Ralf Jäger

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Last Statements

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage, Herr Minister. – Der Vortrag von Ihnen ist so zu werten, dass Sie offensichtlich zu einem völlig anderen Schluss kommen als die Landeswirtschaftsministerin auf Grundlage der Anhörung des BurgiGutachtens. Herr Wolf, deshalb meine Frage: Welche Auffassung vertreten Sie hier heute, Ihre persönliche oder ist es die Auffassung der Landesregierung?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten ein schwieriges, um nicht zu sagen dramatisches Thema heute erneut, nämlich den Zustand der 396 Gemeinden in NordrheinWestfalen, aber insbesondere deren finanzielle Situation.
Mit Fug und Recht kann man sagen: Es war noch nie so dramatisch. Die Kommunalfinanzen befinden sich im freien Fall. Theater müssen geschlossen werden, Jugendzentren, Kindergärten, Kultureinrichtungen. Vieles, was in den Kommunen – anders noch als in den 80er- und 90er- Jahren – als unverzichtbar gilt, muss der finanziellen Situation geopfert werden. 90% der Kommunen werden in den nächsten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen.
Lassen Sie mich das an einem Bild festmachen: In vielen Kommunen gehören jeder Bürgersteig, das Rathaus sowieso, die Straßenlaternen, das Theater, die Brücken, die Straßen nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Kommune, sondern sie sind vollständig verpfändet an die Banken über Kredite.
Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger inzwischen längst gelernt haben, was Teile insbesondere im rechten Spektrum dieses Parlamentes offensichtlich nicht verstehen wollen: dass die Kommunen nicht aus eigenem Verschulden, sondern, weil sie Aufgaben übertragen bekommen haben, deren finanzielle Last sie nicht mehr stemmen können, unverschuldet in diese Finanzkrise geraten sind.
Um 18 Milliarden € sind die Kassenkredite in Nordrhein-Westfalen gestiegen. Im gleichen Zeitraum, zwischen 2005 und 2009, hatte diese Landesregierung übrigens den gleichen Betrag von 18 Milliarden € als Steuermehreinnahmen zur Verfügung.
Die Menschen sehen an den Kommunen, dass etwas mit der Verteilungsgerechtigkeit in diesem Land nicht mehr stimmt. Die Kommunen sind arm in einem relativ wohlhabenden Staat in Mitteleuropa.
Da stimmt etwas an der Verteilung von finanziellen Mitteln, von Steuereinnahmen auf der einen sowie Aufgaben, Lasten und Zuständigkeiten auf der anderen Seite nicht mehr.
Diese Situation hat sich in den letzten vier Jahren in Nordrhein-Westfalen dramatisch verschärft, insbesondere auch dadurch, dass die Regierungsfraktionen und die Landesregierung den Kommunen in Nordrhein-Westfalen durch 23 unterschiedliche Maßnahmen Fördergelder gestrichen, Steuereinnahmen vorenthalten oder schlichtweg Kürzungen in einer Größenordnung von 4 Milliarden € in deren Kassen vorgenommen haben.
Ich weiß, dass Herr Lux, Herr Engel und vielleicht der Innenminister auf den zweithöchsten Verbundsatz in der Geschichte des Landes NordrheinWestfalen hinweisen werden. Aber Sie verschweigen dabei immer: Was Sie den Kommunen rechtmäßig im Rahmen der Steuerverbünde in die linke Tasche geben, haben Sie ihnen durch Kürzungen an anderer Stelle aus der rechten Tasche herausgezogen.
Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass Schwarz-Gelb im Bund wie im Land dafür verantwortlich ist, dass kommunale Infrastruktur, dass wichtige kommunale soziale Einrichtungen, dass Leistungen für Kinder, Jugendliche und alte Menschen deshalb in den Städten nicht mehr gezahlt werden können, weil Sie dafür verantwortlich sind, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb.
Ich möchte meinem Kollegen Edgar Moron genug Zeit lassen, das eine oder andere zum Zustand der Kommunalfinanzen und zu Ihrer Verantwortung darlegen zu können. Ich will allerdings noch zwei Beispiele nennen, wie absurd der Umgang mit notleidenden Kommunen inzwischen in diesem Land ist.
Es gibt ein Schreiben von drei Städten an den Ministerpräsidenten. Den drei Städten ist von der jeweiligen Kommunalaufsicht mit dem Hinweis auf leere Kassen untersagt worden, junge Menschen auszubilden.
Der Ministerpräsident schrieb ihnen, das alles sei nicht so schlimm. Natürlich könnten Kommunen, auch wenn sie notleidend sind, Ausbildungen durchführen. – Während dieses Schreiben am 8. Februar bei der Stadt Oberhausen eingeht, rufen die Beamten der Landesregierung den zuständigen Oberbürgermeister an und sagen: Dieses Schreiben kannst du vergessen. Wir werden dir die Ausbildung von 35 jungen Menschen in deiner Stadtverwaltung, die dringend notwendig sind, untersagen.
Ich will ein zweites Beispiel nennen. Der verlängerte Arm der Landesregierung in Münster, Regierungspräsident Paziorek, erklärt, es sei ein Irrglaube,
diese finanzielle Situation überhaupt noch über die Kommunalaufsicht in den Griff zu bekommen. Sie sei schlichtweg trostlos. – Herr Paziorek hat sich dazu entschlossen, Landesrecht schlichtweg zu ignorieren und den notleidenden Kommunen dadurch zu helfen, dass er die Augen schließt, wenn sie Schulden machen müssen.
Meine Damen und Herren, diese beiden Beispiele und die Tatsache, dass die Kommunen seit fünf Jahren im Kabinett dieser Landesregierung mit einem Minister, der ihre Interessen wahrnimmt, nicht mehr vertreten sind, und auch die personelle Besetzung zeigen: Das sind Auflösungserscheinungen dieser Landesregierung, die im Sinne von guten Kommunalfinanzen und einer intakten kommunalen Infrastruktur hoffentlich in 57 Tagen das letzte Mal regiert hat. – Vielen Dank.
Frau Ministerin, meine Fraktion nimmt zur Kenntnis, dass Sie gerade gesagt haben, dass dies nicht zutreffen würde. Dann darf ich aus dem Protokoll der HPR-Sitzung vom 19. Januar zitieren:
Darüber hinaus kritisierte sie – gemeint sind Sie, Frau Ministerin – die insgesamt negative Berichterstattung über den Strafvollzug in den Medien. Sie appellierte deshalb an Verbände, Gewerkschaften und Personalvertretungen, diesbezüglich, auch im Interesse der NRW-Strafvollzugsbediensteten, korrigierend einzugreifen.
Ist dieser Protokollauszug richtig, Frau Ministerin?
Frau Ministerin, neben dem Hinweis auf die protokollierte Tatsache, dass Sie Bedienstete aufgefordert haben, auf die Medienberichterstattung einzuwirken, frage ich Sie: Trifft es zu, dass Sie den Kollegen Frank Sichau in einer Sitzung am 19. Januar als Sicherheitsrisiko dargestellt und wortwörtlich gesagt haben, er, Frank Sichau, stelle einen Generalangriff auf die Sicherheit des Landes dar? – Zitatende.
Und sind Sie in der Lage, sich für diesen offensichtlichen Versuch der Behinderung der Arbeit eines frei gewählten Abgeordneten zu entschuldigen?
Der Kollege Frank Sichau ist, glaube ich, über alle Fraktionen hinweg als ein äußerst versierter und sehr fleißiger Abgeordneter bekannt, der viele Justizminister, auch sozialdemokratische, immer kritisch hinterfragt hat. In dem Zusammenhang, Frau Ministerin, frage ich Sie jetzt noch einmal: Ist es richtig, dass Sie das kritische Nachfragen von Herrn Sichau als Sicherheitsrisiko bewertet und wörtlich gesagt haben, er, Frank Sichau, stelle einen Generalangriff auf die Sicherheit des Landes dar. Trifft das zu?
Herr Minister, Sie haben die Rede als gut wahrgenommen.
Sie muss so gut gewesen sein, dass der Ministerpräsident sie sogar zweimal gehalten hat.
Denn nach der Veröffentlichung in „Die Glocke“ hat der Ministerpräsident exakt dieselbe Rede über weite Strecken bereits 2007 in Warendorf gehalten.
Danke schön, Herr Präsident! Herr Minister, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass der Kollege Töns noch nicht Mitglied der Karnevalsgesellschaft „Die Traumtänzer“ ist. Ich vermute einmal, Herr Krautscheid, dass Sie immer noch nicht Mitglied der niederrheinischen Karnevalsgesellschaft „Die Dümmlinge“ sind.
Dies vorausgeschickt, habe ich noch eine Frage, die Sie sicherlich schriftlich beantworten werden, zu der Rolle von Herrn Berger bei dieser Veranstaltung: Herr Berger ist ja verschiedentlich als offensichtlich steuerfinanzierter Wahlkampfhelfer, sei es bei der Imagekampagne, sei es bei der Beratung von Herrn Schramma nach dem Stadtarchiveinsturz oder sei es bei der Koordinierung der Videoüberwachung der Kollegin Kraft, wahrgenommen worden. Wie konnte es sein, dass Herr Berger auch bei dieser Veranstaltung wiederum als steuerfinanzierter Wahlkampfhelfer durch die „Aachener Nachrichten“ wahrgenommen worden ist? Diese Frage können Sie dann auch bei den Fragen, die hier schon gestellt wurden, gleich mit schriftlich beantworten.
Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen hat es eine Sondersitzung des Rechtsausschusses gegeben, die für vertraulich erklärt worden ist. Es hat bereits eine Pressemitteilung der Justizministerin gegeben, in der sie diesem Verfassungsorgan den Verdacht unterstellt hat, dass aus dieser Sitzung Vertrauliches an die Öffentlichkeit gelangt sei. Wir haben dies als Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD bereits heftig kritisiert. Dies steht einer Ministerin nicht zu, die ihr eigenes Haus vielleicht vor Quellen schützen sollte.
Herr Stahl, Sie haben mir heute in Ihrer Rede unterstellt, diese Vertraulichkeit verletzt zu haben. Ich fordere Sie hiermit auf, das zu widerrufen oder zu belegen, oder am besten für immer zu schweigen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns über alle Fraktionen hinweg einig
doch, ich hoffe, zumindest in diesem Punkt. –, dass durch den Ausbruch der beiden Schwerverbrecher Heckhoff und Michalski Menschenleben in diesem Land ernsthaft bedroht waren, dass es Gott sei Dank so glimpflich ausgegangen und es glücklichen Umständen zu verdanken ist, dass Menschen nicht zu größerem Schaden gekommen sind.
Die Diskussion heute hier hat nichts mit Skandalisierung zu tun,
sondern muss sich mit der Frage beschäftigen, wie es sein kann, dass es zu einer so ernsthaften Bedrohung von Leib und Leben gekommen ist. Das ist das Thema dieser Aktuellen Stunde, meine Damen und Herren.
Wenn wir schon bei Skandalisierung und bei scheibchenweiser Information sind, weise ich nur darauf hin, dass der Fragenkatalog der SPDFraktion, den wir nach der Rechtsausschusssitzung eingereicht haben,
bis heute noch nicht beantwortet ist.
Herr Giebels, Herr Orth, wenn das alles war, was Sie vorgetragen haben, kann man nur feststellen: Rückendeckung für eine Ministerin sieht anders aus.
Wenn Sie sich schon auf Zahlen der Vergangenheit berufen, dann schauen Sie sich die Statistik an, die uns das Justizministerium in der letzten Woche vorgelegt hat. Bis zum Jahr 2004 ist die Zahl der Ausbrüche auf Null reduziert worden und danach erst wieder angestiegen, meine Damen und Herren.
Wer wie Sie, Herr Giebels und Herr Orth, offensichtlich nur in der Vergangenheit lebt, der kann die Probleme der Gegenwart auch nicht erkennen.
Ich sage Ihnen voraus, Herr Giebels, Herr Orth, Frau Müller-Piepenkötter: Die Wählerinnen und Wähler in diesem Land werden entscheiden, dass Sie die Probleme auch in Zukunft nicht mehr lösen werden.
Wenn wir schon bei der Frage von Wahrheit, Unwahrheit und scheibchenweiser Information sind, Frau Müller-Piepenkötter, dann sage ich: Sie sind in der Sache des Ausbruchs in Aachen gleich mehrfach Lügen gestraft worden. Sie haben den Landtag und die Öffentlichkeit gleich mehrfach hinters Licht geführt.
Gerne. Sie haben dem Landtag und der Öffentlichkeit verschwiegen, dass zum Zeitpunkt der Flucht in der JVA Aachen ein Notdienstplan existierte,
dass Sie die Personalstellen von über 50 auf 40 reduziert haben. Sie haben der Öffentlichkeit und diesem Landtag verschwiegen, dass Sie im Mai 2008 veranlasst haben, Schleusen nur noch mit einer Person zu besetzen.
Frau Müller-Piepenkötter, Sie haben der Öffentlichkeit und dem Landtag verheimlicht, dass Sie für die erhebliche Reduzierung der Sicherheitsmaßnahmen in den JVA des Landes NordrheinWestfalen verantwortlich sind.
Wenn man Ihre Informationspolitik in den letzten drei Wochen betrachtet, wie Sie mit Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Verdrehungen die wahren Ausmaße über die Umstände dieser Flucht vertuscht haben, dann kann man nur vermuten, dass die chinesische Propagandaabteilung im Vergleich zu Ihnen ein Hort der Wahrheit ist.
Ich darf daran erinnern, wie in den vergangenen Jahren die Ministerin in diesem Land mit Vorfällen der Justiz umgegangen ist. Es gab den schrecklichen Foltermord in Siegburg, wo ein 20-Jähriger über 24 Stunden zu Tode gefoltert worden ist. Das haben Sie als bedauerliche Justizpanne bezeichnet.
Mutter und Tochter sterben in Gladbach, da, konkreten Warnhinweisen nicht folgend, ein mit Haftbefehl Gesuchter in einem Gericht aus- und einmarschieren kann und seine Familie tötet. Zwei Kinderschänder kommen auf freien Fuß, weil die Justiz schlampig gearbeitet hat. Sie haben all das als eine unglückliche Verkettung von Ereignissen bezeichnet.
In Gelsenkirchen gab es einen erneuten Folterübergriff. Ein Gefangener, der zum Selbstmord gezwungen werden sollte, wurde über viele Stunden gefoltert. Das haben Sie mit einem Bauernopfer beantwortet, indem Sie gerade mal die Anstaltsleitungen ausgetauscht haben.
Allein diese Vorfälle und der Ausbruch in Aachen zeigen: Es gibt in der nordrhein-westfälischen Justiz ein völliges Organisationsversagen, und dafür haben Sie die Verantwortung zu tragen, Frau Müller-Piepenkötter.
Dass Sie zur Belastung der Regierung Jürgen Rüttgers geworden sind, sagen inzwischen auch Ihre eigenen Parteikollegen. Sie haben in der Öffentlichkeit jeden Kredit verspielt. Die Kritik an der Justizministerin, an der Justiz von den Bediensteten war noch nie so scharf, war noch nie so groß wie unter Ihnen. Das hat es in diesem Land zuvor noch nie gegeben.
Wenn man genau zugehört hat, was Sie gerade vorgetragen haben, kann man sagen: Offensive sieht anders aus. Aber ich habe den Eindruck, Sie sitzen in Ihrer Düsseldorfer Wagenburg und reden mit einer Art von Selbstsuggestion die Justiz in Nordrhein-Westfalen schön. Ich habe den Eindruck, dieses Ministerium wird nicht von Ihnen geleitet, wobei sich die Frage stellt: Wer leitet es eigentlich noch?
Sie sind unfähig, mit Kritik von Bediensteten umzugehen. Statt auf Hilferufe zu reagieren, zeigen Sie immer nur mit dem Finger auf andere. Sie reagieren panisch, indem Sie versuchen, Kritiker mundtot zu machen, und Internetseiten sperren. Sie taumeln, Frau Müller-Piepenkötter, wie ein angeschlagener Boxer von Panne zu Panne. Der Trainer wirft aber leider nicht das Handtuch;
das müssen am 9. Mai die Wählerinnen und Wähler in diesem Lande tun. Ich finde, es ist ein Höhepunkt der Pannen erreicht. Man kann nur hoffen, dass das, was Sie in den letzten Jahren in diesem Land verbrochen haben,
keine Fortsetzung bis zum 9. Mai finden wird, wenn Sie dann endlich abgewählt werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz offen gestanden, meine Damen und Herren von den Regie
rungsfraktionen: Sie mögen sich an mir persönlich oder an meinen Fraktionskollegen abarbeiten wollen. Aber das Thema dieser Aktuellen Stunde ist: Die Sicherheit von Menschen ist in diesem Land bedroht, weil in unseren Gefängnissen etwas nicht stimmt. Das ignorieren Sie gerne und arbeiten sich an uns ab. Aber ich sage Ihnen ganz offen: Das adelt uns eher, als dass es uns trifft.
Frau Müller-Piepenkötter, die Regierung hätte Zeit gehabt, erneut in die Debatte einzusteigen. Sie persönlich hätten Zeit gehabt, auf das, was wir vorgetragen haben, zu reagieren.
Ich habe den Eindruck, dass Sie gerade jetzt wieder abtauchen und keine Antworten geben.
Deshalb stelle ich Ihnen die vier Fragen, die Herr Kutschaty und Herr Stotko gestellt haben, noch einmal. Ich fordere Sie auf, Ihre Redezeit in Anspruch zu nehmen, um dem Parlament die Antworten zu geben.
Die erste Frage lautet: Warum haben Sie die Sicherheit in der JVA Aachen reduziert? Warum haben Sie die Personalstellen von über 50 auf 40 reduziert?
Zweite Frage. Wieso haben Sie behautet, dass die Besetzung mit nur einem Mann an der Schleuse bereits 2002 oder 2003 durch einen SPD-Justizminister veranlasst wurde,
obwohl Sie es waren, die diesen Erlass am 8. Mai 2008 herausgegeben hat?
Dritte Frage. Ich fordere Sie auf, Frau Müller-Piepenkötter, die Antwort darauf zu geben, wie es sein kann, dass ein Justizvollzugsbeamter, gegen den wegen Fluchthilfe ermittelt wurde, der private Kontakte zu Heckhoff und Michalski pflegte, der observiert wurde und gegen den Ermittlungen wegen Bestechlichkeit liefen,
ganz alleine an der sicherheitsrelevantesten Stelle der JVA Aachen sitzt und die beiden Verbrecher herauslassen kann?
Die vierte Frage lautet, Frau Müller-Piepenkötter: Wie kann es sein, dass Sie nach den vielen Hundert Hilferufen im Internet, die Frau Düker geschildert hat, und nachdem Sie die Personalvertretung um Hilfe bittet, weil die Sicherheit in der JVA Aachen nicht gewährleistet ist, heute immer noch mit dem
Finger auf andere zeigen, anstatt sich selbst infrage zu stellen?
Das sind vier Fragen, Frau Müller-Piepenkötter. Wir erwarten von Ihnen hier und jetzt darauf Antworten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen die Beratungen zum Gemeindefinanzierungsgesetz wieder einmal beginnen, ohne dass der zuständige Minister dabei anwesend wäre. Das macht aber nichts. Was es zu sagen gibt, wird gesagt werden.
Wir sind zurzeit in der Situation, dass landauf, landab in den allermeisten der 396 Kommunen Nordrhein-Westfalens die Haushalte zusammenbrechen, dass große Lücken zwischen Einnahmen und Ausgaben herrschen, dass Bäder, Theater und Bibliotheken geschlossen werden, dass der öffentliche Personennahverkehr ausgedünnt wird und dass unsere Städte sichtbar ausbluten. Die Bürgerinnen und Bürger erkennen dies inzwischen auch. Bei einer ganzen Reihe von Kommunen ist eine derartige Überschuldung eingetreten, dass sämtliches öffentliche Eigentum – jedes Rathaus, jede Schule und jeder Kindergarten – inzwischen nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Städte gehört, sondern den Banken, die den Städten die entsprechenden Kredite einräumen müssen.
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Ursachen. Die eine Ursache ist, dass die Aufgaben, die nord
rhein-westfälische Kommunen wahrzunehmen haben, die Aufgabendichte und die Aufgabenintensität alles das, was an Einnahmen zur Verfügung steht, mehr oder weniger aufzehren. Das sind Dinge wie beispielsweise die Grundsicherung für die Rentnerinnen und Rentner, die mit eigenen Rentenversicherungen oder Renten ihr Auskommen nicht haben. Es sind die explodierenden Kosten im Rahmen der Hilfe zur Erziehung. Das sind sämtliche Ausgaben für die Behindertenhilfe, und das sind vor allem die Ausgaben für Langzeitarbeitslose, deren Unterbringung und Heizkosten. – Das ist der eine Grund.
Der andere Grund sind die Beschlüsse dieser Landesregierung, die in den letzten vier Jahren einen unglaublichen Raubzug durch die kommunalen Kassen gemacht hat, was letztendlich dazu geführt hat, dass in den kommunalen Haushalten ganz erhebliche Lücken zwischen Einnahmen und Ausgaben existieren.
Ich will das im Einzelnen erläutern. Wir werden vom Innenminister gleich wahrscheinlich hören, dass die Kommunen die zweithöchsten Schlüsselzuweisungen in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen. Das wird natürlich wie immer nur die halbe Wahrheit sein, weil nämlich neben den Schlüsselzuweisungen an die Kommunen bei anderen Zuweisungen ganz erheblich gekürzt worden ist.
Da ist die Kürzung des Steueranteils. Eigentlich sind 23 % über viele Jahre sakrosankt abgesenkt worden. Da ist die Abschaffung des Anteils der Grunderwerbsteuer für die Kommunen. Da ist die erhöhte Beteiligung an der Krankenhausfinanzierung für Kommunen. Das alleine, meine Damen und Herren, macht seit 2005 in der Summe eine Kürzung des Landes gegenüber den nordrheinwestfälischen Kommunen von 2,2 Milliarden € aus.
Das Zweite, wo man inzwischen wirklich von einer Abzocke des Landes gegenüber den Kommunen sprechen muss, ist die Frage der Beteiligung am Solidarpakt Ost. Tatsache ist: Wenn wir uns den Unterschied zwischen ostdeutschen und westdeutschen, aber vor allem auch nordrheinwestfälischen Kommunen ansehen, können wir einerseits feststellen, dass es im Osten zum Teil Städte gibt, die schon äußerlich den Eindruck machen, dass man Gutes mit dem Solidarpakt bewirken kann. Andererseits erkennen die Bürgerinnen und Bürger gerade in Nordrhein-Westfalen nicht nur an Schlaglöchern und undichten Schuldächern, dass hier Geld fehlt.
Es ist schon schlimm genug, dass dieses Geld nicht mehr nach dem Bedarf, sondern ausschließlich nach Himmelsrichtungen verteilt wird. Aber bei der Frage, wie sich der Beitrag des Landes Nordrhein-Westfalen beim Aufbau Ost zusammensetzt, zockt diese Landesregierung die nordrheinwestfälischen Kommunen seit 2007 permanent ab.
Es ist verfassungsgerichtlich festgestellt, dass das Land den Kommunen verfassungswidrig zu hohe Beiträge abverlangt. Alleine hier ergibt sich ein Fehlbetrag von 900 Millionen €. Und schlimmer noch: Das Abrechnungsgesetz, das diese Landesregierung vorgelegt hat, zementiert diese Abzocke bis zum Jahre 2019. Hier saniert sich das Land im Solidarpakt Ost auf Kosten der nordrheinwestfälischen Kommunen.
Das Fazit ist, meine Damen und Herren: Die Finanzsituation in den Kommunen war noch nie so schlimm, wie sie aktuell ist. Die Kommunen können mit Fug und Recht sagen, in diese Situation nicht durch eigenes Verschulden hineingeraten zu sein. Und vor allem werden es die allermeisten nicht schaffen, dieser Schuldenfalle aus eigener Kraft zu entkommen.
Wir müssen daran erinnern – schließlich wird es vonseiten des Innenministers und gelegentlich auch von Mitgliedern der tragenden Fraktionen für diese Landesregierung ausgeführt –, dass man mit Blick in die Verfassung feststellt, dass der Staatsaufbau klar geregelt ist. Die Kommunen sind – Herr Lux, Sie werden vielleicht versuchen, uns das zu erklären – eben nicht eine eigenständige staatliche Ebene, die ihr Auskommen selbst zu organisieren hat. Ein Blick in die Landesverfassung Nordrhein-Westfalens zeigt: Die Gemeinden sind Bestandteil des Landes. Es gibt eine Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen Kommunen, und Sie wissen selbst: Eine Insolvenz von Kommunen bedeutet nur, dass das Land für deren Schulden eintreten muss.
3,1 Milliarden € hat diese Landesregierung seit 2005 bei den Kommunen gekürzt, 2,2 Milliarden € bei vielen Zuweisungen, 900 Millionen € im Aufbau Ost. Man kann feststellen, dass alle Schließungen, die zurzeit in den Kommunen diskutiert werden – sei es bei den Bibliotheken, sei es ein ausgedünntes Angebot in den Volkshochschulen, sei es, dass gesetzliche Vorgaben zur Kinderbetreuung nicht umgesetzt werden können –, letztendlich die Entscheidungen Ihrer Fraktion, Herr Lux, und Ihrer Landesregierung sind. Das sind Ihre Schließungen, die Sie zu verantworten haben.
Tatsache ist auch, dass Sie gar nicht den Willen haben – vermutlich auch nicht die politische Kraft –, dem etwas entgegenzusetzen. Mehr noch: Sie wollen, aus dem Land Nordrhein-Westfalen befeuert, mit der Abschaffung der Gewerbesteuer eine weitere Axt an die kommunalen Finanzen legen.
Was bedeutet die Abschaffung der Gewerbesteuer? – Das bedeutet, dass 41 Milliarden € – so hoch war im letzten Jahr das Steueraufkommen in den Kommunen der Bundesrepublik Deutschland – nicht mehr von Unternehmen aufzubringen sein werden, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Das bedeutet pro steuerzahlendem Bürger in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Belastung in der Größenordnung
von durchschnittlich 1.200 €. Das ist Ihr Konzept der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.
Wir haben unseren „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ dagegengestellt. Dieser wird nicht alle Probleme in den Kommunen beseitigen, aber er wird denen helfen, die jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie Kredite aufnehmen sollen, um Pflichtaufgaben, die das Land den Kommunen zugewiesen hat, zu erfüllen. Mit diesem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ wollen wir 7 Milliarden € der Altschulden vorübergehend in die NRW.BANK übertragen und damit denen, die es unter den nordrhein-westfälischen Kommunen am nötigsten haben, so unter die Arme greifen, dass sie in dieser Zeit des Memorandums in der Lage sind, eigene Konsolidierungsanstrengungen an den Tag zu legen, um aus dieser Schuldenfalle herauskommen.
Dieses vorgelegte GFG ist gegenüber den nordrhein-westfälischen ein Armutszeugnis und zeigt – mehr noch – mangelndes Verständnis für die aktuelle Lage. Fazit ist, meine Damen und Herren, dass das, was zurzeit an Kürzungen und Streichungen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens stattfindet, ausschließlich auf das politische Konto der Mehrheit in diesem Parlament und letztendlich der Landesregierung geht. – Vielen Dank.
Realität ist: Die Kassenkredite in den nordrhein-westfälischen Kommunen betrugen im Jahre 2005 10 Milliarden €, am Ende dieses Jahres sind es 17 Milliarden €. Was heute vonseiten der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen geboten worden ist, ist in der Argumentation kabarettreif und nichts anderes als ein Leugnen der Pleite der Kommune mangels Willens und Kraft, heute Lösungskonzepte zu diskutieren.
Wegen der geringen Zeit, Herr Wolf, sage ich: Dieses Land hatte Innenminister wie Burkhard Hirsch,
Herbert Schnoor, Franz-Josef Kniola und Fritz Behrens.
Herr Wolf, es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass das heute Ihre letzte GFG-Einbringung war.
Was dann aus fünf Jahren Innenminister Wolf bleibt, ist der seltsame Spitzname Florida-Wolf,
das Wenden auf Autobahnen und ein Pannenabo beim Verfassungsgerichtshof.
Herr Wolf, in fünf Jahren haben Sie dazu beigetragen, dass aus der kommunalen Landschaft in Nordrhein-Westfalen ein Trümmerfeld geworden ist.
Das haben Sie zu verantworten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lindner, in der Tat. Es waren angenehme Debatten mit Ihnen. Wir haben uns gegenseitig selten etwas geschenkt. Sie hatten selten die richtige Meinung. Machen Sie so im Bundestag ruhig weiter!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Stahl, wir haben heute den Antrag von Ihrer Fraktion und der FDP-Fraktion vorliegen. Ich beneide Sie nicht darum, diesen Koalitionsvertrag schönreden zu müssen. Man hat Ihrer Rede auch angemerkt, wie schwer es Ihnen gefallen ist, das zu tun.
Herr Stahl, haben Sie vielleicht einmal nachgeschaut, wie viele Prüfaufträge dieser Koalitionsvertrag enthält? 84 Prüfaufträge! Wenn man moderne Textverarbeitungssysteme benutzt und damit prüft, wie oft das Wort „prüfen“ in diesem Koalitionsvertrag vorkommt: Was meinen Sie, was dabei herauskommt? 112 Mal das Wort „prüfen“!
Wenn man nicht weiß, was man tun soll, dann schreibt man da so etwas herein, Herr Laschet.
Und, Herr Stahl, wissen Sie eigentlich, wie viele Kommissionen eingesetzt worden sind, um die Probleme, die Sie in diesem Koalitionsvertrag gerade einmal angerissen haben, zu bearbeiten? Zehn an der Zahl! – Also, die Party ist vorbei, Herr Stahl. Schwarz-Gelb ist in der Wirklichkeit angekommen.
Es rumpelt und stockt. Aufbruchstimmung, Herr Stahl, sieht in der Tat anders aus. Ich glaube, dieser Koalitionsvertrag ist von der Frage geprägt: Wie kann man über viele Seiten, über viele Posen und über viel Prosa möglichst effektiv verschleiern, wie viele Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land tatsächlich zukommen?
Sie haben vor der Wahl versprochen: mehr Brutto vom Netto.
Entschuldigung, mehr Netto vom Brutto.
Wir haben in unserer Partei jemanden, der hat das auch schon einmal gemacht, richtig.
Also: Mehr Netto vom Brutto. – Was findet aber tatsächlich statt? In Ihrem Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben Sie den Kurs des Sozialabbaus – ich sage sogar: der sozialen Kälte – eingeschlagen. Das Schöne ist ja, dass Herr Linssen sich darüber mokiert hat, dass wir heute drei Tagesordnungspunkte haben, die sich mit dem Koalitionsvertrag beschäftigen. Das mag Ihnen nicht gefallen, Herr Linssen, weil man da in der Tat einmal in die Details einsteigen kann. Das fürchten Sie zu Recht, Herr Linssen, denn das werden wir heute Vormittag einmal machen: Punkt für Punkt durchzugehen, was auf die Bürgerinnen und Bürger aufgrund dieses Koalitionsvertrages zukommen wird.
Fangen wir einmal mit den steuerlichen Entlastungen an. Was passiert denn 2010? Das werden auch Sie, Herr Stahl, hoffentlich nicht bestreiten. Es wird 2010 steuerliche Entlastungen ausschließlich für die Unternehmen und für die großen Erbschaften geben. Ausschließlich!
Davon werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Cent mehr in ihrer Tasche haben. Keinen Cent mehr! Mehr noch: Sie erhöhen den Kinderfreibetrag. Was bedeutet das eigentlich für die, von denen Sie gerade gesagt haben, dass sie inzwischen in ihrer Obhut seien: die Krankenschwestern, die Alleinerziehenden, die mit geringem Einkommen?
Was bedeutet das denn für die, die wenig oder gar keine Steuern zahlen? Die werden von der Erhöhung des Kinderfreibetrages, Herr Stahl, null haben. Die werden gar nichts davon haben. Profitieren werden davon ausschließlich die mittleren und die höheren Einkommen, wobei in der Tat die Hälfte der Menschen aufgrund einer sozialdemokratischen Steuerpolitik wenig oder gar keine Steuern zahlen müssen.
Das Zweite ist: Wie findet denn diese Verteilung statt? Wie drückt sich diese soziale Schieflage denn in diesem Koalitionsvertrag aus? Sie sagen allen Ernstes, Sie würden die Unternehmen und die oberen Einkommen deshalb von Steuern entlasten, um den Aufschwung zu stützen und zu verstärken. Man kann es auf den Punkt bringen: Nach Ihrer Philosophie sollen Steuersenkungen zu Steuermehreinnahmen führen.
Was Sie damit eigentlich erreichen, ist nur eines: Sie reißen große Löcher in die öffentlichen Haushalte. Zu glauben, Steuersenkungen führten zu Steuermehreinnahmen, ist eine Illusion. Es gehört in das Reich der Märchen. Wer das zuletzt praktiziert hat, war Ronald Reagan in den USA
mit dem Erfolg, eine gigantische Staatsverschuldung erreicht und den Aufschwung letztendlich völlig abgewürgt zu haben.
Jetzt schauen wir doch einmal in die Details dieses Koalitionsvertrages. Diese drei Tagesordnungspunkte heute Vormittag geben uns ja ausreichend Gelegenheit dazu. Was ist denn da von NordrheinWestfalen, von Herrn Pinkwart und vom Ministerpräsidenten vor den Koalitionsverhandlungen angekündigt worden? „Keine Zumutungen“ – das ist schon Lügen gestraft worden – und „spürbare Entlastungen für die Kommunen“.
Schauen wir einmal herein: Wo werden denn die Brücken zu dem geschlagen, was Sie gesagt haben, Herr Stahl? Wo gibt es denn eine tatsächliche Entlastung für die Kommunen? Tatsache ist: Es gibt für die nordrhein-westfälischen Kommunen keinerlei Entlastungen im Solidarpakt. Keinerlei! In Gelsenkirchen, in Nümbrecht, in Versmold und auch in meiner Heimatstadt Duisburg werden sich die Kommunen weiter für den Aufbau Ost verschulden müssen.
Herr Stahl, Sie sagen: Wir reden jetzt wieder mit den Kommunen. – Es steht aber nichts Konkretes im Koalitionsvertrag. Tatsache ist vielmehr: Von den 696 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen werden nach Auskunft des Städte- und Gemeindebundes 90 % in den nächsten vier Jahren pleite sein. Sie werden ihr Eigenkapital aufgebraucht haben. Dann wird es so sein, Herr Stahl, dass jede Schule, jede Bibliothek, jedes Rathaus, jedes Hallenbad, jede öffentliche Einrichtung nicht mehr den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Städte gehört, sondern ausschließlich den Banken. Wir haben keine Zeit mehr, zu reden, Herr Stahl. Handeln Sie endlich einmal! Handeln Sie endlich!
Das Nächste ist: Herr Ministerpräsident, Sie haben nach Ihrem Besuch beim Bund der Steuerzahler verkündet, es sei erreicht worden, dass endlich über den Solidarpakt in Deutschland geredet würde. Zeigen Sie mir doch einmal die Stelle im Koalitionsvertrag! Ich würde die gerne einmal sehen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Solidarpakt II ist bis 2019 in diesem Koalitionsvertrag festgeschrieben worden, unwiederbringlich festgeschrieben worden. Mit Ihrer Ankündigung, da insbesondere für die nordrheinwestfälischen Kommunen kämpfen zu wollen, sind Sie gescheitert.
Das haben Sie vollmundig gefordert. Aber letztendlich ist Ihre Haltung in dieser Frage mit Beerdigung
dritter Klasse von der Tagesordnung gestrichen worden.
Aber wenn Sie schon Wohltaten in Berlin einfordern – auch für die nordrhein-westfälischen Kommunen –, tun Sie doch selbst etwas für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Herr Ministerpräsident! Die Kommunen ächzen und stöhnen nicht nur unter den Kürzungen in Ihrem Landeshaushalt, Herr Ministerpräsident. Das Schlimmste ist, dass der Verfassungsgerichtshof in diesem Land festgestellt hat, bei der Finanzierung zum Solidarpakt II zockten Sie die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit inzwischen 1,15 Milliarden ab.
Und Sie tun nichts, aber auch rein gar nichts, um das, was Sie in Berlin einfordern, in NordrheinWestfalen tatsächlich anzugehen.
Kommen wir, was die Kommunen angeht, zum nächsten Punkt: die Gewerbesteuer! Was sich nordrhein-westfälische Politik und CDU-Politiker darunter vorstellen, durften wir in der „Borkener Zeitung“ vom 28. Oktober 2009 lesen, in der Herr Linssen gesagt hat: Die muss weg!
Was bedeutet es, Herr Ministerpräsident, Herr Linssen, die Gewerbesteuer abzuschaffen? Das heißt, die Unternehmen in diesem Land erst einmal um 40 Milliarden zu entlasten.
Sie verschleiern dabei, wo das Geld eigentlich herkommen soll, Herr Linssen.
Es ist doch klar, wie das Konzept insbesondere von der FDP, dem Sie inzwischen beigetreten sind, aussieht. Das soll dadurch geschehen, dass die Kommunen einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer der Bundesrepublik erhalten.
Herr Papke, Sie nicken so wissend. Glauben Sie ernsthaft, dass dieser Finanzminister auf die Anteile an der Umsatzsteuer verzichten wird? Glauben Sie ehrlich, dass der Bundesfinanzminister bei seinem Bundeshaushalt auf die Anteile aus der Umsatzsteuer zugunsten der Kommunen verzichten wird? Herr Papke, das riecht nach einer Mehrwertsteuererhöhung. Seien Sie gefälligst mal ehrlich!
Jetzt kommt der zweite Punkt, wie Sie die 40 Milliarden finanzieren wollen. Was wollen Sie denn machen? Sie wollen neben einem höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer – keiner
weiß, wo das herkommen soll – eine Erhöhung der Einkommensteuern. Sie wollen die Einkommensteuer für die Bürgerinnen und Bürger erhöhen, um die Unternehmen in diesem Land um 40 Milliarden zu entlasten. Das ist die Tatsache: Unternehmen entlasten, Bürger belasten –
das ist die Konsequenz aus diesem Koalitionsvertrag. Sie trauen sich nur nicht, das zu sagen.
Nächster Punkt: Was steht noch in diesem Koalitionsvertrag? Eine Mehrwertsteuer für kommunale Unternehmen. Was bedeutet das für die Menschen in diesem Land? Das heißt, 19 % mehr für Wasser, für Müllabfuhr und für Straßenreinigung. Die zweite Miete in diesem Land wird steigen. Herr Stahl, Sie haben gerade diejenigen, die wenig verdienen und manchmal nicht wissen, wie sie mit dem, was sie netto herausbekommen, klarkommen sollen, unter Ihren Schutzschirm genommen. Aber genau diese werden Sie mit dieser Politik belasten, Herr Stahl. Bezahlen werden die Mehrwertsteuererhöhung die kleinen Leute über ihre zweite Miete. Das ist die Tatsache.
Für uns lautet das Fazit: Dieser Koalitionsvertrag enthält schöne Sätze, schöne Posen des Ministerpräsidenten. Tatsächlich ist das Credo dieses Koalitionsvertrags: Tricksen, Tarnen, Täuschen und Verdecken, was nach Mai an Belastungen auf den Bürger in diesem Land zukommen wird. In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, heißt es, das sei Rückenwind für NordrheinWestfalen.
Es ist ein sehr kalter Wind für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, vielleicht sogar der Todeshauch für die Kommunalfinanzen unserer Städte in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nach diesem etwas missglückten historischen Exkurs von Herrn Lindner
machen wir weiter in einer Aktuellen Stunde, die eher einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund gerecht wird als dem Landesparlament von Nordrhein-Westfalen.
Aber wenn es jetzt Mode wird, Haupt- und Finanzausschuss in einzelnen Kommunen nachzuspielen, Herr Wittke, hätten wir vielleicht auch mal Lust, Haupt- und Finanzausschuss in Gelsenkirchen zu spielen, um ein bisschen über das Hans-SachsHaus zu diskutieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle betrachten die Dortmunder Situation aus großer Ferne.
Wir leben davon, was in den Medien darüber berichtet wird. Sie sind wie ich weder Mitglied des Rates der Stadt Dortmund noch Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses in Dortmund. Wir wissen das, was wir wissen, im Wesentlichen aus den Medien. Gestern ist im Rahmen der Pressekonferenz und vorgestern in einer – wie ich gehört habe – dreieinhalbstündigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses die Haushaltssituation in Dortmund diskutiert worden.
Übrig geblieben ist offensichtlich für das Jahr 2009 ein Haushaltsrisiko in der Größenordnung von 20 bis 30 Millionen €.
Das, was Sie mit dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde – 230 Millionen € Haushaltsloch – weismachen wollen, meine Damen und Herren, ist von Ihnen erfunden, erstunken und erlogen; davon hat in Dortmund niemand gesprochen.
Statt nach der Pressekonferenz, als gestern der Kassensturz gemacht worden ist, als deutlich geworden ist, dass Dortmund von einem Haushaltsloch von 230 Millionen € weit entfernt ist, heute die Gelegenheit zu ergreifen, Ihre Entrüstungsmaschine einen Gang zurückzunehmen, haben Sie noch einen Gang aufgedreht und – das behaupte ich – die Schraube auch überdreht.
Ich werde gleich einige andere Beispiele nennen, was in anderen Kommunen passiert ist. Sie sollten sich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP, eines vor Augen halten:
Wenn Sie jetzt Dortmund zum Anlass nehmen, von Wahlbetrug zu reden, sollten Sie sich immer vergegenwärtigen, dass es nicht sein kann, dass demokratische Volksparteien zum einen am Wahlabend Krokodilstränen darüber vergießen, wie gering die Wahlbeteiligung ist, wenn man zum anderen auf der Jagd nach Schlagzeilen völlig überdreht einen Vorwurf formuliert, der Menschen zukünftig von Wahlen abhält, meine Damen und Herren.
Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit einer solchen Begrifflichkeit. Es ist respektlos gegenüber dem gewählten Oberbürgermeister,
und es zeigt, meine Damen und Herren von FDP und CDU, dass es Ihnen nicht passt, dass wir in Dortmund gewonnen haben. Sie sind schlichtweg ein schlechter Verlierer.
Wer mit dem Finger auf einen zeigt, auf den zeigen mindestens vier Finger zurück. Fangen wir mit dem ersten Finger an:
In Neuss verkündet der Bürgermeister Herr Napp am 22. August, die Gewerbesteuer in Neuss würde nur um 3 % einbrechen.
Sein Kämmerer verkündet acht Tage nach der Wahl: minus 10 %, 30 Millionen € Haushaltsloch. Das ist so viel wie in Dortmund, nur ist die Stadt fünfmal kleiner.
Der zweite Finger: In Krefeld sagte Ihr Bürgermeister vor der Wahl, dass es einen ausgeglichenen Haushalt gibt. Nach der Wahl gesteht er ein großes Haushaltsloch ein. Wo ist da Ihr Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist Ihr Brief, Herr Wüst, an Ihren Kollegen in Krefeld, um ihn zum Rücktritt aufzufordern?
Dritter Finger: In Köln erklärt der abgetretene Oberbürgermeister sieben Tage nach der Wahl ein Haushaltsloch von 163 Millionen €. Wo ist der Aufschrei, meine Damen und Herren? Wo ist hier von Wahlbetrug die Rede?
Nehmen wir den vierten Finger. In Essen fährt der neu gewählte Oberbürgermeister wenige Tage nach der Kommunalwahl zum Regierungspräsidenten, um Folgendes zu erfahren: Essen droht im nächsten Jahr ein Haushaltsloch von 400 Millionen €. Jede Straßenbahn, jedes Museum, jede Schule, jeder Kindergarten wird dann den Banken und nicht mehr den Bürgern von Essen gehören, meine Damen und Herren. Das ist Ihr Vermächtnis aus zehn Jahren CDU.
Ich sage Ihnen noch etwas: Ihr Oberbürgermeister Reiniger verkündet wenige Tage vor der Wahl spektakulär: Wir steigen mit 30 Millionen € in den Stadionbau bei Rot-Weiß Essen ein. – Wobei ich mich frage, was eine Kommune in einem Verein zu suchen hat,
dessen Angestellte verlernt haben, Tore zu schießen.
Wenige Tage vor der Wahl: Wir steigen ein und bauen dieses Stadion. Wenige Tage nach der Wahl erklärt der Regierungspräsident: Dafür ist in Essen gar kein Geld vorhanden. – Wo, meine Damen und Herren, ist da Ihr Aufschrei?
Der fünfte Finger – jetzt wird es anatomisch schon ein bisschen schwierig –:
Gestern Abend – wenige Tage nach der Wahl – hat der Rat der Stadt Willich auf Vorlage des Bürgermeisters eine Haushaltssperre beschlossen. Wo ist da Ihr Aufschrei? Wo ist Ihre Skandalisierung von Wahlbetrug?
Und jetzt das Allerletzte: Seit gestern wissen wir, dass das Haushaltsloch in Duisburg nicht wie geplant 150, sondern 250 Millionen € betragen wird.
Herr Wüst, Finger hoch, wer von Ihnen fordert denn jetzt Herrn Sauerland zum Rücktritt auf? Herr Wüst, wieso bleibt Ihr Finger unten?
Sie müssten sich doch jetzt melden. Das, was Sie hier veranstalten, ist doch pharisäerhaft, meine Damen und Herren.
Im Übrigen gehört zur Ehrlichkeit auch Folgendes: Wenn Sie schon mit dem Finger auf andere zeigen, wenn wir über Ehrlichkeit reden, dann reden wir doch einmal darüber, warum der Kommunalminister dieses Landes den Finanzbericht und den Finanzstatus der Kommunen nicht wie üblich im Sommer vorlegt, sondern erst im Herbst vorlegen wird, nämlich nach der Kommunalwahl. – So viel zur Ehrlichkeit in Richtung der Liberalen.
Meine Damen und Herren, warum ist das denn alles so? Weil in mindestens einem Viertel der nordrheinwestfälischen Kommunen die Haushalte den Kämmerern, den Oberbürgermeistern und den Bürgermeistern um die Ohren fliegen, und zwar aus zwei Gründen: zum einen wegen ganz dramatischer Einbrüche bei der Gewerbesteuer und zum anderen, weil Sie den Raubzug durch die kommunalen Kassen machen –
in der Größenordnung von 3,3 Milliarden €.
Ich sage Ihnen einmal ganz ehrlich: Es ist doch pharisäerhaft, dass der Brandstifter hier nach der Feuerwehr ruft. Meine Damen und Herren, Sie sind die Brandstifter für die kommunalen Krisen und Finanzkrisen.
Zu guter Letzt stelle ich fest: In den letzten beiden Tagen haben wir hier miteinander gerungen, wie wir dieser Finanzkrise der nordrhein-westfälischen Kommunen begegnen können. Ich fände es gut, wenn wir das weiter so tun könnten
und wenn Sie einmal eine Beweglichkeit entwickeln würden, die nicht der einer Straßenmaschine gleicht. Erkennen Sie endlich an, dass die Behauptung von Herrn Linssen, es gebe Milch und Honig in den kommunalen Kassen, nicht stimmt und dass man nicht wie Herr Wolf vor der kommunalen Krise abtauchen und sich ducken kann, sondern dass wir gemeinsam anfangen müssen, daran zu arbeiten, dass Dortmund, Essen, Oberhausen und auch Ihrem Nümbrecht, Herr Löttgen, demnächst finanziell geholfen wird. Und hören Sie endlich mit Ihrem Pharisäer-Gehabe auf, das Sie hier an den Tag legen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Parlament hat heute vom Finanzminister etwas ganz Neues gelernt: Offensichtlich ist die kommunale Finanzsituation so, dass da Milch und Honig fließen; es existieren überhaupt keine Probleme; die Probleme existieren nur beim Land und einigen wenigen Kommunen, wo die SPD regiert. Das ist das Fazit des Beitrags des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen.
Nicht nur, dass er damit alle kommunalen Spitzenverbände, viele Hauptverwaltungsbeamte, seien es Landräte, Bürgermeister, Oberbürgermeister der eigenen Partei, der Lüge schilt – nein, es ist natürlich auch völliger Quatsch.
Herr Löttgen, Sie sind – glaube ich – Mitglied der CDU und in dieser Parteifunktion auch Landtagsabgeordneter. Ich wundere mich, dass Sie vor Empörung nicht aufspringen oder bei uns einen Antrag auf Aufnahme stellen.
Herr Löttgen, Sie sind laut Kommunalbericht kommunalpolitisch verantwortlich in der Stadt mit der vierthöchsten Verschuldung in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich müssten Sie vor Empörung aufjaulen, wenn Herr Linssen Ihnen vorwirft, dass Sie gar kein Problem in Nümbrecht haben.
Oder ein anderes Beispiel, Herr Linssen. In Essen ist ein neuer Oberbürgermeister gewählt worden
darauf kommen wir morgen noch –, der noch nicht im Amt ist, aber als Allererstes zur Bezirksregierung gefahren ist, Herr Linssen. Diese Bezirksregierung hat ihm mitgeteilt, dass die Finanzsituation der Stadt Essen so sei, dass im nächsten Jahr ein Haushaltsdefizit von 400 Millionen € droht.
Dann wäre der Zustand erreicht, dass in Essen jede Straßenbahnschiene, jede Straße, jede Schule, jeder Kindergarten, jedes öffentliche Gebäude, jedes Hallenbad, jedes Theater, jedes Museum nicht mehr den Bürgern der Stadt, sondern nur noch den Banken gehört. Das ist die Hinterlassenschaft von zehn Jahren CDU-Regierung in Essen, lieber Herr Linssen. Sie sollten sich jetzt bei der Beurteilung, was Parteipolitik in einzelnen Kommunen bewirkt, ganz schwer zurücknehmen, weil es unabhängig von den parteipolitischen Einfärbungen so ist.
Herr Linssen, nehmen Sie zur Kenntnis: Ein Viertel der Kommunen in Nordrhein-Westfalen steht vor der Pleite, und Sie betreiben hier nur Schönfärberei.
Meine Damen und Herren, es ist schon eine skurrile Situation. Der Verfassungsgerichtshof NordrheinWestfalen hat im Dezember 2006 festgestellt, dass die Landesregierung den berechtigten Klagen von 19 Kommunen dahin gehend, dass sie vom Land bei der Finanzierung des Solidarpaktes Ost schlichtweg abgezockt worden sind, und zwar in einer Größenordnung von 450 Millionen € für alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen, nichts Substanzielles hat entgegensetzen können, Herr Linssen. Das ist die Begründung zu dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs 2006.
Drei Jahre später haben Sie immer noch keine Klärung dieser Situation herbeigeführt. Die Taktik, die dahinter steht, ist doch völlig klar:
Erstens wollen Sie einen Haushalt 2010 vorlegen – Herr Körfges hat es schon einmal gesagt –, der künstlich die Neuverschuldung nach unten gerechnet hat.
Zweitens. Mit der Hinhaltetaktik wollen Sie die Kommunen schlichtweg aushungern, sodass zum Schluss die Brotkrumen übrig bleiben und sie damit zufrieden sein sollen. Sie fahren mit dieser Hinhaltetaktik die Kommunen in Nordrhein-Westfalen ganz bewusst vor die Wand und in die Pleite.
Jetzt zitieren Sie Ihr bestelltes Lenk-Gutachten, in dem plötzlich sogar eine Rückzahlungsverpflichtung der Kommunen auftritt.
Herr Linssen, Sie propagieren ja immer, Sie seien der vorsichtige Kaufmann. Deshalb frage ich mich: Wenn doch Herr Lenk Recht hat, wieso haben Sie vorab schon 650 Millionen € als Abschlag gezahlt? Es ist sozusagen fahrlässig von Ihnen gewesen, dieses Geld zu überweisen, wo doch nach Ihrer Auffassung jetzt ein Rückzahlungsanspruch besteht.
Das ist doch Kokolores, Herr Linssen. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wer aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils und eines Gutachtens drei Jahre später immer noch nicht für berechtigte Ansprüche der Kommunen in einem Haushalt auch nur einen Cent ausweist, der würde in einem Unternehmen Bilanzfälschung begehen, Herr Linssen.
Herr Löttgen, ich finde es gut, dass Sie noch einmal auf die gestrigen Beratungen des GFG zurückkommen. Ihre Auffassung, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sei ein verlässlicher Partner der Kommunen in Nordrhein-Westfalen, und das könne man im GFG ablesen, glauben Sie doch selbst nicht. Sie wissen doch ganz genau, dass Sie den einen Euro, den Sie den Kommunen im Rahmen des GFG und von Schlüsselzuweisungen in die rechte Tasche gesteckt haben, aus der linken Tasche doppelt und dreifach wieder herausholen.
Sie haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen seit 2006 um 2,2 Milliarden € geschröpft. Ich kann Ihnen gerne noch einmal die Liste von gestern vorlesen: angefangen von den Krankenhausinvestitionen über die Kinderbetreuung usw. Das waren Sie, Herr Löttgen!
Wenn Sie in Nümbrecht wieder den kommunalen Hut aufziehen, werden Sie – davon bin ich fest überzeugt – genauso argumentieren. Letztlich ist es Hohn, wenn Sie sagen, dass es sich um eine verlässliche Partnerschaft des Landes NordrheinWestfalen handele.
Ich bin sehr erschrocken darüber, dass der Finanzminister davon spricht, dass in den kommunalen Kassen Milch und Honig fließen. Der Innenminister, der an der heutigen Debatte seltsamerweise wieder einmal nicht teilnimmt
er ist da, nimmt aber an dieser Debatte nicht teil; das habe ich zur Kenntnis genommen, Herr Palmen –, hat gestern klar gesagt: Es gibt keine Hilfen für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die Kommunen müssten sich selbst konsolidieren.
Den Höhepunkt setzt Herr Engel, der sagt: Man muss nur daran glauben, dass man aus der Schuldenfalle kommt – tschaka, tschaka, dann klappt das.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie, die Sie sich in kommunal-politischer Verantwortung befinden, wissen doch ganz genau, wie es draußen aussieht: Über einhundert nordrhein-westfälische Kommunen stehen schlichtweg vor der Pleite. Wenn Sie als CDU-Fraktion nicht langsam sowohl dem Finanzminister als auch vor allen Dingen dem Innenminister diese Situation deutlich erklären, werden wir nächstes Jahr noch mehr Kommunen wie Essen haben, wo alles nicht mehr den Bürgern, sondern nur noch den Banken gehört. Dann sind Sie dafür verantwortlich, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt wird das Gemein
definanzierungsgesetz beraten, das zum Inhalt hat, wie erhebliche Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen unter den 396 Kommunen aufgeteilt werden sollen. Dazu hat der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen vor etwa vier Stunden eine Rede gehalten. Wir sollten im Ältestenrat einmal darüber diskutieren, ob diese Art der Haushaltsberatung überhaupt Sinn macht.
Wenn es nicht Rede und Widerrede gibt, sondern erst vier Stunden später auf vergangene Zitate Bezug genommen werden kann, ist das dem Parlamentarismus nicht sonderlich dienlich.
Herr Groth, wir haben nicht nur ein gutes Gedächtnis, es ist auch protokolliert, und wir können darüber hinaus mitschreiben; ein bisschen habe ich heute Morgen mitgeschrieben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten einen Blick auf die Finanzsituation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen werfen. Diese haben rund 13 Milliarden € Kassenkredite aufgehäuft. Dem, was bei uns der Überziehungskredit beim Girokonto ist, entsprechen bei den Kommunen kurzfristige Kredite bei Bankinstituten, die sie für teures Geld haben aufnehmen müssen, um ihre Aufgaben zu finanzieren.
Jede vierte Kommune in Nordrhein-Westfalen – Herr Dr. Wolf, wir sollten nicht darüber streiten, was ursächlich auf das Neue Kommunale Finanzmanagement zurückgeht – hat keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Diese dramatische Situation hat sich insbesondere in den letzten zwei Jahren im Rahmen einer Hochkonjunktur, in der die Steuereinnahmen so sehr sprudelten wie noch nie zuvor, zugespitzt. Dennoch sind eine ganze Reihe – die meisten – Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit ihrem Geld nicht ausgekommen und haben Schulden machen müssen, einige in einer existenzbedrohenden Höhe.
Viele Kommunen sind finanziell schlichtweg am Ende. Sie schaffen es nicht, die ihnen übertragenen Aufgaben, Pflichtaufgaben wie beispielsweise die Sozialausgaben, die Hilfen zur Erziehung, die Eingliederungshilfen für Behinderte, die dynamisch wachsen, zu erfüllen, auch weil die Landeszuweisung die Dynamik nicht nachvollzogen hat. Sie verfügen über ein strukturelles Defizit, das sich aus Einnahmen auf der einen Seite und Ausgaben auf der anderen Seite erklärt; ein Defizit, das vielerorts so groß ist, dass die Kommunen selbst dann, wenn sie auf alle freiwilligen Leistungen verzichten würden – Hallenbad, Bücherei, Museum, Schauspielhaus –, nicht in der Lage wären, die ihnen übertragenen Aufgaben mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu finanzieren. Sie würden – und tun dies seit
Jahren – vergeblich und immer wieder sparen, tatsächlich aber immer weiter in die Schuldenfalle hineinsteuern und letztendlich auf einem Schuldenberg sitzen, der von ihnen selbst nicht mehr abzubauen ist.
Sicherlich gibt es auch aus den Kommunen immer wieder plakative Beispiele, dass Ausgaben nicht sachgerecht getätigt worden sind. Aber das ist keine Erklärung und erst recht keine Entschuldigung dafür, dass die Kommunen schon vor der Finanzkrise in großen Schwierigkeiten waren und ihre Finanzausstattung seit vielen Jahren völlig unzureichend ist. Sie sind nicht mehr in der Lage, die aufgehäuften Altschulden sowie die strukturellen Defizite aus eigener Kraft abzudecken. Das hat im Übrigen nichts mit politischer Farbenlehre, also damit zu tun, wer gerade die Mehrheit in der jeweiligen Kommune hat. Vom tiefen Oberbergischen Land bis hin ins Ruhrgebiet gibt es überall dieselben Probleme.
Das ist äußerst deprimierend für die neu gewählten Ratsmitglieder und Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten. Sie finden Haushalte vor, die ihnen die nach der Verfassung des Landes NordrheinWestfalen übertragenen Rechte und Pflichten nehmen, nämlich sich sehr ortsnah und zielorientiert um die Probleme der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden zu kümmern. Es existieren Haushalte, die jeden Gestaltungsspielraum vermissen lassen.
Das ist, objektiv betrachtet, die Situation in den nordrhein-westfälischen Kommunen, die nicht von der SPD oder anderen schlechtgeredet wird, sondern das ist die Meinung der kommunalen Spitzenverbände, der Finanzwissenschaft und derer, die sich seit vielen Jahrzehnten im kommunalen Finanzbereich tummeln. Die Lage hat sich trotz Hochkonjunktur in den letzten drei Jahren dramatisch verschlimmert.
Es ist die Frage: Was legt die Landesregierung angesichts einer solchen Situation vor? Wie begegnet sie diesen Problemen? Wo sind ihre Lösungen, Konzepte, Ideen, wo sind ihr Mut und ihre Kraft, tatsächlich einer solchen Situation zu begegnen?
Die Kraft haben wir; in der Tat, Herr Groth.
Ich habe heute Morgen zwei Dinge mitgeschrieben, die Herr Innenminister Wolf erklärt hat: Es gebe eine gute Nachricht für die Kommunen. Der Zuweisungsstand sei der zweithöchste in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen. – Das mag rechnerisch noch stimmen, Herr Wolf, aber Sie wissen selbst, dass das unwahr ist. Wahr ist, dass sich dieser Zuweisungsstand aus einem Referenzzeitraum ergeben hat, für den noch völlig andere Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt worden sind. Um es einfach aus
zudrücken: Sie werden den Kommunen im nächsten Jahr im Rahmen des GFG wieder einiges von den 7,2 Milliarden € wegnehmen.
Meine Damen und Herren, unser Innenminister hat heute Morgen gesagt: Das Land NordrheinWestfalen ist ein verlässlicher Partner der Kommunen.
Wahr ist dagegen – das kann ich Ihnen nicht ersparen –, dass es eine ganze Liste von Grausamkeiten gibt, die in den letzten Jahren in einer unheilvollen Allianz zwischen Finanz- und Innenminister einen Rollgriff auf, ja geradezu einen Raubzug durch die kommunalen Kassen ausgelöst haben.
Sie haben dafür gesorgt und hier beschlossen, dass die Grunderwerbsteuer für die Kommunen wegfällt – jährlich 180 Millionen €. Das heißt, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben seit 2006 720 Millionen € weniger erhalten.