Protocol of the Session on February 25, 2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 81. Sitzung des Landtages Brandenburg. Zunächst begrüße ich unsere Gäste, die Schülerinnen und Schüler der Grund- und Oberschule aus dem schönen Rüdersdorf. Herzlich willkommen und einen interessanten Vormittag bei uns!

(Allgemeiner Beifall)

Des Weiteren teile ich Ihnen mit, dass wir ein Geburtstagskind unter uns haben. Der Abgeordnete Claus feiert seinen Geburtstag inmitten des Plenums. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der DVU)

Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung des Landtages teile ich Ihnen mit, dass die Fraktion der CDU am 27.01.2009 Frau Abgeordnete Dr. Funck zur Fraktionsvorsitzenden gewählt hat. Viel Erfolg bei der Arbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung informiere ich Sie darüber, dass der Wahlprüfungsausschuss am 22.01.2009 Herrn Abgeordneten Dr. Scharfenberg zum Vorsitzenden gewählt hat. Auch hierfür viel Erfolg!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Gibt es von Ihrer Seite zum vorliegenden Neudruck der Tagesordnung Bemerkungen? - Wenn dies nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Ich habe eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Unsere Ministerriege ist heute vollständig anwesend.

(Oh! und Beifall bei der SPD)

Wir treten in die Tagesordnung ein, und ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: „Konjunkturpaket II“ Arbeitsplätze sichern, Wachstumskräfte stärken, Zusammenhalt bewahren, Bürger stärken. Das Konjunkturpaket II schützt Brandenburgs Wirtschaft in der Krise.

Antrag der Fraktion der SPD

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen!

(Thiel [DIE LINKE]: Guten Morgen, Herr Baaske!)

- Guten Morgen, Herr Abgeordneter Thiel.

In der letzen Januarwoche, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Bundesregierung das zweite Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Es ist das größte konjunkturelle Programm in der Geschichte dieser Republik. Es gibt noch einen zweiten Superlativ, den man hinzufügen muss und den ich wesentlich bemerkenswerter finde: Am vergangenen Freitag bereits hat der Bundesrat diesem Konjunkturpaket zugestimmt. Ich habe noch nie erlebt, dass etwas so schnell - innerhalb eines Monats - von der Bundesregierung und den Länderparlamenten, also der Länderkammer, entschieden wurde. Der Bundestag ist natürlich noch immer gefragt, aber dennoch ist dies, glaube ich, ein zügiges Vorangehen, das zeigt, wie handlungsfähig die Demokratie und die deutsche Politik sind.

Es gab und gibt genug Kommentare zu dem Paket. Mitunter sind es dieselben Menschen, die noch zur Jahreswende gesagt haben: Ja, die Kanzlerin und die Bundesregierung müssen endlich handeln, die heute sagen: Das ist viel zu viel. Das ist nicht möglich. So viel darf man gar nicht tun. Das gefährdet den Haushalt der kommenden Generation usw. usf. - Dann gibt es diejenigen, die sagen: Es ist alles viel zu wenig!,

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ja!)

und diejenigen, die sagen: Das wirkt sowieso nicht.

Beckmesserei gibt es im Lande immer. Damit müssen wir leben und uns auseinandersetzen. Dennoch glaube ich, dass dieses Konjunkturpaket eine gute Mischung aus investiven und konsumtiven Ansätzen, aber auch Bildungsansätzen ist. Zudem glaube ich - das möchte ich jetzt noch einmal darstellen -, dass es nicht nur das ist, weswegen wir uns hier im Land in den letzten Monaten - Wochen muss ich ja sagen - so gekabbelt haben, sondern dass darin viel mehr steckt und vor allem Dinge betroffen sind bzw. umgesetzt werden, von denen viele Brandenburger direkt etwas spüren werden, und zwar im Portemonnaie und nicht nur dadurch, dass sie etwas auf der Straße sehen.

Der Eingangssteuersatz wird von 15 auf 14 % gesenkt. Das ist ein Punkt, der unmittelbar auf viele Portemonnaies in diesem Lande wirkt. Wir werden die Beiträge zur Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte senken. Das kostet allein in diesem Jahr 3,2 Milliarden Euro und im nächsten Jahr 6,4 Milliarden Euro an Steuermitteln. Was mich als Sozialdemokrat daran besonders freut, ist, dass wir damit diesen Topf, aus dem wir Steuern in die Krankenversicherungsleistung geben, auf mehr als 11 Milliarden Euro aufstocken. Ich glaube, das trägt zu einem erheblichen Teil zu mehr Gerechtigkeit in dem gesamten System bei und auch dazu, dass die Krankenversicherungsleistungen auf breitere Schultern verteilt werden. Ich begrüße das ausdrücklich.

Wir werden - das ist allerdings nur vorübergehend - den Regelsatz für die 6- bis 13-Jährigen in den Hartz-IV-Haushalten um 10 % anheben. Wir wissen - darüber werden wir heute oder morgen auch noch einmal bei einem anderen Tagesordnungspunkt diskutieren -, dass wir eine andere Rechenweise fordern - alle Länder fordern das - und dies nur als vorübergehende Lösung betrachten. Dennoch ist dies, denke ich, ein Impuls für die sehr armen Haushalte, stärker zu investieren bzw. stärker zu konsumieren. Das wird auch zur Belebung des Binnenkonsums beitragen. Zudem werden wir Familien mit Kindern in diesem Jahr mit zusätzlichen 100 Euro unterstüt

zen. Auch dies ist, denke ich, ein konsumtiver Ansatz, der die Richtigen trifft.

Auf zwei Punkte möchte ich die Aufmerksamkeit noch einmal besonders lenken, weil ich noch immer glaube, dass sie zu kurz kommen. Das ist zum einen die Ausweitung und Ausdehnung des Kurzarbeitergeldes. Es wird in Zukunft so sein - insbesondere ist das für die Jahre 2009 und 2010 vereinbart -, dass auch ganz kleine Betriebe - wir wissen, dass über 90 % der Unternehmen in Brandenburg weniger als zehn Mitarbeiter haben, die bisher von der Kurzarbeiterregelung so gut wie gar nicht Gebrauch machen konnten - in Zukunft Kurzarbeit in Anspruch nehmen können. Selbst wenn nur ein Mitarbeiter in einer bestimmten Abteilung oder für eine bestimmte Kategorie Arbeit davon betroffen sein sollte, kann der Unternehmer für diesen einen Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden. Das gilt außerdem auch für den Leiharbeiter.

Was das Schöne ist: Dem Unternehmer werden die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte und sogar zu 100 % erstattet, wenn er diesen Mitarbeiter in der Zeit der Kurzarbeit auch qualifiziert. Er erhält sogar noch Zuschüsse für die Qualifizierung von der BA. Das ist der eine Punkt, der mir wichtig war.

Der andere Punkt ist folgender: Die Bundesagentur für Arbeit wird richtig viel Geld in die Hand nehmen, um die Leute zu qualifizieren. Das gilt insbesondere für diejenigen, die wahrscheinlich zuallererst von der Krise betroffen sein werden, nämlich Menschen mit geringer oder schlechter Ausbildung, die dann gerade noch aufholen können, die ihre Fähigkeiten für die Zeit nach der Rezession wesentlich besser gestalten können, die für den Arbeitsmarkt fitter sind und womöglich durch genau diese Ansätze auch hier im Lande gehalten werden können.

Damit helfen wir insbesondere unseren kleinen und mittleren Unternehmen im Lande. Ich hoffe, dass es uns in den nächsten Wochen gelingt, diese Sachverhalte an die Unternehmer und Unternehmerinnen heranzubringen - vielleicht auch über die Betriebsräte und Gewerkschaften -, um das wirklich in den Unternehmen umzusetzen.

Wir alle haben in den letzten Jahren erfahren, wie schwierig es war und ist, Fachkräfte im Lande zu bekommen und Fachkräfte zu halten. Wir wissen ganz genau, wie schnell gerade junge Männer Brandenburg verlassen, wenn sie in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt, von mir aus auch in Bayern - um ein „Ausland“ zu nennen - oder in Baden-Württemberg Arbeit finden. Das wird auch in Zukunft so sein. Dagegen sollten wir uns wappnen.

Natürlich kann und wird man immer sagen: Das alles ist viel zu wenig. Das ist nicht genug. Ich glaube aber, in Anbetracht der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist das machbar und im Hinblick auf das, was auch die kommenden Generationen refinanzieren müssen, verantwortbar.

Wir dürfen nicht vergessen: Es gibt ein Leben nach der Rezession. Es wird ein Leben geben, in dem Haushalte auch wieder gestaltbar sein müssen und in dem Investitionen in Bildung, Personal notwendig werden. Das sollten wir kommenden Gestaltern dieser Haushalte nicht dadurch wegnehmen, dass wir jetzt ein oder zwei Jahre die Haushalte massiv überziehen.

Auch über den Investitionsanteil in diesem Konjunkturpaket wurde viel gestritten und diskutiert. Brandenburg erhält vom Bund 343 Millionen Euro. Wir selbst stocken mit unserem und dem kommunalen Eigenanteil 115 Millionen Euro drauf, sodass wir summa summarum 457,x Millionen Euro in diesem Land investiv ausgeben können. Wir werden die Rezession damit ein Stück weit abfedern können.

Ich möchte einmal deutlich daran erinnern, dass ein großer Brocken investiver Anteile aus dem ersten Konjunkturpaket nach Brandenburg kommt. Ich sehe die beiden Lausitzer in meiner Fraktion. Cottbuser Kollegen, Entschuldigung, sie sind ja mehr Lausitzer. Sie wissen, wie stark wir für die Bahnverbindung Berlin-Cottbus gekämpft haben. Das ist Bestandteil des ersten Konjunkturpakets.

(Schippel [SPD]: Geht durch die Lausitz!)

- Genau, sogar durch Lübbenau, stimmt's? - Ja. Auch da wird eine Menge passieren. Ich denke daran, dass wir viel zügiger das Schiffshebewerk Niederfinow bauen können. Wir können die Ortsumfahrungen, ich denke insbesondere an Königs Wusterhausen, ziemlich zügig mitgestalten. Auch das ist nachhaltige Infrastrukturverbesserung. Das werden Menschen sehen, und davon werden auch kommende Generationen profitieren.

Mit diesen Investitionen aus dem ersten Konjunkturpaket, mit den Investitionen aus dem zweiten Konjunkturpaket, mit den Steuer- und Abgabensenkungen aus dem zweiten Konjunkturpaket und - als viertes muss ich auch sagen - mit den eigenen Möglichkeiten, die wir im Land haben - ich denke an die Aufstockung der Kreditrahmen und der Bürgschaftsrahmen unserer ILB -, werden wir einen gehörigen Beitrag dazu leisten, jedenfalls das, was in Brandenburg machbar ist, um Arbeitsplätze zu halten und zu sichern. Genau darum muss es letztlich gehen: Es geht um die Jobs in diesem Land. Es geht darum, Menschen in Lohn und Brot zu halten.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat so eine Krise immer einen handfesten Hintergrund. Auch das haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Ich will jetzt gar nicht weiter darauf eingehen. Wir wissen aber: So eine Rezession und die Situation der Welt haben auch immer psychologische Aspekte. Ich erlebe zunehmend, dass Menschen versuchen, in die Schlagzeilen zu gelangen, indem sie dieses Land noch ein Stück weiter nach unten ziehen.

(Zuruf: Richtig!)

Beim letzten Mal durfte ich hier über den Chefvolkswirt der Deutschen Bank sprechen; Herr Walter hatte damals eine Prognose von minus 4 % abgegeben. Um einmal wieder medial wirksam zu werden, hat er am Wochenende der „Bild-Zeitung“ erzählt, es könnten aber auch minus 5 % werden, wenn wir nicht zum Sommer plötzlich einen Wandel erleben.

Ich bin nun wahrlich nicht derjenige, der Hans-Werner Sinn folgt und das, was das ifo Institut sagt, immer gleich lobhudelt. Aber in den Zeiten, in denen Sinn sagt, es könnte bald besser werden - das ist nämlich gerade jetzt die Phase -, hören wir ihn eigentlich gar nicht. Wenn aber jemand kommt und sagt, es wird alles viel schlimmer, dann wird viel geschrieben. Das können wir alle sehr gut: uns nach unten reden, nach unten zie

hen lassen. Es muss aber auch mal darum gehen, ein bisschen Optimismus ins Land zu bringen. Leider sind die Umfragen und die Prognosen, die wir derzeit hören, so volatil wie ein Wackelpudding beim Erdbeben. Gerade deswegen ist es aber wichtig, in die Unternehmen zu gehen und mit Betriebsräten und Geschäftsführern zu sprechen.

Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs. Ich war im Norden, ich war im Süden, ich war im Osten und Westen dieses Landes. Ich war in großen und in kleinen Betrieben. In der Tat ist es so, dass die Wahrnehmung von Krise und von Rezession sehr unterschiedlich ist. Es gibt Betriebe, die sich sagen: Ich merke überhaupt nichts davon. Mein Auftragsbuch ist für den Rest des Jahres voll. - Es gibt Betriebsräte, die sagen: Wir haben volles Vertrauen in die getroffenen Vereinbarungen. - Aber es gibt eben auch Betriebe, die deutlich sagen: Es ist verdammt schwer. Wir wissen nicht, wie wir über das Jahr kommen sollen. Wir sind in strengen Verhandlungen mit unseren Betriebsräten. Wir sind in strengen Verhandlungen mit den Gewerkschaften, weil wir das, was wir miteinander vereinbart haben, wohl nicht halten können. - So unterschiedlich ist die Situation. So unterschiedlich muss man dieser Situation entgegentreten und dafür sorgen, dass eben nicht das Schlimmste eintritt.

Es geht mir darum, dass wir gerade denen zügig helfen, die derzeit schon tiefe Sorgenfalten haben. Ich weiß ganz genau: Dieses Konjunkturpaket - das erste nicht, das zweite, vielleicht kommt noch ein drittes oder ein viertes - ist kein Bügeleisen, mit dem man diese Sorgenfalten wegbügeln kann. So wird es nicht funktionieren. Wir müssen aber den Menschen zeigen, dass deutsche Politik handlungsfähig ist, dass wir miteinander in der Lage sind, besser als bisher auf solche Krisenzeiten, auf Rezessionen zu reagieren. Immerhin: Eine halbe Milliarde Euro in diesem Land! Mein Vater würde sagen, es ist fast eine Milliarde D-Mark. Meine Mutter würde sagen - mein Vater und meine Mutter tauschen sich da immer aus -, das sind 10 Milliarden Ostmark.

(Dombrowski [CDU]: Genau!)

- Ja, Herr Dombrowski, klar.

(Bischoff [SPD]: Eher 13 Milliarden Ostmark!)

- Oder eher 13 Milliarden. Ja, es gab da die verschiedenen Kurse.