Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist 10 Uhr und damit Beginn der heutigen Landtagssitzung. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich und möchte Ihnen vor Eintritt in die Tagesordnung zwei Informationen geben:
Erstens: Der Ministerpräsident hat uns mit Schreiben vom 5. März 2007 davon in Kenntnis gesetzt, dass er Herrn Minister Schönbohm von seinen Aufgaben als stellvertretenden Ministerpräsidenten entbunden und Herrn Minister Junghanns zum stellvertretenden Ministerpräsidenten berufen hat.
Zweitens: Gemäß § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung zeige ich Ihnen an, dass die Fraktion der CDU am 6. März 2007 Vorstandswahlen durchgeführt hat. Es wurden als Vorsitzender Herr Abgeordneter Lunacek, als Stellvertreter Herr Abgeordneter Schrey und Herr Abgeordneter Dr. Niekisch und als Parlamentarische Geschäftsführerin Frau Abgeordnete Schier gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche Ihnen ein gutes Tagwerk.
Die von den Fraktionen und der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen bzw. Ergänzungen zur Tagesordnung liegen Ihnen vor. Gibt es darüber hinaus Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir zur Beschlussfassung kommen. Wer dieser Tagesordnung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Die Tagesordnung ist einstimmig beschlossen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Morgen! Seit zwei Wochen ist die närrische Zeit vorbei. Zwar ist der Märker an sich kein Vorzeigekarnevalist, aber das, was Sie uns als Koalition in den letzten Wochen und Monaten auf arbeitsmarktpolitischem Gebiet geboten haben, kommt dem närrischen Treiben doch recht nahe.
Bei den Betroffenen in unserem Bundesland, insbesondere bei den 63 000 älteren Langzeitarbeitslosen, hat der Frohsinn allerdings seine Grenzen. Sie bleiben auf der Strecke, wenn ihnen keine realen Lebensperspektiven geboten werden. Landauf und landab wird seit Monaten darüber diskutiert, dass der gegen
wärtig spürbare wirtschaftliche Aufschwung - so begrüßenswert er ist - allein nicht ausreichen wird, um auch nur ansatzweise den Zustand der Vollbeschäftigung zu erreichen. Insbesondere an den Langzeitarbeitslosen - ich glaube, diesbezüglich herrscht hier Übereinstimmung - geht die konjunkturelle Belebung bisher vorbei. In einer Presseerklärung vom 4. Januar 2007 stellten Sie, Herr Kollege Baaske, fest:
„Insbesondere für die Langzeitarbeitslosen brauchen wir Modelle von Bürger- und Sozialarbeit, um ihnen eine erfüllende und sinnvolle Beschäftigung sowie Integration in die Gemeinschaft zu ermöglichen.“
Da kann ich nur sagen: Richtig! - Aber welche konkrete Politik folgte in Brandenburg darauf? Nicht einmal 14 Tage später empfahlen Sie uns nach Ihrem Besuch in Bad Schmiedeberg, auf ein solches Experiment zu verzichten. Ihr Koalitionspartner wiederum verkündete das Gegenteil, nämlich dass man sich bereits am 20. Dezember in einem internen Arbeitskreis auf Eckpunkte der Bürgerarbeit verständigt habe. Aus dem Ministerium hörte man zu dieser Zeit stereotyp die Parole: Die bisherigen Instrumente der öffentlich geförderten Beschäftigung sind ausreichend. - In der letzten Sitzung des Landtags haben Sie, Frau Ministerin, auf meine Nachfrage hin erklärt: Wir schaffen keinen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Wir schaffen kein Bad Schmiedeberg in Brandenburg.
Mit anderen Worten: Öffentlich geförderte Beschäftigung, wie wir sie wollen und seit Jahren vorschlagen, wollen Sie nicht. Bürgerarbeit, wie es sie in Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt, wollen Sie auch nicht. - Was wollen Sie dann?
Nun heißt es plötzlich: Ganze Abteilung kehrt! - Die Koalition verkündet, dass das Modell der Bürgerarbeit über das sogenannte Regionalbudget eingeführt wird.
Man könnte nun meinen: Ende gut, alles gut. - Es mag schon sein, dass die Profilierungsübungen zwischen den Koalitionspartnern vorerst beendet sind. Allerdings frage ich mich, was die Langzeitarbeitslosen in unserem Land davon haben. Ich halte das, was Sie heute zum Beispiel in einem Antrag präsentieren werden, in weiten Teilen für nicht mehr als für einen Formelkompromiss. Einerseits steht pro forma - der CDU zuliebe - der Begriff „Bürgerarbeit“ darin. Die SPD kann sich andererseits zufrieden zurücklehnen, weil das Ministerium und das Land so gut wie außen vor bleiben.
Bürgerarbeit soll - so heißt es im Antrag - auf kommunaler Ebene aufgegriffen werden. Das ist zumindest im Ansatz erst einmal richtig, denn die Einsatzfelder der Bürgerarbeit sind sicherlich in den Kommunen am besten zu definieren. Aber die Kopplung an die Regionalbudgets macht keinen Sinn, wenn die finanzielle Ausstattung nicht entsprechend ausgeweitet wird. Die Schaffung von existenzsichernden Bürgerarbeitsplätzen über das Regionalbudget, wie Sie es jetzt vorschlagen, reicht angesichts der Ausstattung von rund 1 Million Euro pro Kreis nicht aus. Aus diesem Budget sollen sämtliche Schwerpunkte wie die Integration Jugendlicher in den ersten Arbeitsmarkt, die Fachkräfteentwicklung, die regionalspezifische Profilierung von Basisschwerpunkten und die Akteursvernetzung finanziert werden. Hinzu kommen von der Landesregierung nicht mehr geförderte Projekte wie die Initiativbüros und nun auch noch das Modell der Bürgerarbeit. Man gewinnt den Ein
Bevor ich zu den gesellschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen Vorteilen des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors komme, gestatten Sie mir eine Klarstellung: Öffentlich geförderte Beschäftigung, wie wir sie als Linkspartei.PDS fordern, ist kein Selbstzweck. Auch wir präferieren die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung, Arbeitslosen wieder eine berufliche Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt zu geben und einen künftigen Leistungsbezug zu vermeiden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Aufnahmefähigkeit des ersten Arbeitsmarkts gerade für Menschen mit Vermittlungshemmnissen und ältere Arbeitslose unterentwickelt ist. Deshalb besitzt das Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung auch in Brandenburg zumindest mittelfristig eine wichtige beschäftigungs- und sozialpolitische Entlastungsfunktion.
Des Weiteren gibt es in Brandenburg eine Vielzahl gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, die über den marktwirtschaftlichen Ansatz von Angebot und Nachfrage momentan nicht zu finanzieren sind und somit unerledigt bleiben. Das Instrument öffentlich geförderte Beschäftigung bietet also für beide Ansätze eine Lösung.
Während in allen anderen ostdeutschen Bundesländern Modellprojekte für die öffentlich geförderte Beschäftigung auf den Weg gebracht wurden, um insbesondere älteren Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu bieten, trägt das Land Brandenburg zum Leidwesen nicht nur unserer Fraktion, sondern vor allem aus Sicht der Betroffenen die rote Laterne.
Daher, Frau Ministerin, ist ein Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik dringend notwendig, ist überfällig. Deshalb werden wir dies nachher mit unserem Antrag einfordern.
In diesem Zusammenhang begrüßt meine Fraktion, dass sich die Koalition nun bewegt hat und versucht - wenn es auch nur zaghafte Versuche sind -, die öffentlich geförderte Beschäftigung in die Bürgerarbeit hineinzubringen.
Zwar ist Bürgerarbeit besser als vieles, was bisher auf dem Markt feilgeboten wird. Aber diverse Kombi-Modelle, wie Sie sie, Frau Ministerin - ich glaube, Sie sind Mitglied der Arbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“ -, mit einer Neuauflage der 1-EuroJobs noch ausweiten, oder Trainingsmaßnahmen werden hier nachhaltig nicht viel bewegen.
Deshalb sage ich auch, warum wir es problematisch finden, diese Regionalbudgets jetzt mit Bürgerarbeit zu vernetzen.
träge für die ersten Maßnahmen bereits Mitte dieses Monats einzureichen sind. Modellprojekte für die Bürgerarbeit müssen also jetzt im Schnellverfahren in den Kommunen auf den Weg gebracht werden, um überhaupt noch Berücksichtigung zu finden. Auch das spricht nicht gerade dafür, dass Sie es als Koalition mit diesem Vorschlag - dem Einstieg in eine sozialversicherungspflichtige Bürgerarbeit - ehrlich meinen.
Zweitens werden mit diesem Modell keine Mindestlöhne gezahlt. Wer glaubwürdig für Mindestlöhne eintreten will, kann bei der möglichen Einführung von Bürgerarbeit in Brandenburg nicht ein Auge zudrücken und Niedriglöhne zahlen.
Meine Fraktion ist der Auffassung: Ein Mensch muss auch von gemeinnütziger Arbeit leben können. Mit dem in Sachsen-Anhalt praktizierten Modell wird kein existenzsicherndes Einkommen erzielt. Deshalb lehnen wir diese Billig-Bürgerarbeit ab.
Prekäre Arbeitsverhältnisse haben wir im Niedriglohnbereich - auch dank Ihrer Politik - in Brandenburg genug.
Falls Sie zu existenzsichernder öffentlich geförderter Beschäftigung Beratungsbedarf haben, empfehle ich Ihnen, sich mit Ihren Berliner Genossen in Verbindung zu setzen. Der rot-rote Senat hat den ÖBS auf Mindestlohnebene auf den Weg gebracht.
Sehr geehrte Damen und Herren, noch eine Bemerkung in Richtung CDU-Fraktion: Wir haben uns ja daran gewöhnt, dass Sie Ihr soziales Profil mit Themen aus dem linken Spektrum ein wenig aufpeppen wollen. Aber dass Sie sich jetzt bei der Bürgerarbeit derart hervorgetan haben, versetzt uns doch in Erstaunen. Es fehlt nur noch, dass Sie uns demnächst links überholen und sich für den Titel „Aktivist der sozialistischen Bürgerarbeit“ bewerben.
(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS sowie Ge- lächter bei SPD und CDU - Bochow [SPD]: Ist die Zeit der Büttenreden nicht vorbei?)
Kommen wir zum Ernst der Sache zurück: Es gibt wohl nur eine Erklärung, warum Sie das jetzt fördern, nämlich die, dass bei Ihnen jetzt auch die Erkenntnis gereift ist, dass Hartz IV als die „größte und glückbringendste Arbeitsmarktreform“ wahrscheinlich tot ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Meine Fraktion plädiert für einen umgehenden tatsächlichen Einstieg in die öffentlich geförderte Beschäftigung. Im Vergleich zum
Modell der Bürgerarbeit hat unser Konzept folgende Vorteile. Erstens: Wenn man es politisch will, sind existenzsichernde Einkommen auch im gemeinnützigen Sektor möglich. Zweitens: Im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor können gesellschaftlich notwendige Bedarfe im sogenannten Non-Profit-Bereich abgedeckt werden.