Bernd Busemann

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren kündigt die Landesregierung zentrale Vergleichsarbeiten an den allgemein bildenden Schulformen sowie jetzt auch landesweit einheitliche Abschlussprüfungen an. Bereits am 11. November 1998 erklärte die Niedersächsische Kultusministerin Jürgens-Pieper vor dem Landtag: „Ich habe deshalb vor, zur Sicherung vergleichbarer Standards bereits in den Schuljahrgängen 4, 6, 8 und 9 in Zentralfächern regelmäßig Vergleichsarbeiten in den Klassen eines Schuljahrgangs schreiben zu lassen.“ Dies ist bis heute, vier Jahre später, nicht umgesetzt worden. Lediglich im Fach Mathematik haben jetzt alle Achtklässler eine zentrale Arbeit geschrieben. Auch hier ist die Landesregie
rung, wohl angesichts der Widerstände aus der SPD-Regierungspartei gegen jegliche Form von landesweit einheitlichen Prüfungen und Überprüfungen, bereits zurückgerudert. Ist in der Presseerklärung des Niedersächsischen Kultusministeriums zum Schuljahresbeginn vom 31. Juli 2002 noch von einem „ersten landesweiten zentralen Vergleichstest“ die Rede, der „die Frage klären (soll), welche Leistungen die Schülerinnen und Schüler in der Mitte des achten Schuljahres in den verschiedenen niedersächsischen Bildungsgängen erbringen“ und der es ermöglicht, „das Erreichen von bestimmten Zielen über eine einzelne Schule hinaus zu verfolgen und über die Vergleichbarkeit für mehr Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler zu sorgen“, ist davon in der Presseerklärung vom 2. Dezember 2002 keine Rede mehr.
An einzelnen Schulen wurde die zentrale Mathematikarbeit sogar boykottiert. So haben einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 4. Dezember 2002 zufolge „an der Integrierten Gesamtschule Mühlenberg sieben von acht Klassen im achten Jahrgang nicht am Mathetest teilgenommen. An der IGS List boykottierten rund 50 Schüler und damit die Hälfte der Achtklässler die Arbeit. ‚Wir halten die zentrale Arbeit für falsch,‘ erklärte der stellvertretende Schulleiter. Die Gesamtkonferenz der Schule hatte vor den Herbstferien beim Kultusministerium gegen den Test protestiert.“
Dazu erklärte das Kultusministerium lapidar, dass Schülerinnen und Schüler, die den Test boykottiert haben, diesen lediglich nachschreiben müssen - mit neuen Fragen, die die Schulen ohne Mitwirkung des Ministeriums ausarbeiten! Gleichwohl würden die Ergebnisse in die Studie einfließen. Dazu der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen: „Die Schulen, die Sorgen haben, dem Vergleich nicht standzuhalten, werden Wege suchen, der Wahrheit auszuweichen. Das läuft nach dem Motto: ‚Wir stellen die Aufgaben, die uns passen.‘“(Nordwest-Zeitung vom 5. Dezember 2002).
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie will sie landesweit einheitliche zentrale Vergleichsarbeiten und dann auch Abschlussprüfungen im Sinne von mehr „Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung“ (Landesregie- rung in der Landtagssitzung am 22. Novem- ber 2002) sicherstellen, wenn einzelne Schulen sowie Schülerinnen und Schüler diese gezielt boykottieren?
2. Warum ergreift sie gegen die boykottierenden Schulen keine dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen und stellt auch sicher, dass boykottierte Klassenarbeiten wegen Leistungsverweigerung mit der Note „Ungenügend“ bewertet werden?
3. Welchen Wert haben zentrale Mathematikarbeiten im Hinblick auf das angebliche Ziel von „Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung“, wenn Schulen bei boykottierenden Schülerinnen und Schülern den Test mit selbstgestellten Fragen nachschreiben lassen können und diese Ergebnisse dennoch in die Gesamtbewertung einfließen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offenbar ist heute so ein bisschen der Tag der Bilanzierung der letzten Jahre SPD-Regierung. Ich darf das einmal für den Kultusbereich beleuchten.
Seit 1990 haben wir hier eine SPD-geführte bzw. eine SPD-Alleinregierung. Frau Ministerin, seit 1990 tragen Sie zunächst als Staatssekretärin und dann als Ministerin Verantwortung im Kultusministerium. So gesehen ist völlig klar, dass das, was wir an Fakten bezüglich des Bildungswesens festzustellen haben, von Ihnen persönlich zu verantworten ist. Sie können das nicht auf andere Leute abschieben.
Ich will Ihnen an einigen Punkten deutlich machen, was im Lande Niedersachsen los ist.
Laut Statistik des Kultusministeriums hat sich die Zahl der Unterrichtsstunden je Schüler
von 1989, dem letzten Jahr der CDU-geführten Landesregierung, bis zum Jahr 2001 um fast 12 % verschlechtert. Der einzelne Schüler in unserem Bundesland erhält heute fast 12 % Unterricht weniger als zuzeiten der CDU-geführten Regierung.
Nächster Punkt - vielleicht auch schon allgemein bekannt -: Laut der Statistik des Ministeriums hat sich die Schüler-Lehrer-Relation über diese Zeit um fast 20 % verschlechtert. Auf die einzelne Lehrkraft kommen heute sage und schreibe fast 20 % mehr Schüler als zuzeiten der damaligen Regierung. Das ist eine höchst traurige Entwicklung!
- Herr Minister a. D., auch Sie waren ja nicht ganz unbeteiligt an der Entwicklung. - Ich will Ihnen Folgendes sagen - die Sozialdemokratie sollte sich vielleicht einmal gründlich schämen -: Wenn wir heute in unsere Schulen hineinblenden, ergibt sich: 10,6 % der niedersächsischen Schüler - bei heute 1 Million Schüler heißt das 100 000 Schüler nach dem Status quo - entlassen wir ohne Abschluss ins Leben. Ist das etwa eine erfolgreiche Bildungspolitik? Das ist eine - auch sozialpolitische - Katastrophe!
Manchmal habe ich den Eindruck - bei aller Schwierigkeit der Probleme -, Sie fixieren sich zumindest verbal ausschließlich auf die Steigerung von Abiturientenquoten und vergessen dabei, dass es viele junge Menschen in unserem Schulwesen gibt, die förderbedürftig sind und um die man sich vielleicht einmal besonders kümmern muss, z. B. im Hauptschulbereich und auch in anderen Bereichen.
Dann zum Thema des tatsächlichen Unterrichtsausfalls, meine Damen und Herren. Es hat seinerzeit der Kreiselternrat des Landkreises Gifhorn - das ist ja Ihre Heimat, Frau Ministerin - auf der Basis einer an 28 Schulen durchgeführten Erhebung festgestellt, dass sage und schreibe 17 % der vorgesehenen Schulstunden ausfallen.
Über das Land hinweg gerechnet, heißt das: Pro Woche - und das ständig, meine Damen und Herren - fallen in Niedersachsen 250 000 Unterrichtsstunden aus. Auch das, finde ich, ist eine ganz blamable Bilanz, eine Schande.
Ich will einmal aus einem Brief zitieren, den ich erst vor ein paar Tagen bekommen habe und der die Verhältnisse an einer Grundschule in Hannover aus der Sicht besorgter Eltern beschreibt. Darin steht:
„Seit den Herbstferien hat kaum vernünftiger Mathe-, Deutsch- und Sachunterricht stattgefunden. Laut Aussagen der Rektorin liegt die Unterrichtsversorgung offiziell bei nur 86 %. In diesen 86 % sind allerdings viele Stunden enthalten, die man nur als Beschäftigungstherapie und Aufbewahrung bezeichnen kann. Mit Hilfe solcher Beschäftigungstherapien und Aufbewahrungen der Kinder lassen sich die Zahlen wunderbar frisieren.“
Das schreiben uns Eltern, meine Damen und Herren. Das hat sich nicht irgendeine Opposition ausgedacht. Das sind offenbar die wahrgenommenen tatsächlichen Verhältnisse.
Meine Damen und Herren, wir erwarten in den nächsten Jahren an den allgemein bildenden Schulen und insbesondere im berufsbildenden Bereich noch fast 30 000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler. Für notwendige Strukturverbesserungen, wie Hochbegabtenförderung, mehr Naturwissenschaften, mehr Ganztagsschulen - alles hehre Ziele -, stehen noch ganze 300 Stellen im Haushalt. Ansonsten steht die SPD-Regierung mit leeren Händen da, ohne eine einzige zusätzliche Lehrerstelle für die Sicherung der Unterrichtsversorgung. Wenn ich ins SPD-Wahlprogramm gucke, sehe ich, dass man plötzlich auf die Idee kommt, eine Unterrichtsgarantie ankündigen zu wollen, und sagt: Wir werden die Ressourcen, die daraus entstehen, dass bis 2008 die Schülerzahlen zurückgehen, entsprechend einsetzen. Zu Deutsch: Sie wollen gar nichts machen, Sie warten auf Bevölkerungsschrumpfungen und meinen, dann wäre der
Fall erledigt. - Das kann so nicht angepackt werden!
Bewusst Sand in die Augen gestreut hat die Landesregierung auch mit den 700 Einstellungen zum November letzten Jahres, um angesichts der maroden Unterrichtsversorgung zur besten Wahlkampfzeit, wie ich meine, noch einmal punkten zu wollen. Wir wissen, entgegen der Behauptung der Presseinformation des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 31. Juli 2002 hat es keine 700 zusätzlichen Stellen gegeben. Sie haben lediglich auf bereits vorhandene, durch die Altersteilzeit gesperrten Lehrerstellen Einstellungen vorgenommen und werden - so Ihre mittelfristige Finanzplanung - die erforderlichen Finanzmittel zum 31. Juli 2004 wieder einkassieren. Vor der Wahl soll also die Fassade einer gesicherten und verbesserten Unterrichtsversorgung aufgebaut werden, und nach der Wahl wird dann wieder abgeräumt. So kennen wir das! Aber damit müssen Sie dann selber fertig werden. Am 2. Februar bekommt man für solche Verhaltensweisen möglicherweise auch die Quittung.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor dem wahnsinnig großen Problem des wachsenden Lehrermangels, weil nicht genügend Lehrkräfte ausgebildet worden sind, obwohl absehbar war, dass in den nächsten Jahren über 40 % der Lehrkräfte in den Ruhestand gehen werden. Bereits heute kann jede fünfte Lehrerstelle nicht wie ausgeschrieben besetzt werden. Frau Ministerin, insbesondere Sie, aber auch Ihre politischen Freunde tragen dafür die Verantwortung, weil sich in den entscheidenden Jahren ab 1995 Abiturientinnen und Abiturienten nicht für den Lehrerberuf entschieden haben. Es ging nämlich um die Rahmenbedingungen: Das begann mit „faulen Säcken“, das hatte etwas mit Bezahlungs- und Stellenangeboten und auch mit Werbemaßnahmen zu tun. Erst in der letzten Zeit verbessern sich offenbar die Einschreibungszahlen, weil die jungen Leute merken, dass da eine Katastrophe im Anflug ist, und vielleicht auch interessante Stellen im Auge haben.
Dann kommt letztlich das ganz vernichtende Urteil der PISA-Studie, auch im Ländervergleich, womit SPD-Bildungspolitik im Bund wie auch in den Ländern abgeurteilt wird: Bei 14 untersuchten Bundesländern lag Niedersachsen in der Königsdisziplin, der Lesekompetenz, nur auf dem zehnten, im Bereich der mathematischen und naturwis
senschaftlichen Grundbildung sogar nur auf dem elften Platz. International liegt Niedersachsen bei der Lesekompetenz auf Platz 29 hinter Polen, aber allemal noch vor Lettland und Brasilien. Bayern liegt übrigens auf Platz 8. Meine Damen und Herren, fast 30 % unserer 15-Jährigen können gerade mal auf Grundschulniveau rechnen. Damit liegt Niedersachsen im Bund auf vorletzter Stelle. Die Braunschweiger Zeitung vom 27. Juni 2002 urteilt zu Recht:
„Abgesehen von den Gymnasien hat das Land beschämend abgeschnitten.“
So ist es, und dafür tragen Sie die politische Verantwortung.
Meine Damen und Herren, dann kommt der Knüller: Sie haben ein Schulgesetz vorgelegt, das niemand versteht und niemand wirklich will. Herr Kollege Wulf aus Oldenburg, ich empfehle allen den klugen und brandaktuellen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom vergangenen Montag unter der folgenden Überschrift: „Das Sinnlose verstehen - Sigmar Gabriels Schulpolitik“. Es geht dort um den Etikettenschwindel und um die Förderstufe. Ich will Ihnen wenigstens das eine oder das andere Zitat zuteil werden lassen, weil Sie den Artikel in Gänze möglicherweise gar nicht aushalten. Ich zitiere:
„So funktioniert das also. Schüler ganz unterschiedlicher Leistungsstärke bekommen einen Unterricht an ganz unterschiedlichen Schulen, von dem der Gesetzgeber aber befindet, er sei gleichwertig, weshalb man die Kinder ihren Schulen auch zulosen oder per Bezirksfestlegung zuweisen kann.
Die Devise für das künftige private Bildungsglück in Niedersachsen lautet: Daumendrücken oder Umziehen.“
Dass wir das nicht mitmachen können, ist ja wohl klar. Ich zitiere weiter- so schließt der Artikel -:
„Und so setzt man in der Demokratie“
- in Niedersachsen
„bildungspolitische Ideale durch, an die niemand anders mehr als man selbst glaubt. Man erfindet einfach
etwas, was hinreichend kompliziert ist und völlig unsinnig erscheint.“
Das ist die Realität, das die Wahrheit Frau Ministerin, wie man Bildungspolitik in Niedersachsen beurteilt.
Herr Plaue, ich habe Ihnen das oft gesagt: Sie reklamieren jetzt doch Politik für die Wirklichkeit. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass niemand die Förderstufe will. Nehmen Sie zur Kenntnis, was Sie in allen Podiumsdiskussionen und in den Veranstaltungen von Ihrer Basis gesagt bekommen, und finden Sie doch einmal ein Wort dazu, etwa so: Weg mit dieser Förderstufe. Wir haben uns geirrt. - Aber ich vermute, Sie werden diesen Schritt nicht mehr schaffen.
Meine Damen und Herren, die Regierung hat versucht, bei dem PISA-Desaster noch die Kurve zu kriegen. Die Tinte der Unterschrift unter dem neuen Schulgesetz war noch nicht trocken, da kam schon der nächste Knüller: Die Selbständige Schule ist das neue Leitbild. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Herr Wernstedt: Eigenverantwortung und Selbständigkeit in den Schulen stärken - das sind gute Ideen, die gehören auch zu unseren Leitzielen. Aber alles bitte sehr der Reihe nach.
Immer mehr Aufgaben werden auf die Schulen übertragen. Sie streichen 10 % der Schulassistentenstellen. Sie lassen Schulleiterinnen und Schulleiter auf verlorenem Posten alleine. Mangelverwaltung wird von oben weggedrückt, und oben wird der schlanke Fuß gemacht. Das alles verstehen wir nicht unter Selbständiger Schule.
Es heißt dann: Leute, ihr seit ja selbständig. Ihr kümmert euch selbst um die Lehrer. Ihr dürft jetzt selbst entscheiden, wofür kein Geld da ist. - Das verstehen wir nicht unter selbständiger Schule.
Meine Damen und Herren, wir werden im Fall der Regierungsübernahme umgehend erste konkrete Schritte zur Stärkung der Eigenverantwortung an den Schulen machen, z. B. als vertrauensbildende Maßnahme die Präsenztage wieder aufheben. Die Schulen sollen in Eigenverantwortung regeln, dass Dienstbesprechungen, Lehrerfortbildungen, Kolle
giumsausflüge sowie die dienstliche Vorbereitung der jeweiligen Schulhalbjahre in der unterrichtsfreien Zeit erfolgen. Ich habe den Eindruck, das können die Schulen besser in Eigenverantwortung für sich selber regeln. Da brauchen sie keine Bevormundung aus Hannover, Frau Ministerin: Das können die alleine.
Ich sage Ihnen: All diese schwierigen Aufgaben können die Schulen nur bewältigen, wenn man sich als Gesellschaft hinter sie stellt, wenn man als Politik etwas macht, wenn man nicht von „faulen Säcken“ und all diesen Dingen redet, sondern wenn man sagt: Wir wollen eure Arbeit wertschätzen, wir wollen sie unterstützen, und wir wollen - wo es immer geht - die Erziehungsberufe positiv begleiten.
Ein paar Anmerkungen in aller Deutlichkeit. Wir wollen es im Lande Niedersachsen nicht länger hinnehmen, dass die Stundenpläne der Kinder löchrig sind wie ein Schweizer Käse.
Bei aller Beschönigung sind wir auch nicht bereit hinzunehmen, dass unsere Schülerinnen und Schüler ständig zu den PISA-Verlierern gehören und wir letztlich auf den Abstiegsplätzen der Bildungsbundesliga landen.
Wir müssen wieder heraus aus diesem Tal, wir wollen nicht Elfter sein, sondern wir wollen irgendwann Fünfter sein und irgendwann um den Spitzenplatz mitkämpfen. Dafür muss man politisch auch etwas tun und darf nicht alles schönreden.
Ich sage Ihnen genauso offen: Diesem ganzen Etikettenschwindel rund um die Förderstufe, dem Marsch ins Gesamtschulland werden wir ein Ende bereiten. Mit uns wird das nicht gehen.
Wir werden unmittelbar nach dem Wahltag die Weichen anders stellen: für ein begabungsgerechtes, wohnortnahes und durchlässiges Schulwesen in Niedersachsen.
Das beinhaltet z. B. die Förderung des Bildungsauftrages des Kindergartens und den Ausbau der Grundschulen als Bildungsfundament. Da haben Sie jahrelang versagt. Falls Sie jetzt noch versuchen, Frau Ministerin, etwas nachzubessern, dann werden wir das übernehmen, wenn Ihre Vorarbeiten gut sind. Das habe ich Ihnen gestern schon gesagt. Ansonsten machen wir das alles selbst.
Es gilt der freie Elternwille in Bezug auf profilierte Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, beginnend ab Klasse 5.
Das Abitur soll nach zwölf Schuljahren abgelegt werden können. Das Ganze geschieht ohne Unterrichtskürzung - Herr Plaue, das ist Ihr Hauptproblem -, und ich sage Ihnen: Unterrichtsgarantie heißt bei uns die Schaffung von 2 500 zusätzlichen im Haushalt abgesicherten Lehrerstellen. Schauen Sie mal: Wir haben 2 000 arbeitslose Lehrer im Land, die wollen wir wieder in die Klassen hineinführen. Das ist doch möglich!
Davon gehe ich fest aus. Ich wäre auch enttäuscht, wenn das nicht so wäre.
Die Themen Bildungsabschlüsse und Ganztagsangebote haben wir abgehandelt. Ich sage Ihnen abschließend eines: Frau Harms und all die anderen, diese leidige Strukturdebatte wird von uns im Sommer dieses Jahres beendet werden. Dann haben die Schulen Klarheit und können an die Arbeit gehen, und dann wird es heißen: Ruhe an den Schulen,
damit an den Schulen vernünftig gearbeitet werden kann. Drei oder vier Jahre haben Sie die Schulen in
Unruhe versetzt, und wir werden das beenden. Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin beinahe geneigt, dem Kollegen Wulf aus Oldenburg meine restliche Redezeit zu schenken, weil es einfach so köstlich ist. Herr Wulf, haben Sie denn zur Sache überhaupt nichts zu verkaufen außer Polemik und Wahlkampf?
Vielleicht sollte ich Ihnen auch den FAZ-Artikel vom vergangenen Montag schenken. Darin ist zu lesen, köstlich geradezu: „Grundkurs Niedersachsen. Das sinnlose Verstehen: Sigmar Gabriels Schulpolitik.“ Ihre Rede liegt genau auf der Linie. Gucken Sie sich den Artikel wirklich einmal an.
Meine Damen und Herren, es sollte eigentlich um die Frage gehen, ob Niedersachsens Schulen verlässlich sind. Dazu muss jedermann im Lande wissen: Was ist zurzeit daran verlässlich? Seit 1990 12 % weniger Unterrichtsversorgung und bei der Lehrer-Schüler-Relation ein Minus von fast 20 %. Bei Lehrernachwuchs und Personalmanagement, Frau Ministerin, ist Null angesagt. Wir laufen da in eine Katastrophe. Und das nennen Sie insgesamt verlässlich?
Im PISA-Vergleich landet Niedersachsen im Bundesvergleich auf Platz 11 von 14. Wollen Sie, Herr Kollege, nach diesen Ergebnissen allen Ernstes behaupten, unsere jungen Leute in Niedersachsen könnten sagen, sie würden aufgrund unseres verlässlichen Schulwesens gut gerüstet ins Berufsleben entlassen? – Mitnichten!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte, ich hätte noch zwei Minuten Redezeit. Da das aber nicht so ist, will ich mich wirklich auf eine persönliche Bemerkung beschränken.
Frau Ministerin, Sie haben hier vorhin behauptet, die CDU habe vor, die Gesamtschulen abzuschaffen. Das ist nachweislich absolut falsch. Ich fühle mich dadurch inhaltlich wie persönlich angesprochen und betroffen; denn es ist die Unwahrheit.
Programmatisch, schulgesetzlich wie auch im Übrigen ist unsere Haltung völlig klar: Bestehende Gesamtschulen - IGS, KGS, wie auch immer bleiben bestehen. Sie haben Bestandsschutz. Neue Gesamtschulen wird es mit uns nicht geben. Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem halben Jahr wurde hier im Landtag ein Schulgesetz mit dem Neukonstrukt einer Förderstufe beschlossen. Deshalb darf man nach einigen Monaten vielleicht doch einmal fragen, wie sich das Ganze denn so entwickelt hat. Dann schaut man am 28. November in die Ostfriesen-Zeitung und liest dort - ich meine mich zu erinnern, Herr Golibrzuch, dass auch Sie sich darin geäußert haben -: Die Förderstufe sei praktisch vom Tisch, Landkreise und Städte hätten ihre Planungen für die Förderstufe bereits eingestellt. - Ich frage, ob sie sie überhaupt jemals aufgenommen haben. Aber sei‘s drum!
Dann guckt man am 2. Dezember in die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dort heißt es eher hämisch in Ihre Richtung, Frau Ministerin, ob ihr denn nicht entgangen sei, dass es auch ein halbes Jahr nach der Verabschiedung der Schulreform noch keine einzige Kommune gebe, die die Strukturvorgaben des SPD-Schulgesetzes umgesetzt habe. Dazu kann ich dann nur sagen, dass die Basis also nicht absolut unvernünftig zu sein scheint.
Dann muss man sich auch einmal vor Augen führen, wie sich das Ganze denn in der nächsten Zeit vielleicht entwickeln wird. Es ist ja wohl jedermann klar, dass sich hier im Blick auf den 2. Februar die politischen Konstellationen relativ deutlich gegenüber stehen, auf der einen Seite Rot-Grün und auf der anderen Seite Schwarz-Gelb. Wir sollten uns einmal ansehen, was dann wohl aus der Förderstufe wird. Ich sage Ihnen: Die Förderstufe wird die schulpolitische Wirklichkeit in Niedersachsen nicht erleben.
Blenden wir einmal zurück: Es war ja nun der Herr Ministerpräsident, der vor über zwei Jahren des Nachts eine Idee hatte, eine Ideenskizze, wobei er dachte: Wir müssen die Union ja irgendwie wieder einfangen. Die wollen das Abi nach zwölf Jahren, die wollen die Orientierungsstufe abschaffen. Ähnliches wollte er dann auch tun. Aber herausgekommen ist eine Förderstufe, ein - wie ich Ihnen sagen kann - absoluter Murks. Das dürften Sie hoffentlich bemerkt haben.
Meine Damen und Herren, was heißt jetzt „Förderstufe“? Umetikettieren der alten Orientierungsstufe, Verzicht auf jegliche Differenzierung, keine Chance auf schulformspezifische Profilierung, notfalls sogar Entscheidung der Zuordnung der Schüler durch Losprinzip - wo bleibt denn da der Elternwille? -, das Ganze in den Jahrgängen 5 und 6 - Gesamtschule pur! Das Ganze funktioniert auch nicht. Dann wäre die alte O-Stufe notfalls noch besser gewesen. Was Sie jetzt vorhaben oder tun wollen, ist eine Verschlimmbesserung.
Schauen Sie sich die Situation doch einmal bundesweit an. Die Republik hat doch schon gefragt: Warum geht Niedersachsen über Jahre und Jahrzehnte den Sonderweg einer Orientierungsstufe? Nun schieben Sie das zum Teil auf PISA und kreieren jetzt eine Förderstufe. Da fragt ganz Deutschland wiederum: Warum machen die Niedersachsen eine Förderstufe? Warum gibt es dort wieder einen Sonderweg? Was soll das Ganze denn?
Ich möchte Ihnen eines ganz deutlich sagen. Wir sind ja Abend für Abend in den Veranstaltungen,
auch Ihre Leute, Herr Plaue. Das läuft ja nicht so gut für Sie, nicht wahr?
Es laufen ja schon Gerüchte um, dass Sie Ihren Leuten Schmerzensgeld mitgeben, wenn sie diese Abendveranstaltungen über sich ergehen lassen.
So stand kürzlich in der Lüneburger Landeszeitung, dass die SPD dann stets mit ihren Ansichten recht einsam dastehe.
Es ist wirklich so. Ich habe noch einmal die letzten Wochen und Monate daraufhin verfolgt, ob es irgendwelche Zeitungsartikel gibt - lassen wir diejenigen, die Sie selbst geschrieben haben, einmal beiseite -, in denen steht: Förderstufe ist gut - Basis freut sich auf Förderstufe, Schüler, Eltern oder wer auch immer. - Mitnichten! Es gibt allerorten vernichtende Kommentare. Das sollte Ihnen doch einmal zu denken geben, was für eine Bruchlandung Sie damit hingelegt haben.
Ich habe schon immer die Prognose geäußert: Hier ist offenbar ein gewollter - wenn das nicht so ist, widerlegen Sie das bitte, Frau Ministerin - Schulkonzentrationsprozess angelegt. Es geht gegen die selbstständigen Hauptschulen, es geht gegen die selbstständigen Realschulen, es geht gegen Schulstandorte. Darum sollte niemand herumreden. Geben Sie es endlich zu.
Wenn Sie sagen, Sie wollten vier Parallelklassen, dann sind das die großen Systeme.
Neuerdings geht es offenbar - so weit hatte ich noch gar nicht gedacht - auch einigen Gymnasien an den Kragen. In Hameln hat man sich wohl zusammen gesetzt.
Da geht es denn damit los, dass es heißt: Gewachsene und bewährte Gymnasien werden aus der Schullandschaft verschwinden, neue Gesamtschulzentren mit fast 2 000 Schülern entstehen. - Und die Eltern sagen im Stadtelternrat: Die Schulstrukturreform wird offenbar dazu benutzt, die
Gesamtschule durchzudrücken und dabei Schulstandorte einzukassieren. - Mit diesen Vorhaltungen sollten Sie sich gefälligst einmal auseinander setzen.
Zur Historie hat ja, wenn ich es richtig sehe, die Braunschweiger Zeitung vor einigen Wochen noch einmal auf den Punkt gebracht, wie es zu der Förderstufe überhaupt hat kommen können - Sie sind ja alle Zeitzeugen -, die schreibt: Die Förderstufe ist ein Tribut an die SPD von Vorgestern, mögliche Meuterer, die vor der Landtagswahl 2003 mit dem Untergang der Reform drohten und ruhig gestellt werden mussten.
Der Kompromiss ist - das wissen wir heute - endgültig gescheitert. Dieses Scheitern hat auch einen Namen, und zwar Gabriel. - Ich weiß nicht, wie weit Sie, Frau Ministerin, Miturheberin waren, aber Gabriel ist schuld an dieser Bruchlandung. Das sollten Sie ihm vielleicht auch einmal in aller Deutlichkeit sagen.
Nun muss man sich ja einmal vor Augen führen, wie das Ganze denn so weitergeht. Jedermann weiß - das werden wir ja heute Nachmittag ausführlich debattieren -, dass seitens der Union ein modernes gegliedertes Schulsystem favorisiert wird,
begabungsgerecht
- ja, ja, Ihre Argumente kenne wir ja nun auch -, durchlässig, wohnortnah, und wir schaffen gemeinsam mit der FDP saubere und klare Verhältnisse.
Wir verabschieden uns von der Orientierungsstufe, und wir regeln das Abitur nach Klasse 12, Frau Kollegin.
- Sie haben notfalls noch Streit genug mit den anderen vor sich.
Dann gucken wir einmal: Wie könnte es denn mit der Förderstufe aussehen, wenn Rot-Grün in die Verlegenheit käme, hier zu regieren? - Davor werden wir Sie aber bewahren. Die SPD will an der Förderstufe festhalten. Die Grünen halten von der Förderstufe, wenn ich das so richtig höre, überhaupt nichts und favorisieren unverändert - sie haben auch nichts dazu gelernt - die 6-jährige Grundschule. Da gab es jedoch zwischen den beiden großen Parteien über Jahre immer den Konsens - aus inhaltlichen Gründen, aber auch aus finanziellen Gründen, aus kommunalpolitischen Gründen -, dass die 6-jährige Grundschule in Niedersachsen schlichtweg nicht umsetzbar ist. Wie also wollen Rot und Grün das miteinander regeln?
Zum Abitur nach Klasse 12 kann ich nur sagen: Die Sozialdemokraten haben da ein Mischmaschkonzept vorgelegt, das nicht funktionieren kann. Überspringen einer Klasse, verbunden mit Stundenkürzung, Frau Ministerin, ist auch keine vernünftige Antwort. Die Grünen wollen das Abitur nach Klasse 12 generell nicht. Wie wollen Sie da überhaupt zusammenpassen? Das muss mir hier mal einer erklären. Auch in der Frage „Abitur nach Klasse 12“ müssen wir doch zur Kenntnis nehmen: Bundesweit geht der Trend da hin. Die Länder, die das machen, Frau Kollegin, machen das mit Erfolg.
Warum will sich Niedersachsen hier also abkoppeln?
Ich kann Ihnen nur sagen: Das wird spannend, auch in der Auseinandersetzung in den nächsten Monaten. Schwarz und Gelb haben ein vernünftiges Konzept. Das passt auch politisch zusammen, bringt irgendwann die Regelung und auch Ruhe an die Schulen. Bei Ihnen bringt es offenbar nur Streit ins Haus. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
„Überladen mit ideologischem Ballast aus Jahrzehnten, mit defektem Radar und einer bräsigen Crew mit allzeit fabelhaftem Gewissen - so dümpelt Niedersachsens Bildungswesen seit mehr als einem Jahrzehnt vor sich hin.“
So kommentierte die Braunschweiger Zeitung am 1. August dieses Jahres. Sie sagt weiter:
„Was Rot und Rot-Grün nachhaltig fast auf Grund gesetzt haben, kann nicht über Nacht flott gemacht werden.“
So geht die Analyse entsprechend weiter.
Meine Damen und Herren, wir als CDULandtagsfraktion nehmen diese Herausforderung an und setzen mit unserem Gesetz zur Sicherung von Bildungsqualität und Schulstandorten einen klaren Kurs für ein begabungsgerechtes, durchlässiges und wohnortnahes Schulwesen.
Dieser Gesetzentwurf ist auch die Konsequenz des gescheiterten SPD-Schulgesetzes, Herr Wulf. Kein einziger Schulträger in Niedersachsen hat Ihr Schulgesetz bisher umgesetzt. Nach dem Wahltag im Februar wird es zum Altpapier und damit zur Fußnote in der niedersächsischen Bildungsgeschichte werden. Sie ahnen das auch schon selbst. Wir haben es heute Morgen diskutiert, und die Zeitungen berichten es auch schon, dass die Förderstufen teils nicht eingeführt und im Übrigen die Planungen schon wieder eingestellt wurden. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis.
Wenn ich z. B. in den Raum Hameln gucke - wir haben auch das heute Morgen andiskutiert -, wo schon bestimmte Planungen laufen: Da werden gewachsene grundständige Gymnasien zerschlagen und Gesamtschulzentren mit bis zu 2 000 Schülerinnen und Schülern geschaffen. Die über Jahr
zehnte gewachsene Schulstruktur im Bundesland Niedersachsen steht vor dem Ende.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Im Interesse der Schülerinnen und Schülern werden wir in Niedersachsen einen solchen Kurs nicht mitmachen.
Bezeichnenderweise, Frau Ministerin, versuchen Sie ja - das ist ein Teil der Analyse -, innerhalb der SPD mit dem Konzept „Selbständige Schule“ von den gravierenden Mängeln des Schulgesetzes und dem PISA-Versagen des Landes abzulenken. Dazu sage ich Ihnen auch ganz deutlich: Wer die Unterrichtsversorgung an die Wand gefahren hat, wer den Lehrernachwuchs nicht organisiert hat, wer für die Streichung von 10 % der Schulassistentenstellen verantwortlich ist, wer fast ein Viertel der Schulaufsichtsbeamten und auch der Schulpsychologen ersatzlos gestrichen hat und wer den Schulen dafür nicht die zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen will, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit derlei Modellen offenbar versucht, die Mangelverwaltung auf die Schulen zu übertragen und sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.
Wie man hört, Frau Ministerin, soll ja ein Schreiben des Hauptpersonalrats an den niedersächsischen Schulen an alle Lehrer unterwegs sein, wonach man sich nun weiß Gott nicht mit Ihrer Vorstellung von selbständiger Schule einverstanden erklärt. Aber warten wir das einfach einmal ab.
- Frau Kollegin, Sie geben mir das Stichwort. Was wollen wir uns mit dem SPD-Gesetz aufhalten? Es geht natürlich um das CDU-Schulgesetz, dem wir ab dem 2. Februar zur Geltung verhelfen werden. Dazu einige Bemerkungen:
Erster Punkt. Die Sozialdemokraten haben kein Konzept zur Ausfüllung des notwendigen Bildungsauftrags des Kindergartens.
Die CDU dagegen steht für ein ganzheitliches Bildungskonzept und die enge Vernetzung und Verzahnung zwischen Kindergarten und Grundschule.
Deshalb haben wir die Zusammenarbeit hier erstmalig gesetzlich vorgeschrieben. Wir werden dafür sorgen - das wissen Sie auch -, dass die Zuständigkeiten für das Kindertagesstättenwesen endlich wieder im Kultusministerium gebündelt werden,
damit Bildungspolitik aus einem Guss gemacht wird und nicht auf Ministerien verteilt ist.
Zweiter Punkt. Die SPD hat auch kein vernünftiges Konzept zur notwendigen Reform der Grundschulen.
Sie entlässt diese Schulform auch aus der Verpflichtung, Empfehlungen für den weiteren Bildungsgang zu treffen. Wir dagegen definieren den Bildungsauftrag der Grundschule ausdrücklich: sprachliche Grundsicherheit in Wort und Schrift, eine aktive Lesefähigkeit, mathematische Grundfertigkeiten, die Begegnung mit der ersten Fremdsprache und den Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken.
Außerdem nehmen wir die Grundschule in die Pflicht, eine Empfehlung für die geeignete weiterführende Schulform zu geben, und wir stellen auch sicher - auch wenn Sie das völlig anders sehen -: Der Elternwille nach Klasse 4 ist frei, und die Eltern entscheiden in eigener Wahl über die geeignete Schulform für ihre Kinder.
- Ich kenne ja Ihre Position. Ich weiß auch nicht, was daran verwerflich sein soll. Gucken Sie einmal in die Schulverfassungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein. Das sind ja sozialdemokratisch geführte Länder. Die haben durchaus ähnliche Regelungen. Also akzeptiere ich nicht, dass uns da aus irgendeinem Grund irgendwelche Vorwürfe gemacht werden.
Dritter Punkt, meine Damen und Herren. Die SPD setzt auf den Etikettenschwindel der Förderstufe, auf die alte Orientierungsstufe mit noch weniger Differenzierungsmöglichkeiten
- das sagen Sie; ich sehe das ganz anders - und ohne jegliche Chance einer schulformspezifischen Profilierung. Die Förderstufe der SPD ist kein inhaltlicher Bestandteil der weiterführenden Schulen, sondern ein Fremdkörper mit eigenem Kollegium und den Lehrplänen der alten Orientierungsstufe. Ich sage Ihnen hierzu wie auch schon heute Morgen: Das ist wiederum ein misslungener niedersächsischer Sonderweg, man kann auch sagen: eine Verschlimmbesserung. Mir wäre die O-Stufe alter Fassung im Grunde genommen noch erhaltenswert gegenüber dem, was Sie da letztlich vorhaben.
Unser Schulgesetz macht die Verhältnisse klar: Wir besiegeln die Abschaffung der Orientierungsstufe, wir verhindern die Einführung der SPDFörderstufe und damit vor allem auch - das wird damit offenbar von Ihnen bezweckt - die flächendeckende Umwandlung Niedersachsens zu einem Gesamtschulland. Mit uns jedenfalls nicht!
Wir setzen ausdrücklich auf ein begabungsgerechtes, durchlässiges modernes Schulwesen mit profilierten Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien ab Klasse 5.
Wir reden nicht nur über die Hauptschule, Herr Kollege, sondern wir wollen sie auch schulgesetzlich stärken: durch den Verweis auf die Stärkung von Grundfertigkeiten und Kulturtechniken, durch die ausdrückliche Berufsbezogenheit und durch die vorgeschriebene Zusammenarbeit mit der Berufsschule.
Wir stehen für ein Höchstmaß an Durchlässigkeit und damit dafür, dass Bildungsabschlüsse keine Bildungssackgassen sind. Alle weiterführenden Schulen ermöglichen alle Abschlüsse nach Klasse 10.
Ich weiß ja, was Sie zur Durchlässigkeit sagen. Für uns heißt das: Durchlässigkeit wird auch über das berufsbildende Schulwesen sichergestellt, wenn die abgeschlossene Lehre dem Realschulabschluss entspricht und der Meisterbrief den Hochschulzugang sichert.
Wir wollen die Durchlässigkeit auch noch weiter verbessern, indem wir über die Versetzungsverordnung einen Rechtsanspruch auf den Wechsel
der Schulform bei entsprechenden schulischen Leistungen festschreiben. Die Schuljahrgänge 5 und 9 werden dabei als besondere Einfädelungsspuren ausgestaltet. Damit stellen wir uns auch dem Problem des früheren Beginns der zweiten Fremdsprache. Dieses Problem lösen Sie mit all Ihren Modellen bislang jedenfalls nicht.
Vierter Punkt. Die SPD steht für das Auslaufen selbständiger Hauptschulen und Realschulen, für das Ende des Erfolgsmodells Realschulland Niedersachsen
und für das Verschwinden selbständiger Gymnasien. Der Philologenverband hat Ihnen schon vorgerechnet - wir machen ähnliche Vorhaltungen -, dass das wahrscheinlich bis zu 100 Schulstandorte in Niedersachsen kostet. Sie haben den Vorhalt heute Morgen, dass hier ein Standortvernichtungsprogramm läuft, nicht aufgegriffen und nicht widerlegt, Frau Ministerin. Da liegen wir mit unserem Verdacht durchaus auf der richtigen Linie, dass man hier einen SchulstandortKonzentrationsprozess betreibt. Dazu kann ich Ihnen nur eindeutig sagen: Das machen wir jedenfalls nicht! Wir wollen Schulstandorte erhalten, und wir wollen noch weitere Angebote machen.
Wir wollen zum Beispiel auch - das trauen Sie uns ja gar nicht zu - das gymnasiale Angebot im ländlichen Raum erleichtern, und wir wollen die Einrichtung von kleinen Gymnasien im ländlichen Raum auch ohne gymnasiale Oberstufe, die von der SPD bislang durch die Förderstufenverordnung verhindert werden. Wir haben da durchaus gesetzliche Möglichkeiten angelegt.
Fünftens. Die SPD - da will ich Sie auf Ihren Parteitagsbeschluss vom 2. März ansprechen - will jetzt ja auch gemäß Gesetz sehr stark auf kooperative und integrierte Schulformen setzen.
Der schulpolitische Parteitag fand bezeichnenderweise in solch einer Betonburg, einer IGS, statt. An keiner Stelle hat es auf Ihrem Parteitag, Herr Kollege - Sie waren möglicherweise dabei -, so
viel Beifall gegeben wie bei der Forderung nach einem Gesamtschulland Niedersachsen.
- Ja, ja, das mögen Sie auch so meinen. Das wollen wir dann im Lande Niedersachsen auch politisch miteinander auskämpfen.
Wir tolerieren - das sage ich hier ausdrücklich bestehende Gesamtschulstandorte. Aber genauso sicher sage ich: Weitere Gesamtschulstandorte wird es mit uns in Niedersachsen nicht geben.
Bundesländer, die im Gegensatz zu Niedersachsen im innerdeutschen PISA-Leistungsvergleich erfolgreich sind - wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und andere - und hervorragende Leistungen gerade auch beim Abbau von sozialen Unterschieden und bei der Förderung ausländischer Schülerinnen und Schüler gezeigt haben, haben zum Teil überhaupt keine Gesamtschulen. Also kommen Sie nicht damit, als wenn die Gesamtschule da die richtige Antwort wäre!
Wir jedenfalls stehen zu dem Wunsch der Schulträger, Hauptschulen und Realschulen organisatorisch zusammenzufassen. Das muss aber nicht bedeuten, dass daraus kleine Gesamtschulen werden. Das ist auch nach den bisherigen Konzeptionen durchaus möglich, und daran werden wir auch nicht rütteln.
Sechstens. Die SPD hat, wie ich meine, kein Konzept - das habe ich heute Morgen ebenfalls ausgeführt - für das Abitur nach zwölf Schuljahren.
- In Ihrem Gesetz ist das noch nicht einmal erwähnt, Herr Kollege!
- Dann haben Sie es offenbar nicht gelesen. - Das Gleiche gilt für die überfällige Reform der gymnasialen Oberstufe. Sie haben einmal Vorschläge im Wege eines Runden Tisches gemacht; danach haben wir davon im Grunde nicht viel wieder gese
hen. „Verpasste Chancen“ möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang dazu sagen.
Ob es Sachsen ist, Thüringen, das Saarland, Hamburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt - alle gehen den Weg des Abiturs nach zwölf Jahren und bieten einen entsprechenden gymnasialen Bildungsgang an. Insofern meine ich: Dem können wir uns guten Gewissens anschließen. Das sollten Sie sich ebenfalls endlich angewöhnen. Die Grünen müssen in dieser Frage ohnehin noch lernen, weil sie auf die Frage „Abi nach zwölf Jahren“ offenbar nur restriktive Antworten haben oder sich mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigen.
Auch für die gymnasiale Oberstufe gilt jedenfalls: Es muss eine vertiefte Allgemeinbildung in Kernfächern gestaltet werden mit individueller Profilierung und fächerübergreifendem, selbstständigem und projektorientiertem Lernen. Man kann es verkürzt auch so ausdrücken: Es soll die Möglichkeit der Abwahl von Fächern insbesondere an der gymnasialen Oberstufe durchaus eingeschränkt werden. Das macht auch Sinn.
Wir machen mit einem solchen Schulgesetzentwurf vielleicht nicht alles anders, aber wir machen damit vieles besser. Es ist weiß Gott Reformbedarf genug vorhanden.
- Sie können das ja gleich alles erzählen.
Wir wissen, dass mit der notwendigen Strukturreform die inhaltliche Reform des Schulwesens einhergehen muss: die Vorbereitung auf lebenslanges Lernen, ein solides Wissensfundament, ein modernes Fremdsprachenkonzept, informationstechnische Grundbildung, Wirtschaftslehre sowie die Stärkung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Dafür setzen wir mit unserem Gesetz durchaus vernünftige und die richtigen Rahmenbedingungen.
Nun mag ja nicht alles perfekt sein, auch nicht unser Gesetzentwurf. Aber das Bessere ist immer der Feind des Guten, meine Damen und Herren. Das, was wir bei Ihrem Gesetzgebungsverfahren
im Frühling erlebt haben, war für mich ein so undemokratischer, peinlicher Vorgang, dass wir das eigentlich nicht noch einmal erleben möchten.
Deswegen haben wir unseren Gesetzentwurf erst vor einigen Tagen vorgelegt.
Sie kennen ihn mittlerweile ebenfalls. Jeder kann ihn sich aus dem Internet herunterladen. Wir haben ihn den Verbänden und anderen geschickt. Jeder soll uns Ratschläge geben. Wir wollen das Gesetz miteinander optimieren. Hierzu wird ab dem 3. Februar 2003 ein würdiges Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt, Herr Kollege,
und nicht, wie wir es im Frühling erlebt haben, ein Entwurf parlamentarisch durchgedrückt.
Wir haben bereits die ersten Stellungnahmen erhalten. Es freut einen denn doch, wenn von fachkundiger berufener Seite
schon die ersten Komplimente eingetroffen sind. Was uns von der Vereinigung der Handwerkskammern in Niedersachsen - die wollen Sie ja auch gern als Partner gewinnen; das gelingt Ihnen nur nicht - gesagt wird, möchte ich nur kurz vortragen. Ich möchte nur eine oder zwei Passagen zitieren. Die sagen, dass der Entwurf durchweg positiv bewertet wird. „Es werden deutliche Zielmarkierungen für einen konsequenten Kurswechsel gesteckt.“ Und dann noch drei Kernsätze:
„Die Einführung eines begabungsgerechten Schulwesens mit profilierten Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien beginnend ab Klasse 5 wird von uns“
- dem Handwerk
„begrüßt. Die Weiterentwicklung des Bildungsauftrags insbesondere für die Grundschule und die Hauptschule wird von uns positiv beurteilt. Daher
unterstützen wir selbstverständlich die von der CDU vorgelegten Pläne, die als kooperative Gesamtschule ohne Gymnasialzweig geplante kooperative Haupt- und Realschule zu streichen.“
Das ist das niedersächsische Handwerk! Damit sollten Sie sich einmal auseinander setzen. Dazu bekommen Sie auch noch Gelegenheit.
Wir jedenfalls werden nach dem Februar das Gesetz entsprechend weiter beraten. Wir werden es vielleicht optimieren. Es wird noch vor der Sommerpause beschlossen werden, damit die Schulträger die Weichenstellung schon ab Mitte 2003 vornehmen können.
Erfreulich ist - das hätten Sie in Ihrer Situation vielleicht auch gern -, dass wir, wenn wir die Freien Demokraten als Koalitionspartner gewinnen, auch in der Bildungspolitik einen verlässlichen Partner haben werden.
Da gibt es beinahe Deckungsgleichheit in der schulpolitischen Vorstellung. Das macht in dieser Frage allemal Koalitionsverhandlungen recht einfach und das Regieren dann auch. Was bei Ihnen zwischen Rot und Grün möglicherweise an Streit entsteht, habe ich Ihnen ja bereits heute Morgen erzählt. Aber Sie werden auch gar nicht in eine solche Situation kommen. Das mag Sie dann auch ein bisschen entspannt sitzen lassen.
Es ist ja hochinteressant, wenn man - auch heute Morgen wurden da Vorstellungen angedeutet - auf der Seite der Grünen noch von der sechsjährigen Grundschule schwärmt. Vor ein paar Tagen bin ich mit Ihrer Landesvorsitzenden zusammengetroffen. Da kommen dann auch noch Dinge wie „Schule ohne Sitzenbleiben“ oder „Schule ohne Zensuren“ und „Die Schülerinnen und Schüler möglichst lange zusammen lassen“. Dazu kann ich nur sagen: Das wird schon reichlich spannend, wenn Sie einmal irgendetwas miteinander aushecken müssten. Aber davor wollen wir unsere Schülerinnen und
Schüler bewahren, weil wir, wie ich glaube, ein vernünftiges Gesamtkonzept haben.
Nun wird es ja gleich wieder heißen - ich höre das schon -: Warum kommen die erst jetzt mit einem solchen Gesetzentwurf? - Wenn ich gewusst hätte, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen wollten, dann hätten wir ihn im Frühling vorgelegt.
Da das nun aber möglicherweise ein bisschen anders wird, sage ich: Wir stellen es jetzt Ihnen, dem Parlament, und der Öffentlichkeit vor. Dann erinnern Sie sich einmal an das Jahr 1990; da gab es ja interessante Ereignisse. Das hat ja in Niedersachsen vielleicht eine gewisse Tradition. Als die SPD sechs Wochen vor der Landtagswahl 1990 den Entwurf eines Kindertagesstättengesetzes vorlegte, sprach der Abgeordnete Kirschner von Ihrer Fraktion damals davon, dass dies nicht Wahlkampf sei, sondern eine Selbstverpflichtung der SPD für die kommende Legislaturperiode. Sie hatten damals 100 % versprochen. Die Wählerinnen und Wähler haben 20 % bekommen.
Was uns angeht, möchte ich Ihnen sagen - das ist der Unterschied zu 1990 -: Es gibt jetzt zwar einen Regierungswechsel, aber wir versprechen 100 % und liefern auch 100 %. - Danke schön.
Jetzt macht das Kultusministerium einen Rückzieher: „Das ist unakzeptabel.... Diese Fortbildungsveranstaltung war in keiner Weise genehmigungsfähig“, wird der zuständige Abteilungsleiter in der Neuen Presse vom 11. November zitiert.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung kommentiert wie folgt: „Die Fahrt in die Türkei zeigt, dass man an entscheidender Stelle nichts gelernt hat.... Dabei sollte man ruhig einmal grundsätzlich untersuchen, ob das Landesinstitut seinen Aufgaben gewachsen ist. Alles auf andere zu schieben dürfte allerdings nicht gelingen: Liest eigentlich niemand im Kultusministerium die Fortbildungsprogramme?“ So die HAZ vom 11. November 2002.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wenn diese angebliche Fortbildungsveranstaltung „in keiner Weise genehmigungsfähig“ war, warum ist sie dann über das niedersächsische Lehrerfortbildungsinstitut angeboten worden und über das offizielle Programm dieser Institution durch das Niedersächsische Kultusministerium auch noch ausdrücklich genehmigt und damit unterstützt worden?
2. Warum beruft sich das Kultusministerium bei seiner nachträglichen Ablehnung lediglich auf formale Gründe der Nichteinhaltung einer Mindestteilnehmerzahl und stellt nicht, wie wiederholt angekündigt, aber offensichtlich nicht umgesetzt, sicher, dass Lehrerfortbildungskurse und insbesondere Auslandsreisen während der unterrichtsfreien Zeit stattzufinden haben und in jedem entsprechenden Fall einer Einzelfallprüfung durch das Niedersächsische Kultusministerium unterliegen?
3. Warum schiebt die Niedersächsische Kultusministerin „alles auf andere“ und stellt sich nicht ihrer politischen und dienstlichen Verantwortung; welche Konsequenzen ergeben sich für welche Bedienstete der obersten Landesbehörden damit?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Bekanntwerden und öffentlicher Diskussion dieser Reise hat mich ein Reiseteilnehmer angerufen und darauf hingewiesen, die öffentliche Diskussion würde die deutsch-türkischen Beziehungen nachhaltig stören, und ich hätte mich zu entschuldigen.
Frau Ministerin, wie schätzen Sie das ein?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, wie können Sie denn den Vertretungsunterricht in Niedersachsen als „sehr gut” einstufen, wenn der Landeselternrat ausdrücklich feststellt: „Geradezu ausgeschlossen ist es, in einigen Gegenden, besonders in den ländlichen Gebieten Nordwest-Niedersachsens, ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zu finden.”?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, angesichts meines Eindrucks, dass Sie die Umfrage nicht gänzlich gelesen haben, und auch angesichts Ihrer Einlassung zu meiner Frage wie auch der Frage der Kollegin Körtner zur Mangelhaftigkeit der Beschaffung von Vertretungslehrkräften möchte ich wissen, ob Sie Folgendes nachvollziehen bzw. bestätigen können. In der Pressemitteilung des Landeselternrates heißt es u. a.: „Noch erschreckender verhält es sich mit der Verfügbarkeit von Vertretungslehrkräften.“ Dann wird ein ostfriesischer Schulelternratsvorsitzender zitiert. Auf Seite 2 des offiziellen Berichtes heißt es dann:
„Das eindeutig größte Problem ist die Schwierigkeit, Vertretungskräfte in ausreichendem Maß zu finden. Mit Ausnahme der größeren Städte haben alle Kreise Schwierigkeiten (65 %), ausreichend qualifizierte Kräfte zu finden. In einigen Gegenden ist es geradezu ausgeschlossen, besonders in den ländlichen Gebieten NordwestNiedersachsens.“
Also: Einzelstimme oder allgemeiner Bericht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben das Thema Verlässliche Grundschule heute Morgen schon reichlich beleuchtet, sodass wir das Thema jetzt nicht mehr heiß reden müssen. Wir sollten aber vielleicht noch einige Dinge miteinander austauschen.
Ich bin der Auffassung, dass wir eingedenk der PISA-Mitteilung, wonach Niedersachsen PISAVerlierer ist, uns schon Gedanken darüber machen müssen, wie wir in den Kindergärten und in den Grundschulen in Niedersachsen weiterkommen. Ich fand kürzlich einen ganz interessanten Artikel im Spiegel. Nicht nur für Niedersachsen, sondern generell wurde dort die Auffassung vertreten:
„Obwohl an der Grundschule die Fundamente für spätere Lebenswege gelegt werden, ist sie das Kellerkind des Bildungswesens.“
Man rechnete uns vor, dass wir im Vergleich mit dem OECD-Schnitt in Deutschland viel zu wenig für Schule, auch für Grundschule, ausgeben. Ich glaube, nur 4 000 Euro im Durchschnitt. Ich kenne nicht einmal die aktuelle niedersächsische Zahl; im Zweifel liegen wir auch hier wieder unter dem Bundesdurchschnitt.
Frau Litfin, im Wesentlichen teile ich durchaus die Grundgedanken Ihres Antrages. Wir werden zwar nicht zustimmen, aber unsere Vorstellungen zielen auch in diese Richtung. Wir kommen nicht zusammen, weil wir einen etwas anderen gesamtkonzeptionellen Ansatz haben. Ich meine, diese Verlässliche Grundschule ist so strukturiert, dass nicht irgendwelche Symptome gesund kuriert werden können. Wir müssen ein neues Konzept für die Grundschule entwickeln, vor allem wenn wir die Kindertagesstätten mit einbeziehen.
- Das wird Ihnen demnächst sogar alles als Gesetz vorgesetzt, Herr Meinhold.
Das Sozialministerium ist für die Kindertagesstätten zuständig, das Kultusministerium natürlich für die Grundschulen. Mir erscheint die Gewichtung der Ziele nicht richtig. Es wird zu stark auf Betreuung und zu wenig auf Bildung und auf Unterricht gesetzt.
Das ist der entscheidende Unterschied, der uns trennt. Wenn Sie meinen, die Grundschule wäre vornehmlich eine Betreuungseinrichtung,
könnte ich Ihnen sogar gewisse Erfolge attestieren. Falls wir uns aber, hoffentlich miteinander, darin einig sind, dass die Grundschule eine Einrichtung vornehmlich für Unterricht ist,
ist die Regierung noch reichlich in der Bringschuld. Vergleichen Sie doch einmal die Angebote der anderen Länder mit denen in Niedersachsen. Wir sollten die Situation, also Kita-Einrichtungen und Unterricht an den Grundschulen, insgesamt betrachten, sollten also gesamtkonzeptionell vorgehen und nicht nur die Grundschule als Bildungsfundament betrachten, indem wir versuchen, die elementaren Kulturtechniken Rechnen, Schreiben, Lesen zu vermitteln und gleichzeitig die vorschulische Bildung und Erziehung im Kindergartenbereich, insbesondere im letzten Jahr vor der Einschulung, zu forcieren.
Eines ist heute absolut deutlich geworden: Die Verlässliche Grundschule hat im Wesentlichen drei Konstruktionsfehler. Erstens ist es der Glaube an mehr Betreuung und weniger Unterricht. Zweitens haben wir das Riesenproblem des Vertretungsunterrichts. Frau Litfin hat es deutlich gemacht, und es konnte heute Morgen auch nicht entkräftet werden. Überall, wo wir uns sehen lassen, vor allem aber im ländlichen Bereich, wird uns gesagt: Es funktioniert nicht mit dem Vertretungsunterricht. Das kann man hier auch nicht schönreden; das ist heute Morgen hinreichend deutlich geworden. Wenn wir Lehrermangel allerorten haben, schlägt dieser Lehrermangel doch auch bei den Vertre
tungskräften für die Verlässliche Grundschule durch, vor allem wenn dann auch noch schwache Vergütungsmodelle für die Vertretungskräfte gefahren werden. Das kann man doch nicht wegdiskutieren. Das Ergebnis ist eindeutig. Darüber müssen wir gar nicht mehr diskutieren. Das dritte Problem liegt in der Förderkonzeption. Wenn Förderunterricht teilweise in 15-Minuten-Häppchen erteilt wird oder in den Pausen stattfindet, ist irgendetwas nicht in Ordnung. Dann soll man nicht herumprahlen und sagen, es sei alles so toll, sondern dann besteht reichlich Handlungsbedarf, und es ist Bescheidenheit angesagt, das will ich Ihnen deutlich sagen. Wenn 39 % der Eltern - Umfrage hin, Umfrage her - sagen, dass etwas nicht in Ordnung ist, dann ist das ein Mangel, und wenn wir einen Mangel feststellen - soweit sind wir doch der deutschen Sprache mächtig -, ist das mangelhaft. Oder ist das falsch? Jedenfalls ist hier kein Anlass, großartig herumzuprahlen.
Ich will den Komplex des Englischunterrichts an der Verlässlichen Grundschule nicht näher beleuchten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, den auch wir begrüßen. Seinerzeit kam das allerdings holterdiepolter. Lehrkräfte waren nicht in ausreichender Zahl vorhanden, und es musste zum Teil im Schnellverfahren nachgeschult werden. So weit, so gut. Wer die Fortbildungskosten zu bezahlen hatte, wissen wir auch. Toll war das in der Ursprungsphase also auch nicht gerade. Das gilt es noch zu verbessern.
Wir müssen aber, Frau Ministerin, die Grundschule noch ein bisschen mehr beleuchten. Wenn wir über Stichproben erfahren, dass 70 % aller Grundschulen die Schülerinnen und Schüler in den Kernfächern mit „gut“ und besser benoten, dann ist irgendetwas im System nicht in Ordnung. Das kann mir niemand erzählen. Aus solchen Erkenntnissen müssen wir Konsequenzen ziehen. Deshalb spreche ich Sie erneut - wir tun das ja seit mehr als viereinhalb Jahren - auf die Frage von Lernstandards und deren Überprüfung an. Seit 1998 propagieren Sie hier konkrete Vorstellungen. Wenn Sie irgendwann auf das Thema angesprochen werden, wie in der August-Sitzung vom früheren Landtagskollegen Fischer aus Göttingen, heißt es: Das haben wir noch nicht zustande gebracht, das haben wir auch so nicht versprochen. - Da möchte ich gern einmal nachhaken, denn es ist dringend Zeit, Bildungsstandards und Lernstandards auch für die Grundschule zu formulieren und darüber nachzudenken, wie die Einhaltung überprüft werden kann.
Unter dem Strich möchte ich mich noch einmal für die Entwicklung eines Konzeptes stark machen, das den Kindergarten mit der Schule sehr stark verbindet. Hier leistet das Kita-Gesetz eine gewisse Vorgabe. Dort ist ja ein Bildungsauftrag angelegt. Wir füllen ihn aber nicht richtig aus. Ich meine - ganz egal, wie der politische Tagesstreit ist und wer gerade regiert -, wir müssen hier noch etwas nachliefern und miteinander ein Konzept dafür entwickeln, wie das Verhältnis von Kindergarten und Grundschule mit dem jeweiligen Übergang insbesondere im letzten Jahr vor der Einschulung aussieht.
Ich darf Ihnen vorweg schon einmal Folgendes sagen: Wir denken daran, das vernünftig zu regeln. Wenn wir demnächst unser Schulgesetz vorlegen, werden Sie genau nachlesen können, wie wir uns das vorstellen.
Ich möchte jetzt noch etwas zur Unterrichtsversorgung sagen, bevor Sie nervös werden. Wenn wir miteinander vergleichen, wie viele Unterrichtsstunden ein Schüler in Bayern und wie viele Unterrichtsstunden ein Schüler in Niedersachsen erfährt, dann kann es nicht angehen, wenn hier - auf vier Jahre verteilt - ein Unterrichtsvolumen von einem halben Schuljahr fehlt. Das ist nicht in Ordnung. Das heißt: Sie können hier über Betreuung fabulieren, wie Sie wollen. Alles wunderbar, alles toll. Was aber schlichtweg fehlt, ist Unterricht. Auch ich habe die Kollegin so verstanden. Also werden wir hier miteinander reichlich nachlegen müssen. Es hilft alles nichts. Auch wenn die Zeiten schwierig sind und uns das Geld kostet, werden wir noch einiges tun müssen.
PISA sagt: Die Kinder beherrschen die Grundfertigkeiten nicht, also Rechnen, Schreiben und Lesen. Wo sollen sie es denn lernen, wenn nicht in der Grundschule? Also noch einmal ein ganz klares Plädoyer dafür, Kulturtechniken, Arbeitsmethoden sowie Rechnen, Schreiben und Lesen in der Grundschule zu vermitteln. Diesbezüglich ist eine ganze Menge an Einzelmaßnahmen erforderlich. Bei den Einzelmaßnahmen werden wir sicherlich zusammenkommen. Hier und dort mag es aber auch einen Unterschied geben. Wir müssen allerdings konkret handeln. Wir dürfen nicht nur prahlen und Umfragen durchführen, sondern vor Ort muss das Schulwesen Stück für Stück wieder in Ordnung gebracht werden. Das ist meine Position dazu. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
- Es tut mir Leid. Ich würde viel lieber ohne Mikrofonanlage laut sprechen. Es wäre dann aber für mich als Redner nicht angenehm, so vernommen zu werden.
- Ich hoffe, dass das jetzt nicht von meiner Redezeit abgeht.
Meine Damen und Herren, wenn man wie Niedersachsen PISA-Verlierer ist, hat man trotz finanzpolitisch schwieriger Zeiten Anlass darüber nachzudenken, woran dies liegt und ob man den Dingen nicht doch auf den Grund gehen muss. Das schlechte Leistungsverhältnis hat sicherlich etwas mit mangelhafter Unterrichtsversorgung zu tun. Hannover hat das belegt. Ich bin ehrlich gesagt nicht bereit, das Thema Unterrichtsversorgung auszublenden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich dachte schon, der Zustand der Mikroanlage würde mit den Landesfinanzen korrespondieren. Wir haben schwierige Zeiten und müssen feststellen,
dass wir im Lande Niedersachsen PISA-Verlierer sind. Gleichwohl besteht Anlass genug, den Dingen auf den Grund zu gehen und darüber nachzudenken, woran das denn liegt. Ich hatte das vorhin schon angedeutet. Das hat auch mit der Unterrichtsversorgung zu tun. Das soll aber heute Morgen nicht mein Thema sein. Ich lasse mir aber auch trotz der Finanzlage das Thema Unterrichtsversorgung nicht ausreden.
Weiterhin vertrete ich den Standpunkt, dass in diesen Zeiten in jedem Land geguckt werden muss, wo Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. In das Ausland zu gucken, ist dabei die eine Sache. Aber nur mit Finnlandisierung oder Bajuwarisierung kriegen wir das Thema auch nicht geregelt. Vielmehr müssen wir hier dafür sorgen, dass sich die Verhältnisse verbessern.
Wenn man im Bildungssystem dramatische Probleme hat, dann ist tunlichst bei den Wurzeln anzupacken und zu gucken, was an den Grundschulen machbar ist und was im Kindertagesstättenwesen passieren muss.
Nach meinem Eindruck ist in den vergangenen Jahren hier in Niedersachsen der Bildungsauftrag, den das Kindertagesstättengesetz auch beinhaltet, nicht wahrgenommen oder nur unzulänglich gesehen worden. Da wollen wir Abhilfe schaffen.
Ich möchte mit zwei Zitaten aufwarten. Die Schriftstellerin Donata Elschenbroich hat es wie folgt auf den Punkt gebracht: