Protocol of the Session on December 13, 2001

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu gegebener Zeit fest.

Geburtstag hat heute Frau Abgeordnete Bührmann. Das Geburtsdatum entnehmen Sie bitte dem Abgeordnetenhandbuch.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 19, Dringliche Anfragen. Anschließend wird die Beratung mit dem zweiten Block der Haushaltsberatung fortgesetzt. Danach behandeln wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die heutige Sitzung soll gegen 20.45 Uhr enden.

Ich weise an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass wegen der voraussichtlich langen Sitzungsdauer der für heute Abend vorgesehene Parlamentarische Abend der Parlamentariergruppe Bahn Niedersachsen abgesagt wurde.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt der Kollege Wolfkühler von der Fraktion der SPD und Frau Philipps von der Fraktion der CDU.

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 19: Dringliche Anfragen

Es liegt eine Dringliche Anfrage vor: Einnahmen aus Steuern und Abgaben und deren Verteilung zwischen Land und Kommunen - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2969.

Zum Prozedere: Jeder Abgeordnete kann bis zu zwei Zusatzfragen stellen; das ist Ihnen bekannt. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Vor allem dürfen sie nicht verlesen werden.

Wir kommen damit zu

Einnahmen aus Steuern und Abgaben und deren Verteilung zwischen Land und Kommunen - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2969

Dazu erteile ich dem Kollegen Golibrzuch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ergebnissen der amtlichen Steuerschätzung von November sind trotz des vergleichsweise stabilen Konsums die Umsatzsteuereinnahmen eingebrochen. Noch im Mai hatten die Schätzer mit einem Zuwachs von 2,4 % in diesem und 3 % im nächsten Jahr gerechnet. Jetzt erwarten sie für 2001 ein Minus von 1 % und für 2002 ein Plus von nur noch 2,7 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt fehlen den öffentlichen Haushalten allein aus dieser Steuerart knapp 10 Milliarden Euro.

Einen regelrechten Einbruch weist die Steuerschätzung für die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen aus. Fast 10 % weniger Einnahmen bedeuten für die Kommunen ein Minus von rd. 2,2 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Insbesondere Großstädte beklagen einen dramatischen Abbruch der Gewerbesteuerzahlungen. Weil man den Kommunen im Rahmen der Steuerreform höhere Einnahmen prognostiziert hatte, wurde jedoch die Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder deutlich erhöht. Angesichts der tatsächlichen Einnahmeentwicklung hat Bayern den Vorstoß unternommen, diese Erhöhung rückgängig zu machen, scheiterte damit aber in der vergangenen Woche bereits im Finanzausschuss des Bundesrates - auch an der Stimme Niedersachsens.

Obwohl sich die niedersächsischen Kommunen aus den genannten Gründen in einer überaus schwierigen Einnahmesituation befinden, hat die SPDLandesregierung angekündigt, sie zusätzlich noch an der Finanzierung der Nettolasten beteiligen zu wollen, die für das Land aus dem Urteil des Bun

desverwaltungsgerichts zur Förderabgabe resultieren.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Erklärung hat sie dafür, dass trotz vergleichsweise stabilen Konsums die Einnahmen aus der Umsatzsteuer weit unterhalb der ursprünglichen Schätzungen liegen?

2. Wie begründet sie ihr Abstimmungsverhalten im Finanzausschuss des Bundesrates zu der beantragten Absenkung der Gewerbesteuerumlage?

3. Wie begründet sie ihre Absicht, die niedersächsischen Kommunen im Rahmen der Steuerverbundquote an der Nettobelastung des Landes aus dem BEB-Urteil zu beteiligen, nachdem es eine vergleichbare Beteiligung der Kommunen an den Nettoeinnahmen des Landes aus der Förderabgabe erst seit Mitte der 90er-Jahre gibt, für den strittigen Zeitraum der Rückzahlung aber nie gegeben hat?

Die Antwort erteilt Finanzminister Aller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage spricht ein Thema an, das in diesen Wochen und Monaten von besonders großer Bedeutung gewesen ist. Ich darf darauf hinweisen, dass die Konzentration auf die finanziell schwierige Situation der Kommunen im Vorspann die etwas angespannte Haushaltslage sowohl bei den Kommunen als auch bei Bund und Ländern, also auf allen drei Ebenen der Gebietskörperschaften, etwas ausblendet.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen sehr ausführlichen Artikel in der heutigen Ausgabe des Handelsblatt über die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses aus dieser Woche verweisen. In diesem Artikel sind, ohne auf die Frage einzugehen, gleichwohl einige Aspekte im Zusammenhang mit der Steuerreform, Steuerentlastungen und die Auswirkungen auf die Kommunen und insbesondere auch auf den Mittelstand angesprochen worden.

Die Anfrage selbst ist in ihrer Komplexität dazu angetan, etwas ausführlicher beantwortet zu werden. Ich bitte um Verständnis dafür, wenn ich dies auch tue.

Die Landesregierung betrachtet auch mit Sorge die Entwicklung der Steuereinnahmen bei den niedersächsischen Kommunen wie im Übrigen - wie ich bereits ausgeführt habe - auch bei allen anderen Gebietskörperschaften. Trotz der in nicht vermutetem Ausmaß wegbrechenden Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte vertritt sie nach wie vor die Auffassung, dass die Zustimmung zu den außerordentlich ausfallwirksamen Steuerentlastungsund Steuersenkungsgesetzen des Bundes geboten war, um dringend erforderliche Entlastungen für die deutsche Wirtschaft umzusetzen und damit den Standort Deutschland nicht nur zu sichern, sondern auch attraktiver zu machen.

Ich darf darauf hinweisen, dass die fragestellende Fraktion die Steuerentlastungsgesetze im Bund ebenso wie die Fraktionen der Grünen in den Ländern, in denen die Grünen in der Regierungsverantwortung vertreten sind, mitgetragen hat und damit einen Teil dessen, was in den Fragen abgeleitet worden ist, natürlich ursächlich mitverantwortet hat. Ich meine trotzdem, dass das, was dort gemacht worden ist, nicht falsch war, weil die Steuerreform in ihrer Zielsetzung eindeutig einen vernünftigen Hintergrund hatte, nämlich den Standort Deutschland insbesondere für international operierende Konzerne attraktiv zu machen, den Mittelstand massiv zu fördern und die privaten Haushalte letztlich wieder in den Stand zu versetzen, die Binnennachfrage zu stärken.

(Möllring [CDU]: Das ist aber gründ- lich schiefgegangen!)

Das Stichwort „Geld in die Kassen der Unternehmen und in die Portemonnaies der Familien“ ist nachweislich richtig gewesen; denn die Steuerausfälle sind gleichzeitig der Wirtschaft und den privaten Haushalten zurückgegeben worden.

Ich stelle heute fest: Wäre die Steuerreform nicht so angelegt gewesen, dann wäre der konjunkturelle Einbruch in Deutschland noch wesentlich massiver. Denn das, was an Selbstfinanzierungseffekten ursprünglich eingesetzt war, dient heute der Vermeidung eines noch drastischeren Einbruchs der Konjunktur.

(Möllring [CDU]: Das ist ja ein Rie- sentrost! - Zuruf von Wiesensee [CDU])

- Wenn Sie das tröstet, bin ich mit dieser Einschätzung wenigstens nicht alleine.

(Möllring [CDU]: Wer glaubt denn das noch?)

- Dass Sie nicht zustimmen, ist bei dieser Veranstaltung irrelevant.

Ich darf darauf hinweisen, dass diese Einschätzung, so wie ich sie eben dargestellt habe, auch ein tragendes Element der Politik in Deutschland gewesen ist und auch von den Fachleuten völlig unbestritten so gesehen wird. Dass sich die Landesregierung bei der Beratung der Steuergesetze im Bundesrat nicht nur ihrer Verantwortung für den Landeshaushalt, sondern auch für die Haushalte der Kommunen bewusst war, hat sie durch eine Vielzahl von zur Vermeidung noch höherer Steuerausfälle im Bundesrat gestellter Anträge – insbesondere auch im Interesse der Kommunen - bewiesen. Sie begrüßt deshalb das Vorhaben der Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode eine Expertenkommission zur Vorbereitung einer Gemeindefinanzreform einzuberufen, uneingeschränkt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Niedersächsische Landesregierung die gestellten Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die Schätzung der Umsatzsteuereinnahmen für Deutschland wurde im Rahmen der November-Steuerschätzung von 144,2 Milliarden Euro um rund 4,7 Milliarden Euro auf rund 139,5 Milliarden Euro reduziert. Die Schätzkorrektur in der gleichen Größenordnung für das Jahr 2002 ergibt sich aus der reduzierten Basis des Jahres 2001.

In der gesamtwirtschaftlichen Prognose des Bundesfinanzministeriums, die der Schätzung zugrunde liegt, wurden die Werte für den privaten Konsum um 0,5 bzw. 1 Prozentpunkt nur sehr moderat verringert, und zwar auf plus 3,5 % bzw. 3 %. Die für die Schätzkorrektur bestimmende Umsatzsteuer-Ist-Entwicklung - minus 1,4 % bis Oktober 2001 gegenüber dem Vorjahr - ist demnach in der Tat aus der Entwicklung des privaten Konsums allein nicht erklärbar.

Ansatzpunkte für die Ursachen der Umsatzsteuerentwicklung liegen möglicherweise in folgenden Faktoren: Dämpfend auf die Umsatzsteuereinnahmen hat sich der im Wohnungsbau zu verzeichnende Rückgang ausgewirkt. Auch Strukturverschiebungen innerhalb des privaten Konsums weg von umsatzsteuerbelasteten Komponenten und hin zu ermäßigten oder nicht umsatzsteuerrele

vanten Komponenten - dürften eine Rolle gespielt haben.

(Zuruf von Möllring [CDU])

- Wenn Sie nicht mehr Güter kaufen, die mit dem vollen Umsatzsteuersatz belastet sind, sondern nur noch Güter, die mit einem halben Umsatzsteuersatz belastet sind – z. B. Zeitungen oder Lebensmittel -, dann wirkt sich das aus. Wenn Sie nur ein begrenztes Budget haben und auf der einen Seite verzichten und auf die andere Seite umschichten, dann ist das so. Bei Ihnen ist das vielleicht nicht so. Aber bei finanzschwächeren Familien mag das durchaus sein.

So wirken sich die höheren Ausgaben für die mit ermäßigtem Satz belasteten Nahrungsmittel - hier kommt die Antwort auch im Redeentwurf - und bedingt die gestiegenen Mietnebenkosten infolge der eingetretenen Nahrungsmittel- und Energieverteuerung tendenziell dämpfend aus. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Umsatzsteuereinnahmen des Jahres 2000 mit 140,9 Milliarden Euro und einer Steigerung um 2,7 % gegenüber dem Vorjahr einen relativ hohen Wert erreichten, sodass im Jahr 2001 auch eine basisbedingte Korrektur eintritt.

Es bleibt jedoch intensiv zu prüfen, inwieweit diese und weitere Faktoren das Umsatzsteueraufkommen beeinflussen. Dies wird verstärkt anhand der Ist-Zahlen des Jahres 2001 erfolgen müssen; dies gilt insbesondere, wenn die gegebenenfalls korrigierten Ist-Zahlen des privaten Konsums im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorliegen.

Soweit gesetzwidriges Verhalten zu der beobachteten Entwicklung bei der Umsatzsteuer beigetragen hat, sind durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz - toller Name für eine richtige Sache Gegenmaßnahmen getroffen worden, die zum 1. Januar 2002 wirksam werden; entsprechend sind auch schon Mehreinnahmen veranschlagt worden. Das kennen Sie.

Zu Frage 2: Bayern begründet den Antrag mit den aktuellen Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden sowie mit den nicht eingelösten Maßnahmen des Steuersenkungsgesetzes, z. B. den AfA-Tabellen. Diese belegen nach Auffassung Bayerns, dass die beim Steuersenkungsgesetz getroffene Prognose über Mehreinnahmen der Kommunen im Verhältnis zu den übrigen Gebietskörperschaften fehlerhaft war und deshalb als Recht

fertigung für die Erhöhung der Umlage und ihre im Gesetz angelegte Steigerung in den Jahren 2002 bis 2004 entfalle.

Der Antrag Bayerns konnte nicht unterstützt werden. Die negative Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinden im Jahre 2001 ist für sich genommen kein ausreichender Grund, die Gewerbesteuerumlage zu senken.

Die Landesregierung sieht die aktuelle Gewerbesteuerentwicklung mit Sorge und hat sich nicht zuletzt deswegen nach Kräften dafür eingesetzt, dass die Belastungen durch die Maßnahmen zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform in vertretbaren Grenzen gehalten werden. Die Vermeidung von Steuerausfällen hilft den Kommunen mehr als eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Der Bundesrat hat z. B. im Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz bereits die Angleichung der gewerbesteuerlichen an die körperschaftsteuerliche Organschaft mit der Folge der Entlastung für die Kommunen in Höhe von 1 Milliarde DM erreichen können.