Oskar Lafontaine

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der jetzigen Situation war es unvermeidlich, die Notbremse zu bedienen, das hat der Kollege Flackus bereits am Montag gesagt, ich wiederhole es hier noch einmal. Deshalb muss ich mich mit vielem, was der Ministerpräsident hier vorgetragen hat, nicht weiter beschäftigen.
Unsere Aufgabe ist es, darauf hinzuweisen, wo nach wie vor Fehler gemacht werden. Erstaunlicherweise war der Ministerpräsident heute sehr euphorisch. Wenn man die Regierungserklärung zusammenfasst, ist alles bestens gelaufen. Das sehen wir natürlich anders, aber nicht, weil wir als Opposition irgendetwas anders sehen, sondern weil auch in der ganzen Bundesrepublik, auch breit in der Öffentlichkeit und den Medien, darüber diskutiert wird, welche Fehler die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten gemacht haben. Natürlich weiß jeder, dass in solchen Situationen die Entscheidungen nicht einfach sind und, Herr Ministerpräsident, in solchen Situationen immer auch Fehler gemacht werden. Das ist schlicht unvermeidlich. Das gilt für die Wissenschaft, aber auch für die Politik. Wir sind ein lernendes System, und deshalb, ich muss es immer wieder sagen, brauchen wir auch Selbstkritik in dieser Situation, sonst kommen wir nicht zu vernünftigen Entscheidungen.
Damit komme ich zum ersten Punkt, der mir ein Anliegen ist. Herr Ministerpräsident, Sie haben sich einmal auf den demokratischen Rechtsstaat berufen. Wir hatten angeregt, dass das Parlament stärker beteiligt werden solle, dem haben Sie teilweise entsprochen. Was ich bis zum heutigen Tag nicht verstehe, ist, dass die Entscheidungen, die Sie letztlich getroffen haben, nicht vom Parlament abgesegnet werden oder auch nicht. In anderen Parlamenten ist das so. Warum gibt es hier im Saarland nicht eine Beschlussfassung im Landtag? Die Mehrheiten haben Sie ja, wir unterstützen die Maßnahmen der Landesregierung.
Ich rate auch deshalb, so vorzugehen, meine Damen und Herren, weil es Juristen geben könnte, die darauf hinweisen, dass die Einschränkungen so nicht ausreichend abgesichert sind. Ich merke das nur an, ob das so ist, weiß ich nicht. Aber der demokratische Rechtsstaat ist der erste Punkt, den ich ansprechen wollte.
Der zweite Punkt, da haben wir seit Langem eine Kontroverse, ist die sogenannte 7‑Tage‑Inzidenz, die Sie zum Hauptkriterium Ihrer Politik gemacht haben. Sie haben gesagt, dass es keine andere Möglichkeit
gibt, als auf diese Inzidenz zu schauen, und dass alle, die eine andere Sichtweise haben, falsch liegen.
Ich widerspreche dem grundsätzlich und will versuchen, das aufgrund Ihrer Ausführungen zu belegen. Sie haben stolz gesagt, die 7‑Tage‑Inzidenz ist von 171,5 am 01. November auf 123,8 am 30. November gesunken. Im gleichen Zeitraum ist auch die Zahl der aktiv Infizierten gesunken. Dies sei eine Veranlassung gewesen, Hoffnung zu schöpfen. - Da fehlt, Herr Ministerpräsident, eine ganz entscheidende Zahl! Es tut mir leid, aber wenn wir diese Zahl nicht heranziehen, ist diese Betrachtungsweise wertlos. Die entscheidende Zahl ist die Anzahl der Tests, die durchgeführt werden, und zwar pro Kopf der Bevölkerung! Wenn man diese Zahl nicht vorträgt, sind die Inzidenz-Zahlen für irgendeine Entschließung schlicht nicht heranzuziehen, das ist das Entscheidende.
Ich versuche, das verständlich zu machen. Nehmen wir die 50-Tage-Inzidenz. Wir haben zwei Landkreise, die ähnlich strukturiert sind, Merzig und St. Wendel. Der eine Landrat lässt bei 100.000 Einwohnern 1.000 Tests in der Woche machen - die absoluten Zahlen stimmen nicht, ich gebe nur ein Rechenbeispiel -, der andere 2.000 Tests in der Woche. Da dürfte doch klar sein, bei wem die 50-Tage-Inzidenz viel früher erreicht ist. Ich beziehe mich da auf den Nobelpreisträger Kahneman, der darauf hingewiesen hat, dass statistische Betrachtungen der Bevölkerung äußerst schwierig sind. Wir müssen wirklich, wenn wir solche Betrachtungen anstellen, auch die Anzahl der Tests angeben, und zwar pro Kopf, sonst führen diese Zahlen zu überhaupt keinem Ergebnis.
Wenn Sie Luxemburg betrachten, muss Ihnen doch auffallen, dass in Luxemburg die Zahlen deutlich höher sind! Nun könnte man sich zurücklehnen und sagen: „Oh, wir sind im Saarland ganz gut!“, und das war es dann. Man muss aber doch näher hinsehen! Es muss einen doch beschäftigen, warum die Zahlen dort deutlich höher sind. Da kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass die viel, viel häufiger testen. Wenn man nach anderen Zahlen sucht, landet man schließlich bei der Belegung der Intensivbetten, und dann merkt man, dass sich die Zahlen einander annähern.
Deswegen sage ich noch einmal, ich bin der Meinung, dass die Wissenschaftler, die sagen, wir brauchen eine Corona-Ampel, die mehrere Indikatoren ausweist als diese sogenannte 50er-Inzidenz, die beispielsweise die Belegung der Krankenhausbetten oder der Intensivbetten oder die Zahl der Beatmungspatienten oder der Todesfälle mit berücksichtigt, richtig liegen. Wir bleiben dabei, es wäre eine bessere Situation. Dann könnte man bei Betrachtung der Belegung der Intensivbetten und Beat
mungsplätze im Saarland sehen, dass die Situation zwar Anlass zur Besorgnis gibt, aber dass sie nicht so dramatisch ist, wie viele immer wieder sagen, weil sie immer nur auf eine Zahl starren und nicht auf diese Schlüsselzahlen. Das will ich hier einmal ganz deutlich sagen!
Dass es so eine Sache ist, mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten, beweist ja auch die Aussage, man habe nicht früher erkennen können, dass es so kommen würde. Es ist mehrfach in der überregionalen Presse gesagt worden - ich will niemandem zu nahe treten, ich weiß nicht, ob das in der Saarbrücker Zeitung auch mal gestanden hat ‑, dass in den letzten Wochen die Anzahl der Tests zurückgefahren wurde. Dann ist doch klar, dass dann niedrigere Ergebnisse kommen.
Die Physikerin Viola Priesemann, die am MaxPlanck-Institut arbeitet und der Pandemie-Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften angehört, sagt, es sei spätestens am 20. November klar gewesen, dass es nicht reichen würde. Unterstellt, diese Wissenschaftlerin - und sie ist immerhin in der Akademie der Wissenschaften - hat valides Zahlenmaterial, das heranzuziehen gewesen wäre, dann sind wir fast einen Monat zu spät. Ich sage das nur, um deutlich zu machen, wie schwierig es ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und um deutlich zu machen, dass aus der Wissenschaft zumindest unterschiedliche Ratschläge kommen und dass man daher immer wieder Veranlassung haben muss, die eigenen Entscheidungen zu überprüfen und verschiedene Auffassungen zu hören. - Ich habe also bisher zwei Punkte angesprochen, einmal die demokratische Frage, zum anderen die 50er-Inzidenz. Wir kritisieren die Haltung der Landesregierung zu beiden Punkten.
Ich komme jetzt zu einer Frage, die viele beschäftigt, nämlich der Frage der Altenheime. Da war es ja nun einmal so, dass es Kritik an der Landesregierung gab. Sie haben jetzt gesagt, alles sei bestens gewesen, sie hätten umfassende Vorkehrungen getroffen. Sie sprachen von einem „Protection Plan“, da schrillen bei mir immer schon alle Alarmsirenen, noch aus meinen Studienzeiten; wenn irgendein Professor unbedingt Fremdwörter verdichten musste, hatte man den Eindruck, er hat keine Ahnung, wovon er redet.
Sie haben es übersetzt, ja, ich danke Ihnen dafür. Aber es geht mir um etwas anderes, um die Mode, mit irgendwelchen englischen Begriffen irgendetwas zudecken zu wollen. - Ich sage Ihnen, was die Altenheime betrifft, sehen das alle ganz anders, als Sie das hier vorgetragen haben, zum Beispiel die Gewerkschaft Verdi, die die Beschäftigten dort vertritt. Nun muss man nicht alles nachbeten, was die Gewerkschaft sagt, aber das ist ein solcher Unter
schied zu dem, was Sie hier vorgetragen haben: „Wir haben hervorragend gearbeitet.“
Ich lese Ihnen mal vor, was der zuständige Gewerkschaftssekretär vor zwei Tagen gesagt hat: Die Lage in den Altenheimen, der Behindertenhilfe und den Krankenhäusern ist ernst. In Kleinblittersdorf sind bei der Lebenshilfe 124 der 200 Bewohner und 27 der rund 100 Mitarbeiter infiziert. Im Kreiskrankenhaus St. Ingbert sind 10 Prozent der Beschäftigten betroffen. Im Wallerfanger St.‑Kleinblittersdorf-Nikolaus-Hospital in der Geriatrie sind 32 Patienten und 20 Mitarbeiter betroffen. Jedes dritte Pflege- und Altenheim ist vom Virus befallen. Über 150 Kolleginnen und Kollegen sind erkrankt. - Er weist darauf hin, dass immer noch planbare Operationen ausgeführt werden. Das ist natürlich auch ein Widerspruch, das müssen Sie ja sehen. In einzelnen Bereichen sind Chefärzte, das weiß doch jeder, interessiert, möglichst viele Operationen durchzuführen! Und jeder weiß auch, warum. Und diese Operationen führen natürlich dazu, dass Personal auf der Intensivstation in Anspruch genommen wird. Darüber muss man doch reden, Sie haben ja einen Hinweis gegeben, darüber muss man reden. Deshalb ist der Hinweis des Verdi-Sekretärs richtig.
Ich kann nicht alles vorlesen. Er weist darauf hin: Nun erklärt alle Welt ihre Verbundenheit mit den Pflegepersonen, darunter auch jene, die jahrelang Krankenhaus für Krankenhaus geschlossen und Tausende Stellen vernichtet haben und die Krankenhäuser wie eine Fabrik führen, die gegen einheitliche Tarife auftreten und die unseren Pflegestreik als unmoralisch bezeichnen. - Man muss sich nicht den Standpunkt der Gewerkschaften allein zu eigen machen, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist doch klar, dass Pflegekräfte seit vielen Jahren fehlen. Es nützt daher nichts, dass wir den Pflegekräften danken, sondern, verdammt noch mal, wir brauchen jetzt einen Plan, wie viele Pflegekräfte wann aufgebaut und wann eingestellt werden!
Dabei weiß ich, dass die Ausbildung guter Pflegerinnen und Pfleger auf Intensivstationen eine lange Vorlaufzeit braucht. Man muss sich da hineinlesen. Mir hat der zuständige Gewerkschaftssekretär gesagt, man braucht fast sieben Jahre zur Ausbildung! Wenn wir das betrachten, wissen wir doch, in welcher Situation wir sind. Dann wissen wir auch, warum die Pflegerinnen und Pfleger an dieser Stelle sehr unzufrieden sind mit dem, was sich in den letzten Jahren da so entwickelt hat. Also wenn Sie wenigstens teilweise die Argumente des Verdi-Sekretärs akzeptieren, ist es eben nicht so, dass alles richtig gelaufen ist.
Ich habe die Wirtschaftsministerin hier links von mir.
Ich wollte Sie heute Morgen mal erfreuen. Der Ministerpräsident sitzt natürlich rechts von mir, wie es sich gehört.
Sie haben doch selbst kritisiert, dass im Gesundheitssystem nicht alles richtig gelaufen ist. Das ist doch nicht so schlimm. Sie haben das hier sogar verteidigt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU hat kritisiert, dass es bei der Bedienung der Schülerinnen und Schüler mit Bussen nicht richtig gelaufen ist. Das ist doch nicht so schlimm. Es ist dann nur zu spät angelaufen. Wir haben über die Belüftungsanlagen geredet und gerade über die Altenheime. Es ist doch nicht schlimm zu sagen: „Wir haben das eine oder andere versäumt.“ Wenn wir uns hier hinstellen und sagen: „Wir haben bestens gearbeitet, alles ist bestens vorbereitet worden“, dann reden wir an der Bevölkerung und an großen Teilen der Öffentlichkeit vorbei. Das möchte ich hier in aller Klarheit einmal sagen.
Bei den Altenheimen haben wir also einen erheblichen Nachholbedarf. Auch jetzt noch gibt es Altenheime, in denen nicht getestet wird. Das ist einfach die Wahrheit, darüber kann man nicht einfach hinwegtäuschen.
Mich würde eines interessieren. Wir kennen die Zahl der Toten. Mich würde jetzt wirklich mal interessieren, wie viele dieser Toten in den Pflege- und Altenheimen gestorben sind. Nur dann hat man doch in irgendeiner Form eine Ausgangsbasis, nur dann kann man einschätzen, ob unser Handeln dort richtig ist oder ob die Lage immer noch sehr besorgniserregend ist. Das ist eine ganz wichtige Zahl.
Ich bekomme immer diese wunderbaren Berichte, vielen Dank. Ich möchte Ihnen danken, Frau Ministerin Bachmann. Sie sehen, wie Sie Erfolg haben mit Ihrer Aufforderung, zu danken. Aber da würde ich gern, um die Zahlen einzuordnen, die Anzahl der Tests sehen. Ich habe das eben schon gesagt, diese Zahl habe ich noch nie gesehen. Luxemburg liefert das. Ich würde gerne einmal sehen, wie sich die Belegung der Intensivstationen im Jahresverlauf entwickelt, wie sich die Belegung der Beatmungsplätze im Jahresverlauf entwickelt, damit ich eine Grundlage habe. Dann würde ich auch gern etwas wissen zur Übersterblichkeit. Ich spreche hier noch einmal zur Statistik.
Es ist doch wirklich schon fast peinlich, dass dieses Boulevardblatt hier, was die Statistik angeht, von den deutschen Medienorganen mit am besten berichtet. All die Zahlen, die ich hier moniert habe, finden Sie dort, und Sie finden dort selbst bei der Übersterblichkeit in der Kalenderwoche 46 den Hin
weis, dass die 8 Prozent beträgt, das sind abgerundet 19.000, aber Sie finden dort auch den ganz wichtigen Hinweis, dass von diesen 19.000 nur 1.400 auf Corona zurückzuführen sind. Mal unterstellt, dass diese Zahlen richtig sind, dann sind das doch Statistiken, von denen man etwas ableiten kann! Solange man bei den Zahlen nicht differenziert, hat man keine ordentliche Grundlage, um politische Entscheidungen zu treffen. Es war mir wichtig, das hier einmal anzumerken.
Also noch einmal: Unsere Zahlenkolonnen sind nicht unbedingt ausreichend, sie sind zumindest lückenhaft. Deshalb müssen wir uns weiter anstrengen. Das ist ja auch Gegenstand unseres Antrages, nämlich den Schutz der Alten im Saarland zu verbessern. Wenn wir uns an der Wissenschaft orientieren - ich habe Ihnen ja einiges dazu gesagt -, dann muss man wissen, dass es in der Wissenschaft unterschiedlichste Auffassungen gibt. Was sollen wir denn sagen, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt? Soll man sagen: „Ich schließe mich der Meinung dieses Wissenschaftlers an, dessen Nase gefällt mir besser."? Ich kann nur sagen, ich finde es gut, dass es unterschiedliche wissenschaftliche Auffassungen gibt, und ich finde es gut, dass diese unterschiedlichen wissenschaftlichen Auffassungen öffentlich diskutiert werden. Denn Wissenschaft heißt letztendlich eben auch, Fehler zu machen und diese Fehler zu korrigieren. Deshalb brauchen wir gegenteilige Positionen. Und deswegen möchte ich einmal all denjenigen danken, die den Mut hatten, als Wissenschaftler der herrschenden Lehre zu widersprechen. Ich will das in aller Klarheit sagen!
Ich will das sogar mal an einem Namen deutlich machen. Der Chefvirologe der letzten Monate, Herr Drosten, hat mir aus verschiedenen Gründen nicht sonderlich imponiert, weil er auch zu wenig Selbstkritik geübt hat. Er hat beispielsweise zu Beginn der Pandemie gesagt, wir brauchen keine Masken, die sind nutzlos. Da habe ich gedacht: Hat der sie noch alle? - Ich bin zwar kein Virologe, das möchte ich zu meiner Entschuldigung sagen, trotzdem habe ich gesagt: Hat der sie noch alle? Denn jeder, der Alltagserfahrung hat, weiß, dass es nicht gut ist, wenn ich jemandem die volle Ladung meines Hustens oder meines Niesens ins Gesicht hineinpfeffere. Also wie kommt der auf sowas? Bei der Schweinegrippe hat er die Empfehlung gegeben, weltweit zu impfen, und damit lag er gründlich daneben! Die Entwicklung bei der Schweinegrippe war in doppelter Hinsicht anders als bei Corona. Zum einen ist sie dann doch im Sande verlaufen, und zum anderen sind insbesondere in Schweden erhebliche Folgewirkungen des Impfens eingetreten. Wenn man also solche Erfahrungen hat, wäre es doch ganz gut, dass man dann ein bisschen selbstkritisch ist. Und wenn er dann sagt, die Empfehlungen seiner Kolle
gen Streek oder Schmidt-Chanasit zur Ampel müsse er zurückweisen, ist das für mich nicht unbedingt ein Anlass, zu sagen: Ja, wenn der Drosten das sagt, dann wird das richtig sein. - Also ich bin froh, dass es Leute mit abweichenden Meinungen gibt.
Ich möchte noch einmal auf die Pflegeheime zu sprechen kommen. Ich hatte in der letzten Sitzung den Tübinger Bürgermeister erwähnt. Das ist durch die ganze Bundespresse gegangen. Dann ist herausgekommen, dass dort eine CDU-Politikerin im Kreistag und Notärztin namens Lisa Federle die erste war, die im April gesagt hat, wir müssen in den Alten- und Pflegeheimen systematisch testen.
Sie rufen ständig dazwischen. Im Bundestag bekämen Sie dafür einen Rüffel. Ich sage das nur einmal. - Sie war Ihnen schlicht und ergreifend weit voraus. Frau Ministerin, Sie müssen auch einmal lernen, Selbstkritik zu üben und nicht nur zu danken und zu loben und glücklich zu sein, dass Sie Ministerin sind. Das genügt nicht.
Selbstkritik ist wirklich notwendig. Bei den Altenheimen im Saarland sind Fehler gemacht worden, sonst gäbe es nicht so viele Infektionen und Todesfälle.
Da begrüße ich, dass auch aus der SPD-Fraktion ab und zu deutliche Hinweise kommen, dass man mit der Vorgehensweise nicht ganz zufrieden ist. Das ist kein ungebührlicher Angriff auf die Ministerin. In diesem Fall stehen wir alle - die Opposition eingeschlossen - in der Verantwortung. Wenn wir Fehler machen und auch in unserem Aufgabenbereich Fehler hervorgehen, dann sind wir mitverantwortlich, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden. Falsche Entscheidungen führen zu Todesfällen. Deswegen sind wir alle gehalten, höchste Sorgfalt anzuwenden. Dafür werbe ich in diesem Kontext.
Nun möchte ich noch etwas zur Fortführung in diesem Punkt sagen. Natürlich kann man die Zukunft nicht vorausplanen in dem Sinne, dass man alle Eventualitäten kennt und alles weiß. Wir haben zum Beispiel die Diskussion um das Impfen. Da gibt es wiederum die unterschiedlichsten Sachen. Zum Beispiel hat sich der Bundesgesundheitsminister weit aus dem Fenster gehängt und gesagt, dann und dann seien wir mit 60 Prozent durch. Sofort gab es erheblichen Widerstand von anderen unter Verweis auf die jetzt vorhandenen Zahlen. Das wird es in Zukunft geben. Aber dem Bundesgesundheitsminister muss ich zumindest ein Kompliment machen, dass er mehrfach seine eigenen Fehler zugegeben hat. Er hat jetzt gesagt: Ich habe hinausposaunt, wir wer
den den Einzelhandel nicht mehr schließen; ich muss also dieses Wort fressen. Es ist anerkennenswert, wenn einer einen Fehler zugibt. Das will ich einmal unterstreichen.
Beim Impfen hoffen wir natürlich alle, dass sich die Erwartungen erfüllen, die damit verbunden sind. Im Interesse der Menschen wäre das sehr gut. Es ist auch sehr gut, dass man bei denen von mehr als 80 Jahren beginnt. Jetzt kommt das erste Problem, das jetzt in Frankreich diskutiert wird. In den Altenheimen hat man Umfragen gemacht. Ein Drittel ist dafür, ein Drittel ist unentschieden oder zögernd und ein Drittel ist strikt dagegen. Dieses Problem werden wir nicht nur in Frankreich haben.
Es ist die Frage, wie wir mit all diesen Dingen umgehen. Was ist denn, wenn beispielsweise beim Pflegepersonal dasselbe auftritt? Ich habe hier keine perfekte Antwort. Ich will nur die Frage stellen und sie niemandem als Vorwurf präsentieren. Ich will sie nur zum darüber Nachdenken stellen. So sehr ich dafür bin zu werben, dass sich die Leute impfen lassen, insbesondere die Älteren - ich habe Ihnen gesagt, wenn ich 30 wäre, würde ich es nicht machen -, so sehr möchte ich doch darum bitten, dass wir nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es bei der Impfung auch Risiken gibt.
Das ist ein erhebliches Problem, denn natürlich können die Langzeitfolgen nicht bekannt sein. Wenn einer das sagt, dann ist er nicht jemand, der gegen die Impfung sein will; das ist nur redlich. Intellektuelle Redlichkeit und Wahrhaftigkeit sind in dieser Situation besonders geboten, weil wir das Vertrauen der Bevölkerung doch nur gewinnen, wenn wir wirklich den Eindruck erwecken, wir geben ihr die Informationen, über die wir verfügen, damit die Leute selber urteilen können.
Zur Langfristplanung möchte ich einen Hinweis geben, der mir auch erst vor 14 Tagen gekommen ist, weil ich immer wieder darüber gegrübelt habe, was man noch machen kann. Da ist mir Folgendes durch den Kopf gegangen: Was ist denn, wenn sich wider Erwarten herausstellen würde, dass die Impfung dann doch nicht so gut ist, wie wir alle hoffen? Ein verantwortlich Entscheidender müsste das doch dann zumindest überlegen.
Es gibt dazu einen sehr interessanten Artikel in der FAZ, der dieses Thema in dem Sinne behandelt. Demnach weisen große Teile der pharmazeutischen Industrie - natürlich die, die nicht an den Impfdosen beteiligt sind, darunter große Konzerne - darauf hin, dass es richtig gewesen wäre, mit genauso vielen Fördermitteln Entwicklungen zu unterstützen, infolge derer Tabletten produziert werden, die die Ausbreitung des Virus im Körper sofort stoppen.
Würde es also gelingen, solche Tabletten zu haben, dann wären wir ein erhebliches Stück weiter. Sie kritisieren, dass die Forschungsministerin - also der Bund ist in erster Linie angesprochen - auf der einen Seite große Mittel aufgewandt hat, um die Impfentwicklung zu fördern. Auf der anderen Seite ist bei der Förderung solcher Projekte vergleichsweise wenig Geld ausgegeben worden. Ich will daher für unsere Fraktion sagen, die Entwicklung solcher Tabletten - ich sage es in der Sprache des Volkes -, die die Ausbreitung des Virus stoppen würden, wäre ein erheblicher Durchbruch und würde der Bevölkerung ebenfalls helfen.
Es könnte zum Beispiel denen helfen, die es aus welchen Gründen auch immer ablehnen, geimpft zu werden. Es könnte insbesondere den älteren Jahrgängen helfen, die sagen, ich traue mich doch nicht so. Hier ist also eine erhebliche Lücke. Ob die einmal auf Bundesebene besprochen worden ist, weiß ich ja nicht. Das wissen Sie besser als ich. Ich wollte es hier aber angesprochen haben.
Was uns in der nächsten Zeit Probleme machen wird, sind die Ungerechtigkeiten, die entstehen. Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nicht wissen, was am 10.01. ist. Das weiß kein Mensch. Stimmt. Es sollte auch keiner so tun, als wüsste er das. Aber eines müssen wir doch überlegen: Wie lange wollen wir das wirtschaftlich verkraften? Das ist eine wirklich ernstzunehmende Frage. Deshalb sind Alternativkonzepte gemacht worden. Wenn die Bild-Zeitung schreibt, die 7-Tage-Inzidenz von 50 wird man auch in Monaten nicht einhalten, und wenn ein Professor, der früher stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsbeirates beim Ministerium in Berlin war, sagt, das ist völlig unrealistisch, sich solche Ziele vorzunehmen, dann könnte er ja recht haben. - Könnte.
Aber es ist die Frage, was wir mit der Wirtschaft machen. Wir haben zum Beispiel die Produktion richtigerweise nicht stillgelegt. Dabei geschieht das jetzt freiwillig, wie wir heute gelesen haben. Das Handwerk haben wir richtigerweise auch nicht stillgelegt. Dann kommen die einzelnen Berufssparten, die wir stillgelegt haben. Beim Einzelhandel wird sich auch mancher fragen - ich spreche von den Ungerechtigkeiten -, warum sie schließen müssen und Amazon jetzt bombig ins Geschäft kommt. Ich weiß, das ist ein Thema in der Bevölkerung. Die Gewerkschaften weisen darauf hin, dass einzelne Amazon-Zentren Hotspots sind. Wieso bleiben die weiter offen? Wieso werden Einzelhandelsgeschäfte geschlossen, die ordentlich gearbeitet haben und denen man nicht nachweisen kann, dass von ihnen eine Gefahr ausgeht? Das ist eine Frage.
Damit komme ich noch einmal zu unserem Kernthema. Das ist jetzt keine Kritik - ich habe das beim letzten Mal auch schon so gemacht - nur an der saarländischen Landesregierung, die mittelfristig gesehen die geringsten Möglichkeiten hat. Aber wenn zum Beispiel ein größeres Land wie Bayern, das beim Tönen immer ganz vorne ist, die Möglichkeit hätte, repräsentative Untersuchungen zu machen, dann sollte es das doch machen. Das wurde ja einmal angekündigt, aber es liegt nichts vor. Ich habe gesagt, es wäre doch gut, wenn wir irgendwelche Arbeiten vorliegen hätten, die sagen würden, dort ist die Ausbreitung besonders gefährlich, dort ist sie weniger gefährlich und dort ist sie praktisch ungefährlich. Es gibt solche Ansätze. Aber für die Entscheidung, die wir jetzt getroffen haben, fehlt es an repräsentativem Material. Wir haben das von Anfang an gefordert. Ich mahne es erneut an.
Es gibt kein gründliches wissenschaftliches Arbeiten ohne verwertbare Daten. Ich glaube, dazu habe ich jetzt wirklich einiges gesagt.
Natürlich ist es gut, dass man den Leuten hilft. Sie haben sich dafür eingesetzt; ich habe das beim letzten Mal anerkannt; ich erkenne es wieder an. Aber es gehört dazu zu sagen, dass im Bundeswirtschaftsministerium - ich sage jetzt einmal nicht, wer es leitet, um dieses Geheimnis nicht zu lüften - gesagt wird, aufgrund eines Softwarefehlers können die Hilfen viel zu spät ausgezahlt werden. Das ist einfach ärgerlich. Deswegen darf man sich nicht wundern, wenn in der Wirtschaft der Unmut steigt. Das ist ja keine Böswilligkeit; da darf man sich aber nicht wundern.
Dabei denke ich nicht in erster Linie an Betriebe, denen es besonders gut geht. Ich denke in erster Linie immer an die, die auf der Kippe stehen. Ich versuche, mir vorzustellen, wie es mir ginge, wenn ich in der Situation wäre. Diese Zahl nimmt ja zu. Die haben in der Regel keine starke Lobby und können sich in der Regel auch nicht großartig zur Wehr setzen.
Dasselbe gilt natürlich für die kleinen Leute, wie das immer so schön heißt. Ich habe schon davon gesprochen. Ich erwähne es trotzdem immer, weil über sie so gut wie gar nicht gesprochen wird. Warum sieht man nicht, in welchen Problemen diejenigen sind, die ganz niedrige Löhne haben und jetzt vielleicht auch noch in Kurzarbeit sind? Da kann ich nur sagen, es müsste doch im Bundestag - also nicht hier - gelingen, eine Mehrheit zustande zu bringen, um denen eine größere Zuwendung etwa beim Kurzarbeitergeld und so weiter zukommen zu lassen.
Das ist doch wirklich notwendig. Ich habe gelesen, dass im Bundestag die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Bonus für ihre Belastung bekamen. Das ist alles wunderbar. Aber ich möchte sagen, diese Mitarbeiter sind überwiegend im Homeoffice. Es gibt viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen es wirklich dreckiger geht und die solche Boni nicht bekommen. Wir als Politiker müssen vorsichtig sein, dass wir das Vertrauen der Menschen nicht verspielen. Deshalb habe ich das ganz kurz angesprochen.
Die soziale Lage muss immer wieder ein großes Thema sein. Wenn ich es jedes Mal ‑ ‑ Ich sehe, es blinkt rot. Das soll wahrscheinlich eine Sympathiebekundung sein.
Die soziale Lage muss ein großes Thema sein; sie ist es Gott sei Dank außerhalb vieler Beratungen sehr wohl. Wenn ich zum Beispiel Schlagzeilen lese - das wird die große Aufgabe der nächsten Zeit sein ‑ ‑
Was bedeutet diese Anzeige? Habe ich noch 5 Minuten?
Ach so. Dann ist es doch nur eine Sympathiebekundung. Es blinkt hier so, als wenn ich mich in einen Gefahrenbereich begeben würde.
Wenn ich Schlagzeilen sehe, dass jetzt die Vermögenswerte wieder explodieren, also vor allen Dingen Aktien und andere Titel in der Finanzwelt, dann stelle ich mir die Frage, wie das bei Menschen ankommt, die so betroffen sind, wie ich das gerade gesagt habe. Die Vermögenspreise, so nennt man das, also die Preise für die Güter, die die Vermögenden haben, schießen nach oben. Ich hatte immer Amazon oder so als Beispiel genannt, aber es gibt viele Amazons. Man braucht nicht nur Amazon. Dass die Vermögenspreise nach oben schießen, ist in der Situation doch unglaublich.
Außerdem öffnet sich in dieser Situation auch noch die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Deswegen sage ich sicherlich für einen Teil dieses Hauses, wie es so schön heißt: Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Lasten. Da müssen diejenigen, die starke Schultern haben - wie das wunderbare Beispiel immer sagt -, mehr tragen als die, die schwache Schultern haben. Auf Deutsch: Man muss sich endlich an eine ordentliche Belastung der Vermögenden herantrauen.
Ich habe das schon beim letzten Mal gesagt. Ich sage noch einmal, da handelt es sich nicht um Umverteilung - das ist ein großes Falschwort der politischen Linken und damit überhaupt in Europa -, sondern um Rückverteilung.
Wenn man nicht begreift, dass das Rückverteilung ist, dann begreift man eben nichts und es geht endlos so weiter. Diese absurden Zahlen, die immer wieder nach oben gehen, werden endlos weiter steigen. Das sollte doch jedem, der um Gerechtigkeit bemüht ist, ein Anliegen sein.
Die Zusammenfassung ist also wie folgt. Mir ging es heute nicht darum, unbedingt die Regierung pauschal anzugreifen oder sonst irgendetwas. Mir ging es ernsthaft darum zu sagen, bitte versuchen wir jetzt eine Fehlererkennung. Das ist doch die Systematik in jeder Arbeit, die man überhaupt macht. Versuchen wir, die Fehler zu sehen, und versuchen wir, sie auszubügeln. Ich habe das demokratische Problem angesprochen. Ich habe das Problem in den Altenheimen angesprochen. Uns ist das soziale Problem ein besonderes Anliegen. Ich sage es, dann können Sie mich irgendwann noch einmal darauf ansprechen. Wenn die soziale Spaltung immer weitergeht, dann destabilisiert sich die Gesellschaft weiter. Das ist ein Problem der gegenwärtigen Situation. Dann destabilisiert sich die Gesellschaft weiter, woraufhin die demokratische Ordnung in Gefahr ist. Das alles sollte uns doch ein Anliegen sein, sozial gerecht vorzugehen und unsere demokratische Ordnung zu stabilisieren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich eine gute Tradition, dass die Opposition zuerst das Wort ergreifen darf. Dennoch wissen Sie ja, dass ich aus verschiedenen Erfahrungen spreche. Also so oppositionell wird es dann auch wieder nicht zugehen.
Ich beginne, wenn wir darüber nachdenken, was wir für unser Land tun müssen, nicht mit einer eigenen Einschätzung, sondern mit der der Saarbrücker Zeitung, die ja bekanntlich nicht unbedingt zu den heftigsten Feinden dieser Landesregierung gehört. Sie machte sich im Oktober dieses Jahres Gedanken darüber, was wir an Aufgaben vor uns haben; da wurden fünf Gründe genannt, warum wir uns um das Saarland sorgen müssen. Das war ein großer Artikel, den man mal nachlesen kann.
Da wurden als Gründe ganz simpel vermerkt: Erstens die Bevölkerung schrumpft und altert, zweitens die Industrie des Landes kämpft, drittens das Geld für Investitionen fehlt, viertens die Armut verfestigt sich und fünftens der Mut zu Reformen fehlt. Sie sehen, wenn Sie sich diese fünf Gründe einmal zu Gemüte führen, dass wir vor gewaltigen Aufgaben stehen. Ähnlich hatte sich das Institut der Deutschen Wirtschaft Mitte letzten Jahres geäußert, als es das Saarland zu den Problembereichen der Bundesrepublik zählte. Professor Hüther kommentierte diese Einschätzung damit, dass, wenn nichts geschehe, sich eine gefährliche Abwärtsspirale entwickeln könne. Und der Geschäftsführer der hiesigen Industrieund Handelskammer sagte dazu: Das größte Problem des Landes sind die öffentlichen Finanzen. Weil die öffentlichen Finanzen so in Unordnung sind, ist die Investitionsquote viel zu gering. - Damit ist das weite Feld unserer Arbeit gut beschrieben.
Es ist die Frage, was auf der finanziellen Seite, zu der der Kollege Flackus ja bereits einiges gesagt hat, die Hauptaufgabe ist. Die erste Hauptaufgabe ist die, den gewaltigen Schuldenberg wegzukriegen. Wir haben das immer wieder gemeinsam gesagt, wir haben auch im Vorfeld der Bund-Länder-Finanzvereinbarungen davon geredet, dass wir einen Altschuldenfonds brauchen. Die damalige Landesregierung ist damit nicht durchgedrungen, aber damit ist das Problem nicht erledigt. Deswegen müssen wir - Herr Kollege Thielen, ich denke immer an Sie, wenn ich so etwas wiederhole, Sie haben davon gesprochen, dass Sie Déja-Vu-Erlebnisse haben, aber leider komme ich nicht umhin, das immer wieder zu sagen - uns klar sein darüber, dass wir dieses Problem lösen müssen und dass dies das entscheidende Problem ist. Das ist im Anschluss an Ihre Einführung, Herr Präsident, keine Boshaftigkeit der Opposition, sondern der Berg ist einfach da, jeder sieht ihn. Wir müssen damit umgehen.
Daraus folgt unmittelbar das zweite Problem, nämlich, dass wir die Investitionsquote pro Kopf der Bevölkerung steigern müssen. Es hat keinen Sinn, Herr Finanzminister, wenn wir die Investitionsquote auf den Landeshaushalt beziehen. Man kann das ja einfach darlegen. Wenn ein kleiner Mann, der ein Monatsgehalt von 1.000 Euro hat, sich ein Auto für 5.000 Euro kauft, hat er natürlich in diesem Jahr eine hohe Investitionsquote. Wenn ein Fußballprofi sich einen großen Schlitten kauft für 100.000 Euro oder mehr, dann hat er eine äußerst geringe Investitionsquote, aber daraus kann man nicht zwingend schließen, dass es dem kleinen Mann viel besser geht als dem Fußballprofi. Also solche Relativierungen führen uns nicht weiter. Wir haben eine viel zu große Lücke gegenüber den anderen Ländern, ich habe das hier immer wieder angeführt. Es ist auch ganz entscheidend, dass wir uns klar darüber werden, dass es wenig bringt, wenn wir sagen: Die Bertelsmann-Studie hat dieses ergeben und es gibt auch andere Studien.
Wir beziehen uns hier auf die Statistik des Bundesamtes, dem man nicht unterstellen sollte, dass es gerade gegenüber einem Land besonders bösartig ist. Da liegen wir hinten. Das wird zudem dadurch gestützt, dass wir beim Wachstum in den Jahren 2010 bis 2018 - das sind die Zahlen, die derzeit zur Verfügung stehen - ebenfalls den letzten Platz belegen. Das erwähne ich nicht, um mich daran zu freuen oder zu sagen, dass die Landesregierung schlecht gearbeitet hat und die Opposition alles viel besser wüsste. Ich fächere es nur auf, damit wir wissen, womit wir es zu tun haben, was unsere Aufgaben sind, und dass wir keine Veranlassung haben, uns die Dinge schönzureden. Immer wieder ist es die Versuchung der Regierung, die Dinge viel zu schön darzustellen. Die Versuchung der Opposition ist es, zu kritisieren und alles schlechtzureden. Deshalb habe ich mich bei meinen Ausführungen auf die hiesige Regionalzeitung und das Institut der deutschen Wirtschaft, das normalerweise nicht zu meinen Kronzeugen gehört, gestützt. Diese beiden Einschätzungen beschreiben die Größe des Problems, vor dem wir stehen.
Damit bin ich bei der Frage, was zu tun ist. Es geht um die Ankündigungen, die Sie gemacht haben. Unter anderem geht es darum, die besonderen Ausgaben im Rahmen der Corona-Situation, die wir grosso modo alle unterstützen, zu hinterfragen, und zwar in dem Sinne, wie lange es derart weitergehen soll. Dazu werde ich nachher Stellung nehmen. Es hat keinen Sinn, das im Rahmen der Haushaltsdebatte aufzurufen. Die Ankündigungen, die schwarze Null und die Schuldenbremse wieder einzuführen, sind aus unserer Sicht äußerst problematisch. Die jetzige Situation hat gezeigt, dass wir mit solch dogmatischen Festlegungen überhaupt nicht weiterkommen. Der alte Keynes, über den der eine oder andere von Ihnen sicherlich einmal etwas nachgelesen hat, hat
te mit einer ganz platten Einschätzung recht. Er hat gesagt, dass der Staat gegenhalten muss, wenn die Wirtschaft runtersaust, und dass er sparen und in die Zukunft hinein planen muss, wenn die Wirtschaft läuft.
Mehr ist es eigentlich nicht. Sie machen im Grunde genommen jetzt genau das, was der alte Keynes gesagt hat. Sie halten massiv dagegen. Wir unterstützen das. Das ist richtig. Abgesehen von den Forderungen ist endlich die Altschuldenfrage zu lösen und eine Investitionsquote pro Kopf zu erreichen, die vergleichbar mit den Investitionsquoten der schwächeren Länder ist. Unserer Meinung nach sind die schwarze Null und die Schuldenbremse deshalb nach wie vor unsinnig.
Die Erkenntnis der Sozialdemokraten, dass diese Festlegung eine Investitionsbremse sein muss, ist nach wie vor richtig. Insofern will ich das hier nur einmal in aller Klarheit feststellen.
Es ist schön, dass wir uns da einig sind. Mir geht es nicht darum, irgendwelche Dinge aufzurufen, die so oder so gefällig sind. Nein, das ist einfach so. Deshalb will ich es hier noch einmal ansprechen. Wir haben eine Reihe von Festlegungen, die wir hier sehen.
Ich komme zu der Frage, was mit unserer Industrie ist. Wir waren hier an der Saar immer stolz darauf, ein Industrieland zu sein. Wir haben eine große Tradition. Diese Tradition hat die Kultur dieses Landes geprägt. Wir haben vor Jahren den Bergbau verabschiedet. Wir waren in den Neunzigerjahren stolz darauf, dass es uns gelungen ist, die Stahlindustrie wieder zu stabilisieren. Auch jetzt in der Stahlkrise hat sich gezeigt, dass es immer gut ist, darauf hinzuarbeiten, dass die Finanzen eines Unternehmens stabil sind, und zwar so stabil, dass sie in schlechteren Zeiten immer noch eine Grundlage darstellen, um weiterarbeiten zu können. Insofern war die Formel, die damals ausgegeben worden ist, dass das Geld, das verdient wird, im Land bleibt, die richtige Formel. Diese Formel hat sich bewährt, wenn man die saarländische Stahlindustrie mit anderen Stahlindustrien in Deutschland beziehungsweise anderen Unternehmen in Deutschland oder Europa vergleicht.
Insofern sind wir mit dieser Ausgangsposition zufrieden. Wir sind auch damit zufrieden, dass sich am Horizont wieder Dinge abzeichnen, die ich folgendermaßen beschreiben möchte: Es scheint so zu sein, dass die Konjunktur wieder einigermaßen in Gang kommt und wir die Talsohle vielleicht überwinden. Dazu, inwieweit das gelingt, wäre noch viel zu
sagen. Im Interesse der Beschäftigten hoffen wir immer, dass diese Ankündigungen wahr werden.
Ich will zur Stahlindustrie noch einen Gedanken in Erinnerung rufen, der wirklich wichtig ist. Wir alle sind natürlich schnell dabei, zu sagen, dass wir grünen Stahl brauchen. Wer hat etwas dagegen? - Man muss aber einfach wissen, dass mit grünem Stahl Milliardeninvestitionen verbunden sind. Ich denke dabei an die Kostenstruktur auf Dauer. Nehmen wir an, dass wir am Ende sehr guten grünen Stahl hätten. Ich sehe, dass in der CDU-Fraktion bei diesem Gedanken, der bekannt ist, genickt wird. Meine Sorge ist allerdings, dass wir die Frage vernachlässigen, was die Kunden dazu sagen. Die Kunden wollen nicht unbedingt in erster Linie grünen Stahl. Das muss man einfach wissen. Die Kunden wollen hohe Qualität und preiswerten Stahl. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, sonst könnten wir uns in die falsche Richtung bewegen.
Neben der Stahlindustrie haben wir in den letzten Jahren auch mit der Automobilindustrie unsere Probleme gehabt. Sie ist auch ein großer Schwerpunkt unserer Industrie gewesen beziehungsweise ist es immer noch. Dass die Automobilindustrie in der Krise ist, braucht hier nicht besonders begründet zu werden. Dass wir sehen müssen, wie wir uns in dieser Krise behaupten, ist keine Frage.
Große Sorge bereitet mir die Produktion in den Ford-Werken am Standort Saarlouis. Die Frage ist, was wir tun können, um die Produktion zu stabilisieren. Auch hier ist die Antwort zunächst einmal, dass einem immer die Investitionen Auskunft darüber geben, welche Chance ein Unternehmen hat, sich in Zukunft am Markt zu behaupten. So sehr wir im Interesse der Beschäftigten in Köln begrüßen, dass dort wieder große Investitionen getätigt worden sind, so sehen wir mit Sorge, dass die Investitionen hier ausbleiben. Deshalb kann ich von hier aus nur an die Ford-Werke appellieren, zu erkennen, dass dieser Standort einmal als das beste Werk in Europa bezeichnet worden ist. Ich selbst habe das vom Chef der Ford-Company in Detroit gehört. Daraus ergibt sich für die Ford-Company die Verpflichtung, dem im Sinne der Beschäftigten Rechnung zu tragen.
Die Beschäftigten haben über Jahre gute Arbeit geleistet. Man kann nicht einfach nur entscheiden, ein Kostensenkungsprogramm zu machen, dem Standorte zum Opfer fallen. Das haben diejenigen, die zu den Gewinnen des Unternehmens über viele Jahre beigetragen haben, nicht verdient. Wie gesagt habe ich das von dem damaligen Geschäftsführer in Detroit selbst gehört. Wir haben Anstrengungen unternommen. Was die Ford-Werke angeht, haben wir den sogenannten Supplier Park gebaut. Allerdings
nenne ich ihn lieber Zulieferpark, weil diese Anglizismen mich manchmal nerven. Dieser Zulieferpark war für die Ford-Werke damals ein Argument, weiter zu investieren und die Produktion am Standort aufrechtzuerhalten. Auch dies muss hier anerkannt werden. Regionale Wirtschaftsförderung darf nicht so enden, dass wir Leistungen erbringen, diese in Anspruch genommen werden und es damit dann endet. Nein, es ergibt sich daraus eine gegenseitige Verpflichtung. Ich appelliere noch einmal an die Ford-Werke, diese Vorleistung, die das Land und die Belegschaft erbracht haben, entsprechend zu würdigen.
Dass wir bei anderen Unternehmen der Automobilzulieferer Probleme haben, will ich hier nur einmal in Erinnerung rufen. Ich nenne Halberg Guss, und zwar nicht, um die ganze Diskussion noch einmal aufzumachen, sondern schlicht und einfach um neben Schuldenbremse und schwarzer Null auch zu erwähnen, dass wir uns darüber freuen - ich habe das hier schon einmal gesagt -, dass die Landesregierung, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, es aber längerfristig Zukunftschancen hat, jetzt bereit ist, zur Überbrückung eine staatliche Beteiligung in Erwägung zu ziehen. Wir halten es nach wie vor für den richtigen Weg, 25,1 Prozent anzupeilen, um entsprechende Rechte zu haben.
Hierbei geht es um schwierige Situationen eines Unternehmens, nicht um einen Dauerzustand. Das halten wir für den richtigen Weg und begrüßen, dass dies jetzt Grundlage der Politik der Landesregierung ist. So besteht nämlich die Möglichkeit, einzelne Unternehmen zu retten. Das habe ich immer begründet, indem ich gesagt habe, dass es nicht sein kann, dass der chinesische Staat hier Unternehmen rettet und der deutsche Staat, in diesem Fall das Saarland, Unternehmen über dieses Instrument der Beteiligung nicht rettet.
Nun haben wir in den letzten Tagen aufgrund einiger Zukunftserwartungen Hoffnung schöpfen können. Unter anderem meine ich damit die Ankündigung eines chinesischen Investors, hier eine Batteriefabrik aufzubauen. Da wir als Opposition eigene Maßstäbe haben, sage ich ausdrücklich, dass das ein Erfolg der Landesregierung ist. Wir gratulieren und hoffen, dass das Unternehmen vorwärtskommt und es im Interesse unserer Landsleute hier an der Saar gut ausgeht.
Es wäre kindisch, einer Landesregierung einen Erfolg zu missgönnen. Das wäre eine absolute Albernheit. - Nach diesen Vorbemerkungen will ich sagen, dass wir uns im Bereich der Elektromobilität positio
nieren müssen und bei dieser Positionierung immer berücksichtigt werden muss, dass andere Länder in Deutschland bereits solche Produktionsstandorte haben. Ich denke an die großen Ankündigungen in Brandenburg, an unser Nachbarland RheinlandPfalz, an Thüringen, Bayern, Niedersachsen und so weiter. Ich freue mich beziehungsweise wir freuen uns, dass das Saarland nachgezogen und aufgeholt hat. Wir hoffen, dass das ehrgeizige Projekt, eine günstigere Zusammensetzung der Batterien zu finden, aufgeht. Das wäre ein Wettbewerbsvorteil. An dieser Stelle möchte ich an die Maxime erinnern, die ich hier schon einmal vorgetragen habe. Wenn wir uns schon in dieser schwierigen Situation befinden, die ich ausreichend geschildert habe, dann gibt es eine Maxime, nämlich dass wir punktuell etwas anderes machen müssen als die übrigen Bundesländer. Wenn wir eine Produktion hinbekommen, die bei der Zusammensetzung der Batterie beispielsweise eine andere Komponente aufweist, wäre das eine ganz gute Entwicklung.
Gleichwohl, also trotz der Ansiedlung hier, plädiere ich für Technologieoffenheit. Wir wissen nicht, wie das ausgehen wird. Das muss man sagen. Wir wissen es nicht. Wir können die Entwicklung des Marktes nicht vorhersehen. Wir hoffen, dass es gut ausgehen wird, wissen es aber nicht. Deshalb war es für mich eine erfreuliche Mitteilung, dass Bosch in Homburg Brennstoffzellen produzieren will. Das ist ebenso ein Hoffnungssignal für unser Land wie das, was ich eben angesprochen habe. Wir begrüßen das außerordentlich. Da möchte ich der Belegschaft und der IG Metall ein Kompliment machen. Sie haben dafür gekämpft und gesagt, dass wir hier eine Zukunftsperspektive brauchen. Sie haben das erreicht.
Von unserer Seite möchte ich der Belegschaft und der IG Metall ein Kompliment dafür aussprechen, dass sie so hartnäckig waren und immer wieder darauf hingewiesen haben, dass auch Bosch an der Saar über viele Jahre gut gearbeitet hat und hier eine Zukunftsperspektive gegeben ist. Nun stellt sich die Frage, was man aus dieser Entwicklung lernen kann. Ich will einen Hinweis geben, der mir wirklich wichtig ist. Vielleicht stößt er bei Ihnen auf Skepsis, aber ich will ihn trotzdem geben. Aus der Entwicklung, dass es beispielsweise zwei Staatsbetriebe gibt - und zwar chinesische Staatsbetriebe -, die hier zwei Automobilzulieferer retten, beziehungsweise aus der Entwicklung, dass ein größeres chinesisches Unternehmen - ich denke, es ist eine Muttergesellschaft - hier eine Batterieproduktion aufbauen will, und aus der Tatsache, dass bei Bosch die ursprünglichen Pläne, die Arbeitszeiten deutlich zu reduzieren, nicht aufrechterhalten worden sind, weil die Chinesen ihre Wirtschaft mittlerweile wieder in
Gang gebracht haben und neue Aufträge generieren, würde ich den Schluss ziehen - das richte ich als Appell an die Landesregierung -, die Zusammenarbeit mit China zu verstärken und zu intensivieren.
Das ist keine Feindseligkeit gegenüber einer anderen „Wirtschaftsmacht“. Wenn es einen guten Investor aus den Vereinigten Staaten gibt, begrüßen wir den hier selbstverständlich genauso. Und wenn es einen guten Investor - dazu komme ich später noch aus dem bösen Russland gibt, würden wir den hier auch so begrüßen. Wir sollten uns wirklich als europäische Investoren beziehungsweise europäische Regionalregion verstehen. Wir sollten in der Tat in einer Situation, in der Wirtschaftsmächte miteinander rivalisieren, unsere eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Das heißt, die Chancen ergreifen, die sich bieten, um Arbeitsplätze hier an die Saar zu holen und neue Produktionen aufzubauen.
Das lege ich der Landesregierung wirklich nachdrücklich ans Herz. Damit ist in den Achtzigerjahren schon begonnen worden. Damals ist eine ganze Reihe von Kontakten nach China geknüpft worden. Sie haben allerdings bis dato keine größeren Erfolge gebracht. Ich hatte damals die Ehre, mit dem Generalsekretär einer chinesischen Partei in Peking über diese Frage zu reden. Ich erwähne es nur deshalb, weil es gut ist, in solchen Situationen Ansprechpartner in China zu haben. Der entsprechende Ansprechpartner war Minister für Technologie. Das war mir besonders wichtig. Allerdings ist dieser Minister für Technologie im Zuge der politischen Auseinandersetzungen nach den Unruhen in Peking Opfer dieser politischen Auseinandersetzungen geworden. Derartigen Risiken ist man ausgesetzt. Einen solchen Ansprechpartner zu haben, wäre allerdings gut für unser Land, denn aus eigener Kraft alleine, wenn wir hier sitzen, können wir das nicht bewältigen. Deshalb sage ich das hier und stelle Ihnen anheim, einmal darüber nachzudenken. Auf jeden Fall finde ich, dass wir an dieser Stelle hier an der Saar ein gutes Stück - ich kucke gerade einmal, wie die Zeit ist ‑ ‑
Es kommt mir auf meine eigene Zeit an. Diese hätte ich hier gerne gesehen.
Noch 20 Minuten?
Vielen Dank. Entschuldigung, ich sehe das hier nicht. Ich will meinen Kollegen nämlich keine Redezeit stehlen. Sie müssen auch noch die Gelegenheit haben, Dinge vorzutragen.
Ich komme zu dem nächsten Projekt, das wir Ihnen immer wieder ans Herz gelegt haben. Es geht um den Leuchtturm Medizintechnik. Wenn wir uns die Frage gestellt haben, in was wir in Zukunft investieren können, haben wir immer wieder gesagt, dass es der Bereich Medizintechnik sein sollte. Das haben wir bereits in den Achtzigerjahren aufgebaut. Das entsprechende Fraunhofer-Institut ist hierhergekommen. Ich erwähne das Helmholtz-Institut. Hierbei haben Förderbeträge des Bundes eine Rolle gespielt. Das ist der richtige Weg. Soweit die Landesregierung Erfolge erreicht, unterstützen wir das und erkennen das auch an. Aus unserer Sicht müsste allerdings noch ein Zahn zugelegt werden. Deswegen haben wir einen Antrag gestellt, vielleicht einen kleinen Fonds aufzulegen, um einen Zahn zuzulegen. Nach unserer Auffassung ist Medizintechnik nach der Informatik ein Bereich, in dem man sich engagieren kann und bei dem man die große Chance hat, langfristig stabile Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sicher, dass Sie angesichts der aktuellen Entwicklung alle zustimmen werden, dass diese Aussage auf jeden Fall von Dauer ist. Wenn die Menschheit älter wird, werden wir im Bereich der Medizintechnik in den nächsten Jahren auf jeden Fall immer wieder die Möglichkeit haben, zusätzliche Beschäftigung zu schaffen.
Ich komme zur sozialen Entwicklung an der Saar. Meiner Meinung nach muss man in einer solchen Debatte wenigstens ein paar Worte dazu sagen. Es ist bekannt, dass ein Saarländer im Monat im Schnitt 500 Euro weniger hat als der Kollege mit dem Durchschnittslohn in der Bundesrepublik. Das ist für uns keine zufriedenstellende Feststellung. Es sind im Jahr immerhin 6.000 Euro - brutto wohlgemerkt. Natürlich ist in diesem Zusammenhang die Eigenheimquote et cetera zu berücksichtigen. Das stimmt alles. Dennoch sollte es unser Ziel sein, hier an der Saar ähnliche Lohnentwicklungen wie in der Bundesrepublik zu haben. Ich glaube, dem kann jeder hier zustimmen.
Zweitens - da sind wir beziehungsweise die jeweils Regierenden auch etwas mitverantwortlich - heißt es, dass jeder vierte Beschäftigte bei uns prekär beschäftigt ist. Das kann uns doch gerade in der jetzigen Situation nicht gleichgültig sein. Gerade in der jetzigen Situation erleben wir, welch existenzielle Gefährdung die prekäre Beschäftigung für die davon Betroffenen bedeutet.
Ich habe das hier schon ein paar Mal angesprochen. Situationen von Personen, die prekär beschäftigt sind und schließlich noch mit Kurzarbeitergeld zurechtkommen müssen, sowie Situationen von Personen, die beispielsweise im Gastronomiegewerbe vor der Tatsache stehen, in nächster Zeit vielleicht überhaupt keine Beschäftigung mehr zu haben, zeigen, welches Ausmaß an Gefährdung die prekäre Beschäftigung mit sich bringt. Da kann ich nur immer wieder auf Pierre Bourdieu zu sprechen kommen. Er ist schon lange verstorben, aber hat das richtig gesehen. Er sagte, dass jemand, der prekär beschäftigt ist, eine erhebliche Einschränkung seines Lebens hat, da er im Grunde genommen die Zukunft nicht mehr planen kann. Die Zukunft nicht mehr planen zu können, führt zu einer wirklichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Man braucht nicht großartig Philosoph zu sein, um sich das klarmachen zu können.
Wenn man am Monatsende immer Angst hat, die Miete oder bestimmte Rechnungen nicht bezahlen zu können, oder man rechnen muss, was man in den Supermärkten noch einkaufen kann, dann stellt das eine Situation dar, aus der wir herauskommen müssen. Wir haben uns viel zu sehr daran gewöhnt, meine Damen und Herren. Ein Land mit diesem Reichtum kann sich eine andere Lohnstruktur leisten.
Das ist einfach so und es ist schade, dass wir in den Denkkategorien bereits so verhärtet sind, dass wir im Grunde genommen gar nicht mehr merken, was da über viele Jahre eigentlich gelaufen ist. Dabei kann ich mich immer noch sehr aufregen, wenn ich daran denke, dass wir alle - ich sage „wir“, nicht „ihr“ - gegenüber dieser Entwicklung zu gleichgültig sind und zu wenig Anstrengungen unternehmen, diese Entwicklung wirklich zu verändern. Das erlebe ich täglich, wenn ich die Gelegenheit habe, mit Leuten zu reden, die in dieser Situation sind. Sie sagen immer ein und dasselbe: Für uns macht sowieso niemand was. - Das beschreibt zusammengefasst die Entwicklung der letzten Jahre. Es besteht eine große Gefahr, auf die ich wirklich aufmerksam machen möchte. Wenn das immer so weitergeht, dann ist
das ein Einfallstor für autoritäre Strukturen und für Rechtspopulisten. Es gibt Personen, die wie ich die Nachkriegszeit und die Verwerfungen zur Nazizeit noch durch direkte Erzählungen der älteren Generationen intensiv miterlebt haben. Die Auseinandersetzungen gab es noch. Es ging darum, warum alles versäumt beziehungsweise nicht verhindert wurde. Dazu kann ich nur sagen, dass wir alle Anstrengungen unternehmen sollten, um das Einfallstor für rechte Entwicklungen in der Gesellschaft zu schließen. Das sollte uns allen ein Anliegen sein.
Ich schaue auf meine Redezeit. Es wären natürlich noch viele andere Dinge anzusprechen wie das Schienennetz et cetera. Ich habe vorhin eine Bemerkung gemacht, was Russland angeht. Wir sollten uns daran erinnern, dass ein großes Unternehmen an der Saar dort erhebliche Investitionen getätigt hat, nämlich Globus. Und wir sollten uns daran erinnern, dass ein Unternehmen an der Saar, das ich vorhin angesprochen habe, intensive Beziehungen mit Russland hatte. Auch hier trifft zu, dass es nicht weiterführt, sich ideologisch immer wieder in eine Richtung mit etwas auseinanderzusetzen. Unsere moderne Welt braucht Zusammenarbeit und Kooperationen. Zusammenarbeit und Kooperationen dienen auch dem Frieden. Wir sollten unseren kleinen Beitrag, den wir leisten können, dazu leisten.
Ich fasse zusammen. Ich habe mit meinen Ausführungen nicht versucht, zu sagen: Alles schlecht, Opposition gut, Regierung böse. - Ich habe versucht, ein nüchternes Bild aufzuzeigen, wie unsere Lage ist. Ich habe auch neue hoffnungsvolle Entwicklungen angesprochen, die wir hier gesehen haben, damit das nicht so kleinkariert rüberkommt. Wir haben allerdings einen großen Berg vor uns, den wir erklimmen müssen, den wir überwinden müssen. Dazu wünsche ich dem Saarland ein herzliches Glückauf!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man zu Anfang einer solchen Debatte spricht, wird man oft angesprochen. Man kann nicht auf alle Argumente eingehen, aber zu drei Punkten möchte ich etwas sagen. Zunächst komme ich zum E-Sport, der in der Debatte schon mehrfach genannt wurde. Wir sehen eine ganz andere Situation als die, die Sie hier vorgetragen haben, Herr Kollege Funk. Es geht dabei nicht um eine Neiddebatte. Alle, die uns angesprochen haben, sagen etwas ganz anderes. Ihrer Meinung nach soll die Jugend sich bewegen, ihren Körper einsetzen und trainieren. Die anderen sagen, dass sie nicht wollen, dass psychische Abhängigkeiten beim Spiel noch gefördert werden. Das sind ernsthafte Argumente. Insofern ist Neiddebatte hier wirklich das falsch Wort.
Mich haben die Briefe, die uns erreicht haben, beeindruckt. Ich halte sie überwiegend für überzeugend, um das einmal zu sagen. Es geht nicht um die Größenordnung, es geht um die ganz wichtige Struktur. Es geht nicht um Neid, es geht um die Bewegung. Dafür ist der Sport da. Es geht zudem darum, dass man psychische Abhängigkeiten nicht noch unterstützt. Sie haben von Ihrer Erfahrung als Vater gesprochen. Wenn man manchmal sieht, in welchem Umfang die Jugend Spiele in Anspruch nimmt, wie sie oft stundenlang vor dem Computer sitzt und bestimmte Spiele spielt, so sind das ernsthafte Argumente.
Das Zweite, das Sie angesprochen haben, ist die Statistik, mit der man lügt. Es geht unter anderem darum, dass die Saarländerinnen und Saarländer im Schnitt 500 Euro weniger verdienen. Ich weiß nicht, was für eine Absicht es da geben sollte, jemanden irgendwie zu belügen oder so. Was Sie zu Facharbeitern gesagt haben, habe ich in der letzten und vorletzten Debatte angesprochen. Das ist alles bekannt. Die 500 Euro können Sie allerdings nicht wegdiskutieren. Wir beziehen uns auf die Zahlen der Arbeitskammer. Sie ist dazu da, uns als Abgeordnete zu beraten. Wenn es heißt, wir hätten einen Abstand von 14 Prozent zum Bund, dann sollten Sie das ernst nehmen und es nicht vom Tisch wischen,
verehrter Herr Funk. Sie haben sich gemeldet, Sie können dazu nachher noch etwas sagen.
Ich komme auf den Kollegen Dörr zu sprechen. Die Zahl, die seit Jahren überall von uns vorgetragen wird, dass ein Rentner in Deutschland verglichen mit Österreich durchschnittlich 800 Euro weniger hat im Monat wohlgemerkt -, ist derart gewaltig, dass man es eigentlich gar nicht glaubt. Wir halten das für einen Skandal. Es wäre allerhöchste Zeit, da einmal irgendetwas zu machen, aber seit Jahren passiert nichts.
Nun kommen wir zu einer entscheidenden Größe, der Investitionszahl pro Kopf. Sie haben das hier wieder angesprochen, Herr Ministerpräsident. Ich halte Ihre Position für unklug. Ich will auch sagen, warum. Sie beziehen sich nicht auf das Statistische Bundesamt. Dort sind die Zahlen klar. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich mich auf das Statistische Bundesamt beziehe, weil ich nicht unterstelle, dass das Statistische Bundesamt irgendjemandem Gefälligkeiten erweisen will. Eventuell wollen Sie das aber nicht gelten lassen. Ich hielt es für klug, dass sich Ihr Innenminister, Herr Kollege Minister Bouillon, einmal darauf bezogen hat und den letzten Platz des Landes und der Kommunen, was die Investitionen angeht, erwähnt hat. Es ist noch nicht lange her, ich habe den Artikel hier. Dahinter stand ein klares Ziel. Er wollte aufgrund dieser beiden Zahlen weitere Hilfen für das Saarland. Das ist doch vernünftig.
Ich habe zum Beispiel mit Schrecken zur Kenntnis genommen, dass es hieß, die Länder müssten sich jetzt zusätzlich an Mitteln beteiligen, die bisher der Bund aufgebracht hat. Ich habe mich gefragt, ob wir diese Situation vielleicht nutzen können, um das Land etwas positiver zu positionieren, und war der Meinung, dass da zumindest einmal Söder und die wohlhabenden Länder gefordert sind, nicht die finanzschwachen Länder. Wenn Sie aber sagen, dass wir im guten Mittelfeld der finanzschwachen Länder liegen, dann erweisen Sie dem Saarland einen Bärendienst, weil Sie das entscheidende Argument bei Verhandlungen aus der Hand geben. Da wird jeder sagen, dass Sie keine Zuwendung mehr brauchen, wenn es Ihnen so gut geht, da Sie bereits im Mittelfeld liegen. Das ist wirklich unklug.
Bleiben Sie dabei. Das Statistische Bundesamt ist für uns der Ausgangspunkt. Wenn es nicht das Statistische Bundesamt ist, dann eben die Arbeitskammer. Dem neuesten Bericht zufolge sind wir nur auf dem zweitletzten Platz, was die Länder angeht. Was die Gemeinden betrifft, sind wir auf dem letzten Platz. Wenn Sie das mit dem Bundesdurchschnitt vergleichen, sind es über 200 Euro mehr pro Kopf.
Wenn Sie das auf die Bevölkerung umrechnen, ist das genau das, was die Industrie- und Handelskammer immer wieder über viele Jahre gesagt hat. Es sind im Jahr 200 Millionen an Investitionsmitteln, die uns fehlen. Sie sollten das anerkennen und sollten von dieser Zahl ausgehen, und zwar im Interesse des Landes, weil Sie dann in einer viel besseren Verhandlungsposition sind als der, die Sie hier aufmachen, weil Sie meinen, dass das die Dinge kurzfristig in das rechte Licht rücken würde.
Ich sage es noch einmal: Wir müssen wirklich statistisch vorgehen. Sie machen immer denselben Fehler, wenn Sie hier sagen, dass wir die Investitionen um 22 Prozent gesteigert hätten. Ich muss Ihnen sagen, dass das nichts aussagt. Es ist zwar schön, aber wenn die Bayern die Investitionen in diesem Kontext zum Beispiel nur um 15 Prozent gesteigert hätten, dann wäre das insgesamt für die bayerische Bevölkerung viel wichtiger und - wenn man so will viel verbessernder als bei uns. Man muss mit den Zahlen einfach richtig umgehen können. Wenn der kleine Mann - um es nur einmal zu sagen - 22 Prozent mehr gibt, dann ist das schön, das ist eine große Anstrengung. Er muss sich leider aber immer auch mit den Bessergestellten vergleichen. Wir müssen das Bundesland mit den anderen Bundesländern vergleichen.
Wenn wir hier diese Zahlen nennen - ich habe versucht, das in meinem Vortrag deutlich zu machen -, dann nicht, um Ihnen am Zeug zu flicken. Wir nennen diese Zahlen, um deutlich zu machen, dass wir als Saarland einen finanziellen Nachholbedarf haben. Wir haben in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit erhebliche Vorleistungen für andere Länder erbracht. Es gibt ein weiteres Problem. Sie weigern sich, die Verhandlungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich als sehr, sehr mager zu bezeichnen. Ich habe immer wieder versucht, das deutlich zu machen. Wenn es so ist, dass wir 200 Euro im Jahr pro Kopf weniger ausgeben, dann ist das auf Dauer eine unhaltbare Position. Deshalb sollten Sie an dieser Stelle Ihre Schönfärberei aufgeben.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Kürze der Zeit will ich mich kurzfassen. Zu Ihren Ausführungen, Herr Ministerpräsident, habe ich wenig zu sagen. Die Situation ist klar. Das, was Sie vorgetragen haben, ist im Großen und Ganzen nachvollziehbar. Ich will drei Probleme ansprechen, die ich für wichtig halte. Das Erste betrifft wie immer die Zahlen, auf die wir uns beziehen.
Ich will das einmal erläutern. Wenn wir eine Inzidenz von 50 anpeilen, ist natürlich enorm wichtig, dass wir zumindest wissen, wie viele Tests gemacht worden sind, weil die Zahlen sonst nicht miteinander vergleichbar sind. Ich habe immer unseren Nachbarn Luxemburg im Auge. Ich hatte festgestellt, dass sie deutlich höhere Zahlen haben als wir. Irgendwann habe ich dann erfahren, wie viel getestet wird. Dann war mir klar, weshalb sie höhere Zahlen haben müssen. Sie testen einfach viel mehr. Das ist logisch. Irgendwann habe ich Informationen über die Belegung der Intensivbetten erhalten. Diese Belegung korreliert in etwa, also die Einwohnerzahl des Saarlandes und die Einwohnerzahl Luxemburgs betreffend. Deshalb noch einmal mein Hinweis, dass man das immer wieder bedenken sollte. Ich orientiere mich in erster Linie an der Belegung der Intensivbetten und der Beatmungsplätze. Es sind 55 und 26. Das ist der letzte Bericht, den ich habe. Damit habe ich relativ sichere und brauchbare Zahlen. Ich halte das für einigermaßen akzeptabel, sofern man einen solchen Begriff anwenden kann. Sie wissen, was ich damit meine.
Ich komme zur Einordnung der Zahlen. Neuerdings kommt ein anderer Begriff dazu, wenn wir die Todeszahlen sehen, die ich auch immer wieder angeführt habe. Jetzt haben wir über 300. Wir sind natürlich besorgt aufgrund dieser Zahlen. Die Frage ist, wie man sie einordnen soll. Ich hatte Ihnen bei meinem ersten Vortrag schon gesagt, dass es irgendwie etwas mit den gesamten Atemwegsinfektionen zu tun hat. Ich hatte gesagt, es seien 851. Jetzt sind wir also bei 306, wenn ich das richtig im Kopf habe. Entscheidend wird sein, wie das am Schluss miteinander in Bezug gesetzt wird. Haben wir eine deutliche Übersterblichkeit ob der Atemwegsinfektionen oder haben wir sie nicht? - Das ist entscheidend, sonst kann ich das nicht bewerten. Interessanterweise hat jetzt ein Boulevardblatt zum ersten Mal diese Relation beziehungsweise diesen Versuch der Einordnung geliefert, indem für die Kalenderwoche 45 eine Übersterblichkeit von 5 Prozent angegeben wird. Dann weiß ich etwas damit anzufangen. Ich sage das generell nicht an die Adresse von irgendjemandem gerichtet. Dann weiß ich, dass bei uns an der Saar in der Woche 260 Menschen sterben. 5 Prozent ist leicht auszurechnen. Es wären dann 13 Menschen in der Woche, die mehr gestorben wären. Dann weiß man, über welche Größenordnungen man redet und wie man das Ganze bewerten muss. Das kann uns nicht gleichgültig lassen, aber die Frage ist, was wir tun können, um die Dinge zu verbessern. Sie haben Ihre Maßnahmen vorgetragen. Ich habe gesagt, dass das im Großen und Ganzen nachvollziehbar ist. Ich muss das deshalb nicht großartig kommentieren.
Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass die Hälfte unserer Toten - von denen rede ich jetzt - im Altersheim gestorben ist. Heute habe ich einen interes
santen Bericht über Tübingen gelesen. Der eine oder andere wird ihn auch gelesen haben. Dort sind es 89.000 Einwohner, neun Altenheime und 1.000 Pflegeplätze. Ich sage das, damit man eine Relation hat. Es ist also etwa ein Zehntel von dem, was wir haben, sogar noch etwas weniger. Der dortige Oberbürgermeister hat gesagt, dass sie eine andere Herangehensweise haben, dass sie sich auf die Alten konzentrieren, Schnelltests machen und Masken ausgeben. Er hat weiterhin gesagt, dass sie keinen einzigen Fall haben. Das hat mich sehr beeindruckt und es führt mich zu der Frage, ob wir nicht in einer ähnlichen Intensität hier bei uns an der Saar herangehen können, was die Alten- und Pflegeheime angeht. Ich merke an, dass ich das nicht sage, um irgendjemanden anzugreifen oder an den Pranger zu stellen. Es sollte uns allerdings umtreiben. Es hat mich beeindruckt. Wenn das in Tübingen mit solchen Maßnahmen geht, ist doch die Frage, ob wir eine solche Vorgehensweise auch hier bei uns angehen sollten.
Der nächste Punkt, den ich anspreche - das ist ein Punkt, über den wir schon eine Zeit lang ringen -, ist die Frage, mit welcher Dauer wir rechnen. Sie erinnern sich, als ich das erste Mal hier war, habe ich den einen oder anderen vielleicht noch provoziert, als ich gesagt habe: Jetzt machen wir das vier Wochen, was ist dann? - Das nächste Mal waren es wieder vier Wochen. Was ist dann? - Von Anfang an war ich überzeugt, dass sich dieses Virus ähnlich verhält wie die anderen Erkältungsviren, die wir kennen. Das heißt - ich sage das mit dem Vorbehalt, dass es auch anders sein kann -, ich rechne damit, dass es in den März und April hineingeht. Da stellen sich doch andere Fragen. Es ist nur einmal eine Anregung, die ich hier geben möchte.
Ich habe gelesen, dass die Industrie- und Handelskammer anmerkt, dass man die Betriebe im Tourismusgewerbe noch einen Monat schließen könne, die Branche aber wissen möchte, wie es danach weitergeht. Das können wir ja nicht ewig sagen. Da stellt sich doch eine Frage. Deswegen komme ich noch einmal auf die Gaststätten zurück. Sie stehen aber auch für Kulturveranstaltungen und so weiter. Was antworte ich einem Gastwirt, der zu mir sagt, er sei schon drei Monate lang das Opfer, müsse seinen Laden dichtmachen und könne nichts verdienen, und fragt, weshalb man beispielsweise eine Plastiktütenfabrik nicht stilllegt und ob seine Gaststätte so viel weniger wert sei als diese Plastiktütenfabrik. Ich wundere mich sowieso, dass das noch nicht vor Gericht ausgetragen worden ist. Es geht um die Gleichgewichtigkeit, die man eigentlich ansprechen müsste.
Um das noch stärker zu verdeutlichen, führe ich etwas an, was man mir in einer Debatte gesagt hat. Die Rüstungsbetriebe laufen weiter. Sie sind scheinbar dringend notwendig. Das sind Überlegungen, die
in der Bevölkerung angestellt werden, auf die wir reagieren müssen. Ist nicht auch das Gastgewerbe darauf angewiesen, dass wir einen anderen Plan machen? - Ich habe selbst noch keine Lösung. Ich habe nur gesagt, dass ich es beim Vorliegen eines guten Hygienekonzeptes für vertretbar halten würde. Das mag man anders sehen. Ich gebe es hier nur einmal zu bedenken, weil wir jetzt - das ist mein Petitum - darüber reden müssen, was in drei Monaten ist. Wir müssen ganz energisch darüber reden, dass wir an diejenigen denken müssen, die so existenziell betroffen sind. Wir müssen natürlich an die Menschen denken, die sterben, wenn nicht vorgesorgt wird, aber auch an die Menschen, deren berufliche Existenz verlorengeht. Das ist die Anregung, die ich hier geben möchte. Ich halte es für richtig, wenn der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer sagt, dass seine Branche nach dem Jahreswechsel eine Perspektive braucht. Da hat er recht. Darauf brauchen wir eine Antwort. Diese kann man nicht aus dem Hut zaubern, aber er hat recht, dass wir darauf eine Antwort geben müssen.
Ich fasse zusammen: Wir müssen einfach sehen, dass wir eine ganze Zeit mit diesem Virus leben müssen, und zwar länger, als viele vielleicht gehofft haben. Es ist nun einmal so. Wir können dieser Tatsache nicht aus dem Weg gehen. Es zeigt sich ja, wie schnell sich die Diskussion innerhalb von 14 Tagen auch bundesweit verändert hat. Also müssen wir reagieren.
Was die Altersheime an der Saar angeht - mit dem Verweis auf Tübingen - und was die Gaststätten angeht - mit dem Verweis auf die Forderung der Industrie- und Handelskammer - wollte ich diese Debatte zum Anlass nehmen, anzuregen, dass wir versuchen, hier ein Stück weiterzukommen, um diese Fragen vielleicht besser zu beantworten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt spannend, aber ich will Sie natürlich nicht allzu lang in Anspruch nehmen. Wenn eine Debatte einen Sinn hat - gerade bei dieser Fragestellung -, muss man präzise werden. Es sind nämlich aufgrund mangelnder Präzision einige Missverständnisse aufgetaucht. Es ging zunächst einmal um die Übersterblichkeit. Herr Kollege Hecker, wer genau zugehört hat, konnte feststellen, dass das, was Sie vorgetragen haben, nicht deckungsgleich mit dem ist, was ich vorgetragen habe. Die Erklärung ist aber ganz einfach. Die Übersterblichkeit, die ich vorgetragen habe, bezog sich auf drei Jahre. Es war also nicht nur das eine Jahr, von dem Sie gesprochen haben, sondern andere normale Jahre. Insofern ist das aufgeklärt. Sie haben aber durchaus recht, dass es - nach meiner Auffassung - zulässig ist, das Grippejahr 2017/2018 mit der heutigen Situation zu vergleichen. Es lag damals sehr wohl ein Grippeimpfstoff vor, aber der, der mehrheitlich geimpft worden ist, war falsch. Nur eine Minderheit, zu der auch die Abgeordneten des saarländischen Landtags gehörten, wurde damals richtig geimpft. Man sieht, dass man dort um sehr viel Präzision bemüht sein muss, um die Dinge klarzustellen. Das soll einfach nur ein Debattenargument sein, mehr nicht. Ich möchte damit niemanden widerlegen.
Wir haben einen Dissens, Herr Ministerpräsident, was nicht heißen muss, dass der eine recht und der andere unrecht hat. Wir haben einen Dissens. Ich glaube nicht - und da zitiere ich eine ganze Reihe von Wissenschaftlern -, dass es gelingen wird, in dieser Phase noch einmal zur Kontaktnachverfolgung durch das zur Verfügung stehende Personal zurückzukommen. Das ist der Dissens. Wir werden es in den nächsten Wochen und Monaten sehen. Wenn man unter diesen Voraussetzungen noch die unterschiedliche Anzahl der Tests sieht, ist der Anspruch fragwürdig. Mehr ist es nicht, was ich seit einigen Wochen versuche vorzutragen. Das ist meine Überzeugung. In dieser schwierigen Situation orientiere ich mich an den drei Zahlen, die ich immer wieder nenne: Intensivstationen, Beatmungsplätze und Todeszahlen. Deshalb ist es wichtig zu sagen, dass wir uns an diesen Zahlen orientieren. Ich habe immer wieder gesagt, dass es Virologen gibt, die das für richtig halten. Das heißt aber auch nicht, dass das die einzig richtige Meinung ist. Die Argumente dieser Virologen haben mich aber überzeugt. Wenn
Sie die Inzidenz von 50 und die Kontaktnachverfolgung ins Zentrum stellen, ist das ein entscheidender Punkt. Deshalb sage ich, dass es eine ganze Reihe von Leuten gibt, die bestreiten, dass das richtig ist. Mehr sage ich nicht. Ich habe nur ein paar Argumente dazu genannt.
Sie und auch der Kollege Jung haben gesagt, dass das Personal limitiert ist. Das ist richtig. Welche Konsequenz ziehen wir daraus? - Das ist ein entscheidender Punkt. Deshalb spreche ich das noch mal an, sonst hätte ich mich gar nicht mehr zu Wort gemeldet. Ich hatte bei meinem ersten Beitrag darauf hingewiesen, dass 2018 die Gewerkschaft gesagt hat, dass 3.000 Pfleger fehlen. Das muss nicht unbedingt genau diese Zahl sein, vielleicht sind es nur 1.000 oder 2.000. Wir können nicht wissen, ob das Virus mutiert und wir nächstes Jahr wieder in derselben Situation sind. Die Konsequenz ist doch, dass wir diesen Engpass überwinden müssen. Das ist für mich entscheidend. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir diesen Engpass überwinden müssen. Es haben einige Kolleginnen und Kollegen darauf hingewiesen, dass wir ein hervorragendes Gesundheitssystem haben. Da hat sich die Debatte entscheidend verändert. Vor zwei Jahren war das noch ganz anders. Nachdem eingespart und Personal heruntergefahren worden ist, haben wir das Gesundheitssystem beschädigt. Diejenigen, die sagen, wir hätten ein hervorragendes Gesundheitssystem, haben in dem Sinne recht, dass das Angebot in anderen Ländern deutlich schlechter ist. Ich möchte mal eine Zahl nennen. Deutschland hat - ich relativiere mal die Einwohnerzahl - eben dreimal so viele Intensivbetten wie Frankreich und sechsmal so viele wie Holland. Dass unser System eine große Rolle bei der Bewältigung spielt, ist überhaupt keine Frage. Ich bin noch mal hierhergekommen, um zu sagen, dass wir die Frage beantworten müssen, die Sie auch aufgeworfen haben. Der Engpass ist das Personal. Jetzt könnte man eine lange Debatte darüber führen, wie viel wir dafür aufwenden. Wenn uns das ein großes Anliegen ist und wir sehen, was wir wirtschaftlich aufgewandt haben, wäre das doch ein Grund um zu sagen, wir müssen diesen Engpass überwinden.
Zu dem Beispiel der Plastikfabrik. Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass es bei Restaurants eine andere Situation vor Ort ist. Ich zielte aber gar nicht auf diesen Punkt ab. Ich zielte auf den Punkt der Gleichbehandlung verschiedener Wirtschaftsbetriebe ab. Da muss ich doch eine Antwort finden. Ich kann der saarländischen Gastronomie nicht sagen: Wir lassen euch mal ein halbes Jahr zu. Ihr habt halt Pech, dass ihr in der Art und Weise produziert. Wir lassen euch einfach mal ein halbes Jahr zu. - Ich hatte den Eindruck, dass das auch bei Ihnen angekommen ist und eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen genickt haben. Wir müssen eine Lösung finden. Das kann eine Ergänzung zusätzlich zu
all den Dingen sein, die hier vorgetragen worden sind. Man versucht, präziser zu werden - wie Sie das auch gesagt haben. Man versucht, verschiedene Punkte präziser anzupeilen, um dann mehr Spielraum für andere Dinge zu haben.
Deshalb glaube ich, dass die heutige Debatte durchaus eine spannende war. Es ging nicht unbedingt darum, wer recht oder unrecht hat. Wir müssen uns bemühen - das sage ich auch im Hinblick auf Ihre Diskussion -, immer präziser zu werden, um mehr Erkenntnisse zu haben, wie wir bestimmte Dinge beurteilen können. Bei der Frage, ob die Gastronomie der Haupttäter ist, habe ich einmal gefragt, was mit unseren Zetteln passiert, die wir dort immer abgeben müssen. Werden sie einfach weggeschmissen? - Sie haben dazu gesagt: Wegen des Datenschutzes werden sie nach vier Wochen vernichtet. - Darauf zielte ich gar nicht ab. Ich dachte, dass irgendetwas ausgewertet wird, sodass man von den Zetteln feststellen konnte, dass soundso viel Infizierte dort waren. Das wäre doch wenigstens eine Aussage. Wir haben dort einfach so gut wie nichts. Das ist allerdings eine Kritik, die ich nicht nur hier im Saarland anwende. Das ist das repräsentative Untersuchen von Dingen in den Betrieben, der Gastronomie und überall. So kann man doch sagen, dass man gesichertes Datenmaterial hat. Mein Eindruck ist, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten nur richtig entscheiden können, wenn wir gesichertes Datenmaterial haben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat diese Sitzung beantragt, weil wir tatsächlich der Auffassung sind, dass es in den letzten Wochen und Monaten um die Funktionsweise unserer Demokratie ging und wir die Spielregeln unserer Demokratie beachten müssen. Hier geht es um eine ganz entscheidende Frage. Es geht nicht darum, ob man irgendwelche Verordnungen zu Alltagsgegenständen oder zu kleineren Entscheidungen erlässt, die notwendig sind. Es geht darum, dass es Grundrechtseinschränkungen sind. Grundrechtseinschränkungen können nicht eben mal so durch eine Verordnung erlassen werden - darum geht es.
Sie können auch nicht in einem Ausschuss behandelt werden. Sie müssen im Plenum im Parlament verhandelt werden. Das steht in der Verfassung und das ist auch der Irrtum, den Sie hier vorgetragen haben, Frau Kollegin Heib. Sie müssen mal in diese Verfassung gucken und sich die Frage stellen, warum verfassungsändernde Entscheidungen und Grundrechtseingriffe eine qualifizierte Mehrheit haben müssen. Sie können nicht mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Das hat einen tiefen Sinn. Einfache Mehrheiten bilden nicht unbedingt immer auch die Mehrheit der Bevölkerung ab. Selbst Ihre Große Koalition hat nicht die Stimmen aller Saarländerinnen und Saarländer mehrheitlich erhalten, sondern nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Insofern muss man bei allen wichtigen Entscheidungen versuchen, auch diejenigen mit einzubeziehen, die vielleicht nicht dazu gehören.
Deshalb ist das Parlament der Ort für solche Diskussionen, nicht der Ausschuss. Sie haben aber - und da stimme ich Ihnen zu - darauf hingewiesen, dass unsere Fraktion nicht das Recht hat, eine solche Sitzung zu verlangen, und dass Sie mitentschieden haben, das so zu machen. Das haben Sie vor Beginn der Legislaturperiode zugesagt. Das möchte ich ausdrücklich anerkennen. Ich kann auch gerne danken - um ein viel beachtetes Wort hier anzusprechen.
Wir erkennen es an. Sie haben Wort gehalten. Das respektiere ich. So sollte es auch im Miteinander oder Gegeneinander im Parlament sein. Nun habe ich gesagt, dass es um unsere demokratische Ordnung geht. Das meine ich ernst. Ich sage es nicht, weil es schön klingt. Es geht um unsere demokratische Ordnung. Ich kann hier einen Kronzeugen aus dem CDU-Spektrum zitieren, nämlich den Historiker Rödder. Vielleicht haben Sie es gelesen, vielleicht auch nicht. Er hat darauf hingewiesen, dass die Regierungen in den letzten Monaten Vertrauen verspielt haben - so seine Aussage. Er hat darauf hingewiesen, dass, wenn man mit solchen Entscheidungen in die Grundrechte eingreift und keine ausreichende Debatte hat, man autoritäre Strukturen fördert - ich zitiere ihn an dieser Stelle wörtlich. Darum geht es nach unserer Auffassung tatsächlich in den letzten Monaten. Wir beobachten überall in der Welt eine Zunahme autoritärer Strukturen. Wenn wir hier in Deutschland die Spielregeln der Demokratie nicht beachten, stärken wir das Aufkommen autoritärer Strukturen. Das sollten wir doch alle zusammen vermeiden.
So, wie ich es auf der einen Seite anerkenne, dass Sie sagen, Sie sind bereit, unsere Minderheitenrechte zu beachten - wir machen nicht oft davon Gebrauch -, so sage ich auf der anderen Seite, dass das Angebot, das Sie, Herr Ministerpräsident, hier gemacht haben, nach den Entscheidungen zu debattieren, für uns nicht ausreicht. Frau Heib, Sie haben es auch noch unterstützt. Es ist nicht irgendeine billige Masche von mir. Irgendwie fühlt man sich da nicht richtig respektiert. Wenn es darum geht, ernsthaft in eine Debatte einzutreten, wäre es doch richtig - wie es auch in anderen Landesparlamenten gemacht worden ist -, vor der letztendlichen Entscheidung das Parlament zu befassen.
Wir haben die Möglichkeit dazu, Sie können letztendlich zunächst bei den Ministerpräsidenten völlig frei agieren. Das ist die eine Entscheidung, die getroffen wird. Das ist aber eine Vereinbarung, die keine Rechtsverbindlichkeit in irgendeiner Form hat. Dann kommt die Entscheidung des Ministerrates, das ist die zweite Entscheidung. Zwischen diesen
beiden Entscheidungen kann man beispielsweise das Parlament befassen. Das haben andere Parlamente so gemacht, ich will sie nicht alle aufzählen. Nordrhein-Westfalen hat diese Debatte sogar vor der Zusammenkunft der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin geführt. Was in Nordrhein-Westfalen geht, sollte auch hier bei uns an der Saar gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Denken Sie also an diese zwei zentralen Begriffe: Vertrauen und autoritäre Strukturen. Ich glaube, das ist etwas, was man in den nächsten Monaten beachten muss. Ich hoffe auch, wie bereits hier dargestellt worden ist, dass wir die Pandemie überwinden und zum normalen Alltag zurückkehren können.
In dieser demokratischen Debatte werden viele Demonstrationen durchgeführt, auch dazu möchte ich etwas sagen. Natürlich gibt es bei diesen Demonstrationen wirklich, ich sage mal, „Irre“, die rumlaufen und Dinge erzählen, die man nicht mehr nachvollziehen kann. Wenn man hört, dass sich die eine als Sophie Scholl missversteht und die andere als Anne Frank, dann kann man sich nur noch an den Kopf fassen und fragen: Was ist da eigentlich los, was ist eigentlich versäumt worden, dass solche Sachen möglich sind? Deshalb muss man wirklich ganz klar Stellung beziehen, das ist gar keine Frage. Ich sehe manchmal auch, dass Familien mit Kindern mitlaufen. Ich sehe, dass auch Impfgegner mitlaufen, die Ängste haben aufgrund der letzten Erfahrung mit der Schweinegrippe, wo man geimpft hat, wo große Pandemien vorausgesagt wurden. Nachher hat das alles nicht gestimmt, dann gab es nach der Impfung auch Gesundheitsschäden. Diese Leute, die Angst haben - ich glaube, Sie sehen das auch so -, kann man nicht einfach so diffamieren, man muss diese Ängste ernst nehmen. Die öffentliche Debatte ist dringend notwendig, auch eine Debatte, wie wir sie hier führen.
Ich glaube, das ist ein weiteres Argument dafür, hier solche Debatten zu führen.
Nun komme ich zur sozialen Lage, die noch nicht angesprochen worden ist. Die soziale Lage vieler Menschen verändert sich durch die Entscheidungen der Regierungen und der Parlamente, und das massiv. Das große Problem ist wieder, dass diejenigen, die entscheiden, nicht zu denen gehören - das habe ich das letzte Mal bereits angesprochen -, die von diesen Entscheidungen negativ betroffen sind. Die Einschränkungen, die beispielsweise ich bis jetzt hinnehmen musste, sind marginal. Vielleicht kann sich der eine oder andere anschließen. Bei denjenigen, die wirklich ernsthaft betroffen sind, die niedrige Löhne haben und die mir auch leidtun - ich habe das letzte Mal schon etwas zu der Kurzarbeiterregelung gesagt -, schlägt das, was wir entscheiden, nun
wirklich zu. Deswegen wiederhole ich unsere Forderung: Es wäre wirklich sinnvoll, für diese Menschen das Kurzarbeitergeld zu erhöhen.
Denn je länger das geht, umso schwieriger wird die Lebenslage für sie. Sie müssen auf die letzten Reserven zurückgreifen, deshalb sollte man an sie denken. Man muss heute auch an diejenigen denken, deren Existenz zerstört wird. Das ist in den ersten Monaten vielleicht nicht so schlimm gewesen, aber es wird immer mehr. Man muss sich in die Lage derjenigen versetzen, die sagen, ich habe einen Kredit, ich kann ihn nicht abbezahlen, ich kann mein Geschäft nicht mehr weiterführen. - Was ist mit denen? Es sind Regelungen getroffen worden. Ich erwähne das, weil man sehen muss, dass viele wirklich existenziell tief getroffen sind. Da ist größte Sorgfalt geboten. Es ist einiges gemacht worden, es ist hier bereits alles erwähnt worden. Dennoch habe ich das ungute Gefühl, dass wir die existenzgefährdenden Entscheidungen nicht endlos ausdehnen können.
Damit bin ich wieder bei der letzten Debatte. Ich habe damals hier gesagt, dass die erste und die zweite Entscheidung das große Manko haben, dass sie gar nicht den Zeitrahmen getroffen haben, um den es eigentlich geht. Ich habe mich gewundert, dass die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin zunächst den Eindruck erweckt haben, es gehe um die nächstens vier Wochen. Als der Kanzleramtsminister als erster herauskam, da habe ich gedacht, Gott sei Dank. Er hat aber gesagt: Nein, das kann bis in den März gehen. Und er ist ja Arzt. Ich habe mich nur gewundert, weil es jedem klar gewesen sein muss: Selbst wenn wir die Beschaffenheit dieses Virus letztendlich nicht kennen, wissen wir doch ganz genau, dass es sich ähnlich verhält wie Viren, die im Herbst/Winter mit ihren Infektionen beginnen und dann im Frühjahr auslaufen. Das ist auch bei diesem Virus so. Auch wenn wir vieles nicht wissen, aber das wissen wir aufgrund der Beobachtung weltweit. Deswegen waren die Regelungen äußerst bedenklich und äußerst fragwürdig. Hätte man beispielsweise unser Argument aufgegriffen, hätte man vielleicht rechtzeitig schon einiges gesagt zu dem, was im Januar, Februar und März sein wird.
Von den Menschen, die ich eben angesprochen habe, müssen wir immer reden, denn sie sind ernsthaft betroffen. Sie haben die größten Probleme, nicht wir, die wir hier sitzen. Es gibt keine zufriedenstellenden Antworten, wir müssen immer nachschärfen, deshalb der Hinweis auf die niedrigen Löhne, deshalb der Hinweis auf die Frage der Mietkündigung, um dies noch aufzugreifen. Wir müssen Antworten für diejenigen finden, die wirklich ernsthaft betroffen sind. Wenn die Bundeskanzlerin beispielsweise
sagt, wir können unsere Maßnahmen nicht bis Ultimo fortsetzen - das muss jedem klar sein -, dann stellen sich einige, die Angst haben und kurz vorm Ende der beruflichen Existenz stehen, die Frage: Was ist dann?
In diesem Zusammenhang komme ich auch zu der Frage der Finanzierung. Dazu ist heute noch nichts gesagt worden, ich will diese Frage trotzdem ansprechen. Ich verstehe, dass etwa ein Bundespolitiker sagt, die Finanzierung kann nicht immer so weiterlaufen, dass der Bund alles bezahlt. Das sagen die Bundespolitiker. Wir haben zunächst in unseren Diskussionsbeiträgen darauf geantwortet, dass es letztendlich um Steuergeld geht. Das sollte man immer wissen. Wenn es kommt, rege ich an, dass man vielleicht versucht, einige Nachteile auszugleichen, die in den letzten Jahren durch Fehlentscheidungen eingetreten sind. Man sollte dann die finanzschwachen Länder etwas besserstellen. Ich rege das nur an. Das Beste wäre, es würde überhaupt nichts passieren, um das ganz klar zu sagen, aber wenn es so kommt, dann sollte man beispielsweise einen gewissen Unterschied machen zwischen Bayern und dem Saarland.
Das ist unsere Position. Mich besorgt schon seit Jahren, wie das gelaufen ist, das will ich hier mal sagen.
Das ist die eine Variante. Die andere Variante ist, dass wir die Frage beantworten müssen, wer für die Kosten aufkommt, nicht nur im Sinne des staatlichen Miteinanders. Es heißt, dass sich die Ungleichheit weiter verschärft, weltweit, immer mehr. Es gibt zum Teil obszöne Entwicklungen von Einzelvermögen. Ich habe Bezos schon mal genannt, der innerhalb von ein paar Monaten um zig Milliarden reicher wurde. Was ist das für eine Wirtschaftsordnung, was ist das für eine Gerechtigkeit? In einer solchen Situation muss man doch sagen: Dann sind wir endlich mal bereit, auch sogenannte Reichensteuern einzuführen, um nicht immer nur die kleinen Leute zu belasten. Das sage ich besonders in Richtung der CDU in diesem Hause.
Ich sehe, dass bei der SPD genickt wird, das tröstet mich ein wenig. Das ist doch nicht unbillig. Ich höre immer wieder als Antwort: Das ist Gift für die Wirtschaft. Das hören wir endlos. Bezos - er lebt ja nicht hier - würde sich freuen, wenn er hören würde, es sei Gift für die Wirtschaft, wenn man ihn besteuert. Letztendlich müssen Sie sich mit der Frage beschäftigen - das betrifft nicht das Handwerk, Herr Wegner, ich sehe gerade, wie Sie sich Gedanken machen -, ob es im Sinne der Aufklärung wirklich sein kann, dass ein Mensch sich 1 Milliarde erarbeiten kann. Wenn Sie diese Frage so beantworten, wie die Aufklärung sie beantwortet hat - das Vermögen ist das,
was man sich selbst erarbeitet hat -, dann stehen Sie der Reichensteuer vielleicht nicht mehr so ablehnend gegenüber.
Es gab mal ein anderes kollektives Bewusstsein in diesem Land, das war nach dem Krieg, als der Lastenausgleich beschlossen wurde. Da gab es auch die christlich-sozialen Politiker der CDU, die ich hier bereits öfters zitiert habe, die das mitgetragen haben, weil die christliche Soziallehre natürlich zur sozialen Gerechtigkeit und damit zu sozial gerechten Steuern verpflichtet.
Ich wollte das nur andeuten. Das Saarland kann im Bundesrat wenigstens seine Stimme erheben und in diese Richtung hinwirken.
Ich will nun zur Krankheit selbst kommen und einige Punkte ansprechen. Einig sind wir uns alle, nehme ich an - was ich hier sage, gilt ausdrücklich für die Landesregierung, für die Koalitionsfraktionen, für jeden -, dass wir bei unseren Entscheidungen versuchen wollen, den Schaden, den diese Krankheit verursachen kann, so gering wie möglich zu halten, und dass wir versuchen wollen, so zu entscheiden, dass möglichst wenige Menschen sterben. Also geht es nur um die Frage, was wir tun können, um dieses Ziel zu erreichen. Die Nachverfolgung ist ein Instrument, die Frage ist, ob es sinnvoll ist. Dies kollidiert mit dem von mir bereits angesprochenen Punkt der Inzidenz, 50 Infektionen in einer Woche. Es gibt erhebliche Kritik. Ich habe eine ganze Reihe von Aufsätzen dazu gelesen. Man sieht, dass die Mediziner, die unterschiedlich wissenschaftlich arbeiten, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Man kann kaum noch von sich aus etwas dazu sagen, man kann nur die Plausibilität bemühen, um zu beurteilen. Ich wiederhole es noch einmal, ich bin der Auffassung, dass diese PCR-Tests nicht die Grundlage sein sollten. Ich bin der Auffassung, wie eine ganze Reihe von Medizinern, die sich dazu geäußert haben, dass wir in erster Linie die Krankenhausbelegung - dazu ist bereits etwas gesagt worden -, die Belegung der Intensivbetten und letztendlich der Beatmungsbetten und dann eben die Todeszahlen heranziehen sollten. Das sind für mich die Zahlen, die relativ unstrittig sind und aufgrund derer man operieren kann.
Dazu kann ich sagen, dass zurzeit die Belegung der Intensivbetten und der Beatmungsplätze immer noch nicht Veranlassung zur besonderen Sorge geben. Es geht mir immer darum, dass die Menschen das einordnen können, was hier erzählt wird. Wenn man Zahlen nennt, ohne den Rahmen zur erwähnen, worum es eigentlich geht, dann können die Menschen das nicht einordnen. Ich habe Ihnen gesagt, wenn man gefragt hat, wie viele Menschen im Saarland sterben, wissen das die meisten nicht.
Dann können sie aber die Zahl von 287 Toten natürlich nicht einordnen. Der eine oder andere meint, das wäre ganz schlimm, demnächst würde er auch sterben. Ich habe nicht umsonst darauf hingewiesen, dass im letzten Jahr im Saarland 851 Menschen an Atemwegserkrankungen gestorben sind, und die kühne Prognose gewagt, dass wir diese Zahl in keinem Fall übertreffen werden.
Sie haben natürlich recht, Frau Kollegin Heib, dass wir bei der Bewertung der Zahlen die Einschränkungen beachten müssen, denn es ist klar, dass etwa die Grippewelle gebrochen wird, wenn wir in dieser Form auf Distanz gehen und Hygienemaßnahmen durchführen. Dennoch können wir gar nicht anders, als Zahlen heranzuziehen, um zu einigermaßen gesicherten Urteilen zu kommen - das meint evidenzbasierte Medizin. Wir sind also der Auffassung, dass wir uns stärker an diesen Zahlen orientieren und sie nicht überbewerten sollten. Ich habe sogar eine ganze Reihe von medizinischen Aufsätzen gelesen, die zu dem Ergebnis kommen, dass in letzter Zeit falsch getestet worden ist, weil der PCR-Test eben eine Bestätigung im Labor braucht. In dem Moment, wo die Nachfrage sehr groß war, wurde nur die erste Runde gemacht, aber die zweite nicht mehr.
Hinzu kommt - ich will Sie nicht länger in Anspruch nehmen, die Zeit läuft davon -, dass der Test nicht standardisiert ist. Ein Test mit 40 Zyklen ist anders zu bewerten als einer mit zehn Zyklen. Es gibt Mediziner, die sagen, ein Test mit 40 Zyklen ist wertlos, denn wenn er eine Infektion aufweist, ist es nicht richtig und die oder der Betreffende ist auf keinen Fall infektiös. Ich erwähne das, um zu verdeutlichen, warum ich diese Ziffer nach wie vor anzweifle, dies auch nach der Lektüre vieler Aufsätze.
Entscheidend für uns ist nach wie vor, dass es kaum irgendwo die Zahlengrundlage gibt, die wir brauchen. Warum dies in den letzten Monaten nicht in Angriff genommen worden ist, weiß ich nicht. An der Zeit kann es nicht mehr liegen. Wenn man eine solche Entscheidung auf gesicherter Grundlage treffen will, dann braucht man repräsentative Untersuchungen.
Das haben wir immer wieder gesagt, deshalb wollen wir auch eine Debatte. Wir sind überzeugt, und es ist wissenschaftlich unbestritten, dass repräsentative Untersuchungen natürlich eine viel bessere Grundlage sind, um Entscheidungen zu treffen. Das gilt für alle denkbaren Wissenschaften. Hier wäre das auf jeden Fall dringend geboten gewesen. Wir bedauern, dass das immer noch nicht gemacht wird. Wenn es irgendwo gemacht worden ist, dann sind es nur rudimentäre Ansätze. Die eigentliche Forderung, die eben heißt, es würde um einige Tausende gehen, die ständig getestet werden, ist aber nicht erfüllt worden. Warum? Das entzieht sich meiner oder un
serer Kenntnis. Wenn man also keine gesicherte Grundlage hat, dann steht man auch in einer gewissen Unsicherheit, wenn es um Entscheidungen geht. Es ist richtig, wir wüssten für unsere Entscheidung gerne, wer sich eigentlich wo ansteckt.
Nun frage ich Sie noch etwas, vielleicht kann jemand dazu etwas sagen: Was passiert eigentlich mit den Zetteln, die wir im Restaurant immer brav ausgefüllt haben? Was passiert eigentlich mit den Zetteln, die wir beim Friseur immer so brav ausfüllen? Ich weiß es nicht. Es besteht die Hoffnung, dass dabei irgendwann irgendetwas herauskommt, wie etwa: Aufgrund einer solchen Untersuchung haben wir festgestellt, dass sich da oder dort so und so viele Leute anstecken. - Dann könnte man auf dieser Grundlage entscheiden. Mir sind solche Untersuchungen aber nicht bekannt. Ich weiß nicht, ob sie jemandem bekannt sind, dann kann er sie hier vortragen. Man kann etwas übersehen, aber mir sind sie nicht bekannt. Das ist wiederum das Vertrauen, von dem ich gesprochen habe und von dem auch der CDU-Politiker und Historiker Rödder gesprochen hat. Wenn die Leute immer brav ihre Zettel ausfüllen, aber nichts kommt, was ist dann? Dann werden die Leute sagen: Warum fülle ich eigentlich immer wieder einen Zettel aus?
Ich komme zu der Frage, ob wir im Saarland noch Nachholbedarf haben. Ich will aufgrund der Zeit nur einen von den vielen Punkten aufgreifen, die anzusprechen wären, und das ist die Pflege. Ich habe auch das letzte Mal darüber gesprochen, ich will nicht alles wiederholen. Das letzte Mal wurde von den Koalitionsparteien und der Ministerin darauf hingewiesen, dass das Saarland bei der Ausbildung durchaus Fortschritte gemacht hat. Das wird auch bundesweit anerkannt, insofern erkenne ich das ebenfalls an, ich danke auch, dass das gemacht worden ist. Nun muss ich leider ein Aber hinzufügen, das Sie dann auch akzeptieren müssen. Wenn man über die Pflege im Saarland reden will, dann braucht man Zahlen. Das habe ich das letzte Mal schon gesagt. Verdi hat beispielsweise 2018 gesagt, dass 3.000 Stellen fehlen. Das mag übertrieben gewesen sein, vielleicht waren es nur 2.000 oder 1.000 Stellen, aber irgendwann hätte ich gerne Zahlen. Irgendwann möchte ich gerne hören, 2018 hatten wir so viel Pflegepersonal, 2019 so viel Pflegepersonal und so viel waren in der Lage, auf der Intensivstation zu arbeiten.
Jetzt kommen wir nämlich zum entscheidenden Punkt. Die Politiker, die an Entscheidungen beteiligt waren, haben alle gesagt, wir wollen eine Überlastung vermeiden. Aber sehr konsequent waren sie nicht! Das sieht man bei den Intensivbetten. Intensivbetten brauchen natürlich Pflegepersonal. Nun hat sich in Deutschland etwas ganz Wundersames ereignet: Wir hatten im Sommer - ich zitiere aus dem Gedächtnis, Sie können das in den Untersuchungen
nachlesen - etwas über 30.000 Intensivbetten. Dann auf einmal waren es 26.000, es sind also 5.000 herausgerechnet worden. Mediziner, die befragt wurden, haben gesagt, wir haben das Personal nicht dazu, also haben wir sie wieder herausgenommen. Andere, die sich mit der ökonomischen Seite beschäftigt haben, haben gesagt: Ja, es hat sich gelohnt das zuerst anzumelden, aber als wir die Zuschüsse bekommen haben, haben wir das leise wieder herausgenommen. Ich kann das abschließend nicht beurteilen, aber wenn man sagt, wir wollen die Überlastung vermeiden, dann muss man auch den Engpass zählen. Der Engpass bei der ganzen Entwicklung sind die Intensivbetten und natürlich das Pflegepersonal. In einem haben die Kritiker recht: Die besten Betten nützen gar nichts, wenn man nicht das notwendige Pflegepersonal hat.
Deswegen sage ich nach wie vor: Bitte Zahlen! Ansonsten ist das für mich etwas nervig; ich sitze dann hier und spiele mit meinem Handy oder so, wenn allgemein hier rumerzählt wird. Nein, ich will konkret wissen, wieviel wann wo! Das fordern auch die betroffenen Arbeitnehmer. Dann kann man dazu doch auch Stellung nehmen und etwas sagen.
Dasselbe gilt für die Altersheime. Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Kabinettsmitglieder gelobt, um die Stimmung im Kabinett zu verbessern. Das ist völlig in Ordnung, aber was ist in unseren Pflegeheimen? Warum sind in immer mehr Pflegeheimen so viele Erkrankungen festzustellen? Jetzt ziehe ich schon wieder einen CDU-Politiker heran, so gemein bin ich heute mal. Herr Brinkhaus hatte vielleicht recht, als er sagte: Wir haben für die Heime keine richtige Strategie, wir haben für die Tests keine richtige Strategie und wir haben eben für die Impfung keine richtige Strategie. Das hat er im Bundestag gesagt. Nun mag er da oder dort überzogen haben, aber ich muss sagen, mir hat das imponiert, dass man den Eindruck hatte: Moment, hier wird es in der Debatte spannend, hier lässt einer seinen Frust los. Es ging zunächst um die Finanzen, aber es ist richtig, dass da oder dort zum Beispiel immer noch zu wenig Hygienemaßnahmen eingehalten werden können. Das ist ganz einfach: Wenn zu wenig Pflegepersonal da ist, dann leidet die Hygiene darunter, das weiß jeder Praktiker, und das führt zu zusätzlichen Erkrankungen. Deshalb müssen wir diesen Engpass überwinden. Das ist ein ganz zentraler Punkt.
Deshalb nützt es nichts, wenn wir uns hier gegenseitig loben. Als Kinder haben wir immer etwas über Selbstlob erzählt bekommen, das will ich jetzt nicht zitieren, sonst bekäme ich vielleicht eine Rüge. Also: „Selbstlob …“, da haben wir irgendetwas gehört. Es
wäre doch besser, wenn wir diese Engpässe mal anpeilen und sagen würden, die müssen wir überwinden, weil sich sonst das Selbstlob irgendwo im Nirwana verliert.
Ich komme dann zum nächsten Punkt, der Ausbildung. Es ist gut, dass die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin gesagt haben, dass sie die Schulen so lange wie irgend möglich offenhalten. Aber das wird ja auch von allen Parlamenten getragen, soweit ich das sehe. Es ist richtig, die Bildungsministerin ist hier in einer schwierigen Situation, weil sie oft zwischen den Stühlen sitzt, wie Sie gesagt haben. Das erinnert mich an das schöne Epigramm von Arnfried Astel: „Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel.“
Kennen Sie das nicht? Das ist die Beschreibung, dass man manchmal zwischen den Stühlen auch bequem sitzt. - Die Ministerin sitzt aber nicht bequem zwischen den Stühlen, sondern sie sitzt eben tatsächlich im Feuer. Das ist aber einfach aufzulösen! Ich weiß nicht, ob Sie davon Gebrauch machen, Frau Ministerin, aber auf jeden Fall würde ich runde Tische empfehlen, denn wenn man alle Beteiligten an einen Tisch holt, trägt jeder auch irgendwo Mitverantwortung. Man sollte nicht selbst entscheiden, sondern die Beteiligten alle an einen Tisch holen.
Ich glaube, das ist der einzige Ausweg, weil natürlich jeder seine Interessen sieht, das ist ja verständlich: die Lehrer, die Schüler, die Eltern, und das Kultusministerium muss irgendwie damit zurechtkommen. Auf jeden Fall ist das, glaube ich, ein Weg, das zu machen.
Wir unterstützen ausdrücklich Ihr entscheidendes Argument, dass man vorsichtig sein muss mit Teleunterricht, weil eben die sozial schwächeren Schüler darunter leiden. Sie haben darauf hingewiesen, dass 20 Prozent davon betroffen sind. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass oft die Räume dafür gar nicht da sind. Wir unterstützen Sie ausdrücklich, Frau Ministerin, um das in aller Klarheit hier zu sagen. Das ist die Linie, die wir verfolgen.
Deshalb ist vielleicht ein runder Tisch der Ausweg. Vielleicht - man sollte es auf jeden Fall mal versuchen.
Weil wir nicht wissen, wie lange das Ganze noch geht, sind wir der Auffassung, dass man manches vorsichtig öffnen muss. Beim Einzelhandel würde ich raten, so wie Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern vorzugehen, das sage ich auch als jemand, der öfter einkaufen geht und das Geschehen dort sehr gut kennt. Ich weiß nicht, ob das klug ist,
was bei den Supermärkten jetzt bevorsteht, dass sich Schlangen vor dem Eingang bilden. Das ist ja vielfach kritisiert worden, man kann es aber selbstverständlich auch anders sehen. Aber ich will hier sagen, ich würde dazu raten, das so zu lassen wie bisher.
Und, das wird Sie nicht wundern, ich würde auch dazu raten, die Gastronomie vorsichtig zu öffnen. Wenn dort Hygienekonzepte vorgelegt werden, kann man wirklich vorsichtig öffnen. Ich habe hier die Gastronomie immer als Leuchtturm unseres Landes bezeichnet. Das ist mir ein Herzensanliegen, da sollte man vorsichtig öffnen. Da werden nicht alle mitmachen, das muss man dann klären. Aber ich will Ihnen etwas sagen, das ich mehrfach beobachtet habe: Wenn man in einem Restaurant ist, das die entsprechenden Abstandsregelungen hat, ist die Abstandsregelung auch unter Bekannten und Verwandten besser eingehalten, als wenn dieselbe Veranstaltung zu Hause wäre. Ich gebe Ihnen das nur mal zum Nachdenken mit. Wir haben davon Abstand genommen, heute einen Antrag zu formulieren; wie die Abstimmung ausgegangen wäre, kann man sich ja denken. Deshalb geben wir diese beiden Anregungen, sich beim Einzelhandel so zu verhalten wie andere Bundesländer und bei der Gastronomie vorsichtig zu öffnen.
Zusammenfassung: Bei dem Ganzen kommt es darauf an, dass wir das Vertrauen in der Bevölkerung zu erhalten versuchen. Da stimmen wir überein, ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass Sie das nicht wollen. Darauf kommt es an! Nach meiner Auffassung, und das kritisiere ich allerdings nicht nur an den politischen Entscheidungen, sondern auch an der veröffentlichten Meinung, kommt es darauf an, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, die ganzen Meldungen auch einzuordnen! Sie kennen den Vergleich mit Flugzeugabstürzen. Wenn man hört, wie viele Menschen bei Flugzeugabstürzen ums Leben kommen, ist das eine Schreckensbotschaft. Aber wenn irgendjemand auf die Idee kommt, zu sagen, wie wenige Flugzeuge in Deutschland abstürzen, kann der Mensch das einordnen. Es geht also um die Einordnung.
Ich schließe mit dem Hinweis auf die psychologischen Auswirkungen der Pandemie, nicht nur auf die sozialen. Le Monde - ab und zu lese ich die Presse unseres Nachbarlandes - hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass in Frankreich erhebliche negative psychologische Auswirkungen festzustellen sind, dazu gibt es Untersuchungen, aufgrund der Angst davor, wie sich die Pandemie ausbreitet. Dies sollte man immer wieder beachten. Deshalb muss man versuchen, möglichst genau die Situation der einzelnen Menschen zu sehen, und man muss zumindest das Anliegen haben, diese Angst nicht zu groß werden zu lassen und sie nicht durch leichtfertige Äußerungen zu steigern. Denn nur, wenn wir
das Vertrauen erhalten, nur, wenn wir auch das Vertrauen in unsere demokratischen Instanzen erhalten, werden wir gut durch die Pandemie kommen, von der keiner genau weiß, wie lange sie dauern wird. Ich schließe mich Ihrem Wunsch an, dass wir in einigen Monaten mithilfe der Impfungen die Pandemie weitgehend überwunden haben, denn auf Dauer würde ein Weiterlaufen dieser Pandemie unserer Gesellschaft nicht guttun.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit der Frage der Parlamentsbeteiligung. Wir haben die Parlamentsbeteiligung immer wieder gefordert, das Gesetz kommt unseres Erachtens reichlich spät. Aber eines hätten wir jedenfalls erwartet: dass heute die Vorlage der Landesregierung, dass die Verordnung vom Parlament gebilligt worden wäre, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Das wäre eine klare Geste gewesen, dass wir diese Bestimmungen auch ernst nehmen. Warum haben wir nicht beschlossen, dass wir das, was die Landesregierung den Bürgerinnen und Bürgern nun erneut auferlegt, vonseiten des Parlaments unterstützen?
Man kann nämlich schwere Eingriffe in die Grundrechte der Menschen nicht mal einfach so nebenbei vornehmen. Man kann sie auch nicht monatelang ohne parlamentarische Legitimation verordnen. Nach der Theorie ist doch das Volk der Souverän, und die Vertretung des Souveräns ist das Parlament, nicht die Regierung. Deshalb muss eine Parlamentsbeteiligung erfolgen.
Nun komme ich zu den Ausführungen des Ministerpräsidenten. Es ist heute das zweite Mal der Fall, dass wir grundsätzlich und umfassend über mit der Pandemie einhergehende Fragestellungen diskutieren. Deshalb möchte ich den einen oder anderen Aspekt noch einmal in Erinnerung rufen.
Zunächst gab es eine Phase 1. Zu Beginn der Pandemie haben wir bereits darauf hingewiesen: Die Phase 1 noch vor Ausbruch der Pandemie wurde nicht genutzt, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Das traf nicht nur die saarländische Landesregierung, das traf alle Länderregierungen, und das traf auch Regierungen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Daraus, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätte man zumindest lernen müssen, um dann während der Pandemie die notwendigen Vorbereitungen rechtzeitig zu treffen.
Ich will nachher noch darauf hinweisen, dass die notwendigen Vorbereitungen nicht rechtzeitig getroffen worden sind. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie das auch zugeben. Sie müssen das ja nicht öffentlich tun, zumindest untereinander sollten Sie das aber einräumen. Sie tun es aber auch öffentlich, ich will das gleich zitieren. Es ist ja ganz gut, dass Sie das auch öffentlich tun; beinahe hätte ich nun versäumt, Ihnen dafür ein Kompliment zu machen.
Zweitens: Als dann die Pandemie weltweit ausbrach, wurde in Deutschland zu spät reagiert. Bestimmte Dinge wurden zu spät in Angriff genommen, auch das steht heute außer Zweifel. Auch hier hätte man zumindest die erforderlichen Schlussfolgerungen ziehen müssen, damit man künftig nicht mehr zu spät reagiert. Aber auch diese Schlussfolgerung ist nicht gezogen worden, das kritisieren Sie ja selbst, natürlich außerhalb des Parlamentes. Es wäre notwendig gewesen, rechtzeitig Vorsorge zu treffen und Investitionsentscheidungen und Beschaffungsmaßnahmen einzuleiten, rechtzeitig bestimmte Dinge in Angriff zu nehmen und eben zu reagieren.
Es kam die dritte Phase, der Beginn der Maßnahmen, der erste Lockdown. Diese Maßnahmen der Regierung haben auch wir als Opposition ausdrücklich unterstützt. Wir haben auch keinen Sinn darin gesehen, Einzelheiten besonders zu kritisieren, weil wir, wie ich das damals gesagt habe, in dieser schwierigen Situation unsere Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen wollten. Wir wollten, wie das vielleicht manchmal geschehen mag, eben die Regierung nun nicht einfach kritisieren, weil wir die Opposition sind. Deshalb haben wir Sie ohne jede Einschränkung unterstützt. Einzig kritisch angemerkt haben wir etwas zur Grenzschließung; die erfolgte nicht in der letzten Verantwortung der Landesregierung, aber es gab eine Diskussion innerhalb der Landesregierung, weshalb die Landesregierung hier keine Haltung gezeigt hat.
Jetzt sind wir aber in einer ganz anderen Situation. Ich erinnere an eine Bemerkung des Bundesgesundheitsministers, der gesagt hat: Mit dem heutigen Wissen würden wir anders vorgehen als zu Beginn des Geschehens. - Es ist durchaus bemerkenswert, dass ein Mann der Exekutive einräumt, dass einige Fehler gemacht wurden, denn nichts anderes hieß das ja.
Kommen wir nun also zur Frage, ob die Dinge jetzt rechtzeitig in Angriff genommen wurden. Ich habe das vorhin schon angesprochen und möchte nun einmal den Chef des Marburger Bundes zitieren, der gesagt hat; Sie haben es sicherlich alle gelesen: Trotz der vielen Warnungen vor einem explosiven Anstieg im Herbst wurde „(…) auf keiner Ebene und in keiner Institution die Möglichkeit genutzt, die Strukturen zu verbessern und einen belastbaren Plan für die zweite Welle zu machen.“ Nun mögen Sie sagen, das, was der Chef des Marburger Bundes im Saarland, ein praktizierender Arzt, zu diesem Thema äußere, treffe nicht zu. Wenn man sich aber vor Augen hält, inwiefern Sie selbst sich kritisieren ich komme gleich darauf zu sprechen -, ist das einfach richtig: Es ist richtig, dass nicht ausreichend gehandelt und Vorsorge getroffen wurde. Das kann niemand, der die Dinge ernsthaft überprüft, in Abrede stellen.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass Selbstkritik in dieser schwierigen Situation besonders geboten wäre. Denn richtig ist, dass es keine ganz verlässlichen Prognosen und keine wirklich verlässlichen Beurteilungen getroffener Maßnahmen gibt. Wenn man in dieser schwierigen Situation ist, mit der Ungewissheit umgehen zu müssen - das gilt für jeden, auch für mich, der ich hier spreche -, erscheint doch Selbstkritik besonders geboten. Ich halte es deshalb nicht für sinnvoll, dass, wie wir es hier immer wieder erleben, ausschließlich und in erster Linie eine unkritische Würdigung des eigenen Handelns im Vordergrund der Rede steht. Wir werden das nachher sicherlich wieder erleben.
Wir haben gesagt, es ist nicht rechtzeitig gehandelt worden, und wir erleben auch, dass Sie einander kritisieren. Dazu muss ich dann als ehemaliger Ministerpräsident doch etwas sagen: Sie sind eine Landesregierung und die Landesregierungen sollen nach bestimmten Regeln operieren. Es ist aber äußerst ungewöhnlich, wenn ständig die einzelnen Minister einander kritisieren beziehungsweise innerhalb der Koalition ständig öffentlich Kritik geübt wird. Ich kenne das aus früheren Jahren nicht.
Da ist einmal die Wirtschaftsministerin, die für die Schulbusse und so weiter verantwortlich ist. Dann kommt aus der Koalition Kritik, der Schuldige sitzt vor mir. Das letzte Mal, als ich das angesprochen
habe, war er nicht da. Dann kritisiert die Wirtschaftsministerin die Gesundheitsministerin und sagt, es sei nicht ausreichend gearbeitet worden. Heute lese ich, dass die SPD der Gesundheitsministerin Druck macht. Dann kritisiert die Gesundheitsministerin die Bildungsministerin wegen des Schnupfenerlasses. Ich muss sagen, man hat den Eindruck, die Landesregierung sei ein Hühnerhof. Das kann doch so wirklich nicht gehen!
Ich rede hier wirklich nicht wie die Jungfrau vom Kinde. Schade, dass Sie damals nicht dabei waren, sonst hätten Sie das alles miterlebt. Auf jeden Fall ist es doch ganz klar, dass eine Landesregierung sich untereinander abstimmt, koordiniert und auch nach außen einigermaßen solidarisch miteinander umgeht!
Ich weiß wirklich nicht, was das Ganze soll, das muss ich Ihnen mal sagen. Wenn ich heute lese, die SPD macht der Gesundheitsministerin Druck, dann frage ich mich: Haben die noch alle Tassen im Schrank? Sie sind doch in einer Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie Druck machen, dann machen Sie Druck innerhalb einer Regierung und führen Sie hier nicht das Theater auf, dass Sie sowohl Regierung als auch Opposition zugleich sind!
Ich verstehe ja, dass Sie nach außen um Zustimmung, um die Wählergunst rivalisieren, das ist ganz normal. Wer wäre ich, wenn ich das in Abrede stellen würde? Aber wenn man es macht, muss man es richtig und gescheit machen. Nicht jedes Theater im Hühnerhof bringt Wählerstimmen! Ich sage Ihnen das einmal als jemand, der zumindest unter Beweis gestellt hat, dass er diese Dinge einigermaßen einschätzen kann. Ich wollte dies also in aller Klarheit ansprechen.
Die Schulbusse und das Schnupfenpapier habe ich genannt, dass das Wirtschaftsministerium das Gesundheitsministerium kritisiert, habe ich ebenfalls genannt. Jetzt haben Sie, Herr Ministerpräsident, gesagt - Stichwort Selbstkritik -, dass Sie in der Pflege erhebliche Anstrengungen unternommen hätten. Dies ist schlicht und einfach falsch. Mit solchen allgemeinen Ausführungen kann man im Grunde genommen gar nichts klären. Wir hatten schon 2018 von der Krankenhausgesellschaft den Hinweis, dass 3.000 Pfleger fehlen, 3.000! Dann hätte ich erwartet, dass jemand sagt, wir haben in der Zwischenzeit soundso viele neue Pflegekräfte beschäftigt, es fehlen aber immer noch meinetwegen 1.000 oder 1.500
oder 2.000. Aber nur mit Allgemeinplätzen hier zu operieren, das ist einfach völlig unzureichend!
Da muss ich die Kritik des Herrn Jung unterstützen, der gesagt hat, Sie haben zu wenig gemacht. Dann sehen Sie das doch ein und versuchen Sie, klar zu sagen: Schritt für Schritt werden wir demnächst diese und jene Verbesserung durchführen. Das ist nicht nur ein Phänomen im Saarland, das ist ein Phänomen der Gesundheitspolitik der letzten 20 Jahre, wo man - Privatisierung, Rendite, Sparmaßnahmen nach und nach Betten und Personal abgebaut hat. Und jetzt in der Pandemie muss das Volk dafür die Rechnung begleichen!