Protocol of the Session on July 26, 2007

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 30. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Krank sind heute gemeldet Frau Abg. Ursula Haußmann sowie die Herren Abg. Haas und Jägel.

Heute Nachmittag wird Herr Minister Professor Dr. Frankenberg dienstlich verhindert sein.

Auf Ihren Tischen finden Sie Vorschläge der Fraktion der FDP/DVP für Umbesetzungen bei den Schriftführern und in verschiedenen Ausschüssen (Anlage 1). Ich stelle fest, dass Sie diesen Umbesetzungen zustimmen. – Dagegen gibt es keinen Widerspruch.

Meine Damen und Herren, wir haben gestern die Punkte 14 und 15 von der Tagesordnung abgesetzt. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass der gestrige Punkt 14 – a) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Komasaufen bei Jugendlichen, Drucksache 14/1042 (geänderte Fassung), b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen unterbinden, Drucksache 14/1129, und c) Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Innenministeriums, Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen, Drucksache 14/1411 – heute als neuer Tagesordnungspunkt 10 aufgerufen wird. Dafür soll beim Tagesordnungspunkt 9 statt der bisher vorgesehenen gestaffelten Redezeiten nur die einfache Redezeit von fünf Minuten je Fraktion gelten. – Sie nehmen davon Kenntnis.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Dopingbekämpfung in Baden-Württemberg – Drucksache 14/1423

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Aufarbeitung von Dopingverstößen in Baden-Württemberg – Drucksache 14/1424

Dazu rufe ich noch den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/1600, auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung der beiden Anträge fünf Minuten und in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vom zuständigen Sportminister Rau haben wir in den letzten Wochen und Monaten sehr wenig zum Thema Doping gehört. Aber einen bemerkenswerten Satz hat er doch von sich gegeben. Ich zitiere:

Der internationale Radsportverband UCI möchte die Straßenrad-WM für einen Neuanfang im Radsport nutzen. Diese Absicht unterstützen wir.

Vor dem Hintergrund fast täglich neuer Dopingmeldungen von der „Tour de Farce“ ist es geradezu fahrlässig, wie der Minis ter mit dem Thema Doping umgeht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Gundolf Fleischer CDU: So ein dummes Gerede!)

Oh, Herr Fleischer. Sie haben von diesem Thema auch nie etwas mitbekommen, obwohl Sie im Südbadischen sitzen. Das wundert einen auch.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt hat, meine Damen und Herren, konnte auch schon vor vier Wochen – so alt ist das angeführte Zitat – nur den Kopf schütteln. Auf das, was wir in den letzten Tagen und Wochen im Radsport erleben mussten, kann es nur eine Reaktion geben, meine Damen und Herren: Für diesen Sport darf es keine öffentlichen Gelder mehr geben.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir wollen Stuttgart nicht gedankenlos zur Hauptstadt des Sports machen. Vielmehr wollen wir Stuttgart zur Hauptstadt des sauberen Sports machen. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Was muss noch passieren, damit diese Landesregierung endlich reagiert? Jetzt wurde argumentiert, Stuttgart verlöre seinen Ruf, wenn die Stadt die Rad-WM absagen würde. Es ist doch umgekehrt: Stuttgart verliert dann seinen Ruf, wenn es sein Plazet zu dieser Dopingveranstaltung gibt. Ich glaube auch: Es geht gar nicht um den Ruf, sondern es geht um das Geld, das verloren zu gehen scheint. Das scheint der wahre

Grund dafür zu sein, dass man sich nicht schon längst von dieser Veranstaltung verabschiedet hat.

Heute Morgen ist in der Überschrift eines Kommentars in der „Stuttgarter Zeitung“ endlich zu lesen: „Ausstieg“. Genau ein solcher Schritt wäre die einzig richtige Reaktion.

Der ARD-Radsportexperte Florian Bauer hat heute Morgen in der ARD gefordert: „Keine Berichterstattung von dieser Rad-WM; diese Rad-WM darf gar nicht stattfinden.“ Genau das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

In diesem Zusammenhang muss man die ARD loben, dass sie aus der Liveberichterstattung über die Tour de France, wie jetzt geschehen, ausgestiegen ist. Man sieht auch, wie hoch moralische Bedenken beim Privatfernsehen, in diesem Fall bei SAT.1, angesiedelt sind. Von einem Tag auf den anderen übernimmt man die Berichterstattung über diese Dopingveranstaltung.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie wollen denn die Herren Oettinger, Rau und Schuster diese Rad-WM eröffnen? Wollen sie sich hinstellen und sagen: „Bitte dopen Sie nicht“? Und weil sie kein Hochdeutsch können, sagen sie dann auf Schwäbisch: „Mir selber hen au no nie dopt außer mit Trollinger.“

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, so können wir doch nicht in eine Rad-WM gehen, wenn wir uns weiterhin ernst nehmen wollen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Wir wissen doch, meine Damen und Herren: Ein Umdenken bei den Beteiligten – das zeigen die Ereignisse der letzten Tage – findet nicht statt, solange das Motto auch der Politik lautet: „The show must go on.“ Es ist doch absurd, zu glauben, dass der Sport noch Selbstreinigungskräfte hätte, insbesondere der Radsport. Fast alle Beteiligten sind doch in diesem verseuchten Dopingsystem groß geworden. Ein EPO-Junkie wie Jan Ullrich kennt gar nichts anderes. Er hat doch gar kein Unrechtsbewusstsein entwickeln können. Erstens ist er in der DDR groß geworden, und zweitens wurde das Dopingsystem lückenlos übernommen.

(Widerspruch – Unruhe)

Meine Damen und Herren, dass in der Ex-DDR flächendeckend gedopt wurde, wollen Sie ja sicher nicht abstreiten. Herr Fleischer, das ist ungefähr so, als wenn man sagen würde: „In Freiburg wurde nicht gedopt.“

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Sie helfen dem Sport ungeheuer!)

Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute zu Recht:

Wer den Radsport reanimieren will, muss das alte System zerschlagen. Der muss Konten prüfen, staatliche Subventionen kappen, Fernsehgelder streichen.

Genau darum geht es, meine Damen und Herren.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Ihnen geht es nur um Ihre Eitelkeit, nicht um den Sport!)

Deswegen kein Cent aus den Landeskassen, kein Cent an Steuergeldern für diese Veranstaltung!

(Beifall bei den Grünen)

Deshalb, Herr Fleischer: Stimmen Sie dem gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen zu. Setzen Sie ein Zeichen, indem Sie mit der Zustimmung zu diesem Antrag sagen: Es reicht, es ist endgültig zu Ende mit dieser Veranstaltung. Wenn ihr den Radsport zerstören wollt – das ist der Appell an die Radfahrer –, dann aber bitte ohne baden-württembergische Steuergelder.

Herr Minister, nehmen Sie das Geld in die Hand, das Sie da ausgeben wollten, und nutzen Sie es für Dopingprävention. Geben Sie es für Antidopingforschung aus. Damit dienen Sie dem Radsport mehr, als wenn Sie die Rad-WM weiterhin unterstützen.

Dieser Sport – das muss doch allen Beteiligten klar sein – braucht eine Denkpause. Nur dann haben Leute wie Hans-Michael Holczer von Gerolsteiner eine Chance, diesen Radsport neu aufzubauen. Dieser Sport ist ja an sich faszinierend. Es müssen enorme Leistungen erbracht werden, aber das muss ohne Doping geschehen. Wir brauchen einen radikalen Neubeginn, und deswegen darf diese Rad-WM in Stuttgart nicht stattfinden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Dazu hilft Ihr Beitrag wenig!)

Meine Damen und Herren, die zuständigen Minister müssten sich an die Spitze der Bewegung stellen. Herr Minister Rau – das haben die letzten Wochen gezeigt; er hat ja auch andere Probleme an der Backe – hat sich mit diesem etwas ekligen Thema gar nicht beschäftigen wollen.

(Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU)

Aber wenn die Hütte lichterloh brennt, wie es derzeit der Fall ist, muss man endlich handeln. Baden-Württemberg steht mit Freiburg im Zentrum des bisher größten deutschen Doping skandals: eine Uniklinik als Tatort systematischen Dopings. Und was erleben wir? Der zuständige Minister taucht ab und schweigt. Wenn er einmal etwas sagt, dann solche unbedarften Sätze, wie ich sie eingangs zitiert habe.

Doping war bisher möglich, meine Damen und Herren, weil wir ein Kartell des Schweigens hatten. Ärzte, Apotheker, Funktionäre, die Pharmaindustrie und wohl auch so mancher Politiker haben nicht gern hingeschaut oder nicht so genau hingeschaut, weil man sich gern im Lichte der Volkshelden der Moderne gesonnt hat.