Markus Rinderspacher
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! In der vergangenen Woche hat im Europäischen Parlament eine historische Abstimmung stattgefunden. Eine
Zweidrittelmehrheit stimmte letzte Woche für ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten, was im äußersten Fall zum Entzug der Stimmrechte Ungarns im Ministerrat führen könnte. Zwei Drittel der Abgeordneten des Europaparlaments, Sozialisten, Konservative, Liberale und Grüne, haben für demokratische Werte und für Rechtsstaatlichkeit gestimmt. Das hat politisches Gewicht, und das zeigt, dass Europa endlich Zähne gegenüber autoritären Regimen zeigt. Europa zeigt auch auf, dass Viktor Orbán, der beste Freund der Christlich-Sozialen Union in Bayern, ein Mann ist, der sein demokratisches Mandat missbraucht, um eine illiberale Demokratie und einen undemokratischen Staat zu erschaffen. Das Regime von Viktor Orbán stellt eine Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn dar. So hat es das Europaparlament festgestellt.
Umso erstaunlicher ist das Abstimmungsverhalten der bayerischen Europaabgeordneten der CSU mit Ausnahme von Herrn Weber. Die CSU-Abgeordneten sind bei dieser Abstimmung der europäischen Idee und auch dem wertekonservativen Vermächtnis ihrer eigenen Partei in den Rücken gefallen. Herr Ferber, Frau Niebler, Frau Hohlmeier und Herr Deß haben an der Seite von Rechtsradikalen und Europaverächtern für Viktor Orbán und gegen das Sanktionsverfahren gegen Ungarn gestimmt. Ein christsozialer Ausverkauf europäischer Werte ist das, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dabei haben sich die vier christsozialen Europaabgeordneten nicht nur in die Nähe von Rechtsextremisten begeben, sondern sich gezielt an ihre Seite gestellt. Sie haben die Linie der konservativen Partei, der EVP, verlassen und mit den Abgeordneten des Front National, heute Rassemblement National, der PiS, der Lega Nord, der Ukip mit Herrn Farage und mit der rechtsradikalen Partei der Goldenen Morgenröte in Griechenland für Viktor Orbán gestimmt. Sie standen an der Seite des AfD-Chefs, Herrn Meuthen. Und unter jenen, die mit den CSU-Abgeordneten für Viktor Orbán gestimmt haben, war auch der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, der Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei in Deutschland von 1996 bis 2011.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Abstimmungsverhalten ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur.
Wir fragen Sie: Warum verlassen Sie eigentlich die Linie Ihres möglichen Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019, Herrn Weber? Wir fragen Sie und wollen heute wissen: Welche Linie verfolgt die CSU bei der Positionierung der Bundesregierung im Europäischen Rat mit Blick auf diese ungarische Frage? Wir wollen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag heute die Gelegenheit geben, wenigstens eine kosmetische Korrektur des aus unserer Sicht völlig inakzeptablen, ja skandalösen Abstimmungsverhaltens der Kolleginnen und der Kollegen der CSU im EUParlament vorzunehmen.
Das ist heute der Lackmustest für die CSU. Wie halten Sie es mit Europa? Stehen Sie auf der Seite der Guten oder der Bösen? Stehen Sie auf der Seite der europäischen oder der nationalistischen Idee? Stehen Sie für Rechtsstaat, für Gewaltenteilung und für Pres
sefreiheit ein, oder stehen Sie für die Unterdrückung europäischer Grundwerte ein? Stehen Sie für das Vermächtnis eines Konrad Adenauer, eines Helmut Kohl oder eines Theo Waigel ein? Oder geben Sie dieses stolze wertkonservative, proeuropäische Erbe endgültig auf?
Uns ist bekannt, dass die CSU-Alleinregierung hier in Bayern mit keinem anderen europäischen Regierungschef häufigere und intensivere Kontakte gepflegt hat als mit Viktor Orbán. Uns ist bekannt, dass die CSU den ungarischen Ministerpräsidenten trotz seiner Verstöße gegen den EU-Vertrag, gegen Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit regelrecht hofiert hat, bei Empfängen im frühklassizistischen Prinz-CarlPalais, in Wildbad Kreuth, beim CSU-Parteitag, bei Klausurtagungen, beim Geburtstag von Edmund Stoiber und anderen Gelegenheiten mehr.
Wir wissen, Viktor Orbán ist auch Träger des Franz Josef Strauß-Preises, der von der CSU-nahen HannsSeidel-Stiftung an Persönlichkeiten verliehen wird, die – man höre und staune – sich in herausragender Weise für Frieden, Freiheit und Recht, für Demokratie und internationale Verständigung einsetzen. – Meine Damen und Herren, wenn Sie es ein Stück weit ernst meinen mit Ihrer proeuropäischen Grundhaltung, dann sollten Sie Viktor Orbán diesen Franz Josef Strauß-Preis dringend aberkennen.
Spätestens jetzt, wenn die CSU die Linie der EVP im Europaparlament verlässt, muss man sich doch wirklich fragen, ob hier nicht dringend eine Kurskorrektur nötig ist, auch mit Blick auf die irrlichternden europäischen Fahrten der CSU in vielen Bereichen. Immer wieder hat sich die CSU-Alleinregierung in Bayern in die geistige Nachbarschaft der autoritären Nationalkonservativen Europas begeben.
Es gehört zu den unrühmlichen Kapiteln der BrexitGeschichte, dass der britische Premierminister David Cameron für seine europapolitische Geisterfahrt auch noch Applaus aus Bayern erhielt, von der CSU. Die CSU-Alleinregierung und die Landtagsfraktion haben David Cameron noch ein halbes Jahr vor dem BrexitReferendum bei der CSU-Klausurtagung den roten Teppich ausgerollt. Wir erinnern uns an die Formulierungen: Das sei CSU-Politik pur. Man hofiert einen Europazerstörer und bezeichnet die Politik von Cameron gar als Vorbild für Bayern, als Vorbild für die CSU.
Anstatt diese Zündeleien zu kritisieren und Cameron ins Gewissen zu reden, hat sich die CSU damals die europakritische Haltung Camerons zu eigen gemacht und ihn für dessen Drohgebärden gegen die EU über den grünen Klee gelobt. Das war ein mehr als zweifel
haftes Signal. Und es ist geschichtsvergessen, wenn die CSU hier im Bayerischen Landtag und die Bayerische Staatsregierung immer wieder antieuropäische Symbolanleihen bei nationalkonservativen Rechtspopulisten nimmt. Sie betreiben eine Politik der Renationalisierung unseres Kontinents. Das ist schädlich und grundfalsch.
Wir sagen, es ist falsch, dass die EVP nicht deutlich früher ein Zeichen gegen Viktor Orbán gesetzt hat. Man war offensichtlich der Meinung, man könne ihn eindämmen und einhegen. Aber der Antieuropäer Orbán und seine Gefolgsleute dürfen nicht darauf vertrauen, dass die europäische Wertegemeinschaft weiter beide Augen vor den illiberalen und demokratiefeindlichen Missständen verschließt. Die
Einschränkungen der Meinungs-, der Versammlungs- und Forschungsfreiheit in Ungarn sind nicht hinnehmbar, ebenso wenig wie die Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Das Vorgehen des OrbánRegimes gegen Nichtregierungsorganisationen ist ebenso kritikwürdig, wie es die Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten sind. Die Berichte über die in Ungarn stattfindende Korruption der Herrschaftsclique sind regelrecht besorgniserregend. Es ist an der Zeit, auch hier und heute im Bayerischen Landtag ein Zeichen für die europäischen Grundwerte zu setzen. Wechseln Sie Ihren Kurs, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU!
Dabei geht es nicht darum, Ungarn zu bestrafen. Das ist auch nicht Sinn und Zweck des Sanktionsverfahrens, des Rechtsstaatsverfahrens. Der Sinn ist vielmehr, den Dialog mit Ungarn fortzusetzen und sicherzustellen, dass Ungarn Rechtsstaatlichkeit und
Demokratie wahrt. Es geht darum, das autoritäre, antidemokratische Abdriften zu stoppen und Ungarn zurück in die europäische Familie zu holen, die eben auf Werten basiert wie Freiheit, Respekt vor Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Es gibt in Europa leider keine Mechanismen gegen das autoritäre Abdriften eines Mitgliedslandes. Die Gründer der EU haben dafür kein Szenario entwickelt, weil sie sich nicht haben vorstellen können, dass Mitgliedsländer der Europäischen Union die Grundwerte irgendwann verlassen würden. Aber ich finde, wir bzw. gerade Sie müssen Ihren Freunden in Ungarn doch mal erklären, dass Ungarn die höchste Pro-Kopf-Unterstützung in der gesamten Europäischen Union erhält; etwa 30 Milliarden Euro sind in etwa sieben Jahren aus dem EU-Haushalt nach Ungarn geflossen. Die Förderungen entsprechen jährlich fast viereinhalb Prozent
des ungarischen Bruttoinlandsprodukts. Die Ungarn hätten überhaupt kein Wirtschaftswachstum ohne die Hilfe aus Brüssel. Keines der 27 EU-Mitgliedsländer profitiert in dieser Hinsicht mehr als die Ungarn selbst. Da wäre es Ihre Aufgabe, den Kolleginnen und Kollegen der Fidesz mal deutlich ins Stammbuch zu schreiben, dass es wirklich völlig fehl am Platz ist, immer auf Brüssel zu schimpfen, obwohl kein anderes Land stärker von Brüssel profitiert als Ungarn selbst.
Wir bringen dies heute im Bayerischen Landtag natürlich auch deshalb zur Aussprache, weil dies ein Zeichen für die Landtagswahl am 14. Oktober ist. Bayern steht vor der Frage: Wie verhalten wir uns gegenüber Europa? Soll sich Bayern rückwärtsgewandt, europafeindlich, europakritisch und autoritär entwickeln, so wie Sie es offensichtlich an der Seite der Orbáns dieser Welt vor Augen haben, oder entwickeln wir uns solidarisch, gerecht und freiheitlich, so wie es eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein müsste? – Mit diesen Fragestellungen müssen wir uns dringend auseinandersetzen. Deshalb sagen wir Ihnen: Stimmen Sie heute bitte für den SPD-Antrag, bekennen Sie sich zu Europa, und machen Sie einen klaren Schnitt mit Ihrer verfehlten Politik gegenüber Viktor Orbán im Ungarn der vergangenen Jahre!
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Wir haben hier im bayerischen Parlament in den letzten ein, zwei Legislaturperioden immer wieder darüber gesprochen, wie wir unsere Demokratie stärken können, und die CSU hat grundsätzlich alle Anträge der Opposition dazu abgelehnt. Wahlalter mit 16, mehrfach hier diskutiert und eine Möglichkeit, die Jugend früher an die Demokratie heranzuführen und auch zu beteiligen – abgelehnt. Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern Auskunftsrechte gegenüber den Behörden gesetzlich einräumt, eine gute Sache, die Opposition möchte das einvernehmlich – die CSU sagt Nein. Hürden bei Volksentscheiden an der einen oder anderen Stelle absenken, direkte Demokratie stärken, dem Bürger die Möglichkeit geben, Gesetze zu machen, und das auf leichterem Weg als heute – Njet von der CSU. Wir haben über eine Erweiterung des Petitionsrechts diskutiert, damit Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, entsprechende Eingaben zu machen, dass diese auch online diskutiert werden und dass das Bürgeransinnen gewissermaßen auf breiter Linie auch öffentlich diskutiert werden kann – die CSU sagt Njet. Wir haben als SPD-Fraktion die Möglichkeit einer Volksbefragung vorgeschlagen, und zwar einer echten Volksbefragung, die nicht nur auf eine Initiative des Ministerpräsidenten zurückgeht. Ihren Gesetzentwurf hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof folgerichtig zurückgewiesen, weil er verfassungswidrig war. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Sie haben keine neue Initiative gestartet und unsere Initiative abgelehnt.
Wir haben in Verhandlungen mit Herrn Kreuzer nach der Ersten Lesung darüber gesprochen: Können wir
eigentlich darüber reden, den parlamentarischen Betrieb in irgendeiner Form lebendiger zu gestalten? Der Deutsche Bundestag hat jetzt eine Kanzlerinnen- bzw. Kanzlerbefragung eingeführt. Die CSU sagt Nein – warum auch? Wir bringen heute den Gesetzentwurf ein, dass Verfassungsrichter hier im Bayerischen Landtag nicht mehr mit einfacher Mehrheit gewählt werden, sondern mit Zweidrittelmehrheit, weil das die Unabhängigkeit der Richter und auch ihr Ansehen stärkt – die CSU sagt Nein.
Stattdessen gibt es nun einen einsamen Vorschlag, der den Eindruck erwecken soll, als würde es ein Mehr an Demokratie geben, wenn die Amtszeit des Ministerpräsidenten begrenzt wird. Meine Damen und Herren, eine Amtszeitbegrenzung ist nicht automatisch ein Mehr an Demokratie. Wer wollte das ernsthaft behaupten, auch wenn Dr. Söder das auf Twitter tut? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden in der Demokratie, welche Partei sie wählen und welchem Ministerpräsidentenkandidaten sie damit ihre Stimme geben. Eine Amtszeitbegrenzung heißt de facto nicht mehr Demokratie, sondern weniger Demokratie, denn hier darf der Bürger nicht entscheiden, weil das Gesetz es ihm verwehrt.
Es sollen doch die Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, ob ein Ministerpräsident einen guten Job macht oder nicht. Das ist nicht davon abhängig, ob er 41 oder 80 Jahre alt ist. Konrad Adenauer hat noch im hohen Alter, wie heute rückblickend gesagt wird, bei der europäischen Einigung einen guten Job gemacht.
Es spielt auch keine Rolle, ob jemand acht oder zwölf Jahre im Amt ist. Wenn man einen guten Job macht, darf man ihn auch gerne fortsetzen. Darüber entscheidet eben nicht ein Gesetz und auch nicht ein Ministerpräsident in einsamem Dekret, der sich monarchengleich gibt und so tut, als würde er Demut zeigen. Nein, in der Demokratie entscheidet der Bürger, die Bürgerin oder das Parlament.
Ein weiterer Punkt: Anders als im präsidentiellen System der Vereinigten Staaten von Amerika wählen die Bürgerinnen und Bürger Bayerns ihren Regierungschef eben nicht direkt. Das macht das Parlament. Im parlamentarischen System hat der Regent eine deutlich schwächere Position als beispielsweise in den USA – und das ist auch gut so. Es gibt deshalb keinen Sinn, wenn Dr. Söder jetzt so tut, als wäre Bayern noch eine Monarchie. Das suggeriert er nämlich, und manche gehen ihm auf dem Leim. Nach genauerem Hinsehen tun sie das aber nicht mehr. Die Amtszeit
begrenzung erfolgt in der parlamentarischen Demokratie durch Wahlen.
Dr. Söder setzt sich mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump gleich.
Es gibt bei allen erkennbaren Parallelen natürlich einen maßgeblichen Unterschied: Direkte Wahl in Amerika, aber der Ministerpräsident in Bayern wird von uns, vom Parlament gewählt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte deshalb von diesem monarchistischen Gehabe ein Stück weit Abstand nehmen. Beides ist nicht gleichzusetzen.
Gerade weil der bayerische Ministerpräsident wie auf Twitter verkündet – er hat sich ja selbst in Interviews mit dem US-Präsidenten gleichgesetzt – –
Er war’s, nicht ich! Das sage ich, weil Sie jetzt hier so protestieren. Er hat gesagt: Wenn es die Amerikaner können, soll ich es bitte auch dürfen. Er hat es gesagt.
In dem Augenblick muss man dann schon sagen: Dahinter steckt eine Hybris sondergleichen. Der Gedanke der Amtszeitbegrenzung ist auch nicht konsequent. Was ist mit uns Parlamentariern? Was ist mit den Ministern hier im Kabinett? Was ist mit Landräten und Bürgermeistern, was ist mit Stadt- und Gemeinderäten? – All das soll nicht behandelt werden. Damit wird suggeriert, der Ministerpräsident in Bayern habe eine besonders starke Stellung,
die eines Monarchen – 100 Jahre nach Ausrufung des Freistaats! Das ist mitnichten der Fall. Daraus ergibt sich die Haltung, die hier deutlich wird. Meine Damen und Herren, das ist keine Demut, das ist Arroganz.
Im Übrigen weiß jeder von uns hier im Raum: Eine Amtszeitbegrenzung ist nicht automatisch damit verbunden, dass Demokratie gestärkt wird.
Nehmen wir mal Mexiko. Mexiko scheint eines der wenigen oder das einzige Land auf der Welt zu sein, das eine Begrenzung der Amtszeit sowohl des Staats
chefs wie auch der Parlamentarier kennt. In der Verfassung ist dort geregelt, dass Abgeordnete nach nur einer Wahlperiode aus dem Parlament ausscheiden müssen. Auch der Präsident darf nur eine Wahlperiode im Amt bleiben. Das ist eine radikale Form der Amtszeitbegrenzung. Sie hat aber nicht verhindern können, dass gerade Mexiko mit der jahrzehntelangen Herrschaft einer Partei lange Zeit als Musterbeispiel für politische Erstarrung und Korruption galt und gilt. Das ist noch heute so. Wir müssen die Parteienherrschaft beschränken. Meine Damen und Herren, das gilt für Mexiko, und das gilt auch für Bayern.
Ihre Herrschaft müssen wir beschränken, die Herrschaft der CSU. Die absolute Mehrheit muss ein Ende finden.
Im Übrigen ist natürlich jede Menge Fake News unterwegs. Ich bedanke mich beim Redner von der CSU, dass er das wahrhaftig dargestellt hat. Es geht nämlich nicht darum, dass die Amtszeit des Ministerpräsidenten hier in Bayern auf zehn Jahre begrenzt wird. Es sind zwei Wiederwahlen möglich. Das heißt, im längsten Fall könnte ein Ministerpräsident 14 Jahre und 11 Monate im Amt sein. Wer da dann von zehn Jahren Amtszeitbegrenzung schreit, der soll bitte den Gesetzentwurf lesen. Darum geht es nämlich nicht. Vorsicht, Falle! Der Gesetzentwurf der CSU sieht etwas anderes vor.
Ein weiterer Punkt: Meine Damen und Herren, ist eine Wiederwahl ausgeschlossen, so nimmt die Rechenschaftspflicht des Ministerpräsidenten gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung ab. Klar, der macht in seiner zweiten Amtszeit, was er will. Die monarchistischen Strukturen werden verstärkt statt minimiert und die Macht der Ministerialbürokratie, die hier hinter ihnen sitzt, die sogenannte Verwaltung, über die gerade die CSU-Fraktion immer wieder gerne schimpft, wird in einem solchen System nicht kleiner. Sie wird größer. Meine Damen und Herren, wollen Sie das? – Ganz gewiss nicht.
Der Erfahrungsverlust ist groß. Ich muss Ihnen jetzt noch etwas sagen, weil es mich wundert, dass Sie so wenig Geschichtsbewusstsein mitbringen.
Die historische Erfahrung zeigt: Bayern entledigt sich seiner Ministerpräsidenten durchaus konsequent. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU-Fraktion, ich bin sicher: Am 14. Oktober um 18.00 Uhr werden Sie die Ersten sein, die seine Amtszeit begrenzen, wenn er unter 40 % fällt. Die Amtszeitbegrenzung, sie naht doch schon. Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht hier sind, sondern unten das Fußballspiel England gegen Kroatien schauen, tuscheln doch schon, was eigentlich die untere Grenze für seine Amtszeitbegrenzung ist: 40 %, 39 %, 38 % oder 37 %.
Deshalb brauchen wir diese Amtszeitbegrenzung nicht.
Meine Damen und Herren, nun noch etwas zur Historie. In Bayern gab es zehn Ministerpräsidenten: Fritz Schäffer ein paar Tage lang, Günther Beckstein ein Jahr – die Parallelen sind unverkennbar: Franke, Nürnberg, evangelisch!
Zehn Monate vor der Landtagswahl ins Amt gekommen,
hektischer Aktionismus! Der eine räumt den Transrapid zum Münchner Flughafen ab, der andere bringt einen Gesetzentwurf nach dem anderen auf den Weg, sodass selbst die Parlamentarier der eigenen Fraktion nicht mehr wissen, wo es lang geht.
Weitere Amtsvorgänger: Hanns Seidel, drei Jahre im Amt, Hoegner vier Jahre, Streibl fünf Jahre, Seehofer etwas mehr als neun, Strauß zehn Jahre. Meine Damen und Herren, gut zuhören!
Die bayerischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg waren im Durchschnitt 7,7 Jahre lang im Amt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Amtszeitbegrenzung von zehn Jahren ja wenig sinnhaft, sondern wieder eine Spur arrogant. Es ist geradezu anmaßend, dass Dr. Söder königsgleich für sich selbst noch mal 25 % gegenüber dem bisherigen Durchschnitt seit 1945 oben drauf legen will. Ich bin deshalb
davon überzeugt: Seine Amtszeit wird 10 Monate dauern. Die Wählerinnen und Wähler werden seine Amtszeit am 14. Oktober begrenzen. Meine Damen und Herren, das ist gut so.
Jetzt noch ein paar offene Worte zu den Themen Demut und Demokratie.
Sie haben hier in den letzten fünf Jahren mit allen Möglichkeiten, die sich Ihnen geboten haben, durchregiert, ohne bei einer Verfassungsänderung auch mal auf die drei Oppositionsparteien zuzukommen und zu fragen, ob sie dabei sind. Sie hätten ja eigentlich wissen müssen, dass es einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Sie haben Wochen nach der Ersten Lesung mit uns den ersten Kontakt aufgenommen und tatsächlich anmaßend geglaubt, wir würden darauf eingehen.
Ja, in einem Interview. Entschuldigen Sie bitte: Ist das Ihr parlamentarisches Verständnis von Demokratie,
dass man sich über die Medien miteinander unterhält? Das können Sie gerne mit Herrn Seehofer und Frau Merkel so handhaben. Der Usus im Parlament ist normalerweise ein anderer.
Sie haben bei der Wahl des Ministerpräsidenten bereits getrickst, als es darum ging, dass Dr. Söder nicht zeitgleich mit Frau Merkel gewählt werden wollte. Es wurden alle Geschäftsordnungstricks, auch im Ältestenrat, gezogen. Sie haben die Minuten der Redezeit der Opposition gekürzt. Sie haben jeden Millimeter genutzt und fünf Jahre lang durchregiert. Bei der Landeszentrale für politische Bildung wurde die parlamentarische Mitwirkung in diesen Tagen jetzt noch entsprechend gekürzt.
Sie treten jetzt vors Volk und sagen, Sie würden Demut zeigen und die Demokratie sei Ihnen wichtig.
Nein, wir haben da genauer hingeschaut. Es ist Hybris, so zu tun, als würden Sie sicher gewählt werden – und das für zwei Wahlen bis zum Jahr 2028! Man kann den Wählerinnen und Wählern in Bayern nur zurufen: Sie und niemand sonst haben es in der Hand, am 14. Oktober die Amtszeit von Dr. Söder zu begrenzen.
Herr Kreuzer, das Manöver ist doch fadenscheinig; das hat doch mittlerweile jeder erkannt. Alle, auch in der CSU, wissen, was der einzige Grund ist, warum am 14. Oktober die Bürgerinnen und Bürger zeitgleich zwei Entscheidungen treffen sollen. Die eine Entscheidung, die CSU zu wählen, ist nämlich nicht mehr so selbstverständlich wie in den letzten Jahrzehnten. Von den 61 % eines Stoiber vor 15 Jahren sind Sie weit entfernt. Damit die Entscheidung in dieser turbulenten, schwierigen Zeit den CSU-Wählern, Ihren Stammwählern, ein Stück weit leichter gemacht werden soll, soll neben dem Stimmzettel der Zettel liegen, worauf steht, dass die Amtszeit des Ministerpräsidenten nur zehn Jahre beträgt, alles nicht so schlimm ist und dementsprechend dieser Ministerpräsident leichter zu ertragen ist. Das ist ein sehr leicht zu durchschauendes Manöver.
Wenn Sie, Herr Kreuzer, das auf eine andere Art und Weise eingefädelt hätten, dann wären wir vielleicht sogar bei den Punkten, die ich angesprochen habe, gesprächsbereit gewesen.
Wir hatten nach der Ersten Lesung auch miteinander gesprochen.
So muss man leider zu der Überzeugung kommen, dass Sie abermals durchregieren wollen. Sie haben aber noch die Gelegenheit, Ihren Gesetzentwurf durchzusetzen. Sie können Unterschriften in Bayern sammeln, zunächst 25.000, dann 1 Million. Wenn Sie diese Unterschriftensammlung "Stoppt Dr. Söder" nennen, dann kann ich mir sogar vorstellen, dass das eine oder andere SPD-Mitglied unterschreibt.
Verehrter Herr Ministerpräsident, ich nehme an, Sie gestatten einige Zwischenbemerkungen zur Korrektur im gegenseitigen demokratischen Respekt.
Erstens. Sie sprechen davon, dass heute der gesamte Parlamentstag von einem schlechten Stil geprägt sei. Der Parlamentstag dauert jetzt 13 Stunden an. Sie waren knapp 90 Minuten mit dabei. Es wundert mich, dass Sie den heutigen Tag zu bewerten bereit sind. Wenn das einer nicht kann, dann Sie.
Sie haben bereits in der letzten Parlamentsdebatte gefehlt, als dieses Parlament über die Zukunft Europas und über die Asylpolitik auf diesem Kontinent diskutiert hat, und haben parallel dazu eine FacebookWahlkampfveranstaltung durchgeführt.
Wenn das Parlament von einem keine Belehrung darüber braucht, wie und in welchem Stil es zu tagen hat, dann von dem, der das Parlament offensichtlich nicht ernst nimmt. Ihr Vorgänger war regelmäßig da. Sie sind derjenige, der regelmäßig fehlt.
Zweiter Punkt. Sie bewerten den heutigen Tag schlicht falsch. Dieses Parlament hat zum Beispiel ein
Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz auf den Weg gebracht. Ihre Minister haben sich auch bei den Oppositionsparteien für die konstruktive Grundhaltung bedankt. Leider waren Sie nicht dabei, sonst hätten Sie diese Grundhaltung – –
Dann wundert mich Ihre Bemerkung noch mehr.
Dritter Punkt. Sie sagen, Sie wollten nicht mit einem Monarchen verglichen werden.
Sie wollten nicht mit einem Monarchen verglichen werden, um dann im nächsten Satz wörtlich zu sagen, dass es da einmal einen Ministerpräsidenten gibt, der freiwillig bereit ist, nach zehn Jahren aufzuhören. Genau das ist die Haltung, die wir Ihnen vorwerfen. Ihre Worte sind verräterisch, so als sei es selbstverständlich, dass Sie zehn Jahre im Amt bleiben. Sie müssen jetzt erst einmal so wie wir alle die nächste Wahl bestreiten. Das wäre Demut vor dem Souverän, vor dem bayerischen Volk, statt hier so aufzutreten, als würden Sie Ihre Amtszeit freiwillig begrenzen wollen.
Letzter Punkt. Sie sprachen davon, dass es der Bürgerwunsch wäre, die Amtszeit zu begrenzen. Ich bin seit zehn Jahren Mitglied des Hohen Hauses. Ein solcher Bürgerwunsch ist an uns noch nicht herangetragen worden. Es gab keine einzige Petition, die mir bekannt wäre, mit der sich ein Bürger an den Landtag gewandt hätte, dass die Amtszeit des Ministerpräsidenten beschränkt werden sollte.
Es ist ein Wunsch von Ihnen. Sie haben diesen Wunsch erfunden. Sie haben ihn in die parlamentarische Debatte eingebracht. Das ist völlig in Ordnung. Aber zu sagen, dass reihenweise Bürgerwünsche auf uns eingeprasselt seien, ist schlicht nicht wahr.
Verehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier in den letzten Jahren im Bayerischen Landtag immer wieder Anträge der Fraktionen zur Flüchtlingspolitik debattiert. Viele Anträge wendeten sich an die Deutsche Bundesregierung, und die Bundesregierung
hat in den letzten Jahren gehandelt. Sie hat mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD zwei Asylpakete und ein Integrationsgesetz auf den Weg gebracht, und Bündnis 90/DIE GRÜNEN waren an manchen dieser Entscheidungen über den Bundesrat beteiligt.
Nun gibt es einen neuen Koalitionsvertrag mit einem umfangreichen Programm zur Migrations- und Integrationspolitik. Die Landtags-SPD in Bayern steht ohne Wenn und Aber zu diesem Koalitionsvertrag und zu seinem Kapitel zu Integration und Migration, und wir erwarten Vertragstreue von unserem Koalitionspartner, der Union, Pacta sunt servanda, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Anstatt aber die Einzelpunkte des Koalitionsvertrages auch zur Migrationspolitik umzusetzen und endlich ein Zuwanderungssteuerungsgesetz auf den Weg zu bringen, das Deutschland dringend braucht, kaschiert der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister die Nachlässigkeiten in seinem Verantwortungsbereich mit immer neuen Luftnummern, und Sie beteiligen sich mit diesem Masterplanantrag heute auch daran. Was Sie hier heute abziehen, ist eine reine Luftnummer.
Der Masterplan von Minister Seehofer ist das Bernsteinzimmer der deutschen Innenpolitik
mit nur einem Unterschied: Das Bernsteinzimmer gab es tatsächlich. Es ist seit 1945 verschollen. Der Masterplan der CSU war hingegen bereits verschollen, bevor er überhaupt existierte.
Dennoch ist das, was wir heute erleben, keine parlamentarische Bagatelle und kein Fauxpas, der einer Fraktion einmal durchrutschen kann, sondern ein dicker Hund und ein starkes Stück: Die CSU im Bayerischen Landtag verabschiedet sich von parlamentarischer Wahrhaftigkeit und übernimmt unverhohlen, ungeniert und unbeirrt das würdelose Fake-News-Instrumentarium eines Donald Trump. Das ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur und ein Tiefpunkt in der Kultur Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren.
Ganz Deutschland weiß, dass es keinen 63-PunkteMasterplan von Bundesinnenminister Seehofer gibt. Seit 108 Tagen ist dieser Masterplan das am besten gehütete Geheimnis der Republik. Dieser Masterplan ist ein Phantom. Selbst der CSU-Generalsekretär Markus Blume, die rechte Hand des CSU-Vorsitzenden, musste in einem beispiellos peinlichen Moment in einer Talkshow letzte Woche einräumen, dass er den Plan nicht kenne, dass dieser im Präsidium der CSU nicht behandelt worden sei und die 63 Punkte nicht vorlägen.
Er kennt den Masterplan nicht, Sie kennen ihn auch nicht, setzen aber dann auf diese Peinlichkeit von letzter Woche noch eine obendrauf. Bisher haben Sie wenigstens immer die Klugheit besessen, Ihre Populismen nur in den Bierzelten vor sich herzutreiben. Jetzt bringen Sie sie in das bayerische Parlament ein. Ich verstehe nicht, dass Sie nicht vor solchen Unwahrhaftigkeiten zurückschrecken, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU.
Der heutige CSU-Antrag gibt einen Vorgeschmack darauf, was mit dem möglichen Einzug der AfD in den Landtag im kommenden Herbst auf uns wartet. Wer gemeint hat, dass erst im November Fake News in Anträgen parlamentarisch verarbeitet würden, hat sich getäuscht. Das ist schon heute nicht mehr nur der AfD vorbehalten. Die Christlich-Soziale Union verlässt mit diesem Phantomantrag das parlamentarische Fundament von Wahrheit und Klarheit. Die CSU verspottet den Parlamentarismus. Sie verhöhnt das Hohe Haus und stellt sich selbst das Zeugnis aus, dass sie es künftig lieber mit Orbán und Trump als mit parlamentarischer Seriosität hält.
Wir waren bereits in den letzten Wochen entsetzt, als Sie die politische Rhetorik im Land auf unnachahmlich negative Art und Weise nach rechts haben driften lassen. Asyltourismus, Belehrungsdemokratie, Antiabschiebeindustrie – mit diesen Begriffen haben Sie die politische Kultur in unserem Land mit Füßen getreten und die politische Stimmung aufgeheizt.
Nun verabschiedet sich die CSU auch noch von allem, was unter den Parteien der politischen Mitte in den letzten Jahrzehnten seit Konrad Adenauer Konsens, ja Staatsräson war. Die Partei Dr. Söders verabschiedet sich vom Multilateralismus und läutet dessen Ende ein. Frau Kollegin Natascha Kohnen hat bereits darauf rekurriert. Das Ende des Multilateralismus ist ein Ziel, das Dr. Söder vor wenigen Tagen als neue
Maxime der Staatsräson der Bayerischen Staatsregierung ausgegeben hat. Die Partei Dr. Söders befleckt damit nicht nur das Vermächtnis eines Konrad Adenauer und eines Helmut Kohl, sondern verabschiedet sich auch vom einstigen Wertekonservativismus in Verbindung mit der katholischen Soziallehre, ein Wertekonservativismus, der unser Land gerade mit Blick auf die europäische Einigung stets stabilisiert hat. Diese CSU ersetzt diesen werteorientierten Konservativismus durch den entsetzlichen Spaltpilz eines ultraradikal-konservativen, rückwärtsgewandten Nationalismus der Marke Orbán, Zeman, Kaczynski und Kurz. Diese Radikalisierung von Politik unter dem Stichwort der "Konservativen Revolution" ist der falsche Weg. Dieser Weg führt Europa ins Verderben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kommen Sie zur Vernunft!
Das ist der Weg, der Europa zu einem sich entsolidarisierenden Kontinent der Zwietracht, des Streits und der nationalistischen Egozentrik macht, ein entmenschlichtes Europa, das die einst gepriesenen Werte der Demokratie, Solidarität und Gerechtigkeit mit Füßen tritt. Erinnern wir uns an die Mahnung eines Francois Mitterrand: "Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg" – Spielen wir nicht damit, gehen wir damit verantwortlich um!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist das Störpotenzial der Herren Seehofer, Söder, Dobrindt und Scheuer weitaus gefährlicher als die übliche christsoziale Folkloristik, eine politische Folkloristik, die wir aus den letzten Jahrzehnten kennen und die mit "aufgeblasenen Backen" und "demonstrativer testosterondominierter Breitbeinigkeit" gut beschrieben ist. Nein, diesmal ist es mehr als das. Es ist gefährlicher. "Politiker der christsozialen Spitze" sind etwas anderes als "christsoziale Spitzenpolitiker".
Politiker der christsozialen Spitze entweihen die durchaus bemerkenswerte Geschichte des deutschen Nachkriegskonservativismus mit Blick auf die europäische Einigung und machen sich zu werte- und prinzipienlosen Mitläufern eines Zerstörungspopulismus, der keine Lösungen aufzeigt, sondern Ängste schürt und Probleme schafft. Das ist unverantwortlich. Unverantwortlich ist das!
Wenn, Herr Minister Herrmann, sogar der amerikanische Präsident Donald Trump der CSU über Twitter
dafür Applaus spendet, dass sie die Bundesregierung sprengt und Europa zu spalten droht, dann kann man nur sagen: Trump und diese neue CSU mit diesem neuen Ministerpräsidenten Dr. Söder sind ganz offensichtlich aus einem Holz geschnitzt. Sie produzieren Ängste bei den Menschen, um sich dann in Wahlkämpfen als Retter der Geängstigten zu präsentieren. Die Parallelen sind unübersehbar. Deshalb werden wir bis zum 14. Oktober deutlich machen: Wer in Bayern am 14. Oktober die CSU wählt, wählt Donald Trump mit.
Donald Trump liegt mit seinen Tweets genauso falsch wie die CSU. Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist dramatisch stark rückläufig. Die Zahl der Straftaten ist rückläufig, übrigens bei Deutschen wie bei Migranten. Wir haben in Bayern die niedrigste Kriminalitätsrate seit 30 Jahren.
Mit Ihrem Antrag heute und der zugrundeliegenden Zerstörungspolitik der letzten Wochen machen Sie die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Neofaschisten in Italien erpressbar und begeben sich in die Knebelung und Fesselung beispielsweise des rechtsextremen Matteo Salvini. Damit hintergehen Sie die Politik der deutschen Bundesregierung, und nicht nur das: Sie manövrieren die Bundesrepublik Deutschland in die Sackgasse von Rechtsradikalismus und Nationalismus und machen sie erpressbar. Das ist nicht nur antieuropäisch, sondern auch unpatriotisch und heimatvergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Unpatriotisch und heimatvergessen!
Wir ärgern uns ausgesprochen, wenn es in diesen Tagen von "preußischen" Kommentatoren immer wieder heißt, der CSU gehe es ja nur um Bayern. – Nein, der CSU geht es nicht um Bayern.
Der CSU geht es um die CSU. Parteiegozentrik in Reinstform! Der Kollateralschaden für Bayern, Deutschland und Europa wird in Kauf genommen, wenn davon nur die Partei profitiert. Das ist die neue CSU mit Dr. Söder. Sie sind zu einer Partei der Schlagworte verkommen und begnügen sich mit Ankündigungen. In der Regierungserklärung haben Sie 30.000 neue Kitaplätze angekündigt. Vier Wochen später erleben wir im Nachtragshaushalt: Kein einziger Cent wird dafür zur Verfügung gestellt. Dafür gibt es staatliche Programme für dies und jenes, etwa für Raumfahrt.
Kein einziger Cent mehr wird für die Kitas zur Verfügung gestellt. Sie sind zu einer Partei der Schlagworte verkommen und genügen sich in rechtspopulistischer Symbolik.
Das gilt auch für den Begriff "Grenzpolizei". Sie suggerieren, dass Sie dazu in der Lage sind, die 817 km lange Grenze lückenlos zu kontrollieren. Dabei kontrollieren Sie nur an drei Autobahnübergängen. Mehr als 70 Straßenübergänge zwischen Bayern und Österreich wurden weder gestern noch heute kontrolliert, noch werden sie morgen kontrolliert werden, die grüne Grenze schon gleich gar nicht. Es sei denn, Sie wollen eine 817 km lange Mauer wie Trump zu Mexiko bauen. Wollen Sie die grüne Grenze eventuell sogar digitalisieren, damit Sie überall gleich online Fingerabdrücke abgleichen können? Wir fragen Sie: Wie dick ist der Stacheldraht, wie hoch der Schlagbaum, wie fest die Mauer, die Sie errichten wollen? Nein, meine Damen und Herren, das ist reine Symbolpolitik. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen.
Zuerst erzeugen Sie Angst, und dann geben Sie vor, Lösungen zu präsentieren, die de facto keine Lösungen sind.
Nationale Alleingänge schaden nicht nur dem europäischen Gedanken, sondern bringen auch keine Lösungen. Die nationale Antwort der Griechen und Italiener wird wie zeitweise im Jahr 2015 sein, Flüchtlinge einfach ohne Asylregistrierung durchzuwinken. Auf nationaler Ebene Fakten zu schaffen, hat also eher eine unkontrollierte Migration zur Folge, weil dann jeder nur noch an sich selbst denkt. Das kann niemand hier im Hohen Hause ernsthaft wollen.
Dabei überlagert der Streit der CSU mit der CDU die an und für sich ordentliche Regierungsarbeit in Berlin. Ich denke an die Rückkehr zur Parität beim Gesundheitsbeitrag: 6,9 Milliarden Euro Entlastung für die Versicherten. Die Brückenteilzeit kommt. Die Musterfeststellungsklage im Verbraucherschutz kommt. Die SPD ist der Hort an Stabilität in dieser Bundesregierung,
während Sie ganz offensichtlich diese Stabilität zu zertrümmern suchen.
Wenn Sie des Regierens überdrüssig sind – und dieser Eindruck entsteht – und ganz Deutschland mit Ihrer Regierungsunfähigkeit und Regierungsunwilligkeit nerven, dann ziehen Sie die Konsequenzen und verlassen die Bundesregierung!
In politisch schwierigen Zeiten brauchen Deutschland und Europa Stabilität. Christsoziale Störmanöver und Zerstörungssehnsucht können wir uns in diesen Zeiten nicht leisten. Wir erwarten von der Bundeskanzlerin, dass sie ihre Richtlinienkompetenz wahrnimmt und den Bundesinnenminister zur Rechenschaft zieht. Im Übrigen: Horst Seehofer wäre genau für das zuständig, was die Kanzlerin jetzt in Europa anstrebt, nämlich bilaterale Lösungen mit anderen europäischen Staaten zu finden.
Sie übernimmt die Aufgabe, die eigentlich Horst Seehofer übernehmen müsste. Er hat die letzte EU-Innenministerkonferenz geschwänzt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Im einhundertsten Jubiläumsjahr des Freistaats Bayern stehen wir vor einer Schicksalswahl für unser Land. Die Landtagswahl am 14. Oktober wird die wichtigste seit den 1940er-Jahren und 1950er-Jahren.
Welche Richtung schlägt unser Land ein, antieuropäisch-rückwärtsgewandt und autoritär, wie das Dr. Söder und Herr Kurz am Mittwoch in Linz zelebriert haben, oder frei, solidarisch und gerecht? Dafür steht die SPD.
Uns geht es darum, das Prinzip "Leben und leben lassen", die "Liberalitas Bavarica", zu verteidigen. Dafür steht die bayerische Sozialdemokratie mit ihrer Landesvorsitzenden Natascha Kohnen. Freiheit statt Söderndem Orbánismus, sozialdemokratischer Freistaat statt Christsozialem Autoritätsstaat! Wir Sozialdemokraten werden den Europa- und Allgemeinwohlzerstörern in Bayern nicht das Feld überlassen.
Werter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dafür, dass der Kollege Huber das heutige Thema der dritten Startbahn für ungeeignet hält, hat er doch sehr leidenschaftlich argumentiert.
Ich möchte für die FREIEN WÄHLER gerne die Begründung nachliefern, warum diese Aktuelle Stunde tatsächlich richtig und wichtig ist. Herr Prof. Piazolo, Sie haben mehr über die Münchner Stadtentwicklung gesprochen als über das Thema, das heute eigentlich aufgerufen werden sollte.
Die Bayerische Staatsregierung tut so, als sei sie eine giftige Schlange, die sich in Schlafstarre versetzt, um nach der Wahl zuzubeißen.
Das Thema dritte Startbahn soll ganz bewusst aus dem Wahlkampf herausgehalten werden. So hat es Dr. Söder im Februar dieses Jahres auch angekündigt. Ansonsten könnten im wichtigen Oberbayern Wählerstimmen verloren gehen. Das ist die Region, in der sein Staatskanzleiminister auf Stimmenfang ist. Hier möchte man die Wählerinnen und Wähler gleichermaßen in eine Art Schlaf versetzen. Man suggeriert, das Thema nicht mehr im Blickfeld zu haben und sich nicht mehr darum zu kümmern. Man suggeriert, das Ziel des Ausbaus des Münchner Flughafens schon längst aufgegeben zu haben. Zum Jahreswechsel 2018/2019 wird diese Regierung – sollte sie dann überhaupt noch derart stark wie in dieser Legislaturperiode, also mit einer absoluten Mehrheit, in der Verantwortung sein – das umsetzen, was Herr Huber eben deutlich gemacht hat: Dann würde die dritte Startbahn kommen. Dann würden Maßnahmen ergriffen werden, bei denen man jetzt so tut, als würde man sie überhaupt nicht ins Auge fassen. Plötzlich wäre die Umwandlung der Flughafen München GmbH in eine Aktiengesellschaft aktuell. Dies geschieht dann an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei. Die Münchnerinnen und Münchner können dann tatsächlich nicht mehr mitsprechen, wenn es darum geht, über die Zukunft des Flughafens zu entscheiden.
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich bereits 2012 entschieden, und zwar gegen die dritte Startbahn. Die Sozialdemokratie im Hohen Haus akzeptiert anders als die CSU-Fraktion und Herr Huber den Bürgerwillen auch über die einjährige Bindungsfrist hinaus. Die Rahmenbedingungen am Flughafen haben sich nämlich seit 2012 nicht signifikant verändert. Herr Huber, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Münchnerinnen und Münchner ein eindeutiges Votum abgegeben haben: Sie wollen diese dritte Startbahn nicht. An diesem Votum führt nichts vorbei. Wir, die SPD-Fraktion, fühlen uns daran gebunden. Die Abgeordneten im Bayerischen Landtag haben ebenso wie die Staatsregierung den Bürgerwillen zu akzeptieren. Herr Huber, Sie haben heute gesagt, dass Sie sich von einer Million Bürger nicht an der Nase herumführen lassen wollen.
Das ist ein starkes Stück. Das zeigt, dass Sie vor dem Souverän eben keine Demut haben. Das zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger eben nicht über ihre eigene Zukunft entscheiden sollen. Das ist die Arroganz der Macht der CSU, die hier wieder spürbar wird.
Ich darf deutlich machen, dass nicht nur die Menschen in München und Oberbayern gegen die dritte Startbahn sind. Es gibt eine Vielzahl von Studien, Umfragen und Resonanzumfragen, aus denen hervorgeht, dass auch die Menschen in Franken, Ostbayern und Schwaben Nein zur dritten Startbahn sagen.
In anderen Regionen Bayerns sind wirtschaftliche Impulse notwendig. Wirtschaftliche Impulse sollten nicht wieder dort gesetzt werden, wo der Hitzekessel ist. Das ist das Gebiet rund um die Landeshauptstadt. Hier haben viele Bürgerinnen und Bürger die Sorge, dass uns das Wachstum über den Kopf wächst. Wir sollten es nicht neu anheizen.
Sie haben davon gesprochen, dass die Verkehrsdaten es notwendig machen, erneut über eine dritte Startbahn zu sprechen. Richtig ist aber: Heute gibt es weniger Flugbewegungen als noch 2012, als die Bürgerinnen und Bürger den Bürgerentscheid diskutiert haben. In den Jahren 2007 und 2008 gab es 432.000 Starts und Landungen pro Jahr. Jetzt sind es knapp 30.000 weniger als vor sechs Jahren. Wieso sollen wir also jetzt plötzlich die dritte Startbahn bauen? – Von der Kapazität des Flughafens her besteht wirklich keine Notwendigkeit. Für den Flughafen München wäre es viel wichtiger, dass seine Anbindung verbessert wird. Der Münchner Flughafen bleibt auch ohne die dritte Start- und Landebahn unser Tor zur Welt.
Es ist vordringlich, die für die Flughafenregion wichtigen Straßen- und Schienenprojekte umzusetzen. Hier sind die Neufahrner Kurve, der Erdinger Ringschluss, die Walpertskirchener Spange und die Elektrifizierung der Bahnstrecke München – Mühldorf – Freilassing zu nennen. Dies erwarten wir in Bezug auf die Infrastruktur von Ihnen. Sie haben jede Menge zu tun. Jede vierte Staatsbrücke ist sanierungsbedürftig. 5.000 km Staatsstraßen sind sanierungsbedürftig. Noch nicht einmal die Hälfte der bayerischen Schienen ist mittlerweile elektrifiziert.
Machen Sie endlich diese Hausaufgaben, bevor Sie immer wieder die Menschen, insbesondere in der Flughafenregion, an der Nase herumführen. Da braucht es Klarheit. Diese Klarheit sollten Sie noch vor der Wahl schaffen, anstatt die Menschen in der Region an der Nase herumzuführen.
Herr Vizepräsident Bocklet, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ministerpräsident Dr. Söder hat in seiner Regierungserklärung hier im Hohen Haus vor 48 Tagen über die Zukunft des Freistaats Bayern ein kleinteiliges Wimmelbild gezeichnet, ohne dass eine große Skizze erkennbar gewesen wäre. Herr Staatsminister Füracker macht heute in etwa das Gleiche. Das große Ganze ergibt sich eben nicht automatisch aus der großen Vielzahl kleiner Teile.
Wir fühlen uns in diesen Wochen an die Regierung Günther Beckstein erinnert, der knapp ein Jahr vor der Landtagswahl 2008 die Funktion des Regierungschefs übernommen hat. Die Parallelen sind unverkennbar: Die Übernahme des Amts des Regierungschefs ein Jahr vor der Landtagswahl, beide sind Franken, beide Nürnberger, beide evangelisch. Auch Dr. Beckstein hielt zu Beginn seiner Amtszeit eine sehr kleinteilige Regierungserklärung. Auch Dr. Beckstein hat sehr viele Fleißkärtchen gesammelt. Auch Dr. Beckstein war bemüht. Auch Dr. Beckstein wollte unliebsame Themen abräumen. Er hat den Transrapid beerdigt, so wie Dr. Söder jetzt den Nationalpark. Vor
zehn Jahren gab es hektische Reparaturarbeiten beim milliardenschweren Landesbankdesaster. Hektische Reparaturarbeiten gibt es auch heute mit Dr. Söder, nachdem er selbst vor fünf Jahren 33.000 GBWWohnungen eigenhändig auf dem freien Markt verscherbelt und damit 85.000 Mieter im Stich gelassen hat. Das war eine wohnungsbau- und sozialpolitische Todsünde, die durch die weiße Salbe des Nachtragshaushalts nicht wiedergutgemacht werden kann.
Auch Dr. Beckstein wollte an den Menschen nah dran sein, näher als sein distanzierterer Vorgänger Dr. Stoiber. Es war die Rede davon, dass er sich im Bierzelt besonders lange bei den Menschen aufgehalten hat. Dr. Söder macht jetzt, 180 Tage vor der Landtagswahl, mit großem Medienecho seine erste Bürgersprechstunde. Er ist seit 1994 Mitglied des Landtags, also seit 24 Jahren. Er ist seit elf Jahren Kabinettsmitglied. Jetzt, 180 Tage vor der Landtagswahl, macht er seine erste Bürgersprechstunde. Damit sollen die Bürger das Gefühl bekommen, Dr. Söder sei für sie da.
Ich kann dazu nur sagen: Am Abend werden die Faulen offensichtlich fleißig.
Auch vor zehn Jahren war die Christlich-Soziale Union mit Dr. Beckstein wenige Monate vor der Landtagswahl von Panik getrieben, die absolute Mehrheit zu verlieren. 2018, zehn Jahre später, ist sie von der AfD getrieben, und die Panik ist sogar noch größer.
Die Bayerische Staatsregierung hat in dieser Legislaturperiode – das lässt sich als Bilanz ziehen – jede Menge Chancen verpasst und liegen gelassen. Hausaufgaben wurden nicht gemacht. Die Bilanz dieser Legislaturperiode ist auch: Ja, die Wirtschaft in Bayern brummt – das ist überhaupt keine Frage – dank fleißiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und kreativer Unternehmer. Aber trotz der guten wirtschaftlichen Lage gibt es bei der Armutsbekämpfung keinerlei Fortschritte. Heute gibt es in Bayern mehr arme Menschen als noch zu Beginn der Legislaturperiode.
Bayern wird moderner. Das ist überhaupt keine Frage. Aber in der Gesellschaftspolitik auf Landesebene werden keine Fortschritte gemacht. In Bayern ist der
Lohnunterschied zwischen Mann und Frau so groß wie in keinem anderen europäischen Landstrich. Ja, immer mehr Menschen ziehen zu uns in den Freistaat. Die Folgewirkungen sind: Bayern ist Stau-Weltmeister in der Bundesrepublik. Der öffentliche Personennahverkehr platzt aus allen Nähten. Bei der Elektrifizierung der Schiene sind wir nicht vorangekommen. Ja, in dieser Legislaturperiode ist es uns dank der Hartnäckigkeit der Opposition gelungen, in der Schulpolitik zum G 9 zurückzukehren. Aber die Anzahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden wächst. Es sind mittlerweile sechs Millionen Unterrichtsstunden pro Jahr. Die Klassen sind immer noch zu groß. Wir haben immer noch zu wenige Lehrer.
Ja, Bayern ist ein sicheres Bundesland. Das ist überhaupt keine Frage. In Bayern ist die Zahl der Straftaten so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr. Dennoch haben unsere Polizisten einen Berg in Höhe von 2,2 Millionen Überstunden auf dem Buckel. Ja, Bayern ist modern. Dennoch ist das richtig, was Herr Füracker zumindest angedeutet hat: Jede vierte Staatsbrücke ist dringend sanierungsbedürftig. Jede dritte Staatsstraße ist dringend sanierungsbedürftig. Jedes zweite Schwimmbad ist dringend sanierungsbedürftig. Überall da, wo die Landespolitik eigentlich zuständig wäre, sind Löcher zu erkennen. Da bröckelt es. Diese Staatsregierung hat über fünf Jahre der Legislaturperiode nachlässig gehandelt. Die Staatsregierung hat zu oft nach Berlin geblickt. Sie hat sich zu sehr an Frau Merkel gerieben, anstatt hier die politischen Hausaufgaben zu machen.
Deshalb setzt die neue Regierung mit Dr. Söder an der Spitze auf Ablenkungsmanöver. Seit Amtsantritt von Dr. Söder hat sich die CSU alle Mühe gegeben, sich mit einer zunehmend autoritär anmutenden und im Kern autoritären Politik auf den Pfaden ihres besten Freundes Victor Orbán zu bewegen. Das harte neue Polizeiaufgabengesetz setzt auf Überwachung nicht nur bei Terrorverdacht, obwohl die bayerische Kriminalitätsrate so niedrig ist wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Der erste Entwurf zur beinharten Psychisch-KrankenHilfe-Gesetzgebung zeigt, wie die CSU-Staatsregierung psychisch Kranke wie Verbrecher kriminalisiert. Für die SPD-Fraktion sage ich noch einmal: Die Hilfe für psychisch Kranke am Strafrecht und am Maßregelvollzug für Straftäter zu orientieren, ist rechtsstaatlich ein Unding und trifft auf unseren entschiedenen parlamentarischen Widerstand.
Die CSU-Alleinregierung zwingt der Öffentlichkeit eine völlig unsinnige und schädliche Debatte darüber auf, wer zu unserem Land gehört und wer nicht. Dazu gehört auch der Anschein söderscher Staatsreligion mit einem bayerischen Kreuzerlass. Dieser ist im Ergebnis weder dem Staat und schon gleich gar nicht der Religion von Nutzen. Er ist auch nicht dem guten Miteinander von Staat und Religion von Nutzen.
Kardinal Marx, Landesbischof Bedford-Strohm und die Jugendverbände der evangelischen und katholischen Kirche in Bayern haben es zum Ausdruck gebracht: Dr. Söder hat mit diesem Kreuzerlass die Gesellschaft in einem Bereich gespalten, in dem sie sich eigentlich einig war. Das war ein schnödes Wahlkampfmanöver. Für uns steht fest: Unser Grundgesetz und die Bayerische Verfassung sehen keine Hierarchien und keine Vormachtstellung einer einzelnen Religion vor. In Bayern existiert Religionsfreiheit. Als gläubiger Christ und Mitglied der Evangelischen Landessynode füge ich hinzu: Wir Christen in Bayern sind so selbstbewusst, dass wir unsere Kreuze dort, wo sie hingehören, schon selbst aufhängen, nämlich in die Kirchen. Dafür brauchen wir diesen Staatserlass nicht.
Peinlich ist das, was hinterhergeschoben wird. Es wird ein staatlicher Erlass herausgegeben, eine Verordnung, und dann wird hinterhergeschickt, wir werden es nicht kontrollieren. Dann gibt es plötzlich staatliche Institutionen erster und zweiter Güte, die mit besonderer christlicher Prägung und die ohne christliche Prägung. Theater, Museen und Hochschulen werden davon ausgenommen, als gäbe es dort vielleicht keine christliche Prägung. Am Ende ist kein Nutzen vorhanden, sondern nur Schaden sowohl für den Staat als auch für die Religion. Wir hoffen, dass Dr. Söder wenigstens jetzt im Vatikan gelernt hat, dass das Kreuz kein politisches Motiv von christsozialem "Mia san mia" ist, sondern religiöses Symbol für die Hoffnung auf Erlösung und Auferstehung.
Polizeiaufgabengesetz, Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, konservative Revolution, Kreuzerlass, Muskelspiele in der Flüchtlingspolitik – das ist Victor Orbán light. Er hat im 100. Jubiläumsjahr des Freistaates Bayern nichts bei uns verloren.
Deshalb muss es uns darum gehen, das Prinzip "Leben und leben lassen", Liberalitas Bavariae, aufrechtzuerhalten. Dafür steht die bayerische Sozialdemokratie mit ihrer Landesvorsitzenden Natascha Kohnen: Freiheit statt Orbánismus, sozialdemokratischer Freistaat statt christsozialer Autoritätsstaat.
Kolleginnen und Kollegen, die Regierungserklärung von Dr. Söder am 18. April sollte ein farbenfrohes Feuerwerk mit vielen bunten Raketen sein. Es gab Wahlkampfversprechungen ohne Unterlass. Heute zeigt der zweite Nachtragshaushalt, wir haben es jetzt schwarz auf weiß, das Allermeiste davon war Blendwerk und Schall und Rauch. Den Ankündigungen von Herrn Dr. Söder folgen in vielen Bereichen eben keine Taten und keine Konsequenzen. Wir, die SPD-Fraktion, vermissen im Nachtragshaushalt klare Prioritäten statt eines Wahlkampf-Geldregens mit der Gießkanne in Zeiten prasselnder Steuereinnahmen. Vor allem vermissen wir Investitionen in zentralen Themenfeldern wie der sozialen Gerechtigkeit. Wir vermissen Investitionen in kostenfreie Kitas mit besserer Qualität. Wir vermissen Investitionen in bezahlbaren Wohnraum und in besseren Personennahverkehr mit Maßnahmen für die Mobilitätswende, die jetzt anstehen muss.
Klar stellt sich auch die Frage der Glaubwürdigkeit von Dr. Söder selbst. Der Spitzenkandidat verspricht im Wahlkampf jede Menge Päckchen nach dem Prinzip: Hurra im Himmel ist Jahrmarkt, aber die Lieferung der Päckchen bleibt dann aus. Einige der Versprechungen überlebten nicht einmal 48 Tage von der Regierungserklärung bis zur Einbringung des Nachtragshaushalts. Heute steht mehr denn je fest: Je größer die Überschrift, die Herr Dr. Söder produziert, umso mehr Vorsicht ist geboten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte nur einige Beispiele nennen: Vor 48 Tagen hat Herr Dr. Söder an diesem Mikrofon mit stolzgeschwellter Brust ein bayerisches Raumfahrtprogramm mit dem Namen "Bavaria One" angekündigt. Es sollte ein staatliches Programm werden, das sich gewaschen hat. Der CSU-Spitzenkandidat möchte den Freistaat Bayern zum Weltraum Bayern machen. Sputnik war vorgestern. Apollo, Challenger, Discovery waren gestern. Jetzt kommt "Bavaria One". Sie ist gedacht als Trägerrakete für die absolute Mehrheit. Mit der Einbringung des Nachtragshaushalts wissen wir, Dr. Söders Regierungserklärung war nichts als Science-Fiction. Es gibt keinen einzigen Cent für ein Raumfahrtprogramm. Es gibt noch nicht mal ein spezifisches Mittelchen dafür, dass sich Herr Dr. Söder in
einer Hochglanzbroschüre ablichten lassen kann. Das Raumfahrtprogramm "Bavaria One" ist bei genauem Hinsehen das Märchen "Söderchens Mondfahrt", liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kein Cent für ein Gutachten, für eine Kommission, für neue Personalstellen, kein Lehrstuhl, nichts, eine einzige Nullstelle im Nachtragshaushalt. Wie gesagt: Noch nicht mal ein paar Euro sind eingestellt für bunte Hochglanzbroschüren, in denen sich Dr. Söder als "Spaceman Came Travelling" mit seinem Hund Laika vor einem weiß-blauen Space Shuttle fürs Poesiealbum mit dem Kreuz in der Hand auf bayern.de abbilden lassen kann. Die Mission Söder ist schon jetzt zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
So ist es auch mit den anderen Projekten, die er angesprochen hat. So hat Dr. Söder hier am Mikrofon einen bayerischen Hyperloop angekündigt. Die wenigsten Bürger wissen, was das ist: Eine bis zu 1.200 Stundenkilometer schnelle Rohrpost für Personen soll das sein. Der CSU-Spitzenkandidat hat die Produktion des Flugtaxis in Bayern angekündigt. Irgendwo zwischen Hof und Garmisch soll das Flugtaxi in Bayern eine Heimat bekommen. Wir haben bereits erste Erkenntnisse. Es ist schon etwas bekannt: die ersten fünf Hyperloops und die ersten fünf Flugtaxis, die in Bayern produziert werden. Wir kennen nicht das Baujahr, und wir wissen auch nicht, wie das zustande kommen soll. Es gibt da keinen einzigen Cent im Nachtragshaushalt für die Entwicklung. Aber die Namen der fünf Prototypen sind bereits klar: Söder I, Söder II, Söder III, Söder IV und Söder V. Aber damit ist niemandem geholfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist Augenwischerei. Damit führen Sie die Menschen in Bayern in die Irre, und das ist nicht in Ordnung.
Wir brauchen mehr Bodenhaftung und mehr Bodenständigkeit. Ja, Visionen sind erlaubt. Aber es war doch Dr. Söder selbst, der an diesem Mikrofon gesagt hat, dass Ankündigungen, die am Ende keinerlei Tatkraft und Konsequenzen nach sich ziehen, zu einer verdoppelten Politikverdrossenheit führen. Dies fällt nun auf den Ministerpräsidenten selbst zurück. Schauen wir uns doch die Realitäten an, bevor wir von "Spaceman Came Travelling" träumen.
Jede vierte staatliche Brücke in Bayern ist marode, 1.407 von 5000. Die Zahl der maroden Brücken wächst in Ihrer Amtszeit. Sie wird nicht geringer, sondern sie wächst. Der Sanierungsstau wird kontinuierlich größer, und wir sind erstaunt darüber, dass die Baubehörden offensichtlich mit der Planung und
Durchführung bei den Brückensanierungen nicht nachkommen; denn wir im Landtag haben einmal 160 Millionen Euro für fünf Jahre freigemacht. Ausgegeben wurden gerade einmal 100 Millionen Euro, also 37 % weniger, als wir im Landtag eigentlich bereitgestellt haben. Das heißt, die staatlichen Bauämter sind offensichtlich so auf Kante genäht, dass sie die notwendigen Arbeiten gar nicht vornehmen können. Das ist klassisches Staatsversagen, und Sie haben das zu verantworten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist schlechtes Regieren.
2.000 neue Busse hat Dr. Söder vor 48 Tagen angekündigt. 100 neue zusätzliche Trambahnen hat Dr. Söder für Bayern angekündigt.
50 zusätzliche neue U-Bahnen hat Dr. Söder vor 48 Tagen angekündigt.
Gemessen an den Bedarfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem großen Freistaat Bayern war schon das vergleichsweise wenig. Was ist davon übrig geblieben? Null Busse statt 2.000, null Trambahnen statt 100 und null U-Bahnen statt 50 U-Bahnen. Wer eine solche Verkehrspolitik macht, darf sich nicht wundern, wenn der Stau in Bayern immer länger wird und die Luft in den Städten immer schmutziger. Sie haben es zu verantworten.
Ein Umweltbildungszentrum am Riedberger Horn hat Dr. Söder mit mindestens 15 Journalisten im Schlepptau angekündigt. Kein einziger Cent bildet sich dafür im Nachtragshaushalt ab.
1.000 stationäre und 500 ambulante Pflegeplätze wurden vor 48 Tagen hier angekündigt. Keinen einzigen Cent machen Sie im Nachtragshaushalt dafür frei; und vor 48 Tagen hat Dr. Söder an diesem Mikrofon eine nie dagewesene Qualitätsoffensive in der Kinderbetreuung mit 30.000 neuen Plätzen in der Kinderbetreuung bis 2020 – 2020 ist bereits in eineinhalb Jahren –, 10.000 Tagespflegepersonen für die Kinderbetreuung und 10.000 Hortplätzen bis 2025 versprochen. Am nächsten Tag wurde er umjubelt: Was dieser Mann alles leistet.
Eine solche Ankündigung produziert Hoffnung. Sie weckt Sehnsüchte in der Bevölkerung nach der Verwirklichung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn nach den größten Problemen im Be
reich der Betreuung ihrer Kinder gefragt, geben laut aktuellem Sozialbericht 71 % der Eltern an, es sei kein geeigneter Betreuungsplatz in Bayern verfügbar, und 66 % nennen die unpassenden Öffnungszeiten in den Einrichtungen. Noch immer hat der Freistaat einen deutlichen Nachholbedarf gerade bei den Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren. Da sind wir in Bayern im Bundesländervergleich mit einer Betreuungsquote von unter 30 % nur auf Platz 14.
Nun die nackte Wahrheit: Dr. Söders vor 48 Tagen angekündigte Kita-Offensive mit 30.000 neuen Plätzen bis in eineinhalb Jahren, 10.000 Tagespflegepersonen und 10.000 Hortplätzen findet sich im Nachtragshaushalt – ich verstehe nicht, dass Ihnen das nicht peinlich ist, liebe Kolleginnen und Kollegen –
nicht mit einem einzigen Prozent wieder,
nicht mit einem einzigen Prozent. Der neue Ministerpräsident führt die Kita-Beschäftigten und die Familien in Bayern mit Wahlkampfversprechungen hinters Licht, die schon vor dem Wahltermin gebrochen werden. Für die vielen Eltern, die sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünschen, ist diese Söder-Lücke zwischen Ankündigung und Realisierung ein echtes Ärgernis. Aber wir können Ihnen sagen: Wir werden Ihnen diesen Wahlbetrug bis zum 14. Oktober, bis zum Wahltermin, nicht durchgehen lassen. Das können Sie uns glauben.
Mit Interesse und Wohlwollen haben wir wahrgenommen, dass Dr. Söder Invest in Bavaria modernisieren möchte; denn die Ansiedlungspolitik der Staatsregierung für neue Arbeitsplätze in Bayern ist alles andere als in Balance. Wir haben das in der Opposition gemeinschaftlich immer wieder kritisiert. Er hat eine neue Agentur angekündigt, und er hat angekündigt, dass diese Agentur 50 Millionen Euro Startkapital bekommen soll. Wir haben die 50 Millionen Euro Startkapital gesucht. Sie sind nicht etatisiert. Das heißt, bei Invest in Bavaria bleibt alles genau so, wie es ist, alles fauler Zauber. Und die Regierungsbezirke im Norden und im Osten Bayerns werden auch in den Jahren 2018, 2019 und 2020 vergeblich auf Unterstützung der staatlichen Ansiedlungsagentur warten müssen – ein Untätigkeitsnachweis des Ministerpräsidenten. Ich verstehe nicht, dass Ihre Haushaltspolitiker nicht auch wenigstens das, was vor 48 Tagen hier am
Mikrofon gesagt wurde, mit dem abgleichen, was jetzt im Haushalt steht, so wie ich mir die Mühe gemacht habe, und das in so zentralen Bereichen wie bezahlbares Wohnen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und künftige Mobilitätspolitik.
Ich wundere mich sehr. DJ Söder, meine Damen und Herren, hat ein großes Wunschkonzert angekündigt, und jetzt hören wir die Unvollendete, die Symphonie der enttäuschten Erwartungen – ein weiteres Zeichen dafür, dass diese CSU-Alleinregierung am 14. Oktober keine absolute Mehrheit mehr erhalten darf.
Ich habe nur einige Haushaltsbereiche aufgezählt, bei denen Dr. Söder die Umsetzung seiner Versprechen schuldig bleibt. Es gibt aber auch Bereiche, für die Geld ausgegeben wird, aber nicht zielgerichtet, zum Beispiel für die innere Sicherheit. Wir brauchen keine bayerische Grenzbehörde; denn es gibt eine deutsche Grenzpolizei. Wir brauchen mehr Polizisten auf der Straße und nicht in neuen Söder-Amtsstuben. Söders Doppelstruktur mit der Bundespolizei schafft zusätzliche Bürokratie statt zusätzlichen Bürgerschutz. Deshalb fordert die SPD im Landtag eine effiziente Schleierfahndung, mobile, kurzfristige Grenzraumkontrollen statt die christ-soziale Rückkehr zum Schlagbaum des 20. Jahrhunderts. Die Anordnung neuer Behördennamen und Dienstuniformen durch den neuen Ministerpräsidenten ersetzt nicht die notwendige bessere länderübergreifende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Wir teilen auch nicht die Ansicht des Ministerpräsidenten, dass eine bayerische Kavallerie hoch zu Ross einen Durchbruch für die innere Sicherheit in Bayern darstellt. Ich sage: lieber mehr Zweibeiner in Polizeiuniform auf bayerischen Straßen und Plätzen als Söders neue Vierbeiner. Diese brauchen wir nämlich in dieser Form ganz gewiss nicht.
Der Freistaat Bayern wird bis 2030 nicht schuldenfrei sein. Der angekündigte Schuldenabbau bis 2030 ist nichts anderes als politische Propaganda und Schönrednerei.
Hinzu kommt: Allein die Kürzungen der Pensionsvorsorge, die Sie 2010 vorgenommen haben – da sollte ja mal einbezahlt werden, wie Stoiber das vorgesehen hat, damit künftige Generationen nicht die Pensionen unserer Staatsdiener zu bezahlen haben –, allein die Kürzungen bei der Pensionsvorsorge haben in den letzten acht Jahren eine Lücke von fast 2,9 Milliarden
Euro in den Pensionsfonds gerissen. Die Tendenz steigt von Jahr zu Jahr. Das ist eine aufwachsende Summe, für die unsere Kinder und Enkel eines Tages werden aufkommen müssen. Sie nehmen künftige Generationen in Haftung. Mit Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit hat das in Ihrem Staatshaushalt nichts, aber auch gar nichts zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Sozialdemokratie im Hohen Hause setzt sich mit ihrem Antragspaket zum Nachtragshaushalt – ein herzliches Dankeschön an die Kollegen unseres Haushaltsarbeitskreises unter der Führung von Harald Güller – für mehr soziale Gerechtigkeit in Bayern ein; denn 1,5 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze in Bayern sind eine hohe Zahl, vor deren Hintergrund sich politische Selbstgerechtigkeit und Selbstzufriedenheit verbieten. Auch wenn die CSU alle unsere Anträge zur Armutsbekämpfung, zur Stärkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern mit einem Tariftreuegesetz und mit einem Weiterbildungsgesetz, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Entlastung der Familien in Bayern und für eine moderne Gleichstellungspolitik im Allgemeinen abgelehnt hat, bleiben wir als SPD dran: für eine solidarische Gesellschaft, für das soziale Miteinander. In diesem Zeichen steht auch unser Antragspaket für den Nachtragshaushalt.
Ich kann als Fazit nur sagen: Angesichts nachweisbar leerer Versprechungen und falscher Prioritäten wird es allerhöchste Zeit, dass die Arroganz der Macht der absoluten Herrschaft endlich ein Ende findet. Dr. Beckstein hat die absolute Mehrheit vor zehn Jahren verloren. Dr. Söder wird die absolute Mehrheit verlieren. Menschlichkeit und Modernität in Bayern: Das gibt es mit der SPD. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Verehrte Frau Präsidentin, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen keine bayerische Grenzbehörde; denn es gibt bereits eine deutsche Grenzpolizei. Wir brauchen keine bayerische Grenzbehörde; denn es gibt bereits eine bayerische Schleierfahndung, die ganz gut funktioniert und die man gegebenenfalls ausbauen kann. Wir brauchen eine effiziente Schleierfahndung und mobile, kurzfristig mögliche Grenzraumkontrollen statt die christsoziale Rückkehr zum Schlagbaum des 20. Jahrhunderts.
Die Anordnung des neuen Ministerpräsidenten – neue Behördennamen und Dienstuniformen – ersetzt nicht eine bessere länderübergreifende Polizei- und Justizzusammenarbeit; diese ist notwendig. Wir brauchen mehr Polizisten auf bayerischen Straßen und Plätzen, nicht in neuen Amtsstuben von Herrn Söder. Die Doppelstruktur neben der Bundespolizei, die der neue Ministerpräsident jetzt anstrebt, schafft zusätzliche Bürokratie statt zusätzlichen Bürgerschutz und zusätzliche innere Sicherheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zuständigkeit für die Grenzsicherung ist im Wege der ausschließlichen Gesetzgebung gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes allein dem Bund vorbehalten. Der Bund hat in § 2 des Bundespolizeigesetzes durch Zuweisung des grenzpolizeilichen Schutzes an die Bundespolizei von dieser Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht.
Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes als Teilaufgaben des Grenzschutzes mit Kräften der Länder durchgeführt werden. Bayern hat in einem Verwaltungsabkommen die Übernahme grenzpolizeilicher Aufgaben an bayerischen Flughäfen vereinbart. Aber die Übernahme des gesamten Grenzschutzes durch die bayerische Landespolizei ist sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus polizeilicher Sicht nicht sinnstiftend.
Die Staatsregierung will die verfassungsmäßig durchaus fragwürdige Einführung einer Doppelzuständigkeit für die Grenzüberwachung der Bundesgrenzen im Freistaat schaffen und hiermit eine Mischverwaltung etablieren, ohne jedoch zu einem Mehr an Sicherheit zu gelangen.
Im Übrigen: Der Gesetzentwurf, den die Bayerische Staatsregierung hier vorlegt, ist natürlich auch ein Misstrauensvotum des neuen CSU-Ministerpräsidenten Söder gegen seinen Parteifreund Bundesinnenminister Horst Seehofer; denn für den Grenzschutz ist eigentlich der Bundesinnenminister, also der Bund, zuständig. Offenbar trauen die CSU-Fraktion und die Bayerische Staatsregierung ihrem eigenen Parteichef nicht über den Weg, das heißt, sie gehen nicht davon aus, dass er die entsprechenden Aufgaben bewältigen wird.
Die neue Bayerische Grenzpolizei schafft unnötige neue Verwaltungsstrukturen; das kritisiert auch die Gewerkschaft der Polizei. Der für die Bundespolizei in Bayern zuständige GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf sieht in der bayerischen Grenztruppe eine unnötige Konkurrenz zur Bundespolizei. Er sagt wörtlich:
Das ärgert uns ungemein. Denn für unsere Kolleginnen und Kollegen ist das eine Geringschätzung ihrer Arbeit an der Grenze, fast schon ein Vertrauensbruch. Denn wir machen unseren Job dort sehr professionell und mit hoher Motivation.
Er verweist weiterhin darauf, dass die volle Einsatzstärke von 2.600 Beamtinnen und Beamten bereits zum 1. Januar 2019 wieder gewährleistet sein wird.
An dieser Stelle dürfen wir Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, gern daran erinnern, wer Bundespolizistenstellen – in der schwarz-gelben Bundesregierung – gekürzt hat. Es war Ihr CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der 3.600 Bundespolizistenstellen gestrichen hat. Es brauchte die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung im Bund, damit diese Schwächung eines handlungsfähigen starken Staates wettgemacht, das heißt, korrigiert wurde.
Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass mit diesem Gesetzentwurf von den wahren Problemen unserer bayerischen Polizei ein Stück weit abgelenkt werden soll. Im Jahr 2017 haben die Überstunden der bayerischen Polizei einen neuen Rekordwert erreicht. 2.210.650 Überstunden – das entspricht einem Zuwachs um 11 % gegenüber dem Vorjahr. Vor drei Jahren waren es 1,8 Millionen Überstunden, vor zwei Jahren 2 Millionen; jetzt sind es 2,2 Millionen.
Ich sage: Unsere Polizei leistet sehr wertvolle und professionelle Arbeit. Wir bedanken uns dafür. Auch die Bürgerschaft ist dafür dankbar. Aber wir sind in
Sorge, dass die vor geraumer Zeit angekündigte Entlastung unserer Polizei nicht greift. Im Gegenteil, es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass vielmehr die hohe Motivation und die hohe Leistungsbereitschaft unserer Polizistinnen und Polizisten deutlich überstrapaziert werden.
Es wird auch nicht gesagt – auch nicht heute in Erster Lesung; das werden wir in den Ausschüssen zu behandeln haben –, wie sich die neue Grenzpolizei denn personell zusammensetzen soll. Es heißt, die jetzt für die Schleierfahndung vorgesehenen 500 Polizisten würden halt "umetikettiert". Sie erhalten eine neue Uniform und ein neues Logo, aber ihre Aufgaben bleiben mehr oder weniger gleich.
Stufenweise sollen von 2019 an zusätzliche Stellen geschaffen werden. Wir haben die Befürchtung, dass es keine neuen Stellen sein werden, sondern dass diese Stellen aus den Heimatinspektionen und damit aus der Fläche abgezogen werden. Ein solches Vorgehen schafft nicht mehr Sicherheit an der Grenze; denn dort haben wir die Bundespolizei. Es bewirkt aber weniger Präsenz der bayerischen Polizei in der Fläche und ist damit sogar kontraproduktiv. Sie machen mit diesem Gesetzentwurf nicht etwa den großen Wurf für mehr innere Sicherheit, sondern Sie sorgen dafür, dass in der Fläche sogar zusätzliche polizeiliche Lücken entstehen. Das halten wir für verantwortungslos. Deshalb erwarten wir von Ihnen, dass Sie im Laufe der Beratungen diesen Gesetzentwurf zurückziehen.
Herr Kollege Ländner, irgendwie entsteht der Eindruck, dass Sie sich mittlerweile mit einer Umetikettierung des bereits Bestehenden zufriedengeben. In der Historie der Debatte im Bayerischen Landtag war das einmal etwas anders. Am 1. Oktober 2015 hat der damalige Heimatminister werbewirksam und öffentlichkeitswirk
sam dargestellt, er trete für Zäune rund um Bayern ein, für Zäune und Patrouillen. Er wurde dann vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zurückgepfiffen, der sich von seinem Heimatminister distanziert hat: Zäune kämen auf keinen Fall in Frage. Dann führten wir Debatten, in denen der Innenminister dargestellt hat, es müsse eine lückenlose Kontrolle an der bayerischen Außengrenze geben – 650 Kilometer allein zu Österreich! Daraus wurden dann drei Autobahnkontrollen, die täglich, auch über die örtlichen Radiostationen, durchgegeben wurden; es wurden Tipps gegeben, wie man diese Grenzkontrollen umgehen kann, indem man einfach die entsprechende Staatsstraße benutzt.
Mittlerweile sind Sie so weit, dass Sie keine Zäune mehr wollen und dass Sie auf den Grenzposten verzichten, sondern einfach so weitermachen wie bisher, nämlich mit Schleierfahndung, ein neues Etikett draufkleben, neue Uniformen einführen und eine neue Behörde mit Wasserkopf und Doppelstruktur einrichten. Das ist eine Neuerung in der Debatte, aber besser ist es nicht.
Sinnvoll wäre es, die Schleierfahndung auszubauen und das auch einfach so zu benennen. Damit könnte die Polizei gut arbeiten. Was wir brauchen – ich wiederhole mich auch mit Blick auf die bayerische Kavallerie, die der Ministerpräsident angekündigt hat –, sind mehr Zweibeiner in Uniform in der bayerischen Fläche als Vierbeiner in den Polizeidienststellen, wobei "Stellen" mit "ä" geschrieben würde.
"Der Chefideologe von der SPD!" – Ein Zwischenruf vom Vizepräsidenten. – Herr Kollege Streibl, es geht ausdrücklich nicht um einen einzelnen Gedenktag. Es geht um einen Demokratiegedenktag; denn das war nun einmal der 8. November 1918, als der Freistaat ausgerufen wurde, als 738 Jahre Wittelsbacher Monarchie zu Ende gingen. 150 Republiken, die sich in der UNO versammeln, gedenken ihrer Unabhängigkeit, ihrer Revolution und ihrer Demokratie ganz selbstverständlich. Der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober, ist kein Helmut-Kohl-Gedenktag.
Der Tag der amerikanischen Unabhängigkeit ist kein Thomas-Jefferson-Gedenktag, an diesem Tag wird vielmehr der eigenen historischen demokratischen Wurzeln gedacht. Demokratieerinnerung, darum geht es in unserem Vorschlag. Es geht nicht darum, Kurt Eisner für die SPD zu vereinnahmen. Ich kann hier gleich den Wortbeitrag des Kollegen Dr. Dürr vorwegnehmen. Darum geht es mitnichten.
In Zeiten der Regression von Demokratie, in denen die Demokratie insbesondere auf dem europäischen Kontinent auf dem Rückzug ist, geht es darum, einen Demokratiegedenktag einzuführen. Die Stichworte wurden heute schon an anderer Stelle der Plenardebatte genannt: Orbán, Erdogan, Trump, Le Pen und wie sie alle heißen. Der Vizepräsident hat noch die Rumänen genannt. In einer solchen Zeit einen Demokratiegedenktag einzuführen, ist kein historischer Schnickschnack, sondern verdient eine bessere Würdigung, als ich das in dieser Zweiten Lesung im Moment erlebe.
Frau Präsidentin, Hohes Haus, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Tag ist der Tag der Emotionen für einige in diesem Haus. Er ist ein Tag der Bitterkeit für jene Kabinettsmitglieder, die fest damit gerechnet haben, gegebenenfalls wieder berufen zu werden, aber es kam dann anders. Es ist ein Tag der Enttäuschung für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, denen in den letzten Monaten vielleicht versprochen wurde: Ich baue auf dich, ich setze auf dich, du kommst bei mir voran. Es ist auch ein Tag der großen Emotionen und des Triumphes insbesondere für jene Abgeordneten, die bislang vielleicht noch keine Führungsverantwortung in den Ausschüssen oder Arbeitskreisen der CSU-Fraktion innehatten und die von relativ weit hinten ins Rampenlicht geholt wurden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einigen Tagen wurde der neue Ministerpräsident im Bayerischen Rundfunk wie folgt zitiert: Wegen der langen Regierungsbildung in Berlin ist auch in Bayern einiges liegen geblieben. Deshalb muss jetzt endlich wieder regiert werden. – Mit der heutigen Kabinettsbildung sollte der Anfang gemacht werden. Tatsächlich möchte ich Herrn Söder nicht widersprechen, wenn er sagt, dass Bayern zuletzt bestenfalls verwaltet statt regiert wurde. Wir alle wissen: Das lag weniger an der Berliner Regierungsbildung, sondern vielmehr an einem lange anhaltenden Machtkampf zwischen ihm selbst und seinem Vorgänger. Es war eine quälend lange Zeit der Selbstbeschäftigung innerhalb der CSU, die nur deshalb so selbstgefällig stattfinden konnte, weil die absolute Mehrheit zur Selbstvergessenheit führen kann. Das ist der Grund, warum viele Themen in Bayern auf der Strecke geblieben sind. Was Bayern braucht, ist eine dialogfähige und kooperationsbereite Regierung, die sich der Probleme der Menschen annimmt. Ich bin deshalb sicher: Eine Koalitionsregierung wird Bayern besser regieren als eine in die Jahre gekommene, anachronistische Alleinherrschaft, die sich in der Selbstinszenierung genügt, anstatt Zukunftslösungen zu entwickeln.
Wenn man die CSU-Einlassungen der letzten Wochen ernst nehmen will, dann geht es jetzt um Aufbruch und Erneuerung. Es handelt sich aber offenbar um einen Aufbruch nationalkonservativer Restauration und eine altbackene Erneuerung des politischen Feindbilddenkens längst vergangener Zeiten. Was Bayern aber braucht, ist ein Mehr an sozialem Zusammenhalt und Miteinander und ein Zugewinn an politischer Modernität und Weltoffenheit. Das Leitmo
tiv für Bayern lautet "Leben und leben lassen" statt konservativer Revolution der Herren Söder, Dobrindt und Scheuer.
Das CSU-Alleinregierungskabinett, das heute hier gebildet wird, hat eine Halbwertszeit von 206 Tagen. Herr Söder nennt es Perspektivkabinett. 206 Tage lang werden diese Minister und Staatssekretäre der CSU-Alleinregierung im Wahlkampfmodus in Bayern unterwegs sein. Es wird Ankündigungen, Versprechungen und politische Besserungsgelöbnisse geben, so als wäre die CSU jahrzehntelang in der Opposition gewesen, würde sich nun plötzlich nach 61 Jahren in der Regierung neu erfinden und hätte mit den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit nichts zu tun. Und wenn der Staatssekretär oder die Ministerin gefragt wird, heißt es: Ich bin ja erst seit ein paar Tagen im Amt.
Meine Damen und Herren, die sogenannte Erneuerung im neuen Kabinett Söder hat übrigens bereits 82 Jahre Kabinettszugehörigkeit auf dem Buckel. Das Kabinett Söder hat also mehr Dienstjahre absolviert als Johannes Heesters auf der Bühne stand.
Da von Erneuerung zu sprechen, erinnert an alten Wein in neuen Schläuchen. Dennoch wollen wir anerkennen, dass sich Herr Söder erkennbar bemüht hat. Er hat einige Ressortzuschnitte verändert und den Gepflogenheiten in anderen Bundesländern oder früheren bayerischen Strukturen angepasst. Das Kultus- und Wissenschaftsministerium wird wieder getrennt, so wie das in anderen Bundesländern üblich ist, so wie es die Opposition im Bayerischen Landtag bereits mehrfach gefordert hat. Der Verantwortungsbereich von Staatsminister Herrmann wird wieder verschlankt, und es wird künftig ein Bau-, Verkehrs- und Infrastrukturministerium geben. Als SPD bedauern wir, dass es kein eigenes originäres Bauministerium geben wird, wie dies unsere Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende Natascha Kohnen vorgeschlagen hat. Von den Top 30 der deutschen Kommunen mit den höchsten Wohnkostensteigerungen der vergangenen Jahre liegen 26 in Bayern. Seit 2007 sind in Bayern die Mieten um mehr als ein Drittel gestiegen. Die Baugrundpreise für Einfamilienhäuser sind in den letzten zehn Jahren um 86 % und für Wohnungen um 60 % gestiegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer bezahlbares Wohnen als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts anerkennt, bündelt diese Fragen in einem eigenen
Bauministerium, so wie dies Natascha Kohnen vorgeschlagen hat.
Herr Söder hat bereits in den letzten Tagen davon gesprochen, dass das Kabinett weiblicher werden möge. Der Frauenanteil im Kabinett wurde also nun von schlechten 29 % auf immer noch schlechte 35 % erhöht, und wahrscheinlich erwartet Herr Söder dafür jetzt sogar noch Lobpreisung und Lorbeerkranz. Der Frauenanteil im Kabinett ist tatsächlich immer noch höher als der Anteil der Frauen in der CSU-Fraktion. Dort liegt er bei 20,8 %, ein übrigens um ein Vielfaches niedrigerer Anteil als in den Parlamenten von Ruanda, Ecuador, Tansania, Tunesien oder anderen muslimischen Ländern.
Schon in das Bundeskabinett hat die CSU ausschließlich drei männliche Minister entsandt, und auch in Bayern geht die traditionelle CSU-Männerdominanz unbeirrt weiter. Liebe Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin der Bayern-SPD, wir sagen: Im nächsten Kabinett, in 206 Tagen, werden sich die Frauen in Bayern endlich das nehmen, was ihnen auch heute verweigert wird, nämlich das selbstverständliche Recht auf adäquate politische Repräsentanz in der Führungsverantwortung für den Freistaat Bayern.
Die Benachteiligung von Frauen zieht sich im Übrigen wie ein roter Faden durch die CSU-Regierungen. Eine parlamentarische Anfrage meiner Kollegin Dr. Strohmayr hat ergeben, dass in den bayerischen Ministerien, die besonderen Vorzeigecharakter haben sollten, Frauen oft das Nachsehen haben. Nur 20 von 91 Abteilungen in den Ministerien werden von Frauen geführt. Das entspricht einer Quote von 22 %. Auch deshalb pocht die SPD-Fraktion auf ein echtes bayerisches Gleichstellungsgesetz mit dem Ziel, berufliche Gleichstellung herzustellen und insbesondere in den bayerischen Ämtern und Behörden gleiche Chancen zu schaffen. Das ist und bleibt ein Kernanliegen der SPD-Fraktion im Hohen Haus.
Ministerpräsident Söder hat die Verfassungsvorgabe, dass das Kabinett nicht mehr als 17 Mitglieder haben darf, voll ausgereizt. Dem neuen Kabinett nicht mehr angehören wird Dr. Spaenle. Zu groß sind die Lücken, zu groß die Versäumnisse, zu gering die Fortune des Ministers: Kuddelmuddel beim Gymnasium G 8/G 9, sechs Millionen Unterrichtsstunden, die in Bayern
jedes Jahr ersatzlos ausfallen, wenig bis kein Fortschritt beim Ganztag, zu große Klassen und zu wenige Lehrer, Probleme bei der Lehrerplanung, kaum Fortschritte bei der Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen an der bayerischen Regelschule. Das Ministerium wurde in dieser Legislaturperiode von der Opposition sogar dabei erwischt, wie es mit dem Finanzminister Söder 800 Lehrerstellen heimlich, still und leise streichen wollte. Zum Glück hat die Opposition aus SPD, FREIEN WÄHLERN und GRÜNEN gemeinsam mit den Lehrerverbänden aufgepasst und dies verhindert.
Dort, wo Aufbruch und Erneuerung nötig wären, nämlich in der Bildung, so befürchten wir, wird sie nicht zwingend stattfinden; denn der Nachfolger von Dr. Spaenle, Bernd Sibler, ist einer, der bereits in der Verantwortung war und in diesen Bereichen natürlich seine Mitverantwortung wahrzunehmen hat.
Nicht mehr dem Kabinett angehören wird Frau Scharf. Auch sie wird als eine Ministerin in Erinnerung bleiben, die nicht stetig eine Glückssträhne hatte. Sie wird mit der Verbraucherschutzaffäre "Bayern-Ei" in Verbindung gebracht. Ein Klimaschutzgesetz, wie es andere Bundesländer haben, hat sie ebenso wenig vorgelegt wie gerichtsfeste Luftreinhaltepläne für die bayerischen Städte. Beim dritten Nationalpark ist sie die für 2017 versprochenen Ergebnisse ebenso schuldig geblieben wie ein Konzept gegen den fortschreitenden Flächenverbrauch. Man muss ihr allerdings zugutehalten: Das alles war nicht nur in ihrem Verantwortungsbereich, sondern es gab auch einen Finanz- und Heimatminister, der ihr das Arbeiten für eine bessere Umwelt und für einen besseren Landschaftsschutz in Bayern regelrecht schwer gemacht hat.
Einige Worte zu Ilse Aigner, einer stets aufgeräumten und überaus korrekten Ministerin, bei der man als Opposition fast schon eine "Beißhemmung" bekommen könnte. Ich möchte aus meiner persönlichen Sympathie keinen Hehl machen; und dennoch sagt es auch einiges über die Bilanz aus, dass Frau Aigner nicht mal eine volle Legislaturperiode Bayerns Wirtschaftsministerin bleiben darf und bleiben will. So hat Frau Aigner sowohl bei der Energiewende als auch bei den Stromtrassen keine besonders gute Figur abgegeben. Die Windenergie wurde regelrecht voll abgebremst. Frau Aigner stand am Ende für den Import von Atomstrom, anstatt ihre Hausaufgaben bei der Energiewende zu machen. Bei wichtigen Zukunftsfragen wie der
Elektromobilität hat sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Hier hinkt Bayern anderen Bundesländern weit hinterher. Ob diese Bilanz ein überzeugendes Übergangszeugnis für das Infrastrukturministerium ist, lasse ich dahingestellt.