Ursula Fischer
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, ich gebe zu, ich hatte anfangs Zweifel, ob diese Kommission ihre Arbeit abschließen und überhaupt Ergebnisse vorlegen kann, aber diese Zweifel betrafen ausschließlich den Zeitraum, der im Ursprungsantrag formuliert war. Es hat sich natürlich im Verlauf auch bei uns allen gezeigt, dass diese Zweifel sehr berechtigt waren.
Der vorgelegte Abschlussbericht ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ein Ergebnis, das weit über die zu Ende gehende Wahlperiode in die politischen Entscheidungen der nächsten Landesregierung hineingreifen wird, wenn es denn so gewollt ist. Jedenfalls gehe ich davon aus, wenn die Ergebnisse der Arbeit ernst genommen werden.
Bevor ich etwas zu den Ergebnissen der Arbeit der Enquetekommission sagen möchte, möchte ich etwas zum Stil der Arbeit in der Kommission sagen. Ohne eine Würdigung der Arbeit will ich einfach nicht dazu übergehen, zum eigentlichen Thema der Beratung des Abschlussberichts zu reden. Alle Mitglieder der Enquetekommission waren um die Entwicklung eines kulturvollen Meinungsstreits bemüht. Abweichende oder entgegengesetzte Positionen der Sachverständigen und/oder der Abgeordneten wurden respektiert; das ist nicht selbstverständlich. Jederzeit konnte das sachkundige Wissen der Vertreter der Fachministerien ideologiefrei abgerufen werden. Die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung waren sehr, sehr zuverlässige, und einen herzlichen Dank auch an Frau Schlauraff ganz besonders und auch an Herrn Heilmann,
und sehr, sehr fleißige Partner gerade in schwierigen Situationen. Die ergebnisorientierte Arbeit der Enquetekommission ist aber auch einer sehr souveränen Führung der Vorsitzenden Frau Arenhövel in der Enquetekommission zu danken, denn ihr Langmut und ihre Geduld wurden von uns mitunter bis aufs Äußerste strapaziert.
Die Zusammenarbeit - und ich betone wirklich - in der Enquetekommission - ich habe nämlich noch was anderes zu sagen an der Stelle - war stets von Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung fraktionsübergreifend geprägt.
Meine Damen und Herren, vielleicht ist es ungewöhnlich für eine Abgeordnete oder auch in der Öffentlichkeit, dass Sie von mir, die ich der Oppositionspartei angehöre oder sie vertrete, diese Äußerung hören. Frau Arenhövel, wir sind doch sicher beide einer Meinung, dass wir uns genau diese Streitkultur, die ich persönlich zum Teil sehr vermisse, auch hier im Landtag wünschen, und ich denke auch, dass sie sich die Öffentlichkeit wünscht, die ich auch so sehr vermisse
- einer der Gründe, warum ich auch die Politik verlassen werde nach dieser Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, der Thüringer Landtag hat sich Themen zugewandt, die brisant, aktuell und zum Teil emotional beladen sind. Die Ergebnisse der Arbeit sowie die inzwischen vorliegenden Anträge dazu zeigen, dass es richtig war, sich mit diesen Themen auf dieser Ebene zu beschäftigen. Auch da hatte ich am Anfang meine Zweifel, das hängt sicher auch mit meiner beruflichen Laufbahn zusammen. Vielleicht hat mancher etwas Spektakuläreres erwartet angesichts der schwierigen und zum Teil auch brisanten Thematik und der unterschiedlichen Auffassung zum Beispiel zum Menschenbild. Es gab aber ständig das ehrliche Bemühen, den Auftrag des Thüringer Landtags entsprechend des Beschlusses abzuarbeiten. Dabei haben wir alle - so meine Erfahrung - viel voneinander gelernt, nämlich, dass wir auch Konflikte aushalten können, ohne dem anders Denkenden seine Würde zu nehmen - auch ein Thema der Kommission.
Meine Damen und Herren, einen großen Umfang unserer Arbeit zu den Schwerpunkten des Auftrags berührten immer wieder bio- bzw. gentechnologische Fragen. Sie tangierten daher die Tätigkeit der Enquetekommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik in der Medizin", aber auch die aktuellen Diskussionen in den Medien. Die Enquetekommission des Thüringer Landtags hat sich eingehend mit der Definition und dem Schutz des ungeborenen Lebens beschäftigt und ist zu der Formulierung gelangt, dass ungeborenem Leben eine Art spezifischmenschliches Leben ab der Verschmelzung von Ei und Samenzelle zukommt. Aus dieser Zuschreibung lässt sich
aber juristisch nicht zwingend ableiten - und das ist sicher der Unterschied -, was mit einem Embryo getan werden darf. Das biblische Menschenbild geht von der Schöpfung Gottes aus. Während in Großbritannien der Beginn des Lebens mit der Einnistung der befruchteten Eizelle im Mutterleib gilt und bis zum 14. Tag die Forschung am Embryo erlaubt ist, gilt nach dem jüdischen Glauben der Embryo nur außerhalb des Mutterleibes nicht als eigenständige Seele. Das menschliche Leben beginnt daher nach dem jüdischen Glauben nach dem 49. Tag. Mit der Definition und dem Schutz des ungeborenen Lebens eng verbunden sind die Probleme der Stammzellenforschung und die ideologisch brisante Frage: Wann ist der Mensch ein Mensch? Wenn man bei Emanuel Kant nachliest, dann gilt dessen Idee der Menschenwürde als Gipfelpunkt bürgerlich-humanistischen Denkens. Jedoch ein Menschenbild, das sich vornehmlich auf Rationalität gründet, kann, wie wir alle wissen, leicht missbraucht werden und erfasst auch das Menschliche in all seinen Dimensionen an sich nicht. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die es in manchen Punkten natürlich auch - Frau Arenhövel hat schon darüber gesprochen - in unserer Fraktion gibt, in einem sind wir uns völlig einig, für uns ist das Leitbild das humanistische Menschenbild. Eine durchökonomisierte Gesellschaft, in der der Mensch verwertet wird, widerspricht auch dem Wesen des Menschen, denn er ist ein biopsychosoziales Wesen. Umweltfaktoren und gesellschaftliche Bedingungen beeinflussen die Entwicklung des Menschen und so ist die Subjektivität des Menschen die Wirklichkeit seines Wertes. Massenhafte Arbeitslosigkeit ist Antastung menschlicher Würde im großen Stil. Auch davon war in der Kommission ab und zu einmal die Rede. Sie entzieht diesen Menschen das elementare Feld ihrer Wirksamkeit, entfremdet sie ihrer allgemeinen, gesellschaftlichen Nutzen stiftenden Subjektivität. Deshalb ist für mich unfreiwillige Arbeitslosigkeit auch ein Akt der Gewalt.
Meine Damen und Herren, aus grundlegenden Bedürfnissen des wirklichen Lebens hervorgegangen, ist Menschenwürde ein Prinzip, das den Menschen selbst, sein Wesen und seine Entwicklung als allgemeinsten umfassenden Wert der Menschheit reflektiert und geltend macht. Sie bringt als obersten Wert zum Ausdruck, dass der Mensch sein eigener letzter Zweck ist - nach Kant. Der Wert der Menschenwürde verleiht solchen Werten wie Freiheit, Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit usw. Sinn und Maß und wird zugleich durch sie auf jeweils konkrete Weise realisiert. Die gesellschaftliche Wahrung der Menschenwürde beginnt nicht erst bei der Ahndung von Verletzungen und beim Schutz des ungeborenen Lebens, sondern bei der Schaffung von Bedingungen für ihre Entwicklung und für ihre Entfaltung. Das Grundgesetz formuliert in Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Meine Damen und Herren, Sie wissen - und diese Formulierung geht auf die historische Entstehung des Grundgesetzes nach 1945 zurück -, das Bekenntnis zur Unan
tastbarkeit der Menschenwürde war und ist eine Antwort auf das menschenverachtende Naziregime, das sich anmaßte zwischen lebenwertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden. Eine Relativierung der NS-Verbrechen in ihrer europäischen Dimension mit der Willkürherrschaft des MfS in der DDR führt für uns zu einer Einebnung von Geschichte. Ich bitte Sie einfach darüber nachzudenken. Die Totalitarismustheorie ist eines der bekanntesten Spiele konservativer Geschichtsschreibung. Nach der deutschen Vereinigung erlebte sie eine neue Blüte, hoffte man doch so, der DDR rückwirkend jegliche Legitimation zu entziehen - und das lasse ich schon mit mir nicht machen. Bei allen Problemen, ich lasse mein Leben nicht entwerten. Und ich muss sagen, in der Kommission erlebten wir durchaus Verständnis für unsere Position, und das ist für mich ganz außergewöhnlich.
Meine Damen und Herren, während in den vergangenen Jahrzehnten die reproduktionsbiologischen Maßnahmen von der genetischen Frühberatung bis zur künstlichen Befruchtung außerhalb des menschlichen Körpers, in vitro Fertilisation genannt, reichten, sind heute gezielte Veränderungen der menschlichen DNA, der eigentlichen Erbsubstanz, möglich. Vor über 20 Jahren ist in Großbritannien das erste Retortenbaby zur Welt gekommen - 10 Jahre früher als in Deutschland. Mit dieser Reproduktionsmöglichkeit wurde für viele betroffenen Ehepaare der Kinderwunsch Realität. Erst mit der neuen Reproduktionstechnologie, der Präimplantationsdiagnostik oder PID genannt, gibt es wieder eine gesellschaftliche Debatte über die Grenzen von Wissenschaft und Forschung. Die Frage, ob die Präimplantationsdiagnostik ein Diagnose- oder ein Selektionsverfahren ist, wird unterschiedlich in der Gesellschaft beantwortet, wie Sie auch unschwer dem vorliegenden Bericht entnehmen können. Auch dazu gibt es unterschiedliche Positionen. Leider hat sich die Gentechnologie inzwischen aus einem Instrumentarium des Erkenntnisgewinns zu einem Mittel entwickelt, mit dem auch wirtschaftliche Ziele verfolgt werden. Das halte ich für sehr problematisch. Der Kinderwunsch von Eltern ist für mich natürlich. Doch dürfen ungewollt kinderlose Paare instrumentalisiert werden als Legitimation für die Entwicklung neuer Manipulationen bis hin zur Klonierung der Menschen? Da der Markt immer neue Möglichkeiten bietet, sind wir in der Gesellschaft inzwischen vom Wunschkind auf dem Weg zum Recht auf Kind. Die Enquetekommission hat sich zu diesem sehr schwierigen Problemkomplex positioniert. Sie hat dazu Anhörungen durchgeführt, deren Ergebnisse sich in entsprechenden Empfehlungen widerspiegeln.
Meine Damen und Herren, ein anderer Themenkomplex, der die Arbeit der Enquetekommission betraf, war der Umgang mit schwerer Krankheit und die Palliativmedizin, die Begleitung Sterbender. Bevor ich hier auf Details eingehe, möchte ich dringend der Landesregierung anraten, den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der FriedrichSchiller-Universität in Jena einzurichten und finanziell entsprechend auszustatten - ein Dauerbrenner. Wir ha
ben es inzwischen in Thüringen nicht nur mit der Überalterung insgesamt zu tun, sondern auch der der Allgemeinmediziner und die Gesundheitsreform hinterlässt Spuren, darüber haben wir gestern geredet.
Lassen Sie mich auf einen Problemkreis aufmerksam machen: Krebs ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Jährlich sterben 4 bis 5 Mio. Menschen an den Folgen einer Tumorerkrankung; in Deutschland sind es jährlich 220.000 Menschen. Von den jährlich 300.000 Neuerkrankungen an Krebs in Deutschland entfallen etwa 10.000 auf Thüringen. Bislang können nur 45 Prozent durch primärchirurgische oder chemotherapeutische Behandlungsstrategien geheilt werden. Weitere 15 Prozent der primärbehandelten Patienten erleiden ein inkurables Erkrankungsrezidiv. Neue Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahrzehnten haben die Aussichten auf Heilung für viele Krebspatientinnen leider auch nicht hinreichend gebessert. Diese Entwicklung verpflichtet die Medizin und Pflege zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte für Menschen, die unheilbar auf den Tod erkrankt sind und auf eine angemessene, komplexe Betreuung angewiesen sind. Für mich stellt die Palliativmedizin eine umfassende Antwort auf diese Anforderungen dar. Palliativmedizin, so eine Definition, ist die angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschritten progredienten Erkrankungen, bei denen die Behandlung auf die Lebensqualität zentriert ist und die eine begrenzte Lebenserwartung haben. Palliativmedizin schließt die Bedürfnisse der Familie vor und nach dem Tod des Patienten ein. Eine Möglichkeit für ein Stück gelebte Selbstbestimmung sind dabei für mich die Patientenverfügungen, auch da sollten wir mehr für die Öffentlichkeit noch tun. Sie heißen Verfügungen, weil sie noch zu Lebzeiten gelten sollen, im Gegensatz zum Testament, das im Fall des Todes eintritt. Ich zitiere an dieser Stelle den Präsidenten der Thüringer Landesärztekammer auf einer Fachtagung im Mai 2002: "Nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung gehört zu den Aufgaben von uns Ärzten, Leben zu erhalten und zu verlängern sowie Sterbenden beizustehen. Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, die Sterbezeit zu verlängern. Heutzutage besteht allerdings ein Problem darin, zu bestimmen, was noch Lebenszeit und was schon Sterbezeit ist. Die Grauzone zwischen Leben und Sterben im Gefolge der Medizinentwicklungen wird immer breiter. Die Orientierung der Ärzte am Willen des Patienten hat aber auch ihre Grenzen. So kann kein Patient aktive Sterbehilfe von einem Arzt fordern, ebenso wenig unübliche Therapien, Maximaltherapie sowie nicht indizierte Diagnostik und Therapie." Ich denke, mit diesem Zitat des Landesärztekammerpräsidenten werden die Probleme des Patienten genauso beschrieben wie die des Arztes, der seinem Eid und damit auch seiner Verpflichtung nachzukommen hat.
Sehr geehrte Damen und Herren, da sicher jeder den Bericht der Enquetekommission lesen wird oder schon gelesen hat, wollte ich nur einen Problemaufriss ein Stück weit machen, um auf die Schwierigkeiten hinzuweisen,
in denen wir alltäglich stecken und weiter stecken werden. Unsere Fraktion sieht weit über die Empfehlungen dieses Berichts hinaus Handlungsbedarf. So soll im Rahmen der Gentechnologie eine öffentliche Begleitung von Forschung und ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden zu den Themenkomplexen wie Fortpflanzung, Medizin, Organersatz, Transplantation, Manipulation menschlicher Erbanlagen und Forschung an einwilligungsunfähigen Menschen. Die Risikoforschung - ich kann mich erinnern, es ist seit 13 Jahren, seitdem ich es kenne, immer wieder darüber geredet wird - ist verstärkt zu fördern. Insbesondere sind öffentliche Mittel zur Förderung der Forschung einzusetzen und um die Unabhängigkeit von privaten Interessen auf diesem Gebiet sicherzustellen. Handlungsbedarf sehen wir auch im Bereich der Patentrechte zur Genforschung und im Schutz bzw. im Recht eines jeden Menschen, seine genetischen Informationen vor fremdem Zugriff zu sichern, Datenschutz, Versicherungsbranche, Arbeitgeber, aber auch im Verbot des Klonierens, im Verbot der militärischen Nutzung von Gentechnik. Ich sage das deshalb, weil es ja schon mal zur Gentechnologie im Bundestag einen Bericht gegeben hat. Ich habe den gelesen wie Agatha Christie. Für mich war das ein Krimi, wo ich denke, man muss da besonders auf die Gefahren hinweisen. Denn wenn Arbeitgeber irgendwann in die Lage versetzt werden sollten, dass im Voraus bestimmt werden kann, wer welche Erkrankung kriegt und deshalb diesen oder jenen Beruf, das ist real, nicht erlernen darf, dann halte ich das schon für sehr problematisch.
Meine Damen und Herren, Probleme sehen wir in der Herstellung von Forschungstransparenz und in der zunehmenden Kommerzialisierung der genetischen Grundlagenforschung. Infolge des breiten Angebots vorgeburtlicher Gendiagnose sehen wir auch zunehmend Probleme der gesellschaftlichen Akzeptanz behinderter Kinder. Nicht selten werden Mütter von Kindern mit Behinderung gefragt, musste das sein, hätte es nicht andere Möglichkeiten gegeben? Andererseits ergibt sich die Frage, tut diese Gesellschaft wirklich alles für behinderte Menschen? Auch das bewegt Mütter, die wissen, dass sie ein behindertes Kind auf die Welt bringen werden.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, als die pränatale Diagnostik PNT eingeführt wurde, war es eine lange gewünschte und lebenserhaltende Maßnahme. In dem Maße, in dem Schwangere über 35 Jahre über das Risiko ihres Kindes, etwa für ein Down-Syndrom, Bescheid wussten, wuchsen auch die Ängste vor einem behinderten Kind und der Wunsch nach Abtreibung. Der Entdecker des DownSyndroms hat von Anfang an argumentiert, der Schwerpunkt der Bemühungen solle nicht auf der Beseitigung von kranken Föten, sondern auf der Beseitigung von Krankheiten liegen. Der Durchbruch zu einer erfolgreichen Therapie ist bis heute nicht gelungen, obwohl das Verständnis des Krankheitsbildes und die Verbesserung der Therapie zu Erfolgen geführt haben im Hinblick auf die Lebenserwartung und die Lebensführung bis hin zur Berufstätigkeit. Diese besondere Grenzsituation mit ihren
vielschichtigen Problemen erfordert gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen, in denen eine Antwort auf die schwierigen Fragen gefunden werden kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU können wir in den fünf Punkten zustimmen. Wir sind lediglich mit einigen Punkten der Begründung nicht ganz so einverstanden, aber die wird ja nicht abgestimmt. Außerdem war ja hier der Vorschlag, das an den Ausschuss zu überweisen, wo wir auch zustimmen. Auch die Neufassung des SPD-Antrags, so wie er jetzt ist, sollten wir auch überweisen, denn ich höre schon Stimmen, und denen sollten wir widersprechen, dass dieser Bericht eventuell Makulatur ist. Ich denke, das ist eine gute Möglichkeit, das sofort auch in Wahlzeiten zu untersetzen, dass dem nicht so ist.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Friedrich Schiller enden: "Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie! Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich erheben." Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erst mal möchte ich mich bedanken, dass ich als Letzte von den Parteien hier reden darf, obwohl wir die Aktuelle Stunde eingebracht haben.
Ja, das wird alles gehandhabt, das haben Sie ja im Vorfeld gesehen. Ein Wort erst einmal zu Herrn Wolf. Herr Wolf, Sie sprechen von einer dilettantischen Umsetzung des Gesetzes. Ich habe im Laufe Ihrer Rede gemerkt, dass Sie das nicht gemeint haben. Deswegen will ich Ihnen das nachsehen. Herr Wolf, das stimmt so nicht. Es geht um eine dilettantische Erarbeitung eines Gesetzes.
Das muss ich an dieser Stelle wirklich sagen. Ich bin ziemlich wütend, auch über Frau Künast. Sie wissen doch sicher sehr gut, dass ich eine sehr kontinuierliche Arbeit gemacht habe in diesem Landtag. Ich glaube, das wissen Sie. Ich weiß auch, wer Ihnen die Reden schreibt zum Teil, das habe ich Sie schon das letzte Mal gefragt. Und Sie wissen sehr gut, dass es sich hier um keine Praxisgebühr handelt. Das ist ein Wort, ich sage dann noch etwas dazu, was so einfach nicht stimmt. Es ist eine Kassengebühr und, Gott sei Dank, ich bin sehr beschäftigt mit dem Thema, ich bin nämlich in einer allgemeinmedizinischen Praxis im Moment. Ich habe das erlebt, die Menschen wissen es zum Teil und sie verstehen sehr viel.
Meine Damen und Herren, wenn es denn stimmt, was tatsächlich über die Hintergründe dieses Gesetzes gesagt wird, dann muss ich sagen, dass ich es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, so lange ich sie erlebe, erlebt habe, dass ein Gesetz mit so heißer Nadel gestrickt worden ist. Zumindest habe ich in mei
ner politischen Laufbahn so viele handwerkliche Fehler, die dann zu Umsetzungsschwierigkeiten führen müssen, um nicht Pfusch zu sagen, erlebt.
Meine Damen und Herren, ich bin tatsächlich etwas ärgerlich an dieser Stelle. Wir haben im Antrag kurz vor Weihnachten darüber gesprochen, haben verschiedene Vorschläge gemacht, wie wir Veränderungen, wie wir Reformbedarf sehen. Ich sage Ihnen jetzt noch etwas. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt redet einmal von Stärkung der Selbstverwaltung und dann wieder von Abschaffung der Kassenärztlichen Vereinigung - weiß sie eigentlich, was sie will und mit welchem Ziel? Weiß sie tatsächlich, was ein Sicherstellungsauftrag in allem Umfang bedeutet? Wissen Sie es? Reformbedarf, meine Damen und Herren, gibt es doch überall. Das wissen wir doch. Das wissen z.B. die KV auch. Und ich empfinde es wie z.B. die Forderung nach Abschaffung der Parteien, denn auch da, denke ich, sind wir so weit, dass es auch hier sehr viel Reformbedarf gibt. Da wird mir entgegengehalten, dass dann ein gesellschaftliches Chaos entstehen würde. Ja, ich sehe das auch so. Aber die Abschaffung der KV, bei aller Kritik, hätte meiner Meinung nach ein gesundheitspolitisches Chaos zur Folge und ich kann mich einfach nicht entschließen, da irgendwo mitzumachen. Meine Damen und Herren, Sie werden bemerkt haben, dass ich über die Praxisgebühr gar nicht so viel rede. Davon abgesehen, dass die Bezeichnung, wie gesagt, grundsätzlich falsch ist und auch mir Ärger verursacht hat, erlebe ich tagtäglich etwas ganz anderes - und das hat Herr Wolf hier zum Teil auch angesprochen -, denn das ist nicht der eigentliche Stein des Anstoßes. Ich sage Ihnen eines, die Beitragsgrenze auf der einen Seite herunterzusetzen und auf der anderen Seite alles dazu zu tun, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, das ist nicht redlich, Frau Künast, das muss ich Ihnen so sagen an der Stelle. Es gab übrigens noch etwas anderes, die Klassifikation der Krankheiten wurde geändert, keiner wusste "german modification", wie es langgeht. Medikamente - es war nicht mehr sicher, was bezahlen die Kassen, was bezahlen sie nicht und für welche Indikation. Ich sage Ihnen eins, Folge dieses Desasters ist für Thüringen - auch da irrt Ulla Schmidt -, dass zum 01.01.2004 25 Ärzte ihre Zulassung zurückgegeben haben, weitere Anträge auf Ruhen der Zulassung liegen vor. Es stimmt auch für Thüringen, dass es in den neuen Bundesländern dazu führen wird, dass ärztlicher Nachwuchs kaum zu finden ist.
Meine Damen und Herren, ich will es auch kurz machen an der Stelle und mit einer Forderung enden, übrigens analog einer Forderung der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Nach einem TÜV für Mediziner, den ich bejahe, sollte auch über die Forderung der Einführung eines TÜV für Minister und Ministerinnen in Zukunft nachgedacht werden,
damit in Zukunft sachlich und fachlich saubere Gesetze zustande kommen, die erst dann in Kraft treten, wenn auch die Durchführungsbestimmungen existieren. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Arenhövel, ich muss Sie an dieser Stelle - ich sehe Sie im Moment nicht - ein bisschen korrigieren. Selbstverständlich haben wir in den letzten 10 Jahren sehr, sehr viele Anfragen zum Öffentlichen Gesundheitsdienst, Mündliche Anfragen, Kleine Anfragen, Anträge usw. eingebracht. Einen Gesetzentwurf haben wir noch nie eingebracht, denn wir halten sehr viel von solider Arbeit, wir haben erstmal etwas gesammelt usw., usf. Auch Ihre anderen Argumente, Frau Arenhövel, greifen so nicht. Natürlich haben wir alles, was zum Präventionsgesetz vorhanden ist, also nur ein Teil des Gesetzentwurfs, schon eingearbeitet und ich mache darauf aufmerksam, Thüringen ist das letzte Land, das noch keinen Gesetzentwurf hat. Handlungsbedarf und Spielraum gerade in diesem Bereich besteht für das Land, darauf mache ich auch aufmerksam.
Bitte reden Sie sich an der Stelle nicht raus. Frau Künast, ich danke Ihnen, dass Sie zumindest die Ausschussberatung für die SPD angekündigt haben, aber ich nehme mal an, Sie haben auch einen eigenen Gesetzentwurf, denn im Wahlkampf hat Frau Ellenberger mal damit geworben, dass Sie einen Gesetzentwurf einbringen wird. Also, ich denke, das könnte was sehr Sinnvolles werden.
Meine Damen und Herren, der Öffentliche Gesundheitsdienst nimmt die hoheitlichen und kommunalen Aufgaben der gesundheitlichen Daseinsvorsorge und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gemeinwesenorientiert ohne wirtschaftliche Eigeninteressen wahr. Zu den klassischen Aufgaben der Seuchen- und Kommunalhygiene gehören der Trinkwasser- und Bädergewässerschutz, der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, der sozialpsychiatrische Dienst, die Tuberkulose-, Geschlechtskrankheiten-, HIV- und Aidsberatung und -fürsorge, die Behindertenberatung, die Impfberatung und die Impflückenschließung. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Fülle der Aufgaben, während ich rede, auf sich wirken zu lassen und zur Kenntnis zu nehmen. Dazu sind weitere neue Aufgaben gekommen wie Gesundheitsförderung, Gesundheitsberichterstattung, Umweltmedizin, Epidemieologie, Selbsthilfeorganisationen sowie sozialkompensatorische Aufgaben und medizinische Betreuung von Asylbewerbern und Prävention. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren, das Leistungsspektrum der Gesundheitsämter wurde ständig erweitert. Damit kommt dem Öffentlichen Gesundheitsdienst bei der fachlichen Beratung der kommunalen politischen Entscheidungsträger bei der Planung einer bedarfsgerechten medizinischen und sozialen Versorgungsstruktur eine
besondere Bedeutung zu. Zugleich stellen neue Bedrohungen für die Gesundheit der Bürger neue Herausforderungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst dar, wie SARS oder auch Bioterrorismus oder ganz aktuell - vielleicht Ihnen in Erinnerung - der Ausbruch der Vogelgrippe in bereits 10 Ländern. Die in Thüringen geltende Verordnung fasst die Erfahrungen in den alten Ländern der Bundesrepublik mit einem Stand von 1990 zusammen. Diese Verordnung ließ den Amtsärzten im Grunde genügend Handlungsspielraum, entsprechend ihrer spezifischen Aufgabenstellung. Kernproblem dabei ist aber die finanzielle Ausstattung der Gesundheitsämter und damit die personelle und sächlich-technische. Meine Damen und Herren, bekanntlich wird der ÖGD aus öffentlichen Haushaltsmitteln finanziert. Damit wird der Öffentliche Gesundheitsdienst, der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, die Bevölkerungsmedizin nach Kassen- bzw. Haushaltslage vorgenommen. Das kann und darf aber in diesem Fall nicht sein.
Um auf Herrn Schwäblein heute früh zu antworten: Beim Denkmalschutz habe ich schon Bedenken, aber kann ich mir vorstellen. Aber in diesem Fall, wenn es um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung geht, sollten wir das alle überdenken. Damit nicht genug, der Thüringische Landkreistag hat mit seinem Organisationsmodell für die Landkreise gleich eine Empfehlung der Personalreduzierung auf 18 Stellen für den Fachdienst Amtsärztlicher Dienst herausgegeben und die Zusammenlegung zum Fachbereich Schule, Kultur und Gesundheit. Der Fachdienst Lebensmittelüberwachung/Veterinärwesen gehört zum Fachbereich Sicherheit und Ordnung, zu dem im Übrigen auch der Fachdienst Kfz-Zulassung zählt. Das lässt einiges vermuten an Inhalten oder, meine Damen und Herren, sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass mehr "Innovation" zur Reform der Verwaltungsorganisation im Sinne von Kooperation und besserer Kommunikation nicht mehr geboten werden kann. Sollte Ihnen das jetzt etwas ironisch erscheinen, dann sage ich Ihnen, das ist ausdrücklich gewollt.
Meine Damen und Herren, unserer Fraktion ist leider nicht bekannt, ob überhaupt und wenn ja und in welchem Umfang das zuständige Fachministerium in die Erarbeitung dieses Organisationsmodells mit einbezogen wurde. Ich gehe davon aus, dass Herr Dr. Pietzsch als damals zuständiger Minister in seiner Plenarrede zur Situation im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen am 14. Juni 2002 auf diese Überlegungen des Landkreistags, die bereits 2001 angestellt wurden, eingegangen wäre, falls er einbezogen gewesen ist. Bekannt ist, dass bei nicht wenigen Amtsärzten dieses Organisationsmodell Missmut und Ärger ausgelöst hat. Aber zum Sparen gezwungen frei nach dem Shellslogan "Packen wir es an", wird es bereits öffentlich umgesetzt. Herr Minister
Zeh, wie viele Gesundheitsämter haben wir eigentlich noch in Thüringen und wie ist deren personelle und sächliche Ausstattung heute, jetzt? Können Sie uns das tatsächlich sagen? Sehr geehrte Damen und Herren, der Zunahme von Aufgaben im Öffentlichen Gesundheitsdienst steht eine Abnahme von Ressourcen und Einsparungen in Größenordnungen gegenüber. Waren 1994 in den Gesundheitsämtern in Thüringen noch 810 Mitarbeiter beschäftigt, das sind 3,2 pro 10.000 Einwohner, so waren es 2001 nur noch 651, 2,6 pro 10.000 Einwohner. Dieser Personaltrend ist auch im Landesuntersuchungsamt, dem Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, trotz wachsender Aufgaben zu verzeichnen. Das Personal der Gesundheitsämter zehrt von der Substanz hoch ausgebildeter Fachkräfte in der DDR. Für die qualifizierten Fachkräfte im Gesundheitsschutz, in der Sozialarbeit, im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst ist offensichtlich keine Nachfolge geplant. Dafür haben einige Ämter - eigentlich sind es ja nur noch Fachbereiche - mehr Verwaltungskräfte und Gesundheitsaufseher in ihrem Stellenplan ausgewiesen. Gesundheitsaufseher haben eine sechsmonatige Ausbildung zu absolvieren. Mit dieser - mit Verlaub - "Schnellbesohlung" sollen sie die komplizierten und komplexer werdenden Probleme und Aufgaben wirklich lösen? Ich bezweifele das. Bereits vor zwei Jahren hat die Landesärztekammer in Thüringen darauf hingewiesen - ja, Frau Künast, das stimmt -, dass von den 29 Amtsärzten im Land 24 über 50 Jahre alt sind und sich nur noch zwei Ärzte in der Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitsdienst befanden. Wie, Herr Minister Dr. Zeh, sieht die Situation inzwischen aktuell aus - außer dass Sie mir vielleicht sagen, dass wir alle zwei Jahre älter geworden sind?
Sehr geehrte Damen und Herren, die Europäische Union fordert mit ihrem Aktionsprogramm eine auf individuelles Verhalten und strukturelle Verhältnisse abzielende Gesundheitsförderung ein. Es ist zu erwarten, dass sich die Globalisierungsprozesse, insbesondere die EU-Osterweiterung sowie der zunehmende Wettbewerbsdruck, stärker auf die nationale Gesundheitspolitik in Zukunft auswirken werden. Die Aktionsbereiche der EU "Verbesserung der Informationen zur Entwicklung der öffentlichen Gesundheit", "Rasche Reaktion auf Gesundheitsgefahren und Gesundheit durch Gesundheitsförderung und Prävention" beschreiben den neuen Auftrag für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Genau das ist in unserem Gesetzentwurf bereits berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, Gesundheitsförderung im Öffentlichen Gesundheitsdienst erfährt auch einen größeren Stellenwert durch das Vorhaben der Bundesregierung, ein Gesetz für Prävention und Gesundheitsförderung - kurz: Präventionsgesetz - zu verabschieden. Im Entwurf steht dazu: "Der Ausbau der Prävention und der Gesundheitsförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung für private und staatliche Hand
lungsebenen. Er soll allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen, unabhängig von sozialen Faktoren, ethnischer Zugehörigkeit, Alter und Geschlecht." Ich erlaube mir, noch ein Zitat hinzuzufügen. Es stammt aus der Herzog-Kommission, benannt nach dem Vorsitzenden der Kommission, Prof. Roman Herzog, Bundespräsident a.D.: Die Kommission ist der Auffassung, dass der gesundheitlichen Prävention mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Deutschland ist noch weit davon entfernt, von einer gesellschaftlich fest verankerten und auf breiter Front praktizierten Kultur der Prävention. Dies gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die bewusst eingegangenen Gesundheitsrisiken, die mit übermäßigem Genuss von Nikotin, Alkohol sowie mit mangelnder Bewegung verbunden sind. Die Kommission ist der Überzeugung, dass konsequente Prävention zu einer spürbaren, allerdings nicht quantifizierbaren Dämpfung der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen führen wird. Dieser Meinung kann ich mich als Kinder- und Jugendärztin anschließen. Da sich Erfolge in diesem Bereich nicht in Wahlperioden auswirken können, können wir auch an dieser Stelle Roman Herzog hinsichtlich der Einsparvolumen nicht direkt behilflich sein. Allerdings, auch an Frau Künast, rechnet die Bundesregierung mit Einsparpotenzialen durch Prävention z.B. allein bei chronischen Erkrankungen und Risikofaktoren wie Hypertonie, Cholesterinerhöhungen, Rauchen, Übergewicht/Adipositas mit ungefähr 12 Mrd. + Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen errechnen lassen.
Wir, sehr geehrte Damen und Herren, können zu unserem Gesetzentwurf keine Kostenprognose abgeben und das hat verschiedene Gründe. Einen Grund können Sie unserem Gesetzentwurf unter D, Kosten, entnehmen. Die im Landeshaushalt ausgewiesene Kostenpauschale an die Landkreise und kreisfreien Städte bildet eben nicht die tatsächlich entstehenden Kosten für den Gesundheitsdienst auf kommunaler Ebene ab. Die tatsächlichen Kosten lassen sich nur aus den Haushalten der Kreise und kreisfreien Städte erschließen, wobei der gegenwärtige personelle und sächlich geschrumpfte Ausstattungsgrad widergespiegelt wird - also keine Grundlage. Die Landesregierung konnte auf unsere Kleine Anfrage im Februar 2002 zur Umsetzung und Anwendung der Verordnung über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Aufgaben der Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Oktober 1998 nicht einmal Aussagen zum Durchschnittsalter des im Öffentlichen Gesundheitsdienst tätigen Fachpersonals machen, da keine Informationen vorlagen. Ich denke, das liegt nicht an der PDS.
Meine Damen und Herren, dennoch sehen wir durchaus Möglichkeiten der Finanzierung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen. Der Thüringer Rechnungshof leistet hier eine gewisse Zuarbeit - Dank an Dr. Dr. Dietz. In der Drucksache 3/3718, Seite 91, verweist der Rechnungshof darauf, dass das Land mit Mitteln
des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auch Krankenhäuser fördert, die nach erwerbswirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten und erhebliche Überschüsse erzielen. Daher wird der Landesregierung empfohlen, eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen herbeizuführen, künftig Förderung von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation eines Krankenhauses abhängig zu machen. In dem geprüften Zeitraum von 1996 bis 2000 hat die geprüfte Gesellschaft jeweils Überschüsse bis zu 20,2 Mio. erwirtschaftet. Das Eigenkapital konnte sie dadurch in dem geprüften Zeitraum von rund 13,3 Mio. ;;.1 ! stocken, also um 31,5 Mio. +< " hier ein politisch relevantes Thema an und ist der Auffassung, dass die Förderung von erwerbswirtschaftlich ausgerichteten und erheblich Gewinne erzielenden Krankenhäusern mit öffentlichen Mitteln einer kritischen Prüfung bedarf. Das sehen wir auch so. Andere politisch gewollte Umverteilungsmaßnahmen brächten ausreichende Mittel für eine ordentliche Finanzierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Meine Damen und Herren, fachliche Leit- und Integrationsstellen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wie Landesgesundheitsämter in Baden-Württemberg oder in Brandenburg, wissenschaftlich leistungsfähige Landesuntersuchungsämter und Bundesämter wie das RobertKoch-Institut, stärken die Fachkompetenz der Gesundheitsämter und den fachlichen Transfer zur Landes- und Bundesebene an den Schnittstellen zwischen örtlicher Gesundheitsverwaltung, Gesundheitspolitik und Wissenschaft. Deshalb sieht das Gesetz eine Veränderung der Behördenstruktur vor. Dazu gehört die Schaffung eines Landesamtes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Das Landesamt soll aus dem vorhandenen Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen gebildet und weiterentwickelt werden. Das würde auch den Verbraucherschutz stärken. Die Zusammenlegung kann und wird zu Synergieeffekten führen. Die kommunalen Gesundheitsämter brauchen ein wissenschaftliches Rückgrat, das über die reinen Untersuchungsaufgaben hinaus durch wissenschaftliche Leistungen Kraft und Kompetenz besitzt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir kennen die Ängste und Befürchtungen der verantwortlichen Mitarbeiter der Gesundheitsämter, dass bei einer derzeitigen Diskussion des Öffentlichen Gesundheitsdienstes eher Aufgaben infrage gestellt werden. Genau aus dem Grund haben wir in der letzten Legislaturperiode kein Gesetz eingebracht, weil die Diskussion weiter fortgeführt wurde. Und Sie werden es sicher glauben, dass wir das natürlich auch mit Gesundheitsämtern usw. gut besprochen haben. Da sind die Erfahrungen, die sie mit der Verordnung zur personellen Ausstattung der sozialpsychiatrischen Dienste gemacht haben. Die Bereitschaft und die Fähigkeiten der
Kommunen, die notwendige personelle und sächliche Ausstattung der Einrichtung sicherzustellen, hat nicht gerade zugenommen. Dennoch sind wir der Auffassung, dass es an der Zeit ist, ein modernes Gesundheitsdienstgesetz für Thüringen auf den Weg zu bringen. Da die Thüringer Landesregierung gern auf Bayern verweist, wollen wir das auch tun. Dort wurde im vergangenen Jahr ein neues Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz verabschiedet.
Herr Minister Zeh, Sie haben zum Neujahrsempfang mir wird ja ziemlich viel zugetragen, ich war ja selber nicht da aus unterschiedlichen Gründen - der Thüringer Zahnärzte gesagt: Demokratie ist Streit. Streiten wir kulturvoll und möglichst ideologiefrei um eine sinnvolle, zielorientierte Ausgestaltung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für Thüringen ähnlich, wie wir es in der Enquetekommission "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen" getan haben. Im Namen der PDS-Fraktion beantrage ich die Überweisung federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss, Innenausschuss und Justizausschuss. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, es reizt mich nicht, allzu viel dazu zu sagen, aber ein paar Dinge möchte ich sagen. Ganz offensichtlich definieren alle anderen Länder in diesem Land "Fortschritt" anders als das Land Thüringen, muss ich sagen, haben Sie gerade so gesagt. Da machen Sie gerade eine wunderschöne Rolle rückwärts. In einem Punkt vorher war ein Rechtsbereinigungsgesetz, das brauchen wir dann wahrscheinlich auch nicht. Müssen wir noch mal über
legen, ob wir das wirklich brauchen, ja? Was Sie offensichtlich nicht wissen, das will ich an der Stelle sagen, das sind die Eckpunkte des Präventionsgesetzes. Denn dann wüssten Sie, dass Gesundheitsplanung und Berichterstattung in Zukunft zur Pflicht wird. Das ist bei uns auch verankert. Glauben Sie uns, wir haben alle Gesetzentwürfe der Bundesrepublik Deutschland ausgewertet und umgesetzt usw. usf. und Sie können sicher sein, wir sind eine kleine Oppositionspartei.
Erzählen Sie doch nicht so einen Scheiß. Herr Minister Zeh, echt.
Dafür nehme ich gern einen Ordnungsruf entgegen, denn nicht mal einen Gesetzentwurf von der Größenordndung an den Ausschuss zu übergeben, wo Sie doch alle, meine Damen und Herren, welche in der Schublade haben müssen, Sie haben doch öfter mal darüber geredet in der Öffentlichkeit. Die können wir dann doch zusammen vereinen, bereden usw. Das finde ich eben doch nur schwach. Ich weiß, Sie können es besser.
Verordnung über die Pauschalförderung nach dem Krankenhausgesetz
Die Landesregierung erarbeitet gegenwärtig die "Sechste Thüringer Verordnung über die Pauschalförderung nach dem Krankenhausgesetz (6. ThürKHG-PVO)". Diese soll zum Ende des Jahres 2003 rückwirkend ab 1. Januar 2003 in Kraft treten. Die Pauschalförderung wurde seit 1995 von 52,7 Millionen Euro drastisch auf 20,5 Millionen Euro im Jahr 2002 reduziert. Die Kritik der kommunalen Spitzenverbände ist bekannt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie begründet die Landesregierung den Rückgang der Pauschalförderung?
2. Wie will die Landesregierung den Rechtsanspruch der Krankenhäuser auf eine sachgemäße Ausstattung mit Pauschalfördermitteln vor dem Hintergrund des drastischen Rückgangs der Pauschalfinanzierung garantieren?
3. Welche Parameter werden für die Neuberechnung der Summen für Pauschalförderung für die Jahre 2003 und 2004 zu Grunde gelegt?
4. Wie soll die notwendige Planungssicherheit im Bereich der Pauschalförderung für das Jahr 2003 gewährleistet werden, wenn die neue Pauschalverordnung noch nicht in Kraft ist?
Es ist mehr eine Bitte. Sie haben vorhin von einer Bedarfsanalyse vom Jahr 2002 gesprochen. Wäre es möglich, dass Sie uns die zugänglich machen?
Herr Minister Zeh, was meinen Sie, was hat das größte Suchtpotenzial, ohne es verharmlosen zu wollen, Nikotin oder Cannabis? Was meinen Sie? Was ist wirklich die Einstiegsdroge?
Ja, gut, wenn das für Sie so ist. Ich sage, Nikotin ist eindeutig diejenige, die das größte Suchtpotenzial hat, und das verbieten wir dann nicht. Ich will nur auf die Zwiespältigkeit hinweisen. Meine Anfrage ist aber direkt: Was halten Sie aber von der Freigabe von Cannabis für den medizinischen Gebrauch? Da gibt es ja genug internationale Studien.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Künast, ich könnte fast sagen, wer Ihnen die Rede geschrieben hat. Das ist ein typischer Kassenbeitrag, den habe ich vorige Woche schon mal ähnlich gehört, mit sehr vielen Fehlern usw. gerade auch, was die Ärzteschaft anbelangt. Ich hoffe, dass es mir gelingt, ein paar Probleme aufzuzeigen - ich bin nicht auf Vollständigkeit aus -, und die, denke ich, werden einfach für sich sprechen und darauf bitte ich einfach im Bundestag morgen zu achten. Ich denke aber, Kollege Pietzsch wird vielleicht noch reden und vielleicht auch ein paar Dinge zu manchem sagen. Ein kurzes Wort also, ich habe gestern in der Zeitung natürlich gelesen, dass die CDU zustimmen würde. Das überrascht mich natürlich auch nicht. Ich finde es fast infam, Frau Künast, wenn Sie sagen, dass im Bundestag keine Anträge eingereicht worden sind, aber das lasse ich auch einfach mal so stehen an der Stelle. Ministerpräsident Althaus hat gestern ein Interview in der TLZ gegeben und dort bringt er zum Ausdruck hinsichtlich des Generationenvertrags, die sozialen Sicherungssysteme müssen demographiefest gemacht werden, d.h. unabhängig von der Bevölkerungsentwicklung. Den Vorschlag der Herzog-Kommission, den sozialen Ausgleich bei den Krankenkassen über Steuern und nicht mehr über die Beitragssätze zu finanzieren, bezeichnet Herr Althaus laut TLZ als sozial, denn nur die Steuern sehen konkret keine Beitragsbemessungsgrenzen.
Meine Damen und Herren, das klingt gut, das klingt nicht schlecht, d.h. aber doch auch konkret real, dass hier, wenn man näher hinguckt, und Sie werden es am Beitrag sehen, Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten doppelt belastet werden, wo scheinbar entlastet wird, weil nämlich der Beitragssatz gesenkt wird. Nur nicht der Arbeitgeber, dazu äußert sich die HerzogKommission ja auch, aber der finanziert wahrscheinlich dann auch über seine Steuern. Dazu werde ich mich auch noch äußern. Also, Herr Ministerpräsident ist nicht da, ich schätze ihn, für so blauäugig halte ich ihn auch nicht und ich frage mich deswegen auch, worum geht's.
Meine Damen und Herren, gern wird von den Medien das Märchen von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen aufgegriffen. Dabei kennen Diffamierungen über diese kulturell-soziale Errungenschaft oft auch keine Grenzen. Vergessen wird gern, dass Bismarck vor mehr als 120 Jahren die Sozialversicherung in der Absicht eingeführt hat, die sozialen Probleme des expandierenden Kapitalismus zu entschärfen und die Gesellschaft zu "befrieden". Ein Mann, meine Damen und Herren, mit Weitblick unter Druck der Sozialdemokratie - damals.
Meine Damen und Herren, tatsächlich hat es im Gesundheitswesen nie diese Kostenexplosion gegeben. Nur einmal, und darauf mache ich auch aufmerksam, unter der Regierung von Willy Brandt sind in den Jahren von 1970 bis 1975 die Gesundheitsausgaben, gemessen am
Bruttoinlandsprodukt, von 10,1 auf 12,8 Prozent gestiegen. Dieser Kostenanstieg wurde bewusst herbeigeführt, um notwendige Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung zu errreichen. Dieses Beispiel, meine Damen und Herren, zeigt, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, wenn politische Prioritätensetzungen gemacht worden sind.
Meine Damen und Herren, was mich auch ärgert, es wird immer wieder das Klischee vom teuren Alten bedient. Tatsache ist, dass sich die Altersstruktur in Deutschland verändert hat, aber doch nicht erst seit heute, das wissen wir auch schon lange. Und viel interessanter und bedeutsamer ist die Beantwortung der Frage, warum haben wir in Deutschland einen so drastischen Geburtenrückgang. Warum wird die steigende Lebenserwartung für die Gesellschaft als Ganzes zur Belastung? Und warum wurde so lange gewartet, um gegenzusteuern? Aber, meine Damen und Herren, wir werden nicht nur älter, wir bleiben, Gott sei Dank, auch länger fit, dank der medizinischen Wissenschaft und des technischen Fortschritts. Betrachtet man die gesamte Lebensspanne eines Menschen, so häufen sich die Leiden und damit auch die Behandlungskosten erst in den letzten 6 Monaten vor dem Tod, ob dieser mit 60 oder mit 90 Jahren eintritt. Entscheidend für die Entwicklung der Krankheitskosten ist die Nähe zum Tod. Wenn auch das kalendarische Alter bei der Entwicklung der Gesundheitsausgaben zählt, dann gänzlich anders als immer behauptet wird. Bei jünger Versterbenden, ich mag das gar nicht richtig aussprechen, sind die Kosten wesentlich höher als bei älteren Menschen.
Meine Damen und Herren, die Hauptursache für die chronischen Misserfolge von Gesundheitsreformen sind politische Fehlentscheidungen, die an den wahren Ursachen der Effizienz- und Finanzprobleme vorbeigehen oder sie sogar noch verstärkt haben. Nachdem über Jahre fast ausschließlich über Ausgabenprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung gesprochen wurde, werden jetzt endlich auch die Einnahmeprobleme deutlich benannt. Hier sind es aber vor allem der Rückgang der Lohnquote, die sich verfestigende Massenarbeitslosigkeit und die Eingriffe des Staates auf die Gelder der Versichertengemeinschaft. Diese dienten dem Ziel, staatliche Leistungen zu finanzieren.
Meine Damen und Herren, in jedem Wirtschaftsunternehmen und in jedem Verein wird ein solcher Betrug im Übrigen rechtlich geahndet.
Meine Damen und Herren, die Stärkung der Einnahmen ist notwendig durch die Ausweitung der Finanzierungsbasis über die Einbeziehung aller Einkünfte und Erwerbstätigen, die Abschaffung der unsolidarischen Beitragsbemessungsgrenzen und die Beteiligung von Unternehmensgewinnen. Der Erhalt des Solidarsystems sowie der Schutz der Einnahmen der Versicherten gegenüber dem Staat muss oberste Priorität haben. Die Arbeitgeber dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen mit einem
festgeschriebenen Satz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung oder gar, wie jetzt diskutiert wird, mit der Bürgerversicherung. Auch ein vermeintlich guter Begriff, soll doch jeder Bürger, Beamte oder Arbeiter in die Versicherung einzahlen. Klingt auch ganz schön gerecht, nur, wo bleiben dann die Arbeitgeberanteile. Roman Herzog hat das ziemlich klargestellt, über die Reduzierung der Arbeitgeberanteile wird nicht diskutiert. Die restlichen 40 Mrd. " chen in der Gesellschaft sollen dann aus Steuergeldern aufgebracht werden, doch auch von uns und auch von den Versicherten. Doch woher kommen die Steuern. So, meine Damen und Herren, jetzt will ich mal mit einer Mär ein bisschen aufräumen. Das Gesamtsteueraufkommen 2001 betrug 417 Mrd. ( @ steuer 33,3 Prozent, auf die Lohnsteuer 31,8 Prozent, auf Sonstige, insbesondere Verbrauchs- und Mineralölsteuer 20,3 Prozent, auf Gewinn- und Kapitalsteuern ganze 14,8 Prozent.
Meine Damen und Herren, 2001 war ein Totalausfall bei der Körperschaftssteuer zu verzeichnen. Bei der Gewerbesteuer gab es einen Absturz von 12 Prozent und bei der veranlagten Einkommenssteuer war ein Minus von 39 Prozent zu verzeichnen. Meine Damen und Herren, die Zahlen sprechen für sich und untersetzen, was die Vorschläge, die in der Diskussion sind und gemacht worden sind, am Ende tatsächlich wert sein werden
und ich habe inzwischen schon viele Gesundheitsreformen erlebt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Bemühungen der rotgrünen Bundesregierung in der Gesundheitspolitik zur Etablierung neuer Versorgungsstrukturen, Praxis- und Hausarztnetze, sektorenübergreifende Versorgung zur Verbesserung der Versorgungsqualität haben sich nach der Gesundheitsreform 2000 bisher kaum in der Praxis niedergeschlagen. Dies gilt insbesondere für die Schaffung sektorenübergreifender Versorgungsformen auf der Grundlage von § 140 a bis h SGB V. Seit dem In-Kraft-Treten dieser Regelungen sind zwar eine Reihe von Versorgungsprojekten auf den Weg gebracht worden, aber eine Veränderung von Versorgungsabläufen oder gar eine Verbesserung der Behandlungsqualität hat sich in vielen Fällen leider nicht eingestellt. Dafür ist umso mehr bürokratischer Aufwand zu verzeichnen, sie in die indikationsbezogenen Versorgungsformen von chronisch Kranken und auch die Disease-Management-Projekte, wenn man genau hinsieht. Integrierte Versorgung kann nur gelingen, wenn die Segmentierung in ambulanten und stationären Sektoren aufgebrochen wird und wenn die Sektoralbudgets aufgehoben werden. Dies bedeutet interdisziplinäre Zusammenarbeit. Und da gibt es auch bisher in Thüringen schon gute Beispiele, was ich sehr begrüße.
Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht sind Zweifel angebracht, wenn die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen im Rahmen eines Wettbewerbs erfolgen soll und Krankenkassen auf der Grundlage von Gesamtverträgen auch mit so genannten Versorgungszentren Verträge abschließen können. Ich gebe das nur zu bedenken: Sieht das nicht auch nach Marktbereinigung aus, bei der der "Schwächere" möglicherweise auf der Strecke bleibt, was nicht bedeutet, das wäre der Schlechtere? Ist die Frage hier nicht zu stellen, ob nicht ein Niedriglohnsektor für Ärzte entsteht? Ich stelle Fragen, sie sind mir nicht beantwortet worden, ich kann sie auch aus dem Gesetzestext nicht herauslesen. Mit der Neugestaltung der Vergütungen im ambulanten Bereich - § 85 - ab 2007 zu Regelleistungsvolumina wird den Ärzten eine Leistungsbeschränkung auferlegt und Patienten dürfen sich möglicherweise in Wartelisten eintragen. Wir reden wieder miteinander irgendwann und wir werden sehen. Im Grunde genommen stellt diese Neugestaltung der Vergütungen aber eine modifizierte Form der Rationierung von Leistungen dar und das wird andererseits auch zugegeben. Über die Honorare der Ärzte will ich nicht allzu viel sagen, darüber habe ich mit Herrn Zeh im Ausschuss schon diskutiert, dass wir über die Basis der Finanzierung usw. reden müssen. Wenn es hier zu Neid kommt zwischen Ost- und Westärzten, weil sie angeblich 3,8 Prozent rüberreichen müssen für die ostdeutschen Ärzte, dann bin ich empört. Die Kassen wissen es eigentlich auch besser.
Meine Damen und Herren, die Verknüpfung des ärztlichen Honorars mit dem Arzneimittelausgabenvolumen ist aus unserer Sicht grundsätzlich so nicht zu akzeptieren und schon gar nicht aus Sicht der neuen Bundesländer, da ist es abzulehnen. Die Richtigkeit des Arzneimittelausgabevolumens wird begründet von uns angezweifelt. Heute haben wir ja auch gelesen mit Rahmenbedingungen usw., wer heute gelesen hat mit Schiedsgericht usw., dass das noch nicht festgelegt ist, der weiß, dass es im Moment gar keine Rahmenbedingungen dafür in Thüringen gibt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass alle im Thüringer Landtag vertretenen Parteien von der Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigung der neuen Bundesländer zu dieser Problematik das gleiche Schreiben erhalten haben. Aus diesem Schreiben sowie aus Berechnungen und Erhebungen zum Verordnungsverhalten ostdeutscher Ärzte geht eindeutig hervor, dass wir eine höhere Krankheits- und Sterblichkeitsrate als in den alten Bundesländern haben. Dem trägt der Gesetzgeber in keiner Weise Rechnung. Mit der geplanten zusätzlichen finanziellen Belastung bei bedarfsgerechter mobilitätsorientierter Verordnung wird die Schere zwischen West und Ost auch in Fragen der Honorierung weiter auseinanderklaffen.
Meine Damen und Herren, wenn die Steuern zurückgehen, breitet sich der Niedriglohnsektor aus. Die Massen
arbeitslosigkeit verfestigt sich auf hohem Niveau - versiegen deshalb auch die Gewinneinkommen? Die gesamtwirtschaftlichen Daten zeigen, dass der Anteil des Einkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen gegenüber dem Einkommen aus abhängiger Beschäftigung von seinem niedrigsten Punkt in den 70er-Jahren bis heute wieder angestiegen ist. Der Anteil des Personalaufwands ist über die Jahrzehnte aber fast gleich geblieben. Betrug der Personalaufwand 1971 19,9 an der Gesamtleistung, so betrug er 1980 19,6 und 1996 19 Prozent. Im Übrigen, sehr geehrte Damen und Herren, können Sie die von mir angeführten Zahlen, aber auch weitere Angaben, aus den Angaben des Bundesamtes für Statistik entnehmen, das ist keine Mär der PDS.
Meine Damen und Herren, das Gesundheitssystem ist nicht nur ein Leistungssektor, sondern eindeutig ein Gewinnbereich. Doch wann und wo wurden jemals die Gewinne der Leistungserbringer der Gesundheitsbranche öffentlich gemacht? Einige Schlagzeilen aus der überregionalen Presse der letzten Wochen sind eben mehr als nur ein Fingerzeig. Ich zitiere einige dieser Schlagzeilen: "Pillengläubigkeit macht Hersteller reich", "Arzneikosten wieder auf Rekordhoch", "Mehr Umsatz bei Pharma", und ich frage mich, wo ich im Gesetz wiederfinde, was wir schon mal hatten, es werden ja auch deshalb mehr Medikamente verabreicht unter Umständen, weil eben die sprechende Medizin nicht ihren gebührenden Platz erhält und einen Paradigmenwechsel kann ich nicht feststellen. Der Apothekerverband meint: Wenn Rotgrün die Reformmaßnahmen im Apothekenbereich umsetzt, droht eine Arzneimittelversorgung, die von global agierenden Kapitalgesellschaften beherrscht wird. Sicher ist zu fragen: Ist der Fortbestand der jetzigen Apothekenlandschaft wirklich die bessere Alternative? Ich habe schon Schreiben gehabt aus dem Ilm-Kreis, wo Apotheker angeschrieben wurden, dass ihre Apotheken von amerikanischen Firmen aufgekauft werden könnten. So etwas gibt es, ich kann Ihnen so etwas auch zeigen. Die Apotheken sehen sich trotz Umsatzsteigerungen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres durch die Reformpolitik der Bundesregierung in ihrer Existenz bedroht. Nach den Ergebnissen der Gesundheitsreformkonsensverhandlungen müssten die Apotheker eine Mehrbelastung von 650 Mio. gegenüber 2002 hinnehmen. Hinzu kämen die geplanten strukturellen Maßnahmen wie der Erlaub von Mehrbesitz an Apotheken, der Versandhandel mit Arzneimitteln, die Einzelverträge der Kassen mit Apotheken sowie die Herausnahme der Finanzierung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente. Diese Maßnahmen sollten Schritte zur Verbesserung der Qualität und Effizienz sein. An keiner Stelle wurde bisher aber Qualität und Effizienz definiert. Jedenfalls habe ich es an keiner Stelle gefunden, es hätte mich sehr interessiert. Genauso, wenn ich immer höre, sinnvolle und notwendige medizinische Leistungen. Das ist wahrscheinlich auch so etwas, was keiner so richtig erklären kann.
Meine Damen und Herren, das Beispiel Norwegen sollte uns zu denken geben. Mit der Freigabe von Apothekenketten wurden innerhalb eines Jahres 99,5 Prozent aller Apotheken in den Besitz des pharmazeutischen Großhandels überführt. Und jetzt, meine Damen und Herren, was passiert jetzt in Norwegen? Jetzt wird gefördert, dass im ländlichen Gebiet, denn das bleibt dann in der Regel auf der Strecke, wieder mit staatlichen Mitteln Apotheken gefördert werden. Das ist für mich irgendwie schleierhaft - das muss man einfach noch mal überdenken.
Meine Damen und Herren, laut Arzneiverordnungsreport sind im vergangenen Jahr die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen um 6,5 auf das Rekordhoch von 22,4 Mrd. ( ) zwischen der zweitgrößte Kostenblock in der mit einem wachsenden Milliardendefizit kämpfenden gesetzlichen Krankenversicherung sein. Zu diesem beträchtlichen Kostenanstieg sollen vor allem teure Analogpräparate ohne therapeutischen Nutzen beigetragen haben. Auch dazu hätte ich viele Fragen. Während die Gewinne der Pharmaindustrie gesichert sind, immer im Hinblick auf Arbeitsplätze usw. - könnten wir ja verlieren und verlieren wir ja auch - wissen die Krankenkassen nicht, wie sie die vom Gesetzgeber vorgesehene Beitragssenkung auf 13 Prozent erreichen sollen. Ich muss sagen, wenn einige Krankenkassen angekündigt haben, ihre Beiträge zu senken, da würde ich Sie auch lieber bitten, mal näher dahinter zu schauen, ob das nicht irgendwo ein Marketinggag sein könnte.
Sehr geehrte Damen und Herren, das deutsche Gesundheitswesen braucht eine Reform an Haupt und Gliedern. Die Intentionen des vorliegenden Gesetzentwurfs sind schleichende Rückverlagerung von Krankheitsrisiken in die private Verantwortung des Patienten, Leistungskürzungen, die Wahlfreiheit vorgaukeln, kaschierte Rationierungen, die sich als Eigenverantwortlichkeit ausgibt und eine Versicherungsmathematik, die uns Gerechtigkeit vorgaukelt. Darüber hat dann der mündige Patient zu befinden. Nur, jetzt sage ich wirklich einmal etwas als Ärztin hier, eine Symmetrie zwischen Arzt und Patient kann es nicht geben. Ich will es Ihnen begründen. Zu den Wesensmerkmalen von Krankheit gehört, dass die Fähigkeit zur Selbstbestimmung in dem Maße eingeschränkt ist, je belastender das Kranksein bzw. die Krankheit ist. Jeder sachlichen, noch so korrekten Information des Patienten steht die individuelle selektive Selbstwahrnehmung seiner Krankheit gegenüber. Meine Damen und Herren, ich weiß, das hört keiner gern, den mündigen Patienten, den Sie meinen, den auch andere meinen, den gibt es nicht. Für einen mündigen Bürger sehe ich das ganz anders. Umso bedeutender ist deshalb eine Reform des Gesundheitswesens, die bei der Selbstverwaltungsstruktur ansetzt, Frau Künast, und das System demokratisiert - übrigens ist der auch unstrittig bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Thüringen - und damit auch transparenter macht. Das bedeutet Reformierung der Krankenkassen mit ihren Verwaltungsräten natürlich, der Lan
desärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung usw. Warum denn nicht? Hier ist zuerst anzufangen sowie bei der Preisbildung der Pharmauntenehmen und der medizinischen Großgeräteindustrie. Meine Damen und Herren, ich will mit einem Zitat von Herrn Lauterbach, wobei ich nicht immer mit allem einverstanden bin, was er sagt, enden. Er ist ja Ökonom. Herr Lauterbach ist der Meinung, dass sich das solidarische System langfristig trotz demographischer Herausforderung finanzieren lässt. Die gut verdienenden 25 Prozent der Versicherten konnten sich bisher dem System entziehen. Wenn sie einbezogen werden und andere Einkommensarten mit berücksichtigt werden, ist die demographische Entwicklung zu leisten und Rationierungen nicht notwendig. Das ist nicht von mir, das ist von Herrn Lauterbach. Ein letzter Satz. Ich hoffe, dass Ihnen die Ausführungen mit den Zahlen gezeigt haben, dass der mögliche Verlierer der Entwicklung im Gesundheitswesen mit Sicherheit am Ende leider der Patient sein wird. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, ich denke, wir sind uns sicher einig, dass diese Auffälligkeiten keine Kleinigkeiten sind. Das, denke ich, ist klar. Was mich interessiert, worin Sie die Ursachen für diese Befunde sehen, insbesondere die Zunahme für zunehmende psychische Auffälligkeiten und Störungen in der Ernährung, die Ursachen.
Herr Minister, Sie werden verstehen, dass ich das alles verstehe, Bewegungsarmut usw. usf., aber meine Frage geht eigentlich dahin gehend weiter. Welche gesellschaftlichen Ursachen, auch hinsichtlich der Lage vieler Eltern, sehen Sie in der Verursachung dieser Störungen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, es ist richtig, und ich denke, dazu hat die PDS auch beigetragen, dass sehr ausführlich im Ausschuss zu diesem Gesetzentwurf diskutiert worden ist. Wir sind natürlich auch mit den Datenschutzanträgen und -vorschlägen, die gekommen sind und entwickelt wurden, einverstanden. Es gab Änderungsvorschläge der PDS, die in der Regel - um es ein bisschen lustig zu machen - natürlich der Ablehnung anheim fielen, wie das so üblich ist, nur an den Stellen, wenn es auffällt, dass sie zum Teil auch wortgleich mit Änderungen der CDU sind, dann wird zum Teil natürlich auch zugestimmt, was ich an der Stelle gut finde.
Aber dennoch einige Anmerkungen, meine Damen und Herren, zum Gesetz und auch Bedenken, die wir im Ausschuss auch geäußert haben.
Eine Anmerkung zu Artikel 1: Die Neufassung in Ziffer 1 lässt aus unserer Sicht den Begriff der Bedarfsorientierung vermissen. Dazu gab es auch einen Antrag von uns. Unsere Fragen sind dann - ich denke, das muss man ernst nehmen: Fällt dann in Thüringen der Grundsatz bei der Bedarfsplanung im Krankenhausbereich vielleicht auch anders aus, als wir es kennen? Sind die Krankenhäuser in Zukunft nur auf Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit auszurichten? Wird das neue Fallpauschalgesetz DRG nicht schon negative Auswirkungen auf die Patienten haben? Ich verweise darauf, Kliniken haben keine Reserven. Ich habe gelesen, was die Kassen heute dazu geschrieben haben. Man mag mir nicht verdenken, dass ich als Ärztin dazu eine grundsätzlich andere Einstellung habe. Ich gebe zu bedenken, es geht in Ziffer 1 um nicht mehr und nicht weniger den Zweck des Gesetzes. Die Formulierung "patientengerecht" stellt auf andere Dinge ab als der Begriff "bedarfsorientiert", denn der Begriff "bedarfs
orientiert" sieht die aus medizinischer Sicht objektiven Kriterien der stationären Versorgung. Das sind Fragen, die wir stellen.
Eine weitere Bemerkung zu Ziffer 3 - § 4 Abs. 3, den neuen: Wir sehen darin, vielleicht ist es auch sehr ehrlich, dieser Absatz könnte, ich betone es, zur "Abseitsfalle" werden, da hier auch Tür und Tor für weitere Privatisierung durchaus geöffnet werden, es sei denn, es ist tatsächlich so gewollt - von uns jedenfalls nicht.
Meine Damen und Herren, was uns aber dennoch am meisten aufstößt, sind die Veränderungen hinsichtlich der Finanzierung, denn da ist festzustellen, dass dieses Gesetz auf eine restriktive Förderung in Zukunft abzielt. Dies wird unter Ziffer 8 deutlich. Die wiederholte Absenkung der Grundpauschale, und das auch noch in einem Doppelhaushalt, vergrößert die Diskrepanz zwischen der Nutzungsdauer kurzfristiger Anlagegüter und dem Wiederbeschaffungswert. Nicht einmal mehr 50 Prozent des Abschreibungsvolumens werden durch die pauschalen Fördermittel gedeckt. Verringert wird die pauschale Förderung dann noch einmal, wenn im Rahmen der Einzelförderung nach Abschluss einer Maßnahme über die Flächendefinition Abschläge von teilweise bis 50 Prozent auf die Summe geltend gemacht werden und dazu noch unabhängig davon, ob in der Maßnahme überhaupt kurzfristige Anlagegüter gefördert werden.
Meine Damen und Herren, wir haben hinsichtlich der Systematik der pauschalen Förderung Probleme. Wir sehen sie insgesamt nicht als schlüssig und auch zum Teil als nicht nachvollziehbar an.
Eine weitere Bemerkung aus Ziffer 9 - § 13 -, wo aus unserer Sicht deutlich wird, dass es auf eine Reduzierung der Anzahl der Krankenhäuser auf "leisen Sohlen" hinausläuft. Ich gebe es noch einmal zu bedenken, es gibt genug andere Gründe in Thüringen, wo man befürchten muss, dass die ärztliche Versorgung gerade im stationären Bereich auch entgegen der Kassenmeldungen in Zukunft nicht mehr in dem Maße gesichert sein wird, zumindest in bestimmten Fachgebieten. Das ist auch eine weitere Frage, die wir an dieser Stelle stellen und damit gleichzeitig auf § 2 abheben, der ja nicht zur Debatte steht, aber auf den wir hinweisen, dass die Krankenhausversorgung eine öffentliche Aufgabe ist.
Aber nun, meine Damen und Herren, zu unserem Entschließungsantrag: Ja, wir haben nicht nur im Ausschuss, wir haben auch an anderer Stelle über die Fragen der Palliativmedizin - das wird mir Frau Arenhövel bestätigen ausführlich gesprochen, auch über das, was wir im Prinzip uns denken können oder was es auch schon gibt. Das Ministerium hat gesagt, in diesem Gesetz nicht. Es gab einen Vorschlag von Caritas, das wissen Sie auch. Ich hätte es mir vorstellen können, dass man durchaus eine Passage reinformuliert, um ein Zeichen zu setzen; aber gut, ich habe da auch gesagt, okay, dann anders. Ich denke, das
ist eine Aufgabe, die man klären muss. Ich denke, das ist auch gut begründet, auch hinsichtlich dessen, dass Handlungsbedarf von Seiten des Landes auf Bundesebene und dann auf Bundesratsebene besteht und auf Bundesebene keine Lösung ist, Frau Künast, das sage ich an der Stelle, dann muss ich sagen, hat das Land hier volle Handlungsfreiheit an der Stelle.
Frau Künast, es tut mir wirklich Leid, Sie haben hier etwas vorgelesen, was Palliativmedizin ist, und Sie haben durchaus mit Recht auf Hospiz usw. verwiesen. Ich möchte das auch sehr streng abgegrenzt wissen an der Stelle, damit hier nichts durcheinander kommt, das ist richtig. Aber mich regt es wirklich auf, ich muss es einfach einmal sagen, es heißt wirklich "Palliativmedizin". Ich habe meine Bedenken, ich bin der Meinung, man sollte im Ausschuss darüber reden, auch sich regelmäßig Bericht erstatten lassen - auf alle Fälle, warum denn nicht. Aber dieser Antrag zielt ab, innerhalb eines Jahres - und ich denke, das ist viel Zeit einen Gesetzentwurf zu entwickeln - und anschließend bis zum Ende dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar im Vorgriff auf die Ergebnisse unserer Enquetekommission, aus Thüringen Impulse zu setzen für die Bundesebene, das in Thüringen ausreichend zu regeln. Ich bedanke mich.
Herr Minister, wir sind da unterschiedlicher Meinung, das ist auch okay. Aber ich möchte Sie an der Stelle fragen, ob ein Gesetz zur Palliativmedizin nicht sehr viel mehr beinhaltet als die stationäre Versorgung in diesem Fall.
Sie sagen "gegenwärtig", deswegen meine Nachfrage: Sie halten also die Lösungen in Frankreich und Österreich oder eine ähnliche Lösung für nicht sinnvoll für Deutschland?
Thüringer Gesundheitsbericht
Der 3. Gesundheitsbericht des Landes Thüringen wurde im Jahr 2000 vorgelegt. Im Vorwort wird darauf aufmerksam gemacht, dass Meinungen und Anregungen zur Weiterentwicklung der künftigen Thüringer Gesundheitsberichterstattung entgegengenommen werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wann ist mit dem 4. Thüringer Gesundheitsbericht zu rechnen und welche Indikatoren werden aus thüringenspezifischer Sicht neben den vom Robert-Koch-Institut vorgegebenen bzw. empfohlenen Indikatoren Berücksichtigung finden?
2. Wird eine geschlechtsspezifische Aufarbeitung der Gesundheitsdaten mit entsprechenden Handlungsempfehlungen zur Prävention vorgelegt werden?
3. Welches Institut, welche Einrichtung ist mit der Erarbeitung des 4. Thüringer Gesundheitsberichts beauftragt worden?
4. Gab es bisher Meinungen und Anregungen zum nächsten Thüringer Gesundheitsbericht und welche?
Ich halte es wirklich für bedauerlich, wenn aus Kostengründen ein 4. Thüringer Gesundheitsbericht in dieser Legislaturperiode nicht kommt. Aber ich frage Sie an der Stelle auch, ob Sie es für notwendig halten, vielleicht im Kinder- und Jugendbereich einmal eine eigene Gesundheitsberichterstattung vorzubereiten und auch zu machen.
Es gibt Ergebnisse, die liegen uns ja auch vor. Meine Frage ist: Was ist vorgesehen im zukünftigen Gesundheitsbericht, aus diesen Ergebnissen zu schöpfen und gerade auch für die Prävention z.B. Empfehlungen im Kinder- und Jugendbereich zu geben? Es gibt ja Daten.
Meine Frage ist: Werden die Ergebnisse der ThüringenMonitore usw. in die politische und damit in die Regierungsarbeit einfließen und wie und sind sie bereits eingeflossen und wie werden sie einfließen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Gesundheitsförderung ist ein immer komplexer werdendes Thema, das als Querschnittsaufgabe höchste Anforderungen an alle Akteure in Politik und Gesellschaft stellt. Wie verwoben Gesundheitsförderung mit anderen Bereichen wie Wirtschaft, Umwelt und Bildung ist, kann aus den Antworten der Landesregierung zur Großen Anfrage herausgelesen werden.
Gesundheitsförderung ist aber auch ein Bereich, den die Landesregierung in Thüringen in vielfältiger Weise selbst gestalten kann, ohne auf Bundeskompetenz verweisen zu müssen. Darin liegen Zukunftschancen für Thüringen, weil regionale Besonderheiten unbürokratisch, das heißt ohne Bundesrat, Vermittlungsausschuss ect., berücksichtigt werden könnten. Mittel- und langfristige Investitionen in die Gesundheit sind Investitionen in die Zukunft. Das ist, glaube ich, die Crux des Ganzen. Gesundheitsförderung zahlt sich innerhalb einer Wahlperiode nicht so aus, wie man sich das vielleicht wünscht, sondern erst mittel- und langfristig. Das ist bekannt, weil viele Dinge nicht so in Gang zu bringen sind, wie man es sich wünscht.
Meine Damen und Herren, wenn es um Gesundheitsförderung geht, dann stehen für uns besonders Kinder und Jugendliche im Blickpunkt. Hier setzt die Kritik unserer Fraktion an. Bereits im Juni dieses Jahres, als es um den öffentlichen Gesundheitsdienst ging, haben wir auf die Personalentwicklung in Gesundheitsämtern hingewiesen. Wir haben die Landesregierung gefragt, wie ein Amt mit 17 Mitarbei
tern seine umfangreichen und expandierenden Aufgaben überhaupt noch wahrnehmen kann. Wir wissen, immer mehr Schüler weisen Teilleistungsstörungen auf, immer häufiger wird Adipositas festgestellt, mit der Suchtprävention wird zu spät begonnen, Haltungsschäden, Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen usw., ich könnte das noch weiter aufzählen; Sie haben das aber bestimmt nachgelesen.
Schüler, meine Damen und Herren, beginnen heute mit zehn Jahren, in den dritten und vierten Klassen, zu rauchen. Das Modell der Verwaltungsmodernisierung, sprich rigider Personalabbau mit der Konsequenz der Privatisierung, der Landesregierung macht auch Schule beim Thüringischen Landkreistag. Hier sieht das Organisationsmodell für Landkreise eine Personalorientierung für Gesundheitsämter von 18 vor. Dabei werden die Bereiche Schule und Kultur mit Gesundheit zusammengelegt. Bei 1,5 Stellen für den Sachbereich Kultur fällt das auch nicht weiter auf. Die Kultur ganz abzuschaffen ging wohl nicht. Wäre es denn nicht besser, wenn man z.B. die Bereiche Gesundheit, Soziales und Umwelt in einem Dezernat zusammenbringt.
Meine Damen und Herren, dass die Gesundheitsämter bisher eine enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt pflegen, scheint nicht weiter von Bedeutung für den Landkreistag zu sein. Offensichtlich interessiert es auch nicht, wenn Fachleute sagen, uns fehlt die Kraft für jährliche Untersuchungen, um das Kindertagesstättengesetz, gemeint ist § 15 Abs. 3 - Gesundheitsfürsorge - umzusetzen.
Meine Damen und Herren, die Einschulungsuntersuchungen, Schuleingangsuntersuchungen werden nach dem Bielefelder Modell vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst durchgeführt. Seit 1997 erfolgt die statistische Erfassung und Auswertung im Thüringer Landesamt für Statistik. Die Organisation und Abstimmung der Auswertungszyklen obliegt dem Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar. Ich könnte mir vorstellen - mir ist zumindest bisher keine zusammenfassende Übersicht von Schuleingangsuntersuchungen bekannt und auch nicht deren Vergleichbarkeit -, dass man das vielleicht in Zukunft in den Blick nimmt und auch tut. Jetzt wiederhole ich das noch einmal, weil es mich erschreckt. Bei den Schuleingangsuntersuchungen ist festgestellt worden, dass 11 Prozent der schuleingangsuntersuchten Kinder verhaltensgestört waren; 17, 18 Prozent stimm-, sprech- und sprachgestört, Haltungsschwächen in Größenordnungen, Adipositas usw. Ich frage Sie, was tun wir für diese Kinder? Ich frage auch deshalb, weil ich mir im Moment noch nicht ganz im Klaren bin, wie mit der Auswertung verfahren wird. Was kommt denn bei den Verantwortungsträgern vor Ort an? Warum gibt es keine zeitnahe Vergleichbarkeit der Kreise und Städte? Das ist übrigens auch etwas, was Fachleute sehr deutlich kritisieren.
Meine Damen und Herren, wenn der Schulgesundheitspflege in Thüringen tatsächlich so eine große Bedeutung
beigemessen wird, wie es in der Antwort der Landesregierung steht, warum ist die Rechtsverordnung zum Thüringer Schulgesetz § 55 - Schulgesundheitspflege - dann ein Spielball für die Ministerien Kultus und TMSFG. Außer Ankündigungen nichts gewesen? Mir ist übrigens kein anderes Bundesland bekannt, das mit diesen Problemen derartig umgeht.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir erwarten von der Landesregierung nicht nur, dass sie hier schnellstmöglichst handelt und die seit langem angekündigte Rechtsverordnung zur Schulgesundheitspflege auf den Weg bringt. Wir unterstützen auch die Warnung von Fachleuten, keine Personalreduzierung bei den Gesundheitsämtern vorzunehmen. Überhaupt nicht hinnehmbar ist für uns die Begründung mit der rückläufigen Schülerzahl. Ich denke mir, das wird kommen. Denn die Zunahme von Verhaltens- und Teilleistungsstörungen bei Schülern erfordert zwangsläufig einen größeren Umfang an Einzelfallbegutachtungen und Betreuung. Was wir brauchen sind mehr qualifizierte Kräfte und keine Gesundheitsaufseher, wie ich es hier schon einmal von diesem Pult aus gesagt habe, wie in dem Papier des Landkreistags angekündigt. Hier wird der Trend erkennbar, Fachpersonal nicht mehr zu ersetzen. Das erinnert mich an die zum Teil fatale Entwicklung in den USA. Wir brauchen Beratungslehrer an allen Schulen, entsprechend ausgebildete Schulärzte und Psychologen und vor allen Dingen eine sensibilisierte Öffentlichkeit für all diese Fragen.
Vielleicht wäre es auch sinnvoll, ein Fach "Gesundheitskunde" oder "Lebenskunde" in der Schule - mir ist es egal, wie das heißt - einzuführen, in dem all diese Fragen von Anfang an besprochen werden können. Ich denke, dieser Vorschlag ist von der PDS-Fraktion vor einigen Jahren schon einmal hier gemacht worden.
Meine Damen und Herren, im 11. Kinder- und Jugendbericht ist nachzulesen, dass Einschränkungen bei behinderten Kindern und Jugendlichen weitestgehend sozial bedingt sind. Mit Blick auf alle Kinder und Jugendlichen wird damit die Forderung erhoben, dass Schulen sich ändern und zu gesundheitsfördernden Einrichtungen werden müssen. Die Kommission zum 11. Kinder- und Jugendbericht empfiehlt auch, eine Neuorientierung des Kinderund Jugendhilfegesetzes, nämlich stärkere Einbeziehung der Gesundheitsförderung und die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher. Der gegenwertige Präventionsansatz unterstellt, dass individuelles Gesundheitsverhalten weitgehend frei gewählt werden kann.
Ich werde ihre Frage am Ende beantworten. Ich würde gern erst zu Ende reden.
Der gegenwärtige Präventionsansatz unterstellt, dass individuelles Gesundheitsverhalten weitgehend frei gewählt werden kann. Vieles, meine Damen und Herren, spricht auch dafür. Aber empirische und andere Untersuchungen belegen, dass eine bessere Bildung, höherer beruflicher Status und höheres Einkommen mit einem objektiv größeren Handlungsspielraum verbunden sind.
Meine Damen und Herren, Gesundheitsförderung heißt auch hinsichtlich Sucht und Drogen eine zeitgemäße Gesundheitsförderung auf diesem Gebiet, vielleicht dem Umgang damit auch hier in Thüringen zum Durchbruch zu verhelfen. Wir haben vor einem Jahr hier eine Fachtagung zu Sucht und Drogen gemacht. Dabei ging es uns im Übrigen nicht um die illegalen Drogen, sondern vor allen Dingen um legale Drogen, um Tabak und um Alkohol. Ich frage Sie an der Stelle, wer von uns ernsthaft schon einmal gefordert hat, dass im Prinzip Tabak und Alkohol verboten werden. Auf der anderen Seite ist es auch eine Frage von mir, ob wir Menschen, wir kennen alle die Folgen dessen und wie teuer das ist, die wir mit Strafrecht belegt haben, wie das hier in Thüringen zum Teil der Fall ist. Aber das sind eben halt die legalen Drogen. Für mich ist das schon ein bisschen, wirklich an dieser Stelle muss ich sagen, beim Reden mit Kindern und Jugendlichen irrational, ihnen sehr schwer zu sagen. Ich habe Sorge, dass durch den Umgang in Thüringen mit illegalen Drogen - und ich befürchte das eben - der Missbrauch möglicherweise eher gefördert als dass er verhindert wird an dieser Stelle.
Vielleicht an der Stelle auch einmal ein paar Worte dazu. Es gab und es gibt eine Selbstverpflichtung der Industrie, Tabakautomaten nicht in der Nähe von Schulen aufzubauen. Vor einigen Jahren hat das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit dazu Untersuchungen in Erfurt und Gera gemacht, was ich übrigens sehr begrüße. Dabei wurden bis zu vier Automaten in Schulnähe gezählt. An der Stelle ein Vorschlag von uns: Wie wäre es denn mit einer Wiederholungsuntersuchung an den gleichen Orten? Das Ergebnis würde auf alle Fälle darüber Aufschluss geben, wie ernst die Tabakindustrie ihre Selbstverpflichtung nimmt und im Rahmen eines SAM-Projekts würden arbeitslose Menschen hierin vielleicht sogar eine sehr sinnvolle Aufgabe zur Gesundheitsförderung sehen.
Ich habe gerade aufgehört. Es fällt mir sehr schwer. Ich gebe das zu.
Aber an meinem 50. Geburtstag habe ich gesagt, es ist genug, ich habe das lange genug gehabt. Danke, Herr Wunderlich, für die Unterstützung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es mir nicht zur Aufgabe gemacht, jede Frage mit der gegebenen Antwort hier im Plenum auf den Prüfstand zu stellen. Ich will aber anmerken, dass einige Fragen gar nicht beantwortet wurden, u.a. mit dem Verweis, dass keine Daten vorliegen oder Antworten einfach schöngeredet wurden. Es ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der Effizienz mancher Ämter oder/und Auswirkungen von ständigem Personalwechsel. Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung noch in diesem Jahr den zur Erarbeitung von Gesundheitszielen notwendigen Diskussionsprozess in Thüringen einzuleiten gedenkt. Wir begrüßen das, ist das doch eine lang erhobene Forderung der PDS in Thüringen. Vor zweieinhalb Jahren hatten wir hier an dieser Stelle dazu eine Fachtagung zur Landesgesundheitskonferenz und Gesundheitszielen veranstaltet. Also wir begrüßen das sehr.
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass das Kernstück für Gesundheit und Zukunftsfähigkeit in Chancengleichheit besteht. Deshalb muss Gesundheitsbildung Bestandteil aller Bildungs- und Ausbildungsprogramme werden und jedem Bürger aller Altersgruppen zugänglich sein. Um eine umfassende Gesundheitsvorsorge vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter zu gewährleisten, ist auch die Einbeziehung von Betrieben, Einrichtungen und Unternehmen erforderlich. Hinsichtlich der betrieblichen Gesundheitsförderung gibt es in Thüringen noch sehr viel zu tun. Hier kann auch das Ergebnis im Ländervergleich, dass nur 15 Prozent aller Betriebe überhaupt betriebliche Gesundheitsförderung im Bestand haben, nicht beruhigen.
Auf einem Gebiet ist auch noch viel zu tun, das ist vor allem der Frauen- und Männergesundheitsvorsorge zuzuschreiben, dass in Thüringen sehr viel getan werden muss. Vor allen Dingen aber müssen die Menschen noch mehr und mit gezielteren Informationen versorgt werden.
Meine Damen und Herren, Herr Minister, die jährlich durchgeführten Gesundheitswochen sind gut aber reichen einfach nicht aus. Für uns wären Gesundheitskonferenzen auf regionaler wie auf kommunaler Ebene ein geeignetes Instrument, um die Möglichkeiten einer kontinuierlichen Zusammenarbeit aller Akteure an der Lösung gesundheitlich relevanter Probleme zu nutzen. Dabei ist auch eine effektivere Einbindung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Agenda-21-Aktivitäten notwendig, um eben eine nachhaltige Entwicklung im Bereich Gesundheit und Umwelt zu erreichen. Aus unserer Sicht muss die Gesundheitsberichterstattung in Thüringen auch den Sozialstatus in Zukunft erfassen. Die Sozialschichtenentwicklung läuft auseinander. Fragestellungen zu ihrer Abbildung sind deshalb notwendig.
Ich würde mir natürlich auch einen Gesundheitsbericht für Kinder und Jugendliche vorstellen können, wenn auch vielleicht als Teil des Ganzen. Auf datenschutzrechtliche Bestimmungen in Thüringen zu verweisen, weshalb soziale Daten nicht erhoben werden können, mit Verlaub, meine Damen und Herren, das halte ich einfach für Unsinn. Man kann Studien ansetzen, wenn man das will, man kann aber auch über den Mikrozensus entsprechender Fragestellungen nutzen. Ich denke, der politische Wille ist hier entscheidend.
Im Übrigen werden Gesetze von Menschen gemacht und nicht umgekehrt und sind auch nicht gottgewollt. Meine Damen und Herren, was die Erhebung von Daten betrifft, möchte ich beispielgebend auf die Stadt Erfurt mit ihren Haushaltserhebungen zur Stadtentwicklung verweisen. Wir haben am Anfang mit dem Satz, Gesundheitsförderung ist ein komplexes Thema für die PDS, angefangen. Meine Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen werden mit weiteren Redebeiträgen das für unsere Fraktion unterstreichen.
Ja, Frau Kollegin, ich kenne diese Einrichtungen natürlich alle. Sie geben mir sicher aber auch Recht, dass es in vielen Dingen natürlich auch sehr große Probleme gibt, gerade auch was sozialpädiatrische Zentren usw. anbelangt und auch Frühförderung - Ja. Sie wissen aber auch, dass wir ein ausgeprägtes Netz an Dispensairversorgung z.B. für Kinder in diesem Bereich auch hatten. Ich denke, die DDR war auf diesem Gebiet gerade auch nicht schlecht. Das haben sie europaweit auch immer wieder zugestanden. Ich kann jede Verbesserung nur begrüßen, Frau Kollegin. Die will ich auch nicht schlechtreden.
Herr Panse, ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass eine gelungene Persönlichkeitsentwicklung mit Sicherheit vor Drogen schützt, sicher nicht immer, dass man sicher auf dem Gebiet einer gelungenen Persönlichkeitsentwicklung sehr viel mehr tun kann. Aber was halten Sie von der Freigabe für Cannabis für den medizinischen Gebrauch? Sie kennen sicher Erfahrungen aus den USA, aus anderen Ländern usw.
Ich fühle mich jetzt einfach falsch verstanden. Deswegen stehe ich noch mal hier. Ich habe Sie nach der Freigabe für den medizinischen Gebrauch gefragt. Da gab es in Neudietendorf hier in Thüringen Veranstaltungen, wo Kollegen Anästhesisten usw. und auch christliche Kreise das befürwortet haben. Ich frage nach dieser ganz speziellen Auffassung.
Herr Minister, ich kann Ihnen nur beipflichten - Schutz der Gemeinschaft usw. Es ist alles in Ordnung. Ich denke, in dem Falle - und Sie kennen meine Meinung dazu - kann man es dem Einzelnen nicht überlassen. Ich bin deshalb der Meinung und es ist auch möglich, dass Thüringen ein Impfschutzgesetz machen sollte. Wie stehen Sie dazu?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich nicht reden, sondern mich im Ausschuss dazu äußern oder in der zweiten Lesung reden, aber, Frau Aren
hövel, Sie können annehmen, dass ich als Ärztin natürlich gelegentlich mit Ärzten rede und, ich denke, was Sie hier gesagt haben gerade an diesem Beispiel fand ich nicht gerade passend, das muss ich sagen.
Ich begrüße natürlich diese Einbringung des Gesetzes auch, wir sind von Anfang an damit beschäftigt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es hier eine Pflicht geben muss. Deswegen wundere ich mich jetzt auch ein bisschen, dass man jetzt ein wenig mutiger vorgeht und sagt, sowohl beim Trägerwechsel, was ich nie verstanden habe, als auch beim Krebsregister eine Meldepflicht einzuführen. Umsonst habe ich vorhin nicht nachgefragt, ich sage nicht Impfpflichtgesetz, ich sage Impfschutzgesetz, und wenn das meinetwegen beim Krebsregister genauso gehandhabt werden soll, man hat sich ja immer gescheut, solche Sachen einzuführen. Ich denke, wenn die Gesamtbevölkerung betroffen ist, dann sollte man auch mutig genug sein und sagen, wir stehen hier zur Pflicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unser Antrag zielt auf mehr Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche ab. Zu den aktuellen Trends der Familienentwicklung gehört die Lebensform allein erziehender Elternteile, Väter und Mütter mit ihren Kindern. Diese Familien entstehen heute primär als Folge von Ehescheidungen und nicht mehr als Folge von Verwitwungen. Inzwischen enden 35 Prozent aller Ehen in Deutschland mit einer Scheidung, 21 Prozent der westdeutschen und 46 Prozent der ostdeutschen Frauen haben eine oder mehrere Lebensphasen als allein erziehende Mütter zu bewältigen. Es gibt verlässliche Hinweise darauf, dass in der Zukunft auch die Wiederverheiratungsquote nach Scheidungen rückläufig sein wird.
Also, ich halte das Thema wirklich für wichtig, das will ich an der Stelle sagen.
Ich bin allein erziehende Mutter übrigens, ich erlebe das laufend in der Praxis.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung für Kinder führt hierzulande oftmals zu prekären Lebenslagen oder mündet in Armut. Diese Befunde sind eine Folge der strukturellen Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Leben mit Kindern. Das hat im Übrigen auch die Sachverständigenkommission zur Erstellung des Fünften Familienberichts "Familien im vereinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens" festgestellt. Die fehlgeleitete Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat dazu geführt, dass das Erziehen von Kindern zu beträchtlichen finanziellen Nachteilen gegenüber kinderlosen Familien geführt hat.
Meine Damen und Herren, erst durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts in den 90er-Jahren wurde die jahrzehntelange verfassungswidrige Besteuerung des Existenzminimums von Eltern mit Kindern skandaliert. Das Armutsrisiko von Kindern hat sich aber durch eine weitere Tendenz verstärkt und das ist die soziale Vererbung von Bildungsarmut an die nachwachsende Generation. Die Folgen zeigen sich nicht nur in ihren vergleichsweise deutlich schlechteren Zugangs- und Verbleibchancen im Erwerbssystem oder in niedrigen Einkommen, sondern auch in erheblich eingeschränkten Möglichkeiten bei der Alltagsbewältigung infolge unzureichender Haushaltsführungskompetenzen und vor allen Dingen dem Fehlen von geeigneten Strategien zur Lösung von Konflikten.
Meine Damen und Herren, uns ist sehr bewusst, dass dieser Antrag nur ein Mosaikstein zur Bewältigung der aufgezeigten Probleme sein kann, aber es könnte ein Stück mehr Chancengleichheit für alle Kinder hier in Deutschland auf den Weg gebracht werden.
Regressforderungen gegenüber Thüringer Arztpraxen
Presseberichten zufolge sollen Arztpraxen wegen hoher Regressforderungen vor dem Aus stehen, da Krankenkassen wegen Budgetüberschreitungen Rückzahlungen fordern.
Ich frage die Landesregierung:
1. Sind in Thüringen bisher Arztpraxen von Regressforderungen betroffen und wenn ja, wie viele und in welchen Größenordnungen?
2. Inwiefern wurden Praxisbesonderheiten bei den Regressforderungen berücksichtigt?
3. Wurden im Zuge der Regressforderungen gegenüber Ärzten Auswirkungen auf ihr Verordnungsverhalten festgestellt und mit welchen Folgen?
4. Stehen in Thüringen Arztpraxen vor dem Aus und wenn ja, wie viele?
Facharzt für Allgemeinmedizin
Um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in Thüringen vor allem im ambulanten Bereich in Zukunft sicherzustellen, soll an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie weit sind die Vorbereitungen einschließlich der Ausschreibung für das Vorhaben zum gegenwärtigen Zeitpunkt gediehen und wann kann definitiv die Facharztausbildung für Allgemeinmedizin an der FSU beginnen?
2. Welche Merkmale der in Deutschland eingeführten Weiterbildung zum "Facharzt für Allgemeinmedizin" führen zu der Feststellung der EU-Kommission, dass praktischen Ärzten aus anderen EU-Staaten die "automatische Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin" verwehrt wird?
3. Sind in Thüringen Ärzte aus anderen Ländern tätig und in welchen Fachgebieten insbesondere?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist gerade etwas mehr als ein Jahr her, dass wir uns in diesem hohen Hause mit dem Bereich der Altenhilfe beschäftigt haben. Konkret ging es dabei auf Antrag unserer Fraktion um die Entwicklung der Altenberufe. Leider gab es auch damals Veranlassung über Pflegequalität zu reden. Damals ging ich davon aus, dass diese Pflegeskandale nicht die tatsächliche Situation der Thüringer Pflegelandschaft widerspiegeln. Heute kommen mir Zweifel. Zweifel deshalb, weil ich höre, dass das, was bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, nur die Spitze des Eisbergs wäre. Sehr geehrte Damen
und Herren, ich bleibe dabei, Thüringen hat ein vernünftiges Altenpflegegesetz. Allerdings der Knackpunkt scheint mir die Umsetzung dieses Gesetzes zu sein. Nach § 5 des Thüringer Altenpflegegesetzes - Altenpflegeschulen - würde es mich schon interessieren: Wie läuft denn tatsächlich ein Genehmigungsverfahren für eine Altenpflegeschule ab? Reichen die einmal vorgelegten und geprüften Zugangsvoraussetzungen für alle Ewigkeit aus? Muss der Bildungsträger nicht öfter geprüft oder überprüft werden, vor allem hinsichtlich des Einsatzes von hoch qualifizierten Dozenten?
Meine Damen und Herren, es sind mir Dinge bekannt, die ich hier an dieser Stelle nicht sagen werde, weil die Gefahr besteht, dass sie verallgemeinert werden. Wie verfährt das zuständige Ministerium in Thüringen, wenn ein privater Pflegedienst eine Basisqualifikation für Pflegekräfte anbietet für einen Lehrgang von 36 Stunden und für 219 inklusive Mehrwertsteuer? Kontrolliert das Sozialministerium solche Angebote? Wie wird der Lehrplan an den Schulen umgesetzt? Wie viel Hospitationen werden vom Ministerium pro Jahr bei den Bildungsträgern der Altenpflegeschulen veranlasst? Meine Damen und Herren, seit mehreren Monaten ist für die Altenpflege ein neuer Lehrplan in Kraft getreten. Gibt es dazu bereits erste Erkenntnisse und wie erfolgt die Auswertung und erfolgt überhaupt eine? Uns reicht es eben nicht, dass allein für das vorgesehene examinierte Fachpersonal von 50 Prozent die Weiterbildungspflicht ist, aber für 50 Prozent angelerntes oder Hilfspersonal keine Verpflichtung zur Weiterbildung besteht. Diese Entwicklung erinnert mich ganz fatal an jene in den USA, wo weniger qualifiziertes Personal, der so genannte Job-Arbeiter, geheuert und gefeuert werden kann. Diese Entwicklung trägt nicht zur Erhöhung der Qualität der Pflege bei, sondern zur Absenkung und gibt uns Anlass zur Sorge. Es erinnert mich auch fatal an die Situation der Gesundheitsämter in Thüringen mit den ganzen Gesundheitsaufsehern usw. - ich habe hier schon darüber gesprochen -, kann ich mich sehr schwer bei den immer komplexer und komplizierter werdenden Aufgaben anfreunden. Meine Damen und Herren, meine Fraktion fragt, in welche Zukunft gehen wir da eigentlich? Sieben Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung gibt es in diesem Land noch immer keinen Konsens darüber, was Pflegequalität eigentlich ist. In einer groß angelegten Studie NordrheinWestfalens zur Situation in Pflegeeinrichtungen ist deutlich geworden, dass sehr große Unterschiede zwischen den Einrichtungen bestehen und selbst bei überdurchschnittlicher Personalausstattung.
Meine Damen und Herren, Dekubitus ist eine der häufigsten Folge von Pflegefehlern, insbesondere wenn Laien am Werk sind. Dabei gibt es einen Standard, von Experten erarbeitet, der inzwischen auch Eingang in die Ausbildung gefunden hat. Meine Frage ist nur, und das ist entscheidend, ob er denn an allen Thüringer Altenpflegeschulen überhaupt bekannt ist. Kann denn ungelerntes Personal dieses durchführen, um Minderdurchblutung festzustellen? Weiß das angelernte Personal etwas darüber, wie die
Pflegeanforderungen bei Apallikern sind? Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr qualifiziertes und hoch motiviertes Personal und dazu gehört auch eine ordentliche Bezahlung.
Meine Damen und Herren, ein Problem sehe ich auch darin, dass die Dekubitus-Prohylaxe von den Kassen nicht bezahlt wird, aber die Therapie. Denn eine Matratze gibt es erst dann, wenn der Dekubitus da ist, und wie viel Geld kostet das im Jahr. Für mich ist das paradox.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist unbedingt zu tun unserer Meinung nach? Das ist die Überarbeitung der Pflegestufen. Es bedarf mehr Differenzierung nach entsprechenden Bedarfslagen, es bedarf der Verbesserung der Absicherung Demenzkranker, es bedarf der Entwicklung nationaler Pflegestandards, es bedarf der Schaffung eines Personalbemessungsinstruments und es bedarf vor allen Dingen Kontrollen in der Ausbildung der Altenpflege und in den ambulanten und stationären Einrichtungen. Hoffnungsvoll, meine Damen und Herren, stimmt mich ein Pilotprojekt, das Sie sicher kennen, Herr Minister, das sich inzwischen dem Problem des Diabtes mellitus näher zuwendet in diesen Einrichtungen und ich finde, Herr Minister, dieses Projekt verdient es eigentlich, auch eine gewisse finanzielle Unterstützung des Landes zu kriegen.
Meine Damen und Herren, ein letzter Satz: Ein gesetzlich gewollter Pflegemarkt, und den wollen Sie ja, erfordert auch eine adäquate Qualitätssicherung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte mich an dieser Stelle gleich ausdrücklich für die sehr konkreten Zahlen bedanken, die hier angegeben wurden. Das ist nicht immer so gewesen, ich werde es auch im Beitrag ein bisschen belegen. Und ich möchte mich natürlich auch gleich am Anfang ausdrücklich bei allen, die im öffentlichen Gesundheitsdienst und gerade in den Gesundheitsämtern arbeiten, bedanken, dass nicht mehr passiert ist,
dass sie also so eine aufopferungsvolle Arbeit leisten. Ich will aber von der grundsätzlichen Art und Weise herangehen und auch deutlich machen, dass man die Probleme nicht nur in die Landkreise und kreisfreien Städte... Das haben Sie nicht getan, aber ich will es deutlich machen.
Ich denke, wir haben überall im Gesundheitswesen Probleme und der Blick auf den öffentlichen Gesundheitsdienst ist leider nicht immer in der Schärfe da. Ich will hier ausdrücklich noch einmal sagen: Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Auch diese Definition ist ja nicht unumstritten und ich kann nur sagen, für den Landtag in Thüringen, auch für die Enquetekommission, dass da eigentlich Übereinstimmung besteht und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen im Auge behalten wird. Also, meine Damen und Herren, ich erinnere noch einmal daran, sich des bestmöglichen Gesundheitszustands zu erfreuen, ist eines der Grundrechte jedes Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung und der wirtschaftlichen und sozialen Stellung.
Seit langem propagiert die Weltgesundheitsorganisation die Entwicklung von Gesundheitszielen als wichtige Aufgabe von Gesundheitsberichten. Dieser zielorientierte Ansatz wurde trotz einzelner - die will ich durchaus nicht unter den Tisch fallen lassen - regionaler Bemühungen und Fortschritte bisher nur sehr unzulänglich beachtet und auch umgesetzt. Ein Umdenken deutet sich für mich, was wir sehr aufmerksam verfolgen werden, auch in Thüringen jetzt an. Dazu verweise ich auf die Beantwortung der Großen Anfrage zur Gesundheitsförderung, von der der Minister auch gesprochen hat, durch die Landesregierung. Und ein von der WHO als wesentlich erachtetes Gesundheitsziel, nämlich die Stärkung der Gesundheitsförderung sozial benachteiligter Gruppen, hat unter anderem in § 20 SGB V, sowohl im 1. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und
auch im Gutachten des Sachverständigenrats der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen erhebliche Beachtung gefunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum öffentlichen Gesundheitsdienst gehören natürlich mehr als "nur" die "Gesundheitsämter"; das Veterinärwesen, die Lebensmittelüberwachung gehören ebenso dazu wie der Arbeitsschutz. Bezogen auf die Gesundheitsämter in Thüringen wollten wir kürzlich in einer Kleinen Anfrage wissen, wie die Landesregierung das Ziel des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern und zu schützen - dass das ein Staatsziel usw. ist, das ist klar -, zum gegenwärtigen Zeitpunkt hier in Thüringen einschätzt. Ich muss Ihnen an dieser Stelle etwas sagen, diese Frage ist schlicht nicht beantwortet worden.
Demzufolge sieht die Landesregierung, so steht es zumindest in dieser Kleinen Anfrage, auch keine Defizite im Handlungs- und Aufgabenbereich der Gesundheitsämter. Dazu vielleicht als Antwort auf die Frage 2. Eine Aussage, Herr Minister, möchte ich hier noch einmal hinzusetzen. Sie haben ja gesagt, wir haben Schwierigkeiten in allen ärztlichen Bereichen. Das stimmt. Vor zwei Jahren habe ich noch von Ärzteschwemme oder sonst irgendwelchen Sachen gehört. Ich will etwas dazu sagen, um die Dramatik in dem Bereich deutlich zu machen. Nach Aussagen der Landesärztekammer in Thüringen sind von den 29 Amtsärzten im Land 24 über 50 Jahre alt und nur zwei Ärzte sollen sich gegenwärtig in Weiterbildung im öffentlichen Gesundheitsdienst befinden. Eine ähnliche Entwicklung soll es auch in anderen Fachkräftebereichen des öffentlichen Gesundheitsdienstes geben. Ich sage an der Stelle sehr deutlich: Wir halten diese Entwicklung für außerordentlich alarmierend.
Ich denke schon, dass der Landesregierung die Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes bekannt sind, allerdings muss ich dazu sagen, wenn sie so bekannt sind in der Schärfe, würde ich dennoch für verantwortungsbewusste Gesundheitspolitik im Land halten, dass man darauf mehr Einfluss nimmt. Es wurde zum Beispiel mit keiner Silbe darauf eingegangen, dass manche Ämter nicht entsprechend ihrer Aufgaben Personal vorhalten. Oder werden die Aufgaben von Amt zu Amt unterschiedlich definiert? Dann würde ich an der Stelle gern wissen, auf welcher Grundlage das basiert. Sie haben gesagt, Herr Minister, seit 1990, das ist das Jahr, aus dem die Verordnung über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Aufgaben der Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten stammt, veröffentlicht im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I, hat sich auch in Thüringen sicher sehr viel verändert. Diese Verordnung hatte sich bewährt, aber inzwischen sind die Rahmenbedingungen völlig andere, als sie es zu dieser Zeit waren.
Wäre es daher nicht an der Zeit zu fragen: Brauchen wir nicht auch in Thüringen ein Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst, ein Gesetz, das den neuen Rahmenbedingungen Rechnung trägt? Wir als PDS-Fraktion fordern ein der Entwicklung Rechnung tragendes Gesetz zum öffentlichen Gesundheitsdienst.
Meine Damen und Herren, während die Probleme in diesem Land zunehmen, wird an den Gesundheitsämtern, den Sozial- und Jugendämtern gespart, so die Meinungen der Fachleute in diesen Bereichen. Bezogen auf die Kleine Anfrage "Öffentlicher Gesundheitsdienst" muss ich sagen, die Antworten insgesamt überzeugen nicht und sie stellen der Landesregierung auch ein schlechtes Zeugnis aus, was die Qualität der Beantwortung von Anfragen betrifft. Ich muss das an dieser Stelle einflechten, denn die Qualität der Beantwortung von Kleinen Anfragen in letzter Zeit lässt zunehmend zu wünschen übrig und ist ausgesprochen unterschiedlich. Wir fragen uns, ob das unter Umständen auch daran liegen könnte, dass im Ministerium infolge "Personalkarussell" nicht adäquat der Qualifizierung gearbeitet werden kann. Ich denke, Herr Minister, Sie sollten auch diese Frage vielleicht ernst nehmen. Und auch das will ich sagen, ich habe es schon gesagt: Die Beantwortung der Großen Anfrage zur Gesundheitsförderung ist von anderer Qualität, auch wenn das nicht bedeutet, dass wir mit allen Antworten zufrieden sind, schon gar nicht mit den Schlussfolgerungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, um Ihnen vielleicht einmal deutlich zu machen, wie die Situation aussieht: Für mich ist es ein Rätsel, wie mit einer Personalbesetzung von 0,2 Stellen z.B. gesundheitliche Aufklärung und Beratung der Bevölkerung durchgeführt werden kann. Der § 8 der Verordnung nennt alle Aufgaben, die durch die Gesundheitsämter wahrzunehmen sind. Es müssen wahre Meisterleistungen von den Mitarbeitern vollbracht werden. Sie haben sicher auch zum Teil eine universelle Ausbildung, aber ich muss natürlich hier nachfragen, in wessen Sinne die Gesundheitsämter im Moment in dieser Art und Weise arbeiten müssen, auch zukunftsmäßig. Es kann natürlich sein, ich weiß nicht, ob es zusammenhängt mit einer Verwaltungsmodernisierung, das wäre aber auf keinen Fall dann im Sinne des Gesundheitswesens, der Gesundheitspolitiker.
Ein weiterer Punkt ist: Während beim Fachpersonal gespart wird, wurde beim Verwaltungspersonal nicht gespart, sondern sogar aufgestockt. Wenn aber die Aufgaben der Prävention Priorität haben sollen, dann muss ich fragen: Wie und mit wem vor allem soll die Umsetzung erfolgen und das in einer Zeit, wo die Anforderungen an den Verbraucherschutz - wir wissen alle, wovon wir reden - in allen Bereichen steigen und die Vorgaben des Aktionsprogramms der Europäischen Union umzusetzen sind? Soll das - und ich nehme das Wort jetzt in den Mund - mit Rumpfgesundheitsämtern erfolgen und vor allen Dingen mit Verwaltungsfachleuten? Von Verantwortungsträgern in diesen Bereichen in Thüringen wird mir immer wieder ge
sagt, wir leben heute noch vom Fachpersonalbestand der DDR. Es sind die besser qualifizierten Fachkräfte und es sind nicht immer die Leute aus den neuen Bundesländern, die das sagen. Eine dreijährige Ausbildung zum Hygieneinspektor oder eine fünfjährige Ausbildung zum Hygieneingenieur gibt es nicht mehr. Dafür gibt es in den alten Bundesländern den Gesundheitsaufseher mit einer drei- bzw. jetzt neu sechsmonatigen Ausbildung. Hier frage ich: Welches fachliche Vermögen bringt der Gesundheitsaufseher für die steigenden Anforderungen für seine Aufgaben mit? Das in einer Zeit, wo die qualitativ neuen Herausforderungen auf den Gebieten der Gesundheitsförderung und der Epidemiologie bei der Wahrnehmung für eine spezifische Verantwortung für eine kommunale Gesundheitspolitik eine besondere Beachtung finden.
Meine Damen und Herren, der öffentliche Gesundheitsdienst ist wieder zu einer tragenden dritten Säule des Gesundheitssystems zu entwickeln.
Seine wachsende Bedeutung ergibt sich unter anderem aus der Erkenntnis, dass die gegenwärtig durch vorwiegend krankheitsorientierte Sicht der Medizin durch eine gesundheitserhaltende und gesundheitsfördernde Zielstellung ergänzt werden muss. Die anderen beiden Säulen, Ambulanz, stationärer Bereich und Rehabilitation sind in ihrer Struktur, Organisation und Finanzierung fast ausschließlich auf die Erkennung, Heilung bzw. Linderung von Krankheiten oder auf die Wiederherstellung nach Krankheiten gerichtet. Der ÖGD - der öffentliche Gesundheitsdienst - hat keine unmittelbare Beziehung zur gesetzlichen Krankenversicherung. Der öffentliche Gesundheitsdienst nimmt hoheitlich die staatliche Aufgabe des Gesundheitsschutzes wahr, da, denke ich, liegt die Verantwortung. Im Rahmen der Globalisierung, der Europäisierung und der Technisierung werden hohe Anforderungen einer Vielzahl von fachlichen Sachgebietsaufgaben, wie z.B. - darüber haben Sie gesprochen - die Kontrollaufsicht über die Trinkwasserversorgung, die Krankenhaushygiene - ein sehr wichtiger Punkt -, Gemeinschaftseinrichtungen hinsichtlich hygienischer Pläne usw., Epidemiologie gestellt. Sie stellen eine enorme Herausforderung an den ÖGD dar. Diese und andere Aufgaben sind aus Sicht des Amts und der Kommunalverwaltung mit einem hohen Verantwortungspotential wahrzunehmen. Noch etwas anderes, worauf ich hinweisen möchte, was man vielleicht immer vergisst: Der öffentliche Gesundheitsdienst hat aber auch als Anwalt für Chancengleichheit für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Aufgaben wahrzunehmen. In diesem Sinne ist der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst bedarfsgerecht zu erweitern. Die Untersuchungen bei Schulanfängern in Thüringen - und das harmoniert durchaus mit unserer Debatte heute früh zur Schulpolitik - zeigen eine Zunahme bei Übergewicht, zunehmende Verhaltensstörungen - über 10 Prozent der Schulanfänger mit hoher Dunkelziffer -, Koordinations- und Bewegungsstörungen und Sprachstörungen. Auch die schon sichtbare Situation von
Drogenmissbrauch und Gewalt verlangt nach einer multiprofessionellen Zusammenarbeit an den Schulen und zu einer erziehungs- bzw. beziehungsförderlichen Kinder- und Jugendarbeit.
Die Erkenntnis und das zum Teil vorliegende Material infolge der Großen Anfrage sind für mich erschreckend und alarmierend zugleich. Sie standen bisher in keinem Gesundheitsbericht des Landes, aber daraus müssen natürlich Schlussfolgerungen gezogen werden. Ich war heute früh ziemlich entsetzt, weil Sprache sehr verräterisch ist, als Herr Emde hier von der Quote des Versagens sprach. Mich erschreckt das sehr, da muss man an dieser Stelle über sehr viel nachdenken, auch über Worte, die man wählt.
Meine Damen und Herren, wir fordern deshalb nicht nur eine regelmäßige Gesundheitsberichterstattung der Landesregierung, die auch über die Situation der Kinder und Jugendlichen Auskunft gibt, wir fordern auch die Aufnahme sozialer Indikatoren sowie
eine Gesundheitsplanung, die sich an Gesundheitszielen für Thüringen orientiert.
Regionale und Landesgesundheitskonferenzen mit allen Akteuren in diesem Bereich würden zu einer stärkeren Herausbildung von Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung beitragen. Ich will dazu sagen: Mir ist durchaus bewusst, Gesundheitswochen finden statt, sie sind sehr lobenswert, aber doch nicht ausreichend, Herr Minister. Da werden Sie mir sicher Recht geben.
Meine Damen und Herren, ich will auf eine andere Problematik an der Stelle noch eingehen, was heute durchaus auch von Herrn Althaus schon zur Sprache kam, was die Demographie anbelangt. Wie, verehrte Damen und Herren, werden in Thüringen die geriatrischen und geriantopsychiatrischen Dienste in Qualität und Quantität den wachsenden Anforderungen in diesem Bereich gerecht? Wir wissen, dass wir mit einer Zunahme von hochaltrigen Menschen zu rechnen haben. An dieser Stelle auch eine Einflechtung: Die Wartelisten für einen Pflegeplatz werden immer länger und Krankenhäuser, die Patienten in ein Pflegeheim zu verlegen haben, können Ihnen sagen, vor welchem Problem sie stehen.
Meine Damen und Herren, da die Gefährdung der Gesundheit in hohem Maße aus Belastungen der Lebens-, Arbeitsund Umweltverhältnisse resultiert, die der Einzelne nur wenig beeinflussen kann, muss es Ziel der Gesundheitspolitik sein, mit eigenen Konzepten einer Verhaltenspräven
tion, die äußeren und sozialen Bedingungen im Sinne der Gesundheit zur allgemeinen Förderung zu gestalten. Auch hier kommt dem öffentlichen Gesundheitsdienst, wie auch bei der Verbesserung der Voraussetzungen für die individuelle gesundheitsfördernde Lebensgestaltung, also die Verhältnisprävention, eine wichtige Rolle zu. Gesundheitsförderung kann krankheitsverhütend und damit auch kostensenkend sein. Was ich an dieser Stelle sehr bedauere, ist, dass das allerdings nicht in Wahlperioden messbar sein wird, sondern ein langwieriger Prozess, aber mit Sicherheit ein ausgesprochen sinnvoller.
Meine Damen und Herren, die Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes sind gravierend. Ich habe hier auch Zahlen genannt. Ich denke durchaus, dass wir uns auch an dieser Stelle auf dem Boden des Grundgesetzes befinden, denn das Prinzip der Sozialstaatlichkeit ist grundlegendes und verbindliches Staatsziel und ist als Regelungs- und Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber zu verstehen und ist auf den Ausgleich der sozialen Gegensätze zu richten. Das Sozialstaatsprinzip leitet sich aus der Volkssouveränität ab und darauf gerichtet, den Rechtsstaat zur Annäherung an das Ziel soziale Gerechtigkeit zu führen. Dazu müssen konkrete gesetzliche Regelungen, die dann tatsächlich zur Wirksamkeit kommen müssen, geschaffen werden.
Das, denke ich, sollten wir tun. Uns ging es vor allem noch einmal darum. Wir schlagen auch vor, die SPD hat mir das zumindest auch signalisiert, das auf alle Fälle im Ausschuss weiter zu behandeln und auf die Tagesordnung zu setzen und uns diesen Problemen intensiv zu widmen, denn, ich denke, gerade der öffentliche Gesundheitsdienst muss vieles leisten, was nicht so in der Öffentlichkeit ist. Gerade in diesen Bereichen ist in den letzten Jahren ganz erheblich an verschiedenen Stellen an Personal abgebaut worden. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Zahlungsmoral der Krankenkassen in Thüringen
Laut einer Pressemitteilung vom April des Jahres hat die Thüringer Landeskrankenhausgesellschaft die Zahlungsmoral der Krankenkassen beklagt und auf Forderungen von Kliniken hingewiesen. Deren Außenstände betrugen zum Stichtag 15. Januar 2002 76,8 Mio.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie nimmt die Landesregierung ihre Rechtsaufsicht hinsichtlich der Zahlungsmoral der Krankenkassen, insbesondere der AOK Thüringen, wahr?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die aus dieser Situation entstehenden Liquiditätsprobleme von Kliniken?
3. Wie ist der gegenwärtig aktuelle Stand der Begleichung von Rechnungen durch die Krankenkassen?