Protocol of the Session on January 30, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Vertreter auf den Regierungsbänken und Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserer heutigen 78. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 30. Januar 2003, die ich hiermit eröffne.

Als Schriftführer haben neben mir Frau Abgeordnete Wackernagel und Herr Abgeordneter Huster Platz genommen. Herr Abgeordneter Huster wird die Rednerliste führen. Es haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt Herr Minister Gnauck, Frau Abgeordnete Sedlacik und Herr Abgeordneter Wunderlich.

Ich habe einige Hinweise zur Tagesordnung zu geben. Die Tagesordnung wird wie folgt ergänzt:

Zu TOP 2: Die angekündigte Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung "Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Haushaltsgesetzes 2001/2002 und des Gesetzes zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes" hat die Drucksachennummer 3/3100. Als Berichterstatter wurde Abgeordneter Gerstenberger benannt.

Zu TOP 3: Zum Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 3/2692 - "Gesetz zur Änderung des Thüringer Krankenhausgesetzes und zur Einführung der Meldepflicht an das Gemeinsame Krebsregister" wurde ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/3108 verteilt.

Zu TOP 10: Der angekündigte Gesetzentwurf der Fraktion der SPD "Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes" hat die Drucksachennummer 3/3093.

Zu TOP 13 a: Der angekündigte Antrag der Fraktion der SPD "Krieg im Irak verhindern" hat die Drucksachennummer 3/3088.

Zu TOP 13 b: Der angekündigte Antrag der Fraktion der PDS "Nein zum Krieg - Ja zum Frieden" hat die Drucksachennummer 3/3090.

Zu TOP 15 - Fragestunde: Hier kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Drucksachennummern 3/3085, 3/3086, 3/3097, 3/3098, 3/3101 und 3/3103.

Außerdem hat die Landesregierung angekündigt, zu dem Tagesordnungspunkt 11 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Gibt es Ergänzungen oder weitere Hinweise? Ja, Frau Abgeordnete Nitzpon.

Die PDS-Fraktion beantragt, den in der Frist eingereichten Antrag in Drucksache 3/3091 "Bundesratsinitiative zur Änderung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen - Landwirtschaft und Gartenbau" auf die Tagesordnung zu setzen.

Das ist ein Antrag und würde dann - wenn er aufgenommen wird - in der Reihenfolge der Anträge kommen. Gibt es weitere Wünsche? Ja bitte, Herr Abgeordneter Pidde.

Im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich, dass der Antrag "Betriebswirtschaftliche Situation des Erlebnisbades Teistungen und dessen Perspektiven" in Drucksache 3/3083 in die Tagesordnung aufgenommen wird und ebenfalls in der Reihenfolge der Drucksachen unter den Anträgen abgearbeitet wird. Außerdem wollte ich beantragen, dass der Gesetzentwurf "Thüringer Gesetz zu dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag", da es dort keine großen Diskrepanzen gab, morgen in zweiter Lesung beraten wird.

Gut. Das war dann Punkt 6, o.k. Dann stimmen wir darüber ab. Ach, noch ein Wunsch, Entschuldigung, Herr Abgeordneter Stauch.

Nur noch einen Antrag zur Einordnung, und zwar bitten wir darum, dass der Tagesordnungspunkt 13 mit den Unterpunkten a und b morgen als erster Tagesordnungspunkt zum Aufruf kommt.

Gut. Das ist der Platzierungswunsch für Tagesordnungspunkt 13 a und b.

Dann stimmen wir über die vorgebrachten Ergänzungswünsche ab. Zunächst der Antrag der Fraktion der PDS: Wer der Aufnahme der Drucksache 3/3091 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist eine übergroße Mehrheit, jedenfalls ausreichend. Gegenstimmen? Enthaltungen? Nicht. Dann nehmen wir das einstimmig auf und würden es am Ende der Anträge, also nach der jetzt noch hier stehenden Fassung nach Punkt 13 a und b einordnen.

Dann haben wir den Antrag der SPD-Fraktion in Drucksache 3/3083. Wer dem zustimmt, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Darüber besteht auch große Einmütigkeit im Haus. Gegenstimmen? Enthaltungen? Nicht. Also, dann werden wir - zwar im Inhalt wahrscheinlich nicht einstimmig, aber zumindest die Aufnahme einstimmig über Teistungen auch im Rahmen des Plenums debattieren. Das kommt dann nach dem PDS-Antrag. Wie?

Der Antrag ist eher eingereicht worden und hat auch eine frühere Drucksachennummer. Ich bitte um Aufnahme nach Tagesordnungspunkt 12.

Gut. Das würde vorausschicken, dass Tagesordnungspunkt 13 morgen behandelt wird. Dann machen wir das entsprechend der Drucksachenfolge, auch wenn Frau Nitzpon sich eher gemeldet hat, aber die Drucksachenfolge ist, glaube ich, entscheidend. Also nach Tagesordnungspunkt 12 Teistungen und dann die Bundesratsinitiative von Seiten der PDS-Fraktion.

Zu Tagesordnungspunkt 6: Wenn das ohne Ausschussüberweisung ist, dann zweite Lesung gleich am morgigen Tag. Da ist eine Fristverkürzung, darüber müssten wir abstimmen. Ich sehe allgemeines Nicken, dann stimmen wir darüber ab, wenn der Tagesordnungspunkt aufgerufen wird.

Jetzt haben wir noch abzustimmen - ich bitte um Ruhe -, Herr Stauch hat für die CDU-Fraktion vorgetragen, morgen als ersten Punkt TOP 13 a und b zu behandeln. Ich nehme an, die antragstellenden Fraktionen sind damit einverstanden? Gut, dann verfahren wir so, dass wir das morgen als ersten Punkt aufrufen und ich kann damit die Tagesordnung für heute und morgen feststellen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1

Bericht der Landesregierung zu dem Thema "Hochwasser in Thüringen und seine Folgen" dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3084

Ich darf die Landesregierung bitten, Herr Innenminister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle hatten die Hochwasserbilder vom August, vor allem aus Sachsen, aber auch aus unseren östlichen Landesteilen, noch vor Augen; Bilder von steigenden Wasserständen, Bilder von verzweifelten Menschen, Bilder

von tatkräftigen Helfern. Während diese Bilder noch in unseren Köpfen umhergingen, kam zum Jahreswechsel schon die nächste Flut. Kein Rekordhochwasser wie im letzten August, keine Schäden in Milliardenhöhe, aber auch dieses Hochwasser verursachte in Thüringen große Schäden. Mit vereinten Kräften haben Landesregierung, Kommunen, Einsatzkräfte und viele Bürger schlimmere Schäden verhindert. Die erste Hochwasserwelle erfasste vor allem Nord-, aber auch Mittelthüringen. Schwerpunkte waren das Eichsfeld und Nordhausen. In Sondershausen mussten die Helfer Deiche erhöhen. Damit gelang es, die Überflutung der Stadt zu verhindern und große Not abzuwenden. Anfang Januar kam die zweite Welle, Schwerpunkte waren diesmal die Gebiete um Werra, Unstrut und Saale.

Besonders vom Hochwasser bedroht waren der Landkreis Sömmerda und der Kyffhäuserkreis. Beide Landkreise brauchten und bekamen Hilfe auch aus anderen Landkreisen. In neun Landkreisen und zwei kreisfreien Städten musste der Thüringer Umweltminister die Hochwasserstufe 3 ausrufen. In fast allen Landkreisen und kreisfreien Städten absolvierte die Feuerwehr örtliche Einsätze, etwa um Keller auszupumpen oder Schwemmgut wegzuräumen.

Als die Verschärfung der Lage absehbar war, haben wir am 2. Januar im Innenministerium eine Führungsgruppe eingerichtet. In dieser Gruppe waren auch Mitarbeiter des Thüringer Landesverwaltungsamts eingebunden. Mit großem Engagement und zielgerichtet haben die Beamten und Angestellten dieser Gruppe die überkreisliche Hilfe koordiniert, d.h. die Hilfe von Feuerwehr, THW, Bundeswehr, Polizei und Bundesgrenzschutz. Engen Kontakt haben unsere Mitarbeiter im Innenministerium zum Einsatzstab unseres Thüringer Umweltministeriums gehalten, ebenso zu den Einsatzstäben der betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte. Kontinuierlich haben Landesregierung und Umweltämter die Einsatzstäbe vor Ort über die Wetterentwicklung informiert, insbesondere über die aktuellen Pegelstände und ihre mutmaßliche Entwicklung. Auf dieser Basis konnten die Helfer zeitnah Gegenmaßnahmen einleiten oder Entwarnung geben.

Durch die konstruktive Kooperation aller Beteiligten ist es uns gelungen, Informationsverluste zwischen den Einsatzstäben ebenso zu vermeiden wie lange Meldewege beim Hochwassermeldedienst. Dafür gebührt allen Koordinatoren mein Dank.

(Beifall bei der CDU)

Trotz der großartigen Arbeit aller Beteiligten verschärfte sich die Lage in manchen Orten und insbesondere im Ortsteil Leubingen der Stadt Sömmerda. Am 4. Januar morgens mussten die Helfer nach heftigen Niederschlägen die Leubinger Bevölkerung evakuieren, denn es drohte ein Deichbruch. Viele Bürger haben sich entschieden, Haus und Hof zu verlassen und, was wichtig dabei ist, die Polizei hat das evakuierte Gebiet besonders gesichert. Für

Transport, Unterbringung und Evakuierung haben die Verantwortlichen vor Ort gesorgt. Erst am Morgen des 7. Januar, 3 Tage später also, konnten wir die Evakuierung aufheben. Letztendlich gelang es, den Deich zu halten und den Ort vor schlimmeren Schäden zu bewahren - ein großer, bemerkenswerter Erfolg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nach Entspannung der Lage haben wir vorsorglich die vorhandenen Hochwasserschutzräume entlastet einschließlich weiterer Rückhaltung an Brauchwassertalsperren. Ohne dieses Freimachen von eingestautem Hochwasserrückhalteraum hätte eine mögliche dritte Hochwasserwelle katastrophale Auswirkungen haben können. Durch kontrollierten Ablass haben wir an verschiedenen Flussläufen die Hochwasseralarmstufen noch einige Zeit aufrechterhalten. Gegenwärtig sind die Hochwasserschutzräume wieder aufnahmebereit und stehen in vollem Umfang zur Verfügung.

Ein paar Bemerkungen zu den Schäden: Inzwischen verfügen wir über erste Angaben zu den Hochwasserschäden. Die Angaben beruhen auf Schadensmitteilungen, die Betroffene gegenüber den Landratsämtern und kreisfreien Städten gemacht haben. Eine genaue Prüfung dieser Angaben hat noch nicht stattgefunden. Aus den Angaben geht auch noch nicht hervor, inwieweit Leistungen Dritter, z.B. Versicherungen, zum Tragen kommen und ob existenzgefährdende Schäden zu verzeichnen sind.

Die vorläufige Erhebung des Schadensumfangs ist erforderlich, um die Voraussetzungen für die Anerkennung des Schadensereignisses zu prüfen. Nach der Verwaltungsvorschrift über die Gewährung staatlicher Finanzhilfen bei Elementarschäden können nach Feststellung eines solchen Schadensereignisses Betroffenen in außergewöhnlichen Notlagen Beihilfen gewährt werden. Hierzu werden bei den Landratsämtern Schadenskommissionen gebildet, die die Einzelanträge der jeweils Betroffenen prüfen.

Nach den vorliegenden Angaben beläuft sich die Schadenshöhe im kommunalen, gewerblichen, landwirtschaftlichen und privaten Bereich auf ca. 11. Mio.  zwei Drittel der angegebenen Schäden sind im kommunalen und landwirtschaftlichen Bereich zu verzeichnen. Hinzu kommen die durch das Umweltministerium vorläufig erhobenen Schäden an Gewässern erster Ordnung in Höhe von rund 8,9 Mio. 

Über die Hälfte aller gemeldeten Schäden entfallen auf die vom Hochwasser am stärksten betroffenen Landkreise Kyffhäuserkreis und Sömmerda, wobei es sich im Kyffhäuserkreis vorwiegend um Schäden im landwirtschaftlichen Bereich und in Sömmerda in erster Linie um Schäden an kommunalen Einrichtungen handelt. Die höchste Anzahl von Einzelmeldungen stammt aus dem Wartburgkreis, dem Kyffhäuserkreis und dem Landkreis Nordhausen.

Für fünf Kreise hat die Landesregierung bereits das Schadensereignis im Sinne der Verwaltungsvorschrift festgestellt. Es handelt sich hierbei um den Kyffhäuserkreis, den Landkreis Sömmerda, den Saale-Orla-Kreis, den Landkreis Hildburghausen und den Saale-Holzland-Kreis. Diese Landkreise sind nun verpflichtet, Schadenskommissionen zu bilden und Anträge auf Finanzhilfen zu prüfen.

Ich betone noch einmal: Die vorläufige Schadensermittlung für ganz Thüringen beruht bislang ausschließlich auf den Angaben Betroffener. Über exakte Zahlen werden wir erst dann verfügen, wenn die Schäden durch die Schadenskommissionen in den Kreisen genau geprüft sind. Ich habe bereits jetzt in einem Brief an Minister Schily darum gebeten, zu prüfen, ob es möglich ist, die überschüssigen Mittel für das Augusthochwasser zumindest teilweise zur Regulierung der Thüringer Schäden bereitzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Dr. Sklenar hat seinerseits an Frau Ministerin Künast und Herrn Minister Trittin Anträge auf Unterstützung für die Landwirtschaft und den Hochwasserschutz gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, um eine Bilanz des Einsatzes gegen das Hochwasser zu ziehen, veranstalten das Innenministerium und das Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt am 3. Februar 2003 eine Hochwasserfolgekonferenz. Eingeladen sind die am stärksten vom Hochwasser betroffenen Landkreise Nordhausen, Sömmerda und Kyffhäuserkreis sowie der Thüringer Feuerwehrverband und Vertreter der am Einsatz beteiligten Landes- und Bundesbehörden. Zweck dieser Veranstaltung ist es, sich auszutauschen, zu bilanzieren und Erkenntnisse für künftige Schadensfälle zu gewinnen. Auf der Konferenz sind deshalb Fragen der Hochwasservorbeugung ebenso zu erörtern wie konkrete Überlegungen zur Hochwasserbekämpfung. Dabei werden wir uns auch mit dem Ergebnis des Kirchbach-Berichts befassen.

Bereits heute können wir feststellen, kommunale Aufgabenträger und der Freistaat haben in den letzten Jahren große Summen in die Ausbildung und Ausrüstung der Feuerwehren investiert. Das sind gute Investitionen in die Sicherheit der Menschen in Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen tun wir für unsere Feuerwehren und damit für die Sicherheit der Bürger alles, was wir können. Wir haben ein hohes Niveau aufgebaut. Nützlich waren insbesondere auch die dezentralen Kat.-Schutzlager, mit deren Errichtung wir infolge des 11. September 2001 begonnen haben, denn diese Lager enthalten auch Ausrüstungen und Materialien zur Hochwasserabwehr. Die Kräfte der Gefahrenabwehr haben bei

den jüngsten Hochwassern Großartiges geleistet, dies, obwohl es gleich mehrere Schwerpunkte gab. Durch kompetente Koordinierung haben wir es geschafft, Mensch und Material zeitnah zu den Orten der Not zu bringen.

Ein paar Zahlen zum Schluss: Im Einsatz gegen das Hochwasser halfen mehr als 300 Thüringer Feuerwehren mit über 6.000 Feuerwehrleuten. Hinzu kamen zwei Kompanien der Bundeswehr mit rund 200 Soldaten und mehrere Züge der Bereitschaft. Zum Einsatz kamen zudem drei Hubschrauber des BGS, viele THW-Helfer, private Hilfsorganisationen und Polizeitaucher. Angepackt haben vor allem auch viele einzelne Bürger und Betriebe. In Leubingen halfen in Spitzenzeiten 1.000 Helfer gleichzeitig. Zur Sicherung von Gebäuden und Deichen haben alle Helfer rund 700.000 Sandsäcke verbaut, Sandsäcke übrigens, die auch aus Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt kamen. Für die Landesregierung danke ich nochmals allen Helfern und Aktiven sowie den vielen Ehrenamtlichen als auch den Hauptamtlichen.