Günter Baaske

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Last Statements

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen!
Wir haben die letzten beiden Plenarsitzungen dieser Legislaturperiode vor uns. Es sind noch 88 Tage bis zur Wahl. Da ist es naheliegend, heute die Gelegenheit zu nutzen, Bilanz zu ziehen, das heißt, ein bisschen in den Rückspiegel zu schauen, aber auch das Navi einzuschalten - das gilt für alle drei großen Fraktionen hier -, um zu sagen, wohin es in den nächsten Jahren gehen soll.
Zu Beginn dieser Legislaturperiode sah es in diesem Land zugegebenermaßen recht düster aus. Die Stimmung war mies. Sie war mau, wie der Brandenburger sagen würde. Die Neuverschuldung betrug 700 Millionen Euro. Ich entsinne mich, dass die Arbeitslosenzahlen immer nur nach oben gingen. Die Wirtschaft schrumpfte. Ich weiß noch, dass der Wahlkampf, den wir 2004 miteinander geführt haben, die Stimmung im Lande nicht gerade zum Besseren geleitet hatte, sondern im Gegenteil noch dazu beitrug, dass sie aufgeheizt wurde.
Heute - das wissen wir auch - steht Brandenburg wesentlich besser da. Wir haben gestern die neuen Arbeitsmarktzahlen bekommen. Das, was wir derzeit an Stimmung, an Fakten und Daten erhalten, ist nicht das Verdienst dieses Hauses, nicht das Verdienst der eigenen Fraktion, der Regierung, sondern das ist das Ergebnis der knallharten Arbeit, die die Brandenburgerinnen und Brandenburger in den letzten Jahren geleistet haben. Genau deshalb steht Brandenburg heute besser da.
Ich möchte trotzdem noch einige Zahlen und Fakten ins Gedächtnis rufen. Im Januar 2005 - das war kurz nach dem Greifen der Arbeitsmarktreform; die Sozialhilfeempfänger wurden wieder in die Arbeitsmarktstatistik eingefügt - gab es 280 000 Arbeitslose in diesem Lande. Heute gibt es 162 000 Arbeitslose. Das ist noch nicht - das gebe ich gern zu - eine Halbierung dieser Zahl, aber es ist schon fast eine Halbierung der 280 000. Das ist eine Zahl, die man ruhig einmal laut aussprechen darf.
Wenn wir uns die Zahlen, die wir gestern bekommen haben, genauer anschauen, dann stellen wir fest, dass Brandenburg das einzige Bundesland ist, das sich im Vergleich zu den anderen Bundesländern gegen den Trend bewegt, in dem die Arbeits
losenzahlen immer noch nach unten gehen, in dem sie sich immer noch verbessern und in dem - das sage ich in Richtung Herrn Görke, der immer noch meint, dass die Menschen hier nur in Minijobs sind - die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten immer noch ansteigt. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr wieder einen Anstieg von 2 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Lande. Auch das ist eine Zahl, die sich durchaus sehen lassen kann.
Es ist nicht ohne, wenn in den Umfragen 68 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger sagen, dass sich Brandenburg in die richtige Richtung bewegt. Es ist auch nicht ohne, wenn 75 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger sagen, dass sich Brandenburg im Wettbewerb der Regionen behaupten wird. Worauf wir alle gemeinsam richtig stolz sein können, ist der Wert von 95 %. Das sind die Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sagen, dass sie gern in diesem Land leben. Meine Damen und Herren, das finden Sie kaum in einem anderen Bundesland, nicht einmal im „heimduseligen“ Bayern. Das ist eine Zahl, die man mit Stolz und Würde vor sich hertragen kann. All diejenigen, die das Land schlechtreden, wissen nicht, wovon sie reden.
Wir haben im Verlauf der letzten Legislaturperiode eine ganze Reihe wichtiger Weichen gestellt. Teilweise werden diese Gleise schon lange wieder befahren, teilweise werden sie weiter in die Zukunft reichen.
Wir hatten uns so manchen Streit auch mit der Opposition hier geliefert. Das wird auch heute nicht anders sein. Wir haben uns ich gebe das gern zu - das eine oder andere Mal auch sehr verwundert über unseren Koalitionspartner die Augen gerieben, welcher Streit da losging. Letztlich lag es immer wieder an uns, die Linie zu halten, nach vorn zu schauen und zu versuchen - das ist, glaube ich, auch gelungen -, so viel wie möglich sozialdemokratische Handschrift in die Politik dieser Koalition zu tragen.
Wir haben uns nicht beirren lassen, sondern für uns standen Brandenburg - die Brandenburgerinnen und Brandenburger und das Ziel im Mittelpunkt, dass es hier im Lande vorangeht. Ich möchte dazu kurz vier Beispiele nennen.
Die Schülerzahlen haben sich im Lande inzwischen halbiert. Die Kohorte der jetzt 20-Jährigen ist etwa doppelt so groß wie die Kohorte der 16- oder 17-Jährigen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir haben gemerkt, dass wir uns mit den beiden Schulformen, die wir hatten - mit der Gesamtschule und mit der Realschule -, vor Ort gegenseitig Konkurrenz gemacht haben, was dazu geführt hat, dass am Ende beide Schulen nicht überleben konnten. Eine logische Folge war - übrigens eine sozialdemokratische Idee -, die Oberschulen einzurichten. Die Oberschulen haben dafür gesorgt, dass wir an vielen Stellen in diesem Lande die Schulstrukturen aufrechterhalten konnten. Erst recht, nachdem wir sie auf zweimal zwölf Schüler reduziert haben, wird es möglich sein, die Schulstrukturen als gefestigt zu betrachten. Darauf können wir miteinander stolz sein.
Ein weiterer Aspekt: Wir haben erkannt, dass es mitunter mit der Motivation unserer Kids insbesondere an der Oberschule nicht zum Besten steht. Es kommt durchaus vor, dass sich junge Leute sagen: Ja, ob ich in Brandenburg eine Ausbildungsstelle bekomme, egal, welche Zensuren ich habe, ob ich nachher einen Job bekomme - wer weiß das schon? Meinem großen Bruder ist es schlecht ergangen. Meinem Bekannten ist es schlecht ergangen, also wird es für mich auch schwer.
Daher haben wir gesagt: Wir müssen dafür sorgen, dass Betriebsleiter in die Schulen gehen und dass die Schulen in die Betriebe gehen. Nur dann erreichen wir es - das greift auch fundamental -, junge Leute zu motivieren. Das geschieht auch durch das Programm IOS, über das wir 25 Millionen Euro in die Schulen hineingeben und durch das junge Leute im Praxislernen erfahren, welchen Sinn es macht, gute Zensuren zu schreiben, um danach genau die Ausbildungsstelle zu bekommen, die sie sich vorher womöglich schon vor Ort angeguckt haben. Das war unsere sozialdemokratische Idee. Zu der sollten wir stehen. Auf die können wir auch stolz sein.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist folgender. Da in einem Land wie Brandenburg mit seiner demografischen Struktur, seiner ländlichen Struktur fast jede dritte Gemeinde ein Zentrum war, da bis 2005 die Arbeitsmarktpolitik oder die Wirtschaftspolitik nicht so gegriffen hatten, dass die Arbeitslosenzahlen nach unten gingen, musste man an den Strukturen etwas verändern. Daraufhin haben wir die Landesplanung gestrafft. Wir haben die Wirtschaftsförderung gestrafft. Beides war richtig, wie uns heute der Erfolg zeigt. Wir haben damals viel Prügel bekommen. Ich entsinne mich noch an Pressemitteilungen, die auch unser Koalitionspartner geschrieben hatte, in denen die Rede war von Entsiedlung in diesem Lande, die wir vorantreiben würden. Heute sind diese Pressemitteilungen von der Homepage der CDU gelöscht. Auch für uns war es damals eine schwierige Entscheidung, aber der Erfolg kann sich wirklich sehen lassen, wenn wir heute von 162 000 Arbeitslosen im Vergleich zu 280 000 Arbeitslosen ausgehen, die wir damals hatten.
Aber - das ist der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte - wir mussten auch feststellen, dass wir nach wie vor viel zu viele Langzeitarbeitslose in diesem Land haben. Wir sind den Spuren und Wegen von Regine Hildebrandt gefolgt. Sie hat immer wieder gesagt: Leute, versucht doch einmal einen Weg zu finden, dass wir Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren. Sie hat sich damals die SAM überlegt. Es gab viele Möglichkeiten im Rahmen von ABM. Wir haben aber gesagt, es muss doch heute einen besseren Weg geben, passive Leistungen in der Arbeitsförderung zu aktivieren. Ich erinnere mich noch gut an eine Klausursitzung unserer Fraktion in Cottbus. Wir hatten Franz Müntefering, den damaligen Arbeitsminister, nach Cottbus eingeladen. Wir haben gesagt: Franz, es muss eine Möglichkeit geben, dass wir für die Leute, die derzeit ALG II erhalten, mit diesem Geld und mit einem bisschen Landesgeld und mit etwas kommunalem Geld sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse schaffen. - Am Ende kam der KommunalKombi heraus. Es war durchaus auch ein Brandenburger Kind. Ich will das hier so sagen. Brandenburg ist darum auch das Land, das vom Kommunal-Kombi bisher am meisten Gebrauch macht. Dafür geben wir fast 40 Millionen Euro aus. Aber dazu stehen wir, weil wir jungen und alten Menschen damit helfen können.
Wir haben gemerkt, dass es für Eltern mitunter sehr schwierig ist, ihre Kinder auf eine Klassenfahrt, auf eine Exkursion oder sie abends mit anderen Kindern ins Kino zu schicken oder aber am Schulessen teilhaben zu lassen. Uns war klar, dass wir da etwas ändern müssen. Das betrifft keinesfalls, wie ich hier sagen möchte, unbedingt nur die Kinder, deren Eltern von Hartz IV leben müssen. Das Leben ist sehr vielschichtig, und es gibt viele Umbrüche, die einen heute treffen können.
Aus diesem Grunde haben wir den Schulsozialfonds geschaffen, der es ermöglicht, dass Schulleiter und Lehrer sehr unbürokratisch in wirtschaftlich und finanziell schwierigen Situationen helfen können. Auch das war eine sozialdemokratische Idee, auf die wir alle, weil wir sie gemeinsam umgesetzt haben, stolz sein können.
Ich bin mir sicher, dass der Beginn der nächsten Legislaturperiode mindestens genauso schwer sein wird, wie die jetzt gerade ablaufende am Anfang war. Es werden schwere, es werden harte Haushaltsverhandlungen werden. Wir werden Einschnitte vornehmen müssen. Wir werden uns aller Wahrscheinlichkeit nach auch wieder verschulden müssen. Matthias Platzeck hat oft genug gesagt, wir werden, gerade was die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik angeht, auf Sicht fahren müssen. Wer auf Sicht fährt, braucht dennoch einen guten Kompass. Da, wo die rote Nadel hinzeigt, steht bei uns vor allen Dingen mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Arbeit und mehr Bildung. Das sind für uns nicht drei Himmelrichtungen, sondern eine. Dazu nachher mehr. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat eben gesagt, dass wir quasi doch schon in Wahlkampfzeiten sind. Das wissen wir spätestens seit der Rede von Frau Kaiser.
Ich glaube, dass es wirklich darum gehen muss, dass wir eine ehrliche Debatte führen, Frau Kaiser. Ich bin auch gerne bereit, Ihnen da ein bisschen zu helfen, indem ich Ihnen nachher einige Papiere gebe - das sind keine Statistiken, die die SPD-Fraktion gemacht hat, sondern ich rede hier von der Agentur für Arbeit und von der Bertelsmann Stiftung -, denn ich glaube, dass Sie,
wenn nicht mehr heute, dann wenigstens morgen, den Weg zur Tugend finden sollten, wenn wir über Bildung reden. Wir sollten über Fakten reden und nicht über irgendwelche Hirngespinste.
Es hat mich vorhin schon getroffen, als Sie sagten, wir hätten in Brandenburg auf dem zweiten respektive dritten Arbeitsmarkt nur 3 000 oder 4 000 Leute, eine solche Zahl nannten Sie, was natürlich vollkommener Quatsch ist. Ich habe hier die Zahlen von der BA von gestern. Dort sind unten die beschäftigungsschaffenden Maßnahmen aufgeführt. Das sind also die Maßnahmen, die die Arbeitsämter, die Agenturen, aber auch die ARGEn und die Jobcenter mit Leuten gestalten, die entweder ALG I oder ALG II erhalten. Das sind nicht 2 000, 3 000 oder 4 000, sondern es sind 14 400. Da sind die MAEs enthalten, da sind die ABM dabei.
Das sind alles Beschäftigungsverhältnisse auf dem zweiten oder dritten Markt. Reden Sie das doch nicht schlecht! Das ist doch falsch, was Sie erzählen! Ich gebe Ihnen das nachher.
Das andere ist: Wir haben bei PISA Sprünge nach vorne gemacht. Ich glaube, das wird morgen noch dezidierter auszuwerten sein. Wir sind im Lesen vom 13. Platz auf den 11. gekommen. Wir sind bei Naturwissenschaften vom 15. Platz auf den 8. Platz gekommen. Wir sind bei Mathematik immerhin vom 12. auf den 5. Platz gekommen.
Das sind doch Ergebnisse, die wir hier im Land zu verzeichnen haben.
Ich frage mich manchmal, wie Sie argumentieren, wenn Sie irgendwo in einem anderen Bundesland oder im Ausland sind, ob Sie den Leuten sagen können: Fahrt einmal nach Brandenburg! Das ist ein schönes Land, dort kann man Urlaub machen.
So, wie Sie aufgetreten sind, kann Ihnen das gar nicht über die Lippen kommen.
Noch etwas zu unserer Bilanz: Ich denke, dass wir stolz sein können auf die Bilanz, die wir für diese Legislaturperiode, die gerade abläuft, vorlegen können. Aber natürlich, Frau Kaiser, ist auch noch etwas zu tun. Wir haben uns doch für die nächste Legislaturperiode etwas vorgenommen. Wir wollen etwas schaffen, wir haben ein Wahlprogramm. An das letzte Wahlprogramm haben wir gerade Haken gemacht. Wir konnten über 90 % von unserem Wahlprogramm, nicht vom Koalitionsvertrag, abhaken. Das alles haben wir in dieser Legislaturperiode geschafft. Wir werden auch zusehen, dass wir das bei der Kursbestimmung, die ich vorhin nannte, wo es uns um soziale Gerechtigkeit, um mehr Jobs und um mehr Bildung geht, auch weiterhin tun.
Ich will Ihnen dazu nur einen Punkt nennen. Natürlich sind wir nicht zufrieden, wenn wir wissen, dass auch in unserem Lande
die Chancen für ein Beamtenkind gegenüber einem Arbeiterkind, das Abitur abzulegen, bei 20 :1 liegen. Man kann es nicht gut finden, wenn das Portemonnaie der Eltern sagt, was aus dem Kind einmal wird. Natürlich fragen Eltern, die knapp bei Kasse sind, ob das Kind wirklich Abitur machen muss; denn wenn es vielleicht eine Lehrstelle bekommt, geht es der Familienkasse besser. Genau deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir in der nächsten Legislaturperiode das Schüler-BAföG einführen, um mehr jungen Menschen Mut zu machen, das Abitur abzulegen und danach zu studieren; denn wir brauchen eher mehr Studenten als weniger und mehr Abiturienten als weniger.
Der andere Punkt ist: Wir haben vorhin schon einmal über die Kitas gesprochen. Ich gebe Ihnen nachher auch die entsprechende Studie von Bertelsmann. Erstens: Wir haben eine sehr hohe Qualität in unseren Kitas. Zweitens: Brandenburg gehört neben Sachsen und Hamburg zu den Bundesländern, die am meisten Geld pro unter zehnjährigem Kind ausgeben. Auch das muss man einmal so sagen dürfen. Das hat etwas mit dem hohen Betreuungsschlüssel zu tun, das hat aber auch etwas damit zu tun, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher sehr aufopferungsvoll arbeiten. Auch das weiß ich. Genau deshalb werden wir in der nächsten Legislaturperiode 25 Millionen Euro zusätzlich in die Kita-Landschaft geben, um damit in einem ersten Schritt den Betreuungsschlüssel in den Krippen von 1 : 7 auf 1 : 6 zu senken und dann auch noch einiges andere mit den verbleibenden 8 Millionen anstellen zu können. Ich gehe fest davon aus, dass wir in der Diskussion mit den Kita-Erzieherinnen einen guten Weg finden werden.
Natürlich geht es in der nächsten Legislaturperiode auch um mehr und um bessere Bildung. Wir wissen auch, dass da noch nicht alles so weit ist, wie wir uns das wünschen. Es geht um mehr Integration, es geht auch um mehr individuelle Förderung. Es geht um mehr Selbstständigkeit an den Schulen.
Wir wissen auch, dass in den kommenden Jahren viele Kolleginnen und Kollegen die Schulen verlassen werden, weil sie in Rente oder Pension gehen. Das werden in einigen Jahrgängen mehrere Hundert sein. Wir werden nicht für alle gleichzeitig auf dem Arbeitsmarkt Ersatz finden. Genau deshalb wird der Bildungsminister im nächsten Jahr, also schon zu Beginn der Legislaturperiode, in die Lage versetzt werden, Lehrer einzustellen, wenn er sie auf dem Arbeitsmarkt bekommt. Ich halte das für einen guten und sehr verantwortungsvollen Weg.
Wir wissen auch, in meiner Fraktion tut das jedem Mitglied weh, dass wir in diesem Land 30 000 Leute haben, die jeden Tag arbeiten gehen und danach immer noch zum Arbeitsamt oder zur ARGE müssen, weil sie von dem Geld, das sie in Vollzeittätigkeit verdienen, noch immer nicht leben können. Das brennt uns auf den Nägeln. Genau deshalb werden wir in der nächsten Legislaturperiode sicherstellen, dass wenigstens die, die Geld von der öffentlichen Hand bekommen, ob sie einen Auftrag über einen Arbeitgeber übernehmen oder aber direkt für die öffentliche Hand arbeiten, das erstens nach einem Tarifvertrag erhalten und zweitens nach einem Mindestlohn, der noch festzulegen ist.
Auch das werden wir in der nächsten Legislaturperiode erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will auch noch etwas zu den Kollegen sagen, die, von mir aus gesehen, ganz rechts außen sitzen. Was Sie in den letzten Jahren hier abgeliefert haben, Frau Hesselbarth und Kollegen, das kann sich nicht sehen lassen. Sie haben diesem Land kein Stück weit gedient. Ich werde alles daransetzen, das werden auch die Kollegen der anderen drei demokratischen Fraktionen tun, dass unsere Parteien gute Wahlergebnisse erzielen. Aber wir werden auch alles daransetzen, dass diese Plätze dort hinten in der nächsten Legislaturperiode von demokratisch denkenden Abgeordneten besetzt werden, die fleißig und ehrlich für dieses Land arbeiten.
Ich will die Gelegenheit, die ich ja wahrnehmen kann, da die Regierung die Redezeit etwas überzogen hat, nutzen, mich hier bei vier Kollegen zu bedanken. Drei von ihnen sind Parlamentarier der ersten Stunde, einer ist etwas später hinzugekommen.
Ich will bei jemandem anfangen, der nicht Mitglied meiner Fraktion ist, nämlich bei Heinz Vietze. Ich finde, wir haben in ihm immer - haben wir immer noch - einen fairen Gesprächspartner. Heinz Vietze ist ein Urgestein. Er kennt das Haus hier in allen Winkeln, besser als manch anderer.
Er ist nicht nur in diesem Haus, sondern auch ideell von uns allen hier in den letzten 20 Jahren den weitesten Weg gegangen.
Ich glaube, keiner von uns hätte es vor zwanzig Jahren für möglich gehalten, dass wir in Heinz Vietze im Jahre 2009 einen so konstruktiven, aber auch kritischen und - hoffe ich auch ehrlichen Oppositionellen haben. Ich möchte mich ganz herzlich für diese Zusammenarbeit bedanken, lieber Heinz.
Mein Dank gilt aber auch einem Kollegen aus meiner Fraktion, auch ein Mann der ersten Stunde. Er war elf Jahre lang unser PGF - Wolfgang Klein. Es war seine ruhige, sachliche, mitunter auch etwas schnippische und humorvolle Art, die ihn, glaube ich, in diesem Landtag sehr populär gemacht hat. Er hat die Fraktion und das parlamentarische Geschäft - auch das Koalitionsgeschäft, all das, was hier in diesem Hause zu erledigen war - reibungslos abgewickelt. Das eine oder andere Mal musste er als PGF Entscheidungen mittragen, die ihm zu Hause viel Ärger eingebracht haben, aber er hat als PGF zur Fraktion und zur Linie gestanden. Dafür noch einmal vollen Respekt und große Hochachtung, lieber Wolfgang, und vielen herzlichen Dank.
Etwas Besseres, als dass da Beifall aus allen drei Fraktionen kommt, kann es gar nicht geben, oder?
Der Dritte, dem ich danken möchte, ist sozusagen ein spätgeborenes Brandenburger MdL. Zurück in der Heimat hat er sich gleich hier im Landtag eingefunden. Lieber Jörg Schönbohm, wir hatten es nicht immer ganz leicht mit Ihnen, Sie aber auch nicht mit uns. Ich kann mich noch gut an die erste verbale und fast militärische Auseinandersetzung mit Regine Hildebrandt erinnern, welche Ihnen noch unterstellt hat, Sie würden bewaffnet in den Landtag kommen.
Ich kann Ihnen aber versichern, sie hat es nicht so ernst gemeint.
Was ich an Ihnen persönlich schätze - und das will ich Ihnen heute auch sagen -, ist, dass Sie erkannt haben, dass Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antitoleranz eine große Gefahr für unsere Demokratie darstellen. Sie haben da sehr patriotisch gekämpft. Sie haben Ihre Polizei in diese Richtung geführt und dafür gesorgt, dass Rechtsextremismus in den letzten Jahren in diesem Lande massiv zurückgedrängt wurde. Dafür von hier aus noch einmal ein herzliches Dankeschön.
Mein Dank gilt aber auch meinem Vorvorgänger, der jetzt leider nicht hier ist. Jeder muss ja mal wohin.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass er Rauchen ist, ist bei ihm höher als bei vielen anderen; das ist schon klar. Ich will trotzdem die Gelegenheit nutzen, Folgendes zu sagen: Wolfgang Birthler ist ein Uckermärker von echtem Schrot und Korn. Er hat die Fraktion durch viele Irrungen und Wirrungen, auch durch schwierige Zeiten gelenkt. Er hat durch seine manchmal burschikose, aber auch ehrliche Art dafür gesorgt, dass viele Debatten abgekürzt wurden. Er brachte es wirklich fertig, wenn wir in der Fraktion drei oder vier auseinandergehende Meinungen hatten, sie ruckartig auf einen Punkt zu bringen und wieder zusammenzuführen, indem er einen Satz sagte. All das kann Wolfgang Birthler. Er hat Politik in diesem Lande mitgeschrieben, mitgestaltet; ich nenne nur die Rundfunkpolitik. Vor allem trägt unsere Landesverfassung seine Handschrift. Ich denke, für all das, was er hier geleistet hat, wird die Fraktion, wird aber auch dieser Landtag noch eine ganze Weile sehr dankbar sein. Wolfgang, auch dir ein Dankeschön!
Wir können jetzt, meine Damen und Herren, die letzten Monate auf der Zielgeraden angehen. Wir sehen - um beim läuferischen Bild zu bleiben - dort vorn schon die neue Startlinie vor uns. Wir gehen mit großer Zuversicht dorthin. Ich wünsche diesem Landtag, ich wünsche diesem Plenum auch in Zukunft demokratische Streitkultur und im Ergebnis dieses Streites auch in Zukunft vernünftige, positive, gute Entscheidungen für unser Land. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der Rede eben die Sachlichkeit vermisst, die wir bei der 1. Lesung zu diesem Tagesordnungspunkt hatten; ich will das ehrlich zugeben. Kollege Vietze, ich habe mich gewundert, warum Sie heute Vormittag eine noch längere Redezeit beantragt haben, als wir sie beim letzten Mal hatten. Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass ein Spagat etwas länger dauert als ein klarer, einfacher Schritt. Das habe ich vorhin so wahrgenommen.
Natürlich kann man sich fragen, ob Handlungsbedarf besteht. Die Frage ist berechtigt. Andererseits weiß man, wenn man ein Angebot unterbreitet hat, wie groß die Nachfrage ist. Genau dieses Angebot soll jetzt unterbreitet werden.
In Ihrer Rede kam zum Ausdruck, dass es nicht Stolpe war, der den Beauftragten lange Zeit verhindert hat.
Wenn Sie sagen, wir sollten uns mehr Zeit lassen und mehr diskutieren, dann will auch ich den von Ihnen zitierten Kronzeugen des Prozesses der letzten Woche zitieren. Ich habe die Schreiben vorliegen, die wir nach unserem Gesetzentwurf unter anderem von Hans Altendorf bekommen haben, der im Auftrag von Frau Birthler schreibt:
„Bezugnehmend auf Ihr Schreiben an Frau Birthler vom 19.06....“
19.06. war das Datum, an dem wir ihr den jetzt vorliegenden Entwurf geschickt haben.
„... möchte ich Ihnen mitteilen, dass die BstU diesen Entwurf nachdrücklich unterstützt und es begrüßen würde, wenn es eine Entscheidung des Landtages noch in dieser Legislaturperiode gibt.“
Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft - Herr Wagner war auch in der Anhörung zugegen schreibt:
„Sehr geehrter Herr Baaske! Im Namen der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e. V. möchte ich Ihre Fraktion dringend ersuchen, das Gesetz über die Einrichtung eines Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen noch vor der Sommerpause im Landtag zu verabschieden. Auf keinen Fall darf es, wie die Linksfraktion es fordert, in die nächste Legislaturperiode verschoben werden.“
Oder Rüdiger Sielaff aus Frankfurt (Oder), der auch an der Anhörung teilgenommen hat, schreibt:
„Mit der Klarstellung des Gesetzeszweckes wird den Einwänden der angehörten Experten Rechnung getragen. Ich hoffe, dass der Gesetzgebungsprozess zügig abschließbar ist und das oben angeführte Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.“
Dieses Gesetz, Herr Vietze, bei aller Liebe, soll überhaupt nicht dazu beitragen, irgendjemanden zu denunzieren, zu diskreditieren, anzuklagen oder sonst etwas. Es geht darum, aufzuklären und Opfern zu helfen - um nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich hätte mir - das gebe ich ehrlich zu - ein anderes Gesetz gewünscht.
Ich habe auch oft genug begründet, warum. Ich habe das, denke ich, schon sehr deutlich gesagt.
Ich habe im vergangenen Jahr an einer Gedenkstättenreise teilgenommen. Dazu hatten wir Sozialdemokraten eingeladen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Sachsenhausen, im Lager 2, das jetzt auch ein bisschen deutlicher hervorgehoben wird, gesessen haben. Wir sind in Hohenschönhausen gewesen, wir waren in Sachsenhausen und in Potsdam in der Lindenstraße.
Als wir dann abends beisammen saßen, war uns klar: Es darf keine Opfer zweiter Klasse geben. Es gab dringende Appelle von den Genossen der Sozialdemokratie - ich weiß aber auch von gleichgerichteten Appellen von Genossen der kommunistischen Parteien -, dass wir uns bemühen müssen, dass es genau diese nicht geben wird.
Ich habe in den letzten Wochen viel mit den Verbänden der Opfer der beiden Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts telefoniert und diskutiert. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal klarzustellen, dass wir auch mit dem ersten Ihnen vorgelegten Entwurf niemals auch nur ansatzweise vorhatten, Opfer zu vergleichen oder nationalsozialistische Verbrechen zu relativieren.
Auch wenn wir das in der Präambel explizit ausgeschlossen haben, musste ich erkennen, dass die Angst davor geblieben ist. Ich habe gelernt, was ich eigentlich schon wusste, nämlich dass ich als Gott sei Dank zu späteren Zeiten Geborener niemals werde ermessen können - niemals! -, was Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurde. Man sollte sich davor hüten, sich in diese Rolle hineinzuversetzen zu versuchen, oder zu meinen, dass man verstehe, wie die Menschen, die das erlebt haben, heutzutage auf bestimmte Worte, Reflexionen usw. reagieren.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die uns Hinweise zu diesem Gesetzentwurf gegeben haben, die dazu geführt haben, dass der Entwurf in der jetzigen Fassung vorliegt. Es war kein einfacher Prozess; für mich war es das erste Mal, dass ich an einem solchen Beauftragten-Gesetz mitgeschrieben habe.
Ich bin froh, dass ein Gesetzentwurf vorliegt, der - davon bin ich fest überzeugt und das haben auch die Stellungnahmen bewiesen, die wir bekommen haben - wenigstens einen kleinen Teil dazu beitragen wird, dass die Menschen, die in den schlimmen Zeiten, die mehr als zwanzig Jahre zurückliegen, auch in dieser Region Deutschlands entwürdigt wurden, ein Stück weit ihre Würde und ihre Anerkennung wiederbekommen. - Ich danke Ihnen.
Schönen guten Morgen, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde die Polemik, die mitunter im Raum schwirrt, der Situation nicht angemessen. Herr Görke, von Lehrer zu Lehrer: Thema verfehlt! Fünf! Setzen! - Mit Ihren Hasstiraden gegen „Hartz IV“ ist uns nicht geholfen.
Durch Hartz IV wurde in diesem Land auch eine Menge bewegt. Wir haben nach wie vor die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wende.
Karl Marx hat die Möglichkeit immer bestritten, aber wir haben auch nach einer Rezession noch immer eine geringere Sockelarbeitslosigkeit als zuvor.
- Das ist nicht richtig. Eigentlich wollte ich die Zahlen nicht aufführen, aber für Sie tue ich es gern: Vor Hartz IV hatte der durchschnittliche Arbeitslosenhilfeempfänger in Brandenburg 476 Euro zur Verfügung. Sie werden heute keinen alleinstehenden Hartz-IV-Bezieher finden, der mit weniger als 700 Euro auskommen muss. Zu den Zahlen, Herr Görke, die Sie vorhin wieder in gewohnter Art und Weise geliefert haben, rechnen Sie bitte die Kosten der Unterkunft hinzu; dann kommen Sie locker auf das Doppelte und werden einsehen, dass Arbeitslosengeld-IIEmpfänger heute über wesentlich mehr Geld verfügen als früher. Im Jahr 2005 stand gegenüber 2004 wesentlich mehr Geld für den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen zur Verfügung, und zwar nicht, weil es mehr Leistungsempfänger gegeben hätte, sondern weil mehr Geld ins System geflossen ist, unter anderem in die Betreuung und für die Aufstockung der Leistungen ehemaliger Sozialhilfeempfänger. Alle haben also mehr bekommen. Blenden Sie das nicht immer aus! Sie reduzieren Hartz IV auf die kürzere Anspruchsdauer der Arbeitslosen auf ALG I bzw. auf die damit verbundene Reduzierung der Leistung nach einem Jahr Arbeitslosigkeit. Was mit Hartz IV bewegt wurde, blenden Sie völlig aus und suggerieren den Menschen, Hartz IV sei etwas ganz Schlimmes. Ich denke, dass es arbeitsmarktpolitisch absolut sinnvoll war, genau dieses Instrument einzusetzen.
Ich vernehme von Ihnen heute nur Kritik am System. Sie haben kein Wort darüber verloren, wie es besser gehen könnte.
- Nein, er hat nur gesagt, was ihn stört, aber nicht, wie man es besser macht.
Ich will daran erinnern, wie wir im Jahr 2003, nachdem Peter Hartz im August 2002 seine Ideen vorgestellt hat, in die Diskussion gegangen sind. Wir haben - da hat Esther Schröder vollkommen Recht - uns zunächst einmal vorgenommen, die Betreuung der Arbeitslosen aus einer Hand zu sichern. Das war die Idee.
Eine Arbeitsgruppe - am Tisch saßen Hans Eichel, Vertreter des Städte- und Gemeindebundes, des Landkreistages, der Ministerien, des Bundestags, des Bundesrats - hat sich dann mit der Frage beschäftigt: Wie bekommen wir das hin? „Kommunalisierung“ hörte sich zunächst einmal gut an. Aber die darauf folgenden Forderungen der Kommunen zu erfüllen, die nahezu eine Verdopplung der Kosten bedeutet hätten, war undenkbar. Dennoch wurde gesagt - der Auffassung schließe ich mich an -, dass die Kommunen mit ins Boot geholt werden müssen. Man konnte sie nicht außen vor lassen. Sie sollten in den langen, fast zwei Jahre dauernden Prozess eingebunden werden. Ende 2004 hat der Bundestag das Gesetz beschlossen. Die Kommunen waren dann letztlich verantwortlich für die Kosten der Unterkunft und die SGB-II-Leistungsempfänger. Das war ein Kompromiss, um den wir hart gerungen haben. Die einfache Lösung in der Kommunalisierung zu suchen scheitert an vielen Detailfragen. 90 000 Mitarbeiter der BA, darunter viele Beamte Frau Funck, was soll mit denen geschehen? Die Frage muss man beantworten können, wenn man sich für eine Kommunalisierung ausspricht. Es gibt da viele Fragen zu berücksichtigen. Ich sage Ihnen: Ganz so einfach wird es nicht.
- Ja, mit ganz viel Geld vom Bund. - Der Anteil des Bundes von 30 % an den KdU ist richtig viel Geld, das können Sie mir glauben. Ich glaube nicht, dass der Bund bereit ist, es flächendeckend über das ganze Land zu zahlen. Wir werden sehen, wer nächstes Jahr regiert. Aber ich prophezeie: Die Lösung im Jahr 2009 wird sich unabhängig davon, wer im nächsten Jahr regiert, nicht wesentlich von der Lösung im Jahr 2010 unterscheiden. Das werden Sie erleben. Da bin ich mir sehr sicher. Denn - das sage ich in Richtung der Linken - als wir in den Jahren 2003 und 2004 die Diskussionen geführt haben, waren Ihre Kollegen Holter und Wolf - Minister in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, die der Linken angehören - dicht dabei. Auch sie hatten keine Idee, wie man es besser machen könnte. Dies vorangestellt, kann man sich fragen, ob von dort noch tolle Dinge zu erwarten sind.
Frau Schulz, Sie haben gesagt, von Verunsicherung seien wir weit entfernt. Sie kommen aus Spree-Neiße - eine Optionskommune, wo die Uhren anders ticken. Da muss man nicht verunsichert sein.
- Ja, ein erfolgreicher SPD-geführter Eigenbetrieb.
- Gemach, gemach! - Ich habe in den letzten Wochen einige ARGEn besucht, wo mir die Geschäftsführer unisono gesagt haben, sie litten derzeit massiv darunter, dass die besten Leute weggingen. Es ist doch klar, dass sich Leute, die einen unsicheren Arbeitsplatz in einer ARGE haben, auf Stellen bewerben, die die Landkreise und die Agentur für Arbeit ausschreiben, und dann den Arbeitsplatz wechseln.
- Ja, natürlich. Sie sprachen aber gerade davon, dass wir von Verunsicherung weit entfernt seien.
- Man muss es doch wohl mal sagen dürfen! Glauben Sie denn, dass die Kollegen in der ARGE keine Zeitung lesen und nicht wissen, wie die Situation ist? Das können Sie vergessen.
Ich will nur sagen: Ganz so einfach wird es nicht sein. Wir werden erleben, dass schon im nächsten Jahr wesentlich weniger der guten Mitarbeiter in den Geschäftsstellen arbeiten. Doch gerade dort, wo es um die Vermittlung geht, brauchen wir die Besten.
Sie sagten, es sei ein Kompromiss zwischen Rot und Grün gewesen. Es war ein Kompromiss zwischen Rot-Grün im Bundestag auf der einen Seite, und ein Kompromiss zwischen Schwarz und Gelb im Bundesrat auf der anderen Seite. Letzten Endes hat der Vermittlungsausschuss das Papier so erarbeitet, wie es am 23. Dezember 2004 beschlossen wurde.
Eines muss Sie doch nachdenklich stimmen, verehrte Damen und Herren von der CDU: Die Ministerpräsidenten Koch und Wulff und der damalige sächsische Ministerpräsident Milbradt haben 2003 und 2004 vehement, mit Verve und einer fürchterlichen Polemik darum gekämpft, dass die Arbeitsvermittlung hundertprozentig kommunalisiert wird. Sie waren am Ende mit dem gefundenen Kompromiss nicht zufrieden. Es sind die Ministerpräsidenten Koch und Wulff, die heute sagen: Macht diesen Kompromiss! Es gibt keinen besseren!
- Ja.
Eine ddp-Meldung von heute Morgen lautet:
„Im Streit um die Jobcenter-Reform haben die Unionsministerpräsidenten den Druck auf die Bundes-CDU erhöht. 'Die Frage der Jobcenter sollte noch vor der Bundestagswahl geregelt werden', sagte Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU)... Ohne Grundgesetzänderung sei die Reform nicht machbar. Deshalb müsse die Bundestagsfraktion ihre ablehnende Position dazu noch einmal überdenken.“
Müller betont:
„Wir sollten die Jobcenter aus dem Wahlkampf heraushalten.“
Wie wahr!
„Dies setzt aber eine Einigung... voraus.“
Müller weiter:
„Es ist bedenklich, wenn ausgerechnet in der Wirtschaftskrise Unsicherheit über die Zukunft der Jobcenter besteht. Wenn ausgerechnet die Mitarbeiter der Jobcenter jetzt Angst um ihren eigenen Arbeitsplatz haben, ist das sicher kein guter Zustand. Wir erwarten von diesen Menschen ja gerade in der Wirtschaftskrise, Arbeitslosen zu helfen und sie zu unterstützen.“
Ich finde es ein bisschen komisch, dass derzeit die SPD mit Müller, Rüttgers und - da wird mir richtig schwummerig - mit Koch Seit´ an Seit´ sehen muss. Aber ich glaube, dass hier keine Möglichkeit mehr besteht, gegen die Ideologen aus der CDU anzukommen. Ich glaube auch nicht, Frau Ministerin, dass die Kanzlerin heute Abend umfällt.
- Sie ist einmal umgefallen. Ein weiteres Mal sähe es dann ein bisschen kippelig aus.
Ich glaube, wir können wieder einmal konstatieren, dass im fortgeschrittenen Wahlkampf der Ideenmangel durch Ideologieüberschuss ersetzt wird. Das ist eine Situation, die sicher nicht befriedigend ist. Ich glaube und hoffe aber, dass wir, egal wie die Konstellation im nächsten Jahr aussehen wird, ganz zügig am Jahresanfang 2010 ein Gesetz beschließen werden, um die Verfassung so zu ändern, wie wir es jetzt gerade vorhaben, bzw. dass wir das bis Ende des Jahres 2010 hinbekommen. Diese Sicherheit möchte ich den Arbeitslosen und auch den Kolleginnen und Kollegen in den ARGEn mitgeben. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen!
- Guten Morgen, Herr Abgeordneter Thiel.
In der letzen Januarwoche, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Bundesregierung das zweite Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Es ist das größte konjunkturelle Programm in der Geschichte dieser Republik. Es gibt noch einen zweiten Superlativ, den man hinzufügen muss und den ich wesentlich bemerkenswerter finde: Am vergangenen Freitag bereits hat der Bundesrat diesem Konjunkturpaket zugestimmt. Ich habe noch nie erlebt, dass etwas so schnell - innerhalb eines Monats - von der Bundesregierung und den Länderparlamenten, also der Länderkammer, entschieden wurde. Der Bundestag ist natürlich noch immer gefragt, aber dennoch ist dies, glaube ich, ein zügiges Vorangehen, das zeigt, wie handlungsfähig die Demokratie und die deutsche Politik sind.
Es gab und gibt genug Kommentare zu dem Paket. Mitunter sind es dieselben Menschen, die noch zur Jahreswende gesagt haben: Ja, die Kanzlerin und die Bundesregierung müssen endlich handeln, die heute sagen: Das ist viel zu viel. Das ist nicht möglich. So viel darf man gar nicht tun. Das gefährdet den Haushalt der kommenden Generation usw. usf. - Dann gibt es diejenigen, die sagen: Es ist alles viel zu wenig!,
und diejenigen, die sagen: Das wirkt sowieso nicht.
Beckmesserei gibt es im Lande immer. Damit müssen wir leben und uns auseinandersetzen. Dennoch glaube ich, dass dieses Konjunkturpaket eine gute Mischung aus investiven und konsumtiven Ansätzen, aber auch Bildungsansätzen ist. Zudem glaube ich - das möchte ich jetzt noch einmal darstellen -, dass es nicht nur das ist, weswegen wir uns hier im Land in den letzten Monaten - Wochen muss ich ja sagen - so gekabbelt haben, sondern dass darin viel mehr steckt und vor allem Dinge betroffen sind bzw. umgesetzt werden, von denen viele Brandenburger direkt etwas spüren werden, und zwar im Portemonnaie und nicht nur dadurch, dass sie etwas auf der Straße sehen.
Der Eingangssteuersatz wird von 15 auf 14 % gesenkt. Das ist ein Punkt, der unmittelbar auf viele Portemonnaies in diesem Lande wirkt. Wir werden die Beiträge zur Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte senken. Das kostet allein in diesem Jahr 3,2 Milliarden Euro und im nächsten Jahr 6,4 Milliarden Euro an Steuermitteln. Was mich als Sozialdemokrat daran besonders freut, ist, dass wir damit diesen Topf, aus dem wir Steuern in die Krankenversicherungsleistung geben, auf mehr als 11 Milliarden Euro aufstocken. Ich glaube, das trägt zu einem erheblichen Teil zu mehr Gerechtigkeit in dem gesamten System bei und auch dazu, dass die Krankenversicherungsleistungen auf breitere Schultern verteilt werden. Ich begrüße das ausdrücklich.
Wir werden - das ist allerdings nur vorübergehend - den Regelsatz für die 6- bis 13-Jährigen in den Hartz-IV-Haushalten um 10 % anheben. Wir wissen - darüber werden wir heute oder morgen auch noch einmal bei einem anderen Tagesordnungspunkt diskutieren -, dass wir eine andere Rechenweise fordern - alle Länder fordern das - und dies nur als vorübergehende Lösung betrachten. Dennoch ist dies, denke ich, ein Impuls für die sehr armen Haushalte, stärker zu investieren bzw. stärker zu konsumieren. Das wird auch zur Belebung des Binnenkonsums beitragen. Zudem werden wir Familien mit Kindern in diesem Jahr mit zusätzlichen 100 Euro unterstüt
zen. Auch dies ist, denke ich, ein konsumtiver Ansatz, der die Richtigen trifft.
Auf zwei Punkte möchte ich die Aufmerksamkeit noch einmal besonders lenken, weil ich noch immer glaube, dass sie zu kurz kommen. Das ist zum einen die Ausweitung und Ausdehnung des Kurzarbeitergeldes. Es wird in Zukunft so sein - insbesondere ist das für die Jahre 2009 und 2010 vereinbart -, dass auch ganz kleine Betriebe - wir wissen, dass über 90 % der Unternehmen in Brandenburg weniger als zehn Mitarbeiter haben, die bisher von der Kurzarbeiterregelung so gut wie gar nicht Gebrauch machen konnten - in Zukunft Kurzarbeit in Anspruch nehmen können. Selbst wenn nur ein Mitarbeiter in einer bestimmten Abteilung oder für eine bestimmte Kategorie Arbeit davon betroffen sein sollte, kann der Unternehmer für diesen einen Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden. Das gilt außerdem auch für den Leiharbeiter.
Was das Schöne ist: Dem Unternehmer werden die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte und sogar zu 100 % erstattet, wenn er diesen Mitarbeiter in der Zeit der Kurzarbeit auch qualifiziert. Er erhält sogar noch Zuschüsse für die Qualifizierung von der BA. Das ist der eine Punkt, der mir wichtig war.
Der andere Punkt ist folgender: Die Bundesagentur für Arbeit wird richtig viel Geld in die Hand nehmen, um die Leute zu qualifizieren. Das gilt insbesondere für diejenigen, die wahrscheinlich zuallererst von der Krise betroffen sein werden, nämlich Menschen mit geringer oder schlechter Ausbildung, die dann gerade noch aufholen können, die ihre Fähigkeiten für die Zeit nach der Rezession wesentlich besser gestalten können, die für den Arbeitsmarkt fitter sind und womöglich durch genau diese Ansätze auch hier im Lande gehalten werden können.
Damit helfen wir insbesondere unseren kleinen und mittleren Unternehmen im Lande. Ich hoffe, dass es uns in den nächsten Wochen gelingt, diese Sachverhalte an die Unternehmer und Unternehmerinnen heranzubringen - vielleicht auch über die Betriebsräte und Gewerkschaften -, um das wirklich in den Unternehmen umzusetzen.
Wir alle haben in den letzten Jahren erfahren, wie schwierig es war und ist, Fachkräfte im Lande zu bekommen und Fachkräfte zu halten. Wir wissen ganz genau, wie schnell gerade junge Männer Brandenburg verlassen, wenn sie in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt, von mir aus auch in Bayern - um ein „Ausland“ zu nennen - oder in Baden-Württemberg Arbeit finden. Das wird auch in Zukunft so sein. Dagegen sollten wir uns wappnen.
Natürlich kann und wird man immer sagen: Das alles ist viel zu wenig. Das ist nicht genug. Ich glaube aber, in Anbetracht der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist das machbar und im Hinblick auf das, was auch die kommenden Generationen refinanzieren müssen, verantwortbar.
Wir dürfen nicht vergessen: Es gibt ein Leben nach der Rezession. Es wird ein Leben geben, in dem Haushalte auch wieder gestaltbar sein müssen und in dem Investitionen in Bildung, Personal notwendig werden. Das sollten wir kommenden Gestaltern dieser Haushalte nicht dadurch wegnehmen, dass wir jetzt ein oder zwei Jahre die Haushalte massiv überziehen.
Auch über den Investitionsanteil in diesem Konjunkturpaket wurde viel gestritten und diskutiert. Brandenburg erhält vom Bund 343 Millionen Euro. Wir selbst stocken mit unserem und dem kommunalen Eigenanteil 115 Millionen Euro drauf, sodass wir summa summarum 457,x Millionen Euro in diesem Land investiv ausgeben können. Wir werden die Rezession damit ein Stück weit abfedern können.
Ich möchte einmal deutlich daran erinnern, dass ein großer Brocken investiver Anteile aus dem ersten Konjunkturpaket nach Brandenburg kommt. Ich sehe die beiden Lausitzer in meiner Fraktion. Cottbuser Kollegen, Entschuldigung, sie sind ja mehr Lausitzer. Sie wissen, wie stark wir für die Bahnverbindung Berlin-Cottbus gekämpft haben. Das ist Bestandteil des ersten Konjunkturpakets.
- Genau, sogar durch Lübbenau, stimmt's? - Ja. Auch da wird eine Menge passieren. Ich denke daran, dass wir viel zügiger das Schiffshebewerk Niederfinow bauen können. Wir können die Ortsumfahrungen, ich denke insbesondere an Königs Wusterhausen, ziemlich zügig mitgestalten. Auch das ist nachhaltige Infrastrukturverbesserung. Das werden Menschen sehen, und davon werden auch kommende Generationen profitieren.
Mit diesen Investitionen aus dem ersten Konjunkturpaket, mit den Investitionen aus dem zweiten Konjunkturpaket, mit den Steuer- und Abgabensenkungen aus dem zweiten Konjunkturpaket und - als viertes muss ich auch sagen - mit den eigenen Möglichkeiten, die wir im Land haben - ich denke an die Aufstockung der Kreditrahmen und der Bürgschaftsrahmen unserer ILB -, werden wir einen gehörigen Beitrag dazu leisten, jedenfalls das, was in Brandenburg machbar ist, um Arbeitsplätze zu halten und zu sichern. Genau darum muss es letztlich gehen: Es geht um die Jobs in diesem Land. Es geht darum, Menschen in Lohn und Brot zu halten.
Nun hat so eine Krise immer einen handfesten Hintergrund. Auch das haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Ich will jetzt gar nicht weiter darauf eingehen. Wir wissen aber: So eine Rezession und die Situation der Welt haben auch immer psychologische Aspekte. Ich erlebe zunehmend, dass Menschen versuchen, in die Schlagzeilen zu gelangen, indem sie dieses Land noch ein Stück weiter nach unten ziehen.
Beim letzten Mal durfte ich hier über den Chefvolkswirt der Deutschen Bank sprechen; Herr Walter hatte damals eine Prognose von minus 4 % abgegeben. Um einmal wieder medial wirksam zu werden, hat er am Wochenende der „Bild-Zeitung“ erzählt, es könnten aber auch minus 5 % werden, wenn wir nicht zum Sommer plötzlich einen Wandel erleben.
Ich bin nun wahrlich nicht derjenige, der Hans-Werner Sinn folgt und das, was das ifo Institut sagt, immer gleich lobhudelt. Aber in den Zeiten, in denen Sinn sagt, es könnte bald besser werden - das ist nämlich gerade jetzt die Phase -, hören wir ihn eigentlich gar nicht. Wenn aber jemand kommt und sagt, es wird alles viel schlimmer, dann wird viel geschrieben. Das können wir alle sehr gut: uns nach unten reden, nach unten zie
hen lassen. Es muss aber auch mal darum gehen, ein bisschen Optimismus ins Land zu bringen. Leider sind die Umfragen und die Prognosen, die wir derzeit hören, so volatil wie ein Wackelpudding beim Erdbeben. Gerade deswegen ist es aber wichtig, in die Unternehmen zu gehen und mit Betriebsräten und Geschäftsführern zu sprechen.
Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs. Ich war im Norden, ich war im Süden, ich war im Osten und Westen dieses Landes. Ich war in großen und in kleinen Betrieben. In der Tat ist es so, dass die Wahrnehmung von Krise und von Rezession sehr unterschiedlich ist. Es gibt Betriebe, die sich sagen: Ich merke überhaupt nichts davon. Mein Auftragsbuch ist für den Rest des Jahres voll. - Es gibt Betriebsräte, die sagen: Wir haben volles Vertrauen in die getroffenen Vereinbarungen. - Aber es gibt eben auch Betriebe, die deutlich sagen: Es ist verdammt schwer. Wir wissen nicht, wie wir über das Jahr kommen sollen. Wir sind in strengen Verhandlungen mit unseren Betriebsräten. Wir sind in strengen Verhandlungen mit den Gewerkschaften, weil wir das, was wir miteinander vereinbart haben, wohl nicht halten können. - So unterschiedlich ist die Situation. So unterschiedlich muss man dieser Situation entgegentreten und dafür sorgen, dass eben nicht das Schlimmste eintritt.
Es geht mir darum, dass wir gerade denen zügig helfen, die derzeit schon tiefe Sorgenfalten haben. Ich weiß ganz genau: Dieses Konjunkturpaket - das erste nicht, das zweite, vielleicht kommt noch ein drittes oder ein viertes - ist kein Bügeleisen, mit dem man diese Sorgenfalten wegbügeln kann. So wird es nicht funktionieren. Wir müssen aber den Menschen zeigen, dass deutsche Politik handlungsfähig ist, dass wir miteinander in der Lage sind, besser als bisher auf solche Krisenzeiten, auf Rezessionen zu reagieren. Immerhin: Eine halbe Milliarde Euro in diesem Land! Mein Vater würde sagen, es ist fast eine Milliarde D-Mark. Meine Mutter würde sagen - mein Vater und meine Mutter tauschen sich da immer aus -, das sind 10 Milliarden Ostmark.
- Ja, Herr Dombrowski, klar.
- Oder eher 13 Milliarden. Ja, es gab da die verschiedenen Kurse.
Dieses Geld wird einen ganzen Batzen Nachfrage in diesem Land auslösen: Nachfrage bei Handwerkern, Nachfrage bei denen, die Solarmodule produzieren, aber auch bei denen, die die Dinger auf das Dach bauen, Nachfrage bei allen möglichen Leuten, die in der Produktion tätig sind. Das sollte man nicht vergessen. Es wird nicht nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Es wird durchaus spürbar sein, was in diesem Lande passiert.
Ich hoffe und setze darauf, dass dieses Konjunkturpaket wenigstens ein Stück weit Optimismus und ein bisschen Frohsinn verkündet und deutlich macht, dass wir handeln und etwas angehen können. Dass das entgegen allen Unkenrufen funktioniert - was zum Beispiel die Abwrack- oder Umweltprämie angeht -, haben wir gestern Abend der Tagesschau entnehmen können: Opel in Eisenach wird die Kurzarbeit einstellen. Opel in Eisennach verkauft derzeit so viele Autos, dass die Kurzar
beit aufgehoben werden kann, obwohl alle noch vor Wochenfrist gesagt haben, die Leute werden alle nur japanische und andere ausländische Autos kaufen. Nein, es gibt einen riesengroßen Solidarisierungseffekt zunächst einmal zwischen den Opel-Händlern und Opel, aber offensichtlich auch bei den Kunden, die auch bei unsicherer Wirtschaftslage bei Opel eben gerade Opel kaufen. Dass so etwas derzeit in Deutschland passiert, sollte man auch einmal sagen.
Auch die rege Anteilnahme - ich sage einmal Anteilnahme, von mir aus auch in Anführungsstrichen -, die wir in den letzten Wochen im Lande in derDiskussion über unsere Möglichkeiten zu investieren, erlebt haben, hat gezeigt, dass die Menschen sehr stark daran interessiert sind, wie wir mit dem zweiten Teil des Konjunkturpakets, mit den Investitionen im Lande umgehen. Das ist auch klar. Ich gebe auch gern zu, dass die B-Note, die wir bei der Verteilung der Gelder erzielen können, nicht unbedingt super gut ist. Das räume ich gern ein. Es gilt aber nach wie vor, dass der Standort den Standpunkt bestimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch die Landesregierung in der Lage gewesen wäre, diese 457 Millionen Euro gerecht und fair im Lande zu verteilen - in den äußeren Regionen dieses Landes genauso wie im Speckgürtel. Es wäre fair und gerecht zugegangen.
Ich verstehe aber jeden Bürgermeister, ich verstehe jeden Landrat, der meint: Er ist gewählt worden. Er hat Verantwortung und er möchte der Verantwortung auch gerecht werden. Insofern glaube ich: Wir haben im Großen und Ganzen einen guten Kompromiss gefunden.
Ich will aber deutlich sagen: Ich stehe dazu, dass das Land auch eigene Projekte steuert. Dazu zähle ich unter anderem das Ganztagsschulprogramm. Dazu zähle ich die Tatsache, dass wir dafür sorgen müssen, Sportstätten, die überregional wirken, mitzufördern, weil wir genau wissen, dass die Kommunen damit überfordert wären. Wir haben Bundesligamannschaften im Land Brandenburg, und es ist einfach peinlich, nicht genau zu wissen, ob die Tribüne halten wird, wenn Gäste aus ganz Deutschland und dem Ausland kommen. Die Überdachung des „Karli“ ist schlicht und ergreifend in einem beängstigenden Zustand. Kann man es den Gastmannschaften zumuten, dass es in die Kabinen regnet? Ich meine nicht die Duschkabinen, sondern die Mannschaftskabinen! Das sind Fragen, die man sich stellen muss.
Der Hafen Mühlberg macht deutlich, wie wichtig es ist, überregional zu denken. Es geht nicht darum, ein paar Jobs in Mühlberg zu schaffen, sondern darum, die Lausitz so weit zu festigen, dass es zum Beispiel für Vestas möglich ist, die großen Rotorblätter über diesen Hafen überallhin zu transportieren. Ich halte das für gut und richtig.
Im Großen und Ganzen freue ich mich, dass wir diese Handlungsfähigkeit an den Tag gelegt haben. Ich wünsche uns zu dem Tagesordnungspunkt eine anregende Debatte. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte gern so stehen lassen, was der Ministerpräsident in der Debatte vorgetragen hat.
- Nein, zum Ministerpräsidenten habe ich nichts weiter zu sagen, aber zu dem, was Herr Görke hier angeführt hat.
Herr Görke, was Sie hier geliefert haben, war schon wieder mal die blanke Demagogie und nichts weiter.
Wenn Sie hier vorrechnen, dass ein Geringverdiener bei einer prozentualen Entlastung natürlich weniger entlastet wird als jemand, der mehr verdient und auch mehr Steuern zahlt, dann ist das pure Demagogie, wenn Sie nicht gleichzeitig sagen: Wie viel zahlt denn zum Beispiel ein Landtagsabgeordneter an Steuern, und wie viel zahlt die Verkäuferin? So herum kann man es doch auch sehen, aber so herum wollen Sie es nicht sehen, weil Sie das immer nur schlechtreden wollen.
Das ist Ihre Art und Weise, Dinge zu beleuchten.
- Ich weiß ja, 20 % der Brandenburger oder der Deutschen können keine Prozentrechnung; das ist ungefähr ein Drittel.
So gehen Sie da heran, und so wollen Sie uns hier Sachen weismachen und die Welt erklären. So wird es nicht funktionieren.
Ich sage Ihnen noch etwas: Sie beklagen, dass wir die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt haben, und sagen, man sollte in diesen Zeiten die Bundesanstalt für Arbeit - ich nenne sie immer noch so - liquide halten. Da gebe ich Ihnen Recht. Nur, ich sage, man sollte es nicht über die Beiträge, sondern sollte es steuerfinanziert tun. Wenn Sie auf den Trichter kämen, würden Sie nämlich dazu kommen, dass dort mehr Gerechtigkeit einzöge, denn dann würde auch diese Last auf breitere Schultern gelegt werden, dann würde auch stärker von denen das Geld genommen werden, die mehr haben, weil wir bei der Steuer nämlich die Progression haben und dort auch entsprechend kassiert würde. Also auch dort wieder ein vollkommen falscher Ansatz und an der Wahrheit total vorbei.
Es muss darum gehen, dass wir ähnlich wie bei den Krankenversicherungsbeiträgen auch bei diesen Beiträgen substituierend Steuern einsetzen. Das führt zu mehr Gerechtigkeit.
Ich will eine dritte Sache dazu sagen: Es nervt mich, wenn Sie hier fehlenden Zusammenhalt beklagen, aber Mitglied genau der Partei sind, die ständig versucht, Keile in diese Bevölkerung zu treiben,
Keile zum Beispiel zwischen die Menschen, die auf der Kohle leben und den Menschen, die von der Kohle leben. Sie spielen Arm gegen Reich aus, spielen Altanschließer gegen Neuanschließer aus.
Sie spielen den Verflechtungsraum gegen den Entwicklungsraum aus. Das machen Sie tagtäglich. Und dann beklagen Sie mangelnden Zusammenhalt! Das ist doch nicht in Ordnung!
Ich war in den letzten Wochen gut unterwegs.
- Das sage ich doch gar nicht, aber Sie spielen sie gegeneinander aus. Das ist das, was ich meine.
Getroffene Hunde bellen!
Ich will noch eines sagen: Ich war in den letzten Wochen wirklich gut in den brandenburgischen Unternehmen unterwegs. Ich kann mich gut erinnern: Wenn wir vor drei, vier Jahren gesagt haben, wir würden den Betrieb gern besuchen, ich würde gern kommen und es begrüßen, wenn ich ein Gespräch mit dem Geschäftsführer, mit dem Betriebsrat haben könnte, dann gab es immer noch ein Gemurre, weil der Geschäftsführer gesagt hat: Ach, ich weiß nicht! Das mit dem Betriebsrat, muss denn das sein? - Heute ist es selbstverständlich: Wenn man in dem Betrieb herumkommt, dann ist der Betriebsrat mit am Tisch, und dann werden die Probleme offen ausgetauscht. Dann erfahre ich auch bei diesem Betriebsbesuch - meine Kollegen waren ja meist dabei -, dass der Geschäftsführer eben wirklich, wenn er ein Problem hat, nicht zuerst zu seinem Steuerberater oder seiner Bank geht, sondern er seinen Betriebsrat anruft, dass die miteinander reden, was man machen muss und wie man das lösen kann.
Ich erlebe jetzt schon, dass gerade in schwierigen Zeiten die Leute enger zusammenrücken, und ich bin ganz optimistisch, dass wir in diesen Zeiten durch ein enges Zusammenarbeiten von Politik, Gewerkschaften, engagierten und kämpfenden Arbeitnehmern wie Betriebsräten am Ende dieser Zeit sagen können, dass wir gemeinsam etwas Tolles geschafft haben, dass wir gestärkt aus dieser Situation hervorgehen und wir gemeinsam gemerkt haben, dass wir etwas bewegen können.
Das muss dabei herauskommen, und das sollten wir uns nicht zerreden lassen. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Guten Morgen! Ein herzliches Dankeschön an die Fraktion DIE LINKE, dass sie die heutige Aktuelle Stunde geopfert hat, um unserer Verpflichtung aus dem Jahre 2005 nachzukommen.
Mein herzlicher Dank geht auch an die Landesregierung, insbesondere an das MBJS für die gute Vorbereitung der heutigen Sitzung. Der Minister hat für uns zusammenstellen lassen, was im vergangenen Jahr unter dem Aspekt „Tolerantes Brandenburg“ im Land passiert ist. Gleichwohl muss man sagen, dass es bloß ein kleiner Anteil dessen ist, was wir in Brandenburg tatsächlich erreicht haben. Ich kann mich an viele Veranstaltungen im Land, von kleinen und großen Initiativen, erinnern. Ich glaube, wir sind ein gutes Stück vorangekommen und haben, was den Ruf des Landes bezüglich des Themas Rechtsextremismus angeht, eine Menge Boden gutgemacht.
Gleichwohl müssen wir konstatieren, dass wir in einigen Bereichen Aufholbedarf haben. Wir sind gut - im Vergleich der Bundesländer -, was das Problem der antisemitischen Einstellungen angeht; ich glaube, diebezüglich haben wir nur einen Wert von 1,1 % der Bevölkerung. Aber wir wissen auch, dass wir große Potenziale hinsichtlich der Vorbehalte gegenüber Ausländern haben. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn junge Leute, die lange Zeit arbeitslos sind und seit vielen Jahren vergeblich versuchen, einen Fuß in die Tür zum Arbeitsmarkt zu bekommen, sagen: Daran sind die Ausländer schuld, die nehmen uns die Arbeitsplätze weg. - Das passiert. Ich erlebe es vermehrt, dass junge Leute sagen: Es liegt daran! - Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass genau das nicht Raum greift. Wir müssen jungen Leuten sagen: Mensch, in unserem Land liegt der Ausländeranteil bei 2,3 %, und es ist inzwischen so, dass viel mehr Jobs von Ausländern mit ausländischem Kapital geschaffen wurden, als überhaupt Ausländer hier leben. Wir leben in einer Welt, in der man sich nicht abschotten kann,
und die einfache Antwort, dass die Ausländer schuld an deiner Arbeitslosigkeit seien, ist falsch. - Wir müssen natürlich die Ursachen, dass solche Äußerungen Raum greifen können, angehen und bekämpfen. Das muss Hauptaufgabe unserer Politik sein. Das heißt, wir müssen Jobs für die Leute schaffen, die es auf dem Arbeitmarkt nicht leicht haben.
Ich bin den Brandenburgerinnen und Brandenburgern dankbar, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, den Rechtsextremen Brandenburg als Aufmarschgebiet zu vergällen.
Es waren die vielen Tausenden, die nach Halbe, Seelow, Neuruppin, Senftenberg oder Potsdam gekommen sind, bei Wind und Wetter standgehalten und gezeigt haben: Wir lassen nicht zu, dass Rechtsextreme hier demonstrieren. - Besonders gut fand ich die Situation im Frühjahr letzten Jahres, als mich der frischgewählte Ludwigsfelder Bürgermeister anrief und sagte, die Nazis hätten vor, auf dem Rathausplatz zu demonstrieren. Er fragte mich, ob ich dazukommen würde und wir gemeinsam schauen könnten, was da zu machen sei. Eine Stunde später rief er mich wieder an und sagte, das Problem sei gelöst, das Bündnis für Familien habe sich bei ihm gemeldet und werde den Marktplatz gestalten. Klaus Bochow, wir haben uns dann am Samstagvormittag gesehen. Der Marktplatz war bunt, viele Vereine und Verbände haben Stände aufgebaut; es war letzten Endes ein Kinderfest. Die Nazis mussten auf eine Seitenstraße ausweichen. Ich glaube, die lassen sich zum Zwecke einer Demonstration nie wieder dort sehen.
Zur Wahrheit - Frau Kaiser, da haben Sie Recht - gehört aber auch, dass wir uns im vergangenen Jahr eine unselige Debatte zum Verbot der NPD geleistet haben. Ich habe mich dazu nie öffentlich geäußert, weil mir klar war, dass alles, was ich sage, sofort von jemandem kommentiert wird, und das hätte am Ende nur einem genützt; das wollte ich nicht. Ich will das Thema aber - weil Sie es angesprochen haben - kurz aufgreifen. Mich hat bestürzt, was ich im vergangenen Jahr erleben musste. Wir haben medial verfolgt, wie sich die Rechtsextremen in Bayern in den letzten Jahren entwickelt haben. Ich habe gut in Erinnerung, dass die bayerische Parlamentspräsidentin im Oktober 2007 gesagt hat, die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten in Bayern habe sich bis zum September 2007 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt, und die Zahl der rechtsextremen Straftaten sei auf über 800 gestiegen. Es gab in Bayern Gewalttaten gegen Äthiopier, gegen Polen, gegen Türken und auch gegen Behinderte. Im November hieß es aus der bayerischen CSU, man sei vehement gegen einen NPD-Verbotsantrag. Dann traf es eben keinen Türken, keinen Polen, keinen Äthiopier, es traf kurz vor Weihnachten einen bayerischen Polizeibeamten. Dann kam plötzlich aus Bayern der Ruf: Jetzt müssen wir etwas tun! - Das klang für mich moralisch höchst zweifelhaft. Ich habe mich gefragt, ob man die Opfer mit zweierlei Maß misst. Ich muss sagen: So kann man Politik zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht betreiben.
Das hat mich stark an der Ehrlichkeit des Handelns zweifeln lassen.
Wir haben im vergangenen Jahr in Brandenburg erlebt, dass die Nazis auch bei unseren Wahlkampfveranstaltungen versucht haben, mit der Wortergreifungsstrategie Raum zu fassen. Sie waren da. Wir haben das beim Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern sehr drastisch erlebt - ich war bei einigen Veranstaltungen -, als die Nazis dort Stände demoliert haben, als sie versucht haben, Angst und Schrecken zu verbreiten, um die Leute einzuschüchtern.
Ob wir unseren Verfassungsschutzbericht nehmen, den bayerischen oder den mecklenburgischen: Die Bedrohung ist da, und wer sie nicht sieht, ist auf dem rechten Auge blind. Wir mussten auch zur Kenntnis nehmen - Sie haben das angesprochen -, dass es bei der Kommunalwahl mehr NPD- und DVU-Vertretern gelungen ist, in die Parlamente einzuziehen, als vorher. Natürlich wird es für Bürgermeister- und Landratskandidaten der DVU oder der NPD jetzt einen gewissen Anreiz geben, den Versuch zu unternehmen, auch diese Positionen zu bekleiden.
Ich will noch einmal zu erklären versuchen, warum ich meine, dass wir dem mit allen demokratischen Mitteln Einhalt gebieten müssen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eindrücklich daran erinnern, dass es in Mecklenburg einen CDU-Innenminister gibt, der im Jahre 2007 eine Initiative gestartet hat, die sich „Wehrhafte Demokratie“ nennt. Er hat es durch die Gesetzeslage und die Verordnungen ermöglicht, dass im vergangenen Jahr bei der Landratswahl zwei NPD-Kandidaten nicht antreten konnten, nicht antreten durften. Ich will ausdrücklich betonen, dass sie nicht deswegen nicht antreten durften, weil sie in der NPD sind. Es ist falsch, das immer wieder zu unterstellen. Natürlich kann man es ihnen nicht verbieten, solange die Partei nicht verboten ist. Sie durften aus folgendem Grund nicht antreten - und das hat letztendlich das Verwaltungsgericht in Greifswald bestätigt; ich zitiere aus der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts:
„Die Zweifel leitete der Kreiswahlausschuss aus in der Vergangenheit getätigten öffentlichen Äußerungen des Klägers ab.“
oder
„Das Verwaltungsgericht hat die Zweifel des Kreiswahlausschusses an der Verfassungstreue des Klägers für gerechtfertigt gehalten.“
Und zwar geht aus in der Vergangenheit vom Kläger getätigten Äußerungen vielmehr hervor, dass er das derzeitige System, die bestehende Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland ablehne. Natürlich darf ich jemanden, der dieses System, die Demokratie, die parlamentarische Ordnung ablehnt, der sie abschaffen will, nicht zur Wahl zulassen. Wo kommen wir denn da hin?
Ich weiß auch, dass das juristisch schwierig ist. Ich weiß, dass das eine Gratwanderung ist. Wir müssen die Möglichkeiten, die unsere Demokratie uns gibt, sich gegen die Feinde der Demokratie zu wehren, auch ausnutzen. Das muss eine Gratwanderung sein, man muss das auch austesten und ausloten. Es gab auch die Diskussion - ich wurde in diesem Zusammenhang von einer Potsdamer Zeitung verrissen -, ob diese paar Nazis denn so schlimm wären. Dazu möchte ich Ihnen drei Dinge sagen:
Erstens: Es hat immer mit einer Minderheit angefangen. Das war in den dreißiger Jahren auch so. Keiner hat Anfang der dreißiger Jahre geglaubt, dass diese Bande so schlimm werden könnte.
Zweitens: Es gibt keine erlaubte Größe von Rechtsextremismus.
Kein Dorf kann sich hinstellen und sagen: Wir leisten uns drei Antisemiten und zwei Ausländerhetzer. Und beim Sechsten fangen wir an zu reagieren. - So etwas gibt es nicht.
Drittens: Auch eine Minderheit kann hoch gefährlich sein, nicht durch offene Gewalt, aber dadurch, dass sie das Klima vergiftet.
Ich möchte an die Diskussion erinnern, die wir im Land hatten, ausgelöst durch Uwe Heye, bei der es darum ging, ob Ausländer alle Regionen betreten dürfen oder nicht. Natürlich haben wir gesagt, dass sich ein Ausländer überall in Brandenburg bewegen kann. Aber wir wissen auch, dass es bei den Ausländern Angst gibt, dass es Angst gibt bei den Dunkelhäutigen, Angst bei Leuten, die einen anderen Akzent sprechen als wir, Angst, sich in diesem Land oder auch woanders in Deutschland zu bewegen. Na klar gibt es so etwas, dem muss man sich auch stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz befreit. Auschwitz ist für uns Deutsche nicht nur ein böser Traum, sondern ist nach wie vor ein Trauma, und ich glaube nicht, dass die nächsten vier, fünf Generationen dieses Trauma durch Aufarbeitung überwinden können. Daran glaube ich ehrlich gesagt nicht, und ich hoffe es auch nicht.
Anfang der dreißiger Jahre, nur Anfang der dreißiger Jahre, hätte kaum einer, eine Handvoll Leute vielleicht, es in Deutschland für möglich gehalten, dass wir als Deutsche uns jemals aufmachen, Völkerstämme wegen ihrer Farbe, ihrer Sprache, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder weswegen auch immer systematisch auszurotten. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass wir nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs in den nächsten Krieg ziehen. Und es hat, meine Damen und Herren, kein Jahrzehnt gedauert, da lief in Deutschland eine gigantische Vernichtungsmaschinerie, eine gigantische Kriegsmaschinerie an.
Sachsenhausen wurde, glaube ich, 1936 gebaut, 1937 Buchenwald und kurz nach Kriegsbeginn Auschwitz. Es ging verdammt schnell damals. Ich bin mir sicher, wir werden in Deutschland keine KZs kriegen. Das wissen wir alle. Dazu ist Deutschland viel zu sehr in der europäischen- und Weltfriedensordnung verankert. Diese Sicherheit leite ich auch daraus ab, dass wir die Lehren aus der Geschichte ziehen, und zwar nicht, indem wir sie einfach aufschreiben, sondern indem wir sie in unseren Herzen und in den Herzen der kommenden Generationen verankern. - Danke sehr.
Frau Tack, trösten Sie sich, ich hole das wieder raus!
Ich weiß, es war der Kollege Vietze, der unbedingt wollte, dass wir diesen Bericht hier im Landtag diskutieren, debattieren. Jetzt hat er sich zurückgezogen, aber ich weiß, in den letzten zwei Jahren haben wir immer das Gleiche gesagt. Also, mir fällt da auch nicht mehr so viel ein.
Selbst als Frau Tack hier sagte, sie habe ein paar Kritikpunkte, dachte ich, die wären mir auch eingefallen. Aber ich habe mir die einfach verkniffen, weil ich gedacht habe, das kann man der Opposition überlassen, daran herumzunörgeln.
Dass der Bericht nur bis Oktober geht und nicht bis Weihnachten, herrje! Das ist ein Bericht von zwei Landesregierungen. Was denken Sie denn, wie schnell der abgestimmt werden soll noch dazu, wenn Weihnachten dazwischen liegt! Also, so schnell kann man da nun wirklich nicht sein. Ich denke, damit kann man gut leben. So viel hätte sich da auch nicht geändert.
Aber es ist richtig: BBI - das sprachen Sie an, das sprach auch der Staatssekretär an - ist ein Thema, das die Menschen hier wirklich erfüllt und das auch Berlin und Brandenburg echt zusammenbringt. Es erfüllt mich auch mit Sorge, dass wir womöglich mit dem BBI ans Netz gehen - das schreibt auch der Bericht; er ist da, glaube ich, auch sehr detailliert; das hätten Sie ruhig dazusagen können -, ohne die richtige Anbindung zu haben. Das liegt an den Verspätungen, die man beim Bau der Dresdener Bahn hat; das wird da alles sehr dezidiert aufgeschlüsselt. Ich glaube schon, dass darauf unsere Landesregierung und der Berliner Senat ein Augenmerk haben müssen, dass da Druck im Kessel bleibt und dass da auch so schnell wie möglich der Takt stimmt, damit die Passagiere an diesen Flughafen kommen.
Pendlerbewegung ist noch ein wichtiger Punkt, der auch in Anbetracht der Entwicklung in beiden Ländern gesehen werden muss. Sie haben eben die nackten Zahlen genannt, Frau Tack, aber dazu gehört eben auch, dass man mal sagt, dass es eben lange schon nicht mehr so ist, dass die Brandenburger nach Berlin hineinpendeln, dass es inzwischen nämlich auch eine große Pendlerbewegung, und zwar eine jährlich stärker werdende, aus Berlin ins Land Brandenburg gibt. Ich glaube, dass diese Pendlerbewegungen dazu beitragen werden, die Menschen auch mit dem Herzen dichter zueinander zu bringen und dann vielleicht auch mehr Schwingungen dafür aufbringen zu können, dass man in Brandenburg so tickt wie der Berliner, der Berliner nachher so tickt wie der Brandenburger. Das haben wir ja in
zwischen im Umfeld von Berlin längst so, weil eben sehr viele Berliner dorthin gezogen sind. Da gibt es, denke ich, auch keine große Befürchtung mehr, wenn man die Frage stellen würde: Was denkt ihr denn über den Fusionstermin?
Anders sehe ich das zweifelsohne noch, wenn man in der Uckermark, in der Prignitz oder bei mir im Fläming oder in der Lausitz fragt. Aufgrund der guten Pendlerbeziehungen, die wir auch aufgrund der besser gewordenen Verkehrsanbindungen Frau Tack, das gehört zur Ehrlichkeit dazu - untereinander haben, ist das wesentlich besser geworden. Das wird auch mehr und mehr die Herzen der Menschen erreichen. Mehr und mehr wird ein Empfinden dafür da sein, dass wir eine Region sind und dass wir irgendwann auch ein Bundesland werden können.
Ich danke der Landesregierung, und ich danke dem Senat für den Bericht und wünsche uns allen noch einen schönen Abend. Danke.
Verehrte Kollegin Richstein, ich hatte eben den Eindruck, Sie reden für die Berliner CDU, die in der Opposition ist, aber nicht für die brandenburgische CDU,
weil: Die hat an diesem Papier kräftig mitgeschrieben. Das habe ich jetzt also nicht so recht verstanden.
Ich möchte im Rahmen dieser Kurzintervention sagen: Ich möchte - auch in diesem Fortschrittsbericht - feststellen, dass wir eine Menge erreicht haben.
Es geht aber auch darum, beide Länder nachher als gemeinsames Land finanziell so zu stellen, dass sie nicht schlechter dastehen als jetzt. Wir werden - das müssen wir auch einmal zur Kenntnis nehmen - keine sehr große Unterstützung aus vielen anderen Ländern bekommen, und zwar aus guten und erklärbaren Gründen. In Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen wird mit großem Argwohn hingeschaut, was wir hier machen; denn die haben große Angst, dass wir womöglich eine Fusion hinkriegen und sie das dann nachvollziehen müssten. Mit Argwohn wird auf jede Fusion, auf jede gemeinsame Institution, die wir jetzt schaffen, in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein geschaut. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Sie bekommen im Bundestag keine große Unterstützung, wenn es darum geht, Berlin und Brandenburg als gemeinsamem Bundesland nachher mehr Geld zu geben. Die Frage taucht nachher auch in Rheinland-Pfalz bzw. im Saarland auf. Da brauchen wir uns auch nichts vorzumachen.
Ich will nur noch einmal sagen: Ich möchte nicht bei dem Stand, den wir derzeit haben, mehr Druck in den Kessel bringen. Ich möchte, dass das in Ruhe zusammenwächst, was mit den Herzen zusammenwachsen muss,
und nicht unter Druck von draußen. Nehmen Sie bitte den Druck heraus, er hilft uns allen nicht!
Ich hätte von der CDU in Brandenburg erwartet, dass ein interessanter Vorschlag kommt, was man noch gemeinsam machen kann. Sie haben uns neulich einen Antrag zugereicht, in dem es um einen Stasi-Beauftragten in Brandenburg geht. Da frage ich: Warum brauchen wir, wenn wir einen Stasi-Beauftragten haben, einen in Brandenburg? Es wäre doch einmal eine Initiative der CDU-Fraktion gewesen, vorzuschlagen: Lassen Sie uns den gemeinsam mit Berlin installieren! Darüber sollten wir dann verhandeln. Das ist nach vorn gedacht, und das bringt das Land voran.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, schönen guten Tag! Frau Kaiser, Sie haben vorhin ein paar Zitate gebraucht, ältere Zitate des Wirtschaftsministers, um wieder einmal unser Land schlechtzureden. Sie hätten eigentlich nur den heutigen Pressespiegel zu nehmen brauchen, um einige Zitate zu nennen: „Die Mark hat die Nase vorn bei der Konjunktur.“ Und: „Bei der Wirtschaftskraft führt Brandenburg im Osten.“ Oder: „Die Kaufkraft steigt in Brandenburg besonders stark.“ Und so weiter und so fort.
Das ist aus dem Pressespiegel von heute: Sie müssen keine alten Zitate nehmen, sondern könnten einfach in die heutige Zeitung schauen. Dann wüssten Sie, dass Brandenburg sich in den letzten Jahren ganz gut entwickelt hat. Aber das ist ja nicht Ihre Aufgabe, wie Sie meinen. Sondern Ihr Job scheint es immer
wieder zu sein, das Land schlechtzureden, wie Sie es gerade wieder versucht haben.
Wir haben hier vor zwei Monaten schon einmal über die Finanzkrise gesprochen und miteinander die Auffassung geteilt, dass diese Finanzkrise irgendwann in der Realwirtschaft ankommen wird. Uns allen war damals, so glaube ich, klar, dass es passieren wird, aber niemand hat gesagt und gedacht, dass es so schnell gehen wird, wie wir es derzeit erleben. Die Signale, die wir aus der Wirtschaft erhalten, sind sehr eindeutig. Das heißt auch, dass man jetzt nicht, verehrte Frau Kaiser, mit einem Plan kommen kann, wie man sich das in den nächsten zwei Jahren vorstellt. Die Zeiten, in denen wir einen Fünfjahresplan oder Zweijahresplan gemacht haben, sind vorbei. Es wird so nicht funktionieren. Wir müssen tagtäglich genau schauen, was geht und was nicht geht, und sollten uns dann darauf einstellen.
Auch heute kann niemand mit Sicherheit sagen, wo wir in zwei Monaten, geschweige denn in zwölf Monaten, also in einem Jahr, sein werden. Auch hier ist die Bewegung viel zu volatil. Trotzdem merken wir - das hat die Analyse des Ministerpräsidenten eben gezeigt -, dass sich jetzt langsam aber sicher der Nebel ein Stück lichtet. Wir erblicken rückwirkend besser, was eigentlich passiert ist. Noch lange erfassen wir nicht alles, was passiert ist. Aber wir bekommen ein bisschen mehr von dem mit, was in Amerika und auch auf den deutschen und den europäischen Märkten passiert ist. Wir können viel besser als zum Beispiel noch vor zwei Monaten sagen, was für uns in Brandenburg jetzt richtig ist, was falsch wäre usw. usf.
Ich teile Ihre Auffassung, dass es keinen Sinn macht, politisch aus der Hüfte zu schießen. Ich bin auch der Auffassung, dass wir bei den ersten Schüssen - gerade die Bundesregierung mit ihrer Kfz-Steuerermäßigung - daneben gelegen haben. Ich halte das für falsch. Das macht wiederum sehr deutlich, dass man sich gut überlegen muss, was man tut, und eben nicht einfach nur kurzfristig und schnell agiert, sondern gut überlegt und berücksichtigt, dass das entsprechende Potenzial, das wir brauchen, dahinter stecken muss.
Ich teile auch die Auffassung von Frank-Walter Steinmeier, der schon vor zwei Monaten gesagt hat, dass das, was wir an Krise auf uns zukommen sehen, durchaus das Potenzial hat, die Welt zu verändern, ähnlich wie Perestroika oder die Wende 1989/1990. Das hat auch der Ministerpräsident bei all dem, was er an Diagnose und Therapie dargestellt hat, sehr deutlich erklärt.
Ich glaube, dass es zunehmend wichtig ist und bleibt, dass wir uns miteinander Gedanken darüber machen, was die tatsächlichen Ursachen dieser Krise sind. Nur wenn wir die Diagnose ordentlich stellen, werden wir auch in der Lage sein, die Therapie so zusammenzustellen, dass sie auch Wirkung zeigt. Es macht keinen Sinn, einfach nur daraufloszuschimpfen. Ich glaube, dass es wichtig ist, im Detail nachzuschauen, welche Fehler haben die Banken gemacht, welche Fehler hat die Realwirtschaft gemacht, welche Fehler hat auch die Politik gemacht, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Ich glaube aber auch, dass der einfache Ruf nach Steuersenkung, nach Neuverschuldung oder zum Beispiel nach irgendwelchen Gutscheinen mit Sicherheit nicht trägt. Das ist zu einfach, ganz so wird es nicht funktionieren. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass immer mehr Leute kommen, die schnell einmal etwas aus dem Hut zaubern, was sie immer schon einmal haben wollten, und meinen, gerade in dieser Zeit müsste das jetzt getan werden. Das ist alles sicherlich diskutierenswert, ob es aber tatsächlich trägt, ob es greift, ob es Jobs schafft, ist eine andere Frage.