Protocol of the Session on July 22, 2015

Ich eröffne die 52. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt. Ich stelle fest, dass alle von dem Empfang gestern Abend wohlbehalten zurückgekehrt sind.

(Volkmar Halbleib (SPD): Alle noch nicht, aber die, die da sind!)

Sie haben mich noch nicht ganz ausreden lassen. Ich meine die, die da sind. Für den Rest hoffen wir es auch.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zuerst rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Peter Meyer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER), Markus Rinderspacher, Klaus Adelt, Bernhard Roos u. a. und Fraktion (SPD), Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Markus Ganserer u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kosten der Elektrifizierung von Bahnstrecken in Nordbayern (Drs. 17/7674)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Peter Meyer. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Einen herzlichen guten Morgen auch von mir. Unser Dringlichkeitsantrag betrifft die Linien des Eisenbahnkernnetzes der transeuropäischen Netze. Diese sollen nach den Planungen der EU bis zum Jahr 2030 ausgebaut sein. Die drei Strecken des Kernnetzes Nürnberg – Marktredwitz – Hof bzw. Schirnding (– Prag), – Regensburg – Schwandorf – Furth im Wald sowie Regensburg – Marktredwitz dienen der Verwirklichung dieser transeuropäischen Netze.

Dabei handelt es sich nicht um eine regionale Insel. Diese Strecken sind das direkte Bindeglied von Leipzig und Dresden einerseits, andererseits von Karlsbad und Prag über Nürnberg Richtung Frankfurt, Stuttgart und München. Dabei handelt es sich um Fernverkehr, der übrigens in der gesamten Region seit Jahren sträflich vernachlässigt wird. Wenn in naher Zukunft

die Strecke Nürnberg – Erfurt in Betrieb gehen wird, wird das gesamte Gebiet, ganz Oberfranken, und darüber hinaus westlich von Nürnberg – Erfurt bis zur gedachten Linie Dresden – Prag – Regensburg abgesehen von Bamberg und Coburg vom Fernverkehr völlig abgekoppelt sein. Coburg wird bekanntermaßen nur sehr begrenzt angeschlossen sein. Nicht zufällig ist das Netz auf bayerischem Gebiet nicht elektrifiziert.

Was bezwecken wir mit diesem intrafraktionellen Antrag, an dem sich die CSU-Fraktion bedauerlicherweise nicht beteiligen wollte? – Dankenswerterweise hat der Freistaat Bayern die Elektrifizierung der genannten Strecken sowie weiterer Strecken zur Bundesverkehrswegeplanung angemeldet. Bei der Bundesverkehrswegeplanung wird Wert auf das positive KostenNutzen-Verhältnis gelegt. Das betrifft aber nur die Verbesserungen der Infrastruktur, ausdrücklich nicht die Kosten der Instandhaltung, insbesondere nicht die Kosten der unterlassenen Instandhaltung der letzten Jahre, die "Soda-Kosten", die sowieso da sind. Es muss zwischen den Gesamtkosten und den hiervon abzuziehenden Sanierungskosten unterschieden werden. An dieser Stelle besteht in der Region eine große Unsicherheit. Wir wissen alle, dass insbesondere die Brücken und Tunnels zwischen Nürnberg und Pegnitz sanierungsbedürftig sind. Dies darf aber nicht auf die Kosten für die Elektrifizierung aufgeschlagen werden.

Mittlerweile liegt eine Kostenschätzung der Bahn für den Abschnitt Hof – Marktredwitz in Höhe von 215 Millionen Euro vor. Alleine für den Abschnitt Marktredwitz – Schirnding gelangt die Kostenschätzung zu einem Ergebnis von 70 Millionen Euro. Für eine 16 oder 18 Kilometer kurze Strecke, die eingleisig verläuft, werden 70 Millionen Euro veranschlagt. Bislang wurde üblicherweise für einen Kilometer Fahrdraht mit Kosten von 1 bis 1,5 Millionen Euro gerechnet. Zu betonen ist, dass es im Rahmen dieses Dringlichkeitsantrags nicht um einen Wettlauf zwischen den Strecken Hof – Regensburg und Hof – Nürnberg oder Schirnding – Nürnberg geht. Richtig ist vielmehr – das wurde aus oberfränkischer Sicht immer betont –, dass beide Strecken notwendig sind. Sie sollen nicht "entweder – oder", sondern "sowohl – als auch" verwirklicht werden.

Bei einer ordnungsgemäßen Anmeldung als grenzüberschreitende Verbindung könnte der Bund beispielsweise für die Strecke Nürnberg – Schirnding bis zu 40 % EU-Förderung erhalten. Voraussetzung ist aber eine abgeschlossene Planung sowie die Aufstellung einer Finanzierung. Dies gilt selbstverständlich bei entsprechender Anmeldung für die Gesamtstrecke Nürnberg – Schirnding und nicht etwa nur Schirnding

Marktredwitz. Es gibt eindeutige Regelungen zur Kosten-Nutzen-Berechnung. Wir pochen darauf, dass diese auch richtig angewandt werden. Dazu müssen die zutreffenden Zahlen auf den Tisch. Wir sehen es im Rahmen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses als erforderlich an, dass der Nutzen für den Nahverkehr, den grenzüberschreitenden Verkehr und den transeuropäischen Verkehr in diese Berechnung einfließt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird Zeit, dass 25 Jahre nach Vollendung der deutschen Einheit die Lücke, die durch die Diesel-Insel im Städte-Fünfeck zwischen Hof – Bayreuth – Nürnberg – Regensburg – Prag entsteht, endlich geschlossen wird. Selbstverständlich muss Bayreuth immer einbezogen werden.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE) – Franz Schindler (SPD): Schwandorf nicht vergessen!)

Herr Kollege Schindler, Schwandorf ist in diesem Fünfeck enthalten.

(Franz Schindler (SPD): Das ist ganz wichtig! )

Selbstverständlich, Schwandorf liegt an der Strecke Hof – Regensburg. Schwandorf ist dabei. Schwandorf für Herrn Kollegen Schindler – es ergibt sich also ein Städte-Sechseck.

Meine Damen und Herren, auf bayerischer Seite liegt ein riesiges Gebiet des Schienenverkehrs brach, das nach wie vor ohne Investitionen auskommen muss. In Sachsen wurde investiert. Der Fahrdraht hängt bis Hof. Hierfür wurden EFRE-Mittel verbaut. Tschechien hat investiert. Der Fahrdraht hängt bis kurz vor Schirnding. Hierfür wurden EU-Kohäsionsmittel verwendet. Nur auf bayerischem Gebiet tun sich die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG wahnsinnig schwer. Warum eigentlich? – Das muss aufhören, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Eisenbahnnetz aus König Ludwigs Zeiten, wohlgemerkt aus den Zeiten Ludwigs I., muss endlich an das 21. Jahrhundert angepasst werden. Ich bitte dafür die CSU-Fraktion um Unterstützung. Ich habe gerade das Signal bekommen, wir könnten uns einigen, wenn der Antrag umformuliert würde. Dafür sind wir offen. Mir ist wichtig, dass ein einstimmiger Beschluss dieses Plenums in Berlin vorgestellt wird, damit die Zahlen auf den Tisch kommen. Wir sind grundsätzlich mit diesen vorgeschlagenen Änderungen einverstanden. Ich bitte um Unterstützung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Rabenstein von der SPD das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann mich weitgehend den Ausführungen meines Vorredners anschließen. Er hat das Wesentliche gesagt. Ende dieses Jahres und Anfang des nächsten Jahres werden im wahrsten Sinne des Wortes die Weichen hinsichtlich des Bahnverkehrs in Bayern und in ganz Deutschland gestellt. Dabei geht es um den Bundesverkehrswegeplan. Wichtig ist, dass in Bayern insgesamt mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Dazu müssen die Netze ausgebaut und modernisiert werden.

Ich habe nichts gegen den Ausbau des Straßenverkehrs. Wir haben in den letzten Tagen gehört, wie viele Milliarden dafür fließen sollen. Wenn diese Investitionen jedoch zulasten der Schiene gehen, können wir damit aus verschiedenen Gründen nicht einverstanden sein. In Nord- und Ostbayern müssen vor allem die Strecke Nürnberg – Marktredwitz – Hof mit dem Abzweig nach Eger, damit wir auch Prag erreichen können, und zwar als Ost-West-Magistrale, und die Strecke Hof – Marktredwitz – Regensburg elektrifiziert werden. Deshalb haben wir heute diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht.

Wie schon gesagt wurde, gehören beide Strecken zu dem transeuropäischen Kernnetz. Sie müssen bis zum Jahr 2030 ausgebaut werden, sonst verfallen die entsprechenden EU-Mittel. Aus Europa werden für solche Strecken Milliardenbeträge an Fördergeldern zur Verfügung gestellt. So kommen wir insgesamt zu einer sehr günstigen Finanzierung. Wichtig ist dabei, dass die sogenannte Franken-Sachsen-Magistrale im Bereich der Hersbrucker Schweiz dringend saniert werden muss, vor allem wegen der Brückenbauwerke. Es würde keinen Sinn machen, jetzt 100 Millionen Euro zu investieren – das ist in etwa die berechnete Summe -, ohne die Chance auf die Elektrifizierung zu nutzen. Dies wäre im wahrsten Sinne des Wortes ein Schildbürgerstreich. Wenn wir schon Geld für den Schienenverkehr ausgeben und investieren, dann sollten wir keine halben Sachen machen.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Schon jetzt ist dieser Abschnitt eine Dauerbaustelle. Ab August dieses Jahres wird die Strecke wieder einmal für – aufgepasst! – sieben Wochen gesperrt werden. Die Fahrgäste müssen dann in Nürnberg auf

Busse umsteigen, damit ein Stück fahren und können erst dann wieder in den Zug einsteigen. Die Fahrzeit allein von Nürnberg nach Bayreuth verlängert sich dadurch von knapp einer Stunde auf über 1,5 Stunden, und das gerade in der Festspielzeit. Das ist für Bayreuth sehr bedeutsam. Ich kann mir gut vorstellen, wie "attraktiv" diese Strecke für die Festspielgäste sein wird, die mit dem Koffer reisen. Sie müssen dann zwei- oder dreimal umsteigen. Ich bin sicher, keiner wird auf die Idee kommen, mit der Bahn zu fahren. Das ist wirklich traurig.

(Beifall bei der SPD)

Es wird also höchste Zeit, dass hier grundlegende Verbesserungen geschaffen werden. Die von mir genannten Eisenbahnstrecken Nürnberg – Hof – Marktredwitz mit Abzweig nach Eger und Prag sowie Hof – Regensburg sind auch für den Güterverkehr von Bedeutung. Die Elektrifizierung ist daher für ganz Nordostbayern eine echte Strukturhilfe und würde die Verwirklichung des Verfassungsziels, gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern zu schaffen, einen großen Schritt voranbringen.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist gerade für den deutsch-tschechischen Bahnverkehr von entscheidender Bedeutung. Bei einer Bahnkonferenz in Eger, die Ende Mai stattgefunden hat und an der auch die Abgeordneten Inge Aures und Klaus Adelt teilgenommen haben, wurde dies noch einmal verdeutlicht. Von Prag bis Eger fahren die Züge elektrisch. Dann besteht eine Lücke bis Nürnberg. Diese Lücke hemmt den Güterverkehr, aber auch den Personenverkehr. Hier muss endlich etwas passieren.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Daher sei zum Schluss an die deutsch-tschechische Vereinbarung aus dem Jahre 1995 erinnert. Darin wurden die Elektrifizierung und der Ausbau der Strecke Nürnberg – Marktredwitz – Eger – Prag explizit festgeschrieben. Die Tschechen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die Züge fahren mittlerweile bis nach Eger elektrisch. Wir müssen nun alles daransetzen, dass diese Strecke fortgesetzt wird. Ich fordere Sie von der CSU auf, dies nicht nur mit Worten zu bekräftigen. Es müssen endlich Taten folgen, damit hier etwas vorangeht.

Dies setzt natürlich zwingend die Einordnung dieser Strecken in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2015 voraus. Zu hoffen bleibt, dass die CSU auf ihren Verkehrsminister in Berlin, Herrn Dobrindt, endlich entsprechenden Druck ausübt, dass

das Elektrifizierungsprogramm Bayern – Böhmen vorangebracht wird. Es ist höchste Zeit. Packen wir es an!

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Ganserer vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde mehr oder weniger unmittelbar begonnen, die Asphaltteppiche in Richtung bayerisch-böhmische Grenze auszurollen. Seither sind Hunderte von Millionen Euro in den Ausbau der Straßeninfrastruktur, in den Ausbau der A 6 und in den Ausbau von Dutzenden von Bundesstraßen- und Staatsstraßenprojekten geflossen. Mit dem Zug ist man jedoch von Nürnberg nach Prag oder von München nach Prag heute noch so lange unterwegs wie vor 100 Jahren.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir denken, 25 Jahre nach der Grenzöffnung ist es höchste Zeit, die europäische Einigung auch auf der Schiene zu vollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen müssen die Strecken Nürnberg – Marktredwitz – Prag und München – Regensburg – Furth im Wald – Prag dringend elektrifiziert werden. Die fehlende Ertüchtigung der bayerisch-böhmischen Schieneninfrastruktur ist ausschlaggebend dafür, dass sich der grenzüberschreitende Güterverkehr auf der Straße mittlerweile verdreifacht hat, während der Güterverkehr auf der Schiene zwischen Deutschland und Tschechien rückläufig ist und fast ausschließlich über Bad Schandau fließt, weil dort die einzige elektrifizierte Strecke in diesem Gebiet verläuft. Insbesondere die Elektrifizierung der Strecke Nürnberg – Marktredwitz – Prag ist dringend notwendig, um den Ost-WestGüterverkehr in Bayern von der Straße endlich auf die Schiene zu verlagern. Wir würden mit der Elektrifizierung dieser Strecke den Bayernhafen in Nürnberg als größtes süddeutsches und mitteleuropäisches multimodales Güterverkehrszentrum stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ertüchtigung dieser Strecke würde zusätzlich den ländlichen Raum in Oberfranken und in der Oberpfalz stärken und eine deutliche Verbesserung des Nahver

kehrs für zahlreiche Pendler in der Metropolregion Nürnberg bedeuten.

Bereits seit 1995 existiert ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Tschechien – der Kollege Rabenstein hat das schon angesprochen –, und die Tschechen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Aber auf bayerischer Seite ist bisher nichts passiert, obwohl die Strecke Nürnberg – Marktredwitz – Cheb im Bundesschienenwegeausbaugesetz steht und dort unter vordringlichem Bedarf gereiht ist.

Nun steht aber die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans an, und diese Strecke wird leider nicht als laufendes Projekt bewertet und muss deswegen neu bewertet werden. Genau da setzt unser interfraktioneller Dringlichkeitsantrag an. Wir erachten es aus landespolitischer Sicht als dringend notwendig, beim Bund darauf hinzuwirken, dass die Sanierungskosten, also die Kosten, die wegen unterlassener laufender Instandhaltung auch ohne Ausbau anfallen würden, nicht auf die Elektrifizierung angerechnet werden.