Protocol of the Session on February 16, 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 137. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Zuschauern auf der Tribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich bisher 16 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ich habe heute die wirklich große Freude, einem Kollegen zu seinem Geburtstag zu gratulieren, der mit Sicherheit die Glückwünsche des gesamten Hauses gern entgegennimmt. Mein Vizepräsident, unser aller Vizepräsident Eckhard Uhlenberg feiert heute seinen Geburtstag. Herzliche Glückwünsche! Alles Gute und Gottes Segen!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung will ich noch einmal daran erinnern, dass sich, wie wir gestern miteinander besprochen haben und ich bereits mitgeteilt habe, alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt haben, den ursprünglich für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkt 6 „‚Ja‘ zur Fußballeuropameisterschaft in NRW-Stadien“ Drucksache 16/14171 – das ist ein Antrag der CDU-Fraktion – mit dem ursprünglich für die gestrige Plenarsitzung vorgesehenen Tagesordnungspunkt 7 „Chancen des digitalen Wandels an den Hochschulen nutzen – einheitliche Matrikelnummer einführen“ Drucksache 16/12829 – das ist ebenfalls ein Antrag der CDUFraktion – zu tauschen. Der Antrag Drucksache 16/12829 wird also heute unter Tagesordnungspunkt 6 behandelt.

Ich frage vorsichtshalber noch einmal, ob sich Widerspruch erhebt. – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir die heutige Tagesordnung einvernehmlich so verändert.

Damit treten wir in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Eskalierende Fan-Gewalt in Nordrhein-Westfa

len – wie will die Landesregierung Fans, Mannschaften und Einsatzkräfte bei Fußballspielen in Zukunft besser schützen?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14226

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 13. Februar dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Sieveke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, im September 2014 sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert in einer Pressemeldung zu Ihrem Pilotprojekt zum reduzierten Kräfteeinsatz bei Fußballspielen:

„Deshalb bringt uns das Pilotprojekt keinen Schritt dem Ziel näher, endlich die Gewalttäter aus den Stadien und deren Umfeld fernzuhalten.“

Weiter erklärte er:

„Die Leidtragenden dieser Strategie sind die friedlichen Fußballfans und die Familien mit Kindern, die keiner mehr schützen kann, wenn es zur Gewalt kommt.“

Arnold Plickert fuhr fort:

„Die Gewalttäter unter den Fans interessiert die ausgestreckte Hand von Jäger nicht. Deshalb ist es falsch, dass der Innenminister vor ihnen zurückschreckt, statt sie konsequent zu verfolgen.“

Zweieinhalb Jahre später erleben wir dann, wie es am Rande des Spiels zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig zu gewalttätigen Übergriffen von Ultras auf Leipzig-Fans – darunter auch Frauen und Kinder – kommt. Sechs Zuschauer sowie vier Polizisten werden verletzt. Bisher wurden über 30 Strafverfahren eingeleitet, davon 17 wegen Körperverletzung. Gegenüber den Medien beklagen Opfer und Augenzeugen eine zu geringe Polizeipräsenz außerhalb des Stadions.

Die Bundesliga und weite Teile der Öffentlichkeit sind entsetzt. Der Bundesinnenminister findet noch am Sonntag nach dem Spiel die deutlichen und die richtigen Worte, die in den frühen Morgenstunden …

(Zurufe von der SPD und den PIRATEN: Och! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das hören Sie ungern. Aber das ist nun einmal so.

… des Montags dann über die Ticker laufen.

Ich zitiere:

„Die brutalen Szenen vor dem Spiel Dortmund gegen Leipzig lassen einem den Atem stocken. Wer Steine und Getränkekisten auf Polizisten schleudert und dabei nicht mal auf Familien und Kinder Rücksicht nimmt, ist in Wahrheit kein Fußballfan und gehört nicht ins Stadion, sondern hinter Schloss und Riegel.“

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mich wundert, dass Sie nach solchen Worten nicht applaudieren. Wenn das nicht Ihre Meinung ist, tut es uns leid.

Erst nachdem wir eine Aktuelle Viertelstunde im Innenausschuss zu dem Thema am Montagmittag beantragt haben, ziehen auch Sie, Herr Minister, mit einem Statement nach. In diesem Statement sprechen Sie zu Recht von einer Schande für den Fußball. Auf die Frage, wie es zu dieser Schande kommen konnte, geben Sie allerdings wieder einmal keine Antwort. Von Fehleranalyse und Selbstkritik fehlt jede Spur. Den Versuch einer Erklärung unternehmen Sie und Ihre Hausspitze erst auf unser Drängen im Innenausschuss vor einer Woche.

Zur Sitzung wird wieder einmal durch Medienrecherchen bekannt, dass RB Leipzig Sie persönlich in einem Schreiben vom 21. November 2016 vor möglichen Ausschreitungen gewarnt und um eine Begleitung des Mannschaftsbusses durch Kräfte der Polizei aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen gebeten habe.

Man gehe davon aus – so das Schreiben –, dass Teile der Anhängerschaft von Vereinen aus Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft versuchen würden, die jeweils andere Gruppe mit Aktionen gegen RB Leipzig zu überflügeln, um größtmöglichen Schaden an Sachwerten und möglicherweise auch an Personen anzurichten. Man bitte darum, dass künftig eine Neubewertung der Sicherheitslage und Gefährdungslage für RB Leipzig vorgenommen werde. – Der Grund für dieses Schreiben: RB Leipzig hat zuvor bereits negative Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen in Köln und in Leverkusen gemacht.

Was Sie und Ihr Polizeiinspekteur dann im Innenausschuss erklären, löst nicht nur beim Kollegen Lürbke allergische Reaktionen aus: Man sei auf das Schreiben von RB Leipzig eingegangen und habe die Anfahrtsroute des Mannschaftbusses geändert. Leider sei es aber genau dadurch zu den Ausschreitungen gekommen.

Weil die 350 bis 400 Ultras nun ihren Hass nicht am Leipzig-Bus hätten auslassen können, habe sich ihr eruptiver Ausbruch von Gewalt gegen die Gästefans gerichtet. Dieser Gewaltausbruch sei aber nicht vorhersehbar, nicht einmal zu erahnen gewesen. Bei diesem Gewaltausbruch habe es sich um ein neues Phänomen gehandelt.

Die Kräfteplanung im Vorfeld sei solide, die Polizei richtig und angemessen aufgestellt gewesen. Fehler seien nicht gemacht worden. Die Einstufung als Nicht-Risikospiel mit geringerem Kräfteeinsatz sei richtig gewesen. Überhaupt gehöre die Frage nach Verantwortlichkeiten der Sicherheitskräfte nicht in den Vordergrund. Schließlich trage vor allem die BVB-Fangemeinde die Verantwortung.

Herr Minister, erst Hogesa, dann Köln, jetzt Dortmund!

(Zurufe von der SPD und den PIRATEN: Oh!)

Wir, die Abgeordneten des Landtags von NordrheinWestfalen, die Bürger im Land und die Öffentlichkeit haben dieses immer gleiche Schönreden, Relativieren und Verdrehen sowie diese systematische Flucht aus der Verantwortlichkeit endgültig satt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Minister, so kann unsere Landespolizei nicht geführt werden.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie wollen uns allen Ernstes weismachen, dass Gewaltausbrüche von Ultrafans ein neues Phänomen darstellen? Sie wollen uns weismachen, dass man Fangewalt gegen die Anhänger von RB Leipzig nicht erahnen konnte? Sie tun so, als ob die Geringschätzung vieler Fußballfans gegenüber RB Leipzig erst kürzlich bekannt wurde. Dabei wissen wir alle seit vielen Jahren davon.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Im März 2015 musste der Sicherheitsbeauftragte des Karlsruher SC das Trikot eines KSC-Spielers zurückholen, das dieser zuvor einem RB-Spieler gegeben hatte, um Ausschreitungen der KSC-Ultras zu verhindern.

Während des Pokalspiels zwischen Dresden und RB Leipzig im August 2016 wurde ein abgetrennter Bullenkopf auf den Platz geworfen.

Nicht umsonst schrieb die „ZEIT“ am 9. Mai 2016:

„Die Bundesliga hat ein neues Hassobjekt: RB Leipzig ist aufgestiegen.“

Selbst, wenn Sie von alledem nichts mitbekommen haben sollten: Das Schreiben der Leipziger und die schon lange bekannte Kritik der GdP an zu geringem Kräfteeinsatz hätten Sie doch sensibilisieren müssen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, das hören Sie ungern; das weiß ich.

(Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich bitte Sie deshalb, uns zumindest heute einige wichtige Fragen zu beantworten, die bei Ihrem Auftritt im Innenausschuss mal wieder unter den Tisch gefallen sind: