Volker Külow
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre sehr schön und wünschenswert gewesen, wenn im Verlauf der letzten fünf Jahre schon eher eine kulturpolitische Grundsatzdebatte im Landtag stattgefunden hätte. Dem Kulturland Sachsen und uns allen hätte sie gut zu Gesicht gestanden.
Der Zeitpunkt der Regierungserklärung von Frau Staatsministerin Stange in der vorletzten Landtagssitzung überrascht daher schon ein wenig und wird offenkundig ganz von dem langen Schatten des 30. August 2009 bestimmt. Die eben von Frau Dr. Stange präsentierte Rede ist eine über lange Passagen doch recht geschönte kulturpolitische Bilanz, um ihren persönlichen und den SPDLandtagswahlkampf einzuläuten. Das ist sicher auch der Grund, warum die Staatsministerin Kernaussagen der Regierungserklärung merkwürdigerweise schon gestern in der „Sächsischen Zeitung“ in einem namentlich gezeichneten Artikel veröffentlichte.
Ich komme nachher noch zu dem Teil, in dem ich das Lob an Frau Dr. Stange ausspreche; es muss aber auch gerecht verteilt werden, Herr Jurk. Gedulden Sie sich ein wenig.
Frau Stange kann es offensichtlich auch, sie hat nicht dazwischengesprochen. – Die Rahmenbedingungen für diese etwas überzogene und unnötige Selbstinszenierung sind für dieses Anliegen allerdings nicht übermäßig günstig. Das SMWK soll dieser Tage auf Veranlassung des Finanzministers, der leider nicht da ist, im laufenden Haushalt 17 Millionen Euro einsparen, vornehmlich aus dem Kulturbereich. Das wäre bei einem Gesamtetat in der sächsischen Kultur von 390 Millionen Euro eine Einsparung von fast 5 %.
Völlig zu Recht schlug der neu gewählte Präsident des Sächsischen Kultursenates, Herr Dr. Jürgen Ohlau, sofort Alarm und forderte Frau Stange auf, „durch Prioritätensetzung sicherzustellen, dass dem Kulturland Sachsen kein kultureller Schaden zugefügt wird.“
Der ist an anderer Stelle allerdings schon längst eingetreten, und zwar in einer Dimension, die nicht nur bundes- oder europa-, sondern auch weltweit negative Schlagzeilen produzierte.
Die heute vermutlich erfolgende Aberkennung des Weltkulturerbetitels für Dresden durch die UNESCO ist eine skandalöse Blamage und ein herber Imageverlust für den Freistaat.
Mit diesem „Verbrechen an der Natur“, so vor einigen Tagen Horst Wadehn, der Vorsitzende der UNESCOWelterbestätten Deutschland e.V., wurde in unwiederbringlicher Weise kulturpolitisches Porzellan zerschlagen. Bislang wurde nur einem Naturschutzgebiet im arabischen Oman der Titel Naturerbestätte aberkannt. Da die Staatspartei CDU den Freistaat Sachsen oftmals wie ein Sultanat betrachtet und ebenfalls so leiten möchte, befinden wir uns nunmehr in passender Gesellschaft.
Die Liste der Defizite und Versäumnisse in der sächsischen Kulturpolitik lässt sich leider beliebig fortsetzen, ohne in jedem Fall der Staatsministerin die persönliche Verantwortung zuschreiben zu wollen. Viele kulturpolitische Baustellen erbte sie von ihren beiden Vorgängern Rößler und Ludwig. Bei einigen Themen muss sich Frau Dr. Stange allerdings schon fragen lassen, welchen direkten Anteil sie an den Fehlentwicklungen hat, die sich mitunter seit Jahren hinziehen und in ihrer Regierungserklärung nicht mit einem Wort erwähnt wurden.
Anfang Dezember 2008 kündigte die Staatsministerin beispielsweise für den Januar 2009 den lange versprochenen Rahmenvertrag mit den Wettinern an, um den schamlosen adligen Beutezug endlich rechtlich zu beenden. Am Ende wird ein Vertrag stehen, so Frau Dr. Stange in der „Morgenpost“ vom 2. Dezember 2008, der die ganze Sache abschließt und keine Öffnungsklausel mehr enthält. Die unselige Öffnungsklausel aus dem Jahr 1999 ist bekanntlich ein Erbe von Ex-Ministerpräsident Milbradt persönlich, der sich in seinem royalistischen Amtsver
ständnis gar nicht servil genug gegenüber den Wettinern verhalten konnte. Leider wurde aber auch nach Milbradts Sturz das vertraglich verbriefte Zugriffsrecht der verstaubten Adelsfamilie bis heute nicht abschließend geregelt.
Herr Bandmann, dass Sie dafür sind, ist mir völlig klar. Sie bedrohen noch immer sächsische Kunstschätze in skandalöser Art und Weise. DIE LINKE wird weiter dafür eintreten, dass der Freistaat gegenüber den vor mehr als 90 Jahren abgedankten Wettinern keineswegs einknickt. Dass Sie, Herr Bandmann, dem Sturz gewissermaßen nachweinen, kann ich nachvollziehen. Dafür hat aber hier im Land niemand Verständnis.
Leider gibt es in der kulturpolitischen „Chronique Skandalese“ Themen, die noch wesentlich länger auf die längst überfällige Lösung warten. Vor mittlerweile fünf Jahren haben die NS-Opferverbände ihre Mitarbeit in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten eingestellt. Sie demonstrierten mit diesem spektakulären Schritt ihre große und völlig berechtigte Unzufriedenheit mit der sächsischen Gedenkstättenpolitik. Anfangs hatte die Staatsministerin bekanntlich geglaubt, die NS-Opferverbände wieder zur Mitarbeit in der Stiftung gewinnen zu können, ohne das Stiftungsgesetz ändern zu müssen. Eine Satzungsänderung wurde als ausreichend erachtet. Inzwischen ist dort zum Glück umgedacht worden, denn dieses Vorhaben ist gründlich gescheitert. Den NS-Opferverbänden reichte eine Satzungsänderung nicht. Der Arbeitskreis der betroffenen Opferverbände der Zeit 1933 bis 1945 hat unmissverständlich dargestellt, dass nur eine Neufassung des Stiftungsgesetzes die Glaubwürdigkeit des Parlaments und der Landesregierung in Sachsen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und insbesondere mit der NPD stärken würde.
Jedwede Relativierung, Verharmlosung oder gar Nivellierung der Verbrechen des Nationalsozialismus durch die Gleichsetzung mit dem nach dem Ende des „Dritten Reiches“ begangenen Unrecht im Zuge der Stiftungstätigkeit muss endlich ausgeschlossen werden.
Die staatlich dominierte Erinnerungskultur, wie sie in der bisherigen Struktur des Stiftungsrates angelegt ist, muss zugunsten einer größeren Selbstverantwortung der betroffenen Verbände zurückgenommen werden. Die erinnerungspolitischen Defizite, die der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, in seiner bewegenden Gedenkrede im Sächsischen Landtag am 27. Januar 2008 konstatiert hat, lassen sich nur im gleichberechtigten Dialog mit den NS-Opferverbänden beheben.
DIE LINKE im Sächsischen Landtag teilt die langjährige Kritik der NS-Opferverbände völlig. Um den erinnerungspolitischen Dauerskandal auszuräumen, muss die Tätigkeit der Stiftung endlich auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. Zwar hat die Staatsministerin die Notwendigkeit eines Änderungsgesetzes selbst eingeräumt – wir haben es gerade gehört –; den Worten sind jedoch aus unserer Sicht in den letzten Jahren keine wirklich relevanten Taten gefolgt. Nur durch eine Änderung der Konstruktion mit der Stiftung im Sinne der NSOpferverbände kann die Arbeitsfähigkeit der Stiftung wiederhergestellt werden.
Davon scheinen wir allerdings weiter entfernt denn je zu sein. Allein der Personalvorschlag für den neuen Geschäftsführer der Stiftung ist Provokation und Skandal zugleich. Die eigene Qualifikation des Mannes besteht in seinem richtigen Parteibuch, nämlich dem der CDU. Mit diesem Personalvorschlag würde die staatlich dominierte Erinnerungskultur in Sachsen weiter gestärkt werden und sich die Waagschale, von der Dr. Salomon Korn als Vizepräsident des Zentralrats der Juden gesprochen hat, noch weiter zuungunsten der NS-Opferverbände neigen. DIE LINKE wird sich weiterhin mit aller Kraft gegen diese drohende Fehlentwicklung stemmen.
In unserem Landtagswahlprogramm fordern wir daher in einem eigenständigen Abschnitt die Novellierung des Gedenkstättengesetzes, um die Mitwirkung der NSOpferverbände in den Stiftungsgremien endlich wieder zu ermöglichen.
DIE LINKE erkennt im Übrigen durchaus an, dass Frau Dr. Stange in vielen Feldern das aufgriff und erledigte, was die beiden schon genannten Vorgänger angefangen und liegen gelassen hatten. Sie hat sich sehr für die Belange der sächsischen Kultur eingesetzt und dabei deutlich mehr Fortune und Durchschlagskraft als ihre unmittelbare Amtsvorgängerin an den Tag gelegt.
Auch sie konnte allerdings das interne Kräfteungleichgewicht zwischen der großen CDU und der kleinen SPD nicht aushebeln. Der Schwanz vermag eben nicht mit dem Hund zu wedeln.
Nichtsdestotrotz würdigt die Linksfraktion, dass sich im Bereich Kunst und Kultur der Koalitionsvertrag nicht nur in wohltuender Weise von den meisten anderen Passagen der Koalitionsvereinbarung unterschied – er wurde im Gegensatz zu den meisten Ankündigungen im Wesentlichen auch erfüllt. Das ist unstrittig Ihr Verdienst, Frau Dr. Stange.
Dafür will ich Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danken.
Die Entfristung des Kulturraumgesetzes und die damit verbundene Aufstockung um 10 Millionen Euro ist zweifellos der größte kulturpolitische Erfolg, den auch wir keinesfalls kleinreden wollen, zumal es gerade im
Umfeld des Finanzministeriums erheblichen Widerstand dagegen gab.
Wir verkennen auch keinesfalls, dass damit längst nicht alle Probleme gelöst sind. Die ursprüngliche Intention des 1994 verabschiedeten Kulturraumgesetzes war bekanntlich die Rettung und Sicherung der in ihrer Dichte weltweit einmaligen Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen. Mittlerweile gibt es unbestritten ein Gefährdungspotenzial für diesen Teil unseres kulturellen Reichtums. Das Fusionsgespenst geht in mehreren Regionen des Freistaates um.
So kommt ein Theater- und Orchestergutachten im Auftrag des SMWK zu dem Schluss, dass eine weitere Konzentration der Potenziale sowie Kooperation und Fusion in diesem Bereich erforderlich seien. Auch die künftigen „größeren Landkreise“ – so heißt es dort in bedrohlicher Weise wörtlich – „werden mittelfristig keine nur landkreisweit agierenden Theater und Orchester mehr finanzieren können. Es werden kreisübergreifende Strukturen nötig werden. Im Wesentlichen wird mittelfristig nur noch jeder der künftigen Kulturräume über ein Theater und Orchester verfügen können.“ – So weit dieses Gutachten.
Damit zeichnet sich eine Politik der Konzentration kultureller und künstlerischer Angebote auf die urbanen Regionen ab. Es war daher kein Zufall, dass der Landesverband Sachsen im Deutschen Bühnenverein nicht mit seiner Kritik an diesem Gutachten sparte, das er als „offensichtliches Sparkonzept“ charakterisierte.
Die Linksfraktion plädiert hingegen für eine langfristige Entwicklungsplanung für Theater und Orchester nach dem Vorbild der Hochschulvereinbarung. Ziel der Theater- und Orchestervereinbarung wäre die Existenzsicherung der vorhandenen Theater und Orchester.
Zu den Wünschen, die nach der Entfristung des Kulturraumgesetzes für uns offen geblieben sind, zählt neben der immer wieder angemahnten Aufstockung des Sockelbetrages auf 100 Millionen Euro auch die weitere Demokratisierung der Kulturkonvente.
Was Frau Dr. Stange auch nicht aufhalten konnte oder wollte, war die weitgehend von der CDU dominierte Personalpolitik im SMWK, die das Fachressort Kulturpolitik seit der Ära Rößler strukturell immer weiter auszehrte. Die Not ist in den letzten Jahren so groß geworden, dass der Sächsische Kultursenat in seinem Dritten Bericht schon Ende 2006 ungeschminkt feststellte: „Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verfügt zwar nominell über eine Abteilung Kunst, jedoch ist deren funktionale Gliederung sowie personelle Untersetzung bei Weitem nicht mehr angemessen.“
Diesem unbestrittenen Aderlass in der Wigardstraße steht die enorme Aufwertung der in Hellerau residierenden Kulturstiftung Sachsen gegenüber, die man ohne Untertreibung inzwischen als Nebenkulturministerium bezeichnen kann. Nicht zuletzt wegen dieser gravierenden Umverteilung von kulturpolitischem Einfluss in weitgehend
nicht vom Parlament kontrollierte Strukturen kapitulierte die wenig entscheidungsfreudige Vorgängerin von Frau Dr. Stange und ergriff beherzt die gebotene Chance, sich auf die Chemnitzer Bühne abzusetzen. Frau Dr. Stange war diese Rückzugsmöglichkeit versperrt, und so musste sie manche Machtprobe mit der CDU nach dem Motto meistern „Wer solche Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde.“
Insofern habe ich vorhin sehr aufmerksam registriert, dass bei Ihnen im Unterschied zu dem vorab übermittelten Redemanuskript von einer neuen politischen Kultur und von einem neuen Umgang mit Biografien die Rede war. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, Frau Dr. Stange, dass Sie die Kraft dazu haben werden. Mit der CDU wird das auf alle Fälle nicht gehen. Wir wünschen Ihnen aber trotzdem viel Erfolg dabei.
Zu den weniger als Erfolgsgeschichte zu bezeichnenden Themen, die Sie in Ihrer Regierungserklärung auch kurz gestreift haben, zählt die Industriekultur, die seit Jahren von Hiobsbotschaften betroffen ist. Mit der jährlichen Kürzung der Mittel für den Zweckverband Sächsisches Industrieministerium um 7 % stellte hier leider schon die Koalitionsvereinbarung die Weichen in die völlig falsche Richtung. Damit wurde eine innere Abkehr der Staatsregierung von der sächsischen Industriegeschichte und unseren industriegeschichtlichen Traditionen deutlich. Man kann nicht auf der einen Seite Sachsen als das Land der Ingenieure feiern und auf der anderen Seite das Potenzial der Industriegeschichte derart vernachlässigen.
Das ist eine höchst unglaubwürdige Politik, die dazu geführt hat, dass der Zweckverband praktisch seit Jahren von Schwarz-Rot systematisch kaputtgespart wird. Mittlerweile ist die Geldnot so groß, dass beispielsweise im Industriemuseum Chemnitz die Abteilungen Textilstraße und Motorenwerkstatt geschlossen werden mussten, weil drei Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden konnten. Derzeit ist sogar die im August geplante Ausstellung zum 200. Geburtstag des sächsischen Lokomotivkönigs Richard Hartmann in Gefahr geraten. Am Sonntag musste die Staatsministerin in Chemnitz sogar einräumen, dass derzeit nicht einmal 80 000 Euro zur hälftigen Gegenfinanzierung der aktuellen Deckungslücke von 160 000 Euro vorhanden sind. Um sinnvoll fortbestehen zu können, ist aus Sicht der Linksfraktion künftig eine verstetigte und erhöhte institutionelle Förderung des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum unverzichtbar.
Aus Zeitgründen kann ich zu vielen kulturpolitischen Themen, die in dieser Legislaturperiode ebenfalls negative Schlagzeilen produziert haben, nicht ausführlich sprechen. Zumindest in Erinnerung rufen möchte ich an dieser Stelle die faktische Abwicklung der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken als eigenständige Struktur, den
Verkauf der Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte sowie die Querelen um die ehemalige Landesarchäologin.
Die prekäre soziale Lage vieler Künstlerinnen und Künstler ist ein leidiges Thema für sich, ohne dass dafür die Staatsregierung oder das SMWK allein Verantwortung tragen, damit ich nicht missverstanden werde. Diese Liste ließe sich problemlos fortsetzen.
Weil sich leider in Sachsen an manchen Stellen der Staatsregierung die Überzeugung durchgesetzt hat, dass die kulturelle Grundversorgung wesentlich in urbanen Zentren aufrechtzuerhalten ist, und weil sich der ländliche Raum verstärkt von einem Zentralisierungsprozess abgekoppelt sieht, werden kulturelle Angebote für immer weniger Menschen in Sachsen zugänglich. Insbesondere Familien mit Kindern und Jugendlichen klagen zunehmend über Einschränkungen. Dies ist einer der Gründe, warum unsere Fraktion noch den Antrag auf kostenfreien Eintritt für Kinder und Jugendliche in staatliche Museen einbringt und vor einiger Zeit die Einrichtung eines Büros zur Stärkung der Popmusik anregte.
Kulturpolitik ist in Sachsen immer noch sehr stark Kulturpolitik der Metropolen, vor allem Dresdens, ansonsten delegierte Aufgabe der Kulturräume. Diese Orientierung auf die sogenannte Leuchtturmförderung, prestigeträchtig und standortrelevant, bewirkt aber einen gefährlichen Rückzug aus der Fläche. Allein die Zahl der geschlossenen Bibliotheken auf dem Lande spricht Bände.
Der letzte Sächsische Kinder- und Jugendbericht konstatierte erhebliche Lücken in der soziokulturellen Infrastruktur des Landes. Die Autoren sprechen von „toten Dörfern“. Das sind Orte ohne Arzt, Kindergarten, Jugendklub, Bibliothek, Kneipe und Einkaufsmöglichkeiten; von der Schule, auf deren Betrieb aus Kostengründen zumeist verzichtet wurde, ganz zu schweigen.
Zur ländlichen Öde sei das Weggehen die einzige zukunftsträchtige Alternative, heißt es in dem Bericht. Weil infolge der Abwanderung junger Menschen immer weniger Gleichaltrige da sind, mit denen jugendkulturelle Stile ausprobiert und gelebt werden können, werde Vereinzelung zum Schicksal für die Dagebliebenen. Dieser Befund dürfte sicherlich nicht nur für den Freistaat Sachsen zutreffen, der sich zu Recht rühmt, ein Kulturland zu sein.
In die sogenannten entwerteten Territorien drängen rechtsextreme Gruppierungen vor, die dort soziale und alltagskulturelle Aufgaben wahrnehmen. Nicht die staatlich besoldete Kulturpolitik, sondern mehr oder weniger straff organisierte Rechtsradikale sorgen hier für kulturelles, besser gesagt pseudokulturelles Leben mit dem Ziel, eine – wenn auch vorerst örtlich begrenzte – kulturelle Gegenmacht zu etablieren. Insofern bleibt uns weiterhin gemeinsam die Aufgabe, das Land Sachsen als Kulturstandort auszugestalten und dabei die Teilhabe aller zu ermöglichen.
Kultur erfüllt nach unserer Auffassung eine Integrationsfunktion zur Selbstverwirklichung und Identifikation der
Menschen, weshalb sie für die Linksfraktion auch immer mehr ist als ein Standortfaktor und Wirtschaftszweig und deshalb nicht ausschließlich den Zwängen des Marktes unterworfen werden darf. Sie sollte zugleich nicht abgehoben von den wirklichen Nöten der Menschen in unserem Land agieren.
In einer viel zitierten Äußerung hat kein Geringerer als bereits Goethe auf dieses Problem aufmerksam gemacht, als er in seinem Brief an Charlotte von Stein vom 6. März 1779 eine Schreibblockade bei „Iphigenie“ beklagte. „Hier will das Drama gar nicht fort. Es ist verflucht. Der König von Tauris soll reden, als wenn kein Strumpfwirker in Apolda hungerte.“
Zu den wichtigsten Mitteln, die gegen die geschilderte Entzivilisierung wirklich helfen, zählt zweifellos die kulturelle Bildung – ein Thema, das seit geraumer Zeit in aller Munde ist und auch in der Regierungserklärung von Frau Dr. Stange zu Recht einen breiten Raum einnimmt. Die Koalition hält sich zugute, diesem Bereich verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Aber auch hier lohnt sich genaueres Hinsehen. Aus unserer Sicht sind die bisherigen Anstrengungen zu gering und nicht wirkungsvoll koordiniert. Weit über die Hälfte der etatisierten Mittel fließt in das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, das man – will man es wirklich flächendeckend erfolgreich verwirklichen, was bedeutet, künftig auch jede Grundschule im Land einzubeziehen – mit ganz anderen Summen fördern müsste.
Die verbleibenden Mittel sollen vor allem der strukturellen Verankerung kultureller Bildung in den Kulturräumen nach dem Vorbild der Netzwerkstelle Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien dienen. Wird das aber gelingen können? Basis ist eine „Förderrichtlinie kulturelle Bildung“, die sehr offen gestaltet ist und nahezu jedem eine Antragstellung erlaubt. Mit welcher Strategie bewilligt hinfort das SMWK? Die Kulturräume sind bis hin zur fachlichen Qualität der handelnden Personen sehr unterschiedlich aufgestellt und brauchten sicherlich eine Linie, die bei aller Selbstständigkeit regionalen Handelns vom Land ausgehen müsste.
Beim Stichwort Koordination stellt sich natürlich sofort die Frage: Was tut die entsprechende interministerielle Arbeitsgruppe eigentlich genau; hat sie einen Arbeitsplan, ein Programm? Nach meinem Kenntnisstand hat sie nicht einmal eine gemeinsame Arbeitsdefinition von kultureller Bildung. Förderpolitik und ressortübergreifendes Handeln müssen viel stärker aufeinander abgestimmt werden. Die Bemühungen um kulturelle Bildung fallen noch sehr tastend und wenig fundiert aus. Das Modell OberlausitzNiederschlesien ist wohl noch nicht wirklich umfassend verstanden und auf das ganze Land hin gedacht worden.
Was heißt im Übrigen Erfolg im Bereich kulturelle Bildung? Doch zuallererst, dass man Anlagen für künftiges Handeln schafft. Kulturelle Bildung muss auch durch die Kulturinstitute geleistet werden. Diese brauchen Etats
für entsprechende Personalstellen. Kulturelle Bildung ist dort auch strukturell zu verankern. Sie ist keine reine Schnittfläche zwischen Schulen und außerschulischen Kulturakteuren. Sie ist integraler Bestandteil von Kulturarbeit und hilft vor allem, das Publikum von morgen zu produzieren und zu reproduzieren.
Von der kulturellen Bildung ist es kein allzu weiter Weg zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Vor wenigen Wochen diskutierten wir hier im Landtag den ersten Kulturwirtschaftsbericht, der wesentlich früher hätte vorgelegt werden können, ja müssen. Naturgemäß wird es mit seiner Umsetzung in dieser Legislaturperiode nichts mehr.
Auch die angekündigte und dringend notwendige interministerielle Zusammenarbeit in Gestalt einer „Arbeitsgruppe Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen“ wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben, ebenso wenig die geplante Öffentlichkeitsarbeit zur Diskussion der Ergebnisse und Popularisierung des Themenfeldes. Kulturpolitik muss sich künftig viel gründlicher mit den Wechselwirkungen zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft befassen, ihr eigenes Handeln legitimieren und differenzierte Förderpolitiken entwickeln.
Ein bislang ebenfalls eher unterbelichtetes Thema in Sachsen ist zweifellos „Kulturpolitik als Medienpolitik“. In der achten Empfehlung in seinem Vierten Kulturbericht hat der Sächsische Kultursenat unlängst den Finger auf diese Wunde gelegt. Ohne eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und eine Integration in das Thema „Kulturelle Bildung“ verpasst Kulturpolitik ein zentrales Zukunftsfeld. Ich nenne nur die Stichworte „Web 2.0“, „Medienkonvergenz“, „Virtualisierung“, „Computerspiele als Kulturgut“ usw. Was leistet hierbei der öffentlichrechtliche Rundfunk im Rahmen seines Kulturauftrages? Ist das nur eine Aufgabe der Staatskanzlei oder hätte sich hier das SMWK aktiver einbringen können und müssen?
Impliziert ist der gesamte Komplex der Digitalisierung, der nicht nur Auswirkungen auf Sendeformate und Formen des Medienkonsums hat, sondern auch auf Urheber- und Verwertungsrechte, also Kulturgüter insgesamt. Verpasst Kulturpolitik hier den Anschluss an die Medienrevolution? Denken wir noch analog oder viel zu sehr bezogen auf Institutionen, Erbe und überkommene Rezeptionsmuster? Darauf gibt es, zumindest soweit ich es überblicke, bislang kaum Antworten in der Kulturpolitik Sachsens.
Zum Schluss stellt sich für DIE LINKE aus Anlass der heutigen Regierungserklärung eine entscheidende Frage: Welche Bedeutung konnte die Kulturpolitik im Kabinett für sich reklamieren? Wurde sie wirklich als die „große Chance“ gesehen, wie es der Titel der Regierungserklärung suggeriert? Was wurde dafür getan, dass die von uns keineswegs geleugneten Verdienste der Koalitionskulturpolitik fortleben und Wirkung auch für die Zukunft entfalten?
Es liegen neben den von uns anerkannten Erfolgen durchaus positiv zu betrachtende konzeptionelle Papiere vor, die aber wegen der Gefahr, von der CDU gestoppt zu werden, mitunter gar nicht erst bis ins Kabinett vordrangen, wie beispielsweise die vorhin zu Recht gerühmte Museumskonzeption. Welchen kulturpolitischen Stellenwert haben diese und andere programmatische Aktivitäten, wie zum Beispiel die laufende Evaluation der vom SMWK institutionell geförderten Verbände und Einrichtungen? Ist dies nun ein Bekenntnis zu ihrer unverzichtbaren Bedeutung und damit auch zur künftigen finanziellen Verantwortung für Kultur in Sachsen?
Zur Beantwortung dieser zentralen Frage gab es vor Kurzem einen Fingerzeig der Staatsregierung, der uns mit Sorge erfüllt. Während der frühere Ministerpräsident gelegentlich wie ein Elefant im kulturpolitischen Porzellanladen agierte, hielt sich sein reitender und Giraffen streichelnder Nachfolger in diesem Metier bislang eher zurück. Mitte Mai sorgten bei einer Kulturkonferenz einige Äußerungen von Stanislaw Tillich über ein größeres bürgerschaftliches Engagement in der Kultur allerdings für Aufhorchen, ja, für Irritationen. Seiner Ansicht nach setzt der Staat lediglich Anreize für bürgerschaftliches Engagement, für private Initiative. Er sollte sich selbst jedoch aus der Kulturfinanzierung zurückziehen. Der Staat, wurde der Ministerpräsident in der „Sächsischen Zeitung“ zitiert, habe angeblich – O-Ton Tillich – „keine ureigene Zuständigkeit für die Kultur“. Eine solch verwegene Auffassung widerspricht ganz klar unserer Landesverfassung, wonach der Freistaat „ein der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat“ ist. Vielleicht warnte deshalb die noch amtierende Staatsministerin sofort vor einem Rückzug der öffentlichen Hand aus der Kulturfinanzierung, und sie hat gerade nochmals – völlig berechtigt – ein Bekenntnis zur Kultur als öffentliches Gut abgelegt.
DIE LINKE teilt diese Auffassung, gerade vor dem Hintergrund der akuten Krise des Kapitalismus, die durchaus auch mit Kultur zu tun hat, und keineswegs nur in einem oberflächlich moralistischen Sinne. Insofern ist mir das Bild vom „Kitt der Gesellschaft“, Frau Dr. Stange, ein bisschen zu konservativ. Es assoziiert, dass im Gebäude ein bisschen die Luft zieht und dass man das abdichten muss. Ich denke, man sollte vielleicht ein anderes Bild wählen, ein Bild, das die Gesellschaft stärker verändert, also Kultur als Katalysator.
Friedrich Dieckmann, Mitglied des Kultursenats, meinte vor dem Hintergrund der aktuellen Krise die Frage formulieren zu müssen, „was wir tun können, um eine Gesellschaft bewirken zu helfen, die von Werten nicht nur redet, sondern nach ihnen lebt“. „Gesellschaftlichen Veränderungen“, so Dieckmann in seinem bemerkenswerten Beitrag „Die kulturelle Dimension der Krise“ für den Vierten Kulturbericht des Sächsischen Kultursenats, ist „von jeher ein Wandel des kulturellen Bewusstseins vorausgegangen, der, sich auf neue soziale Kräfte stüt
zend, das Werk von Kunst, Wissenschaft und Publizistik im Widerspiel mit Politik und Wirtschaft war.“
Dieckmanns kleiner Essay endet mit der Feststellung: „Nur wenn die Kunst leben kann, wird sie Kraft finden, neue Wege zu erkunden“. – Dieses kluge Credo soll die sächsische Kulturpolitik auch künftig unbedingt prägen. DIE LINKE wird sich dafür mit aller Kraft engagieren.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während die Sächsische Staatsregierung den Freistaat gern als permanente Nummer eins der neuen Bundesländer präsentiert, sind wir mit Blick auf die Erarbeitung eines Kulturwirtschaftsberichtes lediglich Vorletzter. Nur Thüringen sah sich bisher nicht in der Lage, ein derartiges Dokument zu erstellen, und immerhin 18 Jahre sind schon ins gesamtdeutsche Vaterland gegangen, seit 1991 Nordrhein-Westfalen diesbezüglich den Startschuss mit dem weiland ersten Kulturwirtschaftsbericht gab, dem inzwischen neun weitere Bundesländer in West und Ost folgten. Aber wie sagt der Volksmund so schön: „Besser spät als nie“ und damit zum Text selbst.
Der vorliegende Kulturwirtschaftsbericht wird von uns explizit begrüßt, wenngleich er an einigen Stellen durchaus einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Das vorgelegte Zahlenmaterial und die einschlägigen Statistiken sind zweifellos eine solide Grundlage und Statusbeschreibung – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. An manchen Stellen hätten wir uns eine kritischere Reflexion der kulturwirtschaftlichen Realitäten im Freistaat gewünscht, darin stimme ich Kollegen Gerstenberg völlig zu. Im Bericht wird zwar die ungefähre Zahl der geringfügig Beschäftigten und Minijobber in der sächsischen Kultur- und Kreativwirtschaft angegeben; die prekäre soziale Situation dieser fast 50 000 Menschen – die Dunkelziffer dürfte sicherlich noch wesentlich höher sein – wird aber leider nicht weiter thematisiert. Die Einkommen der Betroffenen sind beschämend niedrig. Oft müssen sie mit großen Schwankungen kämpfen, und Patchwork – auch dieser Begriff fiel schon – um den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist für viele Akteure an der Tagesordnung.
Um nicht missverstanden zu werden: DIE LINKE erkennt die Bedeutung der Kulturwirtschaft durchaus an und trägt ihr unter anderem dadurch Rechnung, dass sie dieses Thema als einen Förderschwerpunkt in ihrem Landtagswahlprogramm ausweist. Wir werden aber zugleich genau hinschauen, wie die Kulturwirtschaft die Wirtschafts- und Finanzkrise übersteht. Die Zahlen des vorliegenden Berichtes enden bekanntlich 2006. Wie robust die Kul
turwirtschaft tatsächlich ist, wird sich erst noch erweisen müssen.
Schaut man auf ausgewählte Teilmärkte, sind diesbezügliche Befürchtungen durchaus angebracht, wie in der Rundfunkwirtschaft. Ein Parteitag macht noch keinen Sommer, Herr Clemen. Beispielsweise hätte man sich die stärkere Einbeziehung des MDR in die Analyse gewünscht, da der MDR im vergangenen Jahrzehnt viele Aufgaben bewusst outgesourct hatte, um die Medienwirtschaft zu stärken. Da aber in diesem Bereich eine griffige Strategie seitens der Staatsregierung fehlt, die das Wachsen der Medienunternehmen befördert, steht Leipzig eben nicht, wie in den Neunzigerjahren politisch versprochen, auf dem Sprung in die 1. Liga der deutschen Medienstädte, sondern vor dem Abstieg in die 3. Liga.
Auch auf dem Buchmarkt ist Leipzig inzwischen ein marginaler Standort geworden, nachdem viele Verlage mit großem Namen und großer Tradition – ich nenne nur Reclam und Brockhaus – dichtgemacht haben oder weggezogen sind.
Auf die Defizite in der Musikwirtschaft wird in einem zweiten Beitrag der Linksfraktion Frau Kollegin Bonk näher eingehen.
Da die Aktuelle Debatte zu Recht Konsequenzen und aktives Handeln der Politik einfordert, möchte ich aus der Sicht der Linksfraktion einige Anregungen unterbreiten, zumal auch wir unter der Überschrift „Sachsens Kultur- und Kreativwirtschaft stärken“ Empfehlungen aus dem Kulturwirtschaftsbericht 2008 umsetzen und einen entsprechenden Antrag erarbeitet haben.
Um dem Querschnittscharakter der Kulturwirtschaft gerecht zu werden, ist zunächst eine intensivere Zusammenarbeit der beiden betroffenen Ministerien SMWA und SMWK unverzichtbar. Zu empfehlen ist dabei, unbedingt und zeitnah die von den Gutachtern angeregte Arbeitsgruppe „Kulturwirtschaft Sachsen“ einzurichten, um das gewonnene Wissen zu vertiefen und in landespolitische Handlungen zu überführen. Diese Arbeitsgruppe sollte nicht nur interministeriell aufgebaut sein, sondern auch nichtstaatliche Teilnehmer einschließen. Diese Arbeitsgruppe müsste die Förderinstrumente des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit überprüfen, inwieweit sie für Akteure der Kultur- und der Kreativwirtschaft offen sind, und gegebenenfalls spezifische Anpassungen erarbeiten.
Schaut man sich die 13 Förderbereiche des sächsischen Förderprofils 2009/2010 genauer an, wird man unter den titelgebenden Stichworten die Begriffe „Kultur“ und „Kulturwirtschaft“ zunächst vergeblich suchen. Erst im Förderbereich 15 wird man unter dem Oberbegriff „Sonstiges“ beim Unterförderbereich 15 02 – Kunst und Kultur – fündig. Die besagte Arbeitsgruppe könnte gegebenenfalls schnell eine Art Task Force ins Leben rufen, die in engem Kontakt mit Kulturakteuren jedweder Couleur nicht nur eine gezielte Untersuchung durchführt und prüft, inwieweit die Wirtschaftsförderung im Bereich der erwerbswirtschaftlich betriebenen Kultur bereits auf deren
Bedürfnisse zugeschnitten ist, sondern anschließend auch eine Art Schnittstelle bilden, um diese beiden Bereiche besser als bisher miteinander zu verzahnen.
Zu den Themen, die im Kulturwirtschaftsbericht nur angerissen sind und daher unbedingt vertieft werden müssen, zählt zweifellos der Kulturtourismus. Hier gibt es durch die Kontakte zwischen dem Kultursenat und dem Landestourismusverband Sachsen e. V. eine erste Kooperation, an die angeknüpft werden kann, indem zum Beispiel in Sachsen eine gemeinsame Plattform für strategisches kulturtouristisches Marketing geschaffen wird.
Alles in allem wird durch den nunmehr vorgelegten Kulturwirtschaftsbericht eine Botschaft deutlich: Das Kulturland Sachsen ist reicher und vielgestaltiger, als wir bislang wussten. Dieses starke Zukunftspotenzial künftig noch stärker auszubauen sollte für uns alle eine Herzensangelegenheit sein. DIE LINKE wird an dieser Herausforderung gern mitwirken.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sie kriegen gleich Ihr Fett weg, Herr Gansel!
Zum wiederholten Male holt die NPD ihren pazifistischen Schafspelz aus der Mottenkiste und geriert sich in merkwürdigem Kostüm heute im Landtag als vermeintlicher Hüter von Völkerrecht und Frieden in Sachsen.
Um die Verlogenheit und Unglaubwürdigkeit hinter dieser biedermännischen Maskerade zu entdecken, reicht allerdings ein einziger Klick auf die Internetseite der unter anderem von Herrn Gansel redigierten NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ und das dort angeschlossene sogenannte Nationale Warenhaus.
Die geistigen Wurzeln für den NPD-Antrag zur militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle bezeugen dort nicht nur so illustre Emailleschilder mit dem Titel „Afrikakorps“ oder „Deutsches Schutzgebiet“ zum Stückpreis von 20 Euro. Auch für Bücher mit markigen Titeln wie „Europa im Fadenkreuz von Masseneinwanderung und Amerikanismus“ oder „Die Weltherrschaft der Angelsachsen“ wird geworben. In gewissem Sinne passend zum Thema des heutigen Antrages, Herr Gansel, findet sich mit dem Titel „Sie flogen jenseits der Grenze“ natürlich auch eine Eloge auf die berüchtigte Legion Condor.
Man könnte diese Aufzählung endlos fortsetzen und Dutzende Hinweise darauf finden, dass die NPD mit ihrer ideologischen Anbindung an das NS-System und dessen größenwahnsinnige Welteroberungspläne denkbar ungeeignet ist, den militärischen Missbrauch des Leipziger Flughafens glaubwürdig zu kritisieren.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil in Schkeuditz exakt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 1. September 1939, der zivile Flugverkehr eingestellt und der Flughafen von
der Luftwaffe übernommen wurde. Auch die LufthansaWerkstätten vor Ort produzierten nunmehr für den militärischen Bedarf.
Herr Apfel, Sie können sich an unseren Antrag anflanschen, Sie können Herrn Pflüger als Kronzeugen bemühen. Mit Ihnen gibt es kein Jota gemeinsamer Basis, darum werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen.
Diametral zu den pangermanischen Fieberfantasien der NPD beschäftigt sich DIE LINKE als authentische Friedenspartei unmittelbar aus antimilitaristischen Motiven intensiv mit diesem Thema, und das exakt seit drei Jahren.
Im Mai 2006 begann nämlich still und heimlich die Mauserung des Flughafens Leipzig zum Militärdrehkreuz mit zunächst recht wenigen Transportflügen von USSoldaten ins Kriegsgebiet nach Afghanistan und in den Irak. Der Truppentransport wuchs in der Folgezeit rasch an und hat inzwischen gigantische Dimensionen angenommen. Die Zahl der GIs, die für einige Zeit auf dem Terminal A campieren, war im Jahre 2008 mit 450 000 fast so hoch wie die Einwohnerzahl Leipzigs. Im 1. Quartal 2009 wuchs die absolute Anzahl auf eine Gesamthöhe von über einer Million. Seit 2006 ist der prozentuale Anteil der sogenannten Transitpassagiere am Gesamtpassagieraufkommen deutlich gestiegen. Inzwischen ist fast jeder dritte Passagier in Schkeuditz ein USSoldat.
Damit verfügt Leipzig über einen Kriegsflughafen von europäischer militärstrategischer Bedeutung, was bei der EU in Brüssel übrigens die Spatzen von den Dächern pfeifen. Das hält DIE LINKE aus verschiedenen und jeweils sehr gewichtigen Gründen für eine ganz fatale Entwicklung, die auf unseren entschiedenen Widerstand stößt.
Drei zentrale Argumente möchte ich etwas näher beleuchten. Beginnen wir erstens mit dem Geschäft mit dem Tod. Einer der viel gelobten sächsischen Infrastrukturleuchttürme, in dessen Ausbau eine Milliarde Steuergelder geflossen sind, verdient einerseits schamlos am völkerrechtswidrigen Krieg im Irak. Andererseits wurden und werden militärische Nutzungen und damit auch Menschenrechtsverletzungen im Irak und in Afghanistan faktisch über öffentliche Steuergelder einschließlich Fördermittel der EU finanziert. Nicht nur viele Anwohner haben daher inzwischen berechtigterweise den Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen privater Unternehmen sowie militärische Aktivitäten der USA und der NATO wesentlich größeren Einfluss auf die Geschäftspolitik der Flughafen Leipzig GmbH und das Verkehrsgeschehen am Flughafen haben als die zivilen Linien- und Charterflüge.
Die Misserfolge der Flughafengesellschaft auf ihrem ureigensten Gebiet, dem zivilen Flugverkehr für Urlauber und Geschäftsleute, dürfen nicht weiterhin durch abenteu
erliche Teilhabe an militärischen Truppentransporten und Frachtverkehr kaschiert werden.
Es ist keine Übertreibung, wenn wir feststellen: Als Zivilflughafen ist Schkeuditz inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes ein Luftschloss, als Kriegsflughafen hingegen gleicht es einem riesigen stationären Flugzeugträger mit zwei Start- und Landebahnen. Es gibt an manchen Tagen über mehrere Stunden auf dem Rollfeld in Schkeuditz kein einziges ziviles Flugzeug, sondern nur amerikanische Transportflieger von World Airways und North American Airlines sowie die größten Frachtflugzeuge der Welt, die Antonow-Großraumtransporter, zu sehen. Die Szenerie wirkt gespenstisch und gleichsam kafkaesk. Einem Werk Kafkas scheint auch die bizarre offizielle Argumentation entlehnt zu sein, dass zivile Flugzeuge aufgrund ihres Status gar keine militärischen Transportflüge unternehmen könnten. Diese tückische Vermischung von Militär und Zivil dient natürlich dazu, eine Armee unsichtbar zu machen.
Mit dem gleichen Pseudoargument könnte man genauso gut den US-Flugzeugträger „Enterprise“ bunt anmalen und als Kreuzfahrtschiff bezeichnen. Zum Glück ist dieser Rabulistik mit dem gesunden Menschenverstand schnell beizukommen. Wenn ich in eine Schuhschachtel Pralinen packe, ist das keine Schuhschachtel mehr, sondern eine Pralinenschachtel. Zumindest die Bundesregierung in Gestalt des Tiefensee-Ministeriums hat sich inzwischen bequemt, den offensichtlichen Tatsachen ins Auge zu sehen und spricht von „Militärflügen“.
Es ist auch kein Zufall, dass für jeden Einflug eines USTruppentransports nach Leipzig vom Bundesministerium der Verteidigung eine sogenannte Military Diplomatic Clearance Number, abgekürzt MDCN, ausgestellt wird. Hierzu zwei offizielle Zahlen aus dem Bundesverteidigungsministerium vom 12. Mai 2009, also von vorgestern, die man nicht kommentieren muss: Im Jahre 2008 wurden insgesamt 1 350 MDCN ausgestellt, in den ersten vier Monaten des Jahres 2009 bis zum 30. April bereits 551.
Zweitens lehnt DIE LINKE die faktische Umwandlung von Schkeuditz in einen Kriegsflughafen wegen gravierender rechtlicher Bedenken ab.
Fast unisono erklärten in einer Anhörung zu unserem Antrag „Ausmaß, Folgen, Gefahren und Risiken der militärischen Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle als zentrales Drehkreuz für US-Militär“, der im Übrigen, was seinen Inhalt angeht und auch handwerklich dem NPDAntrag um Längen überlegen ist, im Verfassungs- und Rechtsausschuss am 27. April die geladenen Sachverständigen, dass sie den Umstieg der US-Soldaten auf ihrem Weg in den Nahen und Mittleren Osten als klare Verletzung des Zwei-plus-Vier-Vertrages ansehen,
insbesondere dessen Regelung in Artikel 2 Satz 1 – Sie können mich ja dann korrigieren, Herr Morlok –, wonach die Regierung des Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik ihre Erklärung bekräftigen – ich zitiere –, dass „von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“. Und Artikel 5 Abs. 3 bestimmt, dass ausländische Streitkräfte in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt werden dürfen.
Weiterhin waren sich nahezu alle Gutachter dahin gehend einig, dass Sachsen durch die Truppentransporte über Leipzig Teil des militärischen Nachschubsystems ist und damit mehr oder weniger direkt am völkerrechtswidrigen Krieg im Irak mitwirkt. Spätestens mit dem Urteil des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2005 und damit der höchstrichterlichen Feststellung, dass weder der NATO-Vertrag noch andere völkerrechtliche Verträge die Bundesregierung dazu verpflichten können, entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht – so vom Gericht festgestellt – völkerrechtswidrige Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen, steht die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges und sämtlicher Unterstützungshandlungen völlig außer Frage.
Dass die Staatsregierung dies völlig unkommentiert und widerstandslos über sich bzw. über den Flughafen Leipzig-Halle, an dem der Freistaat Sachsen als klassischer Mehrheitsaktionär mit 76,64 % beteiligt ist, ergehen lässt, empfinden nicht nur wir als unerträglich. In einer Presseerklärung vom 8. Februar 2009 verurteilte die größte Bürgerinitiative vor Ort, die mehrere Hundert Mitglieder umfassende IG Nachtflugverbot Leipzig-Halle e. V., den Ausbau Leipzigs zur Militärdrehscheibe und forderte den Oberbürgermeister auf, dafür zu sorgen, dass das Ansehen Leipzigs – ich zitiere – „als Stadt der friedlichen Revolution nicht durch die unmittelbare Unterstützung völkerrechtswidriger Kriege beschmutzt wird“. Das sind die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, Herr Rößler, und nicht ich.
Aber nicht nur das Völkerrecht, auch das Grundgesetz und die sächsische Landesverfassung werden aus unserer Sicht in Schkeuditz permanent unterlaufen. In Artikel 26 des Grundgesetzes heißt es unter Abs. 1 klar – wieder ein Zitat, Herr Rößler –-: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung von Angriffskriegen vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Und Artikel 12 der Sächsischen Verfassung bekundet das Wirken des Landes „auf eine friedliche Entwicklung in der Welt“. – So weit zur Verfassungswirklichkeit im Freistaat Sachsen anno 2009.
Der dritte Grund für unsere Ablehnung des militärischen Missbrauchs sind die geradezu unerträglichen Belastungen für Zehntausende Bürgerinnen und Bürger im Umfeld des Flughafens. Auf Einladung der örtlichen Bürgerinitiativen unternahmen mehrere Landtagsabgeordnete und Landtagskandidaten der Linken unlängst eine Nachttour und überzeugten sich persönlich von 22 Uhr abends bis 7 Uhr morgens von dem ohrenbetäubenden nächtlichen Lärm und dem kilometerweiten Kerosingestank, den nicht
nur die circa 100 DHL-Flugzeuge, sondern auch und vor allem die pseudozivilen US-Truppenflieger MD 11 und DC 10 jede Nacht erzeugen. Bei diesem Höllenlärm ist an eine normale Nachtruhe für viele Menschen nicht zu denken. Ihre Lebensqualität ist substanziell beeinträchtigt und macht viele sogar regelrecht krank.
DIE LINKE unterstützt daher die Forderung der Betroffenen, den Planfeststellungsbeschluss endlich mit Leben zu erfüllen und die strengen Regeln des Schallschutzes in der Luft und am Boden einzuhalten. Das beste Schallschutzprogramm ist der sofortige Stopp jeglicher militärischer Nutzung des Flughafens Leipzig. Dafür setzen wir uns weiterhin auf allen politischen Ebenen ein.
Meine werten Damen und Herren, zum militärischen Missbrauch des Leipziger Flughafens gäbe es noch viel zu sagen. Allein der Sicherheitsaspekt bzw. die verschiedenen Sicherheitsgefährdungen wären ein ganzer Themenkomplex für sich. Während jeder harmlose Tourist wegen Nagelpfeile und Taschenmesser zum Verdachtsfall wird, sind die amerikanischen Soldaten während des Fluges tatsächlich bewaffnet. Stolz verkündete Marc Vetterick, der Firmensprecher von World Airways, gegenüber dem US-amerikanischen Nachrichtensender Fox News: „Wir sind die einzige Airline, bei der es heißt: Verstauen Sie bitte Ihre M 16 unter dem Sitz vor Ihnen.“
Vielleicht gerät angesichts so viel entwaffnender Offenheit der eine oder andere Landtagsabgeordnete nunmehr ins Grübeln. Mit dem Grübeln aufgehört und inzwischen zur aktiven Gegenwehr übergegangen sind vor Ort mittlerweile nahezu zwei Dutzend Bürgerinitiativen. Deren Botschaft ist eindeutig. In der bereits von mir zitierten Presseerklärung der IG Nachtflugverbot vom 8. Februar heißt es am Ende – und damit möchte ich auch mit meinem Beitrag zum Schluss kommen – in gebotener politischer Klarheit: „Wir sagen Nein zur militärischen Nutzung des Flughafens. Wir sagen Nein zur Unterstützung völkerrechtswidriger Kriege. Der Vertrag mit den USMilitärs muss sofort gelöst werden. Diese Flüge dürfen nicht länger auf deutschem Boden stattfinden.“ – So weit die IG Nachtflugverbot.
Diesen vier Forderungen schließt sich die Linksfraktion vorbehaltlos an. Auch hier unterscheiden wir uns diametral von der NPD-Fraktion. Wir erwarten keine Berichterstattung über Tatsachen, die allenthalben nachzulesen und längst bekannt sind. Wir wollen die Staatsregierung in die Pflicht nehmen, sich zum einen im Sinne des Artikels 44 des Einigungsvertrages als die nach dem Einigungsvertrag verbliebene Garantiemacht zur Wahrung der Rechte der sächsischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Einigungsvertrag gegenüber dem Bund als dem Vertragspartner des Zwei-plus-Vier-Vertrages für die Einhaltung dieses Vertrages und die Einstellung der US-Truppentransporte zum und über dem Flughafen Leipzig-Halle, wenn es sein muss auch auf dem Klagewege, einzusetzen.
Zum anderen fordern wir die Staatsregierung auf, im Wege ihrer absoluten Mehrheitsbeteiligung an der Mitteldeutschen Flughafen AG durch eine entsprechende
Unternehmensentscheidung die Weichen für eine ausschließlich zivile Nutzung und zur Unterbindung der USTruppentransporte zu stellen. Nicht langwieriges Fragenstellen, sondern unverzügliches Handeln ist das Gebot der Stunde.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anknüpfend an meinen Vorredner gestatte ich mir zunächst eine Vorbemerkung zur Anwesenheit. Sosehr es mich freut, dass die Besuchertribünen gut gefüllt sind, so ist es doch im gewissen Sinne – da bin ich nicht ganz so feinsinnig wie Herr Heitmann – ein Armutszeugnis, dass bei einer so wichtigen Gesetzesdebatte viel weniger Landtagsabgeordnete als Gäste auf der Besuchertribüne anwesend sind – die ich ganz herzlich begrüße. Das haben eigentlich die vielen Tausend Kulturakteure in diesem Land nicht verdient.
Wissen Sie, Herr Schiemann, was alles nicht zulässig ist, was wir aber trotzdem machen …
„Was lange währt, wird endlich gut“, heißt es im Volksmund. Für die Politik der Staatsregierung trifft das eigentlich höchst selten zu. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuordnung der Kulturräume im Freistaat haben wir es heute mit einer dieser wenigen und damit umso erfreulicheren Ausnahmen zu tun. Während die letzte Novellierung des Kulturraumgesetzes Ende 2007 noch ein Spielball von kleingeistigem Parteienstreit innerhalb der Koalition war, haben sich diesmal CDU und SPD eines Besseren besonnen.
Mit dem vorliegenden, nunmehr entfristeten Kulturraumgesetz hat Sachsen ungeachtet aller noch von mir zu benennenden Kritikpunkte eine der wichtigsten Säulen seiner Kulturpolitik gestärkt und verfügt damit weiterhin über ein deutschlandweit originäres und zukunftsweisendes Modell der Kulturfinanzierung. Der wegweisende Charakter des Kulturraumodells besteht aber nicht nur darin, dass es mit dem Kulturlastenausgleich gelang, eine solide Basis der Finanzierung bedeutender Kulturangebote in Städten und Gemeinden zu etablieren; die besondere
Stärke des Kulturraumgesetzes besteht vor allem in den leistungsfähigen Gremien zur Entscheidungsfindung, die eine demokratische Mitwirkung wirklich gewährleisten, wo die politische Entscheidungsgewalt der Kulturkonvente mit der fachlichen Kompetenz der ehrenamtlich agierenden Kulturbeiräte sowie das professionelle Agieren der Kulturraumsekretariate einen verantwortlichen solidarischen Umgang mit der öffentlichen Kulturförderung und einen spartenübergreifenden Gestaltungswillen erkennen lassen. Auf diese Weise ist ein öffentliches Bewusstsein für die Wirkungsmöglichkeiten der Kultur entstanden.
Diesen demokratischen Diskurs über die Bedeutung der Kultur in der Gesellschaft zu ermöglichen scheint mir eine der hauptsächlichen Aufgaben von Kulturpolitik zu sein. Weil wir diese demokratischen Strukturen für sehr wichtig halten, hatten wir auch dafür plädiert, den Vorsitzenden der Kulturbeiräte im Konvent Stimmrecht zu verleihen sowie je vier vom Kreistag gewählte Vertreter mit beratender Stimme in dieses Gremium aufzunehmen. Dieser Änderungsantrag wurde leider abgelehnt.
Mit einer gewissen Hellhörigkeit reagieren wir auch auf alle Töne, die diesbezüglich eindeutig aus der falschen Richtung kommen. Das im letzten Jahr vorgestellte Theater- und Orchestergutachten der Staatsregierung ließ für die großen Kultureinrichtungen bereits wenig Gutes erahnen; denn darin wurde ganz offen über weitere Zusammenlegungen – sprich: Einsparungen – spekuliert.
Der Bericht des Kultursenates für 2007 wies daher in eindringlicher Weise auf das Gefährdungspotenzial für die sächsischen Theater und Orchester hin, das man seinerzeit bei der Erarbeitung des Kulturraumgesetzes nicht für möglich gehalten hatte. Der Kultursenat forderte angesichts dieser Gefahren – ich zitiere – „eine inhaltliche Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat, den Kulturräumen und den Trägern der Theater und Orchester, die auf der Basis eines gemeinsamen Konzeptes für die Theater- und Musiklandschaft in Sachsen langfristige Planungssicherheit für die Institution schafft und sie aus der Abhängigkeit von kurzfristigen Schnellentscheidungen auf kommunaler und regionaler Ebene befreit“.
Nun müssen wir im Vorblatt zum Gesetz einen merkwürdigen Satz lesen: „Im Wesentlichen wird mittelfristig nur noch jeder der künftigen Kulturräume über ein Theater und Orchester verfügen können.“ Derartige durch den Freistaat vorgenommene Festlegungen zur sächsischen Theater- und Orchesterlandschaft würden aber mit der Autonomie und Selbstverwaltungshoheit der Kulturräume kollidieren und somit einen schwerwiegenden, letztlich verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff darstellen, wie zu der Anhörung zum Gesetzentwurf am 3. April mehrere Sachverständige betonten.
Apropos Anhörung: Herr Heitmann hat gerade darauf hingewiesen, dass im Nachgang zu dieser Anhörung nur sparsame Ergänzungen im Gesetzestext vorgenommen wurden. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Koalition bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfes eine ganze Reihe von sehr berechtigten und unisono vorgetragenen
Einwänden der eingeladenen Kulturakteure – ich nenne als Stichwort die 30-Prozent-Regel – ignorierte und damit die große Chance vergab, aus dem ursprünglich als Kulturerhaltungsgesetz angelegten Gesetz ein Kulturfachgesetz zu machen. – Auf diese verpasste Gelegenheit werde ich später im Entschließungsantrag noch einmal zu sprechen kommen.
Ungeachtet dieser Einwände liefert der vorliegende Gesetzentwurf im Großen und Ganzen die Voraussetzung dafür, dass die nunmehr 14 Jahre andauernde Erfolgsbilanz des Kulturraummodells fortgeschrieben werden kann.
Wir sollten uns aber nicht zu früh zufrieden zurücklehnen, sondern die Möglichkeiten des Gesetzes wirklich ausschöpfen und beachten, dass das Kulturraummodell einer ständigen Fortschreibung und eines stets fortzuführenden Diskurses über Inhalte, Ziele und Verfahrensweisen bedarf, um die Vitalität der Kulturarbeit zu bestärken und beharrenden Momenten entgegenzuwirken. Insofern begrüßen wir die im Gesetz aufgenommene Evaluation, die allerdings erst in sieben Jahren stattfinden wird; auch darauf hat Herr Heitmann bereits hingewiesen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut. Die Pfeiler dieses Fundamentes bedürfen aber einer starken Verankerung. Das Sächsische Kulturraumgesetz ist erfreulicherweise ein solcher Anker gegen eine gefährliche Entwicklung unserer Gesellschaft, die der Berliner Schriftsteller Ingo Schulze anlässlich der Verleihung des Thüringer Literaturpreises aus meiner Sicht sehr treffend charakterisiert hat: „Die Tendenz zur Refeudalisierung des Kulturbetriebes geht einher mit einer allgemeinen Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche – des Gesundheitswesens, der Bildung, des Sports, des Verkehrssystems, der Wohnungswirtschaft, der Energiewirtschaft, bis dahin, dass private Firmen Polizeiaufgaben übernehmen.“
Besser kann man aus Sicht der Linksfraktion die Notwendigkeit für das vorliegende Gesetz nicht begründen, und zumindest von unserer Seite – das kann ich Ihnen versichern, Herr Heitmann – wird sich Ihre Hoffnung auf Zustimmung erfüllen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatsministerin, ich gratuliere Ihnen ebenfalls sehr herzlich. Es ist ein bisschen schade, dass Sie den Glückwunsch hier so einsam entgegennehmen. Aber die anderen neun Kabinettsmitglieder werden sicherlich ihren Grund haben, bei dieser Verabschiedung nicht dabei zu
sein, bei diesem „historischen Tag“, wie es Herr Hatzsch vorhin bezeichnet hat.
Auch wenn wir zugestimmt haben, besitzt das Gesetz – ich hatte es vorhin schon angedeutet – eine Reihe von Defiziten, die wir nicht nur als Schönheitsfehler empfinden. Darum will ich in unserem Entschließungsantrag, den Sie sicherlich schon aufmerksam durchgearbeitet haben, noch einmal kurz die wesentlichen Kritikpunkte benennen und damit einige der zahlreichen Anregungen der zu Recht viel gerühmten Anhörung vom 3. April 2008 aufgreifen.
Dazu zählt – erstens – die Verstärkung der Innovationsfähigkeit der sächsischen Kultur, um vor allen Dingen Jugendliche und Kinder anzusprechen. Auf diesen Aspekt hatte insbesondere der heute auch schon vielfach gerühmte Prof. Vogt hingewiesen.
Im zweiten Punkt betonen wir – ich hatte das auch schon angedeutet – die Notwendigkeit, sich jeder landespolitischen Einflussnahme auf die Kulturräume hinsichtlich der Theater- und Orchesterlandschaft zu enthalten. Ich will mich jetzt auch nicht auf die Haarspalterei einlassen, ob es nun ein Gutachten der Staatsregierung ist, das von der Staatsregierung beauftragt oder von der Kulturstiftung als Bitte entgegengenommen wurde. Ich habe jedenfalls – sicherlich nicht nur ich – sehr aufmerksam registriert, was Herr Heitmann gerade gesagt hat. Er hat sich im Vorblatt des Gesetzentwurfes nachdrücklich hinter die Formulierung gestellt. Man wird das wahrscheinlich vor allem im Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien aufmerksam registriert haben, denn dort würden sich, wenn das realisiert würde, die ersten Schließungen vollziehen.
Der dritte und der vierte Punkt unseres Entschließungsantrages hängen indirekt zusammen, denn es geht um einige finanzpolitische Pferdefüße des Gesetzes, auf die auch schon hingewiesen worden ist.
Zunächst wurde bei der Novellierung des Kulturraumgesetzes offenkundig vergessen, parallel eine Änderung des FAG mit Blick auf die ehemals kreisfreien Städte vorzunehmen. Zwickau, Plauen, Görlitz und Hoyerswerda verlieren durch die Herunterstufung bei der sogenannten Veredlung nach den jetzigen Parametern im Zuge der Kreisgebietsreform insgesamt 14,4 Millionen Euro. Diese Verluste müssen unbedingt ausgeglichen werden, sonst könnten diese Städte nicht mehr die notwendige Kulturumlage als Komplementärfinanzierung für ihre Einrichtung aufbringen. Ein fataler Mechanismus, den Prof. Vogt treffend als „extrapolierte Theaterschließung“ bezeichnet hat.
Falls dieses Problem nicht gelöst wird, verschieben sich nämlich – viertens – auch die Relationen zwischen den urbanen und ländlichen Kulturräumen weiter zuungunsten der letzteren. Derzeit liegt das Verhältnis schon bei 52 zu 48 %. Diese Asymmetrie darf sich aber nicht verstärken, um nicht die Kernsubstanz des Kulturraumgesetzes auszuhöhlen. Um genau das zu verhindern, bitten wir um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den zweiten Teil der heutigen Debatte hat die Linksfraktion mit der
unmissverständlichen Forderung „Gedenkstättengesetz endlich novellieren“ überschrieben. Darum möchte ich, anknüpfend an den Diskussionsbeitrag unseres Fraktionsvorsitzenden, etwas genauer auf die konkreten Vorstellungen der Linksfraktion zu einer entsprechenden Gesetzesänderung eingehen, die offenkundig nun auch von der Staatsregierung als notwendig erkannt wird; zumindest deuten die begrüßenswerten jüngsten Verlautbarungen der zuständigen Ministerin darauf hin.
Bei unseren alternativen Vorschlägen orientieren wir uns an den Kritikpunkten der NS-Opferverbände, mit denen sich in den letzten Jahren leider nicht unvoreingenommen auseinandergesetzt wurde. In diesem Zusammenhang bedaure ich außerordentlich, dass bis auf Herrn Dr. Gerstenberg keiner der Vorredner auch nur auf einen dieser Kritikpunkte eingegangen ist.
Die Rede von Herrn Hatzsch kann ich hier nicht so stehen lassen. Am letzten Dienstag war Frau Ministerin Stange in unserer Fraktion. Es tut mir leid, dass ich das jetzt öffentlich machen muss, aber nach diesem pauschalen Angriff, uns gewissermaßen „Provokation“ vorzuwerfen, muss ich das erwähnen.
Sie hatte uns gebeten, diese Aktuelle Debatte abzusetzen,
aber wir haben abgelehnt und signalisiert, dass wir sehr sensibel, sehr fair mit dem Thema umgehen wollen.
Was Sie gemacht haben, Herr Hatzsch:
Sie sind nicht mit einem Wort auf die Vorwürfe der NSOpferverbände, die seit vier Jahren im Raum stehen, eingegangen.
Sie haben Ihre Familiengeschichte bemüht. Das mag ehrenwert sein. Aber warum gehen Sie nicht mit einem Satz auf die Argumente ein, die in der „Leipziger Erklärung“ – Herr Hahn hatte sie zitiert – am 29. Oktober 2007 offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind?
Sie haben als Vizepräsident für die Würde des Hauses eine spezielle Verantwortung. Sie haben hier eine Schärfe in die Debatte getragen, die völlig unnötig und auch unwürdig war, Herr Hatzsch. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle einmal sagen. Das war auch politisch stillos.
Insofern bin ich Herrn Dr. Gerstenberg, wie gesagt, sehr, sehr dankbar dafür, dass er den Handlungsbedarf benannt hat, da uns vorgeworfen wurde, wir hätten das zur Unzeit auf die Tagesordnung gesetzt.
Sie wissen, dass wir seit dreieinhalb Jahren einen diesbezüglichen Antrag im Geschäftsgang haben, und wir haben mit Frau Ludwig sowie mit Frau Stange viele Gespräche geführt und bei diesem Thema oftmals zurückgesteckt – dreieinhalb Jahre lang.
Ich weiß nicht, Herr Schmalfuß, ob es in acht Jahren angemessen ist, öffentlich darüber zu debattieren. Und uns parteipolitische Instrumentalisierung vorzuwerfen – dieser Vorwurf geht völlig ins Leere. Wir nutzen lediglich die Möglichkeiten des Parlamentes, diese Kritikpunkte hier endlich einmal zu transportieren. Aber Sie wollen diese Kritikpunkte überhaupt nicht hören. Wenn also die NS-Opferverbände sagen, in Sachsen würde ein – ich zitiere – „gedenk- und erinnerungspolitischer Sonderweg beschritten“, dann ist das doch im politischen Alltagsgeschäft keine Aussage unter vielen. Das ist doch etwas, was uns aufrütteln und alle berühren muss. Es geht doch um das Selbstverständnis und das Ansehen des Freistaates Sachsen.
Die NS-Opferverbände monieren, dass das „Recht auf bürgerschaftliche Mitwirkung“ im Grunde genommen zur „politischen Floskel“ erstarrt ist. Dazu hat auch Herr Dr. Gerstenberg einiges gesagt. Wir sind der Auffassung, dass die Gremien geändert werden müssten. Wenn man sich die Zusammensetzung des Stiftungsrates anschaut, dann wird klar, dass in diesem Gremium staatlich gelenkte Erinnerungskultur dominiert. Allein drei Minister sind Mitglied im Stiftungsrat. Auch die Schaffung zweier selbstständiger Stiftungsräte steht für uns völlig außer Frage.
Den eigentlichen politischen Krebsschaden hat Herr Dr. Hahn bereits benannt und kritisiert: die Nivellierung und Verharmlosung der NS-Menschheitsverbrechen durch die Gleichsetzung mit dem Unrecht, das nach 1945 zweifellos begangen wurde.
Vielleicht erleichtert es den anderen demokratischen Fraktionen den Zugang zu unserer Kardinalkritik, wenn sie sich etwas genauer mit der Anhörung im Deutschen Bundestag am 7. November 2007 beschäftigen. Herr Prof. Henke ist bereits zitiert worden; auch Prof. Faulenbach, Martin Sabrow und Peter Steinbach haben die Gleichsetzung der NS-Diktatur mit der DDR strikt zurückgewiesen. Ich möchte zwei Sätze von
Herrn Prof. Henke, der mit Sachsen bekanntlich sehr viel und mit der Linksfraktion sehr wenig am Hut hat, zitieren, damit Sie begreifen, was renommierte Zeithistoriker zu diesem Thema zu sagen haben; und ich denke, Prof. Henke hat es sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich zitiere ihn: „Jeder Versuch, selbst der Anschein, den Nationalsozialismus und den diktatorischen Sozialismus in der Endstufe des Ausbaues von Gedenkstätten und Lernorten irgendwie äquivalent zu behandeln, ist historisch falsch, politisch verfehlt und kulturell verstörend.“ An anderer Stelle schrieb Henke den notorischen Gleichsetzern ins Stammbuch: „Es gibt keinerlei substanzielle Erkenntnis über die NS-Zeit, die nur auf dem Wege eines Vergleiches mit der DDR zu erlangen wäre – und umgekehrt.“ Vielleicht sollten Sie über diese Sätze einmal nachdenken.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Motto der Aktuellen Stunde ist von der FDP – darin stimme ich Herrn Hermsdorfer zu – etwas kryptisch formuliert worden. Nach dem Beitrag von Kollegen Schmalfuß sehen wir ein bisschen klarer, wohin die Reise gehen soll, obwohl ich die Stichworte „Technikbegeisterung“ und „Forscherdrang fördern“ nicht herausgehört habe.
Zweifellos haben wir es bei der sächsischen Industriekultur mit einem spannenden und zugleich in den letzten Jahren sehr vernachlässigten Thema zu tun. Sachsen tritt nach außen – darin hat Herr Dr. Schmalfuß recht – vor allem als Land der Burgen und Schlösser auf. Das ist sicher schick, aber nur die halbe Wahrheit.
Wohlhabend und bekannt wurde Sachsen durch seine Industrie. Das muss sich adäquat im Auftritt des Freistaates widerspiegeln. Wenn man aber das entsprechende Stichwort in eine bekannte Internet-Suchmaschine eingibt, wird als Erstes ein Hinweis auf das Bergwerk Sachsen im nordrhein-westfälischen Hamm ausgespuckt. Die nächsten Seiten sind auch nicht viel sächsischer. Das ist schon ziemlich peinlich, obwohl wir doch diesbezüglich allerhand aufzuweisen haben.
Das Spektrum der Schätze im Freistaat reicht geografisch von A wie Altenberg und dem dortigen Bergbaumuseum bis Z wie Zwickau und dem August-Horch-Museum. Da in diesem Museum auch der „Trabant“ steht und ich deswegen möglicherweise gleich wieder unter OstalgieVerdacht gestellt werde, verweise ich beim letzten Buchstaben des Alphabetes alternativ auf das Besucherbergwerk in Zinnwald oder – wer es technisch etwas moderner mag – auf den Erfinder des Computers, Konrad Zuse, der in Hoyerswerda geboren wurde und dem dort ein eigenes Museum gewidmet ist.
Kernstück unserer Industriekultur ist gewiss der Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, der leider seit Jahren von der Koalition – auch darauf hat Herr Dr. Schmalfuß verwiesen – kaputtgespart wird. Es ist wohl der Hinweis legitim, dass die damalige Linksfraktion.PDS in den Haushaltsverhandlungen im Dezember 2006 die Rücknahme der jährlichen Kürzungen um 7 % forderte. Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. In meiner Antragsbegründung führte ich damals aus, dass diese automatische Kürzung – ich zitiere – „von einer inneren Abkehr der Staatsregierung von der sächsischen Industriegeschichte und unseren industriegeschichtlichen Traditionen“ zeugt. Nun scheint zumindest bei Frau
Ministerin Stange ein Umdenken eingesetzt zu haben, was wir sehr begrüßen.
Die Industriekultur ist nicht nur ein Wert an sich, sondern sie ist von herausragender Bedeutung – das impliziert auch das Motto der heutigen Aktuellen Debatte – für solche Megathemen wie Fachkräftenachwuchs und Stopp des Wegzuges qualifizierter junger Leute. Die Jugend muss ein Gefühl für die Vergangenheit des Landes und seiner Rolle bekommen und an Technik und Fertigungsprozessen interessiert werden. Um Industriekultur zu transportieren, sollte an die museale Präsentation möglichst die eigene Beschäftigung mit der vergangenen Technik angeschlossen werden.
Nun wollen wir auch keinesfalls den Unterrichtstag in der Produktion in der DDR eins zu eins kopieren, wo Schülerinnen und Schüler an oftmals archaischen Maschinen mehr oder weniger freiwillig Industriekultur aus nächster Nähe nicht nur kennenlernen, sondern auch aktiv betreiben durften. Diese Maschinen und die vielen Traditionskabinette gibt es bekanntlich nicht mehr. Das frühe Kennenlernen produktiver Tätigkeit, betrieblicher Abläufe und deren technologischer Vorläuferprozesse fördert in besonderem Maße die Berufsorientierung der Heranwachsenden und trägt gleichzeitig zu einer größeren Bindung an die heimatlichen Gefilde bei. Genau in diesem Sinne wird die Linksfraktion demnächst parlamentarisch aktiv.
Der Erhalt der Industriekultur wird häufig durch die schiere Größe der Anlagen bzw. Gebäudekomplexe zur Krux. So ist es zum Beispiel in Leipzig-Plagwitz zwar gelungen, die Kammgarnspinnerei als Hülle für Lofts zu bewahren, aber nicht eine kleine Ecke deutet irgendwo auf die grandiose Vergangenheit dieses einmaligen Betriebes hin. Wir haben auch keine Brikettfabrik retten können. Witznitz steht zwar noch, ist aber um- bzw. ungenutzt. Auch die einmalige Abraumförderbrücke im Tagebau Zwenkau wurde gesprengt. Da half auch der „F.A.Z.“-Befund nicht – ich zitiere –: „Die paar Millionen für den Erhalt müssen sich doch noch finden lassen.“ Dankenswerterweise hat zumindest in Brandenburg die Brikettfabrik in Knappenrode als Museum ebenso überlebt wie die Förderbrücke Klettwitz.
Was ist, abgesehen von der dringend notwendigen Aufstockung der Mittel für den Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, weiter zu tun? Im Sinne der Industriekultur kommt es jetzt auf Kooperation und Vernetzung, zum Beispiel entlang thematischer Routen, an, die gegebenenfalls über Landesgrenzen hinausführen werden. So wurde in Brandenburg beispielsweise viel Braunkohlerelevantes bewahrt, was in Sachsen verschwunden ist.
Eifersüchtig wird über den jeweiligen Schatz gewacht oder es fehlt die Gesamtschau in Sachsen. Aus Sicht der Linksfraktion wäre es daher an der Zeit, die übernächste Landesausstellung endlich zur sächsischen Industriekultur zu gestalten. Einen wichtigen Baustein auf diesem Weg bietet übrigens der von der Landesstelle für Museumswesen 2004 herausgegebene Führer durch die sächsische Museumslandschaft, der erstmals eine Kategorisierung
einführt, bei der Technik- und Industriemuseen sowie Stätten sächsischer Handwerkstechnik und Industriegeschichte separat ausgewiesen sind.
Ein letzter Satz: Bayern vermarktet unter dem Motto „Ganz in der Tradition neuer Ideen und alter Tugenden“ die Münchener Traditionsbrauerei Hacker-Pschorr ähnlich inbrünstig wie Schloss Neuschwanstein. Man muss ja von den Bayern nicht gleich das Siegen lernen, aber zumindest bei der intelligenten Pflege und Vermarktung von Industriekultur – das Brauwesen zählt im weitesten Sinne sicher dazu – kann sich unser Land trotz des sächsischen Brauereimuseums im erzgebirgischen Rechenberg noch einiges von den bayerischen Nachbarn abschauen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt für die Linksfraktion gute Gründe, heute mit unserer Großen Anfrage zum City-Tunnel Leipzig erneut ausführlich auf das ehrgeizigste und verkehrspolitisch umstrittenste Bauvorhaben in Sachsen einzugehen und vom zuständigen Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit des Freistaates plausible Erklärungen für die neuerliche Kostenexplosion einzufordern. Wir werden uns auch nicht von dem Vorwurf ins Bockshorn jagen lassen – man lese nur den vorliegenden Entschließungsantrag der Koalition –, dass die Debatte im Landtag angeblich zu den unzähligen Versuchen gehört, den City-Tunnel Leipzig zu diskreditieren.
Vor 16 Monaten wollten wir vom Staatsminister Jurk im Landtag wissen, woher Kostensteigerungen von möglicherweise 73 Millionen Euro rühren; und der Minister hatte nichts Besseres zu tun, als unsere Kontrollpflicht der plötzlich aufgetauchten zusätzlichen finanziellen Risiken als Verschlechterung der Verhandlungsposition des Freistaates zu diffamieren und diejenigen, die hart nachfragten, auf das Abstellgleis vermeintlicher – ich zitiere – „Handlanger von Preistreibern“ bugsieren zu wollen und sogar mit dem Staatsanwalt zu jagen. Der Vorwurf war schon damals absurd, doch mehr noch: Das Vorhaben City-Tunnel wird immer abenteuerlicher, ohne dass Licht am Ende der Röhre zu erkennen wäre.
Kurz vor Weihnachten teilte das Jurk-Ministerium kurzerhand mit, nun könnten die Mehrkosten 133 Millionen Euro erreichen. Wenigstens kam diese Nachricht diesmal von den Verantwortlichen selbst, sodass die hanebüchene Behauptung, es würde von der Linken mit vertraulichen Angaben dem Baukonzern in die Hände gespielt, keine Chance auf einen Neuaufguss hatte.
Empörend an den neuerlichen Zusatzkosten ist, dass als Begründung dieselben Gründe genannt werden wie bereits im Sommer 2006: der schwierige Baugrund, notwendige Sicherungsmaßnahmen, geänderte Planung. Damals, vor anderthalb Jahren, wurden uns genau diese Gründe aufgetischt. Wir fragen, was sich seither so gravierend geändert hat, dass nun wieder an den sattsam bekannten Kostenschrauben gedreht wird. Außerdem wollen wir wissen, was es mit dem jahrelang vorgetragenen Argument auf sich hat, dass mit den Konzernen, die den Zuschlag für die drei riesigen Bauabschnitte erhielten, Festpreise bis zur Fertigstellung vereinbart worden seien und die kalkulierten Kosten von insgesamt 572 Millionen Euro – die klingen heute schon fast wie ein Sparmodell – keineswegs überschritten würden.
In damaliger offizieller Lesart hätten die Kosten während der langjährigen Bauzeit durchaus steigen können; doch immer wären es die Baukonzerne gewesen, die sie hätten auffangen müssen, da ja angeblich Festpreise vereinbart waren. Was wir stattdessen erfahren, ist, dass es wohl ein Festpreismärchen, um nicht zu sagen, eine Festpreislüge war, die den Abgeordneten und Wählern – und damit den Steuerzahlern – aufgetischt wurde.
Die Kosten steigen, was bei einem Vorhaben, das drei Jahre dauern sollte und längst mindestens fünf Jahre dauern wird, kein Wunder ist; doch diese gestiegenen Kosten werden durch die Baukonzerne offensichtlich ungeniert bei den öffentlichen Geldgebern abgeladen. Darauf verlangen wir eine Antwort.
Es scheinen hier generell Hase und Igel am Werk zu sein. Nur zur Erinnerung: 572 Millionen Euro sollte der CityTunnel kosten, als das Kernstück des Projektes, die Doppelröhre, vorläufig nur in den Planungsunterlagen stand. 645 Millionen Euro wurden angedroht, als die Tunnelbohrmaschine endlich in Leipzig angekommen war, aber noch keinen Meter gebohrt hatte. 705 Millionen Euro sind es seit Dezember 2007, als die Maschine wenigstens schon einen runden Kilometer Röhre geschafft hatte. Wie soll das weitergehen? Wo soll das hinführen?
Wir sind schon beim nächsten Thema. Mit einem strahlenden Lächeln verkündete die Tunnelpatin, die Ehefrau des sächsischen Ministerpräsidenten, am Beginn der Bohrung am 11. Januar 2007 in der Baugrube unter dem Bayerischen Bahnhof: Das Barbarafest, den Festtag der Bergleute und Mineure, wolle sie mit den Arbeitern Anfang Dezember 2007 am Ende der Röhre, am Hauptbahnhof, feiern. – Niemand widersprach der Patin, da es sich protokollarisch wohl auch nicht gehört. Nun haben wir Ende Januar, doch die Vortriebsmaschine schlummert am Markt. Bis zum Hauptbahnhof ist es noch ein ganzes Stück. Weitere Monate Bauverzug sind seit der Beantwortung der Großen Anfrage im Mai letzten Jahres längst entstanden. Ich verweise diesbezüglich vor allem auf die Antwort zum Punkt 2.9. Grob gerechnet besagte der überarbeitete Bauplan doch immer: 2007 – erste Röhre, 2008 – zweite Röhre, 2009 – technische Ausstattung, 2010 – Abnahme und Probebetrieb, Ende 2011 – Inbetriebnahme, wie die Antwort auf die Frage 4.1 suggeriert.
Wo stehen wir eigentlich jetzt? Wie groß ist die Verzögerung? Und das Wichtigste: Wann soll der City-Tunnel wirklich in Betrieb genommen werden? Wenn es mit den Erläuterungen eng wird, verlegt sich die Staatsregierung ja gern darauf, den Nutzen des City-Tunnel mit dem aufgemöbelten mitteldeutschen S-Bahn-System zu begründen. Wir möchten über den angepeilten Inbetriebnahmetermin hinaus genau wissen, welche geplanten Fahrgastzahlen aktuell sind. Staatsminister Jurk sagte im
September 2006 vor diesem Hause, dass wir davon ausgehen dürfen – ich zitiere –: „..., dass nach Inbetriebnahme aller S-Bahn-Linien der City-Tunnel voll ausgelastet sein wird“. 80 000 Fahrgäste pro Tag auf dem Streckenabschnitt Markt – Hauptbahnhof finden sich in den Planungen.
Ich sage deutlich, warum die Linksfraktion an diesen märchenhaften Zahlen zweifelt: Vor über drei Jahren, als die modernisierte S-Bahn zwischen Leipzig und Halle in Betrieb ging, sagten die Planer voraus, mindestens 20 000 Fahrgäste würden sie pro Tag benutzen. Bis jetzt sind es täglich weniger als 10 000 – und die Bahn spricht von einem Erfolg.
Zurück zur Finanzierung. Nun wissen wir seit der Bruchlandung der Sachsen LB im August 2007 vom Finanzminister, dass der Haushalt des Freistaates den abgepressten sächsischen Bürgschaftsbeitrag leicht hergibt, ohne dass andere Vorhaben mit Kürzungen rechnen müssen. Gilt das auch für die Mehrkosten des City-Tunnels? Können die Kosten weiter steigen und locker vom Landeshaushalt aufgefangen werden? Oder ist eine Konsequenz des Kostendesasters rund um den Tunnel, dass die beiden Röhren irgendwie fertiggestellt werden, dass aber an den viel gerühmten netzergänzenden Maßnahmen gespart wird? An der Verlegung des Haltepunktes LeipzigLeutzsch zum Beispiel an der Herstellung einer wirklich modernen Verknüpfung mit der Straßenbahn? Dank der Umsteigemöglichkeit würde doch wenigstens einmal von den künftigen Nutzern her gedacht. Doch die Zeichen stehen offensichtlich auf Abspeckvarianten und SanktNimmerleins-Tag, worüber in den neuesten Ausgaben der Fachpresse schon trefflich spekuliert wird.
In der Landtagsdebatte um den Antrag der Linksfraktion „Die Verantwortung der Staatsregierung für die explodierenden Kosten beim Citytunnel Leipzig“ stützte sich Minister Jurk im September 2006 auf eine sagenhafte interministerielle Task force, deren Aufgabe es sein sollte – ich zitiere –, „… die Kostenstellen im sächsischen Haushalt für die künftigen Mehrkosten festzustellen“. Die Linksfraktion interessiert brennend, wie intensiv diese Aufklärungseinheit gearbeitet und was sie hervorgebracht hat. Oder war sie weniger Aufklärer, sondern doch nur Nachhut, um die regelmäßig auftauchenden Kostensteigerungen abzusegnen?
Außerdem will die Linksfraktion wissen, wie sich eigentlich die EU als einer der größten Geldgeber des Projekts City-Tunnel Leipzig zu den scheinbar unaufhaltsamen Kostensteigerungen und Terminverzögerungen verhält. Im September 2006 konnte uns Minister Jurk keine befriedigende Antwort auf die Frage geben, ob die Bauzeitverlängerung zu Kollisionen mit den Terminen führt, die für das Abrufen europäischer Fördermittel feststehen. Jetzt wollen wir es genau wissen. Falls sich der Tunnelbau weiter so dahinquält wie bislang, könnte das Ende der EFRE-Förderperiode nahen, und wir buddeln immer noch unter der Leipziger Innenstadt.
Herr Minister Jurk, sagen Sie uns, wie die EU auf die Verzögerung reagiert und ob Fördermittel zu verfallen drohen!
Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen. Wirtschaftsminister Schommer wollte aus rein psychologischen Gründen nicht, dass der City-Tunnel mehr als eine Milliarde kostet – D-Mark wohlgemerkt. Müssen wir unter Wirtschaftsminister Jurk vielleicht bald mit einer Milliarde Euro rechnen?
Oder mehr, Herr Prof. Porsch.
Entweder können bestimmte Verantwortliche, die exakt haushalten und kontrollieren müssen, nicht mit Geld umgehen oder sie werden von den Baukonzernen dreist an der Nase herumgeführt. Weder die eine noch die andere Vorstellung wirkt beruhigend.
Ich werde den Verdacht nicht los, dass die ganze Wahrheit des City-Tunnels kaschiert wird. Jedenfalls werden die Abgeordneten zum wiederholten Male mit geschönten Angaben abgespeist.
Herr Minister Jurk, es ist an der Zeit, die Karten endlich auf den Tisch zu legen. Nutzen Sie die heutige Debatte dazu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man versucht, die seit dem Monat Februar 2007
laufende Vorbereitung der Erhebung der Abgeordnetenanklage gegen meine Person auf den Begriff zu bringen, trifft der bekannte Sponti-Spruch der 68er-Bewegung „Du hast keine Chance, nutze sie!“ wohl am ehesten den Kern der Sache.
Auch wenn einige Vorredner mit zum Teil sehr salbungsvollen Worten erklärt haben, dass die Frage der Erhebung der Abgeordnetenanklage angeblich sachlich und neutral abgewogen untersucht worden sei, allein der seinerzeitige Auftakt der Kampagne – Frau Windisch, Sie erinnern sich vielleicht –, nämlich die von der Birthler-Behörde durchgestochene Präsentation meiner Akten in sämtlichen sächsischen Zeitungen ab 8. Februar 2007, lange bevor ich sie selbst zu Gesicht bekommen hatte, zeichneten das heutige Abstimmungsergebnis vor.
Ich sage das übrigens mit aller Gelassenheit und beklage das keinesfalls, denn ich bin kein Freund von Larmoyanz. Außerdem gönne ich Journalisten schon aus alter beruflicher Verbundenheit zunächst erst einmal jede Enthüllung. Aber auf die Mühlen der Selbstbeweihräucherung der Mehrheit des GOI-Ausschusses, der in der vorliegenden Beschlussempfehlung allen Ernstes behauptet, unter „Abwägung aller Umstände“ gehandelt zu haben, muss ich nicht noch zusätzliches Wasser leiten. Die Mehrheit beabsichtigte nämlich sowohl im Bewertungs- als auch im GOI-Ausschuss von Beginn an keineswegs die Abwägung aller Umstände. Das war bei einer Arbeitsweise, die stark von parteipolitischer Voreingenommenheit und einer zum Teil offen zur Schau getragenen Verachtung meiner Person geprägt war, auch nicht möglich.
Diese bittere Feststellung ist durch viele Tatsachen belegbar. Ich will es bei einem sehr gewichtigen und von jedem hier im Saal nachvollziehbaren Nachweis an dieser Stelle belassen:
Seit Ende Februar haben die beiden Ausschüsse und das Plenum in der Summe ein Dutzend Mal getagt. Mir wurden in einer Gesamtsitzungszeit von sicher mehr als 30 Stunden über 100 Fragen gestellt. Nicht eine einzige Frage – ich betone: nicht eine einzige Frage – vonseiten der Mitglieder der Ausschussmehrheit befasste sich aber beispielsweise mit meiner konkreten politischen, wissenschaftlichen oder journalistischen Tätigkeit ab 1990, und das ist immerhin ein Zeitraum von 17 Jahren. Herr Bartl hat schon darauf hingewiesen: Die vom Landesverfassungsgericht mit Blick auf die in § 118 geforderte Einbeziehung der sogenannten Nachbewährung bei Erhebung der Abgeordnetenanklage, also die Gesamtheit des Wirkens in den Strukturen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, interessierte von der Ausschussmehrheit niemanden. Es war für sie schlichtweg nicht existent.
Ich habe immer kritisiert und tue es auch hier und heute, dass meine mittlerweile 30-jährige Biografie im Sächsischen Landtag stets auf die 18-monatige Zusammenarbeit mit der Stasi reduziert wurde, die inzwischen fast 20 Jahre zurückliegt. Diese einseitige Perspektive kann im Grunde aber auch nicht verwundern, hatte doch, bildlich gesprochen, die Hubertus-Knabe-Fraktion sowohl im Bewer
tungs- als auch im GOI-Ausschuss mehrheitlich das Sagen. Diese Mehrheit der Mitglieder beider Gremien verfügt offenkundig nur über ein Grundmuster ihrer Erkenntnis- und Interpretationsfähigkeit: Mit der Gleichförmigkeit einer tibetanischen Gebetsmühle hieß es immer wieder nur: „Wo ‚Külow’ draufsteht, muss auch MfS drin sein“ oder, wie es dieses eindimensionale Weltbild in meiner Ihnen vorliegenden Stellungnahme metaphorisch umschrieb: „Die Erde ist eine StasiScheibe.“
Dieses geradezu reflexhafte Grundmuster wurde am tendenziösen Umgang mit allen unwiderlegbaren Tatsachen, wie zum Beispiel der prinzipiellen Offenlegung meiner IM-Tätigkeit vor der Landtagswahl 2004, deutlich. Noch klarer trat es im weiteren Verlauf des Verfahrens hervor, indem immerhin mein Anwalt als Zeuge abgelehnt wurde.
Jeder zugelassene Entlastungszeuge hingegen, jedes vorgelegte Beweismittel, darauf hat meine Vorrednerin, Frau Lay, schon hingewiesen, wie beispielsweise der über mich gedrehte Film aus der Wendezeit, jede von Betroffenen angenommene Entschuldigung wurde in ein vermeintliches Belastungsindiz gegen mich umfunktioniert. Dieses deutlich parteiische Vorgehen war und ist auf ein strategisches Ziel ausgerichtet: mir die persönliche Integrität für die Innehabung eines Landtagsmandats abzusprechen. Dafür schreckte man in den Ausschusssitzungen übrigens auch gelegentlich nicht vor rüden verbalen Attacken gegen mich zurück. Für eine dieser Rüpeleien bin ich allerdings bis heute sehr dankbar, denn in nur einem einzigen Wort enthüllte sich das eigentliche Geheimnis – oder sollte man vielleicht sagen: das Dilemma – der Tätigkeit beider Ausschüsse. Ich will die Gelegenheit nutzen, mich öffentlich – er wird jetzt sicherlich etwas überrascht sein – bei Herrn Lehmann von der CDU, denn um keinen Geringeren handelt es sich, an dieser Stelle ganz herzlich zu bedanken. Mit seinem auf meine vollständige moralische Vernichtung ausgerichteten Diktum in der GOI-Sitzung vom 1. Oktober 2007, dass ich nämlich angeblich von einer „Judaspersönlichkeitsstruktur“ – Zitat Lehmann – „geprägt“ sei, war im Grunde genommen alles gesagt. Ich gebe aber zu, Frau Windisch hat es heute mit dem „Steineschmeißer von der Brücke“ noch ein wenig getoppt.
Ich gestatte mir, auf diesen Redebeitrag noch etwas näher einzugehen. Sie sprach von dem „stabilen moralischen Wertegerüst“ und ihrem „inneren Kompass“. In diesem Kontext möchte ich eine Nachfrage stellen. Mir liegt die Große Anfrage der SPD, Drucksache 1/4326 von 1994, unterschrieben vom damaligen Fraktionsvorsitzenden Karl-Heinz Kunckel, vor. Da wird nach der Personalpolitik im SMI gefragt. Jetzt wird sicherlich noch ein zweiter Abgeordneter sehr hellhörig werden. Dort wird festgestellt, dass im damaligen SMI insgesamt 161 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gearbeitet haben, davon allein sechs im Büro des Ministers. Darunter waren ein Oberstleutnant, ein Major, 25 Hauptleute usw. usf. Wenn das natürlich zum stabilen