Meine Damen und Herren! Wie Sie unschwer erkennen können: Es ist 10 Uhr. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir beginnen können.
Ich begrüße Sie herzlich zur 65. Plenarsitzung des Landtages Brandenburg. Ich habe Ihnen als erstes eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Am 9. April 1954 erblickte der Abgeordnete Dr. Jürgen Scharfenberg das Licht der Welt. Wir gratulieren ihm herzlich zu seinem heutigen Geburtstag und wünschen ihm viel Freude an der weiteren Arbeit.
Ich begrüße eine belarussische Delegation von Pressevertretern unter der Leitung der Vorsitzenden der Belarussischen Assoziation der Journalisten, Frau Zhanna Litwina, im Landtag Brandenburg. Ich wünsche Ihnen einen interessanten Vormittag und spannende Gespräche!
Ich begrüße die Schüler der 10. Klasse der Stadtschule aus dem schönen Altlandsberg. Auch euch wünsche ich einen interessanten Vormittag!
Zur Tagesordnung habe ich einige Veränderungen zu verkünden: Der bisherige Tagesordnungspunkt 9 - Neuordnung der Reisegebiete - wird als neuer TOP 11 eingefügt; der Rest sortiert sich entsprechend. Es gibt zusätzlich den Tagesordnungspunkt 12: „Volksinitiative kostenfreie Schülerbeförderung“ und den Tagesordnungspunkt 13, bei dem es um die Rechnung des Präsidenten des Landtages, Haushaltsrechnung und Vermögensnachweis sowie den Jahresbericht des Landesrechnungshofes und die Rechnung des Landesrechnungshofes und der Verfassungsgerichtspräsidentin geht. Wenn Sie mit diesen Ergänzungen und der so geänderten Tagesordnung einverstanden sind, bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Thema: Die Entwicklung der Tourismusbranche in Brandenburg - Impulse der ITB 2008 für den Thementourismus und die Erschließung neuer Märkte
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brandenburg als gut erschlossene Tourismusregion - wer hätte das vor Jahren
gedacht! Mit Berlin als touristischer Perle - in den meisten Fällen Ausgangspunkt der Touristen - bietet unser Land vieles an, was Urlauber suchen und erleben wollen. Das geht von Ferien auf dem Bauernhof über Bootsfahrten auf den Brandenburger Seen bis hin zu Wanderungen durch die Mark, die ja bekanntlich schon Theodor Fontane beschrieb.
Man kann also festhalten, dass sich vielerorts die touristische Infrastruktur entwickelt und dass sie angenommen wird. Dies belegen auch die aktuellen Zahlen, die das Amt für Statistik vor einigen Tagen veröffentlichte. Danach konnten im Jahr 2008 2,4 % mehr Übernachtungsgäste in Brandenburg begrüßt werden als im Vorjahreszeitraum. Das Jahr 2007 kann gewiss als Rekordjahr für den Tourismus in Brandenburg bezeichnet werden. Mit 9,93 Millionen Übernachtungen sowie 3,63 Millionen Gästen in den Beherbergungsstätten wurden die Zahlen aus dem WM-Jahr 2006 deutlich übertroffen. Noch besser sah es bei den Gästeankünften aus. Hier konnte ein Anstieg um 4,6 % verzeichnet werden. Diese Zahlen weisen nach, dass sich die Landestourismuskonzeption bewährt hat. Danach sollte eine Konzentration des Tourismus in Brandenburg auf starke Themen und Alleinstellungsmerkmale erfolgen. Dies wurde in den letzten Jahren durch die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, kurz TMB, gemeinsam mit dem Landestourismusverband erfolgreich umgesetzt.
Konzentration und Kooperation sind für mich die Schlüssel für eine positive Entwicklung der Tourismusbranche in Brandenburg. Die diesjährige Internationale Tourismusbörse in Berlin hat gezeigt, dass eine offensive Werbung für unsere touristischen Ziele beim Fachpublikum, aber auch bei den Gästen gut ankommt.
Der Auftritt Brandenburgs auf der größten und wichtigsten Messe nimmt Jahr für Jahr in seiner Bedeutung zu. Neben der TMB stellten insgesamt 50 Mitaussteller die touristische Vielfalt unseres Landes dar. Sie nutzen die Gelegenheit, um die gute Entwicklung weiter voranzutreiben. Das gilt für den Städteund Kulturtourismus wie für den Wasser- und Gesundheitstourismus. Mit einer Besucherzahl von über 170 000 ist die ITB der wichtigste Schauplatz für eine gemeinsame und in sich stimmige Präsentation des Reiselandes Brandenburg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Qualität hat - erstens ihren Preis und - zweitens - setzt sich auf Dauer durch. Das gilt auch im Tourismus. Nachdem viele Menschen, gerade aus den neuen Bundesländern, nach der politischen Wende von 1989 in ihrem Urlaub die Welt eroberten, sind nun die Destinationen im eigenen Land gefragter denn je. Viele möchten sich beim Radfahren, Wandern oder Kanupaddeln erholen und ihre Heimat so näher erkunden. Dafür sind sie auch bereit, mehr Geld auszugeben. Allerdings erwarten die Gäste zu Recht ein qualitativ gutes Angebot. Dass unsere touristischen Anbieter das zu einem Großteil leisten können, belegen nicht nur die Zahlen, die ich eingangs erwähnt habe.
Wir können in vielen Bereichen touristische Qualitätsprodukte anbieten. Durch eine gute Kooperation unter den verschiedenen Anbietern und eine Konzentration auf wichtige Schwerpunkte konnte dies erreicht werden. Allerdings weiß jeder, der sich in seinem Landkreis mit den Tourismusverbänden beschäftigt, dass dies kein einfacher Weg war und er noch lange nicht zu Ende ist. Die einzelnen Tourismusverbände gelten gemeinhin als beliebte Spielwiese der Landräte. Durch eine Kon
zentration oder gar Fusion, wie kürzlich zwischen den Verbänden des Oder-Spree-Seengebietes und Märkisch-Oderland, verlieren die Akteure vor Ort teilweise auch ihren direkten Einfluss.
Neben dieser regionalen Baustelle war in der Vergangenheit auch die ungenügende Kommunikation bei der Neustrukturierung der Reisegebiete ein Manko, das sich hauptsächlich im Vorstand und in den Gremien des Landestourismusverbandes abzeichnete. Bei einem solch sensiblen Thema muss ein vernünftiges Miteinander möglich sein. Das gilt für den LTV genauso wie für die regionalen Verbände.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einen Gedanken verfolgen, dem wir in Zukunft mehr Beachtung schenken sollten, weil dadurch auch neue Märkte erschlossen werden können. Auf der ITB erfolgte die Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“. Ziele dieser Arbeitsgemeinschaft sind unter anderem die nachhaltige Förderung des barrierefreien Tourismus für alle in Deutschland, die fortlaufende Partnerschaft, die Zusammenarbeit der touristischen Destination im barrierefreien Tourismus für alle, der ständige Erfahrungsaustausch und gemeinsame gewerbliche Kooperationen.
Der barrierefreie Tourismus ist ein wichtiges Kriterium für die Qualität einer Destination. Nicht nur die Tatsache, dass immer mehr behinderte Menschen durch Reisen eine größere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen, sondern auch der demografische Wandel machen barrierefreie Angebote immer wichtiger. Deshalb begrüße ich die Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft und freue mich besonders, dass zu den Gründungsmitgliedern auch der Tourismusverband Ruppiner Land aus unserem Land Brandenburg gehört.
Gleichzeitig ist die Region eine von sechs Modellregionen in Deutschland, die sich dem Thema verschrieben haben und die durch eine Studie, die vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, begleitet werden.
Der Tourismus in Brandenburg ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren hierzulande. Er schafft Arbeitsplätze, fördert den Heimatgedanken in dieser Region und macht unser Brandenburg erlebbarer. Deshalb muss die Branche weiter im Fokus unseres politischen Handelns stehen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Domres erhält das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde mit dem von der CDU-Fraktion gewählten Thema hat schon etwas überrascht, noch dazu in Anbetracht der Tatsache, dass auf der ITB vor vier Wochen eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses stattgefunden hat. Ich hoffe nicht, dass der CDU die Themen ausgegangen sind und der Tourismus als Notnagel herhalten muss.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich eine Regierungsfraktion nicht wirklich mit den drängenden Problemen hier im Landtag auseinandersetzen will. Dabei gäbe es wirklich aktuellere Themen, ohne die Bedeutung des Tourismus zu missachten. Da ist eine CDU-Bundestagsabgeordnete, die sich landauf und landab als Jeanne d’Arc der Biokraftstoffbranche gibt, und das sogar zu Recht, denn diese Branche ringt nicht erst seit dem Stopp der höheren Biospritbeimischung im Benzin ums wirtschaftliche Überleben. Dieses Problem ist scheinbar aber nicht aktuell genug.
Der aktuelle Streit um die Neuausrichtung der Energiestrategie des Landes Brandenburg, bei dem der Infrastrukturminister zumindest für ein Wochenende den modernen Don Quichotte gibt, ist auch kein aktuelles Thema für die CDU. Sie schauen sich lieber Statistiken an, und wenn Ihnen diese in den politischen Kram passen, wollen Sie darüber im Landtag debattieren. So auch im Oktober 2006, als damals der Titel der Aktuellen Stunden „Die brandenburgische Wirtschaft zieht an“ über das Land schwappte. Diese zog tatsächlich so stark an, dass ihr leider nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer folgen konnten, wie die Höchststände der Aufstockerzahlen belegen. Noch nie war die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Brandenburg so hoch, die trotz Vollbeschäftigung Leistungen vom Amt für Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen. Deshalb ist es wichtig, dass die wirtschaftliche Entwicklung bei den Menschen ankommt.
Da sind wir bei einem Problem der Tourismusbranche. Im Hotel- und Gaststättengewerbe arbeiten nach Aussagen der NGG bundesweit rund 700 000 sozialversichungspflichtig Beschäftigte. Es gibt aber über 400 000 Minijobs, eine Zahl, die ständig steigt.
Durch den Abbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse werden die Arbeitsverhältnisse für die Vollzeitarbeitnehmer im Gastgewerbe unsicherer. Auch die Löhne und Gehälter sind zu einem großen Teil in dem durch Saisonund Teilzeitarbeit geprägten Gewerbe immer öfter auf einem nicht existenzsichernden Niveau.
Festzustellen ist: Auch der Tourismussektor unterliegt Tendenzen von Dumpinglöhnen und Schwarzarbeit mit gravierenden Folgen für die regionalen Wertschöpfungsketten. Andere Bundesländer sind da weiter. So hat der Arbeitsminister in NRW, Herr Laumann - CDU -, im Mai vergangenen Jahres die Tariflöhne im Hotel- und Gaststättengewerbe für allgemein verbindlich erklärt.
Es wäre auch für Brandenburg ein erster Schritt in die richtige Richtung, der aber bei weitem nicht ausreicht. Deshalb fordert die Fraktion DIE LINKE auch hier die Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohnes ohne Wenn und Aber.
Da mir die Probleme der Branche bekannt sind, sage ich, dass dies mit Entlastungen einhergehen muss. So kann die Branche durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf touristische
Dienstleistungen von Gaststätten und Hotels entlastet werden. Positive Erfahrungen liegen diesbezüglich aus anderen EUMitgliedsstaaten vor. Es ist denkbar, dass die Branche durch eine gerechtere Gebührenerhebung durch die GEZ, die GEMA usw. entlastet wird. Darüber sollten wir gemeinsam nachdenken.
Aber zurück zur Aktuellen Stunde „Die Entwicklung der Tourismusbranche in Brandenburg“. Auf der einen Seite könnte man meinen, man solle die Feste feiern, wie sie fallen. Die im Antrag auf Durchführung der Aktuellen Stunde und auf der ITB präsentierten Zahlen für Brandenburg bieten schon Grund zur Freude. Aber, meine Damen und Herren: Sind diese Zahlen das Verdienst der Landesregierung? Sie sind es meiner Meinung nach nicht, aber man kann ja mal darüber reden und so tun, als ob.
Ich kann verstehen, dass die derzeit arg in der Defensive befindliche Regierungskoalition nach jeder positiven Meldung giert, um die recht strapazierte schwarz-rote Seele zu streicheln.
Da kann man im Notfall auch Zahlen und Erfolge für sich in Anspruch nehmen. Diese gehören aber eigentlich den Akteuren in den Reisegebieten, den Leistungsanbietern, den Unternehmern und Arbeitnehmern. Denen gilt unser Dank und unsere Anerkennung.
Niemand im Land wird mehr bestreiten, dass sich der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt hat. Auch wenn die Zahlen differenziert zu betrachten sind, kann man feststellen, dass auch bei Würdigung aller Probleme eine positive Entwicklung zu erkennen ist. Das ist im Bereich der Beherbergungsstätten die Steigerung der Gästezahlen; Herr Karney hat sie genannt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste erhöhte sich leicht - von 2,7 auf 2,8 Tage -, ebenso die Bettenauslastung. Diese liegt jetzt bei 35 % und könnte durch weitere Aktivitäten, zum Beispiel das winterliche Brandenburg, erhöht werden.
Das Tourismusbarometer 2008, vorgestellt auf der ITB, bestätigte die erfolgreiche Tourismusentwicklung in Ostdeutschland generell und in Brandenburg im Speziellen. Die regionale Auswertung wird nicht nur von meiner Fraktion mit Spannung erwartet.
Als problematisch wird unter anderem der Anteil der Übernachtungen von Ausländern in Ostdeutschland angesehen. Auch hier schwächelt Brandenburg etwas. Positiv ist hervorzuheben, dass Brandenburg bei den Tagestouristen ein leichtes Plus zu verzeichnen hat. Der Tagestourismus ist nicht nur rein quantitativ wichtig, sondern ist mittlerweile der stärkste touristische Umsatzbringer überhaupt. Ich möchte an dieser Stelle anregen, dass wir uns mit den Ergebnissen des Tourismusbarometers im Wirtschaftsausschuss noch einmal intensiver beschäftigen.
Trotz aller Erfolgsmeldungen aus den Reisegebieten unseres Landes wurde auf höchster politischer Ebene aus meiner Sicht doch recht viel Porzellan zerschlagen. Sie alle wissen, dass die Zusammenführung von Aufgaben der Produktentwicklung und
des Marketing von TMB und LTV unter keinem guten Stern erfolgt ist. Die Entwicklung touristischer Produkte, die Tourismusakademie, die Netzwerke der Leistungsträger und das Marketing sollen nur noch in einer Gesellschaft der TourismusMarketing GmbH stattfinden. Das Land werde dann nur noch diese eine Gesellschaft finanziell begleiten, so die Aussage des Wirtschaftsministers. Ich hoffe, dass diese Begleitung verlässlich und nachhaltig ist.
Wir hier im Landtag haben erst sehr viel später von diesen Plänen erfahren. Meine Fraktion musste dazu eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses beantragen. Hier erwartet meine Fraktion künftig eine bessere Informationspolitik des Wirtschaftsministeriums.