Protocol of the Session on February 2, 2016

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 64. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit jetzt! 12Punkte-Programm gegen die Flüchtlingskrise"

Die einzelnen Regeln für die Aktuelle Stunde sind Ihnen bekannt. Ich muss sie nicht im Einzelnen vortragen. Der erste Redner ist der Vorsitzende der CSUFraktion, der Kollege Thomas Kreuzer. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Hohes Haus! Die vergangene Woche hat wieder einmal gezeigt, wer in der Asylpolitik in Deutschland den Takt vorgibt. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz wird für zwei Jahre ausgesetzt - genauso, wie dies bereits im November 2015 vereinbart wurde. Algerien, Marokko und Tunesien werden sichere Herkunftsstaaten, damit Anträge von Asylbewerbern aus diesen Ländern schneller entschieden und die Betroffenen schneller abgeschoben werden können. Weitere Abschiebungshindernisse werden ausgeräumt. Für Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung werden gesonderte Aufnahme- und Rückführungseinrichtungen geschaffen, wie das in Bayern schon längst der Fall ist.

Mit all diesen Forderungen hat sich die CSU wieder einmal durchgesetzt. Wir reden nicht nur von Zuwanderungsbegrenzung, sondern wir handeln. Horst Seehofer und niemand sonst ist der Taktgeber der Asylpolitik in Berlin. Ich sage deshalb für die CSULandtagsfraktion: Herzlichen Glückwunsch zu diesem großartigen Verhandlungserfolg!

(Beifall bei der CSU)

Die SPD muss sich fragen lassen, was drei Monate Blockadepolitik beim Asylpaket II gebracht haben. Ich sage Ihnen: Sie hat nichts gebracht, sondern sie hat unserem Land geschadet, weil die entscheidende Signalwirkung in Richtung der Herkunftsländer dadurch verzögert und verwässert wurde.

(Beifall bei der CSU)

Die Bilanz der letzten Monate spricht für sich: Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, Zentren für Bewerber aus sicheren Drittländern – dies betrifft in Bayern vor allem Asylbewerber aus dem Balkan –, beschleunigte Asylverfahren, Sach- statt Geldleistungen, erleichterte Abschiebungen sowie die Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Meine Damen und Herren, nichts davon wäre ohne Bayern und nichts davon wäre ohne die CSU auf den Weg gebracht worden.

(Beifall bei der CSU)

Ich erinnere an die erste große Asyldebatte im Juli 2015 in diesem Haus, als wir diese Punkte alle gefordert haben und die bayerische SPD und die bayerischen GRÜNEN diese Punkte alle abgelehnt haben. Sie sind durch diese Ablehnungshaltung und die Verzögerung mitverantwortlich für die Entwicklung in diesem Land.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage Ihnen auch: Die Lage wäre wesentlich prekärer. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir die Regelungen bezüglich der sicheren Drittstaaten und der Einrichtung der Zentren nicht durchgesetzt hätten, müssten wir zusätzlich zu der derzeitigen Anzahl der Asylbewerber – ich komme gleich darauf zu sprechen – noch in erheblichem Umfang jeden Tag Menschen aus dem Balkan aufnehmen, wie dies im letzten Jahr der Fall war. Das haben wir Gott sei Dank geschafft, aber leider verzögert, weil die Regelungen lange Zeit blockiert worden sind.

(Beifall bei der CSU)

Wie ist die Lage jetzt? - Sie ist immer noch vollkommen unbefriedigend und höchst besorgniserregend. Wir haben in Bayern im Januar an den Grenzen einen Zugang von fast 75.000 Menschen gehabt. Wir haben im Bund nach den Zahlen des Sozialministeriums einen Zugang von 91.000 zu verzeichnen, während es im Vorjahreszeitraum 32.000 gewesen sind. Das bedeutet eine Beinahe-Verdreifachung der Zugangszahlen im Januar. Allein wenn sich die Zahlen vom Januar monatlich fortsetzen, werden wir in einem Zeitraum von zwölf Monaten über eine Million Flüchtlinge bekommen. Jeder, der die Entwicklungen kennt, muss damit rechnen, dass, wenn nichts passiert, diese Zahlen wieder ansteigen werden, sobald sich das Meer beruhigt und der Sommer im Mittelmeer einkehrt. Es werden dann beispielsweise auch aus Libyen wieder viel mehr Menschen nach Italien kommen. Es wäre blauäugig zu glauben, es habe bei einer Million sein Bewenden, wenn nichts geschieht.

Meine Damen und Herren, deswegen ist eine Begrenzung zwingend notwendig, da auch die Aufnahmekapazitäten in unserem Land erschöpft sind.

(Beifall bei der CSU)

Wir vertreten zusammen mit Professor Udo Di Fabio die Rechtsauffassung, dass der Bund zur Zuwanderungsbegrenzung und zu einer wirksamen Grenzsicherung verpflichtet ist. Er kommt dieser Verpflichtung nicht ausreichend nach. Die derzeitig unkontrollierte Einreise ist mit Recht und Gesetz nicht vereinbar.

(Beifall bei der CSU)

Was ist deshalb zu tun? - Damit eines klar ist: Wir unterstützen die Maßnahmen der Bundesregierung auf internationaler Ebene. Die Gespräche mit der Türkei sind gut; die Verstärkung von Frontex muss gefordert werden. Auch die Errichtung von Hotspots in Zugangsländern begrüßen wir. Wir unterstützen die Bundeskanzlerin bei diesen Maßnahmen und hoffen, dass sie auf europäischer Ebene Erfolg hat. Wir sind uns aber sicher, dass dies kurzfristig nicht der Fall sein wird. Wir kennen die Äußerungen aus anderen EULändern. Sobald es um eine Verteilung der Flüchtlinge in ganz Europa geht, ist sowieso keine Einigung zu erzielen, weil die Standpunkte meilenweit auseinanderliegen. Deshalb, meine Damen und Herren, können wir uns auf die Wirksamkeit von internationalen Maßnahmen in kurzer Zeit nicht verlassen, sondern wir müssen national handeln.

(Beifall bei der CSU)

Dies bedeutet, wir brauchen eine Begrenzung im Sinne einer Obergrenze. Der Ministerpräsident hat einmal eine Zahl genannt. Diese Zahl wird bald erreicht sein. Ich sage dazu auch: Auf die Obergrenze ist das anzurechnen, was bereits in diesem Jahr im Lande ist; das kann nicht obendrauf kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Dies bedeutet, die Menschen, die im Rahmen dieser Obergrenze einreisen wollen, müssen in den Herkunftsländern oder in den Nachbarländern einen Antrag auf Zuweisung in das Kontingent stellen, um einreisen zu können.

Ansonsten brauchen wir an der deutsch-österreichischen Grenze eine Grenzsicherung. Wir müssen all diejenigen, die hierherkommen, zurückweisen und dürfen sie nicht einreisen lassen. Dies entspricht der Rechtslage nach Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes und § 18 des Asylgesetzes. Wer aus sicheren

Drittstaaten kommt, ist an der Grenze zurückzuweisen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden dies mit unseren Nachbarländern von Österreich bis hinunter nach Mazedonien absprechen. Diese Länder warten nur darauf, dass Deutschland erklärt, es lässt keine Flüchtlinge und Migranten mehr einreisen, und werden dementsprechend ebenfalls Grenzsicherungsmaßnahmen durchführen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Alle Maßnahmen werden wirkungslos verpuffen, solange die Menschen davon ausgehen können, dass sie dann, wenn sie Deutschland erreichen, ungehindert einreisen und ungehindert über einen langen Zeitraum hierbleiben können. – Dann ist alles zum Scheitern verurteilt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Kein Land auf dieser Transitroute wird in der Lage sein, die Menschen, die dann wieder in größerer Zahl kommen, aufzuhalten und zurückzuweisen, wenn sie mit Fug und Recht fordern können: Lasst uns durch, wir können in Deutschland einreisen und sind dort willkommen. - Deswegen müssen wir ein Signal setzen, dass auch wir über diese Obergrenze hinaus nicht unbegrenzt aufnehmen und entsprechend zurückweisen. Wir müssen dies bald tun, solange die Flüchtlingszahlen noch – in Anführungszeichen – "verhältnismäßig niedrig" sind und sich im Bereich von 2.000 bis 3.000 Menschen pro Tag bewegen. Dann ist dies auch umsetzbar.

Ein solches Vorgehen wird eine Signalwirkung in Ländern wie der Türkei und Libyen erzeugen, dass es keinen Sinn macht, die gefährliche Überfahrt nach Griechenland oder Italien zu riskieren, weil man dorthin, wohin man will, nämlich nach Deutschland oder Schweden, nicht mehr durchkommt. Deswegen müssen wir diese nationalen Maßnahmen möglichst bald ergreifen.

(Beifall bei der CSU)

Das ist aber nicht das Ende der Freizügigkeit; denn jeder, der berechtigt ist, kann wie bisher die Grenzen passieren. Es hat in Europa auch noch nie die Freizügigkeit für Unberechtigte und die Erlaubnis zum illegalen Grenzübertritt gegeben. Auch der freie Warenverkehr wird natürlich nicht eingeschränkt. Bei Lkw ist bestenfalls zu kontrollieren, ob sich Personen im Fahrzeug befinden. Eine einfache CO2-Messung im Innern des Fahrzeugs, die innerhalb von Sekunden durchgeführt werden kann, reicht hier vollkommen

aus. – Also nicht den Teufel an die Wand malen, dass die Maßnahmen das Ende jeder Freizügigkeit und des freien Warenverkehrs bedeuten! Dies ist umsetzbar, und wir müssen dies tun.

Letztendlich bin ich natürlich dafür, dass wir weiter um europäische Lösungen ringen. Ich will auf Dauer keine Grenzkontrollen in Europa. Ich will eigentlich Schengen nicht aufgeben. Aber Schengen muss funktionieren. Wir müssen darum ringen, dass die Abkommen von Schengen und Dublin oder ein Ersatz dafür funktionieren. Wir können es uns auch aus Sicherheitsgründen nicht leisten, dass jeder Europa und Deutschland betritt, wie es ihm beliebt, ohne dass wir dies wissen. Dies ist ein hochgefährlicher Zustand im Hinblick auf unsere Sicherheit, und deswegen, meine Damen und Herren: noch einmal international verhandeln, aber jetzt national handeln.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Herr Kollege Rinderspacher von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung sind laut den Vereinten Nationen allein im Januar mehr als 340 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen – mehr als 340 Menschen.

Der Kollege Kreuzer erwähnt in der heutigen Aktuellen Stunde diese Seite der Aktualität mit keinem Wort. Die humanitäre Katastrophe ist in diesem Wortbeitrag nicht behandelt worden. Für die SPD-Fraktion im Hohen Hause bringe ich unser tief empfundenes Mitgefühl mit den hinterbliebenen Familien der ertrunkenen Flüchtlinge zum Ausdruck. Unsere Gedanken sind bei ihnen. Wir trauern mit den Familien.

(Beifall bei der SPD)

Das Schicksal dieser Menschen ist in der derzeitigen Diskussion viel zu stark in den Hintergrund getreten. Niemand begibt sich auf eine lebensgefährliche Flucht, wenn er nicht dazu gezwungen ist. Wir haben die rechtliche und humanitäre Verpflichtung, denjenigen, die ein Recht auf Schutz haben, diesen Schutz auch zu gewähren. Die Perspektive der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, dürfen wir nicht vernachlässigen. Ich sage: Unsere Verantwortung beginnt nicht erst in Passau, und unser Mitgefühl endet nicht in Freilassing.

Die Bundesregierung hat das Asylpaket II am vergangenen Donnerstag auf Bundesebene beschlossen.

Die Große Koalition hat damit Handlungsfähigkeit bewiesen. Wir begrüßen das. Blockiert hat hier über Monate die CSU.

(Zustimmung bei der SPD – Lachen bei der CSU – Zahlreiche Zurufe – Unruhe)

Bekomme ich eigentlich einen Redezeitzuschlag? – Zuerst wird noch die Redezeit der Opposition gekürzt. Kriege ich den Zuschlag eigentlich noch?

(Anhaltende Unruhe)

Ja, meine Damen und Herren, die CSU hat mit immer neuen Forderungen die Orientierungslosigkeit in der Union befeuert. Und unsere Kolleginnen und Kollegen von der CDU in Berlin erklären uns, Herr Seehofer und diese CSU hatten vor Wildbad Kreuth überhaupt kein Interesse an einer Einigung. Es ging ihnen darum, auf dem Parteitag der CSU die Kanzlerin vorzuführen. Es ging ihnen um politisches Getöse. An Ihnen ist die Einigung gescheitert!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Kreuzer hat in seiner Rede in Überschriften gesprochen und wieder einmal auf das Kleingedruckte verzichtet. Sie reden von Obergrenzen, ohne zu beschreiben, wie das Konzept aussehen soll. Was machen Sie mit dem 200.001 Flüchtling – einem Flüchtling, der mit zwei Kindern auf dem Arm nachts um halb zwei an der bayerischen Außengrenze erscheint? Weisen Sie den ab? Wohin soll die Familie gehen, wissend, dass die Mutter in Syrien im Bombenhagel ums Leben gekommen ist?