Protocol of the Session on December 15, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 42. Sitzung des Landtages Brandenburg.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die große Freude, Frau Abgeordnete Wöllert zu beglückwünschen. Sie hat heute Geburtstag. Alles Gute, Frau Wöllert.

(Allgemeiner Beifall)

Den Antrag „Bundesratsinitiative zum Verbot von Gewaltverherrlichung in den Medien“, Drucksache 4/3770, Neudruck, hat der Antragsteller zurückgezogen. Der Antrag erscheint heute nicht auf der Tagesordnung.

Ebenso wenig erscheint der Tagesordnungspunkt „Wahl eines Mitgliedes des Landesrechnungshofs“ auf der Tagesordnung. Uns liegt eine einstweilige Verfügung des Verwaltungsgerichtes vor, das uns in unanfechtbarer Form untersagt hat, heute die Wahl durchzuführen. Die Beteiligten an dem Verfahren vertreten die Auffassung, korrekt gehandelt zu haben, und werden mit Spannung das Eilverfahren abwarten, das uns Hinweise geben wird, was das Gericht für fehlerhaft hält. Es besteht nach meiner Ansicht nach wie vor die Chance, unsere Kandidatin unbeschadet weiterhin im Verfahren zu lassen. Das Präsidium hat die so geänderte Tagesordnung beschlossen.

Haben Sie Anmerkungen zur Tagesordnung, die nur noch vier Punkte enthält? - Herr Holzschuher, bitte.

Ich habe soeben zur Kenntnis genommen, dass der Tagesordnungspunkt „Wahl eines Mitgliedes des Landesrechnungshofs“ von der Tagesordnung genommen werden soll, und zwar nicht aufgrund einer Maßnahme des Antragstellers, was legitim und politisch vielleicht auch nachvollziehbar wäre, sondern aufgrund eines Verwaltungsgerichtsverfahrens. Aus diesem Grunde werde ich der geänderten Tagesordnung nicht zustimmen, weil ich es für verfassungsrechtlich nicht zulässig halte, dass ein Verwaltungsgericht unabhängig von der Rechtslage in die souveränen Rechte dieses Parlaments eingreift.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Herr Abgeordneter Sarrach erhält das Wort für eine weitere Anmerkung.

Auch ich kann dem Parlament nicht empfehlen, der Tagesordnung zuzustimmen. Es ist ein einzigartiger Vorgang, zumindest in der Arbeit dieses Hohen Hauses, dass ein Fachgericht erster Instanz einem Verfassungsorgan wie dem Landtag des Landes Brandenburg scheinbar vorgeben kann, eine Wahl von der Tagesordnung zu nehmen, die in einem sowohl verfassungsrechtlich als auch einfach gesetzlich nicht zu beanstandenden Verfahren vor dem Haushaltskontrollausschuss dieses Parlaments stattgefunden hat und an der der amtierende Präsident des Lan

desrechnungshofes ebenfalls ohne Einspruch teilgenommen hat und die in diesem Sinne vorbereitet wurde.

Ich schöpfe meine Auffassung nicht daraus, dass in der Gewaltenteilung eines demokratischen Verfassungsstaates Gerichte einem Parlament keine Vorgaben machen können. Unbestritten kann ich das für das Verfassungsgericht des Landes so annehmen. Ich schöpfe meine Auffassung vielmehr aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts selbst, denn es tenorierte lediglich, Maßnahmen vorläufig zu unterlassen, welche die Rechtsposition des konkurrierenden Antragstellers gefährden könnten. Lediglich die Wahl durchzuführen beeinträchtigt noch keine Rechtsposition des Antragstellers, weil allein dadurch sein Rechtsschutz nicht verhindert wird. Eine ausdrückliche Untersagung durch das Gericht, die ich durch ein Verwaltungsgericht für so nicht aussprechbar ansehe, ist dem Tenor des Beschlusses des Verwaltungsgerichts gerade nicht zu entnehmen. Das Parlament muss souverän handeln. Es muss infrage stellen, ob es sich in seiner Funktion beeinträchtigen lassen kann und beeinträchtigen lassen muss.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich korrigieren: Das Gericht hat entschieden, alles zu unterlassen, nicht, was die Rechtsposition, sondern was den Anspruch des Antragstellers vereiteln könnte. Wir benötigen dazu die Antragsschrift des Antragstellers. Ich vermute, sein erster Anspruch wird sein, vom Haushaltskontrollausschuss dem Plenum vorgeschlagen zu werden. Damit sind wir genau an dem Punkt.

(Bochow [SPD]: Darauf hat er keinen Anspruch! - Zuruf des Abgeordneten Sarrach [Die Linkspartei.PDS])

Herr Schulze, bitte.

Ich teile die inhaltlichen Ausführungen meines Kollegen Holzschuher und auch die des Kollegen Sarrach. Trotz des unerhörten und, wie ich glaube, einzigartigen Vorgangs möchte ich das Plenum bitten, der geänderten Tagesordnung zuzustimmen. Wir sollten aus dieser misslichen Angelegenheit keinen Streit von Verfassungsinstitutionen entstehen lassen. Das tut der Sache Abbruch. Ich bitte Sie, der geänderten Tagesordnung zuzustimmen, ohne von den geäußerten Rechtspositionen abzugehen. Das kann im Nachgang geklärt werden. Der Streit sollte nicht weiter eskalieren.

Wir setzen mit dem Tagesordnungspunkt 0, Debatte über die Tagesordnung, fort. Das Wort erhält Herr Abgeordneter Ziel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass dies hier der Souverän des Landes ist. Ich füge aber hinzu: Bevor wir nicht alle Hintergründe kennen, sollten wir keine Richterschelte betreiben. Ich bitte darum, der Tagesordnung zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Danke. Damit beende ich die Debatte, denn mehr ist, wie ich glaube, nicht zu sagen, ohne zu wiederholen. Ich lasse über die Tagesordnung abstimmen.

(Unruhe)

Ich glaube nicht, dass es etwas Neues gibt. - Gibt es etwas Neues, Herr Abgeordneter Schulze?

(Schulze [SPD]: Ja!)

Eine letzte Wortmeldung dazu.

Die Kollegen meiner Fraktion möchten diese Angelegenheit, die doch sehr überraschend kommt, beraten. Deshalb beantragen wir eine zehnminütige Pause.

Gibt es Einverständnis? - Gut, dann setzen wir die Sitzung um 9.25 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung: 9.13 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 9.35 Uhr)

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt die geänderte Tagesordnung vor, so, wie sie vorher besprochen wurde. Ich lasse darüber abstimmen. Wer heute nach dieser Tagesordnung arbeiten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen ist die Tagesordnung angenommen.

Ich habe Ihnen eine Reihe von Abwesenheiten mitzuteilen: Der Ministerpräsident muss uns um 12.30 Uhr verlassen und wird von Minister Schönbohm vertreten. Ministerin Blechinger ist ganztägig abwesend und wird von Minister Schönbohm vertreten. Ministerin Ziegler ist ganztägig abwesend und wird von Minister Speer vertreten. Minister Junghanns verlässt uns um 11 Uhr und wird von Minister Rupprecht vertreten. Frau Ministerin Prof. Dr. Wanka wird ab 13 Uhr von Minister Schönbohm vertreten, der heute einen Fulltime-Job hat.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/3959 Drucksache 4/3784

Zu der Dringlichen Anfrage 35 (Schülerdemo), Drucksache 4/3959, ergreift Frau Große das Wort.

Auf einer Demonstration durch die Potsdamer Innenstadt am 11.12. unter dem Motto „Lernfabriken abschalten - Schulgesetznovelle stoppen“ artikulierten ca. 600 Schülerinnen und Schüler ihren Protest gegen die 16. Schulgesetznovelle. Wie der Presse zu entnehmen war, hinderten Lehrer ihre Schüler

daran, an der Demonstration teilzunehmen. Den Angaben zufolge verbot der vor den Türen des Einstein-Gymnasiums stehende Schulleiter herausströmenden Schülern das Demonstrieren. Am Helmholtz-Gymnasium ging man sogar so weit, die Schüler im Schulgebäude einzuschließen, während der friedlich protestierende Zug, überwiegend bestehend aus Schülern der Gymnasien von Potsdam, Teltow-Fläming und Kleinmachnow, draußen vorüberzog. Hält die Landesregierung ein solches Vorgehen von Schulleitungen für legitim?

Herr Minister Rupprecht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Große, lassen Sie mich vor der Antwort zwei grundsätzliche Positionen klarstellen.

Erstens: Das Recht auf Demonstrationsfreiheit war am vergangenen Dienstag für unsere Schülerinnen und Schüler zu keinem Zeitpunkt gefährdet.

Zweitens - das ist eine persönliche Meinung -: Ich unterstütze nicht nur, sondern ich freue mich sogar darüber, wenn Schüler sich aktiv in den politischen Prozess, speziell in die bildungspolitische Debatte, einbringen. Da schließe ich auch Demonstrationen ausdrücklich ein. Das ist keine neue Position meinerseits, sondern die habe ich auch schon als Schulleiter vertreten. Aber diese Demonstrationen müssen nicht während der Unterrichtszeit stattfinden,

(Beifall bei SPD und CDU)

auch wenn sich das - das will ich zugeben - auf eine Demo zweifellos als besonderer Reiz und auf die Teilnehmerzahlen sicherlich positiv auswirkt.

(Allgemeine Heiterkeit)

Die Frage, ob ich es für legitim halte, dass Schulleiter sowie Lehrerinnen und Lehrer versuchen, Schüler davon zu überzeugen, an dieser Demonstration während der Unterrichtszeit nicht teilzunehmen, ist klar mit Ja zu beantworten. Diese Schulleiterinnen und Schulleiter, diese Kolleginnen und Kollegen haben nicht nur legitim, sondern absolut pflichtgemäß gehandelt. Das gilt auch für den Schulleiter des Einstein-Gymnasiums in Potsdam. Es ist nicht erkennbar, dass es unvermeidbar war, dass diese Demonstration um 11 Uhr beginnen musste.

Das Staatliche Schulamt Brandenburg hat, nachdem die Demonstration angemeldet worden war, die Schulen im Vorfeld darauf hingewiesen, dass den Schülern klar gesagt werden soll, dass eine Teilnahme an dieser Demonstration zwar nicht zu verhindern ist - niemand kann den Schüler an seinem Stuhl festbinden, und das wollen wir auch nicht -, aber unentschuldigtes Fehlen gewertet wird. So wird es auch geschehen. Dazu stehe auch ich persönlich.

Zu der angeblichen Behinderung der demonstrationswilligen Schüler am Helmholtz-Gymnasium liegt mir folgender Bericht vor: Es entspricht nicht der Wahrheit, dass die Schülerinnen und Schüler während der Demonstration eingeschlossen wur

den. Der Schulleiter hatte das Schultor geschlossen, nicht das Schulgebäude, und zwar um zu verhindern, dass Demonstranten in die Schule eindringen, wie es vorher im Einstein-Gymnasium passiert ist. Dort wurden Klassenräume geöffnet und die Schüler aufgefordert: Kommt mit zur Demonstration, lasst das hier sein, es gibt Wichtigeres als Unterricht! - Ein Passieren der Schultür war für die Schülerinnen und Schüler des Helmholtz-Gymnasiums zu jeder Zeit möglich.

Abschließend eine kurze Anmerkung dazu, wie unser Haus mit den Demonstranten umgegangen ist. Die Demonstration endete am Bildungsministerium. Ich konnte leider nicht mit den Schülern sprechen, weil ich zu der Zeit im Kabinett mit meiner Kollegin Dagmar Ziegler heldenhaft für die Rechte der Nichtraucher gekämpft habe.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

- Das war nicht ganz ernst gemeint. - Die Schülerinnen und Schüler sind von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern empfangen worden, und es gab ein einstündiges, sehr sachliches und angeregtes Gespräch, in dem den Schülern klargemacht wurde, dass der Adressat des Protestes zu diesem Zeitpunkt nicht das Ministerium war. Inzwischen war nicht mehr ich Herr des Verfahrens, sondern der Souverän.