Protocol of the Session on April 25, 2002

Guten Morgen, meine Damen und Herren!

(Zurufe: Guten Morgen!)

Wer Geburtstag hat, verrate ich nachher.

(Zurufe: Oh! - Möllring [CDU]: Der feiert wohl noch!)

Zur heutigen Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 30.

(Möllring [CDU]: Ich kann es aber verraten! Frau Litfin ist es!)

- Die Klugheit, Herr Kollege Möllring, ergibt sich immer daraus, dass man nicht immer alles sagt, was man weiß.

(Möhrmann [SPD]: Und darin kennt er sich aus, Herr Präsident! - Adam [SPD]: Dafür kriegt der Präsident erst einmal einen Applaus! - Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es, und jetzt kommen wir zur ernsten Sache. Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 30. Es folgt Punkt 2 – Eingaben -, und zwar die Behandlung der strittigen Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung mit Ausnahme der Punkte 31 und 39, die wir bereits in der gestrigen Sitzung behandelt haben, und von Tagesordnungspunkt 40 - Prozesse vermeiden, Rechtsfrieden stärken: Mediation in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 14/3329 -, für den die antragstellende Fraktion ihren Antrag auf Durchführung einer ersten Beratung im Plenum zurückgezogen hat.

Die heutige Sitzung wird somit gegen 16.15 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Nunmehr folgen Mitteilungen der Schriftführerin. Bitte!

Von der Fraktion der SPD haben sich für heute entschuldigt der Kollege Brauns ganztägig und der Kollege Wolfkühler für nachmittags.

Ich kann das Geheimnis lüften: Geburtstag hat heute die Kollegin Frau Litfin.

(Beifall)

Wir sind damit bei

Tagesordnungspunkt 30: Mündliche Anfragen - Drs. 14/3300

Die Frage 4 wurde von der Antragstellerin zurückgezogen. Es ist jetzt 9.03 Uhr.

Frau Vockert stellt die erste Mündliche Anfrage:

Frage 1: „Jede Bodenhaftung verloren“, „ein weit vorgezogener Aprilscherz“ - Niedersachsens Sozialministerin Trauernicht (SPD) bringt Kommunen gegen sich auf

Bitte sehr!

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Niedersachsens Sozialministerin Trauernicht (SPD) hat in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur dafür plädiert, zur Ausweitung der Betreuungszeiten in Kindergärten diejenigen Mittel zu verwenden, die durch die sinkenden Kinderzahlen in den kommenden Jahren frei werden. Dabei macht sie offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt; denn das Land übernimmt lediglich 20 % der bezuschussungsfähigen Personalkosten und hält damit bundesweit die „Rote Laterne“, während den Löwenanteil der Kosten im Kindergartenbereich die Kommunen tragen müssen. Vor diesem Hintergrund hat der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund der Ministerin vorgeworfen, „jede Bodenhaftung ver

loren“ zu haben, sodass es sich nur um einen „weit vorgezogenen Aprilscherz“ handeln könne.

Darüber hinaus hat die Ministerin hervorgehoben, für Sprachfördermaßnahmen im Kindergarten „250 000 Euro zusammengekratzt“ zu haben, wobei es sich lediglich um die Zusammenfassung bisheriger Aktivitäten des Landes handelt, nicht aber um das angekündigte und immer noch nicht vorliegende Sprachförderkonzept für Kindertagesstätten.

Des Weiteren hat die Ministerin verkündet, dass ein Drittel der Kindergärten den Bildungsanspruch schon jetzt gut einlöst, ohne jedoch über irgendwelche regionalspezifischen Daten aus Niedersachsen zu verfügen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum redet die Sozialministerin nicht zunächst einmal mit den kommunalen Spitzenverbänden als den Vertretern der wesentlichsten Kostenträger von Kindertagesstätten, statt auf deren Kosten angesichts des geringsten Personalkostenzuschusses aller Bundesländer weiterreichende Vorschläge zu machen?

2. Wann und wo wird das immer wieder angekündigte Sprachförderkonzept für Kindergärten mit welchem Mitteleinsatz unter Berücksichtigung eines evtl. Nachtragshaushaltes nun endlich vorgelegt?

3. Wie kommt die Ministerin zu der Behauptung, dass rund ein Drittel der Kindertageseinrichtungen den Bildungsauftrag gut erfüllt, wenn ihr diesbezüglich keinerlei regionalspezifische Daten und Untersuchungen aus Niedersachsen vorliegen, die eine solche Bewertung rechtfertigen würden?

Die Antwort erteilt die Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales, Dr. Trauernicht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Vockert, zu Ihrer ersten Frage antworte ich wie folgt: Der Bedarf an verlässlicher Betreuung steigt. Mit bedarfsgerechter Kinderbetreuung meinen Eltern längere Betreuungszeiten - länger als vier Stunden -, mehr Plätze mit Mittagessen, mehr Ganztagsbetreuung, gesicherte Ferien

betreuung und mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige und für Schulkinder. Außerdem möchten die Eltern zu Recht, dass die Angebote flexibilisiert werden. Diese Forderungen werden vor dem Hintergrund sinkender Kinderzahlen erhoben; denn es ist aus familien- und jugendpolitischer Sicht bedauerlicherweise Fakt, dass die Zahl der Drei- bis Sechsjährigen in den nächsten zehn Jahren um etwa 20 % zurückgeht.

Die politische Aufforderung, das Geld im System zu belassen, verweist also auf die Notwendigkeit, zukünftig frei werdende Kapazitäten für eine Erweiterung des Angebotes an Plätzen für unter Dreijährige, für die Ausweitung der Ganztagsbetreuung und für die Versorgung der Schulkinder einzusetzen. Diese Aufforderung betrifft sowohl die Kommunen als auch das Land mit seiner Finanzierungsbeteiligung. Dieses in das politische und öffentliche Bewusstsein zu rücken, ist die originäre Aufgabe einer Jugend-, Frauen- und Familienministerin.

Meine Erfahrung mit dieser in vielen Veranstaltungen und Gesprächen in Niedersachsen geäußerten Aufforderung ist die einer zunehmenden Sensibilität und Akzeptanz; denn es war nicht allen bewusst, dass die Zahl der Kinder in den nächsten Jahren so weit zurückgeht. Insofern liegt auch den Äußerungen des Städte- und Gemeindebundes eine Fehleinschätzung zugrunde. Der Presseerklärung ist zu entnehmen, dass der Städte- und Gemeindebund bei seiner damaligen Bewertung davon ausging, dass die Kinderzahlen erst ab dem Jahr 2015 sinken würden. Dies ist nicht der Fall. Die Zahl der Kindergartenkinder sinkt bereits ab 2003 und wird, wie ich sagte, in zehn Jahren um 20 % gesunken sein.

Die Vision einer verlässlichen und bedarfsgerechten Kinderbetreuung in allen Kommunen - das ist mein Eindruck aus den vielen Gesprächen vor Ort wird trotz der unbestrittenen finanziellen Herausforderung angenommen. Viele Kommunen gehen heute schon kreative und erfolgreiche Wege, um das Betreuungsangebot vor Ort zu erweitern, z. B. mit der Ausweitung der altersgemischten Gruppen. Das will ich Ihnen anhand einer Zahl deutlich machen. Zwischen 1998 und 2000 haben die Kommunen die Kapazitäten der Betreuungsform der altersübergreifenden Gruppen, d. h. des Einbezugs auch der unter Drei- und über Sechsjährigen, um insgesamt 38 % gesteigert. Viele Landkreise, Städte und Gemeinden haben verstanden, dass Kinderbetreuung auch ein Standortfaktor ist und

dass sich zusätzliche Betreuungs- und Bildungsangebote insoweit rechnen. Das heißt auch, dass viele der Kommunen schon heute das politische Prinzip, das Geld im System zu belassen, praktizieren. Andere wiederum werden durch diese politische Aufforderung für die Entwicklung der Kinderzahlen und die damit verbundenen Möglichkeiten sensibilisiert.

Thema der Gespräche, die ich bei meinen Bereisungen mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern führe, ist also stets die Kinderbetreuung, weil es für mich als Landespolitikerin von großer Bedeutung ist, vor Ort über die Entwicklungen informiert zu werden und die unterschiedlichen Ausgangslagen zu erkennen; denn es gibt zum Teil auch einzelne Regionen mit einem steigenden Bedarf an Plätzen auch der Drei- bis Sechsjährigen. Insofern fällt die Entwicklung auseinander. Den von vielen Städten und Gemeinden hierzu eingeschlagenen Verbesserungsprozess möchte ich auch weiterhin unterstützen.

Nun zur zweiten Frage, Frau Vockert, zu dem in der Anfrage angesprochenen Komplex der Sprachförderung und ganz allgemein des Bildungsauftrages des Kindergartens: Ich habe mit Expertinnen und Experten aus vielen Organisationen und Institutionen unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände ein Konzept mit dem Thema „Kindergarten bildet“ vorgelegt. Dieses Konzept enthält eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung des allgemeinen Bildungsauftrages in den Kindergärten und auch einige davon speziell zur Sprachförderung.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Das Projekt „Sprachförderung in Osnabrück“ mit hohem Migrantenanteil ist ein Projekt, das sich an Migrantenkinder und Erzieherinnen richtet und von der Stadt Osnabrück entwickelt worden ist. In der ersten Phase dieses Projektes wird eine Sprachstandserhebung türkisch- und russischsprachiger Kinder vorgenommen. Danach werden Lernmaterialien erstellt, die an die Erzieherinnen weitergegeben und in den Kindergärten erprobt werden. Die diesbezüglichen Erfahrungen werden ausgewertet und veröffentlicht. Mein Ministerium unterstützt diese Aktivitäten - z. B. der Stadt Osnabrück - auch finanziell. Das Konzept zum Thema „Kindergarten bildet“ kann den Mitgliedern des Landtages auf Wunsch gerne zur Kenntnis gegeben und bei Interesse im Ausschuss im Einzelnen erläutert werden. Soweit weitere Bausteine zur Sprachförderung in der politischen Bearbeitung

sind, werden sie vorgelegt, sobald die Beratungen abgeschlossen sind.

Ich komme nun zu Ihrer dritten Frage. Die einzige systematische Untersuchung zur pädagogischen Qualität in den deutschen Kindergärten ist eine Studie von 1998 mit dem Titel „Wie gut sind unsere Kindergärten?“ von dem bundesweit ausgewiesenen Experten Herrn Wolfgang Tietze. Der Untersuchung lag eine sorgfältig ausgewählte Stichprobe zugrunde, die im Hinblick auf unterschiedliche Kindergartentraditionen die in Deutschland vorhandene Spannbreite repräsentiert. Ich habe mich bei der zitierten Aussage auf diese Untersuchung bezogen, die zu dem Ergebnis kommt, dass einem Drittel der Kindergärten eine gute Qualität bescheinigt wird. Erfasst wurde, ob Kinder eine ihrem Entwicklungsstand angemessenere, sichere und gesunde Betreuung erhalten, ob sie eine entwicklungsangemessene Anregung in den verschiedenen Bereichen wie Sprache, Musik, bildnerischer Ausdruck und Grob- und Feinmotorik erfahren und ob ein positives Interaktionsklima mit den Erzieherinnen gegeben ist. Gut zwei Drittel der untersuchten Einrichtungen liegen im Mittelfeld. Nur - so die Studie - ein sehr kleiner Prozentsatz von Einrichtungen genügt den Anforderungen nicht.

Dieses gilt auch für Niedersachsen. Ich finde, darüber sollten wir uns im Interesse unserer Kinder freuen. Das heißt nicht, dass wir nicht noch weitere Entwicklungsbedarfe sehen. Deswegen freue ich mich auf die Auswertung Ihrer Anhörung und werde die Anregungen daraus gerne aufgreifen und in die politische Umsetzung bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die erste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Vockert. Danach kommt Frau Trost.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass viele Eltern wegen der hohen Kosten die Verweildauer ihrer Kinder in den Kindertageseinrichtungen sehr kurz halten, frage ich Sie, ob es nicht angebrachter wäre, durch finanzielle Entlastungen der Kommunen durch Bund und Land dafür Sorge zu tragen, dass die Kita-Beiträge endlich gesenkt werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin!

Frau Vockert, Sie wissen als Fachpolitikerin, dass die Ausgestaltung der Kindergartenbeiträge den Kommunen obliegt und dass diese sehr unterschiedlich aussehen. Auch die Belastungen sind insoweit sehr unterschiedlich. Ich treffe auf viele Kommunen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, gerade für sozial belastete Familien in finanziell schwierigen Situationen eine Entlastung über die Jugendhilfe herbeizuführen, sodass viele dieser Kinder den Kindergarten kostenlos oder zu einem äußerst minimalen Beitrag besuchen können. Für andere Familien stellt die Kindergartengebühr ohne Zweifel eine deutliche Belastung dar. Deswegen muss es ein politisches Ziel bleiben, die Kindergärten insgesamt kostengünstiger zu machen.

Aber vor dem Hintergrund des derzeitigen Zielkonfliktes, dass die soziale Infrastruktur nicht ausreicht, um den Betreuungsbedarfen gerecht zu werden, setzen viele darauf, zunächst einmal - wenn möglich - zusätzliches Geld bereitzustellen, um diese Infrastruktur auszubauen. Es sollte für uns alle ein politisches Fernziel, eine Vision sein, dass der Kindergarten behandelt wird wie die Hochschulen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Trost! Dann Herr Pörtner.