Protocol of the Session on June 14, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 111. Sitzung im 42. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages und heiße Sie herzlich willkommen.

Das Plenum leidet heute Morgen zwar nicht an Überfüllung. Aber diejenigen, die vor mir sitzen, sehen so aus, als wollten sie heute Morgen eifrig arbeiten.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde; das ist bekannt. Es folgt dann die Fortsetzung des Tagesordnungspunktes 2, Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die Sitzung soll um etwa 15 Uhr beendet sein.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst will ich einmal mehr erinnern.

Hinweisen möchte ich auch noch auf den schönen § 47 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung. Darin steht nämlich, wie eine Fragestunde abzulaufen hat. Erstens muss man - das wird für manchen überraschend sein - richtig fragen. Zweitens dürfen nur bis zu zwei Zusatzfragen gestellt werden. Drittens müssen sie - zu aller Überraschung - auch noch zur Sache gehören, und sie dürfen nicht auf andere Gegenstände ausgeweitet werden. Ich erinnere noch einmal daran, obwohl ich weiß, dass alle diesen schönen § 47 Abs. 5 gut kennen.

Nun folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. Bitte schön!

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der SPD Herr Endlein und von der Fraktion der CDU Herr Biestmann und Herr Krumfuß.

Meine Damen und Herren, dann rufe ich auf

Tagesordnungspunkt 34: Mündliche Anfragen - Drs. 14/3456

Es ist jetzt 9.02 Uhr.

Wir beginnen mit der Frage 1. Sie wird gestellt von der Kollegin Frau Mundlos und trägt den schönen Titel

Frage 1: „Der Besuch von Sigmar Gabriel am 1. Mai 2002 in Braunschweig geriet (...) zur Panne“. (Braunschweiger Zeitung vom 4. Mai 2002)

Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der Kundgebungen zum 1. Mai 2002 kündigte der Ministerpräsident in Braunschweig u. a. an, dass er sich für das Freizeit- und Bildungszentrum in Braunschweig so einsetzen will, dass es vor einer Schließung im September bewahrt werden kann. Der Ministerpräsident stellte außerdem „die Sparpläne der Stadt dann auch noch in einen Kontext zu den schrecklichen Ereignissen in Erfurt (...)“. Der Ministerpräsident gab der öffentlichen Hand den Tipp, sich nicht aus der Kulturförderung zurückzuziehen, und erweckte den Eindruck, das Land fördere das Festival „Braunschweig Classix“. (Die Braunschweiger Zeitung berichtete entsprechend am 2. und 4. Mai 2002).

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchen Maßnahmen und finanziellen Zuwendungen für die Stadt Braunschweig in welcher Größenordnung plant der Ministerpräsident am Kabinett vorbei,

a) die Schließung des Freizeit- und Bildungszentrums dauerhaft zu verhindern und

b) künftig die niedersächsische Kulturförderung so zu gestalten, dass das Festival „Braunschweig Classix“ und das Staatstheater Braunschweig mit der Landesförderung für hannoversche Festivals und für das Staatstheater Hannover gleichgestellt werden,

c) der Stadt Braunschweig unterstützend zur Seite zu stehen, um noch mehr und besser ausgestattete Angebote für Kinder, Jugendliche, Arbeitslose und sozial Schwache zu ermöglichen?

2. Sind die zahlreichen Verbesserungsvorschläge des Ministerpräsidenten zur Kommunalpolitik in

Braunschweig ein Anzeichen dafür, dass sich der Ministerpräsident in absehbarer Zeit verstärkt wieder der Kommunalpolitik zuwenden will?

3. Wann und wie wird die Landesregierung die Kürzungen beim kommunalen Finanzausgleich und die Kommunalisierung der Altenpflege so reorganisieren, dass die durch das Land in diesen beiden Bereichen für die Stadt Braunschweig entstandenen Belastungen in zweistelligen Millionenbeträgen für die Stadt Braunschweig und für ähnlich belastete Kommunen auf ein erträgliches Maß zurückgefahren werden können?

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Darauf wird der Herr Finanzminister antworten. Bitte schön!

Frau Mundlos, die Landesregierung bedankt sich ausdrücklich für diese Frage. Bis auf die Überschrift bietet diese Anfrage unserer Ansicht nach die Möglichkeit, deutlich zu machen, dass der Ministerpräsident und die gesamte Landesregierung mit großem Engagement die Situation in den Kommunen beobachten. Wir stellen fest, dass Sie mit großer Begeisterung die Berichterstattung über den Ministerpräsidenten verfolgen, der sich bekanntlich in allen Regionen des Landes mit großem Engagement bis ins Detail um Fragen kümmert, die die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land angehen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb geht es völlig an der Sache vorbei, ausgerechnet bei der Veranstaltung zum 1. Mai von einer „Panne“ zu sprechen. Ich war in der letzten Zeit mehrfach in der Region Braunschweig. Das, was mir von den Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften gesagt worden ist, war exakt das Gegenteil von dem, was Sie wahrgenommen haben. Sie haben nämlich gesagt: Endlich ein Ministerpräsident, der sich in diesen schwierigen Zeiten an die Seite der Kolleginnen und Kollegen stellt, der am 1. Mai auftritt und Klartext redet.

(Beifall bei der SPD)

Das war die Botschaft, die da herübergekommen ist. Dass das gerade in der Region Braunschweig

nicht gut aufstößt, ist mir klar; denn Sigmar Gabriel ist aus der Region Braunschweig.

Angesichts Ihrer Formulierung „am Kabinett vorbei“ und der Betonung der Braunschweiger Region möchte ich gleich vorweg sagen: Ich bin an zwei Tagen dabei gewesen, als der Ministerpräsident des ganzen Landes aufgetreten ist. Da hat er Riesenbeifall von den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Das war einmal beim „Tag der Niedersachsen“, als er gesagt hat - ich versuche das einmal mit meinen Worten wiederzugeben; ich kann es nicht so gut wie er -, Niedersachsen seien in erster Linie Vertreter ihrer Regionen. Er hat dann Ostfriesland, das Emsland, den Raum Lüchow-Dannenberg genannt und sogar die Hannoveraner erwähnt.

(Frau Pawelski [CDU]: Was heißt „sogar“?)

Das hat uns sehr gefreut. Dann hat er gesagt: Seien Sie Niedersachsen! - Die Braunschweiger hat er auch als eine besondere Repräsentanz niedersächsischer Bürgerinnen und Bürger angesprochen.

(Möllring [CDU]: Die Schaumburger hat er vergessen! Das hat der Innen- minister gerügt!)

Das Zweite, was bei Ihnen völlig untergegangen ist, ist das besondere Engagement des Ministerpräsidenten für die Ehrenamtlichen, das am „Tag der Ehrenamtlichen“ noch einmal deutlich geworden ist. Auch hier war klar, dass es nicht darum geht, für eine Region oder in einer Region aktiv zu werden, und schon gar nicht am Kabinett vorbei.

Ihre Anfrage zwingt mich, etwas weiter auszuholen und einige Rahmenbedingungen für die Finanzlage der Kommunen aufzuzeigen.

(Frau Zachow [CDU]: Noch weiter? - Fischer [CDU]: Sie können doch nichts dazu sagen, weil Sie nicht da- bei waren!)

Mit dem Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 16. Mai 2001 ist der lange geführte Streit zwischen Land und Kommunen um den 1999 grundlegend novellierten Finanzausgleich endgültig entschieden worden. Das Gericht hat dem Land einen aufgabengerechten Finanzausgleich bescheinigt, der die gebotene finanzielle Mindestausstattung für die Kommunen in unserem Land gewährleistet. Es hat dabei insbesondere

auch die Anstrengungen des Landes zur Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs gewürdigt und die herangezogenen Ermittlungskriterien für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt.

Zugleich hat das Gericht die einzelnen Verteilungsregelungen geprüft und als verfassungskonform bewertet. Dieses Urteil ist klar und eindeutig. Es verschafft die erhoffte Rechtssicherheit und es bewirkt den notwendigen Rechtsfrieden.

Aber ich möchte noch einmal daran erinnern, dass der Konflikt zwischen Land und Kommunen über die kommunale Finanzausstattung, der im Übrigen seinen Ausgang in den 80er-Jahren genommen hat, Ausdruck immer größer werdender Finanzknappheit auf allen politischen Ebenen ist. So betrachtet die Landesregierung mit Sorge die Entwicklung der Steuereinnahmen bei den niedersächsischen Kommunen, wie im Übrigen auch bei allen anderen Gebietskörperschaften. Trotz der in nicht vermutetem Ausmaß wegbrechenden Steuereinnahmen der öffentliche Haushalte vertritt sie nach wie vor die Auffassung, dass ihre Zustimmung zu den außerordentlich ausfallwirksamen Steuerentlastungs- und Steuersenkungsgesetzen des Bundes geboten war, um dringend erforderliche Entlastungen für die deutsche Wirtschaft umzusetzen und so den Standort Deutschland nicht nur zu sichern, sondern wieder attraktiver zu machen.

(Zuruf von Sehrt [CDU])

Die zweite Seite der Medaille, Herr Sehrt, war, dass die Binnennachfrage angekurbelt werden sollte und damit auch die Steuersenkung bei den Familien und den Arbeitnehmern angekommen ist.

(Fischer [CDU]: Muss die Regierung nicht auf die Fragen antworten?)

Darüber hinaus ist natürlich durch die Erhöhung des Kindergeldes in drei Stufen insbesondere für Familien mit Kindern vieles geleistet worden.

Betroffen ist allerdings - wie bereits betont - nicht nur die kommunale Ebene, sondern auch die Landesebene.

(Fischer [CDU]: Das ist eine Unver- schämtheit!)

Das Niedersächsische Finanzministerium hat zurzeit eine mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2002 bis 2006 einschließlich eines integrierten Handlungskonzeptes zur kurz-, mittel- und langfristigen Konsolidierung der Landesfinanzen zu

erarbeiten. Dieses Konzept wird die Grundlage für die politischen Entscheidungen sein, die in den nächsten Jahren zu fällen sind.

(Rolfes [CDU]: Die Fragen sollen kurz sein, und die Antworten dürfen lang sein, oder wie ist das?)