern die Möglichkeit zu geben, trotz einer nur befriedigenden Gymnasialreife auch den Gymnasialabschluss auf dem allgemeinbildenden Gym nasium zu erreichen.
Auch hier gibt es eine Abwanderung. Landesweit melden mitt lerweile die Eltern von 17 % der Kinder mit einer Gymnasi alempfehlung – das ist die Zahl aus dem vorletzten Jahr; ich weiß nicht, wie die Zahl aus diesem Jahr ist – ihre Kinder trotz der Gymnasialempfehlung nicht auf dem Gymnasium an. Je nach Region steigt dieser Anteil auf 40 % an.
Wir können nicht davon ausgehen – das ist auch nicht unsere Erfahrung –, dass diese Eltern sagen, sie lehnten das Gymna sium als richtige Form für ihr Kind ab. Vielmehr entscheiden sich die Eltern gegen das bestehende Angebot eines achtjäh rigen Gymnasiums,
und die Kinder gehen dann eher auf die Realschule.
Jetzt schlagen wir Ihnen eine Lösung vor, die zumindest in ei nem ersten Schritt eine Alternative beim G 8 möglich macht. Das ist die parallele Einführung eines „neunjährigen G-8-Zu ges“ an einem Gymnasium. Wir wollen das nicht als Maßnah me von oben oktroyieren. Vielmehr wollen wir den Schulen, die dies im Einvernehmen mit dem Schulträger und im Wege einer entsprechenden Vorbereitung und Zustimmung der Schulkonferenz wünschen, diesen Weg ermöglichen und eine Wahlmöglichkeit innerhalb des Gymnasiums schaffen, die, wie wir wissen und aufgrund der Umfragen auch nachweisen können, von vielen Eltern gewünscht ist.
Interessant ist dabei, dass es dann, wenn man mit diesen El tern spricht – auch das belegen die Ergebnisse aus Mosbach –, gar nicht nur darum geht, dass man die etwas langsameren und die etwas schnelleren Schüler voneinander trennt. Viel mehr werden in Regionen, in denen bis zu 40 % der Kinder mit einer Gymnasialempfehlung nicht auf dem Gymnasium angemeldet werden, von den Eltern auch Argumente ange führt wie: „Der Schulweg ist viel zu lang; wenn ich das noch zu der Wochenstundenbelastung addiere, dann ist unser Kind zu wenig zu Hause vor Ort“ oder: „Unsere Kinder haben noch andere Interessen wie Musik und Sport, haben noch andere Hobbys.“ Das sind auch Gründe, warum sich Eltern dafür ent scheiden würden, eher einen solchen „neunjährigen G-8-Zug“ zu wählen, um vor allem in der Unter- und der Mittelstufe die wöchentliche Schulstundenbelastung zu reduzieren.
Daher schlagen wir Ihnen jetzt diesen Weg vor. Wir schreiben niemandem etwas vor. Wir machen – das ist auch Ihr Wunsch, Herr Röhm – die Profilierungsmöglichkeiten der Gymnasien größer. Das ist ja etwas, was Sie wünschen.
Es ist im Übrigen auch kein ungewöhnliches Verfahren. Inso fern schließt sich auch das Argument, das ließe sich nicht or
ganisieren, aus. Denn Sie machen ja an anderen Gymnasien Sportzüge, Sie machen Musikzüge, Sie machen Hochbegab tenzüge.
Ich habe ja gesagt: Sie machen diese Züge.
Auch da ist es organisatorisch möglich, für einen Zug etwas anderes anzubieten als für die anderen Züge. Wir wissen aus den Modellphasen, in denen G 8 an neunjährigen Gymnasien bereits als Zug eingeführt wurde, dass das vor Ort organisa torisch machbar ist. Daher ist das eine vernünftige Lösung. Sie nimmt die Anregungen und Interessen der Eltern auf. Sie wird vom Philologenverband unterstützt. Auch das ist nicht unwichtig, dass man von den Beteiligten vor Ort unterstützt wird.
Daher würde es mich jetzt sehr wundern, wenn Sie Gründe fänden, dem nicht zuzustimmen.
Frau Ministerin, ich könnte es mir einfach machen und sagen: Angesichts der Umfrage
ergebnisse von vor einem Dreivierteljahr, die der SPD im Be reich Bildung einen Vorsprung vor der CDU im zweistelligen Prozentbereich bescheinigen, würde ich mir sehr genau über legen, ob ich mit derart Hohn, Spott und Arroganz hier auf treten würde, wie wir es hier einmal mehr erlebt haben.
Ihre Argumentationen werden auch nicht besser, wenn Sie hier verschiedene Schulkonzepte in unlauterer Weise addieren und darüber hinweggehen, dass wir natürlich eine Doppelaufgabe zu erfüllen haben:
Wir müssen im öffentlichen Schulsystem Alternativen ermög lichen, die sich die Eltern wünschen, Alternativen, die auch den entsprechenden Forschungsergebnissen genügen, die in ternationalen Standards genügen und die helfen, Schulstand orte zu erhalten, die wir sonst nicht erhalten können. Das ist die eine Aufgabe, und aus dieser Idee resultiert die Idee der Gemeinschaftsschule.
Wir müssen aber auch im bestehenden System Veränderun gen vornehmen, die absolut nötig sind, um hier die Bedingun gen für die Jugendlichen zu verbessern.
Das eine permanent mit dem anderen aufrechnen zu wollen, das trägt doch überhaupt nicht.
Wir reden über eine sechsjährige Grundschulzeit. Das ist ein Modell, von dem wir auch sagen können: vier Jahre Grund schule und schon einmal zwei Jahre Gemeinschaftsschule; es ist mir völlig wurscht, wie Sie es nennen.
Das kann man dann an einzelnen Standorten umsetzen, wenn Sie in der Klasse 5 und der Klasse 6 den Übergang in alle an deren weiterführenden Schularten möglich machen. Schon heute gibt es in Baden-Württemberg Schulen, die demonstrie ren, dass das funktioniert. Warum denn auch nicht? Internati onal funktioniert das ja sowieso. Insofern kann auch das kein Argument sein, das Sie jetzt ernsthaft einführen.
Jetzt kommen wir zu den Argumenten zum Thema Gymnasi um, die ich hier mitbekommen habe, die etwas mit der Sache zu tun haben.
Frau Vossschulte, es geht gerade nicht darum – das ist ein mystifiziertes Thema, vor allem bei Gymnasiallehrern –, Un mengen von Lernschwächeren auf das Gymnasium zu brin gen. Darum geht es überhaupt nicht. Aber wir wollen denen, die eine Empfehlung für das allgemeinbildende Gymnasium haben – nachdem diese Empfehlungen Ihrer Aussage zufolge so qualifiziert gefällt werden –, nach der vierten Klasse die Alternative bieten, sich zwischen einem achtjährigen und ei nem neunjährigen Gymnasium zu entscheiden.
Ich habe sehr ausführlich dargestellt, dass dies von vielen El tern durchaus gewünscht wird, Eltern, die nicht sagen: „Mein Kind wäre im G 8 zu langsam oder zu schwach“, sondern die sagen: „Mein Kind hat im Leben noch etwas anderes vor, als ein paar Jahre lang nur noch für die Schule zu lernen und in der Schule zu sitzen.“
Wenn das mit der Zweiklassengesellschaft stimmen sollte, dann hätten Sie keine Hochbegabtenzüge einführen dürfen. Wenn das mit der Zweiklassengesellschaft stimmen sollte, dann hätte die Rückmeldung der Gymnasien aus den Modell zügen so sein müssen. Sie haben es zwar jetzt aus Ihrer Er fahrung so dargestellt; ich kenne es von anderen Gymnasien anders. Insbesondere die Mosbacher, die das als Modellschu le selbst gemacht haben, wünschen sich trotzdem wieder die Einführung eines einzügigen „neunjährigen G 8“.
Zu dem Begriff, Frau Schick, stehe ich. Ich kann ihn Ihnen gern noch einmal erläutern. Intellektuell ist es nicht so arg schwierig.
Wenn ich sage „neunjähriges G 8“, dann will ich damit deut lich machen, dass es eben kein rückwärtsgerichteter Schritt in das alte G 9 ist, sondern dass wir nur den bestehenden Bil dungsplan des G 8 auf neun Jahre verteilen wollen,
um den Stress in der Unter- und Mittelstufe ein bisschen zu verringern. Um nichts weiter geht es.
Die Alternative „Realschule/Werkrealschule und anschließend das berufliche Gymnasium“ wollen wir gar nicht abspenstig machen.
Im Gegenteil, wir wollen sie zu einer echten Alternative aus bauen.
Deswegen wollen wir den Rechtsanspruch einführen. Denn Sie kündigen im Moment vielen Eltern von Kindern, die am Ende der vierten Klasse stehen, an, das sei eine gleichwertig mögliche Alternative, und die Kinder merken dann am Ende der zehnten Klasse, dass ihnen der Notendurchschnitt 2,8 oder 2,5 für einen Platz doch nicht reicht. Insofern sind Sie an die ser Stelle auch ein bisschen unfair.
Dennoch, Herr Röhm, wenn Sie sagen – und Sie sagen das ja –, das Gymnasium habe ab der fünften Klasse ein anderes Pro fil als die Realschule, dann können Sie doch nicht gleichzei tig so tun, als sei die Vorbereitung auf ein Universitätsstudi um, gleich welcher Art, auf dem allgemeinbildenden Gymna sium und auf der Realschule plus beruflichem Gymnasium gleich. Sie haben auf der einen Spur zwei oder drei Fremd sprachen, auf der anderen haben Sie diese Auswahl nicht.
Ja, das kommt dann. – Sie haben verschiedene Bildungsplä ne. Sie haben einen anderen Bildungsplan, und Sie haben ein gymnasiales Profil verglichen mit einem Realschulprofil. Wenn jemand am Ende der vierten Klasse sagt: „Dieses Pro fil ‚Realschule und anschließend berufliches Gymnasium‘ ge fällt mir besser“, dann soll er diesen Weg gehen.
Aber wenn er diesen Weg nur geht, weil er sagt: „Mir ist die Stundenbelastung in der Unter- und Mittelstufe zu viel, und ich will noch irgendetwas außerhalb der Schule machen“, oder wenn er sagt: „Ich möchte zwar eigentlich vielleicht später Fremdsprachen studieren, oder ich möchte eine Geisteswis senschaft studieren, aber ich schaffe das mit den Naturwissen schaften auf dem Gymnasium allgemeiner Art nicht“, dann nimmt er sich hier an einer Stelle eine Möglichkeit, die wir ihm bieten wollen, mit der er in einem neunjährigen gymna sialen Zug den Abschluss schaffen könnte. Warum haben Sie damit ein Problem? Das frage ich Sie.
Noch ein Letztes: Noch ein Hinweis auf NRW. Natürlich kann man – da haben Sie völlig recht – nicht einfach G 8 auf neun Jahre verteilen.
Man muss ein pädagogisches Konzept dieser Verteilung ma chen. Aber deswegen ist doch erklärlich, dass, wenn in Nord rhein-Westfalen so etwas in diesem Jahr überhaupt das erste Mal möglich ist – das betrifft übrigens die Gemeinschafts schulanmeldungen genauso –, das nicht sofort dazu führt, dass man nach zwei, drei Monaten hier mit massenhaften Anmel dungen rechnen kann.
Sie müssen sich erst einmal vorbereiten. Insofern wird das auch in Baden-Württemberg langsam losgehen. Es wird dann mehr oder weniger passieren. Das müssen wir abwarten. Aber wir würden gern diese Möglichkeit schaffen.
Noch ein letzter Satz – ich beeile mich wirklich –: Die Sache mit den Kosten ist spannend. Denn Sie haben bisher immer behauptet, dass Sie durch G 8 keine Kosteneinsparung haben.
Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen: G 9 kostet dann wie der mehr.
Das müssen Sie den Eltern draußen erst einmal erklären, die das schon immer vermutet haben.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! „Bildungspolitische Strategie zur Stärkung des Fachkräftenachwuchses“ lautet das Thema dieser Aktuellen Debatte, die von der CDU beantragt wurde. Ehrlich gesagt, Frau Krueger: Mir ist bisher noch immer nicht klar, was wir heute eigentlich an Neuem diskutieren, außer dass Sie hier in sehr wohlgesetzten Worten einen großen Teil des Auftrags der Enquetekommission „Fit fürs Leben“ referiert haben, wofür ich Ihnen noch einmal außerordentlich dankbar bin.
Aber das zeigt schon das Dilemma auf: Das Parlament hat die Einsetzung einer Enquetekommission beschlossen. Sie wer den in drei Wochen vor der Presse den Abschlussbericht vor stellen. Jetzt zwingt Ihre Fraktion Sie, drei Wochen vorher hier eine bildungspolitische Grundsatzdiskussion anzufangen, die etwas mit dem Fachkräftenachwuchs zu tun hat. Eigent lich können Sie aber keine Lösungen anbieten, denn das wol len wir ja in drei Wochen gemeinsam tun.
Mir ist also im Moment noch immer nicht klar, was das hier jetzt soll. Mir drängt sich die Vermutung auf: Sie – die CDU oder die Regierung – fühlen sich von der Enquetekommissi on „Fit fürs Leben“ schon so getrieben, dass Sie versuchen wollen, die Themen und den einen oder anderen Inhalt vor wegzunehmen, damit das Ganze dann mit Ihnen nach Hause geht. Wenn dies der Effekt wäre, wäre das ganz in Ordnung, denn dann wird diese Enquetekommission offensichtlich doch etwas bewirken können.
Schauen wir uns einmal die konkreten Dinge an, die wir seit gestern wissen. Da gab es einen großen Auftritt vor der Pres se. Herr Ministerpräsident, Frau Kultusministerin Schick und Herr Wirtschaftsminister Pfister schlugen ein Maßnahmenpa ket vor, das auf den Fachkräftebedarf reagiert und damit die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs sichert. Dieses Maß nahmenpaket – Sie haben zu Recht gesagt, es gehe um zusätz lich 400 000 bis 500 000 besser qualifizierte Arbeitskräfte – beinhaltet 100 zusätzliche Klassen für die beruflichen Gym nasien, und fünf Poolstunden dürfen in Zukunft am G 8 an ders verwendet werden als bisher. Das wird u. a. vom Wirt schaftsminister verkündet mit der Aussage: „Das Maßnah menpaket reagiert auf den Fachkräftebedarf und sichert damit die Zukunftsfähigkeit.“
Das ist von den Forderungen her sicher alles völlig in Ord nung. Nur: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie bis zur Landtagswahl damit durchkommen, das Thema Fachkräfte bedarf mit diesen beiden Forderungen abfrühstücken zu wol len. Insofern sollten Sie, Frau Krueger, vielleicht in der zwei ten Runde das eine oder andere Inhaltliche dazupacken. Sonst ist es, wie ich finde, eine eher blamable Geschichte, dem Fach kräftebedarf mit 100 zusätzlichen Klassen und fünf verändert einsetzbaren Poolstunden begegnen zu wollen.
Zu der Forderung hinsichtlich der beruflichen Gymnasien, Frau Ministerin und Frau Krueger, können wir nur sagen: Herzlich willkommen im Klub und guten Morgen! Man braucht sich nur die Diskussionen zu vergegenwärtigen, die
wir uns hier am 5. Mai 2010 geliefert haben. Damals hat die SPD aufgrund der Erkenntnis, dass wir zu wenig Klassen im beruflichen Gymnasialbereich haben, einen Rechtsanspruch und einen damit verbundenen Ausbau der beruflichen Gym nasien in die Diskussion gebracht. Da gab es zwei interessan te Gegenargumente. Ihr Gegenargument, Frau Krueger, war, das könnten wir uns im Moment gar nicht leisten, wir könn ten nicht rechnen, wir seien völlig unseriös.
Das Gegenargument der Frau Kultusministerin war, das brauchten wir gar nicht. Ich zitiere das einmal, weil das wirk lich witzig ist. Die Frau Ministerin sagte, wir sollten doch von dieser Zahlenbetrachtung wegkommen, aus der wir ableiten, dass wir einen höheren Bedarf haben. Sie sagte dann wörtlich:
… verlassen Sie doch endlich Ihre rein quantitativ-plan wirtschaftlich definierte Diskussionsebene.
Zu dem von uns vorgetragenen Bedarf sagte sie:
Nicht jeder, der sich irgendwo für irgendetwas bewirbt, will am Ende auch dorthin.
Ich stelle fest: Sie haben jetzt verstanden, dass diejenigen, die sich bewerben, doch dort hinwollen und dass Sie mit diesen platten Abwehrmechanismen nicht mehr klarkommen, son dern jetzt endlich das tun müssen, was Grüne und SPD hier schon seit Jahren fordern, nämlich für das berufliche Gymna sium, das Sie Realschülern als Alternative zum G 8 verspre chen, endlich dieselben Zugangsbedingungen schaffen – und zwar erst einmal rein quantitativ – wie für das allgemeinbil dende Gymnasium, das jenen mit einer Grundschulempfeh lung zum Gymnasium sowieso offensteht. Insofern tragen wir diese Forderung gern mit. Darüber freuen wir uns. Wir hätten das gern schon ein bisschen früher gehabt.
Bei allen anderen Themen, die man jetzt ansprechen könnte, bin ich ganz gespannt, ob wir ein bisschen mehr „Butter bei die Fische“ bekommen oder ob wir uns heute darauf zurück ziehen, Frau Krueger, uns einfach noch einmal den Auftrag der aktuellen Enquetekommission gegenseitig zu erklären – was sicherlich auch niemandem schadet.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin. Jetzt haben Sie einige Einzelmaßnahmen genannt, die man in einem gewis sen Rahmen durchaus in eine Strategie packen kann. Lassen Sie mich aber drei, vier Punkte zu dem nachtragen, was an sonsten noch erwähnt wurde.
Wenn es der Staatsauftrag der Verfassung ist, dass alle Kin der entsprechend ihren Fähigkeiten ihre Begabung entfalten und einen entsprechenden schulischen Abschluss machen sol len, die Korrelation zwischen Bildungserfolg und Herkunft bei uns im Ergebnis bei 6,6 liegt – ich will diese Zahl jetzt nicht noch einmal erklären –, in anderen Bundesländern aber bei 4,3 liegt, dann ist das ein klares Indiz dafür, dass wir die sen Verfassungsauftrag nicht erfüllen.
Da helfen auch keine Rankingergebnisse an anderer Stelle.
Wenn Sie sagen, Sie garantierten Sprachförderung, aber die letzte Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Thema zeigt, dass nach der Umstellung der Sprachförderung in Ver bindung mit der Einschulungsuntersuchung die Zahl der ge förderten Kinder von etwa 11 000 auf 8 000 zurückgegangen ist, wenn jetzt auch die FDP sagt, das letzte Jahr vor dem Schuleintritt allein reiche nicht, und wenn Sie kürzlich sogar erkennen ließen, Sprachförderung müsse auch in der Grund schule fortgesetzt werden, dann können Sie sich doch hier nicht hinstellen und sagen, die Sprachförderung sei so gut, dass die Nachteile, die einzelne Kinder hätten, bis zur Schul zeit ausgeglichen seien. Das ist einfach eine Verkennung der Realität.
Ein Letztes: Es gibt zum Thema „Stärkung des Fachkräf tenachwuchses“ schon viele Empfehlungen. Der Innovations rat hatte eine Schwerpunktarbeitsgruppe zum Thema „Fach kräftenachwuchs stärken“. Es gibt das Gutachten „Technolo gien, Tüftler und Talente“ von McKinsey im Auftrag des Staatsministeriums. Alle sagen, dass ein Mehr an qualifizier ten Absolventen sehr stark von der Ganztagsbetreuung ab hängt, von der Qualität der Ganztagsbetreuung und von der Quantität. Das hilft auf der einen Seite den Eltern, im Arbeits leben zu bleiben und sich zu qualifizieren, und auf der ande ren Seite den Kindern, weil ihre Bildungschancen nachweis lich steigen.
Wenn ich dann aber feststelle, dass wir mit 11,6 % die bun desweit niedrigste Quote an Ganztagsbetreuung für Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren haben und mit 4,0 % die drittniedrigste Quote bei den Kindern unter drei Jahren, dann, meine Damen und Herren, sind wesentliche strategische Zie le, die Sie schon jetzt kennen und die Ihnen von allen Exper ten vorgegeben werden, nicht erfüllt. Zu all diesen Themen habe ich heute nichts Neues gehört, von der Ministerin eigent lich überhaupt nichts.
Frau Ministerin, es reicht nicht, für einzelne Kinder, die schon in einer Schulform sind, zusätzliche Maßnahmen zur Berufs orientierung einzuführen, sondern wir müssen uns grundsätz lich noch einmal folgende Fragen stellen: Wie kommt es, dass
wir am Ende noch immer diese starke Kopplung von sozia lem Hintergrund und späterem Schulerfolg haben? Was kön nen wir zuvor im System an unterschiedlichen Stellschrauben verändern? Wie kann es sein, dass noch immer 30 % der Kin der, die in die Schule gehen, Sprachdefizite haben – trotz zehn Jahren Erfahrung mit dieser Problematik und zehn Jahren Sprachförderung?
Daran müssen sich unsere strategischen Ziele ausrichten, die wir dann aber auch konsequent angehen müssen. Wir dürfen uns nicht mit Teilbereichen beschäftigen, die zwar alle ihre Bedeutung haben, aber letztlich nicht geeignet sind, in zehn bis 15 Jahren die Zahl von 400 000 bis 500 000 zusätzlichen und besser qualifizierten Fachkräften – das ist eine große Zahl – zu generieren, die wir einfach brauchen, um die wirtschaft liche Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin, Mulfingen ist aus Ihrer Sicht sicher eine ideale Gemeinde. Es gibt dort stabile politi sche Verhältnisse. Die Gemeinde kümmert sich um ihre Schu le; es gibt dort eine vorzüglich funktionierende Grund- und Hauptschule. Die Gemeinde hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Schulstandort zu halten. In letzter Zeit unterstreichen Sie noch deutlicher als Ihr Vorgänger, dass die Schule im Ort sein soll te.
Nun hat Mulfingen eine Situation – –
Jetzt lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. Herr Küb ler, wenn Sie das nicht wissen, dann sind Sie hier fehl am Platz.
Mulfingen kümmert sich um seine Schule und kommt zu dem Ergebnis, dass die Hauptschulzugänge nicht ausreichen, um diesen weiterführenden Schulstandort zu halten. Man verstän digt sich dann durch Abstimmungen mit dem Gemeinderat, mit dem Schulträger und mit der Wirtschaft, die diesen Pro zess sehr unterstützt, auf ein pädagogisches Konzept, das auch aus Ihrer Sicht – so schreiben Sie es in Ihrer Antwort – grund sätzlich positiv zu bewerten ist, weil über diesem Konzept die individuelle Förderung steht – auch das ist ein erklärtes Ziel der Landesregierung.
Dann wird auch noch ein wichtiger Beweis angetreten. Denn eines hat Ihr Vorgänger immer bestritten, Frau Ministerin. Ihr Vorgänger hat immer gesagt: Die Eltern von Realschülern und von Gymnasiasten sind nicht bereit, ihre Kinder auf eine sol che Gemeinschaftsschule – oder wie Sie es auch nennen wol len – zu schicken, wenn es alternativ dazu eine reine Real schule und ein reines Gymnasium gibt.
Hier ist der Beweis angetreten worden, dass die Eltern dies akzeptieren. Statt 10 oder 11 Schülern mit einer Hauptschul empfehlung haben sich 33 Schüler an dieser Schule angemel det, von denen im Übrigen viele eine Gymnasialempfehlung hatten.
Das heißt, wir haben eine Schulentwicklung vor Ort. Wir ha ben ein Konzept, das den Schulstandort sichern kann. Außer dem wird dieses Konzept von den Eltern und von allen ande ren Betroffenen vor Ort akzeptiert.
Sie sagen zwar, dieses Konzept sei positiv. Sie sagen zwar, dass Sie Schulen im Dorf lassen wollen. Sie sagen außerdem, dass Sie eine Schulentwicklung vor Ort wollen, die eine Pro filierung ermöglicht. Sie verweigern dieser Schule jedoch den jenigen Teil des Konzepts, der beinhaltet, dass der Bildungs plan der Realschule im Rahmen der individuellen Förderung angeboten wird, und damit auch den entsprechenden Schul abschluss.
Daran wird die Absurdität deutlich. Auf der einen Seite ver folgen Sie Ziele, und auf der anderen Seite drücken Sie sich vor den Konsequenzen dieser Ziele. Deshalb muss die Ge meinde Mulfingen nun den Weg der Ausgliederung der Haupt schule aus ihrer gemeinsamen öffentlichen Grund- und Haupt schule gehen. Sie muss nun eine private Haupt- und Realschu le einrichten, um ihr Konzept umsetzen und den Realschulab schluss anbieten zu können.
Frau Ministerin, ich hätte eigentlich erwartet, dass das Kul tusministerium sagt: „Dies ist eine ideale Gemeinde, die in ei ner wunderbaren Harmonie und mit der Akzeptanz der Eltern einen Weg weitergeht, den auch wir wollen. Deshalb müssen wir dieses Projekt unterstützen und dürfen es nicht ablehnen.“ Über den Modellschulparagrafen hätten Sie alle Möglichkei ten dieser Welt, dies an dieser Stelle individuell zuzulassen.
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen. Für uns ist Ihr Vorgehen nicht akzeptabel, weil es eine doppelbödige Bot schaft gibt und weil dadurch Schulentwicklung vor Ort behin dert wird. Am Ende wird dies dazu führen, dass Schulstand orte sterben und dass die individuelle Förderung, die an ein zelnen Standorten hervorragend funktioniert und auch von den Eltern akzeptiert wird, auf der Strecke bleibt. So kann in Ba den-Württemberg keine Schulentwicklung vorangetrieben werden, die von den Menschen vor Ort akzeptiert wird.
Ich finde es den Mulfingern gegenüber und auch nach den bisherigen Diskussionsbeiträ gen von unserer Seite – ich sage es vorsichtig – sehr befremd lich, dass wir uns hier entweder in dieser etwas höhnisch-zy nischen Weise wie Sie, Herr Schebesta,
oder in dieser belehrenden und arroganten Weise wie Sie, Frau Ministerin, über dieses Thema unterhalten. Das möchte ich einmal deutlich sagen.
Das müssen Sie mir jetzt gerade erzählen. Kein Mensch hat hier zu einem Angriff auf die Schulstruktur insgesamt aufge rufen.
Ja, weil Sie das so interpretieren,
weil hier die Ideologen sitzen und nicht in Mulfingen oder bei uns.
Eine kleine Gemeinde, die sich sonst um das Thema Schul struktur wahrscheinlich gar nicht kümmern würde, geht einen Weg, Herr Schebesta, und Sie sagen: „Den sollen die doch ge hen. Da wünschen wir ihnen viel Freude.“ Gleichzeitig ver bieten Sie ihnen den Teil dieses Weges, der es ihnen überhaupt erst ermöglichen würde, diesen Weg zu gehen. Das, was Sie mit einer solchen Schule machen, ist doch zynisch.
Nein, jetzt nicht. – Hier geht es nicht um Blütenträume, hier geht es um ein konkretes Pro jekt. Frau Ministerin, warum kann die Integrierte Gesamtschu le Mannheim in den Klassen 5 bis 7 die Bildungspläne zusam menführen? Die Schule macht in den Kernfächern ABC-Kur se – das weiß ich –, aber ansonsten sind die Bildungspläne auf unterschiedlichen Niveaus zusammengeführt.
Warum wird im Rahmen eines Pilotprojekts an der Geschwis ter-Scholl-Schule in Tübingen in einem Kooperationsprojekt Hauptschule/Realschule genau das umgesetzt, was Mulfingen macht, nämlich Klassen, die sich zu einem Drittel aus Haupt schülern, zu mindestens einem Drittel aus Realschülern und aus noch einigen anderen Schülern zusammensetzen, die ei ne Gymnasialempfehlung haben? Die brauchen nicht einmal die Genehmigung eines Schulmodells zu beantragen.
Warum verbieten Sie dies dann dieser kleinen Schule? Sie sa gen einfach: „Das passt nicht in die Struktur.“ Sie machen das
Ganze zu einer Strukturdiskussion, Sie machen es gerade nicht zu einer Qualitätsdiskussion.
Ja, weil ich nur noch 1 Mi nute und 30 Sekunden Redezeit habe.
Herr Schebesta, Sie führen jetzt aus, das mit den Anmelde zahlen sei fraglich. Wie ist es denn bei Ihrem Werkrealschul konzept? Sie haben zweizügige Werkrealschulen genehmigt, die jetzt im ersten Herbst nach ihrem genehmigten Betriebs beginn schon einzügig sind. Fangen Sie da auch an, vor Ort zu diskutieren und zu erklären, dass vielleicht der Standort gar nicht mehr zu halten ist? Hier haben wir 33 Anmeldungen, und es wären noch wesentlich mehr gewesen, wenn man auch die Anmeldungen aus den umliegenden Gemeinden akzeptiert hätte. Insofern war an dieser Stelle sogar die Voraussetzung für eine zweizügige Schule gegeben, weil der Klassenteiler gleichzeitig auf 32 gesunken ist.
Es ist doch arrogant, wenn Sie, Frau Ministerin oder Herr Schebesta, dann schon zu wissen glauben, das Ganze werde von den Eltern dort auf Dauer nicht mitgetragen. Wie wollen Sie das vor Ort überhaupt verkaufen, wenn an anderen Stel len – –
Das ist doch Unsinn.
Was will ich mich mit Sachsen vergleichen, Herr Schebes ta?
Ich sehe, dass Sie bei Ihrem Werkrealschulkonzept jetzt ge nau diese Probleme bekommen. Aber das Mulfinger Konzept ist diesem Werkrealschulkonzept überlegen, weil es nämlich den echten Realschulabschluss integrieren will. Sie wissen ge nauso wie ich, dass das bei den Eltern eine höhere Akzeptanz hat.
Ihren Hinweis auf das Trojanische Pferd, Frau Arnold, finde ich besonders spannend. Die FDP/DVP und Sie persönlich waren es, die vor etwa einem Jahr vorgeschlagen haben: Las sen Sie uns doch über eine kleine Arbeitsgruppe jedes Jahr zehn Schulversuche auswählen, damit wir genau solche indi vidualisierten Konzepte weiter ausprobieren können. Sie ha ben schon bei anderer Gelegenheit hier vorn gestanden und bedauert, dass Herr Rau solche Einzelmodelle nicht geneh migte. Jetzt sehe ich bei Ihnen eine Kehrtwendung um 180 Grad. Das alles passt doch überhaupt nicht zusammen.
Ich kann jetzt leider keine weiteren Ausführungen machen. Über das Thema Hamburg können wir uns gern noch unter halten, Frau Ministerin. Nur so viel: Schleswig-Holstein ist genau das Gegenmodell; dort wollen alle die Gemeinschafts schule. Es geht uns überhaupt nicht darum, 1 600 oder 1 200 Schulen zwangszubeglücken, sondern es geht uns darum, vor Ort Schulentwicklung zu ermöglichen. Die Rahmensetzung muss über Qualität laufen, Frau Ministerin. Da bin ich doch mit Ihnen einig. Wenn ich über Qualität steuere, brauche ich nicht über das Festhalten an einer Struktur zu steuern, die die sem Schulstandort überhaupt keine Chance lässt, zu überle ben, obwohl Sie selbst sagen, das pädagogische Konzept sei vorbildlich. Das passt doch überhaupt nicht zusammen.
Lassen Sie dieses eine Modell laufen. Dann können wir noch immer sehen, wie sich die Akzeptanz entwickelt. Aber Sie las sen sich auf einen fairen Wettbewerb überhaupt nicht ein, weil Sie diese Modelle von vornherein ablehnen. Dann bleibt der Weg in das Privatschulsystem. Herr Kluck – jetzt ist er leider nicht da –, unsere Kritik richtet sich nicht gegen das Privat schulsystem. Aber diese Gemeinde hat ursprünglich etwas an deres vorgehabt. Die Umsetzung dieses Vorhabens haben Sie verhindert.
Wie erklären Sie dann ange sichts der angeblichen Gleichwertigkeit der beiden Abschlüs se den Eltern den Umstand, dass bei der Grundschulempfeh lung die Werkrealschule auf derselben Stufe wie die Haupt schule und nicht auf der Stufe der Realschule steht?
Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Das heute zur Abstimmung stehende und schon vor längerer Zeit vorgelegte Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes ist ein weiterer trauriger Zwi schenakt in dem seit Jahren andauernden Drama, in dem es um Folgendes geht: Wie führen wir den Orientierungsplan in Baden-Württemberg in die Kindertagesstätten ein,
und – darum geht es ja eigentlich – wie übernehmen wir auch für die Bildung in den Kindertagesstätten eine landespoliti sche Verantwortung? Letztlich steht dieser Punkt dahinter. Dieser war ursprünglich Auslöser, sich überhaupt auf diesen Weg zu begeben.
Ich möchte noch einmal ein bisschen in die Historie gehen, wenn auch nicht besonders arg weit. Es ist interessant, dass Sie auf Seite 3 in der Stellungnahme zu dem Antrag der Frak tion GRÜNE, Drucksache 14/4807, schreiben – immerhin ist dies eine Stellungnahme vom 29. Juli 2009 –:
Das Land hält an der Absicht fest, den weiterentwickel ten Orientierungsplan im Laufe des Kindergartenjahres 2009/2010 für verbindlich zu erklären.
Sie wissen, dass das – Herr Hoffmann, Sie haben es gesagt – von einer langen Modellphase und von einer Überarbeitungs phase begleitet war. Ich gebe Ihnen völlig recht, was die Qua lität des Orientierungsplans betrifft. Es war auch mit der bun desweiten Anerkennung verbunden, dass wir einen der zwei oder drei besten Bildungspläne für den Kindertagesstättenbe reich haben.
Das ist etwas, was uns sehr guttut und noch einmal zeigt, dass dieser ganze Prozess hinsichtlich der Fachlichkeit außeror dentlich gut gelaufen ist und wir mit dem Ergebnis sehr zu frieden sein können.
Nun ist im Juli vor einem Jahr angekündigt worden, dass wir den Orientierungsplan zu dem erwähnten Kindergartenjahr verbindlich einführen würden. Schon zu diesem Zeitpunkt An fang Juli 2009 wusste man, dass dazu eine Einigung mit den kommunalen Landesverbänden nötig gewesen wäre, weil das Ergebnis all dieser Pilotuntersuchungen und Modellphasen lautete, dass man mit dem bisherigen Rahmen für die Perso nalbetreuung nicht hinkommt, um den Orientierungsplan wirklich qualifiziert einzuführen.
Frau Ministerin, auch wenn Sie damals noch nicht mit an Bord waren, wissen Sie es, weil es Ihnen erzählt worden ist: Es war eine peinliche Veranstaltung, dass man angekündigt hat, man führe den Orientierungsplan bis September ein, und im Sep tember sagen musste: „Wir müssen es verschieben, weil wir uns erst mit den Kommunen einigen müssen.“ Das hat sowohl bei den Eltern als auch bei den Erzieherinnen und Erziehern vor Ort zu erheblichem Unverständnis geführt.
Im Herbst gab es die Einigung mit den kommunalen Landes verbänden, die aus unserer Sicht zunächst einmal nicht beson ders befriedigend war, obwohl wir es natürlich immer lieber sehen, wenn es eine solche Vereinbarung gibt, als wenn es kei ne gibt. Wir sind mit dieser Vereinbarung eines allmählichen Anstiegs des Personalschlüssels um 0,3 Personalstellen pro Gruppe noch immer weit von den international anerkannten Personalschlüsseln entfernt, die für eine adäquate Betreuung vorgesehen sind und die uns aus der Modellphase aus dem ei genen Land als benötigt kommuniziert wurden.
Für mich ist die Erfüllung des Konnexitätsprinzips im Rah men dieser Vereinbarung noch immer nicht recht ersichtlich. Denn wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Lan desaufgabe handelt, nämlich die Bildung in der Kleinkindpha se, dann ist mir nicht ersichtlich, wie man dann zu einem sol chen Finanzierungsschlüssel kommen kann. Weil die Kom munen diesem aber zugestimmt haben, soll es jetzt zunächst einmal so sein.
Außerdem ist für uns sehr unbefriedigend, dass überhaupt nicht absehbar ist, wann man von diesen 1,8 allmählich auf steigt, und vor allem, wann und wie die Betreuung in den Kleinkindgruppen der unter Dreijährigen in diesen Prozess mit hineinkommt. Denn wir alle sind uns einig – auch der Ori entierungsplan sieht das vor –, dass wir auch für die unter Dreijährigen eine Aufgabe in der Bildung und eine Orientie rung in der Bildung brauchen.
Nachdem diese Einigung im Herbst erzielt worden war, be gann die nächste, wie ich finde, etwas peinliche Veranstaltung. Zum 1. September dieses Jahres sollte das umgesetzt werden, ist es auch umgesetzt worden, aber die gesetzliche Regelung kommt jetzt erst nachträglich. Da muss ich mich natürlich schon fragen: Warum gelingt es im Schulbereich meist gera de noch kurz vor knapp, die gesetzlichen Grundlagen zu schaf fen – ich erinnere an die Werkrealschuldiskussion in der letz ten Julisitzung vor der Sommerpause –, und warum geht es im Kindergartenbereich offensichtlich irgendwie nicht? Mög licherweise haben Sie es hier mit mehr Partnern zu tun; das sind Sie nicht gewöhnt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls finde ich es wiederum sehr ärgerlich, dass jetzt seit 1. September schon neue Personalschlüssel gelten, die wir aber im Grunde erst heute in eine endgültige gesetzliche Form kleiden.
Jetzt beginnen die Punkte, bei denen wir mit dem vorgeleg ten Gesetzentwurf nicht zufrieden sein können. Man hat sich auf eine gemeinsame Linie mit den Kommunen und den kom munalen Landesverbänden verständigt, und man legt jetzt ei nen Gesetzentwurf zur Abstimmung vor, der von diesen so nicht mitgetragen wird. Mit geht es gar nicht darum, Herr Hoffmann, jetzt als Landtag zu beurteilen, ob das nun „müs sen“ oder „können“ heißen muss oder ob man es ganz heraus nimmt. Ich finde, es ist ein Strickfehler, wenn man eine ge setzliche Umsetzung eines gemeinsamen Beschlusses offen sichtlich nur dann hinbekommt, wenn einer der wichtigsten Partner bei diesem ursprünglichen Beschluss dann sagt: „Wir fühlen uns nicht im Rahmen der Vereinbarung bei diesem Ge setzentwurf berücksichtigt.“
Deshalb appellieren wir heute noch einmal erneut an Sie, sich mit den kommunalen Landesverbänden zu einigen. Wir ha ben es bei der Einschulungsuntersuchung schon einmal erlebt, dass es der Sache und der Umsetzung nicht guttut, wenn es dann solche Konfrontationen gibt. Ich hätte es für wichtig ge funden, dass man solchen Konfrontationen aus dem Weg geht.
Der gravierendste Punkt, warum wir auch heute diesen Ge setzentwurf ablehnen, ist der Verzicht darauf, den Orientie rungsplan als Verpflichtung hereinzunehmen und damit auch die Sicherheit zu schaffen, dass wir es dann mit allen Trägern evaluieren können. Denn nur das ergibt Sinn, Herr Hoffmann. Wir geben hier doch erhebliche zusätzliche Landesmittel aus. Das muss mit einem Ziel verbunden sein, sonst ergibt es kei nen Sinn. Nur die Verpflichtung auf dieses Ziel gibt uns das Recht, anschließend zu kontrollieren, ob dieses Ziel erreicht wurde. Sie geben zu wenig Geld aus und bringen nicht ein mal die Verpflichtung hinein, wofür es ausgegeben werden soll, und können es dann – das ist für mich Bedingung – im Nachhinein auch nicht verpflichtend kontrollieren.
Daher ist das leider ein trauriger Zwischenschritt, aber es ist noch nicht der Schritt, den wir brauchen. Insofern können wir heute dem Gesetzentwurf nicht zustimmen – es sei denn, Sie stimmen unserem Änderungsantrag zu, womit ich aber nach Ihrem Beitrag leider nicht rechnen kann.
Herzlichen Dank.