Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Vertreter auf der Regierungsbank, sehr verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich darf unsere heutige 57. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 21. Februar 2002 eröffnen und Sie alle herzlich begrüßen.
Als Schriftführer haben an meiner Seite Frau Abgeordnete Bechthum und Herr Abgeordneter Heym Platz genommen. Herr Abgeordneter Heym wird die Rednerliste führen.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, aber nur für die ersten Stunden, er wird...
Oh, Sie sind aber fix, wir freuen uns, dass Sie gut gelandet sind und auch den Freistaat wieder erreicht haben.
Entschuldigt hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel, Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, Herr Abgeordneter Dr. Koch, Herr Abgeordneter Ramelow, Herr Abgeordneter Scheringer, Frau Ministerin Schipanski - sie kommt noch, gut -, aber Herr Minister Pietzsch weilt noch in anderen Landen, ist das richtig? Also Minister Dr. Pietzsch hat sich entschuldigt. Dafür freuen wir uns, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass nach langer Krankheit die Beauftragte der Landesregierung für die Gleichstellung von Frau und Mann, Frau Staatssekretärin Dr. Meier, ihren Dienst wieder aufgenommen hat und heute erstmals auch im Plenum unter uns ist. Herzlich willkommen und weiter alles Gute.
Dann habe ich noch einen allgemeinen Hinweis, der betrifft den heutigen Abend, und zwar hat uns der Thüringer Feuerwehrverband e.V. zu einem parlamentarischen Abend eingeladen. Nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr wird dieser Abend beginnen, herzliche Einladung dazu.
Dann einige Hinweise zur Tagesordnung der heutigen und morgigen Sitzung, und zwar zu Punkt 2 - Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD, Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid in Drucksache 3/2196 - wurde eine Neufassung verteilt.
Dann zu Tagesordnungspunkt 6: Der Abgeordnete Emde befindet sich heute im Auftrag seiner Fraktion auf einer Dienstreise, deshalb wird die Berichterstattung Herr Abgeordneter Jaschke übernehmen, ist mir mitgeteilt worden. Das ist richtig so? Gut.
Dann zu Tagesordnungspunkt 15, Fragestunde, hier kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu, und zwar die Drucksachen 3/2208/2209/2210/2212 und 3/2213. Darüber hinaus hat die Landesregierung angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 8, 9, 12 und 13 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen. So weit die Hinweise von meiner Seite.
Wird dieser Tagesordnung, so wie sie bisher aufgestellt ist, mit den Ergänzungen, die ich gerade vorgenommen habe, widersprochen? Wenn das nicht der Fall ist, dann gilt sie als festgestellt und wir können unmittelbar in die Tagesordnung einsteigen.
Thüringer Gesetz zur Übertragung von Aufgaben auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung sowie zur Änderung veterinär- und lebensmittelechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/1942 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/2207 ZWEITE BERATUNG
Berichterstatter ist der Abgeordnete Mohring. Ich darf zunächst die Berichterstattung aufrufen, Herr Abgeordneter Mohring.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mitglieder des Innenausschusses haben mich mit List beauftragt, die Berichterstattung zum Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/1942 vorzunehmen.
Durch Beschluss des Landtags vom 9. November 2001 ist der Gesetzentwurf federführend an den Innenausschuss und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen worden. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 35. Sitzung am 9. November 2001, in seiner 37. Sitzung am 6. Dezember 2001 und in seiner 38. Sitzung am 17. Januar 2002 beraten. In seiner 37. Sitzung hat der Ausschuss eine Anhörung von Interessenvertretern und Sachverständigen in öffentlicher Sitzung durchgeführt. Der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit hat den
Gesetzentwurf in seiner 25. Sitzung am 14. Februar 2002 beraten. Nachfolgend wurde durch den Innenausschuss folgende Beschlussempfehlung vorgelegt:
1. Artikel 1 Nr. 2 zu § 130 b wird wie folgt in Absatz 1, Absatz 2 und Absatz 9 geändert: Das Wort "Januar" wird durch das Wort "April" ersetzt. Nach Absatz 9 werden folgende Absätze 10 und 11 angefügt: "Zur Absicherung der Erfüllung der den Landkreisen und kreisfreien Städten (Ve- terinär- und Lebensmittelüberwachungsämter) übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung und damit zur Gewährleistung einer hinreichenden Vorsorge und eines hinreichenden Schutzes für die menschliche und tierische Gesundheit ist ein bedarfsgerechter Personalbestand sicherzustellen. Der nach Absatz 2 Satz 1 zu übernehmende Personalbestand einschließlich der Mitarbeiter nach Absatz 5 Nr. 2 ist unter Einbeziehung des bei Übernahme des Personals bestehenden Aufgabenumfangs auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung ausreichend und erforderlich. Um zukünftigen Änderungen beim Aufgabenumfang Rechnung zu tragen, ist der Personalbestand regelmäßig zu überprüfen. Sofern wesentliche Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eintreten, die zu einer Veränderung des Aufgabenumfangs auf dem Gebiet des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung führen, bestimmt das für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für die Kommunalaufsicht und dem für Finanzen zuständigen Ministerium sowie im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden die Personalausstattung dieser Ämter. Bei der Ermittlung des für eine fachgerechte Aufgabenerfüllung erforderlichen Personalbestands sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:
3. Anzahl und Art der Betriebe, in denen Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden und daraus folgend die Anzahl der durchzuführenden Kontrollen,
5. örtliche Besonderheiten, die zu einer Erhöhung des Aufgabenumfangs führen, insbesondere das Vorhandensein einer Tierkörperbeseitungsanstalt."
"Zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 10 Satz 1 stellen die Landkreise und kreisfreien Städte den Anschluss der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter an das Veterinärinformationssystem des Landes und die Verfügbar
keit über ausreichende und den fachlichen Anforderungen entsprechende Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände in diesen Ämtern, insbesondere die Verfügbarkeit über Kraftfahrzeuge für die Durchführung von Kontrollaufgaben, sicher."
Das war die Berichterstattung. Damit kommen wir zur Aussprache, und zwar hat als Erste Frau Abgeordnete Thierbach, PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion sieht wie die Mehrheit der Experten in der von der Landesregierung beabsichtigten Kommunalisierung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter keine Qualitätsverbesserung für den Thüringer Verbraucherschutz
übrigens gäbe es sogar zu dieser Aussage aus einem ganz anderen Gebiet schon Hinweise darauf. Ich möchte daran erinnern, am heutigen Tag wird noch über BSE gesprochen. Wenn man nämlich an die Entwicklung des BSE-Geschehens denkt, es betrachtet, werden heute schon genau im Interesse von Verbraucherschutz Grenzen von Privatisierung bzw. auch der Kommunalisierung sehr deutlich. Wenn es im Lebensmittel- und Veterinärbereich darum geht, dass es vor allen Dingen einheitliche Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben gibt, so ist dieses BSE-Geschehen, um das wir uns heute noch kümmern werden, genau ein Indiz dafür, warum man die Kommunalisierung der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter nicht als Qualitätsverbesserung bezeichnen kann.
Die Politik der Landesregierung beim Verbraucherschutz ist nach unserer Meinung sehr widersprüchlich. Zum einen wird im Ergebnis von Seuchenerscheinungen wie eben bei BSE-Fällen ein Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz gebildet und zum anderen sollen die bisherigen staatlichen Veterinär- und Lebensmittelämter in die Verantwortung der kreisfreien Städte und Landkreise gegeben werden, zwei vollkommen verschiedene Ebenen, zwei vollkommen verschiedene Konsequenzen aus eigentlich ein und demselben Sachverhalt. Erfahrungen in anderen Bundesländern belegen, dass die Kommunen aus personeller und fachlicher Sicht kaum in der Lage sind,
allein mit komplizierten Seuchensituationen fertig zu werden. Diese Situationen können nach unserer Auffassung und nach Auffassung von Experten entschieden besser auf Landesebene bewältigt werden.
Manchmal muss man überlegen, ob diese Widersprüchlichkeit, die ich eben aufgezeigt habe, aus dem Wunsch des Landes zustande kommt, sich vielleicht aus der Verantwortung für den Verbraucherschutz an dieser Stelle herauszustehlen. Es ist so eine komplizierte Materie, dass keiner gern den schwarzen Peter für die Probleme hat. Wie wird man ihn los? Indem man die Grundlage der Aufgabenstellung offensichtlich an andere delegiert.
Ein weiteres Problem, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen können, ist die trotz vieler Paragraphen und vieler Worte ungeklärte Kostenübernahme durch das Land. Ab 2005 sollen die Kommunen für das Veterinärwesen und die Lebensmittelüberwachung große Teile der Kosten selbst tragen, obwohl sie nur im Auftrag des Landes tätig werden. Es zeigt sich hier erneut, dass die Regierung offensichtlich Verfassungsvorgaben nicht genau kennt. Artikel 93 der Landesverfassung regelt nämlich eindeutig, dass das Land bei der Aufgabenübertragung an die Kommunen die tatsächlich anfallenden Kosten vollständig zu erstatten hat. Genau dieses ist auch in der heutigen Beschlussempfehlung des Ausschusses nicht geregelt.
Die PDS-Fraktion hat die Landesregierung aufgefordert, den vorliegenden Gesetzentwurf aufgrund zahlreicher Mängel zurückzuziehen. Das hat sie natürlich nicht getan. Über eine weitere Kommunalisierung sollte nämlich im Zusammenhang mit einer umfassenden Funktional- und Verwaltungsreform neu entschieden werden. Eine Funktional- und Verwaltungsreform hat nur dann Sinn, wenn ich nicht sämtliche Grundlagen, die diese beinhaltet, vorneweg schon so festmache, dass sich eine Verwaltungsreform am Ende erübrigt. Dieser Widerspruch ist offensichtlich auch ein politisches Motiv der Landesregierung. Aber wie so häufig zieht die Landesregierung ein Gesetzgebungsverfahren mit der Hilfe der Mehrheitsfraktion durch, ohne Bedenken von Betroffenen und Experten tatsächlich vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Diese Einschätzung wird auch durch die Behandlung des Gesetzes im Innenausschuss bestätigt. Ohne vorherige Ankündigung wird der Gesetzentwurf zur abschließenden Beratung auf die Tagesordnung gesetzt. Die CDU-Fraktion bringt einen unbefriedigenden Änderungsantrag ein, der nicht einmal im Ansatz die Ereignisse der öffentlichen Anhörung widerspiegelt, obwohl die CDU-Fraktion dieses behauptet. Die Fraktionen erhalten gerade mal 30 Minuten Zeit, um sich mit diesem von der CDU eingebrachten Änderungsantrag auseinander zu setzen und gegebenenfalls eigene Änderungsanträge einzubringen.
Eine solche Verfahrensweise ist abzulehnen. Herr Dr. Zeh, Sie sagen, das ist schon länger bekannt. Natürlich war das Gesetz im parlamentarischen Lauf, aber es gibt eine Geschäftsordnung und die Geschäftsordnung beinhaltet, dass ein Abgeordneter die Tagesordnung einer AusschussSitzung rechtzeitig erhält. Der Fairness halber hätte man es erstens auf die Tagesordnung setzen können, zweitens hätte man den Fraktionen verbal mitteilen können, dass man es vorhat. Ihre Arbeitsweise zeigt, dass Sie eigentlich Änderungen anderer nicht wollten.
Der CDU-Änderungsantrag, der in diesem Schnellverfahren gekommen ist, beseitigte Konstruktionsfehler des Gesetzentwurfs der Landesregierung überhaupt nicht. Betroffene Kommunen vertreten einhellig die Auffassung, dass es unverantwortlich ist, auch die Änderung, die heute in der Beschlussempfehlung vorliegt, das Gesetz am 1. April dieses Jahres in Kraft treten zu lassen. Manchmal hat man beim 1. April die Frage, ob es ein Aprilscherz ist. Ich glaube, die Materie ist viel zu ernsthaft, um sie zum Aprilscherz verkommen zu lassen.