Protocol of the Session on February 15, 2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie zu unserer heutigen, 136. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir dürfen auch heute einem Kollegen zu seinem Geburtstag gratulieren. Herr Kollege Holger Ellerbrock von der FDP-Fraktion hat Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Alles Gute im Namen des Hohen Hauses! Sie nehmen gerade die persönlichen Glückwünsche entgegen. Aber der Applaus zeigt Ihnen, das Hohe Haus gratuliert Ihnen in Gänze.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerne darauf aufmerksam machen, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sich zwischenzeitlich darauf verständigt haben, den für morgen, Donnerstag den 16.02., vorgesehenen Tagesordnungspunkt 6 „‚Ja‘ zur Fußballeuropameisterschaft in NRW-Stadien“ Drucksache 16/14171, ein Antrag der CDU-Fraktion, mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 7‚ „Chancen des digitalen Wandels an den Hochschulen nutzen – einheitliche Matrikelnummer einführen“ Drucksache 16/12829, ebenfalls ein Antrag der CDU-Fraktion, zu tauschen.

Ich sehe, dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann verfahren wir so, und die Tagesordnung für den heutigen Tag ist so verändert.

Damit treten wir in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Gibt es ein Konzept der Landesregierung für

den weiteren Umgang mit Ditib?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14224

Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 13. Februar 2017 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und würde gerne als erstem Redner vonseiten der FDP-Fraktion – ich habe keinen Sprechzettel vorliegen – Herrn Kollegen Dr. Stamp das Wort geben.

Frau Präsidentin! Ich weiß nicht, ob das noch dem närrischen Landtag geschuldet ist. Aber, es war für alle, die da waren, eine tolle Veranstaltung – vielen Dank. Vielleicht wäre es manchmal gut, wir würden als Parlamentarier auch interfraktionell gemeinsam auf diese Art und Weise zusammenkommen, weil das atmosphärisch hilfreich ist.

Meine Damen und Herren! Wir haben heute ein sehr ernstes Thema, und selten hat eine Aktuelle Stunde so kurzfristig noch mal zusätzlich an Aktualität gewonnen wie heute. Vor zwei Stunden hat uns die Nachricht ereilt, dass im Auftrag des Generalbundesanwalts heute Morgen vier Wohnungen von DİTİBImamen durchsucht wurden. Es geht um den konkreten Vorwurf der Spionage.

Wir wissen seit der letzten Sitzung des Innenausschusses, dass alleine hier in Nordrhein-Westfalen 13 Imame als Spitzel tätig gewesen sein sollen. Das macht deutlich: Die Zusammenarbeit mit DİTİB kann und darf so nicht mehr fortgesetzt werden.

(Beifall von der FDP)

Das haben wir als Freie Demokraten hier bereits seit längerer Zeit gefordert, und ich habe mich gewundert, wie lange die Landesregierung gebraucht hat, sich dieser Notwendigkeit bewusst zu werden.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wir wissen – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – um die jahrzehntelange, zum Teil vorbildliche Arbeit vieler DİTİB-Gemeinden vor Ort: im Bereich der Seelsorge, im ganz normalen Gemeindeleben. Es war wohl für uns alle angenehm – manchmal vielleicht auch zu angenehm, deswegen hat man sich um manches nicht gekümmert –, dass Imame von der ursprünglich laizistisch geprägten Türkei die Gemeinden hier vor Ort versorgt haben und alles seinen Gang ging. Man wurde mal zum Fastenbrechen eingeladen. Hier und da hat man mal ein bisschen Kontakt gehabt. Im Großen und Ganzen aber hat man vieles auch einfach so hingenommen, und vieles vor Ort hat ja auch gut funktioniert.

Deswegen möchte ich ganz bewusst darauf hinweisen, dass es gerade die vielen DİTİB-Gemeinden vor Ort sind, die teilweise selbst zutiefst verunsichert und über die Entwicklung enttäuscht sind. Deswegen muss ganz klar sein: Unsere Kritik hier und heute gilt den Funktionären, die, über Botschaft und Generalkonsulate gesteuert, die autoritäre Politik Ankaras in der deutsch-türkischen Gemeinschaft durchsetzen

wollen und dabei vor Denunziation und Spionage nicht zurückschrecken.

(Beifall von der FDP)

Imame haben Gemeindemitglieder als angebliche Gülen-Anhänger denunziert. Sie haben Gräben in Familien gerissen, Misstrauen und Angst geschürt. Ich habe seit dem Putsch in der Türkei viele Gespräche mit ganz unterschiedlichen Menschen türkischer Herkunft geführt. Und es ist zum Teil sehr bitter, mit anzusehen, wie dort die Gräben und Risse durch die Familien laufen, wie es Denunziation im eigenen Freundeskreis, teilweise sogar in Ehen gibt.

Direkt nach dem Putsch wurden regierungskritische Imame der DİTİB in die Türkei zurückgerufen, entlassen und nach eigenen Angaben sogar am Flughafen in Haft genommen. Reformorientierte DİTİB

Vorstände wurden auf Weisung aus Ankara ausgetauscht. In Köln haben sich Imame in einer Chatgruppe sogar dazu verabredet, einem angeblichen Gülen-Anhänger seinen muslimischen Glauben nicht zu bestätigen, damit er in Nordrhein-Westfalen keinen Religionsunterricht geben kann.

Meine Damen und Herren, wer denunziert, spioniert, trickst und täuscht, kann nicht einen Tag länger Partner sein –

(Beifall von der FDP)

weder bei der Organisation islamischen Schulunterrichts noch bei der Gefangenenseelsorge und schon gar nicht bei der Salafismusprävention.

Meine Damen und Herren, unsere Kritik richtet sich aber auch an die Landesregierung, die nur schleppend und äußerst abwartend reagiert hat; denn von der Denunziation sind Türken, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft und Deutsche betroffen. Manche haben Angst um ihre Familien. Darunter sind übrigens auch Beamte, also Staatsdiener, für die der Staat eine besondere Fürsorgepflicht hat. Deswegen erwarte ich von der Landesregierung, dass sie hier und heute darlegt, wie sie die Bürger und gerade auch die betroffenen Beamten schützen will.

(Beifall von der FDP)

Herr Minister Schmeltzer, Sie haben erst wochenlang geschwiegen und nichts unternommen, um jetzt öffentlich zu verkünden, Ihre Geduld sei am Ende, und Sie würden nicht mehr länger warten. Meine Damen und Herren, warten tun wir alle, aber eben nicht nur auf DİTİB, sondern auch auf Sie, Herr Minister Schmeltzer. Konzeptionelle Gedanken, wie es mit oder statt DİTİB weitergehen soll: Fehlanzeige.

Herr Minister, es reicht für die Integrationsarbeit in diesem Lande nicht aus, wenn man auf Empfängen hübsche Reden hält, aber sonst kein substanzieller Vorschlag kommt.

(Beifall von der FDP)

Wie stehen Sie zum Gedanken einer Islam-Stiftung, vielleicht nicht wie in Frankreich, aber vielleicht mit einer anderen Konzeption, offen für alle? Wie wollen Sie reformorientierte Muslime wie den Liberal-Islamischen Bund stärker aufwerten bzw. stärker in die Arbeit einbeziehen? Wie stellen Sie sich überhaupt die Arbeit mit den Verbänden weiter vor? Wie können die DİTİB-Imame durch in Deutschland ausgebildete und nur dem Grundgesetz verpflichtete Geistliche ersetzt werden? Ich erwarte von Ihnen hier heute dazu Aussagen und Vorschläge bzw. Konzepte.

Die Redezeit.

Sie tragen die Verantwortung. Werden Sie dieser Aufgabe bitte endlich gerecht.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit hier eins von Anfang an sehr klar ist: Solange nicht eindeutig geklärt ist, welche Verstöße von DİTİB gegen unsere Gesetze begangen wurden, solange darf es auch keine Zusammenarbeit geben. Und das hat diese Landesregierung mehrfach sehr deutlich gemacht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben zu diesen unglaublichen Vorgängen bei DİTİB eine sehr klare Haltung, wie ich finde. Es ist für uns unerträglich, dass der türkische Staat über den Glauben Einfluss auf das Leben der türkischen Muslime in unserem Land nimmt. Wir akzeptieren auch nicht, dass ein anderer Staat das gesellschaftliche und politische Leben in unserem Land beeinflusst oder beeinflussen will. Egal, ob die Türkei türkische oder deutsche Staatsbürger ausspioniert und denunzieren lässt: Wir dürfen uns das als Rechtsstaat nicht gefallen lassen. Das ist unsere klare Position. Daran gibt es auch nichts zu deuteln.

Bei allen Verdiensten für die Integration und die religiöse Arbeit, die von den DİTİB-Gemeinden geleistet wurde – viele von Ihnen, von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden diese kennen –, muss DİTİB jetzt die Abhängigkeit von der Türkei beenden. Ich sage Ihnen auch klar, warum: Die allermeisten der DİTİB-Gemeindemitglieder leben zum Teil seit Jahrzehnten bei uns. Viele sind hier geboren und zum Teil auch deutsche Staatsbürger. Sie genießen das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Demokratie, auf Religionsfreiheit. Und wenn sie das für sich in Anspruch nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

dann müssen sie unserer Gesellschaft auch sehr deutlich machen, dass sie das voll und ganz akzeptieren – wenn nicht, dann darf eine Zusammenarbeit auch nicht mehr stattfinden.

Der Generalbundesanwalt hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches aktuell vom Bundeskriminalamt bearbeitet wird. Diese Ergebnisse sollten wir abwarten, Herr Stamp. Auch wenn heute Morgen schon Wohnungen von Imamen durchsucht werden, muss man erst einmal abwarten, was bei dem Verfahren herauskommt.

Aber diese aktuelle Situation macht es eben notwendig, dass unsere Ministerien die Zusammenarbeit an den verschiedensten Stellen ruhen lassen. Und das funktioniert auch, das klappt auch. Das haben Sie gerade noch einmal erwähnt, Herr Stamp.

Es kann aber nicht sein, so wie die FDP es fordert, dass die Landesregierung einem religiösen Verband wie DİTİB vorschreibt, wie er sich aufzustellen hat. Das Organigramm, den Haushalt von DİTİB zu erstellen, ist Aufgabe von DİTİB. Wir trennen sehr klar zwischen Staat und Religion. Die Zukunft und den Platz, den DİTİB in unserer Gesellschaft einnehmen will, liegen in der alleinigen Verantwortung von DİTİB und nicht in unserer.

Die zweite Forderung der FDP – das entnehme ich Ihrem Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde – ist absurd. Sie wollen, dass die Landesregierung hier erklärt, mit welchen Maßnahmen sie den Schutz türkischer und deutscher Bürger in Nordrhein-Westfalen vor den Eingriffen durch DİTİB gewährleistet. Das heißt nichts anderes, als dass die FDP möchte, dass die Landesregierung einen Infobrief über ihre Maßnahmen an DİTİB schickt. Diese Idee, Herr Stamp, ist absurd.

(Beifall von der SPD)

Ich wünsche mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel mehr, dass die Menschen islamischen Glaubens, die bei der DİTİB aktiv sind, erkennen, dass sie zu Handlangern eines Staates und eines Präsidenten in einem Konflikt gemacht werden, der nicht ihr Konflikt ist. Nordrhein-Westfalen ist ihre Heimat. Unser Bundesland bietet ihnen Demokratie, Meinungs- und Religionsfreiheit, einen funktionierenden Rechtsstaat, Bildung und Aufstiegschancen.