Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 23. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Ich heiße alle, die durchgehalten haben und fit sind, hier in diesem Hohen Hause willkommen. Glückwünsche sind heute nicht veranlasst.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Natascha Kohnen, Annette Karl u. a. und Fraktion (SPD) Transparenz bei Stromtrassenverhandlungen (Drs. 17/2668)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Stromtrassen - Umfassende Transparenz herstellen (Drs. 17/2673)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Erwin Huber, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) Verhandlungen über Stromtrassen (Drs. 17/2678)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Kohnen von der SPD. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Guten Morgen an alle, die es geschafft haben, heute früh aufzustehen. Die CSU ist nicht so zahlreich erschienen, aber das macht nichts. Mein zentraler Ansprechpartner ist da. Auch die Frau Wirtschaftsministerin ist da. Insofern sind wir für die Diskussion komplett, zumal auch Thorsten Glauber in seinem schicken Fußballshirt da ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakt 1: Im Juni 2013, vor einem Jahr, hat SchwarzGelb in Berlin den Bundesnetzausbau beschlossen, also auch den Trassenausbau in Bayern. Die CSU im
Bund wie im Land hat das in Regierungsverantwortung mit geplant. Fakt 2: Am 18. Dezember 2013 forderte die bayerische Wirtschaftsministerin Aigner mehr Tempo beim Netzausbau. Sonst drohe totaler Stromausfall. Das ist vor gut einem halben Jahr gewesen. Fakt 3: Anfang Februar 2014 äußerte der Bayerische Ministerpräsident seine Überraschung über die geplanten Trassenverläufe. Die seien mit ihm nicht abgesprochen. Ich würde sagen: Sonderbar, fast schon suspekt, da er sie selbst in Berlin geplant hat. Man könnte vermuten, es handele sich um einen Fall von Amnesie, aber wir wissen es nicht.
Seehofer schließt nun die Koalition mit dem Bürger, die er schon ein halbes Jahr vorher beim Stopp der Windkraft angekündigt hat. Die Kommunalwahl steht vor der Tür. Dafür braucht Seehofer den Bürger an der Wahlurne. Jetzt stelle ich Ihnen, Frau Aigner, und auch Ihnen, Herr Huber, die zentrale Frage: Wie soll denn die Energiewende in Bayern gehen? - Das fragt sich nicht nur die Opposition, sondern das fragen sich auch die Wirtschaftsverbände, die angesichts von Leitungsengpässen und rasant steigender Netzinstabilität in großer Sorge sind - und das schon seit Monaten. Es gibt seit fast einem Jahr kein gültiges Energiekonzept; es ist sang- und klanglos verschwunden. Die einstige Energieagentur im Wirtschaftsministerium ist still und leise aufgelöst worden. Der Energiebeirat der Energieagentur ist weg. Der Windkraft wird das Totenglöckchen geläutet, und zu den Stromleitungen heißt es: Nein, nicht in Bayern, aber durchaus in den anderen Bundesländern. Kurz gesagt: Die Energiewende befindet sich im totalen Blindflug.
Frau Aigner, Herr Huber – der Herr Ministerpräsident ist nicht da -, wir fordern Sie heute auf: Beenden Sie den Blindflug, kündigen Sie nicht ein Energiekonzept für September, ein Jahr nach der Landtagswahl, an, sondern legen Sie ab heute Ihre Überlegungen offen! Kündigen Sie nicht plötzlich Stromtrassen an – das haben Sie vor sieben Tagen getan -, nachdem Sie ganz Bayern fünf Monate lang in diesem Punkt ganz verrückt gemacht und überall versprochen haben, es werde keine Stromtrassen geben.
Wir fordern Sie auf: Legen Sie ab heute offen, welche Planungen und Überlegungen Sie zu den Stromtrassen haben. Nehmen Sie die Menschen endlich in aller Ehrlichkeit mit. Sie wissen, dass die Energiewende unser Land verändern wird. Man wird die Energiewende sehen. Die Leitungen werden über der Oberfläche verlaufen. Wir werden Windräder sehen – wir sehen
sie bereits -, wir werden Photovoltaikanlagen sehen – wir sehen sie bereits -, und wir werden auch Leitungen sehen. Doch müssen die Menschen vor Ort endlich verstehen und mit entscheiden, warum, wo und wie viel kommen wird.
Brauchen wir Leitungen? Ja oder nein? Wie viele? Warum, oder warum nicht? - Das alles sind Fragen, die Sie nicht beantworten. Erzeugen wir genug erneuerbare Energien in unserem eigenen Land? Wenn nicht, warum nicht? Ich nenne nur ein Stichwort: 10H-Regelung. Streuen Sie den Bürgern keinen Sand in die Augen, indem Sie eine Volksbefragung ankündigen, wenn es kantig wird, wie es der Ministerpräsident formuliert hat. Die Energiewende lässt sich nicht mit einigen Fragen beantworten. Dafür ist sie viel zu kompliziert, und das wissen Sie. Stellen Sie also keine Fragen, sondern beteiligen Sie umgehend die Bürger, die Wirtschaftsverbände, die Kommunen und die Politiker an den Planungen zur Energiewende.
Erklären Sie nicht, Sie würden in Berlin über neue Trassenverläufe verhandeln und gäben im September Bescheid, wie es laufen solle, und bis dahin würden Sie nichts verraten. Das hat übrigens Seehofer selber gesagt, der angeblich die Koalition mit dem Bürger will. Auf der anderen Seite hat er gesagt, er wolle bis September mit den Bürgern nicht sprechen. Das könnte man schon fast als schizophren bezeichnen. Das macht in Bayern keiner mit. Legen Sie die Verhandlungen offen, und erklären Sie, wie Sie sich die Energiewende tatsächlich vorstellen. Tun Sie das bitte ab heute, und lassen Sie sich dabei beraten. Frau Aigner, setzen Sie sich endlich durch.
Denn mal ehrlich, Frau Aigner: Ihr Ministerpräsident ist in Sachen Energiewende schon längst in der Sackgasse. Er hat sich schon komplett verkantet. Setzen Sie sich doch ans Steuer! Lenken Sie die Energiewende; denn Ihr Ministerpräsident ist seit einem Jahr dazu nicht mehr in der Lage. Wir machen mit.
Danke schön, Frau Kollegin. - Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die CSU-Fraktion zu ihrem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Als nächster Redner hat jetzt Kollege Thorsten Glauber von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Guten Morgen, Herr Präsident, verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Gäste im Haus! Die "Nürnberger Nachrichten" schrieben am Montag, dem 14. Juli 2014, die CSU habe sich im Trassenausbau völlig verheddert. Der Bayerische Ministerpräsident hat der Vizeministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin öffentlich per Zeitung einen Maulkorb umgehängt. Bis September solle über Trassenplanungen nicht mehr diskutiert werden. Schauen wir doch einmal zurück, wie die Debatte über die Trassenplanung verlaufen ist. Gehen wir zurück in das Jahr 2011. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was geschah denn im Jahr 2011? - Wir hörten hier, dass der Ministerpräsident in seiner Rede zu Fukushima sagte: Fukushima verändert alles. Bayern wird in Zukunft beim Umbau der Energieversorgung Spitzenreiter in Deutschland sein. – Das hat er damals hier gesagt. Was ist daraus geworden? - Die Staatsregierung hat uns zwar ein Energiekonzept vorgelegt. Es wird jedoch von der Wirtschaftsministerin, Frau Aigner, angezweifelt; im September will sie uns ein neues vorlegen. Angesichts dessen frage ich als Ingenieur: Was hat sich denn seit 2011 geändert? Was hat sich seit dem Ausstiegsbeschluss des Bundestages geändert? Fakt ist nach wie vor: Im Jahr 2015 wird das AKW Grafenrheinfeld vom Netz gehen. Im Jahr 2017 folgt der erste Block von Gundremmingen, im Jahr 2021 der zweite. Ich als Ingenieur stelle fest: Die faktische Lage hat sich im Vergleich zu der im Jahr 2011 nicht geändert.
Was haben die Minister dieser Staatsregierung in den vergangenen drei Jahren für die Energiewende getan? Im Jahr 2011 wurde das Energiekonzept "Energie innovativ" beschlossen. Ich stelle fest: Geändert hat sich nichts, außer dass anstelle des FDPWirtschaftsministers Frau Aigner in das Amt gekommen ist. Frau Aigner, Sie sind noch nicht so lange im Amt; daher will ich Ihnen nicht alle Fehler anlasten. Aber es kann nicht sein, dass Sie als neue Ministerin ankündigen, ein neues Konzept zu stricken. Das können Sie zwar gern tun; aber damit erzeugen Sie in der Wirtschaft und in der Bevölkerung große Unsicherheit, die Sie kaum noch eindämmen können.
Im Bundestag bzw. im Bundesrat stimmte die CSU – der Ministerpräsident an allererster Stelle – für die Hochspannungsübertragungsleitungen. Auch weil die Bevölkerung aufbegehrt, wollen Sie heute nichts mehr davon wissen. Ich kann verstehen, dass das für Sie unangenehm ist. Wenn wir alle aber im Jahr 2011 einen entsprechenden Beschluss gefasst haben, müssen wir ehrlich sein und der Bevölkerung sagen, dass sich das Gesicht Bayerns verändern wird. Sie haben uns ein Konzept vorgelegt, in dem Sie den Bau von fünf Gaskraftwerken in Bayern ankündigen. Das
muss für den Wirtschaftsstandort Bayern nicht das Schlechteste sein. Vielleicht sind es statt fünf großer 15 mittlere oder 100 kleinere. Letzteres wäre aus unserer Sicht ein Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort Bayern.
Wenn wir im Rahmen des Konzepts "Power to Gas" Strom in Gas umwandeln und das entstehende Methan im Gasnetz speichern, haben wir bei Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Drucks einen Energievorrat für 45 Tage; bei Erhöhung des Drucks verlängert sich der Zeitraum auf 60 Tage.
- Kollege Blume, der wirtschaftliche Erfolg läge in Bayern – das wissen doch auch Sie als bayerischer Wirtschaftspolitiker –, weil wir das Gas in Bayern verstromen würden und die Wertschöpfung vor Ort hätten.
Sie haben zehn Jahre gebraucht, um die Notwendigkeit des Breitbandausbaus zu verstehen und dafür 1,5 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen.
Für die Energiewende haben wir nicht so lange Zeit. Ich wiederhole: Im Jahr 2011 haben wir hier in diesem Haus politische Beschlüsse zur Energiewende gefasst. Wenn wir über ein neues Energiekonzept sprechen, dann geht es auf keinen Fall ohne eine klare Positionierung zur Trassenfrage. Wir werden es nicht akzeptieren, dass Sie die Trassendebatte in Hinterzimmern führen und uns irgendwann im September einen Plan auf den Tisch legen, mit dem wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Falls Sie an Ihrem Energiekonzept festhalten, brauchen Sie über die Trasse überhaupt nicht mehr zu sprechen. Dann arbeiten Sie aber bitte auch so; arbeiten Sie mit dezentralen Strukturen! Treffen Sie für Bayern keine 10-HRegelungen, die für die Wertschöpfung in unserem Freistaat völlig kontraproduktiv sind! Dann brauchen Sie die Trasse nicht zu ertragen.
Wir werden es, wie gesagt, nicht akzeptieren, dass die Verhandlungen in Hinterzimmern geführt werden und uns nach der Sommerpause, im September, irgendeine Trassenführung präsentiert wird. Der Clou ist: Falls Sie sich nicht zu einer politischen Entscheidung durchringen können, soll die Bevölkerung darüber entscheiden. Aber auf welcher Grundlage sollen die Bürger entscheiden, wenn Sie kein Konzept vorlegen? Worauf soll eine solche Entscheidung fußen?
- Aber die Bürger müssen vorher wissen, worüber sie abstimmen sollen. Herr Kreuzer, Sie müssen den Bürgern erklären, was Sie mit Ihrem Energiekonzept überhaupt erreichen wollen. Dann kann man die Bürger darüber abstimmen lassen. Aber so, wie Sie Energiepolitik betreiben, wird das nichts.
Eines noch: Es war richtig, dass der Bayerische Ministerpräsident gestern unsere Fußballer in München empfing. Das haben sie sich verdient. Klar ist aber auch: Wenn Jogi Löw unsere Mannschaft ohne Konzept hätte spielen lassen, hätten wir in dem Spiel gegen Brasilien sieben Tore bekommen. Leider betreibt die Staatsregierung ihre Energiepolitik genau so: konzeptionslos.
Danke schön, Herr Kollege. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die SPD-Fraktion zu ihrem Dringlichkeitsantrag ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt hat. - Jetzt hat Kollege Jürgen Baumgärtner von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Kohnen, Kollege Glauber, ich spreche zu dem Punkt, der auf der Tagesordnung steht, nämlich zu der Transparenz der Verhandlungen.
Meine Damen und Herren, es ist gut für die künftigen Generationen in Bayern und in ganz Deutschland, dass wir die Diskussion über die Stromtrassen führen. Grundlage ist unsere Entscheidung, aus einer Technologie, die nicht beherrschbar ist, auszusteigen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir diese Entscheidung gemeinsam vorangebracht haben. Ich darf das so formulieren -