Protocol of the Session on December 4, 2019

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere heutige Landtagssitzung. Es ist die 34. Sitzung der laufenden Legislaturperiode und es ist gleichzeitig die letzte Sitzung in diesem Jahr.

Vonseiten der Landesregierung ist Frau Ministerin Anke Rehlinger für die heutige Sitzung entschuldigt.

Sie nimmt an einer Sitzung im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin teil. Herr Minister Klaus Bouillon muss die Landtagssitzung gegen 11.00 Uhr verlassen, um an einer Innenministerkonferenz in Lübeck teilnehmen zu können.

Ich habe heute Morgen gleich zu Beginn eine angenehme Aufgabe. Ich darf unserem Kollegen Eugen Roth zum Geburtstag gratulieren. Er wird heute 62. Herzlichen Glückwunsch im Namen des Hauses und von mir persönlich.

(Beifall des Hauses.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie finden Honig vor sich. Das ist Honig aus eigener Produktion. Sie wissen vielleicht, dass wir im Mai dieses Jahres vier Bienenvölker im Landtag angesiedelt haben. Diese Bienen waren im wahrsten Sinne des Wortes bienenfleißig und haben 40 Kilo Honig geliefert. Sie bekommen heute die erste Produktion. Viel Freude damit!

Wie immer habe ich im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium den Landtag zu seiner heutigen Sitzung einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt. Es sind zwischenzeitlich weitere Tagesordnungspunkte hinzugekommen. Ich bitte darum, dass wir diese in die Tagesordnung aufnehmen.

Im Einzelnen. Die DIE LINKE-Landtagsfraktion hat mit der Drucksache 16/1108 den Antrag „Mehrheitsbeteiligung des Landes an den Gusswerken Saarbrücken“ eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Antrag Drucksache 16/1108 als Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Das ist einstimmig. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/1108 als Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen wird. Wir beraten ihn gemeinsam mit dem Tagesordnungspunkt 1.

Das Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung und anderer Rechtsvorschriften Drucksache 16/1027 soll als Punkt 6 in die Tagesordnung aufgenommen werden und dort auch beraten werden. Ich schaue in die Runde, ob es dagegen Widerspruch gibt. Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Der Untersuchungsausschuss „Verdachtsfälle von Missbrauch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Homburg“ hat einen Antrag zur Erweiterung des Einsetzungsbeschlusses und zur Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes eingebracht. Es ist vorgesehen, den Antrag Drucksache 16/1114 als Punkt 8 in die Tagesordnung aufzunehmen. Ich frage auch hier, ob sich dagegen Widerspruch erhebt.

Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir ebenfalls wie vorgeschlagen. Die Aufnahme dieser zusätzlichen Punkte in die Tagesordnung macht eine neue Nummerierung erforderlich. Ihnen wird jetzt die neue Tagesordnung mit den aufgenommenen neuen Punkten gereicht.

(Sprechen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit nach der Geschäftsordnung und dem Landtagsgesetz alles professionell läuft und wir uns auf die eigentlichen Punkte konzentrieren können, ist eine umfangreiche Vorbereitung erforderlich. Für diese professionelle Vorbereitung zeichnet seit vielen Jahren, sogar seit vielen Jahrzehnten, unter anderen unser Landtagsmitarbeiter Werner Schaar verantwortlich. Heute ist seine letzte Plenarsitzung im aktiven Berufsleben. Herr Schaar hat seine Laufbahn als Anwärter im allgemeinen gehobenen Verwaltungsdienst im Jahr 1973 beim Innenministerium begonnen. Nach seiner Ausbildung war er dann kurz beim Umweltministerium tätig und ist seit September 1978 bei uns in der Landtagsverwaltung tätig. Das heißt, 41 Berufsjahre in der Landtagsverwaltung des Saarlandes, prägende Berufsjahre.

Er hat auch unseren Landtag, unsere Arbeit, geprägt. Er war dort von Anfang an als Ausschusssekretär eingesetzt und hat als Ausschusssekretär alle Ausschüsse des Landtags betreut, in den letzten Jahren, mit großem Engagement und mit viel Liebe, würde ich einmal sagen, den Ausschuss für Haushalts- und Finanzfragen. Sein Engagement als Ausschusssekretär ist ja von einigen Kollegen hier schon gewürdigt worden.

Ich will heute noch einmal darauf hinweisen, dass er 30 Jahre Plenardienst geleistet hat, so viel wie keiner hier im Hause. Von daher hat er diesen Landtag, die Verwaltung, geprägt mit seinem hohen Engagement, mit seiner Kompetenz und mit seinem Fleiß. Lieber Herr Schaar, ich möchte mich im Namen des gesamten Hauses für Ihr großes Engagement und Ihre Verdienste um den Landtag herzlich bedanken. Wir wünschen Ihnen für den Ruhestand alles Gute.

(Die Abgeordneten sowie die Ministerinnen und Minister erheben sich von ihren Plätzen. - Anhal- tender Beifall des Hauses.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir steigen dann auch in die Tagesordnung ein. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 und 2 auf.

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Solidari

tät mit den Beschäftigten der Gusswerke (Drucksache 16/1107)

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Mehrheitsbeteiligung des Landes an den Gusswerken Saarbrücken (Drucksa- che 16/1108)

Zu diesen Tagesordnungspunkten begrüße ich eine Abordnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gusswerke Saarbrücken. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall des Hauses.)

Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Ulrich Commerçon das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach den Entwicklungen gerade der letzten Tage fällt es mir ganz persönlich sehr schwer, heute hier zu stehen und zu reden. Der Halberg ist meine Heimat. An der Halberger Hütte bin ich aufgewachsen. Zu meiner Kindergarten- und Grundschulzeit haben viele Familien dort Lohn und Brot verdient. Einige meiner Mitschüler haben dort später angefangen zu schaffen. Es war regelmäßig der Betrieb, in dem ich meine Betriebspraktika absolviert habe. Bei jeder Begegnung mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Betriebsrat wurde ich begrüßt mit dem Satz: Wir Halberger halten zusammen! Dies zuletzt beim Besuch meiner Fraktion beim Betriebsrat vor wenigen Wochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute will ich diesen Satz wiederholen. Es ist vom Präsidenten bereits erwähnt worden, im Zuschauerraum ist quasi wie selbstverständlich eine Delegation der Belegschaft vertreten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass ihr da seid! Wir haben diesen Antrag auch deshalb an den Anfang unserer heutigen Plenarsitzung gestellt, um euch unsere Solidarität auszusprechen. Es bleibt dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Halberger halten zusammen!

(Beifall des Hauses.)

Ein Halberger gibt nicht auf, Halberg Guss muss leben! Diese kämpferischen Worte haben wir in den letzten Monaten und den letzten Jahren häufig gehört und das nicht bloß von den Beschäftigten der Gusswerke, sondern auch von vielen Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause. Das ist ein Satz, der uns auch in diesem Parlament schon seit vielen

(Präsident Toscani)

Jahren begleitet, spätestens seit der ersten Insolvenz 2009.

1756 wurde das „Halberger Werck“ erbaut, vor 263 Jahren. Es ist damit einer der ältesten Industriebetriebe in unserer Region. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich das Werk unzählbaren gesellschaftlichen, politischen, aber vor allem auch technologischen und ökonomischen Veränderungen stellen müssen. Dabei ging es immer wieder auch ums Ganze. Die Halberger haben sich immer wieder neu erfinden müssen, und auf die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen untereinander konnte man dabei immer bauen.

Vor einer Woche hat der Insolvenzverwalter den Abbau von 600 Stellen im Unternehmen angekündigt. Das bedeutet 600 Menschen, die nun ohne Job dastehen. Zugleich bedeutet das aber auch 600 Menschen, die einen langen Leidensweg hinter sich haben, sich in jeder Situation kämpferisch gezeigt haben, die trotz der unzähligen herben Rückschläge nie den Mut und die Hoffnung verloren haben. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Unternehmens haben in den vergangenen Jahren im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen mehrfach erhebliche Beiträge zur Sanierung geleistet. Diese teilweise sehr persönlichen und oftmals schmerzhaften Einbußen haben sie nicht daran gehindert, weiterhin nicht nur ihre Verbundenheit mit dem Betrieb immer wieder zu bekräftigen, sondern in besonderer Weise auch ihre Verbundenheit untereinander. Diese Menschen waren und sind der einzige verlässliche Partner, der den innovativen Produkten in hoher Qualität zu dem ausgezeichneten Ruf verhalf, den sie bis heute haben. Sie wurden dennoch zum Spielball - ich drücke es so aus - der bösen Fratze des Kapitalismus.

Wenn man sich die Historie der Gusswerke alleine oberflächlich betrachtet, muss man sich die Frage stellen, wo Verlässlichkeit geblieben ist, Verlässlichkeit, die zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Arbeitsplätze nötig gewesen wäre. Es gab nach 2011 zahlreiche Eigentümerwechsel: Von der HDP Automotive GmbH über die S.D.L Süddeutsche Beteiligungs GmbH über die Prevent-Gruppe hin zu One Square Advisors. Von Beständigkeit kann dabei keine Rede sein, außer vielleicht was die Probleme angeht. Die Probleme waren zwar in ihrer Art und Ausprägung jeweils sicherlich immer anders, aber eines hatten sie doch gemeinsam: Keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer wusste langfristig, wohin die Reise geht und wie lange sie oder er noch einen sicheren Job hat.

Das Ganze fand ohne Zweifel seinen Höhepunkt unter der Prevent-Gruppe. Sie brachte einen hausgemachten Konflikt mit VW mit und schwächte den Standort Saarbrücken nachhaltig. Die Auseinandersetzungen zwischen Prevent und VW wurden auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Ich spreche hier ausdrücklich von einer Schwächung des Unternehmensstandortes in Saarbrücken.

Bei allen Überlegungen, die jemals seitens der Geschäftsführung angestellt wurden, zeigte sich die Saarbrücker Belegschaft solidarisch, auch mit den Beschäftigten des Schwesterwerks in Leipzig, eine Solidarität, die man sich auch umgekehrt erhofft hatte. Diese Hoffnung wurde leider enttäuscht, denn als sich abzeichnete, dass One Square Advisors anscheinend eine Strategie verfolgt, die zum Ziel hat, das Werk in Leipzig am Leben zu erhalten und Saarbrücken stillzulegen, wurde deutlich, dass für manche Solidarität doch eine Einbahnstraße ist. Das reichte von Absprachen hinter dem Rücken der Arbeitnehmervertretung und der Gewerkschaft im Saarland bis hin zur Bevorzugung bei Zahlungsfristen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir drängt sich dabei allerdings noch ein ganz anderer Gedanke auf. Es geht auch um die Art und Weise, wie wir insgesamt in unserer Gesellschaft miteinander umgehen. Das hat mit der fehlenden Solidarität zu tun, aber vor allem damit, wie schamlos ökonomische Macht ausgenutzt wird und wie Arbeitnehmerinteressen dem Ziel der Gewinnmaximierung und Steigerung der Marktmacht untergeordnet werden. Da darf man nicht mehr einfach nur hinschauen, da ist Handlung gefragt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wie kann es möglich sein, dass zugesagte Abfindungen einfach nicht gezahlt werden? Das betrifft knapp 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Werk in Erwartung einer Abfindung mehr oder minder freiwillig verlassen haben, am Ende jedoch mit leeren Händen dastehen. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, an dieser Stelle müssen wir uns mehrerer Themen annehmen, unter anderem des Insolvenzrechts und der Möglichkeiten, im Insolvenzrecht als Staat eingreifen zu können und die Mitbestimmung zu stärken.

Es ist gänzlich inakzeptabel, dass Menschen durch die Verlockung einer Abfindung zuerst in die Kündigung gedrängt werden, dann aber nicht nur bei der Zahlung der Abfindung leer ausgehen, sondern anschließend auch beim Arbeitsamt zwangsweise gesperrt werden. Eine Geschäftsführung, die so agiert,

(Abg. Commerçon (SPD) )

ist nicht nur verantwortungslos und schäbig, sondern müsste persönlich dafür geradestehen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Wir brauchen hier mehr Mitbestimmung und damit auch größere Transparenz vor derartigen Entscheidungen. Das Insolvenzrecht muss überprüft und geändert werden. Wir dürfen die betroffenen Menschen nicht im Regen stehen lassen. Wer in einer solchen Situation Gewerkschaften und Betriebsräte gegeneinander ausspielt, zündelt ganz gefährlich. Ich weiß, dass unsere Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und ihr Staatssekretär Jürgen Barke in den letzten Wochen und Monaten, ja in den letzten Jahren alles ihnen Mögliche zum Erhalt jedes einzelnen Arbeitsplatzes in unserem Traditionsunternehmen der Gusswerke Saarbrücken unternommen haben, dass sie alles getan haben, was eine Landesregierung tun kann, um den Beschäftigten eine gesicherte Zukunft zu bieten. Das Folgende sage ich in Richtung der ganz linken Seite dieses Hauses: Da helfen weltökonomisches Philosophieren und sozialromantische Verstaatlichungs- oder Vergesellschaftungsfantasien kein bisschen weiter, es braucht pragmatisches Handeln statt Besserwissertum!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ein volkseigener Gießereibetrieb hat keine besseren Chancen, Aufträge von Kunden zu generieren. Sie werden doch wohl kaum sagen wollen, dass wir General Motors, Deutz und VW vergesellschaften müssen, wobei bei VW ja auf der Hand liegt, dass auch das nicht hilft.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Da reicht die Sperre!)

Abgesehen davon ist es weder rechtlich noch haushalterisch so ganz locker darstellbar, einfach mal so Mehrheitsgesellschafter zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, völlig klar ist, dass die Landesregierung natürlich Zukunftsinvestitionen mit Bürgschaften oder anderen Mitteln wird unterstützen müssen, wenn dies erforderlich und hilfreich ist. Im Gegenzug müssen dann aber auch Transparenz und Mitsprache gewährleistet sein. Das ist vernünftiges Vorgehen und dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Anke Rehlinger und Jürgen Barke war keine Anstrengung zu groß und kein Weg zu weit, letztlich sogar bis nach Detroit, auch wenn nicht der erhoffte Erfolg erzielt werden konnte. Man fungierte nicht nur als Vermittler und Moderator in Streitigkeiten, die mit

dem Unternehmen und dem Standort in Saarbrücken eigentlich überhaupt nichts zu tun hatten. Die Wirtschaftsministerin und ihr Staatssekretär suchten neue, verlässlichere Investoren und versuchten, mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten wie Bürgschaften und der Konstruktion des Sale-andlease-back wieder der Rationalität zum Einzug zu verhelfen. Anke Rehlinger und Jürgen Barke versuchen und versuchten zu helfen, neue Kunden zu akquirieren, die weiter an der hervorragenden Produktqualität der Gusswerke festhalten würden. Denn eindeutig ist, dass die Produkte gut sind, theoretisch kann produziert werden. Bei all den Bemühungen habe ich die unzähligen Gespräche mit den jeweiligen Geschäftsführungen, Gesellschaftern, Banken, Auftraggebern, Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern der Gewerkschaften und vielen anderen nicht einmal genannt. Auch die Begleitung während der Insolvenzen habe ich noch nicht erwähnt.

Ich möchte ein ganz herzliches Dankeschön an diese beiden und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium aussprechen. Anke Rehlinger ist - der Präsident hat darauf hingewiesen - auch heute unterwegs, um für die Zukunft unserer Automobilindustrie und der Zulieferer zu arbeiten. Wir wünschen ihr dabei von dieser Stelle aus allen denkbaren Erfolg.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)