Thomas Stotko
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Last Statements
Besten Dank. – Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über einen 175 Seiten umfassenden Zwischenbericht, dessen Abfassung dieses Parlament am 15. März von uns als Mitgliedern des Unter
suchungsausschusses verlangt hat. Ich will daran erinnern, dass wir am 15. März dieses Jahres mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU beschlossen haben, in diesen drei April-Plenartagen einen Zwischenbericht vorzulegen.
Ich erinnere auch deshalb daran, weil solche Aufträge aus der Mitte des Parlaments auch uns Abgeordneten wichtig sind. Bei allen Irrungen und Wirrungen über die rechtliche Beurteilung von Zwischenberichten und über die Frage, was man hineinschreiben kann und was nicht, machen wir das, was das Parlament – hier immerhin mit sehr vielen Stimmen – von uns wollte.
Das ist auch ungewöhnlich. Ich darf das als jemand sagen, der seit 2005 in zahlreichen Untersuchungsausschüssen Mitglied gewesen ist.
Ich glaube, in den Jahrzehnten davor hat sich die Frage, einen Zwischenbericht schreiben zu wollen oder durch Beschluss zu müssen, unseren Kolleginnen und Kollegen niemals gestellt. Auch das bitte ich zu berücksichtigen, wenn man darüber nachdenkt, wie man einen solchen Zwischenbericht inhaltlich und auch von seinem Umfang her beurteilt. Wir haben ja die Diskussionen über diesen Zwischenbericht, weil es große Beschwerden über die zeitliche Dynamik dieses Untersuchungsausschusses gibt.
Dabei will ich daran erinnern, dass entgegen sonstiger Gepflogenheiten der Einsetzungsbeschluss zu dem Untersuchungsausschuss Amri nicht mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gefasst wurde, sondern dass wir uns enthalten haben. Für diejenigen, die es nicht wissen: Es ist parlamentarischer Gebrauch, dass die Regierungsfraktionen das Minderheitenvotum zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses immer durch eigene zustimmende Stimmabgabe unterstützen. In diesem Fall haben wir ausnahmsweise gesagt: „Nein, wir enthalten uns“, weil wir darauf hingewiesen haben, dass wir binnen 87 Tagen, die uns von der Einsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode zur Verfügung stehen, diesen Anspruch nicht erfüllen können. Darauf will ich auch hinweisen.
All das, was jetzt passiert, die Klagen: „Wir haben zu wenig Zeit; das alles geht so schnell; wir können die Akten nicht genug lesen“, haben wir bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses als Problem angedeutet. Das ist ja auch unbefriedigend – nicht nur für diejenigen, die ihn als Oppositionsinstrument nutzen, sondern auch für die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, weil wir ja gemeinsam – alle fünf Fraktionen, das gebe ich zu – den Vorfall des Attentats von Amri, der ja Verbindungen nach NordrheinWestfalen hatte – und nicht zu kleine –, aufklären wollen. Man muss dann wissen, dass ein Zwischenbericht und ein Abschluss dieses PUA mit dem Wissen, das wir sonst bei Untersuchungsausschüssen erlangen, schwerlich möglich sind.
Zu dem Zwischenbericht würde ich gerne noch anmerken: Der Vorsitzende hat gerade dem Ausschuss den Hinweis gegeben, wir mögen uns Gedanken machen, wie wir mit den bisherigen Erkenntnissen umgehen. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben heute beim Vorsitzenden einen Antrag eingereicht – den hat er, glaube ich, noch gar nicht gesehen –, auf jeden Fall sicherzustellen, dass alle Protokolle und Unterlagen, soweit das rechtlich und gesetzlich möglich ist, für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Es muss auch geklärt sein, dass alle Abgeordneten, die nicht Mitglieder des Untersuchungsausschusses gewesen sind, jetzt und in einer neuen Legislaturperiode Einsicht in alle Protokolle erhalten.
Damit machen wir einerseits deutlich: Für eine mögliche neue Legislaturperiode mögen diejenigen, die dann Mitglieder eines Nachfolgeuntersuchungsausschusses sind, die Chance haben, alles zu verwerten, was wir erarbeitet haben.
Andererseits muss die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, jedes Protokoll der, wohlgemerkt, öffentlichen Sitzungen wahrzunehmen. Dadurch kann auch kontrolliert werden – das hat in den Medien eine Rolle gespielt –, ob die Wiedergabe von Zeugenaussagen in dem Zwischenbericht, der ja nur 67 der 175 Seiten umfasst, zufriedenstellend ist oder nicht, ob die Zeugenaussagen richtig oder falsch wiedergegeben wurden.
Wir haben intensiv über die Frage der Reihenfolge von Zeugen diskutiert. Es gibt manchmal den geflügelten Spruch: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. – Es gab durchaus die Möglichkeit, wie es auch sonst in Untersuchungsausschüssen die Regel ist, mit Sachbearbeitern als Zeugen anzufangen und am Ende die wichtigen, auch politisch verantwortlichen Zeugen zu befragen.
Wir haben hier dank der, wie ich finde, richtigen Auffassung des Vorsitzenden den Weg andersherum gewählt. Wir haben sehr frühzeitig all die Zeugen vernommen, die an oberster Stelle stehen: den Generalbundesanwalt, den Leiter des BAMF, den Innenminister des Bundes und den Innenminister des Landes. All diejenigen haben wir frühzeitig vernommen.
Ich sage Ihnen heute aus fester Überzeugung, dass das für die Wahrnehmung in der nordrhein-westfälischen, aber auch in der deutschen Öffentlichkeit der richtige Weg gewesen ist. Damit hat das Parlament nach außen deutlich gemacht: Es gibt hier nichts zu verheimlichen. Wir setzen nicht darauf, dass prominente Zeugen nicht mehr vernommen werden können, weil der Zeitablauf eingetreten ist. Ich bleibe dabei: Auch die Zeugenreihenfolge war richtig.
Die Oppositionsfraktionen möchte ich daran erinnern, dass Sie den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Münch, Weise und Frank von SPD und Grünen nicht nur nicht mitgestellt haben, sondern Sie haben
dagegengestimmt. Wir hätten Herrn Frank, Herrn Weise und Herrn Münch bis jetzt nicht vernommen, wenn es nach den Oppositionsfraktionen gegangen wäre. Dennoch haben Sie alle aus den Befragungen durchaus auch Dinge abgeleitet. Ich glaube, dass es nicht falsch gewesen ist, diese Zeugen zu hören, wie auch immer man sie bezeichnen will, ob als sachverständige Zeugen oder anders, Herr Kollege Stamp. Ich will nur sagen, dass der Weg richtig war.
Gleiches gilt im Übrigen – auch das will ich betonen – für die Gegenstimmen von CDU und Piraten, was die Zeugen Innenminister Jäger und Ministerpräsidentin Kraft, die heute Abend vernommen wird, angeht. Ich will nur klarmachen: Es waren SPD und Grüne, die die Befragung dieser Zeugen beantragt haben.
Alle drei Oppositionsfraktionen waren dagegen, Herrn de Maizière zu vernehmen. Ich glaube auch heute noch, dass er mit dem, was er uns erläutert hat, ein wichtiger Zeuge gewesen ist. Es war richtig, dass SPD und Grüne mit „Mehrheitsbeschluss“ – in Anführungszeichen – dafür gesorgt haben.
Ich will hier noch einmal klarmachen – das gilt nach meiner Einschätzung für alle Zeugen, die wir bisher im Untersuchungsausschuss hatten –: Alle Zeugen haben große Betroffenheit signalisiert und deutlich gemacht, dass sie ihre jeweils eigenen Maßnahmen, aber auch ihr eigenes Verhalten im Fall Amri selbstkritisch und aufs Intensivste hinterfragen. Auch das ist eine wichtige Botschaft, damit die Menschen in diesem Land erkennen, dass die Verantwortungsträger bereit sind, dauerhaft und auch mit hoher Intensität zu hinterfragen, ob man alles richtig gemacht hat.
Stellvertretend möchte ich aus der Erinnerung heraus zwei Zeugen benennen, die das auch klarmachen, zum einen Herrn Frank-Jürgen Weise, der als damaliger Leiter des BAMF sinngemäß gesagt hat: Es ist nicht so gelaufen, wie es der Bürger vom Staat erwarten konnte. – Das war eine sehr ehrliche Antwort auf Fragen, die gestellt wurden. Er hätte es sich ja einfacher machen können. Das war eine Wertung seinerseits, um klarzumachen, dass die Menschen von uns allen, die wir unterschiedliche Verantwortung tragen, im Fall Amri etwas anderes erwarten konnten. Das hat er sehr profunde und sehr deutlich formuliert.
Zum anderen will ich noch einmal – der Herr Vorsitzende hat es gerade schon erwähnt – die Befragung des Zeugen Jacob, des Direktors des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, anführen. Auf meine Frage, was er als Leiter des LKA Nordrhein-Westfalen am Tag des Anschlags gedacht habe, hat er sinngemäß gesagt: Ich antworte Ihnen nicht, was ich gedacht habe. Ich sage Ihnen mal, was meine Mitarbeiter gedacht haben. Herr Wolf hat gerade darauf hingewiesen. Die Mitarbeiter haben an dem Abend des
Anschlags, als noch nicht klar war, wer das war, gesagt: Hoffentlich war das nicht der Amri.
Ich sage Ihnen: Ich habe hier viele Untersuchungsausschüsse mitgemacht, beispielsweise den zum Foltermord in Siegburg, der manchem noch sehr gut in Erinnerung ist. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so betroffen gewesen zu sein wie in dem Moment, als Herr Jacob das, wie ich finde, sehr überzeugend dargestellt hat. Da hätte man im Untersuchungsausschuss eine Stecknadel fallen hören können.
Ich denke, es ist wichtig, klarzumachen: Wir haben Zeugen vernommen, die uns zumindest in dem Punkt, mehr Informationen zu bekommen, sehr geholfen haben, auch um unterschiedliche Zeugenaussagen auf Dauer bewerten zu können.
Es wird in diesem PUA leider nicht gelingen, so zu arbeiten, wie wir es aus anderen Untersuchungsausschüssen gewohnt sind. Wir haben nicht viel Zeit für Befragungen und Beweisaufnahmen, nicht viel Zeit für Auswertung und Bewertung, und wir haben am Ende auch nicht viel Zeit für den Versuch, wie es im PUA „NSU“ in vielen Bereichen gelungen ist, gemeinsam Schlussfolgerungen zu ziehen.
Damit bin ich wieder am Anfang meines Wortbeitrages: Von Beginn an, dem 15. Februar, hatten wir 87 Tage bis zum Wahltermin. Wir haben im Übrigen – das war ganz ungewöhnlich – an dem Tag, an dem wir den Einsetzungsbeschluss gefasst haben, auch sofort die Mitglieder des Untersuchungsausschusses benannt. Das ist ungewöhnlich, das haben wir noch nie so gemacht. Wir haben das Verfahren so aber beschleunigt und hatten dadurch 50 Tage bis zu dem heute vorliegenden Zwischenbericht.
Wir haben Akten nach zehn Tagen bekommen. Wir haben binnen 14 Tagen erste Zeugen gehört. Ich glaube, dass das ein sehr ambitioniertes Programm gewesen ist, das wir hier abgearbeitet haben.
Deshalb möchte ich bei aller Streiterei zwischen den Fraktionen und Parteien, was den Wahlkampf angeht, noch einmal klarmachen: Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit des Vorsitzenden und der Schwierigkeit, als Löwendompteur in diesem Untersuchungsausschuss mitten im Wahlkampf seine Arbeit machen zu müssen. Ich habe hohen Respekt vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, des Stenografischen Dienstes, den Referenten der Fraktionen, aber auch den Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss. Ich kenne nämlich keinen PUA, der unter solchen Bedingungen arbeiten musste und sich – durchaus auch fraktionsübergreifend – so sehr bemüht hat, dem sehr komplizierten und schwierigen Anspruch gerecht zu werden, den das Parlament an uns formuliert hat.
Es gibt ein Zitat von Pierre Abélard, einem französischen Philosophen und Theologen, das ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne bringen möchte:
„Durch Zweifeln kommen wir nämlich zur Untersuchung; in der Untersuchung erfassen wir die Wahrheit.“
Ich glaube, Zweifel haben fraktionsübergreifend alle, die in diesem Untersuchungsausschuss arbeiten. Untersuchen wollen wir alle eigentlich umfassend, aber wir wissen bereits heute, dass wir diesen Anspruch in dieser Legislaturperiode nicht erfüllen können. Die Wahrheit werden wir daher nicht erfassen.
Diese unbefriedigende Feststellung, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte jemand formulieren, der bei dem Versuch, die Wahrheit in der nächsten Legislaturperiode herauszufinden, nicht dabei sein kann. Ich wünsche aber allen Kolleginnen und Kollegen die Kraft dafür, die Muße und vielleicht auch den überfraktionellen Zusammenhalt, um die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses fortzusetzen und zu klaren Schlussfolgerungen zu kommen. – Insoweit danke ich für die Aufmerksamkeit.
Besten Dank, Herr Vorsitzender. – Besten Dank, Herr Sieveke. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass zumindest ich in meiner Person nicht gesagt habe – ich glaube, auch die SPD nicht –, dass es um Zeugen geht, sondern seitens der Verwaltung durch den Vorsitzenden ist der Versuch gemacht worden, der Verpflichtung nachzukommen, alle Protokolle gegenzulesen, um festzustellen, ob aus vertraulichen Akten zitiert wird, und dass die Protokolle erst veröffentlicht werden können, wenn diese Durchsicht möglich war? Uns ist signalisiert worden: Bis zum heutigen Tag, bis zum Zwischenbericht, ist das aus Ressourcengründen – wegen der wenigen Mitarbeiter – nicht möglich.
Das ist der Hinderungsgrund gewesen, warum wir keine Protokolle veröffentlichen – bis jetzt.
Besten Dank, Herr Präsident. – Das war eben wohl doch nicht die letzte Rede, aber gut.
Herr Kollege Sieveke, ich war der festen Auffassung, mit meinem ersten Wortbeitrag eine ziemlich breite Brücke gebaut zu haben. Sie haben sich wirklich alle Mühe gegeben, die Brücke nicht nur einzureißen, sondern klarzumachen, dass sowohl das Untersuchungsausschussgesetz als auch alle anderen Regelungen nicht für Sie gelten. Ich will das deutlich sagen.
Da werfen Sie uns jetzt in Ihrem zweiten Wortbeitrag vor, wir wollten nicht aufklären, wir hätten gegen den PUA...
Das stimmt ja gar nicht.
Ich habe Ihnen erklärt: Wir haben uns enthalten. – Wir haben nicht gesagt: Wir stimmen dagegen. – Ich habe gesagt: Wir haben uns deshalb enthalten, weil wir das, was wir sonst von Untersuchungsausschussarbeit erwarten, nicht erzielen werden.
Machen Sie keine semantische Schweraufgabe daraus. Es bleibt dabei: Wir haben uns nur enthalten. Wir haben nicht dagegen gestimmt. Es bleibt aber
auch dabei, dass aus diesem PUA zu wenig rauskommen wird, aber die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger andere sind. Das ist genau das Problem.
Aber das wollen Sie nicht verstehen.
Kommen wir zu den Fakten, weil Ihnen das vielleicht ein bisschen hilft. Sie haben doch nur vier Zeugen benannt.
Von Ihnen sind als Anregung nur vier Zeugen gekommen.
Alle anderen, der Großteil der Zeugen, sind von SPD und Grünen gekommen. Dem Antrag sind Sie beigesprungen.
Aber wir hätten bis heute nur vier Zeugen gehört. Wie hätte dann der Zwischenbericht ausgesehen? Das ist doch wohl ein Witz.
Dann machen Sie hier den Vorwurf mit dem Sachverständigen. Ich will das nicht aufarbeiten. Die Ministerpräsidentin ist heute Abend bei uns im Untersuchungsausschuss.
Aber es gab doch ein klares Angebot der Landesregierung – auch fraktionsübergreifend; Parlament und Landesregierung – zu schauen: Finden wir einen Sachverständigen, der das für uns gemeinsam aufarbeitet? Das haben Sie doch kategorisch abgelehnt.
Sich jetzt darüber zu beschweren, Sie wären nicht dabei gewesen, ergibt überhaupt keinen Sinn.
Ich komme noch einmal zum Zwischenbericht. Darum machen Sie ein riesiges Mantra. Der Vorsitzende hat anders als andere Vorsitzende Ihnen und uns allen erste Entwürfe von den ersten Seiten des Zwischenberichts am 27. März zur Verfügung gestellt. Bis heute haben Sie nicht einmal gesagt, was Ihnen nicht gefällt. Sie haben keine Anregungen geäußert, was dort hineinschreiben sollte. Es gibt von Ihnen null Mitarbeit an diesem Zwischenbericht.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Uns vorzuwerfen, wir wollten nicht, aber seit Wochen nichts außer Wahlkampfgetöse zu machen,
ist das Problem in diesem Parlament und in diesem Land Nordrhein-Westfalen.
Herr Kollege Dr. Stamp, ich wollte das eigentlich nicht machen, aber nach Ihrem Wortbeitrag muss ich es einmal tun. Ich durfte heute der Presse entnehmen, dass Sie gesagt haben sollen – Sie sind hoffentlich richtig zitiert worden –, der Vermerk vom 13. Januar erinnere Sie an SED-Politbüro-Akten aus der DDR.
Das mag man lustig nehmen. Das mag man als Wahlkampfgetöse auch schön finden. Aber als überzeugter Sozialdemokrat sage ich Ihnen Folgendes: Was nehmen Sie sich heraus, zu behaupten, dass eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin bei der Vergangenheit, die wir als SPD mit der SED gepflegt haben, nämlich keine … Wir haben bei der Wiedervereinigung gesagt: Wir lehnen einen Zusammenschluss von Sozialdemokratie und SED ab.
Sie haben sich aber fröhlicherweise als FDP zu Ihren 65.000 Mitgliedern 1990 135.000 aus der DDR geschnappt und 6,3 Millionen DM. Da muss man sagen: Sie haben die Blockflöten genommen. Wir haben das abgelehnt. Uns ein SED-Regime vorzuwerfen, ist eine Frechheit! Das sage ich Ihnen ganz deutlich!
Ich sage das an alle zum wiederholten Male: Warum hört dieses Wahlkampfgetöse nicht auf? Alle Journalisten, alle Bürgerinnen und Bürger sagen: Wir haben genug davon. – Warum machen Sie immer weiter?
Ich versuche es ein letztes Mal und appelliere: Hören Sie auf damit! Kehren Sie zurück zur Sacharbeit im Untersuchungsausschuss.
Das ist die beste Idee. – Ich danke nochmals für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Dr. Stamp, ich kann es kurz machen. Die Frage, auf welche Art und Weise die FDP mit ehemaligen und frischen Blockparteien in FDP-Nähe umgegangen ist, will ich überhaupt nicht beurteilen.
Ich habe Ihnen aber deutlich gesagt: Wir lassen uns nicht gefallen, dass Sie uns in eine Ecke mit einem Unrechtsregime und einer Partei stellen,
von der wir uns als einzige Partei im Jahre 1990 abgegrenzt haben. Dabei bleibt es. Das sage ich Ihnen deutlich.
Frau Kollegin Brand, das war letztes Mal schon falsch und es wird jetzt auch nicht besser. Ich will es noch einmal deutlich formulieren: Von 15 Beweisanträgen, die bisher durchgegangen sind, sind zehn von allen, vier von uns und einer von der Opposition getragen worden. Zu der Frage, wie viele Zeugen vernommen wurden, sagte ich gerade: Vier von den Zeugen, die wir bisher von den 16 Zeugen gehört haben, sind von Ihnen gekommen.
Wir hätten also nur vier statt der 16 gehört. Dabei bleibt es doch.
Jetzt erklären Sie mir bitte einmal: Was würde im Zwischenbericht stehen, wenn wir nur die vier Zeugen gehört hätten?
Es bleibt dabei, Ihre 80 % werden nicht besser. Nehmen Sie den Zwischenbericht und lesen Sie es nach! Jede Bürgerin und jeder Bürger kann es kontrollieren.
Ihre falschen Zahlen lassen wir so nicht stehen.
Das ist aber eine Begrüßung durch das Parlament! Besten Dank, ich weiß das zu schätzen.
Herr Kollege Laschet, wegen Ihrer gespielten Aufregung weiß ich jetzt, warum Sie nur der stellvertretende Oppositionsführer in diesem Land sind. Das war wirklich eine peinliche Nummer.
Man kann von Herrn Lindner halten, was man möchte, aber das hätte er besser gemacht. Aber das ist ein anderes Thema.
Aber kommen wir zur FDP, Herr Kollege Stamp. Ich möchte zu dem Thema „Wir haben 32 Stunden gearbeitet“ festhalten: Sie nicht! – Sie waren nicht die ganze Zeit im PUA anwesend.
Ja. Ich belege Ihnen gerne, in welcher Sitzung Sie früher gegangen sind und der Kollege Wedel alleine
da war. Das können wir gerne klären, wenn Sie das möchten. Das machen wir gerne.
Sie waren nicht immer da! – Und dann beziehen Sie sich auf Presseverlautbarungen, die Sie selbst produziert haben. Dazu möchte ich nichts sagen.
Aber zwei Punkte, Herr Kollege Stamp, lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Mit „wir“ meine ich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses der SPDLandtagsfraktion. Sie haben sich gerade erdreistet, uns die Fähigkeit abzusprechen, im PUA zu arbeiten, weil wir dem nächsten Parlament nicht mehr angehören werden. Jetzt möchte ich deutlich formulieren, was ich – aus ganz unterschiedlichen Gründen – davon halte:
Erstens meinen Sie den Kollegen Gatter mit langjähriger Erfahrung in Untersuchungsausschüssen, der in mehreren Legislaturperioden dafür gesorgt hat, dass dieses Parlament ordnungsgemäß aufgeklärt hat.
Zweitens meinen Sie den Kollegen von Grünberg, der im PUA NSU sitzt und als stellvertretender Vorsitzender der UNO-Flüchtlingshilfe Fachmann für Asylpolitik ist.
Drittens meinen Sie den Kollegen Hilser, der diesem Parlament seit 17 Jahren angehört, ausgewiesener Kommunalpolitiker ist und beurteilen kann, wie Kommunen, Land und Bund bei der Flüchtlingspolitik reagieren.
Viertens meinen Sie die Kollegin Koschorrek, die im Kommunalausschuss sitzt, im PUA BLB Mitglied gewesen ist und als Rechtsanwaltsfachangestellte auch einen Überblick über die Frage hat, wie rechtliche Angelegenheiten geklärt werden.
Ich nehme mich jetzt gar nicht in diese Liste hinein.
Und dann meinen Sie den Kollegen Wolf. Ich finde, das ist die größte Frechheit von Ihnen. Er arbeitet jetzt in seinem dritten PUA. Das ist sein zweiter PUA als Vorsitzender. Gleichzeitig steckt er in seinem Wahlkreis im Wahlkampf. Sie wissen, dass ihn derzeit auch noch andere Dinge belasten.
Uns allen sprechen Sie ab, ordentliche Arbeit im PUA zu machen. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit.
Wie kommen Sie als Parlamentarier und als derjenige, der Herrn Lindner gerne in der nächsten Legislaturperiode folgen möchte, darauf, Abgeordnete erster und zweiter Klasse für dieses Parlament zu definieren? Das lasse ich mir nicht gefallen.
Die Tatsache, dass es Abgeordnete gibt, die dem nächsten Parlament nicht angehören, weil sie nicht mehr kandidieren, kann doch nicht dazu führen, dass sich diese am Untersuchungsausschuss nicht beteiligen können. Wo sind wir denn hier in diesem Parlament? Das ist unglaublich, das sage ich Ihnen. Das wird Ihnen auch als Fraktionsvorsitzender lange nachhängen, wenn Sie es überhaupt werden, um das ganz deutlich zu formulieren.
Als Parlamentarier, als Demokrat und als Innenpolitiker habe ich geglaubt, schlimmer könne es nicht kommen. Aber jetzt haben Sie Glück gehabt. Dann kam Kollegin Brand ans Redepult. Ich möchte Ihnen eines sagen, Frau Kollegin Brand. Das ist gar nicht mehr lustig. Die Präsidentin hat das schon formuliert. Ich sage Ihnen das noch einmal deutlich und klar. Ihre Kamingeschichte war noch ein bisschen diffus. Da habe ich gedacht: Na ja, sie steht vielleicht ein bisschen neben sich.
Aber Sie haben gerade mit Ihrer Geschichte um den Problembären – damit das hier klar ist – dazu aufgefordert, den Innenminister wie einen Problembären abzuschießen mit einer Waffe. Das ist Ihre Formulierung gewesen:
Ihnen passiert das so wie in Bayern. Wir werden das im Protokoll nachlesen können. Aber dass Sie in einer Zeit intensiver innenpolitischer Debatten über innere Sicherheit dazu auffordern, einen Innenminister abzuschießen, das hat noch mehr Konsequenzen. Das ist nicht nur antidemokratisches Verhalten – das geht so gar nicht!
Jetzt zu Ihrem fröhlichen Ruf: „Kommen Sie mal zur Sache!“ – Sie haben das alles produziert; darauf muss man ja eingehen –:
Bei Ihrer Beantragung der Aktuellen Stunde, Herr Kollege Laschet, haben Sie bereits in der Beantragung gegen unser Untersuchungsausschussgesetz verstoßen, indem Sie aus vertraulichen Dokumenten zitiert haben. Sie haben dagegen verstoßen, indem Sie bewertet haben.
Auch in Ihren Redebeiträgen haben Sie übrigens viel mehr noch – mit Herrn Stamp und mit Frau Brand – nicht nur gegen die von uns gegebenen Grundsätze
der PUA-Arbeit, sondern gegen das Gesetz verstoßen mit Ihren Bewertungen, die Sie hier vorgenommen haben!
Ich will Ihnen das gerne belegen.
Erstens. Herr Kollege Laschet, Sie sind ja nicht im PUA. Sie haben zwar behauptet, Sie seien Chefaufklärer, aber ich habe Sie da noch nicht einmal gesehen. Nicht einmal sind Sie gekommen. Deshalb wissen Sie auch nicht allzu viel über das LKA-Papier. Aber in dem LKA-Papier steht, dass es eine Tischvorlage ist. Hätten Sie gewusst, worum es geht, wüssten Sie, der Begriff „Tischvorlage“ war gar nicht das Problem. Aber jemand, der sich nicht auskennt, sollte hier auch nicht reden. Da wäre der Kollege Sieveke ein bisschen besser angesehen gewesen in der Frage. Es bleibt eine Tischvorlage.
Das hat sich nicht geändert. Sie wollten im Gegensatz zum Kollegen Stamp – jetzt kriegen Sie mal ausnahmsweise wieder ein Lob – ja nicht im PUA mitarbeiten. Der hat sich wenigstens da hingesetzt, fast die gesamte Zeit, aber Sie eben nicht.
Jetzt will ich Ihnen mal klarmachen, worum es mir geht.
Herr Kollege Laschet, mit Hochschulen kennen Sie sich ja aus als Klausurkorrektor,
sicherlich auch mit Hochschulautonomie. Jetzt will ich Ihnen mal eines sagen, weil Sie ja den PUA nicht als Chefaufklärer verfolgen:
Der Sachverständige, an dem Sie hier herummäkeln, hat seinen Vertrag unterzeichnet am 3. bzw. am 12. Februar. Alle Vertragskennzeichnungen fallen in den Untersuchungszeitraum des Untersuchungsausschusses. Der Sachverständige war letzten Freitag im Untersuchungsausschuss. Wenn Ihnen das alles so wichtig gewesen ist, verstehe ich gar nicht, warum Sie dann sagen: „Frau Kraft soll mir was beantworten, Frau Kraft soll mir was sagen“. Sie hatten mit Ihrer Truppe die Gelegenheit, am Freitag den Sachverständigen nach der Anbahnung, nach dem Vertrag, nach seinem Verhältnis zu den Unis zu fragen. Der Kollege Sieveke hat in der gesamten Befragung eine Frage gestellt, genau eine. Er hat nur gefragt: Wer hat Sie
denn angesprochen, dass Sie Sachverständiger werden könnten? – Das Justizministerium. Keine Frage dazu, wie war …
Natürlich stimmt das. Gucken Sie ins Protokoll, gucken Sie nach! Eine Frage zu dem Vertragsverhältnis hat der Kollege Sieveke gestellt. So wichtig scheint Ihnen das ja nach meiner Einschätzung nicht gewesen zu sein.
Etwas sachlicher, als ich es jetzt tun würde, hat Herr Lersch-Mense Ihnen schon die Frage dieser Mail beantwortet und die Frage zu den Moscheen. Zu der Frage nach den Moscheen, Herr Kollege Laschet: Im Innenausschuss hat bereits am 5. Januar Herr Freier dargestellt – ich zitiere gerne aus dem Protokoll –: Von zwölf Moscheen gibt es nur eine, die uns bekannt ist in dem Zusammenhang. – Es heißt:
„Ich würde gerne auf die Frage von Herrn Abgeordneten Hegemann nach den Moscheen eingehen. – Es sind keine Netzwerke, sondern von diesen zwölf Moscheen ist es eine Moschee, die wir als Verfassungsschutz als salafistisch beeinflusst sehen. Die anderen … sind türkisch, albanisch, bengalisch.“
Wenn dann die Staatskanzlei sagt, dass das bisher in der Chronologie nicht vorkommt, finde ich das nicht verwerflich. Ich will Ihnen das abschließend sagen. Deshalb waren die Zwischenrufe hier am Ende auch richtig, Herr Kollege Laschet. Mit Ihren letzten Sätzen in Ihrer Rede haben Sie klargemacht: Es geht Ihnen nur um eines: um Wahlkampf und um nackte Angst.
Sie werden im Wahlkampf erleben, dass die Bürgerinnen und Bürger das merken.
Besten Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nur noch einmal gemeldet: Frau Kollegin Brand, ich bin aus Ihrer Fraktion darauf hingewiesen worden, ich solle in dieser Frage mal in Wikipedia nachschauen. Ich habe prompt gegoogelt und „gewikipediat“. Und was steht bei Wikipedia? Dort ist zu lesen:
„JJ1, bekannt geworden als ‚Bruno‘, […] von der Bayerischen Staatsregierung als ‚Problembär‘ eingestuft,
der eine Bedrohung für den Menschen darstellte, und wurde […] zum Abschuss freigegeben.
Am 26. Juni 2006 wurde er […] erlegt. […] Vonseiten des Bayerischen Umweltministeriums hieß es, der Abschuss sei […] ‚von jagdkundigen Personen‘ vorgenommen worden.“
Genau das haben Sie hier gesagt. Sie haben von dem bayerischen Problembären gesprochen, von nichts anderem. Ich gebe Ihnen noch mal die Gelegenheit, sich hier für den Aufruf, einen Innenminister abzuschießen, zu entschuldigen.
Tun Sie es, oder tun Sie es nicht?
Und Herr Kollege Sieveke Sie müssen sich gerade aufregen. Ihre Schamgrenze ist doch jetzt ins Unterirdische gefallen – das will ich Ihnen mal ganz deutlich sagen –, aber wirklich unterirdisch!
Da machen Sie hier Semantik zum Mitgliederbrief Ihres Landesvorsitzenden. Der schreibt seine Mitglieder an und erklärt denen Unsinn, das hat Kollegin Düker sehr gut erklärt. Und Sie versuchen, das irgendwie noch zu rechtfertigen. Das können Sie nicht! Die Banane ist geschält! Er hat es so geschrieben, es bleibt so falsch.
Und dann werfen Sie gegenüber Herrn LerschMense die Abwägung zu der Frage „Geben wir Details zu einem Berufungsverfahren in die Öffentlichkeit, das sozusagen noch in den Verhandlungen steckt?“ zu der Abwägung „Todesopfer“ in eine Waagschale. – Das ist schäbig; das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
Es hat, wie Sie wissen, nichts miteinander zu tun.
Die Ministerpräsidentin kann sich selber wehren, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber – das will ich noch mal aufgreifen – ihr in der Frage der Terminierung Arroganz zu unterstellen und zu behaupten, Sie hätten beantragt, die Ministerpräsidentin zu hören, das ist ja wieder mal falsch. Den Beweisantrag, die Ministerpräsidentin im Untersuchungsausschuss zu hören, haben nur – nur – SPD und Grüne gestellt. Weder Piraten noch CDU noch FDP wollten sie überhaupt hören; das ist doch die Wahrheit! Sie wollten die gar nicht haben!
Als es um den letzten Freitag ging, haben Sie doch groß gesagt: Ich habe kein Interesse, keinen Bedarf an der Vernehmung von Frau Ministerpräsidentin Kraft an dem Freitagabend.
Herr Dr. Stamp hat zu Recht gesagt und auch hier im Plenum bestätigt, an ihm läge es nicht, auch nach der Wahl sei ausreichend. Genauso war die Formulierung.
Jetzt machen Sie einen Bohei daraus, dass sie sich jetzt die Zeit nimmt, am Freitag für uns zur Verfügung zu stehen – sehr kurzfristig –, und leiten daraus ab, jetzt müssten Sie alle Ihre Termine verschieben. Genauso ist es doch. Sie beschweren sich darüber, dass die Ministerpräsidentin am Freitagabend kommt, wo sie letzten Freitag auch am Abend gekommen wäre. Wo ist denn da der Unterschied? Was versuchen Sie der Öffentlichkeit zu vermitteln?
Die Ministerpräsidentin kommt. Wir werden sie befragen – von mir aus bis morgens um fünf, wie Herr Dr. Stamp das angekündigt hat. Das können wir gerne machen. „Bis in die Nacht hinein“, war Ihre Formulierung in Ihrem Pressestatement. Wir bringen die Zeit mit, und im Übrigen nicht nur, weil wir nicht der neuen Landtagsperiode angehören, sondern weil wir es ebenso für wichtig halten, das zu tun.
Als Letztes, Herr Kollege Sieveke, noch mal zur Bestätigung: Ich habe gesagt, Sie haben nur eine Frage an den Sachverständigen zu seinem Vertragsverhältnis gestellt. Genauso habe ich es gesagt. Schauen Sie ins Protokoll!
All die Fragen, die Herr Laschet heute hier gestellt hat, haben Sie nicht gestellt, weil Sie die Antworten gar nicht interessieren. Ihnen geht es nur um Wahlkampf und Bohei, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sitzen heute wegen der Causa Wendt zusammen, und ich glaube, dass dazu insbesondere sechs Punkte die Menschen umtreiben – nicht nur in diesem Land, sondern in der gesamten Bundesrepublik.
Es geht um folgende Fragen: Wie werden die Daten und Fakten gesammelt? Was ist tatsächlich wie gewesen? Was ist die Wahrheit? Was hat man geglaubt, was die Wahrheit sei? – Ich glaube schon, dass es da auch um die Frage der Unschuldsvermutung geht. Wir reden über die Frage: In welcher Art und Weise hat es denn überhaupt eine Freistellung von Herrn Wendt gegeben? Muss ein Innenminister persönlich wissen, was 44.000 Beschäftigte machen? Hat Herr Wendt bezahlte Gesinnungspolitik für die Landesregierung betrieben? Was erwarten wir als Parlament von ehrenamtlichen Gewerkschaftsvorsitzenden? Und muss es eigentlich klare Regelungen geben?
Ich komme zum ersten Punkt, zu der Frage der Unschuldsvermutung – so schwer es mir manchmal auch fällt, das hier deutlich zu formulieren: Die gilt natürlich auch für Herrn Wendt in dieser Frage. Ich bitte bei allen Wortbeiträgen auch immer zu berücksichtigen: Muss in einem Verwaltungsermittlungsverfahren und in einem Disziplinarverfahren ermittelt werden?
Die letzte Sitzung des Innenausschusses und der heutige Bericht des Innenministers sowie der Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“, der ja von Informationen des Rechtsanwalts von Herrn Wendt geprägt ist, machen eines klar: Herr Wendt hat einen bezahlten 12,5-Stunden-Job gemacht mit, vermute ich, dem Votum von 60 Stunden Arbeit seinerseits. Er hat fünf nicht angezeigte Nebentätigkeiten betrieben, für die er weder eine Freistellung noch sonst etwas bekommen hat. Und zu der Arbeit, die er für 28,5 Stunden bezahlt bekommen hat, ist er nicht erschienen.
Da will ich einmal deutlich sagen: Dass Sie, Herr Biesenbach, einen Minister in allen möglichen Punkten kritisieren, aber nicht mit einem Wort dieses Fehlverhalten eines Beamten im Land Nordrhein-Westfalen kritisieren, das finde ich unglaublich.
Ich komme gleich gern darauf zurück.
Wir reden über einen einfachen Polizisten. Wir haben ja keinen Abteilungsleiter, keinen Behördenleiter. Da kommt ein ganz einfacher Polizeibeamter – weder in Duisburg noch in Mönchengladbach und schon gar nicht beim LZPD – regelmäßig oder irgendwann überhaupt zur Arbeit und keiner seiner direkten Dienstvorgesetzten in diesen drei Behörden, in denen er tätig war, und keiner aus dem Kollegium geht dieser Frage nach. Da warten wir wirklich gespannt auf die Ermittlungen, wie es dazu kommen konnte.
Ich will Ihnen nur sagen: Auch aus der Sicht des Beamten, desjenigen, der hier jeden Monat sein Geld für 28,5 Stunden Arbeit bekommt, wäre es doch wohl das Mindeste gewesen, die fünf Nebentätigkeiten anzuzeigen. Das ist in der Personalakte jedoch nicht enthalten
und wird von Ihnen hier überhaupt nicht angesprochen.
Dann haben wir von Ihnen so etwas wie das Orakel von Delphi gehört; das haben wir ja auch im Innenausschuss schon gehört, Herr Biesenbach. Da heißt es, der Innenminister habe Bescheid gewusst. – Ja, der Wendt behauptet, das Innenministerium sei informiert gewesen – ich bitte auf die genaue Wortwahl zu achten –, nicht der Innenminister persönlich.
Jetzt sagt aber Herr Behrens nein, Herr Wolf sagt nein, und Herr Jäger sagt nein. – Und mal ganz ehrlich: Die Personalakte sagt auch nein. Jetzt haben wir also viermal ein Nein, und Sie als CDU wagen zu behaupten, dass das bei Herrn Behrens und Herrn Wolf wahrscheinlich die Wahrheit ist.
Im Innenausschuss aber haben Sie wahrheitswidrig unterstellt, der Innenminister dieses Landes wisse darüber Bescheid. Da will ich Ihnen eines mitgeben, Herr Kollege Biesenbach: Da muss man doch nicht so tun bei der Frage: Wann ist eigentlich was passiert? – Sie mit Ihrem kleinen Dienstjubiläum im Jahr 2013!
Schauen wir doch einmal: Im Jahr 2006 wechselt der Herr Wendt nach Mönchengladbach, nachdem er Probleme in Duisburg gehabt hat – in Verantwortung Ihrer schwarz-gelben Landesregierung!
Im Januar 2010, nachdem er erneut Ärger gehabt hat – diesmal bei seiner Behörde in Mönchengladbach –, wechselt er zum LZPD, und viele Kolleginnen und Kollegen der Polizei werden sich fragen, wie er dann das Nächste geschafft hat: Einen Monat später wird er nämlich in seiner neuen Behörde direkt befördert, unter einem FDP-Minister und – man höre und staune: „Wolf unter Palmen“ – unter einem Staatssekretär aus Ihrer Fraktion, der – das behaupte ich hier ziemlich deutlich – das sehr gut wusste!
Dass Sie dann ernsthaft an der wahren Aussage des Ministers, er habe am 24. Februar das erste Mal davon gehört, zweifeln, ist doch nur dem Wahlkampf geschuldet; das wissen Sie doch auch. Genau wie diese Geschichte, der Innenminister sei in Berlin mit Herrn Wendt bei irgendeiner Jury gewesen. – Ja, jetzt mal ganz ehrlich: Der hat 44.000 Beschäftigte,
und einer der Kommissare und Hauptkommissare ist Herr Wendt. Jetzt trifft er den in Berlin. Glauben Sie denn ernsthaft, dass der dann sagt: Schönen guten Morgen, Herr Wendt, sind Sie heute freigestellt? Haben Sie heute einen Tag Urlaub? Haben Sie heute einen Tag Sonderurlaub?
Feiern Sie heute Ihre Überstunden ab? – Das ist doch Unsinn. Man muss sagen, dass er ernsthaft geneigt ist, zu fragen. Dann wird von Ihnen unterstellt, er hätte sich informieren müssen. Da will ich Ihnen ganz deutlich als Parlamentarier, der an die Arbeit der Gewerkschaften glaubt, etwas sagen. Wenn ein Minister, egal, welcher das ist – das kann auch eine Schulministerin sein –, sich eine Personalakte eines einfachen Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen vorlegen lassen würde, weil er Bundesvorsitzender einer Gewerkschaft geworden ist, dann könnten Sie die Medien informieren. Das wäre nämlich mal eine Nummer, wenn sich ein Minister in die gewerkschaftliche Arbeit einmischt.
Glauben Sie ernsthaft, Herr Biesenbach und liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU … In 2005 und
2006, Herr Laschet, saßen Sie ja auf anderen Bänken; da haben Sie damit nichts zu tun gehabt.
Ja, auf der Regierungsbank. Da kommen Sie ja jetzt nicht hin; dafür kann ich auch nichts.
Ich will nur sagen, da haben Sie ja nichts … Aber der Kollege Biesenbach hat Ihren Herrn Wendt, Ihr CDUParteimitglied Wendt in 2005 und 2006 mehrfach als Sachverständigen in den Innenausschuss, in den Unterausschuss Personal, in den HFA eingeladen. Haben Sie da einmal gefragt, ob der den Tag frei hat, damit er zu Ihnen kommen kann?
Es war Ihr Sachverständigen in den Jahren. Ich will das nur einmal sagen. Sie haben sich null über die Frage gekümmert, ob der eigentlich kommen kann oder in Duisburg oder in Mönchengladbach seine Arbeit machen muss. Das ist doch ein Witz der Treppengeschichte. Das will ich Ihnen einmal deutlich sagen.
Sie wussten ja noch eher als der Innenminister, dass der gar nicht arbeitet. So deutlich muss man das formulieren.
Damit das klar wird: Ich unterstelle auch keinem anderen, dass er das wisse. Ich unterstelle auch dem ARD-Intendanten nicht, dass er nicht weiß, was seine 30.000 Mitarbeiter überall machen. Ich unterstelle Frau Merkel nicht, dass sie über alle ihre Mitarbeiter im Bundeskanzleramt oder dass Herr Zetsche über seine 282.000 Mitarbeiter bei Daimler informiert ist. Es ist doch ein Witz, dass Sie glauben, dass der Chef eines Unternehmens – in diesem Fall der Minister in einem Ministerium – wisse, was 44.000 einzelne Beschäftigte machen. Wir reden ja nicht über einen Spitzenmann. Das ist absurd.
Noch absurder, weil Sie es noch einmal wiederholt haben, Herr Biesenbach: Sie können doch nicht ernsthaft sagen, dass Herr Wendt nahegelegt hat, dass er durch die Bezahlung des Landes NordrheinWestfalen Gesinnungspolitik für die Landesregierung beitreibt.
Dann behaupten Sie auch noch, er habe nichts Böses gesagt. Ja, da will ich Ihnen einmal helfen.
„Neue Westfälische“, 17. Januar 2017; vor seinen schwierigen Zeiten, die er jetzt hat: NRW hat große
Probleme, insbesondere in den Ballungsräumen, sagt der in NRW beschäftigte Polizeibeamte.
„Siegener Zeitung“, 9. März 2016: Die Aufklärungsrate in NRW ist beschämend. „Das Risiko, Opfer eines Einbruchs zu werden, ist in NRW sechsmal so hoch wie in Bayern.“
Erst seit dem Jahr 2016 dürfe man in NRW sagen, dass Täter kriminelle Ausländer seien. Vorher sei das untersagt worden. Da hat er nicht nur bei „Hart aber fair“ der Ministerpräsidentin – in diesem Fall dem Minister – unterstellt, man sei als Beamter gezwungen, die Wahrheit nicht zu sagen. Und das sagt einer, der bezahlt ist und Gesinnungspolitik für die NRW-Landesregierung macht? Das können Sie doch nicht ernst meinen. Jetzt mal ganz ehrlich!
Aber wenn man ein bisschen nach vorn schaut. Hätten Sie Ihren Humorvortrag andersherum gedreht – das Orakel von Delphi, Herr Biesenbach –, dann hätte ich das auch anders machen können. Aber wenn wir nach vorn schauen, finde ich zumindest Ihr Angebot auch richtig und wichtig, zu sagen: In der neuen Legislaturperiode muss sich dieses Parlament mit dieser Frage beschäftigen. Denn in einem, hoffe ich, sind wir alle im Rund des Parlaments uns einig: Auf die Sachkenntnis, die Beratung, die Mahnung, die Warnung und auch die Leitlinien von Gewerkschaften wollen wir doch ernsthaft, egal, in welchem Ministerium, in welchem Ausschuss und auch hier im Parlament, nicht verzichten. Daran will ich erinnern.
In über 50 Terminen im Innenausschuss, im Unterausschuss Personal und im HFA haben uns Gewerkschaftsvorsitzende hier in Anhörungen geholfen – ehrenamtlich, mit Stunden der Vor- und Nachbereitung und mit dem stundenlangen Sitzen hier im Parlament. Wer von Ihnen hat denn ernsthaft geglaubt, dass sie das alles ehrenamtlich machen und bei ihrem Arbeitgeber ständig unbezahlten Urlaub nehmen können? Wir wollen darauf nicht verzichten, wir dürfen darauf nicht verzichten, und wir müssen das klären.
Deshalb komme ich auch zum letzten Punkt: Was sollen wir denn in Zukunft machen? Ich finde wichtig, dass sich das neue Parlament damit auseinandersetzt, aber so, wie es derzeit ist – hat der Minister zu Recht gesagt –, kann es nicht weitergehen. Intransparente Regelungen, unterschiedliche Anwendungen, mangelnde Verbindlichkeiten sind alles keine Grundlagen für eine Zusammenarbeit zwischen einem Beschäftigten im öffentlichen Dienst und seinem jeweiligen Dienstherrn. Daher ist der Appell des Ministers an uns, da Regelungen zu schaffen, auch richtig, und der Gesetzgeber sollte – wie ich finde –
auch zusehen, das fraktionsübergreifend zu machen.
Ich will aber auch deutlich formulieren: Wir können und wir werden Gewerkschaften nicht subventionieren – das halte ich für falsch –, aber wir müssen ihren Sachverstand nutzen, können darauf nicht verzichten, und dafür muss es Regelungen geben.
Als Letztes, Herr Biesenbach, will ich Ihnen noch mitgeben: Die CDU Schildesche – ich hatte das letzte Woche im Innenausschuss schon angedeutet, und sie hat es tatsächlich getan – hatte Herrn Wendt gestern als Gast eingeladen und hat die Veranstaltung abgesagt. Wer hätte es gedacht? Dort, bei der CDU in Schildesche, ist man weiter als Sie. Denn Sie haben heute hier nur eines getan: eine Verteidigungsrede für Herrn Wendt gehalten, für jemanden, der nach meiner festen Einschätzung, nach Meinung unserer Fraktion mit seinem Verhalten die wichtige Arbeit der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland schwer beschädigt hat, so wie Sie heute das Ansehen der CDU beschädigt haben. – Besten Dank.
Herr Kollege Körfges, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Herr Engel das Schwadronieren der FDP über die Frage, wie man zum LPVG stehe, am 7. März 2007, als CDU und FDP in diesem Parlament das LPVG geschliffen haben, wie folgt kommentiert hat? Ich möchte ihn zitieren:
„Um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung trotz des notwendigen Stellenabbaus … zu erhalten und zu verbessern, müssen auch die Personalvertretungen durch Verringerung der Freistellung einen Beitrag leisten.“
Das war die FDP-Meinung von 2007.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem – wohlgemerkt – „Eilantrag“ der CDU habe ich persönlich den Eindruck von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Mir ist nicht ganz klar, was überhaupt die Verbindung zwischen Ihrem Antrag und dem Vorfall vom Wochenende in Essen sein soll. Auch das erschließt sich mir nicht.
Das macht aber klar: Sie wollen den Eindruck erwecken, die von Ihnen in dem Antrag gewünschten Maßnahmen hätten irgendetwas mit dem Vorfall in Essen zu tun, was allerdings noch mehr verwundert, weil ja gerade der Vorfall in Essen verhindert wurde, ohne dass die von Ihnen geforderten Maßnahmen Gegenstand sind.
So ganz klar ist mir das nicht. Darauf komme ich gerne gleich noch einmal zurück.
Greifen wir die vier Punkte, die in Ihrem Antrag stehen, Herr Kollege Golland, auf. Zu dem Thema „Schleierfahndung“ haben wir eine Anhörung durchgeführt. Herr Gusy hat gesagt, dass NRW keine schleierfahndungsfreie Zone sei und es dafür keinen Bedarf in Nordrhein-Westfalen gebe. Sie können das noch hundertmal aufwärmen, das hat sich nicht geändert.
Sie wollen die Videobeobachtung stärken. Das haben wir gerade erst mit der Ausweitung auf die Polizeibehörden, die das beantragt haben, getan. Auch dort besteht kein Bedarf. Telefonüberwachung und Kontoanalysen sind schon heute möglich – nicht nur für den Verfassungsschutz. Und bei der Wohnraumüberwachung habe ich den Eindruck, Herr Kollege Golland, dass die CDU an der Evaluierung ein bisschen vorbeigeschlittert ist. Die Wohnraumüberwachung hat in Nordrhein-Westfalen zum Zeitpunkt ihrer Wirkung nicht ein einziges Mal zu einem Anwendungsfall geführt. Das ist doch der Grund gewesen, warum wir sie gestrichen haben. Wir evaluieren Gesetze und stellen fest, dass eine Eingriffsmöglichkeit besteht, die von der Polizei überhaupt nicht genutzt wird. Warum wir die weiterhin behalten sollen, erklärt sich mir zumindest nicht.
In ihrem Antrag steht auch noch das Thema „Onlinedatenerhebung“. Darauf sind Sie in Ihrer Rede nicht eingegangen, weil Sie vermutlich selbst nicht wissen, was das sein soll. Wir zumindest wissen es auch nicht. Dann haben Sie gerade die Fußfessel angesprochen. Die steht aber gar nicht in Ihrem Antrag. Ich wüsste gar nicht, warum sie heute Gegenstand der Beschlussfassung sein sollte. Auch das Thema
„Identitätsverschleierung“ steht nicht in dem Antrag der CDU.
Das ist das Grundproblem Ihres Antrags: Sie haben keine Formulierung, keinen Gesetzestext, keine Konkretisierung zu der Frage, was passieren soll, sondern stattdessen findet ein allgemeines Aneinanderreihen irgendwelcher Forderungen statt, von denen Sie behaupten, sie hätten etwas mit den Vorfällen in Essen von Samstag zu tun. Das macht uns die Abstimmung über Ihren Antrag leicht.
Ich will Ihnen sagen, was ich eigentlich von Ihnen, der CDU, erwartet hätte. Das betrifft nicht nur den Kollegen Golland. Es wird kein Dank an die Ermittlungsbehörden für die Verhinderung eines möglichen Anschlags in Essen gerichtet – nicht einmal ein Dankeswort, egal welche Behörden davon betroffen sind.
Das finde ich schon peinlich genug. Zweitens wird kein Dank an die eingesetzten Kräfte, die zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch an ein freies Wochenende glaubten und am Samstag die Sicherheit der Menschen in Essen und in Nordrhein-Westfalen gewährleistet haben, gerichtet, und auch kein Dank – das wundert mich bei Ihnen natürlich nicht – wegen des äußerst besonnenen und professionellen Vorgehens des Innenministeriums.
Ich will Ihnen insgesamt sagen: Genau der Vorfall von Samstag wäre eine gute Gelegenheit, allen beteiligten Behörden ausdrücklich zu danken. Wir als SPD-Fraktion tun das hier ausdrücklich.
Das alles tun Sie nur, weil wir uns zwei Monate vor einer Landtagswahl befinden und Sie grundsätzlich nur eine andere Sau durchs Dorf treiben wollen, um Pfeile auf den Innenminister abzuschießen. Wir machen das nicht mit. Herr Innenminister, nehmen Sie bitte den Dank der SPD-Fraktion für die eingesetzten Kräfte und die beteiligten Ermittlungsbehörden entgegen, und nehmen Sie ebenfalls mit, dass wir diesen Antrag ohne Probleme ablehnen werden. – Besten Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche Reden wiederholen sich hier im Landtag NordrheinWestfalen leider,
insbesondere immer dann, wenn die Piraten Anträge einbringen, die sich mit Bundespolitik beschäftigen. Beim Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, das Anlass Ihres Antrags ist, Herr Kollege Herrmann, hat NRW null, aber auch wirklich null Einwirkungsmöglichkeiten.
Das wissen Sie auch selbst. Deshalb fordern Sie in Ihrem Antrag auch gar nichts. In Ihrem Antrag – er hat vier Punkte, eine Feststellung und drei Forderungen – steht nicht einmal, dass einer etwas gegen dieses Gesetz machen soll, weil Sie wissen, dass Nordrhein-Westfalen überhaupt nichts dagegen machen kann.
Kommen wir mal zu den vier Punkten, die Sie hier fordern. Erstens: Sie behaupten, es gebe eine Kritik in Richtung des Landesdatenschutzbeauftragten. – Die gibt es nicht. Check. Zweitens: Sie wollen, dass Nordrhein-Westfalen sich für den Datenschutz einsetzt. – Das tun wir jeden Tag. Check. Drittens: Sie wollen keine Absenkung des Datenschutzes. – Das machen wir in NRW nicht. Check. Viertens: Sie wollen eine wissenschaftliche Untersuchung nur in NRW. – Das halte ich für Unsinn. Wenn, muss man sie im Bund machen. Check. Fünftens: Lehnen wir Ihren Antrag ab? – Tatsächlich ja. Check. – Besten Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. Dezember 2016 waren allein auf den
Weihnachtsmärkten in Berlin Zehntausende unterwegs. Sie waren in Weihnachtsstimmung und freuten sich auf das nahe Fest.
Unter ihnen waren unter anderem auch zwölf Menschen, über die der Tod grausam, schnell und heimtückisch hereinbrach: der Tod, der sich in das Leben eines 40-jährigen Neussers schlich und ihm auf dem Breitscheidplatz seine Mutter raubte; der Tod, der eine Israelin erfasste, die gerne reiste, und deren letztes Reiseziel im Leben Berlin bleiben wird; der Tod, der das Leben eines deutschen Lebenspartners, eines 62-jährigen Amerikaners, beendete, der vor zehn Jahren nach Berlin kam, um mit dem Opfer ein gemeinsames Leben führen zu können; der Tod, der eine 31-jährige Italienerin aus ihrem Berufsleben in Berlin riss, die in ihrer Heimat als „Engel mit Flügeln“ bezeichnet wurde. Der Tod hat für alle zwölf Opfer, aber auch für deren Angehörige, Verwandte, Freunde und Arbeitskolleginnen und -kollegen einen Namen: Anis Amri.
Wenn der Landtag NRW am heutigen Tage einen Untersuchungsausschuss einsetzt, sind diese zwölf Opfer und die mit ihnen verbundenen Menschen der Maßstab für unsere Arbeit. Nach der bisherigen Diskussion darf ich sagen: Es wäre nur schön, wenn es auch tatsächlich der Maßstab wäre.
Diese Menschen, diese Betroffenen erwarten von uns eine lückenlose Aufklärung. Diese Menschen erwarten von uns keine Beschränkung auf einzelne Bundesländer, auf einzelne Behörden oder einzelne Personen, und diese Menschen erwarten zu Recht auch von uns als Parlamentarier, dass wir nicht in partei- und fraktionstaktischen Grenzen denken und arbeiten. Diese Menschen erwarten von uns auf keinen Fall, dass wir einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der keine 100 Tage vor der Landtagswahl nur einem Ziel dienen soll: Material für eine Landtagswahl zu sammeln, weil man sonst nichts hat, was man an einem Infostand verwerten könnte.
Warum trifft Sie diese Bemerkung so ins Mark, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der CDU?
Wir kennen Ihr Ziel. Wenn man nämlich einen Hacker auf Ihre Pressestelle ansetzen würde, könnten wir schon jetzt Ihre zukünftigen Pressemitteilungen lesen. Ich kann sie Ihnen einmal vorlesen:
Erstens. Vertuschung – 14-Tage-Frist des Chefaufklärers Laschet nicht eingehalten. Zweitens. Hinhal
tetaktik – Beweisbeschluss immer noch nicht vollständig erfüllt. Drittens. SPD und Grüne verhindern eine rasche Aufklärung.
Viertens. Skandal – noch immer nicht alles übersandt.
Diese Pressemitteilungen von Ihnen kennen wir doch heute schon.
Warum haben Sie diese vorbereitet, ohne zu wissen, wie hier die Arbeit gemacht wird? – Weil sie kein Interesse daran haben – wirklich gar keins –, mögliche Versäumnisse bei Behörden des Bundes, der Berliner Polizei und der Justiz sowie anderer Bundesländer, aber auch anderer Staaten wie Tunesien aufzudecken.
Ihnen geht es hier in Nordrhein-Westfalen in den nächsten drei Monaten nur um eine Sache: Sie wollen einen NRW-Innenminister grillen. Das ist das, was Sie antreibt. Ich darf Ihnen sagen: Das wird misslingen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Warum kennen wir Ihre Pressemitteilungen vorher schon? – Dort, Herr Kollege Laschet – weil Sie es gerade so betont haben –, wo Sie Aufklärung betreiben könnten, nämlich im Deutschen Bundestag und im Berliner Senat, machen Sie gar nichts – freundlich formuliert. Dort machen Sie überhaupt nichts.
Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Die Aufklärung im Deutschen Bundestag interessiert Sie null, weil nämlich der Bundesinnenminister Ihr Parteibuch hat. Das würde Ihnen wehtun.
Herr Kollege Laschet, Sie waren gerade so nett, meine Zwischenfrage während Ihrer Rede nicht zuzulassen. Sie erlauben, dass auch ich zusammenhängend vortrage. Sie können sich ja später noch einmal melden.
Manche Retourkutsche kommt eben an. Tut mir leid, Herr Kollege Laschet. Sie können ja am Schluss noch einmal reden; Sie haben ja noch Zeit.
Wir wissen das auch, weil wir im Berliner Senat noch fünf Jahre Zeit haben, um Aufklärung zu betreiben, im Deutschen Bundestag noch sieben Monate.
Sie wollen Aufklärung und in Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss betreiben, der noch 90 Tage Zeit hat. Es geht Ihnen nur darum, 90 Tage lang Unruhe zu stiften, aber nicht darum, Aufklärung zu betreiben.
Wir haben Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ein klares Angebot gemacht. Wir haben Ihnen gesagt: Lassen Sie uns in NordrheinWestfalen und im Bund einen Sonderermittler, Sonderbeauftragten – wie auch immer Sie es nennen wollen – zum Zwecke einer raschen und schnellen Aufklärung einsetzen. Sie haben es ausdrücklich abgelehnt. Sie haben eine offene und umfassende Aufklärung nicht gewollt. Auch das muss hier gesagt werden.
Ja, Sie können sich gerne noch einmal melden.
Herr Kollege Laschet, der Kollege Stamp musste sich schon einmal entschuldigen, weil er sich gegenüber einem Mitarbeiter eines Hauses unfreundlich ausgedrückt hat. Was müssen Sie für Ihre Pressemitteilung und Ihren heutigen Wortbeitrag erst tun? Darin sagen Sie, Beschäftigte im öffentlichen Dienst würden vorsätzlich täuschen, tricksen, löschen und Daten vernichten, damit Sie das nicht bekommen. Wir erwarten von Ihnen eine Entschuldigung gegenüber allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen.
Wie können Sie es wagen, die Love-Parade als Beispiel zu benennen, man müsse jetzt wegen des Wahltermins anders verfahren? Ihnen ist gerade schon erklärt worden, dass die Love-Parade nach der Landtagswahl stattgefunden hat.
Seit wann beantragen denn Regierungsfraktionen Untersuchungsausschüsse? Wenn Sie ehrlich sein wollen, Herr Kollege Laschet, dann sagen Sie doch nicht einfach nur: „Ach, wir haben das irgendwie wegen des Wahltermins nicht gemacht“,
dann sagen Sie auch: „Wir wollten keinen Untersuchungsausschuss, weil es unseren CDU
Staatssekretär und unseren FDP-Innenminister betroffen hätte“, die hier auf der Anklagebank gesessen hätten.