Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Vertreter auf den Regierungsbänken, verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu einer besonderen Plenarsitzung - ich sehe nämlich gerade, es ist die 100. Plenarsitzung - des Thüringer Landtags am 30. Januar 2004. Als Schriftführer haben neben mir Frau Abgeordnete Wackernagel und Herr Abgeordneter Carius Platz genommen. Herr Abgeordneter Carius wird die Rednerliste führen. Für die heutige Sitzung haben sich Herr Minister Reinholz - wenn das noch stimmt, denn aus anderen Gründen soll er nämlich da sein - und Frau Abgeordnete Vopel entschuldigt. Nun habe ich die angenehme Aufgabe, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, noch einen besonderen Gast auf der Besuchertribüne zu begrüßen, nämlich meinen hessischen Kollegen, den Präsidenten des hessischen Landtags, Herrn Kollegen Kartmann. Herzlich willkommen für dieses schöne Zeichen hessisch-thüringischer Verbundenheit.
Er wird noch einige Termine heute im Haus und auch in unserer schönen Landeshauptstadt Erfurt wahrnehmen.
Damit kommen wir jetzt zur ausgewiesenen Tagesordnung, und zwar zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1
Regierungserklärung des Kultusministers zum Thema "Thüringer Medien - Aufbruch, Beschleunigung, Chancen" dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3935
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrte Gäste, was haben ein Leguan, ein Spatz und ein Brot mit Thüringer Medien zu tun? Nach dieser Regierungserklärung soll nicht nur diese Frage beantwortet, sondern die Medienlandschaft Thüringens in ihren wesentlichen Zusammenhängen erkennbar sein. Medien im hier verstandenen Sinne sind die technischen Träger menschlicher Kommunikation. Alt, aber immer noch modern sind die Printmedien, jung, und schon deswegen modern sind die Digitalmedien, zeitlos modern sind die Rundfunkmedien, kommen sie doch in ihrer Wirkung den natürlichen Trägern mensch
Medienpolitik hat die verschiedenen Aspekte dieser Medien zum Gegenstand, insbesondere den Meinungs-, den Wirtschafts- und den Kulturaspekt. In unserer föderalen Ordnung sind damit sofort unterschiedliche staatliche Kompetenzebenen angesprochen, was wegen zahlreicher Überschneidungen nicht ohne Widersprüche bleibt. So will z.B. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement nach jüngsten Zeitungsberichten mit der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch die Pressefusionskontrolle erheblich lockern. Wettbewerbsrecht ist eindeutig Bundesangelegenheit, Presserecht allerdings ebenso eindeutig Länderkompetenz. Noch ist der Entwurf nicht eingebracht, wenn es soweit ist, bleibt im Bundesrat zu klären, inwieweit diese Novelle mit dem Gebot der Presseund Meinungsfreiheit nach Thüringer Pressegesetz vereinbar ist. Eine deutliche Trennung von Bundes- und Landespolitik ist nicht zuletzt dank Bundesverfassungsgericht im Rundfunkbereich erreicht. Bis auf den Auslandsrundfunk liegt die Rundfunkkompetenz allein bei den Ländern, die diese durch die Fortschreibung des Rundfunkstaatsvertrags auch permanent ausfüllen. Eine Verbindung zum Bundeskartellamt gibt es aber auch hier. Die Initiative liegt aber dabei bei der von den Ländern eingerichteten Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich.
Die Digitalmedien schließlich haben die hergebrachten Grenzen von Bundes- und Landespolitik mehrfach überschritten. Das liegt daran, dass die Digitaltechnik zur Konvergenz von bisher sehr unterschiedlichen Technologien in der Individual- und Massenkommunikation führte. Obwohl rein technisch damit ein völliges Verschmelzen der konventionellen Leitmedien möglich wäre, zeichnet sich aber doch ab, dass der Nutzer auch zukünftig eine Differenzierung in Print- und Rundfunkmedien wünscht. Darüber hinaus wird das Internet als neues Medium begrüßt und umfassend genutzt. Die Politik hat insofern mit Neufassungen des Telekommunikationsgesetzes, des Jugendschutzgesetzes und des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes durch den Bund sowie mit der Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrages, der Neuschaffung eines Mediendienstestaatsvertrages und eines Jugendmedienschutzstaatsvertrages durch die Länder reagiert. Die Novellierungen im Bereich des Jugendmedienschutzes waren mit einer sinnvollen Entflechtung der Bund-LänderZuständigkeiten verbunden, die nicht zuletzt auch durch die Gewalttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium beschleunigt wurde.
Medienpolitik, dies bedeutet nicht nur ein Zusammenwirken von Bund und Ländern, sondern auch eine Auseinandersetzung mit europäischem Recht, z.B. der EU-Fernsehrichtlinie zu Teleshopping, die es zu berücksichtigen galt. Manchmal war sogar unberechtigte Kritik der Europäischen Union abzuweisen, wie z.B. die zeitweise Be
wertung der Rundfunkgebühr in Deutschland als unzulässige Beihilfe. Der Freistaat Thüringen konnte seit 1990 diese Entwicklung in Deutschland aktiv mitgestalten. Verschiedene medienpolitische Ereignisse gaben immer wieder Anlass, zu einzelnen Aspekten der Thüringer Medienpolitik vor dem Thüringer Landtag Stellung zu nehmen. Heute soll erstmalig dazu in einer Regierungserklärung eine gesamtheitliche Standortbestimmung vorgenommen und die daraus folgende Zukunftsperspektive entwickelt werden.
Beim Aufbruch in eine demokratische Gesellschaft 1989/90 war die Herstellung der Meinungs- und Pressefreiheit eine vorrangige Aufgabe, hatten doch zwei Diktaturen fast sechs Jahrzehnte lang Meinungen unterdrückt und Medien durch staatliche Zensur und Gleichschaltung politisch missbraucht. Die Pressefreiheit als unverletztliches Grundrecht zählt zu den großen Gewinnen der Wende und der deutschen Einheit. Dafür lohnt sich im Konfliktfall jeder öffentliche Streit. Dafür haben nicht zuletzt Menschen wie Jürgen Fuchs, der Namensgeber der Straße vor diesem Plenarsaal, gekämpft und gelitten.
Thüringen hat sich durch den Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes dessen demokratische Grundsätze zur Meinungs- und Medienfreiheit zu Eigen gemacht und durch Übernahme in die eigene Verfassung bekräftigt. Unverzüglich ging man daran, das dadurch definierte Feld der Medienpolitik durch gesetzliche Regelungen praktisch zu gestalten. Dabei ging und geht es darum, ein Gleichgewicht zwischen den eingangs bereits genannten Meinungs-, Wirtschafts- und Kulturaspekten der Medien herzustellen.
Der Aufbau einer dualen Rundfunkordnung war wesentliches Fundament des demokratischen Neubeginns. Am 3. Oktober 1990 stand mit der so genannten Einrichtung nach Artikel 36 des Einigungsvertrags der Rest des DDRRundfunks zur Neustrukturierung durch die neuen Länder zur Verfügung. Mit dem Aufbau des ZDF-Landesstudios Thüringen ab 1990, mit dem MDR-Staatsvertrag von 1991 und dem Thüringer Privatrundfunkgesetz aus dem gleichen Jahr sowie dessen Fortschreibung zum Thüringer Rundfunkgesetz 1996 und zum Thüringer Landesmediengesetz 2003 ist die Entwicklungslinie einer freiheitlichen dualen Rundfunkordnung in Thüringen gekennzeichnet. Ein Modell, das eine breite Akzeptanz unter der Bevölkerung und Aufmerksamkeit in ganz Deutschland gefunden hat.
Beim Umbau des zentralistischen DDR-Rundfunksystems in ein freiheitliches duales System haben wir von Anfang an auch auf eine wirtschaftlich lebensfähige Struktur geachtet. Ganz bewusst haben wir uns strategisch mit dem Mitteldeutschen Rundfunk für eine Drei-Länder-Anstalt entschieden und damit an einen historischen Vorläufer, den ersten Mitteldeutschen Rundfunk 1924 in der Weimarer Republik und den zweiten Mitteldeutschen Rundfunk unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg 1945, angeknüpft. Wir haben ein eigenes MDR-Landesfunkhaus Thüringen durchgesetzt, heute ein Stück Thüringer Identität. Dieses Landesfunkhaus war auch der Kristallisationspunkt für die erfolgreiche Ansiedlung des Kinderkanals im Jahre 1997 in Erfurt.
Der MDR ist mit 9 Prozent Marktanteil überregional bekannt und in der ARD Vorreiter zahlreicher neuer Entwicklungen. Dies gilt vor allem für das Nachmittagsprogramm und erfolgreiche Formate. So ist etwa die MDRSendung "In aller Freundschaft" derzeit die erfolgreichste Arztserie mit bundesweit fast 18 Prozent Marktanteil und 5,2 Mio. Zuschauern.
Für das Fernsehen lautete 1991 die Landesvorgabe, eine flächendeckende Versorgung für die öffentlich-rechtlichen Regionalprogramme vorzuhalten. Das ist gelungen. Das regionale MDR-Fernsehprogramm ist klar auf Thüringen zugeschnitten. Dennoch gibt es einen Wermutstropfen. Das für Thüringen produzierte Landesfenster ist mit seinem "Thüringen-Journal" nicht überall in Thüringen mit analoger Gerätetechnik empfangbar. Terrestrisch oder per digitaler Satellitenübertragung steht das entsprechende Signal jedoch thüringenweit zur Verfügung. Das regionale Programm kann somit von den Rundfunkteilnehmern mit einer geeigneten technischen Ausrüstung direkt empfangen oder von Kabelnetzbetreibern in ihre Anlagen eingespeist werden. Allein schon vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Übertragungsweg Terrestrik zu erhalten.
Die MDR-Hörfunkangebote setzen in Thüringen zum Beispiel mit MDR 1 Radio Thüringen und länderübergreifenden Programmen ein passgenaues, auf Thüringen und Mitteldeutschland bezogenes Angebot um. Hier will ich nur die erweiterten Ausstrahlungszeiten der Nachrichtenredaktion etwa um 12.00 Uhr, 17.00 Uhr und 22.00 Uhr erwähnen. Dass man es nicht immer allen recht machen kann, habe ich selbst dieser Tage erfahren, als mein geschätzter MDR-Kultur mit der Verwandlung in MDR-Figaro bei der Klassik einige Haare lassen musste.
Einige Anmerkungen zur aktuellen Gebührendiskussion: Mit dem durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem werbefinanzierten Privatrundfunk haben wir ein wohl ausgewogenes duales System im so genannten Free-TV-Bereich aufgebaut. Man sollte
durchaus ab und zu einmal nachrechnen, was man für das zwischen Information, Kultur, Bildung, Beratung und Unterhaltung ausgewogene öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramm ausgeben müsste, wenn man es als Pay-TV einkaufen wollte. Akzeptanz findet der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Dauer aber nur dann, wenn von ihm eine allgemein anerkannte Grundversorgung geliefert wird. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat am 8. Januar 2004 ihre Empfehlung abgegeben, die monatliche Rundfunkgebühr ab dem 1. Januar 2005 um 1,09 auf dann 17,24 sind nach dem gesetzlichen Verfahren nunmehr aufgefordert, unter dem Blickwinkel der Sozialverträglichkeit diese Empfehlung zu prüfen.
Im Gespräch sind auch ein Moratorium oder eine Halbierung der kommenden Gebührenperiode bei gleichzeitiger Reduzierung der Gebührenerhöhung. Der letztgenannte Vorschlag aus Thüringen könnte ohne Gefährdung des Bestands und der Entwicklung der Anstalten kurzfristig Raum für eine Strukturreformdiskussion schaffen, ein einfaches Moratorium nicht.
Der Erfurter Kinderkanal von ARD und ZDF mit einem Gebührenanteil von nur 16 Cent pro Monat und Teilnehmer ist noch immer das einzige bundesweit ausgerichtete öffentlich-rechtliche Fernsehangebot, das aus den neuen Ländern gesendet wird. Schon allein deshalb muss der jüngsten Forderung nach Kürzung der Sendedauer entschieden widersprochen werden.
Meine Damen und Herren, die Konzentration aller Kinderfernsehkapazitäten der ARD und des ZDF in Erfurt wäre das richtige Signal zur aktuellen Strukturdiskussion.
Thüringen hat sich von Anfang an im Unterschied zu einigen maßgeblichen alten Ländern für die bundesweiten öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme Deutschlandradio und Deutschlandfunk eingesetzt. Auch nach Herstellung der deutschen Einheit wollen wir nicht auf die Integrationskraft solcher Programme verzichten. Dazu war insbesondere für den Deutschlandfunk die bundesgesetzliche durch eine staatsvertragliche Grundlage zu ersetzen und in das Deutschlandradio die Substanz von RIAS Berlin und DS Kultur einzubringen. Beide Programme sind im Ergebnis einer entsprechenden Frequenzvergabe zwar in Thüringen besser zu empfangen als in den meisten anderen Ländern, aber es gibt auch hier immer noch einige Frequenzlöcher. Es besteht die Hoffnung, dass bald auch diese Engpässe beim Übergang zur Digitalisierung überwunden werden. Das Engagement des Deutschlandradios bei der DAB, also Digital Audio Broadcasting-Ausstrahlung, ist deshalb besonders zu würdigen.
Meine Damen und Herren, vor 20 Jahren, im Januar 1984, wurde mit dem Start des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen das bis dahin existierende öffentlich-rechtliche Monopol des Rundfunks gebrochen. Herr Dr. Vogel, Sie haben wesentlich diesen medienpolitischen Urknall mit gezündet, auch wenn Sie sich in späteren Jahren mitunter recht kritisch über so manche Programme äußern mussten. Mit dem Pilotprojekt waren die Grundlagen für das heute erfolgreiche und akzeptierte duale System im Rundfunk, also die Koexistenz von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk geschaffen. Neben neuen privaten Fernsehangeboten bot das Pilotprojekt auch neue private Hörfunkkanäle im Kabel an.
Leider ist es in der Aufbruchphase nicht gelungen, einen privaten Fernsehveranstalter mit bundesweiter Ausstrahlung auch in Thüringen anzusiedeln. Daran konnte auch die Zurücknahme der gesetzlichen Pflicht eines Regionalfensters nichts ändern, insofern haben sich nicht alle medienwirtschaftlichen Hoffnungen aus den frühen 90erJahren erfüllt. Das gilt allerdings nicht nur für den Standort Thüringen.
Mit der Novellierung des Rundfunkgesetzes 1996 konnten wir aber erfolgreich den Aufbau einer lebendigen, privaten, lokalen Fernsehstruktur initiieren. In Thüringen gibt es zurzeit neben den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern weitere 29 lokale Fernsehveranstalter, die größten sind erfurt.tv und plus.tv in Gera. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Meinungsvielfalt, aber auch zur Medienwirtschaft. Mit dem Sendestart von Antenne Thüringen 1993 und der Landeswelle Thüringen 1995 wurden auch private Hörfunkanbieter in Thüringen zugelassen. Die Sicherung der Meinungsvielfalt war bei der rechtlichen Ausgestaltung der Struktur der Anbietergemeinschaften wesentliches Kriterium. Das schließt nicht aus, dass sich auch Zeitungsverlage, siehe "Freies Wort", unter bestimmten Voraussetzungen am Rundfunkmarkt beteiligen können. Seit dem 1. April 2000 ist das jugendorientierte Musikspartenprogramm "Radio TOP 40" on air. Dieses aus dem DAB-Pilotprojekt hervorgegangene Programm, das mittlerweile von beiden Thüringer Anbietern gemeinsam getragen wird, eröffnet auch im privaten Rundfunkbereich den Umstieg von der analogen zur digitalen Übertragungstechnik. Die reine Werbefinanzierung dieser Sender führt in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation zu finanziellen Engpässen, was nicht zuletzt Arbeitsplätze gefährdet.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Vergleich, dass derzeit bundesweit die Rundfunkgebühren mit steigender Tendenz bei rund 6,6 Mrd. Werbeeinnahmen mit sinkender Tendenz bei rund 4,5 Mrd. pro Jahr liegen. Dieses Zahlenverhältnis sollte man auch bei der Gebührendiskussion vor Augen haben.
Meine Damen und Herren, der liberale Ansatz der Thüringer Mediengesetzgebung eröffnete auf der finanziellen Basis des 2-Prozent-Gebührenanteils der Landesmedienanstalten mit dem Bürgerrundfunk Möglichkeiten zur akti
ven Teilnahme von jedermann am Rundfunk. Offene Kanäle werden in Gera, Erfurt, Weimar, Nordhausen, Leinefelde, Saalfeld, Eisenach und Jena betrieben. Die durch tägliche Radioarbeit erprobten Moderatoren, etwa des Jugendradios "max fm" in Jena, werden mittlerweile von professionellen Sendern außerhalb Thüringens abgeworben. Die Thüringer Sender sollten alles dafür tun, dass diese Talente im eigenen Land bleiben.
In Gera arbeitet der erste deutsche offene TV-Kinderkanal "Pixel" seit gut fünf Jahren mit großem Erfolg, eine passende Profilierung des Geburtsorts des "Goldenen Spatzen". Kinder und Jugendliche können dort unter dem Motto: "Hier macht ihr das Programm" ihre Ideen verwirklichen. Andere interessante Angebote des Bürgerrundfunks sind die Einrichtungs-Radios an den Universitäten in Ilmenau und Weimar oder das Ereignis-Radio am Schleizer Dreieck.
Ein weiterer Beitrag zur Medienkompetenz war das 1996 geschaffene Thüringer Modell der Integration von nicht kommerziellen Lokalradios, wie "Radio F.R.E.I." in Erfurt und "Radio Lotte" in Weimar, in die Offenen Kanäle. In Thüringen ist also nicht nur ein solider dualer Rundfunk, sondern auch eine der lebendigsten und interessantesten Bürgerrundfunklandschaften Deutschlands entstanden.
Analog zur Entwicklung der audiovisuellen Medien haben wir für die Printmedien mit dem Thüringer Pressegesetz von 1991 die rechtlichen Grundlagen für eine freie Presse geschaffen. Die Treuhandanstalt hatte einige frühere SED-Bezirkszeitungen allerdings bereits vor dem InKraft-Treten dieses Gesetzes an große westdeutsche Medienunternehmen verkauft. Darüber hinausgehende Neugründungen von Tageszeitungen konnten sich nur im Einzelfall halten. Dagegen sind auflagenstarke Anzeigenblätter im größeren Umfang neu entstanden. Inzwischen setzen modernste Druckhäuser, z.B. in Erfurt, Gera, Pößneck und Suhl, wichtige Akzente für eine starke Printmedienwirtschaft in Thüringen. Im Freistaat Thüringen gibt es fast 400 Verlagsunternehmen. Die Zeitungsgruppe Thüringen mit der "Thüringer Allgemeinen", der "Thüringischen Landeszeitung" und der "Ostthüringer Zeitung" ist mit einer täglich verbreiteten Auflage von 423.000 im III. Quartal 2003 die größte regionale Zeitungsgruppe in den neuen Ländern. Rechnet man das "Freie Wort" und die "Südthüringer Zeitung" hinzu, weist Thüringen bundesweit einen überdurchschnittlich hohen Versorgungsgrad mit Regionalzeitungen auf.
Das gilt nicht für die Verbreitung überregionaler Zeitungen. Überregionale Zeitungen erreichen in den alten Ländern eine verkaufte Auflage von fast 1,6 Mio., in den neuen Ländern von nur 52.000 Exemplaren. Noch größer ist das West-Ost-Gefälle bei Sonntags- und Wochenzeitungen.
Meine Damen und Herren, wie schwierig der ordnungsrechtliche Rahmen einer liberalen Presselandschaft angesichts konkurrierender Grundrechte zu handhaben ist, haben nach dem 11. September 2001 die Diskussionen im Zusammenhang mit den geänderten Polizeiaufgabenund Verfassungsschutzgesetzen gezeigt. Gerade die Überwachung des Umfeldes von Journalisten mit technischen Mitteln stellt einen sensiblen Bereich dar, der immer mit dem hohen Gut der Pressefreiheit in Bezug zu setzen ist. Dabei die schwierige Balance zu halten, ist Aufgabe aller an diesem Prozess Beteiligten. Nicht zuletzt zeigt auch diese kontroverse, aber von Verantwortung getragene Diskussion, dass der Aufbruch in eine demokratische Mediengesellschaft gelungen ist.