Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 55. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am vergangenen Samstag wurde Henriette Reker, Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin in Köln, einen Tag vor ihrer Wahl durch eine Messerattacke schwer verletzt. Das Motiv des mutmaßlichen Attentäters war offenbar Fremdenfeindlichkeit. Wir sind zutiefst schockiert von dieser feigen und abscheulichen Tat.
Wer die Grenzen der Gewaltlosigkeit und des gegenseitigen Respekts überschreitet, dem wird unser Rechtsstaat mit aller Konsequenz begegnen. Zudem sind wir als Demokraten aufgefordert, unmissverständlich deutlich zu machen: Wir dulden in unserer Gesellschaft weder gewalttätige Aktionen noch hasserfüllte Sprache, und es ist ein Glück, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger diesen Tendenzen so klar entgegenstellen. Ihnen gelten unser Dank und unsere uneingeschränkte Unterstützung. Henriette Reker wünschen wir von dieser Stelle aus alles Gute und baldige Genesung.
Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Mehr Energie aus Sonne und Wind statt verhindern, täuschen und tricksen"
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Hat eine Fraktion das Benennungsrecht für mehrere Rednerinnen bzw. Redner, kann auf Wunsch der jeweiligen Fraktion eine ihrer Rednerinnen bzw. einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit erhalten. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Wochenende habe ich am Rande des Parteitages gleich zweimal eine dpa-Meldung lesen müssen, weil ich sie wirklich
nicht glauben konnte: Ehrgeizige Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien und Ilse Aigner - das passt doch eigentlich nicht zusammen.
Dann ganz schnell die Erkenntnis: Das ist eine Luftnummer oder wirklich ein Taschenspielertrick, ein PRGag aus dem CSU-Ministerium, um die Menschen in unserem Land hinters Licht zu führen und darüber zu täuschen, was Sie in der Energiepolitik vorhaben.
Frau Aigner möchte den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion von 35 % auf 70 % im Jahr 2025 fast verdoppeln. Wie macht sie das? Mich erinnert das wirklich an Magie. Es klingt wie Goethes Hexeneinmaleins im "Faust": "Aus Eins mach’ Zehn, und Zwei lass gehn, und Drei mach’ gleich, so bist Du reich." Mir geht es hier wie Faust, der darauf nur antworten konnte: "Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber."
Ich möchte das ganz kurz erklären. Wir haben im Jahre 2013 90 Terawattstunden Strom erzeugt, davon die Hälfte aus Atomkraft, ein Drittel aus sicheren, sauberen erneuerbaren Energien und den Rest aus Kohle, Gas und anderen Energieträgern. Das heißt – das ist das Entscheidende –, im Jahre 2013 lag der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion in Bayern ohne Atomkraftwerke bereits bei 66 %. Anders gesagt: Allein die Abschaltung der drei letzten bayerischen Atomkraftwerke bis 2022 bringt den Anteil erneuerbarer Energie an der Stromproduktion in Bayern auf 66 %. Dazu braucht es keinen Zubau, dafür braucht es kein Energiekonzept dieser Staatsregierung, und dafür braucht es keine Ilse Aigner.
Wo bleibt Ihr Mut? Wo bleibt Ihr Gestaltungswille? Bayern kann mehr leisten, als einfach nur abzuwarten, dass sich der Anteil des aus Wind und Sonne produzierten Stroms in den nächsten Jahren um vier Prozentpunkte steigert. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, das kann doch nicht Ihr Anspruch an die Schaffenskraft unseres Landes sein: Pro Jahr nicht einmal ein halber Prozentpunkt beim Zubau der erneuerbaren Energien, der Energieträger der Zukunft, ist dieses Landes nicht würdig. Das ist erbärmlich und nicht ehrgeizig.
Ich möchte das unterstreichen: Trotz der vielen Debatten hier im Landtag hatten wir im Jahr 2011 einen Zubau von 2,6 Prozentpunkten, im Jahr 2012 von 3,9 Prozentpunkten und 2013 von 2,4 Prozentpunkten. Jetzt aber geben Sie sich mit 0,4 Prozentpunkten
Sehr geehrte Ministerin Aigner, es ist unstrittig, wir brauchen kreative Lösungen für das Gelingen der Energiewende, und wir brauchen kreative Ideen zum Meistern der Energiewende. Sie haben aber in der Energiepolitik nur in einem Punkt Kreativität bewiesen, nämlich bei Ihrem Zahlentrick beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist nichts anderes. Sie führen damit die Menschen wirklich hinters Licht.
Denjenigen, die angesichts der drohenden Klimaüberhitzung von einer Regierung mutiges und entschlossenes Handeln erwarten und denen bewusst ist, dass der Klimaschutz und der Ausbau der erneuerbaren Energien kein Widerspruch zum wirtschaftlichen Erfolg eines Landes sind, sagen wir: Lassen Sie sich von dieser Staatsregierung nicht für blöd verkaufen! Sie spricht von intelligentem Ausbau. Aber intelligenter Ausbau heißt bei ihr nur eines: Sie will keine Windund keine Sonnenkraft. Das ist ihr intelligenter Ausbau.
Wir erwarten von der Staatsregierung eines starken Bundeslandes, dass sie sich ehrgeizige Ziele setzt und einen Vergleich mit früheren Jahren vornimmt, als der Zubau bereits bei 3,9 Prozentpunkten war. Zusammenfassend ist zu sagen, dass 0,4 Prozentpunkte erbärmlich und lächerlich sind. Wir erwarten deutlich mehr.
Vielen Dank, Herr Kollege Hartmann. – Die nächste Wortmeldung ist die von Frau Staatsministerin Aigner. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Hartmann, wer lesen kann, ist deutlich im Vorteil. Insofern hätten Sie schon nach der Lektüre der ersten Pressemitteilung erkennen können, dass es eine Veränderung der Grundlage gibt, nämlich in Bezug auf die Stromerzeugung. Wenn Sie behaupten, das sei "Trickserei", dann nehme ich diesen Vorwurf gern mit und werde ihn auch Ihrem Parteikollegen, Herrn Untersteller – er ist Umweltminister von Baden-Württemberg –, übermitteln. Er legt nämlich genau dieselbe Berechnungsmethode zugrunde.
Daher finde ich Ihren Vorwurf etwas seltsam. Wir werden darüber wie über alle anderen Punkte mit Sicherheit in der Ausschusssitzung am Donnerstag intensiv diskutieren.
Noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Energieprogramm: Wir bringen es jetzt auf den Weg. Das ist der richtige Zeitpunkt, weil die Koalition auf Bundesebene am 1. Juli dieses Jahres Kompromisse erzielt hat, die wesentliche Veränderungen, insbesondere Klarstellungen, bedeuten. Wir in Bayern haben zudem den Energiedialog geführt. Die Ergebnisse all dieser Beratungen sind in das Energieprogramm eingeflossen. Es hat jedoch nicht nur Stromerzeugung und -verbrauch zum Gegenstand, sondern ist ein Gesamtkonzept. Ich wundere mich immer wieder, dass die GRÜNEN anscheinend vergessen, dass eine Gesamtbetrachtung notwendig ist.
Unsere erste Forderung ist nicht neu. Wir müssen die Energieeffizienz erhöhen. Die Energieeinsparung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ich will nur am Rande erwähnen, dass wir im Wärmebereich noch große Potenziale haben. Dort funktioniert es noch nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Dennoch kann Bayern sich, was das Ziel der Reduzierung des CO2-Ausstoßes betrifft, sehen lassen. Ich erinnere nur an das 10.000-Häuser-Programm. Der CO2-Ausstoß in Bayern liegt bei 6,1 Tonnen pro Kopf und Jahr, der Bundesdurchschnitt dagegen bei 9 Tonnen.
Ich will jetzt nicht fragen, wie die Bilanz der Länder aussieht, in denen Ihre Partei, Herr Hartmann, in der Regierungsverantwortung ist. Die Gesamtbilanz ist das Entscheidende. Wir wollen weiter an deren Verbesserung arbeiten und haben uns entsprechend ehrgeizige Ziele gesetzt. Teil unserer Anstrengungen ist die Reduzierung des Endenergieverbrauchs. Auch darüber werden wir im Ausschuss diskutieren.
Wir streben den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien an. In diesem Zusammenhang ist das Ausschreibungsdesign für uns eine entscheidende Frage. Insoweit befinden wir uns in gemeinsamer Aufstellung mit Baden-Württemberg und Hessen. Auch diese beiden Länder haben erkannt, dass es schwierig sein wird, in der Ausschreibung gegenüber den windstarken Standorten im Norden Deutschlands überhaupt noch zum Zuge zu kommen.
größeren Potenziale in Bayern sehen. Im Zweifelsfall müssen wir weitere Flächen – nicht nur an den Randstreifen – in Anspruch nehmen, insbesondere schlechte Böden.
Wir haben noch weiteres Potenzial bei der Energieerzeugung aus Biomasse. Wir werden dafür kämpfen, wiederum gemeinsam mit anderen Ländern. Kollege Brunner hat heute bestätigt, dass wir alle Landwirtschaftsminister an unserer Seite haben, wenn es darum geht, die Förderung der Energieerzeugung aus Biomasse fortzusetzen. Im Gegensatz zu allen anderen Energieerzeugungsformen ergeben sich bei der Biomasse die Vorteile der Speicherbarkeit und der Grundlastfähigkeit. Wir brauchen für die Biomasse die entsprechenden Rahmenbedingungen. Wenn wir dafür kämpfen, kämpfen wir für bayerische Belange.
Wenn Sie mich fragen, ob es weitere Potenziale gebe, könnte ich Ihnen mit dem Hinweis auf die Energieerzeugung aus Wasser antworten. Wir können uns gern mit dem BUND Naturschutz über die Möglichkeiten des Ausbaus unterhalten. Dem Ausbau stehen aber wohl ideologische Gründe entgegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus aktuellem Anlass möchte ich noch eine Bemerkung zu der Erhöhung der Erneuerbare-Energien-Umlage anschließen. Die EEG-Umlage ist ein Dauerthema. Es spielte schon in den Koalitionsverhandlungen eine große Rolle, liebe Kollegen von der SPD. Wir wollten festschreiben, dass sich die EEG-Umlage nicht weiter erhöht. Das Ergebnis: In diesem Jahr erhöht sie sich leicht, aber sie erhöht sich erneut. Wir müssen es als gemeinsame Aufgabe betrachten, den Zusammenhang aufzulösen, dass die EEG-Umlage bei sinkenden Börsenpreisen automatisch steigt, weil sie an garantierte Einspeisevergütungen gekoppelt ist. Das ist eine Zukunftsaufgabe, an deren Lösung insbesondere die Wirtschaft, aber auch die Verbraucher großes Interesse haben. Wir täten gut daran, wenn wir kämpfen würden. Profitieren würden, wie erwähnt, der Wirtschaftsstandort und alle Verbraucher.
Ich fasse zusammen: Wir haben ein Gesamtkonzept vorgelegt, über das wir am Donnerstag im Ausschuss intensiv diskutieren werden. Ich betone, dass alle Bereiche betrachtet werden müssen. Es reicht nicht aus, sich auf den Strombereich zu konzentrieren. Wir brauchen die intelligente Verbindung der einzelnen Energieerzeugungsarten. Vor allem muss die richtige Reihenfolge eingehalten werden. An erster Stelle stehen die Erhöhung der Energieeffizienz und die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Energieeinsparung. Dann
geht es um eine nachhaltige und – darin sind wir uns sicherlich alle einig – eine gesicherte Produktion von Energie. Am Schluss sind die Transportmöglichkeiten zu klären. Zu den beiden letztgenannten Punkten haben wir durch den am 1. Juli dieses Jahres geschlossenen Kompromiss wesentliche Änderungen herbeigeführt. Das war nur deshalb möglich, weil sich die Verantwortlichen im Freistaat Bayern, insbesondere der Ministerpräsident, für die bayerischen Belange eingesetzt haben. Das würde ich mir manchmal auch von der Opposition, insbesondere von den GRÜNEN, erwarten.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Kohnen für die SPD gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist positiv zu bewerten, dass ein Energiekonzept vorgelegt wird. Es geht zurück auf einen SPD-Antrag, der öfter gestellt werden musste.
Da brauchen Sie nicht "Oh!" zu sagen. Sie haben zugestimmt. Erwin Huber hat dem Ganzen aus gutem Grund zugestimmt, weil wir schlichtweg ein Energiekonzept brauchen.
Frau Aigner, ich habe Sie in der vergangenen Woche gefragt, ob wir wohl vorab ein Exemplar des Entwurfs bekommen könnten. Sie sagten zu mir, Sie müssten es erst einmal durch das Kabinett – es hat heute getagt – bringen. Ich habe gesagt, dass ich das nachvollziehen könne. Allerdings musste ich am Sonntag, als ich auf meinem Sofa saß, ein klein wenig stutzen, als ich in Vorabmeldungen der Agenturen schon über dieses Energiekonzept gelesen habe. Als Kabinettskollege wäre ich ein wenig stinkig, dass ich es zuerst in der Presse lesen musste.