Protocol of the Session on December 14, 2005

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Plenarsitzung.

Ich begrüße als Gäste Schüler der 10. Klasse des Gymnasiums Michendorf. Ihr habt heute Gelegenheit, eine Regierungserklärung zu hören.

(Allgemeiner Beifall)

Ich hoffe, dass es spannend für euch wird.

Mein zweiter Punkt: Ich gratuliere dem Abgeordneten Wolfgang Pohl zum Geburtstag. Einen schöneren Geburtstag kann man sich kaum wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Gelegenheit zum Feiern haben wir heute Abend bei der „Lausitzer Rundschau“.

Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es dazu Bemerkungen oder Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer der Tagesordnung in der vorliegenden Fassung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Demnach ist die Tagesordnung so beschlossen.

Bezüglich der Abwesenheiten während dieser Plenartagungen teile ich Ihnen mit, dass Ministerpräsident Platzeck heute ab 14 Uhr, Minister Junghanns ganztägig und Frau Ministerin Wanka ab 13 Uhr abwesend sein werden. Einige Abgeordnete werden ebenfalls fehlen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung

Ich erteile dem Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Brandenburg ist ein Land in Bewegung. Wir haben uns aus eigener Kraft und aus guten Gründen auf den Weg der Erneuerung gemacht. Wie alle anderen europäischen Regionen steht Brandenburg mit seiner Wirtschaft zunehmend im internationalen Wettbewerb. Ich habe nicht den leisesten Zweifel, dass wir alle Chancen haben, uns in diesem Wettbewerb erfolgreich zu behaupten.

Das Land Brandenburg kann im 21. Jahrhundert ein Land der Arbeit, des Wachstums, der sozialen Sicherheit und ein Land mit Lebenschancen für alle sein. Der Wettbewerb um die bessere Zukunft ist jedoch überall ein Wettbewerb um die besseren Ideen. Weder wir noch irgendjemand anders auf dieser Welt wird mit einer Politik des bloßen „Weiter so!“ erfolgreich sein. Deshalb hängt die Zukunft in Brandenburg an einer entscheidenden Bedingung: Wir müssen die Weichen richtig stellen und vor allem die Schwerpunkte richtig setzen.

Das setzt zunächst die nüchterne Auseinandersetzung mit unserer Situation voraus. Welche Faktoren sind dabei entscheidend? Zum einen sind es die Landesfinanzen. Durch das Abschmelzen der Ostförderung wird unser Landeshaushalt bis 2019 voraussichtlich um ein Fünftel schrumpfen. Deshalb müssen wir alles tun, um bis dahin auf eigenen Beinen nicht nur stehen, sondern auch laufen zu können.

Die Bevölkerung unseres Landes schrumpft und altert. Jede Brandenburgerin und jeder Brandenburger weiß aus dem eigenen täglichen Erleben, welch schwierige Anpassungsprozesse und welche Probleme dies für unser Land mit sich bringt. Doch diese Entwicklung birgt auch neue Chancen: Vor dem Hintergrund des heftigen Geburtenrückgangs in den Jahren 1990 und 1991 wird es in Brandenburg schon in wenigen Jahren eine beträchtliche Nachfrage nach gut qualifizierten Arbeitskräften geben. Bereits in den nächsten fünf Jahren wird nach seriösen Prognosen - in unserem hohen Hause wurde bereits darüber gesprochen - mit einem Fachkräftebedarf von 100 000 jungen Menschen in der Brandenburger Wirtschaft gerechnet. Weitere 100 000 werden bis 2015 benötigt. Diese Entwicklung wird also bereits in 5 bzw. 10 Jahren sichtbar.

Es ist wahr: Brandenburg braucht mehr Kinder. Ebenso wahr ist, dass wir allen jungen Menschen in unserem Lande Arbeit ermöglichen und Lebenschancen eröffnen können, wenn wir dafür sorgen, dass sie mit zeitgemäßer Bildung und Ausbildung ins Berufsleben eintreten. Neben allem anderen - auch nach den Debatten um die richtigen Methoden der Wirtschaftsförderung - dürfen wir eines nicht vergessen: Die wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren der Wirtschaft im 21. Jahrhundert sind Bildung und Ausbildung. Dafür müssen wir alles tun. Eines muss uns klar sein: Gute und auch gut bezahlte Arbeit ohne gute Bildung, gute Aus- und Fortbildung wird es nirgendwo, auch nicht in Brandenburg geben.

Vordringliches Ziel und wichtigste Aufgabe ist die Steigerung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung im Land. Dem musste unsere bisherige Förderungspolitik angepasst werden. Nur eine moderne und wettbewerbsfähige Wirtschaft kann zukunftsfeste Arbeitsplätze schaffen. Im Umkehrschluss gilt, dass unsere Wirtschaft nur modern und wettbewerbsfähig sein kann, wenn wir allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern die Chance zur Ausschöpfung ihrer Potenziale eröffnen.

Deshalb müssen wir an erster Stelle in die Menschen unseres Landes und ihre Potenziale investieren. Auf ihre Fähigkeit zur Erneuerung und ihre innovativen Ideen kommt es an. Wir müssen unsere Möglichkeiten entschlossener nutzen und unsere Stärken systematisch stärken. Diesen Weg haben wir in Brandenburg unter dem übergreifenden Leitmotiv der Erneuerung eingeschlagen.

Wir haben damit begonnen, ganz bewusst und zielgerichtet in Köpfe zu investieren, und entsprechende finanzpolitische Prioritäten gesetzt. Dabei konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Voraussetzungen für neues Wachstum und Arbeitsplätze der Zukunft. Wir setzen zum einen von Anfang an auf gute Bildung für alle, weil gute Bildung die Voraussetzung für gute Arbeit ist. Zum anderen setzen wir auf hochklassige Forschung, weil in der Wissenschaft die Ideen produziert werden, aus denen neue marktfähige Produkte und Dienstleistungen hervorgehen können. Deshalb haben wir die Bildung im Elementarbereich, die Fachkräftesicherung und den Technologietransfer auf unsere Agenda gesetzt.

Die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik sowie die Wissenschafts- und die Wirtschaftspolitik des Landes sollen - wie wir es in der Regierungserklärung versprochen haben - ressortübergreifend gestaltet werden. Das bedeutet: Nicht mehr die Ressorts nebeneinander, sondern alle miteinander.

Zugleich werden wir das komplizierte Planungsrecht vereinfachen. An einem neuen Leitbild für Brandenburg und Berlin wird bereits gearbeitet. Wir werden die gesamte Landesplanung - dies geschieht gemeinsam mit Berlin - vereinfachen. Auch hier gilt, dass ein Rad in das andere greifen muss.

Ein integrales Kernstück unserer Politik der Erneuerung aus eigener Kraft ist die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik unseres Landes sowohl in sektoraler als auch in regionaler Hinsicht. Worum geht es genau? Mit der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung sollen die knapper werdenden Fördermittel so eingesetzt werden, dass damit der größte Nutzen für die wirtschaftliche Entwicklung in Brandenburg erzielt werden kann. Unsere persönliche Lebenserfahrung aus 15 Jahren Aufbau Ost führt hier genau zu denselben Schlüssen wie die regionale und wirtschaftswissenschaftliche Forschung: Allemal sinnvoller und effizienter als die gleichmäßige Verteilung ist es, knapper werdende Mittel dort zu konzentrieren, wo sie am besten wirken können, damit sie von dort aus auf größere Gebiete und auf zusätzliche Branchen ausstrahlen können.

Stärken zu stärken und die größten Potenziale zu fördern ist also kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, dass die Starken noch stärker werden, während andere zurückbleiben und abgehängt werden, sondern es geht im Gegenteil gerade darum, unsere besonders entwicklungsfähigen Regionen und Branchen weiter so zu kräftigen, dass sie andere Regionen und andere Branchen besser mitziehen können. Darum geht es uns mit der neuen Förderpolitik und nicht darum, irgendjemand abzuhängen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wenn alle gleich schwach wären, gäbe es niemand mehr, auf den man sich stützen könnte. Gedient wäre damit - wenn man das zu Ende denkt - letztlich keinem.

Klar ist im Übrigen: Auch künftig wird es mit der Basisförderung eine Wirtschaftsförderung für alle Branchen und Regionen geben. Mit der so genannten Potenzialförderung hingegen sollen zum einen Unternehmen in denjenigen Branchen gefördert werden, die die größten und nachhaltigsten Wachstumseffekte versprechen. Zum anderen setzt die Potenzialförderung gezielt beim Mittelstand an, denn genau hier bestehen die größten Aussichten auf neue und bestandskräftige Arbeitsplätze.

Das Wachstumsprogramm für den Brandenburger Mittelstand ermöglicht die zielgerichtete, schnelle und unbürokratische Förderung mittelständischer Firmen. Die Konzentration auf Branchenkompetenzfelder ermöglicht die gezielte Förderung erfolgversprechender Wirtschaftssektoren, und beides gehört zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Unsere neue Förderstrategie sieht dabei 16 Branchenkompetenzfelder vor. Zugegeben, das sind nicht gerade wenige. Man

che fragen uns: Seid ihr in Brandenburg denn tatsächlich auf so vielen Gebieten kompetent? - Ja, natürlich! Tatsächlich spiegelt diese Zahl die Breite und die Vielfalt der gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur, von der Luft- und Raumfahrt bis zum Tourismus, in unserem Land wider.

Wir tragen dieser Tatsache hier klipp und klar Rechnung, weil wir eines auf keinen Fall wollen: vorschnell und überhastet Entwicklungsmöglichkeiten beschneiden. Wir wissen aber, dass wir die weitere Entwicklung der einzelnen Branchen genau beobachten und uns in Zukunft gegebenenfalls noch stärker konzentrieren müssen.

Die Überarbeitung unseres Landesinnovationskonzepts folgt derselben Philosophie wie unsere neue Förderstrategie insgesamt. Auch hier setzen wir verstärkt auf die besonders innovativen Branchen im Land und auf deren bessere Vernetzung.

Es ist uns innerhalb eines knappen halben Jahres gelungen, gemeinsam mit allen Beteiligten erste Festlegungen für die Verwirklichung der neuen Strategie auf den Tisch zu legen. Das zeigt auch: Hier ist mit Ernsthaftigkeit gearbeitet worden. Das Tempo war hoch, aber die Qualität hat darunter nicht gelitten. Es ist uns gelungen, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen, ihre Meinung zu hören, Interessen zu bündeln und die Strategien für die kommenden Jahre zu formulieren.

Grundlage der Beschlüsse des Kabinetts sind die Ergebnisse der Interministeriellen Arbeitsgruppe Aufbau Ost. Diese Arbeitsgruppe hat hervorragend gearbeitet. Wir haben vor einem Jahr versprochen, als Team besser zusammenzuarbeiten; heute kann ich sagen, wir haben dieses Versprechen gehalten. Mein besonderer Dank gilt dabei dem Wirtschaftsminister. Er hat das Konzept mit großem Engagement erarbeitet und mit viel Geduld an vielen Orten im Land erläutert. - Er kann heute nur deshalb nicht hier sein, meine Damen und Herren, weil er im Interesse unseres Landes anderweitige Verpflichtungen wahrzunehmen hat.

Wir haben damit zugleich ein handfestes Beispiel dafür geliefert, wie gut die übergreifende Zusammenarbeit der Ressorts im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes funktionieren kann, und auf diesem Kurs der Kooperation wird unsere Landesregierung bleiben. Darauf können Sie sich verlassen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir haben 15 regionale Wachstumskerne im Land definiert. Was diese Städte bzw. Verbünde von Städten auszeichnet, das sind ihre im Vergleich besonders viel versprechenden wirtschaftlichen, aber auch wissenschaftlich-technischen Potenziale. Aufgrund dieser Potenziale lassen sich hier Perspektiven dynamischerer Entwicklung als anderswo vorhersagen. Diese Entwicklung wollen wir durch gezielte Förderung verstärken.

Im Einzelnen geht es um folgende regionale Wachstumskerne: Es geht um Spremberg und um den Städteverbund Finsterwalde, Lauchhammer, Schwarzheide, Senftenberg und Großräschen. Es geht um Cottbus, um Luckenwalde, um Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt im Verbund. Es geht um Fürstenwalde. Es geht um den Verbund aus Wildau, Königs Wusterhausen und Schönefeld, die Region des zukünftigen Flughafens Berlin Brandenburg International. Es geht um Ludwigsfelde,

es geht um unsere Landeshauptstadt Potsdam, um Brandenburg an der Havel, um Eberswalde, um den Verbund von Oranienburg, Velten und Hennigsdorf. Es geht um Neuruppin, um den Verbund aus Wittenberge, Perleberg und Karstädt, und es geht um Schwedt an der Oder.

Die Entscheidung für diese Städte und Verbünde haben wir verantwortungsbewusst und nach sorgfältiger Abwägung getroffen. Die Kritik von Verantwortlichen aus den Kreisen und Regionen, die hier nicht berücksichtigt werden konnten, haben wir sehr wohl und deutlich vernommen. Selbstverständlich hätten wir uns alle Konflikte ersparen können, wenn wir diesen Einwänden nachgegeben hätten. Nur hätte das Ergebnis dann mit dem Gedanken der Konzentration und der Bündelung knapper werdender Mittel nichts mehr zu tun gehabt.

Genau umgekehrt scheinen - ähnlich wie im Fall der Zahl der Branchenschwerpunkte - manchen unsere 15 Wachstumskerne immer noch zu zahlreich zu sein. So viele wachsende Kerne gäbe es in Brandenburg gar nicht, hat man uns in der Diskussion vorgehalten. Doch auch hier gilt: Es geht bei der neuen Förderstrategie um mehr als die Bestandsaufnahme eines aktuellen Status quo; es geht auch um die Bewertung besonderer Potenziale, also der möglichen zukünftigen Entwicklungschancen und -prozesse.

Das ist der entscheidende Punkt: Wirtschaft ist ein dynamischer und eigendynamischer Prozess, Wirtschaft ist immer auch Entwicklung. Es liegt deshalb in der Natur der Sache: Weder die erfolgreichen Branchen und Produkte der Zukunft noch die zukünftigen Erfolgsregionen lassen sich heute mit allerletzter Sicherheit überall und für alle Zeiten voraussagen; es gibt keine zu hundert Prozent sichere mathematische Formel, nach welcher der eine Ort ausgewählt und der andere verworfen werden könnte.

Bei der Ausweisung von regionalen Wachstumskernen geht es nicht nur um die Honorierung bereits bestehender Zustände, sondern auch um die Unterstützung aktueller Entwicklungen und künftiger Möglichkeiten. Mit der Entscheidung für die 15 Wachstumskerne und auch für die 16 Branchenkompetenzfelder schaffen wir einerseits Planungssicherheit für die Entscheidungsträger ebenso wie für die ansässigen und potenziell neuen Wirtschaftsunternehmen vor Ort. Andererseits steht schon heute fest, dass es eine regelmäßige Evaluierung der jetzigen Festlegungen geben wird, in deren Ergebnis auch straffende Veränderungen der Förderlandschaft möglich sind.

Meine Damen und Herren! In den Regionalkonferenzen haben wir für die neue Förderstrategie geworben, haben die Konzepte der lokal Handelnden aufgenommen und in unsere Überlegungen einbezogen. Im Ergebnis dieser zehn Konferenzen ist ein deutlicher Effekt der Mobilisierung und Aktivierung in einzelnen Städten und Landesteilen auszumachen. Weit mehr als zuvor haben sich Akteure in den einzelnen Regionen zusammengetan, um sich Klarheit darüber zu verschaffen: Wo liegen eigentlich unsere besonderen Stärken? Mit welchen Pfunden können wir wuchern? Wo sind wir besser als die anderen? Wie können wir unsere Kräfte bündeln und welche Synergieeffekte können wir durch die bessere Zusammenarbeit aller Akteure vor Ort erzielen?

Diese neue Besinnung auf die eigenen Kräfte überall im Land ist ein enorm wichtiger Wert an sich; denn eines sollte uns al

len inzwischen doch klar geworden sein: Es werden auch in Zukunft niemals vor allem staatliche Fördermittel sein, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens oder einer Branche, einer Stadt oder einer Region entscheiden. Öffentliche Fördermittel sind kein Ersatz für gute Ideen, für Kooperation und für die Besinnung auf die eigenen Kräfte.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wo Fördermittel nicht verantwortungsvoll und weitsichtig eingesetzt werden, wird es auch keine Erfolge geben.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS - Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Richtig!)

Wo hingegen man auch ohne besondere Fördermittel mit strategischer Weitsicht agiert, da wird vieles - und das werden wir noch erleben - auch heute noch Unerwartete durchaus möglich sein.