Protocol of the Session on December 11, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 124. Sitzung im 47. Tagungsabschnitts des Niedersächsischen Landtages der 14. Wahlperiode und bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

Am letzten Sonnabend, dem 7. Dezember, ist unser Kollege Uwe Inselmann gestorben. Sein Tod kam so unerwartet und schnell, dass alle, die davon erfuhren, es kaum glauben mochten.

Wir pflegen zu Beginn einer jeden Sitzungswoche, wenn ein ehemaliges Mitglied des Landtages verstorben ist, seiner zu gedenken. Diesmal ist dies viel schwerer, weil einer, der an vorderster Stelle in diesem Hause stand, der sich gern zu Wort meldete, sachkundig argumentierte, manchmal auch deutliche Worte fand, immer humorvoll war, nicht mehr da ist.

Seit 1990 in den Ausschüssen für Umweltfragen sowie für Wissenschaft und Kultur arbeitend, hatte er sich vor allem in den letzten Jahren in die diffizilen Probleme der Umweltpolitik höchst kompetent eingearbeitet. Aus allen Fraktionen des Hauses höre ich die Versicherung, dass die Gesetze zum Nationalpark Wattenmeer und zum Nationalpark Harz sowie dem Biosphärenreservat Elbtalaue ohne seinen großen persönlichen Einsatz so nicht zustande gekommen wären. In dem Versuch, Akzeptanz zwischen den Fraktionen und vor allem in der betroffenen Bevölkerung herzustellen und zu erreichen, stellte er durchaus einen neuen Typus eines Politikers dar. Er wusste, dass es nicht ausreicht, Gesetze zu beschließen, wenn die Menschen sie nicht annehmen.

Er hat sich weder geistig noch körperlich geschont. Vielleicht hat er die nimmermüden Ansprüche, die an einen demokratischen Politiker heute gestellt werden, so unkontrolliert für sich gelten lassen, dass sein Herz ihm den Dienst versagte. Für einen Menschen, der erst Mitte 40 ist und noch so viel vorhatte und erwartete, ist dies eine persönliche Katastrophe, für seine Frau und seine drei kleinen Kinder ein unsagbares Leid.

Vielleicht mag sich unsere Trauer in diesen Tagen dadurch am besten ausdrücken, dass wir bei allen notwendigen Auseinandersetzungen die Verletzbarkeit des politischen Gegners mit beachten. Denn auch Politik kann bei aller Leidenschaft nur

das Vorletzte sein. Niemand von uns wird Uwe Inselmann vergessen. - Ich danke Ihnen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest und möchte zur Tagesordnung Folgendes mitteilen:

Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Abschnitt liegen Ihnen gedruckt vor. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Beginn der Plenarsitzung am Freitag auf 8 Uhr vorzuverlegen. Die Sitzung beginnt dann mit der Fragestunde - Tagesordnungspunkt 40 -, es folgen Punkt 2 - strittige Eingaben -, die Punkte 42 bis 45 - die sogenannte Steuerdebatte - und erst danach Punkt 41 - Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2000.

Wie mir mitgeteilt wurde, sind die Fraktionen übereingekommen, Punkt 46 von der Tagesordnung abzusetzen. - Ich höre keinen Widerspruch. Der Tagesordnungspunkt 47 wird abgesetzt, da die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag in der Drucksache 3963 zurückgezogen hat. Die Punkte 48 und 49 sollen je nach Sitzungsverlauf heute und/oder morgen an geeigneter Stelle behandelt werden, sodass die Sitzung am Freitag gegen 10.20 Uhr beendet sein wird.

Für die Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor.

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt; sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt wird. - Ich stelle fest, dass Sie damit einverstanden sind.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.15 Uhr enden.

Ich möchte noch auf eine Veranstaltung hinweisen: In der Portikushalle ist die vom Koordinierungsbüro GEOTECHNOLOGIEN in Potsdam konzipierte Ausstellung „Geotechnologien - Forschung für die Zukunft“ zu sehen. Ich empfehle diese Ausstellung Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerpräsident Herr Gabriel, von der Fraktion der SPD Herr Collmann und Herr Pickel sowie von der Fraktion der CDU Herr Krumfuß.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Für diese Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor: a) Kein europäisches Atomklo in Gorleben - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3988, b) Schulchaos in Niedersachsen: Gabriels Förderstufe schon jetzt gescheitert - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3989 und c) 100 % Gabriel - 0 % Glaubwürdigkeit: Vermögensteuer ja, aber ehrlich! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3992.

Es stehen insgesamt 60 Minuten Redezeit zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, jede Fraktion kann höchstens über 20 Minuten verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen - so wie heute -, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag - auch von Mitgliedern der Landesregierung - darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft. Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich eröffne die Beratung zu

a) Kein europäisches Atomklo in Gorleben Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3988

Wer bringt ein?

(Zurufe: Herr Dehde!)

Herr Kollege Dehde, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe unumwunden zu, dass es schwierig ist, jetzt hier zu sprechen. Denn wir wissen alle, dass diese Rede eigentlich von jemand anderem gehalten worden wäre. Wir haben uns in der Fraktion damit beschäftigt, wie wir mit diesem Thema umgehen. Mir persönlich ist es so wie vielen anderen gegangen: Dieses Thema ist unserem Kollegen Inselmann über die Jahre hinweg immer so wichtig gewesen, dass wir davon ausgehen, dass wir als Niedersächsischer Landtag gerade angesichts dieser Situation nicht zu dem schweigen können, was jetzt aus der Europäischen Kommission vorgelegt worden ist.

Die EU-Kommission hat Pläne vorgelegt, die wir so lesen, dass Gorleben als Endlagerstandort jetzt sogar für die gesamte Europäische Union ins Gespräch gebracht werden soll. Der Begriff der gesamten Europäischen Union bedeutet in diesem Falle nicht nur die derzeitigen 15 Mitglieder, sondern möglicherweise oder sogar höchstwahrscheinlich die 25 Mitglieder, aus denen sie zukünftig bestehen wird. Nach den zeitlichen Vorstellungen der Europäischen Union und der Kommission sollen offensichtlich schon bis 2004 entsprechende Regelungen in Richtlinien umgesetzt werden. Nach unserer Auffassung - ich sage eindeutig: auch nach unserer Befürchtung - ist die Zielsetzung der Kommission nicht der geordnete Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie, sondern sind es vielmehr die Sicherstellung, der Weiterbetrieb und gegebenenfalls sogar der Ausbau der Nutzung der Atomenergie in Europa - ein Thema, das für uns ohne Frage so bedeutsam ist, dass wir hier darüber sprechen und auch deutlich machen müssen, welche Position wir dabei einnehmen.

Wir haben uns über die Jahre hinweg auch hier im Landtag eigentlich immer ganz entschieden und auch ganz eindeutig gegen die Internationalisierung der Entsorgung atomarer Abfälle gewandt. Dabei wurde in erster Linie immer über diejenigen gesprochen, die als, so sage ich jedenfalls, Phantasten meinten, man möge die Atomabfälle doch in Sibirien oder an anderen Stellen endlagern. Heute müssen wir feststellen: Die Diskussion schlägt zurück, und wir reden hier über niedersächsische Probleme und Fragen, die an dieser Stelle zu klären sind.

Die Entsorgung muss nationale Aufgabe sein und auch bleiben. Das ist unsere feste Überzeugung. Ich sage an dieser Stelle eindeutig: Daran ändert auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes nichts, von dem wir heute erfahren haben und wodurch der Europäischen Union mehr Kompetenzen in der Atompolitik zugestanden werden. Bei dieser Frage geht es ja primär wohl, jedenfalls nach der Rechtsprechung, um die Frage der Sicherheit von Atomkraftwerken. Das ist auf den ersten Blick akzeptabel, wenn man daran denkt, dass in den Ländern einiger Beitrittskandidaten der Union immer noch eine Reihe von Tschernobyl-Reaktoren in Betrieb sind. Insofern findet es unsere volle Unterstützung, über Sicherheit zu sprechen, aber nach unserer Auffassung über Sicherheit in Richtung eines geordneten Ausstiegs.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Frage dieses Ausstiegs ist jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland im Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Wirtschaft geregelt worden. Dieser Konsens zeigt Wege auch in Richtung Entsorgungsfragen auf, wenn ich auch zugestehe, dass jedenfalls mir persönlich die Aussagen zu Gorleben an dieser Stelle im Konsens nicht hinreichend sind. Nichtsdestotrotz arbeitet der Arbeitskreis Endlager und leistet seine Arbeit, um den gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage herbeizuführen.

Auch wenn es ohne Frage schwierig ist, an dieser Stelle die andere große Fraktion in dieser Thematik anzusprechen, will ich es trotzdem tun, um die unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen. Die CDU in Niedersachsen setzt nach meiner Auffassung einseitig auf Ausbau der Atomkraft. Sie legt sich, wie ich meine, in einer nicht angemessenen Art und Weise auf Gorleben als Endlagerstandort fest und berücksichtigt nach meiner Auffassung - das sage ich an dieser Stelle auch deutlich - viel zu wenig niedersächsische Interessen. Mich treibt hier ganz klar die Sorge um, dass auch diese Haltung ihren Teil dazu beigetragen hat, die EU-Kommission zu solchen Überlegungen zu bringen. Ich persönlich sage eindeutig: Wir werden diesen Plänen einen entschiedenen Widerstand entgegensetzen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich meine, dass wir auch diese Ziele weiter verfolgen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Wojahn.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte meine Rede damit beginnen, dass derjenige, mit dem ich zu diesem Thema hier oft die Klingen gekreuzt habe, leider nicht mehr unter uns ist. Er war in jedem Falle auch für mich ein guter Gesprächspartner, wenn wir auch nicht in allem einer Meinung waren.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Kein europäisches Atomklo in Gorleben“ beantragt. Auch wenn ich eigentlich heute ruhig sprechen möchte, so muss ich doch sagen, dass mich das doch ein bisschen erregt hat. Gorleben liegt in meiner Heimat, und ich möchte es nicht gern als „Klo“ bezeichnet haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, es ist einer Regierungsfraktion auch nicht angemessen, dieses Wort zu benutzen. Das ist ein Wort aus dem Widerstand, wo es emotionalisiert wurde, was hier leider oder Gott sei Dank nicht der Fall ist. Dieses Wort ist auch den vielen Menschen nicht angemessen, den Wissenschaftlern und Bergleuten, die sich um diese Frage ehrlich bemühen, im Übrigen auch nicht denen, die im AK-End um Lösungen ringen. Das soll als Vorwort genügen.

Meine Damen und Herren, die Vizepräsidentin der EU-Kommission hat einen Vorstoß zur Endlagerung von Atommüll gemacht und dabei indirekt auch den niedersächsischen Standort Gorleben als einen europäischen Standort ins Spiel gebracht, wie ich das einmal nennen will. Dazu möchte ich ganz klar feststellen: Die CDU die Niedersachsens und die CDU insgesamt ist immer für die Zuständigkeit und die Verantwortung in dieser Frage im nationalen Sinne eingetreten. Da gibt es überhaupt kein Wenn und Aber, darüber gibt es auch gar keine Diskussion, und das bleibt auch so. Ich stelle natürlich trotzdem fest, dass wir schon seit den 70er-Jahren mit europäischen Nachbarländern zusammengearbeitet haben. Das ist gar keine Frage, und das soll auch so bleiben wie bisher. Die Zuständigkeit aber wird und muss national bleiben. Insoweit besteht wohl Einvernehmen in diesem Hause.

Bewertet man diesen Vorstoß politisch, so empfinde ich ihn auch als eine Backpfeife für die Bundesregierung, denn die Kommissarin sagt ja, dass Deutschland über einen mindestens aussichtsreichen Standort verfügt. Daher will ich auf eine kleine Erklärung des Kreisverbandes der Grünen in der gestrigen Ausgabe der Elbe-Jeetzel-Zeitung hinweisen, denn auch ich weiß nicht, wie dieser Vorstoß zustande kam. Darin heißt es: Für den Kreisverband der Grünen ist es nicht glaubwürdig, dass die Parteispitze auf Bundesebene von diesen Vorstellungen der EU-Kommission nicht gewusst habe. Wer sitzt denn in der EU-Kommission, und warum lässt man solche Ideen überhaupt formulieren, wenn nicht eine Absicht dahinter steckt? Dazu muss ich sagen: Es ist im EU-Vertrag doch ganz eindeutig geregelt, dass dies eine nationale Sache ist. Ich möchte es auch nicht weiter in Zweifel ziehen.

Meine Damen und Herren, ich sage aber auch noch einiges zu den Vorstellungen der CDU und zu meinen Vorstellungen. Sie wissen ganz klar, dass wir immer der Meinung waren, dass in Gorleben weiter erkundet werden soll. Wir haben keine Gegenargumente gebracht und sind einverstanden, wenn auch an anderer Stelle erkundet wird. Ich will heute Morgen noch ins Gespräch bringen, dass aus dem AK-End von vielen Wissenschaftlern der Wunsch kam, ein Untertagelabor im Salz zu machen. Herr Trittin war sehr dafür. Aber als er hörte, dass das nur in Gorleben geht, hat er die Sache abgebrochen. Wir sind der Meinung: Die wissenschaftliche Forschung muss weitergehen, und die Regierung möge bitte nicht nur reden, sondern mit der alternativen Erkundung auch in die Gänge kommen, wenn sie sie denn will. Die Leute wollen Sicherheit haben, dass an diesem Punkt weiter gearbeitet wird. - Das zur Sachlage.

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt noch eine halbe Minute Redezeit. Deswegen möchte ich noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft machen, denn diese Rede wird zu diesem Thema sicherlich meine letzte Rede vor diesem Haus und von diesem Pult aus sein. Ich wünsche mir, dass Niedersachsen in Zukunft seine eigene Position wirklich in mehreren Alternativen formuliert. Das braucht nicht öffentlich zu geschehen. Ich habe die Befürchtung, dass sonst ganz schnell einmal über unsere Köpfe hinweg uns die Bedingungen von der Bundesregierung aus Berlin diktiert werden. Deswegen rege ich an, gewisse Schubladenpläne in den Ministerien oder in der Staatskanzlei zu erarbeiten. Ich hoffe, dass wir unter einem Minister

präsidenten Christian Wulff - und ich bin ganz sicher, dass der Ministerpräsident im März so heißen wird

(Beifall bei der CDU)

diese Aufgabe werden leichter angehen können. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Frau Harms!