Gunter Fritsch
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Last Statements
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Tag ist in der Tat ein besonderer, denn wir haben auch das erste Mal eine gemeinsame Aktuelle Stunde auf Antrag zweier Fraktionen. Das hat in der Öffentlichkeit Erstaunen hervorgerufen, aber ich halte es durchaus für richtig, zum Ende der Wahlperiode einmal zurückzuschauen und zu sehen: Was können wir denn für die Zukunft daraus lernen?
Als vor fünf Jahren der Koalitionsvertrag abgeschlossen wurde, lag der 18. Juni 2004 in weiter Zukunft. Viele haben sich damals gefragt, ob denn die Summe der Gemeinsamkeiten fünf Jahre lang reichen würde. Heute, am Ende der Wahlperiode, können wir feststellen: Die Summe der Gemeinsamkeiten hat gereicht bis dahin, dass wir gestern noch mit Zweidrittelmehrheit eine Verfassungsänderung beschließen konnten. Auch da
gab es ja „hoffnungsfrohe“ Spekulationen, es könne schief gehen. Dies ist nicht eingetreten.
Heute ist die Zukunft für uns die nächste Legislaturperiode. Die Zeit hat es nun einmal an sich, unaufhaltsam zu vergehen. Wir sind ja ständig auf dem Weg in die Zukunft. Insofern ist der Titel der Aktuellen Stunde heute nichts Besonderes. Die Frage, die sich stellt, ist aber: Wie kommen wir dahin, auf welchen Wegen und mit welchen Ergebnissen?
Wir benutzen in der Politik eine ganze Reihe von Instrumentarien, Prognosen, Hochrechnungen, Annahmen, Entwicklungsszenarien usw. Diese liegen dann häufig auch den Diskussionen und Debatten in den Ausschüssen und im Plenum zugrunde und führen zu Entscheidungen, die die Zukunft mitbestimmen. In den letzten Jahren war das besonders auffällig, auch in der praktischen Politik. Wir haben die demographische Entwicklung zu beobachten, wir haben das Seitz-Gutachten in die Hand bekommen, wir haben eine Klimastudie gelesen, wir haben den PISA-Test gehabt, Verkehrsprognosen, Stadt-Gemeinde-Entwicklung und vieles andere mehr. All das erlaubt uns einen, wenn auch möglicherweise etwas unscharfen, aber doch ausreichend sicheren Blick in die nähere Zukunft und, wenn es gut geht, auch in die mittlere Zukunft.
Trotzdem können auf jedem Wege immer Ereignisse eintreten, die die Prognosen über den Haufen werfen, Annahmen ad absurdum führen und unsere Szenarien zu Makulatur werden lassen. Solche Ereignisse waren zum Beispiel der 11. September 2001 oder das Elbe-Hochwasser oder politische Entscheidungen des Bundes, die zu erheblichen Steuerausfällen in den Bundesländern führen, oder auch Gerichtsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs.
Alle Konzepte, Prognosen und Strategien, die in die Zukunft führen, haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt. Dieser gemeinsame Ausgangspunkt ist das Heute. Heute, das ist das gegenwärtige Brandenburg, so wie wir es vorfinden. Wer es nicht gut kennt oder falsch beschreibt, hat einen falschen Ausgangspunkt und wird einen falschen Weg gehen.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Was ich gestern hier an Beschreibungen von Brandenburg gehört habe, war nicht das Bild meines Landes. Egal, ob es beim Thema Sorben und Wenden oder beim Thema Kinder und Jugendliche war, das war eine Beschreibung einer Gegend, die man eigentlich nur so schnell wie möglich verlassen kann. Gerade das wollen wir ja nicht. Wir wollen ein reales Bild von Brandenburg mit ehrlichen Zahlen und Daten. Frau Ministerin Wanka hat sich gestern über die Falschdarstellungen hinreichend deutlich beschwert, zu Recht, glaube ich. Wir wollen ein Szenario von Brandenburg, in dem es sich auch in Zukunft zu leben lohnt, gerade auch für unsere Jugendlichen.
Aber Politik soll ja nicht nur Prognosen abgeben, sie soll auch den Rahmen für das praktische Handeln setzen. Das tut sie mit der Gesetzgebung, mit Rechtsverordnungen und vielem anderen mehr. Und sie soll den Menschen auch Orientierungshilfe geben. Orientierungshilfe ist mehr als nur ein moralischer Appell. Orientierungshilfe ist gerade in Umbruchzeiten besonders notwendig und auch besonders schwer zu geben. Wie gehen
wir denn um mit der demographischen Entwicklung? Wir kennen sie alle. Wie gehen wir denn um mit der Einwohnerverdünnung in den äußeren Entwicklungsräumen? Natürlich hat das Folgen. Natürlich wird es weniger Schulstandorte geben. Natürlich haben wir weitere Wege zu den Schulen. Wir können das beklagen, jammern und sagen: Nun müssen wir alle hier wegziehen. - Wir können aber auch sagen: Es gibt viele Gegenden auf der Welt, in denen die Besiedelungsdichte noch geringer ist, die Menschen sich trotzdem wohl fühlen, zufrieden leben und eine ordentliche Schulausbildung bekommen.
Wie gehen wir um mit der demographischen Entwicklung mit Blick auf Bauwesen, Wohnungsleerstand, Straßenbau? Radwegebau will ich gar nicht ansprechen, denn diesen brauchen wir - auch wenn wenig Leute dort wohnen - für die touristische Entwicklung des Landes. Wie gehen wir um mit dem ÖPNV? Die Frage ist gerade eben diskutiert worden.
Ich glaube, dass in der vergangenen Legislaturperiode im Bereich Bau - vielleicht hätte es noch ein, zwei Jahre früher sein können - die Umsteuerung von der Förderung von Neubau auf Wohnungsbausanierung richtig war und auch konsequent fortgesetzt werden muss. Wir haben mehr Wohnungen als Einwohner und wir haben in der Altbausubstanz jede Menge Arbeit und Beschäftigung für Handwerker und Unternehmen, die diese Arbeit dringend brauchen.
Im Bildungswesen - Sie kennen die Debatte - hatte die Koalition nicht immer eine einheitliche Meinung; es gibt unterschiedliche Vorstellungen, wie man zu den besten Ergebnissen kommt.
Klar ist aber, was uns allen wichtig ist: Wir brauchen eine hohe Qualität. Um diese zu erhalten, brauchen wir die Zweizügigkeit der Standorte. Die Absenkung der Klassenfrequenzen macht die Geschichte lediglich teurer, aber die Lernergebnisse nicht besser. Darin sind wir uns völlig einig.
Ich sage noch eines: Forderungen nach Einzügigkeit und niedrigen Klassenfrequenzen werden zwar vor Ort häufig gern gehört; sie lösen aber keines der Probleme, sondern bedeuten ein Ausweichen vor den vor uns stehenden Problemen.
Die Bildungsoffensive hat viel auf den Weg gebracht. Ich spreche dieses Politikfeld nicht umsonst als Erstes an; denn ohne gute Ausbildung unserer Jugendlichen wird alles, was an sonstigen Konzepten auf dem Tisch liegt, nicht funktionieren. Inzwischen werden Qualität und Leistung in der Schule regelmäßig bewertet. Die Zahl der Stunden in Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften haben wir erhöht. Ferner erwähne ich die Einführung einer ersten Fremdsprache ab der 3. Klasse und von Prüfungen nach der 10. Klasse. All das sind neu entstandene Szenarien, die in der Anfangsphase nicht immer befriedigende Ergebnisse gezeitigt haben. Die Ergebnisse der erstmals durchgeführten Prüfungen am Ende der 10. Klasse sind in der Öffentlichkeit heftig diskutiert worden. Ich bin aber davon überzeugt: Wenn der eingeschlagene Weg fortgesetzt wird, werden wir dort in wenigen Jahren völlig andere Bilder sehen.
Wir wissen aber auch, dass Schule nicht nur Wissen an sich anhäufen, sondern junge Menschen auch auf ein Leben im Beruf vorbereiten soll. Die SPD-Fraktion hat die Veranstaltungsreihe
„Schule und Wirtschaft“ ins Leben gerufen. Wir merken, dass Lehrer, Schüler und Unternehmer, wenn sie in Diskussionen zusammensitzen, zum Teil immer noch - auch heute noch, wenn auch Gott sei Dank mit abnehmender Tendenz - das Gefühl haben, sich gegeneinander wehren zu müssen. Das müssen sie nicht! Sie begreifen zunehmend, dass sie ihre Vorstellungen miteinander verzahnen und gemeinsame Aktivitäten starten müssen. Die Unternehmer müssen deutlich sagen, was sie von der Schule erwarten; die Schule muss eindeutig wissen, was in den Unternehmen vor sich geht. Nur dann werden wir erreichen, dass die Quote der abgelehnten Lehrstellenbewerber abnimmt.
In wenigen Jahren wird es mehr Lehrstellen als Schüler geben. Das darf in den Schulen nicht zu der Einstellung führen: „Dann ist ja egal, wie gut ich lerne.“ Die Ergebnisse der praktischen Arbeit in den Unternehmen hängen vom Qualifikationsgrad der Mitarbeiter ab. Wir alle wissen es: Ohne funktionierende Wirtschaft gibt es kein funktionierendes Gemeinwesen; ohne funktionierendes Gemeinwesen gibt es kein Geld für Bildungspolitik, Sozialpolitik, Jugendpolitik oder Kulturpolitik - ich könnte die Reihe beliebig fortsetzen. Das Geld, das wir hinterher ausgeben, muss vorher irgendwo erarbeitet werden.
Die spannende Frage aber lautet: Wie helfen wir der Wirtschaft auf die Sprünge? Patentrezepte werden immer wieder genannt; einige haben wir aufgegriffen:
Wir haben den Bürokratieabbau forciert sowie Normen und Standards gesenkt.
Wir haben eine neue Bauordnung verabschiedet.
Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass diese Instrumentarien, wenn sie denn einfacher werden, nicht nur in den Verwaltungen vor Ort, sondern auch in den Köpfen der Mitarbeiter vor Ort ankommen und so gehandhabt werden, dass jeder möglichst leicht und schnell zu seiner Genehmigung kommt.
Wir haben das Naturschutzgesetz vereinfacht.
Wir fördern nach wie vor Wirtschaftsprojekte - auch Großprojekte - mit öffentlichem Geld. Natürlich kann dabei immer etwas schief gehen; da muss man genau hinsehen. Deshalb halte ich es durchaus für richtig, dass wir zwei Untersuchungsausschüsse zu laufen haben. Ich möchte, dass sich die Parteien in den Untersuchungsausschüssen nicht nur beharken - was sie hinreichend ausführlich tun -, sondern dass aus den Erkenntnissen etwas gelernt wird. Unabhängig von dem Ergebnis, über das wir am 26. August debattieren werden - ich weiß nicht, wie es aussehen wird -, müssen wir Konsequenzen ziehen, wie wir mit solchen Fällen in Zukunft umgehen.
Ich glaube, eine Lehre kann man schon heute ziehen - diese Lehre kennen wir übrigens schon seit 1990 -: Verkaufen heißt heute die Devise; Produzieren allein ist nicht die Rettung. Wer keinen Absatz für seine Produkte organisiert, wird wirtschaftlich keinen Erfolg haben.
An den beiden Fällen wird sehr deutlich: Die künftigen Geschäftspartner nicht mit ins Boot geholt und nicht vertraglich an sich gebunden zu haben ist eine der wesentlichen Ursachen
gewesen, dass die beiden Großprojekte CargoLifter und Chipfabrik nicht funktioniert haben.
Daraus sollten wir konkrete Lehren für unsere künftige Förderpolitik ziehen. Wir sollten damit aufhören, stattdessen darüber zu diskutieren, wer wann wem was gesagt hat. Das wird uns nicht vorwärts bringen. Solche Diskussionen sind auch für die Zukunft vermeidbar, wenn man ein waches Gespür für drohende Situationen hat.
Herr Innenminister, hätten Sie den Zeitpunkt für Ihr Gespräch mit Herrn Fürniß auf den direkten Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gelegt, dann wäre kein böser Schein aufgekommen und wir müssten über das Thema nicht diskutieren.
Aber Sie werden im Ausschuss noch darüber berichten; man kann hier auch vorbeugen.
Noch einmal: Normen und Standards sowie Bürokratie herunter, Förderung sinnvoll und gezielt weiterführen!
Das allein reicht aber nicht. Wir fördern an manchen Stellen auch Verdrängungsinvestitionen bzw. Rationalisierungsinvestitionen. Das kommt dem Arbeitsmarkt nicht unbedingt zugute.
Was wir gezielt fördern müssen, sind innovative Produkte. Das Arbeits- und das Wirtschaftsressort können sich nicht gegenseitig aus dem Sumpf ziehen. Wissenschaft und Wirtschaft müssen eine viel engere Symbiose als bisher eingehen. Verkaufbar ist nur Neues!
Die Wechselwirkungen zwischen dem Arbeitsministerium und dem Bildungsministerium und die Wechselwirkungen, die wir zwischen dem Wissenschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium brauchen, sind viel enger, als wir es bisher gesehen haben; denn wenn Impulse von diesen beiden Bereichen ausgehen sollen, dann müssen diese immer von der innovativen Seite kommen.
Meine Damen und Herren, über Wirtschaft wird Herr Kollege Müller noch einiges mehr sagen. Ich darf nicht vergessen zu erwähnen, dass auch der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Ich will auch nicht unterschlagen, dass die teuren Investitionen, die wir überall im touristischen Bereich tätigen - das Stichwort „Radwege“ ist vorhin gefallen -, möglichst einer Mehrfachnutzung zugeführt werden müssen. Ich wiederhole an dieser Stelle: Wer auf die Idee kommt, Radwege streckenweise zu pflastern, um die Grundwasserneubildung zu fördern - was trotzdem nicht passiert -, der macht es den Skatern unmöglich, diesen Weg zu benutzen. Das ist eine Verschwendung von Steuergeldern. Die Mehrfachnutzung aller Infrastrukturen ist ein ganz wichtiges Element.
Gleiches gilt für die Mehrfachnutzung aller Angebote. Wir haben noch lange nicht den Stand erreicht, dass der Reiter, der Radfahrer oder der Wanderer erkennen kann, was an Interessantem in erreichbarer Weite von seinem Weg in Brandenburg zu sehen ist. Kirchen, Schlösser, Herrenhäuser usw. müssen als
Angebote erkennbar sein, damit die Menschen sich hier wohl fühlen. Die Besucher müssen zu dem Schluss kommen: Hier gibt es so viel zu sehen; ich komme wieder.
Sie sollen möglichst für mehrere Tage wiederkommen; denn wer übernachtet, der bezahlt sein Bett, isst Abendbrot und lässt mehr Geld hier. Deshalb ist es richtig, dass die Kollegen im Fläming einen Wander-/Reitweg über mehrere Tage organisiert haben. Deshalb ist es richtig, dass das Kuratorium Neustadt gerade beschlossen hat, einen Wander-/Reitweg von Neustadt nach Redefin zu organisieren. Wir brauchen die Mehrtagestouristen in viel stärkerem Maße, als es bisher der Fall ist.
Ich glaube auch, dass es richtig war, den - für mich nur virtuellen - Streit zwischen Wanderern, Radfahrern und Reitern dadurch aufzulösen, dass wir mit dem Waldgesetz die Möglichkeit eröffnet haben, Wege für bestimmte Zwecke zu sperren. Es ist auch richtig, dass der Landwirtschaftsminister an einer Rechtsverordnung arbeitet, die die Umsetzung auf Kreisebene, wo die Sachkenntnis vorhanden ist, ermöglicht. Ich kenne keinen Landrat, der nur Reiter oder nur Radfahrer ist. Ich glaube, die objektivste Möglichkeit wird dort gefunden werden.
Wirtschaft ist nicht Handwerk und Industrie; Wirtschaft ist auch Landwirtschaft. Wir freuen uns über die Stabilität unserer Landwirtschaft. Mit 8 000 Betrieben und 30 000 Arbeitskräften ist das ein merklicher Stabilitätsfaktor im Lande. Aber es gibt neue Rahmenbedingungen. Sie verändern sich weiter. Es wird neue Tätigkeitsfelder geben und es gibt sie schon. Sie werden in größerem Maße gebraucht werden. Ich nenne das Stichwort „grüne Raffinerie“. „Erdöl war gestern“, werden wir in wenigen Jahren sagen. Einige sagen dies heute schon.
Vieles, was aus Erdöl hergestellt wird, werden wir in Zukunft aus Biomasse herstellen. Deshalb finde ich es gut, dass wir gestern unseren Beschluss zu den biologisch abbaubaren Verpackungen gefasst haben. Es ist zugegebenermaßen nur ein kleines Segment, aber ein Einstieg. Es wächst das Bewusstsein für diese Problematik und dafür, was man aus Biomasse alles machen kann. Das sind nicht nur Energie und Alkohol, sondern sind zum Beispiel auch sich selbst auflösende Nägel, mit denen man in der Chirurgie Knochen nageln kann. Auch das gibt es schon in Brandenburg und diese Entwicklung wird sich fortsetzen.
Wir haben in der vergangenen Wahlperiode - um dies nicht unerwähnt zu lassen - die Kommunalreform hinter uns gebracht. Noch befindet sie sich in der Umsetzungsphase. Wir haben die Kommunalfinanzen mit dem FAG gestern neu geordnet. Wir haben eine Infrastruktur zu beobachten, die sich auf die wandernden Bevölkerungsanteile einstellen muss. Dezentrale Abwasserentsorgung ist hierbei ein Thema, das Robert Gemmel fast die Gesundheit gekostet hätte, so sehr hat er sich dafür engagiert. Es ist richtig, so zu verfahren: Alles, was an Infrastruktur modular zu gestalten ist, müssen wir modular gestalten; sonst können wir auf Bevölkerungswanderungen nicht reagieren.
In Brandenburg sollen sich die Bürger wohl fühlen. Wir brauchen dafür auch ein sicheres Brandenburg. Deshalb erwähne ich noch die Polizeireform.
Eine 58%ige Aufklärungsquote kann sich zweifellos sehen lassen.
Wir haben das Feuerwehrgesetz geändert, haben Brand- und Katastrophenschutz zusammengeführt und die integrierten Leitstellen angeschoben.
Wir haben gestern über den Verfassungsschutz gesprochen und heute etwas zum Rechtsextremismus gehört. Offenbar ist jetzt auf Bundesebene der Weg für das Zuwanderungsgesetz frei. Hierzu jedoch noch eine Bemerkung: Egal, wie das Gesetz gestrickt ist, es wird immer Einzelfälle geben, bei denen sich die Frage stellt: Gehört der Mensch in diese oder jene Kategorie? Kann er bleiben oder kann er nicht bleiben? Auch wenn es im Gesetz eine Härtefallregelung gibt, wird sich diese Frage stellen. Also, Herr Innenminister, brauchen wir im Lande schon eine entsprechende Kommission, die beratend tätig wird, bevor die Gerichte sprechen. Ich hoffe da auf Ihre Bereitschaft. - Es sieht so aus, als sei sie vorhanden.
Wir werden bei den folgenden Vorträgen vermutlich noch großes Wehklagen darüber hören, dass an dieser und jener Stelle gespart und gestrichen werden muss und wir mit der Haushaltskonsolidierung noch nicht weiter gekommen sind. Beide Forderungen widersprechen einander und sind nicht besonders „regierungsfähig“.
Das war Aussage 1. Aussage 2, Herr Innenminister oder Herr Landesvorsitzender - so sage ich in dem Fall besser -: Diese Feststellung war keine Koalitionsaussage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worin bestehen die Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts? Ich glaube, einige fallen uns ohne viel nachzudenken ein. Wir kennen die demographische Entwicklung. Wir werden sie mit ihren Auswirkungen auch heute noch ausführlich diskutieren. Wir kennen die Entwicklung der Haushaltslage und wir kennen die anhaltende Wirtschaftsschwäche in den neuen Bundesländern. Allein diese drei Punkte sind Anlass genug, sich dieses Themas anzunehmen und darüber zu debattieren.
Als im Januar 2001 Wolfgang Thierse seine fünf Thesen zur Vorbereitung eines Aktionsprogramms für Ostdeutschland ver
öffentlichte, wurde diese wegweisende Arbeit auf die populistische Aussage reduziert: Der Osten steht auf der Kippe. Die sich anschließenden Proteste vor allem aus den alten Bundesländern, die hier wieder einmal einen Jammer-Ossi entdeckt hatten, erschwerten eine ernsthafte und sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Ähnlich, aber mit umgekehrten Vorzeichen, verhält es sich mit der im April 2004 veröffentlichten „desaströsen Bilanz der Einheitspolitik“ der Regierungskommission von Ostexperten. Auch hier wurde das Papier wieder auf die populistische Aussage reduziert: Aufbau Ost gleich Absturz West. Diesmal kamen natürlich die Proteste aus den neuen Bundesländern und es gab wieder keine ernsthafte sachliche Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Regierungskommission. Gleichzeitig ist es - das ist das Schlimmere daran - ein Argument oder ein Vorwand zur Aufkündigung der Solidarität des Westens mit dem Osten. Dabei sind diese Inhalte und Erkenntnisse wahrlich schwerwiegend genug, um sich schleunigst mit ihnen auseinander zu setzen, um eben nicht den inzwischen fast vernarbten Konflikt Ost/West wieder zu befördern.
Seit dem 3. Oktober 1990 sind die Ost- und Westdeutschen eng aneinander gebunden, sozusagen eine Schicksalsgemeinschaft. Alle innen- und außenpolitischen Ereignisse und Entscheidungen betreffen immer Deutschland als Ganzes. Eine zu kurze Decke, die im Norden über den Kopf gezogen wird, legt im Süden die Füße frei und lässt sie frieren. Meist allerdings ist es wegen der Stärke der Südländer umgekehrt.
Wenn man sich aber auf diese Gemeinschaft der Deutschen beruft, darf man regionale Unterschiede im Land natürlich nicht außer Acht lassen. Das Verfassungsgebot, die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen herzustellen, bedeutet, dass wir immer auch einen Blick auf die strukturschwachen Regionen in Deutschland zu lenken haben, das heißt, nicht nur vom Osten, sondern von strukturschwachen Regionen in Deutschland sprechen müssen. Diese gibt es bekanntlich auch im Westen.
Diese Unterschiede haben ihre Ursachen eben nicht nur im Einigungsprozess. Sie sind viel allgemeinerer Natur. Fatal ist, dass der Zeitraum von 14 Jahren in den neuen Bundesländern schlichtweg zu kurz war, um eine solide wirtschaftliche Basis zu schaffen, die entsprechend stark auf die neuen Herausforderungen reagieren kann. Dadurch erscheinen die strukturschwächsten Länder eben auf der Landkarte überwiegend im Osten.
Daraus aber den Schluss zu ziehen, die Ostpolitik der Bundesregierung sei gescheitert, ist sicherlich nicht die ganze Wahrheit. Eindrücke sind eben nicht immer identisch mit Realitäten. Realitäten kann man nur an Fakten erkennen. Diese müssen dann allerdings auch akzeptiert und in politisches Handeln umgesetzt werden.
Ich habe den Eindruck, dass der Sprachgebrauch Aufbau Ost/Aufschwung Ost nicht gut durchdacht ist. Wir verwenden diese Begriffe wechselseitig, ohne zu differenzieren. Aufbau Ost ist ja in erster Linie nicht gleichzusetzen mit Aufschwung, aber Aufbau Ost ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Aufschwung überhaupt einsetzen kann.
- Danke.
Aufbau Ost hat zuerst tatsächlich mit Bauen zu tun, nämlich mit dem Aufbau einer Infrastruktur, die eine Wirtschaft auch tragen kann. Wenn wir uns anschauen, was da in den letzten Jahren passiert ist, dann ist das enorm. Wir haben viel investiert in Straßen, Brücken, Autobahnen, Verkehrsinfrastruktur, Gewerbegebiete, auch in noch nicht gefüllte Gewerbegebiete. Wir haben ein neues Gasnetz, keine Braunkohle mehr. Wir haben ein modernisiertes Stromnetz. Wir haben das modernste Telefonnetz in Deutschland überhaupt. Und wir können vor dem Hintergrund dieser Ost-West-Debatte „Pumpt der Westen nicht zu viel Geld unnütz in den Osten?“ doch froh sein, dass die Bundesregierung den Solidarpakt mit den neuen Ländern bis 2019 abgeschlossen und uns damit, wenn auch mit abfallenden Raten, Planungssicherheit gegeben hat.
Die Investitionsquote wird sich der westdeutscher Flächenländer annähern. Das ist unvermeidlich, aber der Aufbau in diesem Sinne wird weitergehen. Er kann auch gar nicht gescheitert sein, denn das, was da an Netzen, Straßen und Autobahnen liegt wird sich sicher nicht wieder verflüchtigen. Der infrastrukturelle Rahmen ist also geschaffen.
Der Aufbau im Sinne von Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft hat allerdings noch großen Nachholbedarf. Ich will über die Ursachen nicht diskutieren. Die Treuhand mit dem Gebot „Privatisieren vor sanieren“ spielt da sicher eine Rolle. Mancher Betrieb hätte vielleicht erhalten werden können. Ob er die inneren Kräfte gehabt hätte, sich zu reformieren und den Marktbedingungen anzupassen - die Beantwortung dieser Frage bleibt offen. Heute sehen wir ja, dass trotz aller möglichen staatlichen Unterstützung - Schaffung von Planungsrecht, Genehmigung von Fördermitteln usw. - nicht jedes Unternehmen, das hochfliegende Pläne hat, auch zum Erfolg kommt.
Wir sind, was die Wachstumsdebatte und die Förderpolitik angeht, in der Tat an einem Wendepunkt. Wendepunkt heißt aber nicht, dass es ein Zurück geben muss, sondern heißt Standortbestimmung und Kurskorrektur.
Wenn wir unseren Standort bestimmen, stellen wir fest, dass die vergangenen 14 Jahre durchaus eine Zeit, die durch Aufbruchstimmung geprägt war, gewesen sind, eine Zeit des Aufbaus im beschriebenen Sinne und stellenweise durchaus auch eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs. Wo stünden wir denn heute, wenn nicht die 1 250 Milliarden Transferleistungen erbracht worden wären?
Wir dürfen also diese Aufbauleistung nicht kleinreden, nicht vergessen, denn sie ist die Basis für die weitere Entwicklung im Land. Trotzdem waren diese Hilfen als eine Hilfe zur Selbsthilfe gedacht. Wir haben also Anlass, kritisch zu hinterfragen: Ist dieses Geld richtig eingesetzt worden? Können wir es in Zukunft effizienter einsetzen? Können wir die Kräfte, die im Land zweifellos vorhanden sind, mit diesem Geld motivieren, einen sich selbst tragenden Aufschwung zu leisten?
Wir haben sicherlich ein Effizienzproblem. Das würde zunehmen, wenn wir die Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, kritiklos weiterhin so einsetzten, wie wir es bisher getan haben. Wir müssen auch die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen angemessen berücksichtigen.
Mit den Mitteln, die durch den Solidarpakt bis 2019 noch in unser Land fließen werden, haben wir die letztmalige direkte Chance, unser Land auf einen Entwicklungsstand zu bringen, der uns im 21. Jahrhundert eine Zukunft in der Mitte Europas sichert.
Auf der Basis des bisher Erreichten müssen wir möglichst zielgenau und risikoarm, was wir, wie wir wissen, nicht immer in der Hand haben, die Wirtschaft im Lande weiterentwickeln. Großprojekte machen schlechte Schlagzeilen, motivieren schlecht und dämpfen diejenigen, die uns das Geld geben sollen, in ihrem Willen, wenn sie denn scheitern.
Trotzdem glaube ich, dass es falsch ist, nur auf gescheiterten Großprojekten herumzureiten. Ganz grob überschlagen haben wir für die Ausbildung Jugendlicher, die keine Lehrstellen bekommen haben, etwa siebenmal so viel ausgegeben wie die drei gescheiterten Großprojekte zusammen das Land gekostet haben. Ungefähr ein Zehntel v. T. der Haushaltsausgaben der letzten 14 Jahre sind in diese gescheiterten Großprojekte geflossen. Trotzdem ist natürlich jede Million, die dadurch verloren gegangen ist, eine zu viel. Wir sollten auch die Relationen beachten und sehen, was an erfolgreichen Projekten im Lande gelaufen ist.
Brandenburg im Mai 2004 ist eine europäische Zentralregion mit 19,2 % Arbeitslosigkeit, mit Bevölkerungsverlusten, mit Überalterung, vor allem im ländlichen Raum, verbunden mit Schulschließungen - wir hören es gerade draußen - und mit wirtschaftlicher Stagnation in Teilen des Landes.
Brandenburg im Mai 2004 ist aber auch eine Region mit Wachstumspotenzial, mit Stahl- und Chemieindustrie, mit Energieerzeugung, mit Luft- und Raumfahrttechnologie, Biotechnologie, Verkehrstechnologie, Kommunikationstechnik, Umwelttechnologie und moderner Landwirtschaft. Das sind tatsächlich Potenziale, in denen wir wachsen können und wachsen werden.
Aber eines lassen Sie mich auch ganz deutlich sagen. Wer meint, Politik könne das alles allein und selbst bewegen, der irrt. Politik hat die Aufgabe, die Grundlagen, die Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen, den ordnungs- sowie den finanzpolitischen Rahmen bereitzustellen. Ausgefüllt werden muss dieser Rahmen von den Menschen sowie den Unternehmen im Lande. Wenn das nicht gelingt, wenn es uns nicht gelingt, die Menschen zu motivieren, die Chancen zu ergreifen, diesen Rahmen auch wirklich auszufüllen, werden wir keinen Erfolg haben.
Sie kennen meine immer wiederkehrende Frage: Welcher Unternehmer wird Arbeitskräfte einstellen? - Nur der, der seine Produkte los wird. Steuerdiskussionen sind gut und schön. Sie werden aber keinen Durchbruch bringen. Nur wer für seine Produkte Absatz hat, wird mehr Arbeitsplätze schaffen. Absatz kann ein Unternehmen in der gegenwärtigen Situation gesättigter Märkte nur erreichen, wenn entweder neue Märkte erschlossen werden - dazu ist die Osterweiterung eine gute Chance - oder wenn es andere, moderne Produkte anbieten kann. Den Kühlschrank, den es schon seit 20 Jahren gibt, muss ich mir auch nicht noch einmal kaufen. Das Auto, so wie es heute fährt, muss ich mir nicht noch einmal kaufen. Neue, innovative Produkte, die die bisherigen ablösen, zu produzieren, sollten wir uns vornehmen. Hier ist die Wirtschaft in der Verantwor
tung. Die Frage heißt also: Wo sind die Arbeitsfelder der Zukunft für die Brandenburger?
Brandenburg ist die Region Deutschlands mit der höchsten Dichte an wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Ich bin froh, dass zumindest der gegenwärtige Verhandlungsstand in der Föderalismuskommission die Wilhelm-Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft nicht infrage stellt.
Die jeweils hälftige Finanzierung durch die Länder und den Bund brauchen wir auch in Zukunft, um diese Einrichtungen, die die Basis für künftige Wertschöpfung sind, zuverlässig erhalten zu können.
Meine Damen und Herren! Wir haben einen Blick darauf zu werfen, wie die Förderrichtlinien gestrickt sind, wie effizient und zielgenau sie sind. Richtlinien sind aber nur das eine - diese Debatte wird uns noch weiter verfolgen -, die Motivation der einzelnen Mitarbeiter in den Behörden unseres Landes, in den Kommunen, in den Kreisen und Gemeinden ist das andere. Noch immer schrecken bürokratische Hemmnisse und Hürden die Menschen und lassen sie ihre Kräfte nicht entfalten. Manchmal sind es sehr kleinteilige Argumente, die einer Genehmigung entgegenstehen.
Die Menschen, die in unserem Land etwas verändern wollen, müssen an die Hand genommen werden. Wir müssen ein einheitliches Verwaltungshandeln im Land erreichen. Die Debatte, die wir über das Denkmalschutzgesetz, das eine Aufgabe von den Kreisen auf das Ministerium hochzont, geführt haben, ist zu Recht intensiv und streitig gewesen. Wir wollen, dass die Probleme dort gelöst werden, wo sie entstehen, nämlich vor Ort. Aber was wir uns nicht leisten können, ist, dass Investoren von Landkreis zu Landkreis auf unterschiedliche Verhältnisse treffen. Sie können dann nicht kalkulieren, was durchsetzbar ist, welches Vorhaben Aussicht auf Erfolg hat und welches Vorhaben sie lieber gleich bleiben lassen.
Deshalb schlucke ich die Kröte, dass diese Aufgabe auf das Ministerium hochgezont wird, in der Hoffnung, dass wir dann in ganz Brandenburg eine einheitliche Handhabung haben und unkomplizierter zu Genehmigungsverfahren kommen werden. Ein Mentalitätswechsel in den Amtsstuben weg von der einfachen Verwaltung konservativer Vorschriften hin zu einer progressiven Begleitung der Vorhaben ist dringend vonnöten. Hierbei sind Amtsleiter, Amtsdirektoren, Bürgermeister und Landräte gefragt, die diesen Mentalitätswechsel in ihrem Verantwortungsbereich organisieren müssen.
Herr Präsident, wenn Sie mir empfehlen, noch einmal zu reden, dann tue ich das gern.
Lassen Sie mich einen Schlusssatz sagen: Nachdem wir den Besuch in Graz gemacht und einen Vortrag gehört haben, der in der Aussage gipfelte, dass man eine arme Region mit Geld speisen kann, solange man will, sich aber trotzdem nichts ändern wird, wenn nicht die endogenen Potenziale in der Region geweckt werden, greife ich zurück auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, der da gesagt hat: Besinnen wir uns auf die eigene Kraft! - Diese Aussage gilt nach wie vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, trotz aller Dramatik werden wir den Strom noch eine Weile behalten.
Herr Christoffers, herzlichen Dank an Sie für die erwünschte Reaktion auf das Wort „Schicksalsgemeinschaft“. Ich habe dieses Wort mit Absicht gebraucht; denn uns muss deutlich sein, dass es dem Osten und dem Westen nur gemeinsam gut oder schlecht gehen kann. Ich weiß, dass das ein pathetisches Wort ist.
Wir haben in der heutigen Debatte viel über Forderungen an Dritte gehört, auch an Dritte, die wir wenig oder gar nicht beeinflussen können. Die Föderalismuskommission wird mit ihren Entscheidungen mit Sicherheit den Rahmen verändern, hoffentlich auch verbessern. Damit setzt aber hier nicht automatisch der Aufschwung Ost ein. Darüber müssen wir uns ganz klar sein.
Inhaltlich und strukturell umsteuern? Okay. Aber auch damit setzt nicht automatisch der Aufschwung Ost ein. Auch da werden nur die Rahmenbedingungen verbessert.
Bundesregelungen als Obergrenze, Frau Blechinger? Natürlich haben wir darüber schon oft diskutiert. Bei der Bauordnung oder beim Naturschutzgesetz haben wir uns dieses Themas angenommen. Das kann helfen. Aber damit setzt nicht automatisch der Aufschwung Ost ein. Wir müssen mit der Erkenntnis in die Köpfe hinein: Wenn wir Gesetze anwenden, können wir restriktiv oder konstruktiv vorgehen. Wenn wir konstruktiv vorgehen wollen, müssen wir sagen: Obwohl es dieses Gesetz gibt, will ich dies genehmigen, allerdings nicht gegen das Gesetz. Es ist ja immer eine Abwägung zwischen den rechtlichen Normen und dem öffentlichen Interesse. Da haben wir, glaube ich, sehr viel Spielraum.
Das Gleiche gilt für das Thema Bildung. Ich erinnere zum Schluss an Folgendes: Wir haben mit dem Hauptausschuss und gemeinsam mit dem Berliner Ausschuss die Viadrina und das Collegium Polonicum besucht. Die Situation der dortigen Studenten war dadurch gekennzeichnet, dass sie etwa 200 Euro Studiengebühr bezahlen müssen - viel Geld für polnische Studenten -, dass sie das Wort Abbrecherquote im Polnischen überhaupt nicht kennen, dass sie eine Mobilität aufweisen, die bewundernswert ist, dass sie zurückkommen und Polnisch, Englisch, Französisch und Deutsch können und unseren Jugendlichen Angst machen in diesem deutsch-polnischen Wirtschaftsraum.
Meine Bitte, meine Aufforderung, liebe Brandenburger: Machts ihnen nach! Niemand hindert euch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis auf den Schlusssatz hat der Bericht, Frau Enkelmann, den Sie gegeben haben, in mir den Verdacht wachsen lassen: Wenn alle Brandenburger ihr Land so sehen, werden bald alle weg sein.
Aber wir sollten uns vielleicht zuerst einmal darüber verständigen, was dieser uns vorliegende Bericht ist: der Bericht zu den Auswirkungen der demographischen und wirtschaftsstrukturellen Veränderungen in Brandenburg. Es ist nicht der Bericht zu den Schlussfolgerungen, die aus diesem Bericht zu ziehen sind.
In der Rede des Ministerpräsidenten ist erstaunlich viel von Schlussfolgerungen vorgekommen. Nur können Sie doch nicht
bedauern, dass das, was der Bericht gar nicht zu liefern beansprucht, fehlt.
Vielleicht sollten wir uns darauf verständigen, einen dementsprechenden Folgebericht zu verlangen. Dann wird ein Schuh daraus, dann gibt es eine Systematik.
Wir haben jetzt den Arbeitsstand vom Februar dieses Jahres vorliegen. Ich darf in Erinnerung rufen, dass wir uns vor ziemlich genau zwei Jahren im Mai 2002 im Landtag schon einmal ausführlich mit diesem Thema beschäftigt haben. Ich darf des Weiteren daran erinnern, dass wir das erste Mal im Jahr 1996, glaube ich, eine sehr ausführliche demographische Analyse bekommen haben. Eigentlich ist seit dem Jahr 1996 bekannt, wohin die Reise demographisch geht. Ich erinnere mich, dass wir in den regionalen Planungsgemeinschaften diese Berichte damals sehr ausführlich diskutiert
und überlegt haben, welche Auswirkungen das auf die jeweiligen Regionen der Landkreise haben wird. Von einem brisanten und überraschenden Ergebnis kann also überhaupt nicht die Rede sein. Ich glaube auch, dass das in die Köpfe der Abgeordneten dieses Hauses inzwischen weitgehend vorgedrungen ist. Was ich aber nicht glaube, ist, dass das in den Köpfen der Bevölkerung schon präsent ist. Ich glaube auch nicht, dass wir das erreichen, wenn wir in der nächsten Legislaturperiode eine Enquetekommission einrichten. Wie viele Leute erreichen wir damit? Wie groß wollen wir die Enquetekommission haben?
Nein, die politische Aufgabe für jeden politisch denkenden Menschen, insbesondere für Abgeordnete, ist es, das auch vor Ort - in den Gemeindevertretungen, Kreistagen, Vereinen, Verbänden und anderen Strukturen, die wir hier haben und in denen wir Multiplikationseffekte erzeugen können - zu diskutieren. Denn was wir neben dem, was die Menschen erleben und sehen, und neben dem, was ihnen Grässliches erzählt wird, brauchen, ist eigenes Verständnis für die Entwicklung und Akzeptanz.
Es kann nicht Aufgabe von Politik sein, die Einwohnerzahl pro Quadratkilometer konstant zu halten. Manchmal hört sich das so an: Das ist ja schrecklich, wir werden immer weniger. Was machen wir denn bloß? Was tut die Politik dagegen? - Warum soll die Politik etwas dagegen tun? Es gibt Gegenden auf dieser Erde, die wesentlich dünner besiedelt sind, in denen die Menschen zufrieden leben, nicht schlecht leben. Finnland und Australien habe ich mir als Beispiele notiert. Von Finnland wissen wir, wie das geht. Die haben eine ganz andere Kommunalverfassung, die machen vieles, was sie in ihrer Gemeinschaft organisieren müssen, über Zweckverbandsstrukturen und, und, und. Das funktioniert. Das Schulsystem will ich jetzt nicht anführen, damit haben sich alle schon befasst.
Das australische Outback will ich nun nicht zum Vorbild für Brandenburg machen; das könnte wieder völlig missverstanden werden. Aber auch da leben Menschen, verstreut, vereinzelt. Der Arzt kommt mit dem Flugzeug und der Lehrer übers Funkgerät. Das geht. Die Menschen dort sind nicht unglücklicher.
Wenn wir vor dem Hintergrund der hier aufgezeichneten Entwicklung in Brandenburg weniger Menschen werden, dann haben wir uns zu fragen: Wie organisieren wir das Zusammenleben?, und nicht: Warum müssen wir denn unglücklich sein? Wir müssen nicht unglücklich sein.
Die Zahlen sind - die Fortschreibung dieses Berichts ist Beleg dafür - belastbar. Anders gesagt: Die Realitätsnähe der Prognosen lässt sich nicht bezweifeln. Oder noch anders gesagt: Wir können machen, was wir wollen, in den nächsten 20 bis 25 Jahren kommt es so, wie es hier steht; denn die Jahrgänge, die dann die Kinder bringen, sind schon da, die leben schon. Das ist also unabänderlich.
Wir erkennen vier Schwerpunkte in dem Bericht: Es ist die natürliche Entwicklung, das Saldo von Geburten und Sterbefällen, negativ; die Abwanderung, insbesondere wenn es sich um junge Frauen handelt; die zunehmende Disproportionalität zwischen den einzelnen Teilräumen - Verflechtungsraum, äußerer Entwicklungsraum; die Veränderung auch in der Altersstruktur, die Probleme und Chancen beinhaltet.
Brandenburg befindet sich in einem nicht umkehrbaren Veränderungsprozess, der sich bis weit über 2020 fortsetzt. Selbst ein sprunghafter, nicht zu erwartender Anstieg der Geburtenrate von 2,1 oder 2,3 würde erst nach 2025 erste Ergebnisse zeitigen. Also richten wir uns darauf ein, dass es so, wie hier beschrieben, kommen wird.
Wir kennen ja unseren Mahner in der Wüste, Prof. Mathiessen. Auch wenn er dazu neigt, etwas drastisch zu formulieren „Brandenburg verödet, verblödet und versteppt“ -, hat er eine Diskussion angestoßen, die nicht neu ist. Wir haben ihm den „Charaktus“ überreicht, weil er diese Diskussion angestoßen hat, und nicht, weil wir der Meinung sind, dass alles, was er sagt, eins zu eins richtig ist. Aber auseinander setzen müssen wir uns mit dieser Entwicklung.
Über die Aspekte, die mit Erwerbstätigkeit und Möglichkeiten, Arbeit zu finden usw., zu tun haben, haben wir heute Vormittag in der Aktuellen Stunde schon gesprochen. Ich will darauf nicht noch einmal im Einzelnen eingehen. Aber wir beobachten, dass diese Entwicklung durch mehrere unabhängig voneinander verlaufende Prozesse begründet ist, die sich nur sehr schwer von außen beeinflussen lassen.
Der erste, auffälligste Punkt ist die mangelnde Neigung junger Menschen, sich Kinder anzuschaffen. Da sehen wir in der Tat in der Prioritätensetzung des Einzelnen in seinem Leben eine ganz deutliche Veränderung gegenüber früheren Jahrzehnten; es ist angesprochen worden. Die Karriere spielt eine große Rolle, auch wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Sicherheit. Das Freizeitverhalten spielt eine ganz große Rolle,
das Empfinden, dass Kinder Mühe machen, Geld kosten, Zeit kosten, Nerven kosten. Das Empfinden, dass das alles eine Belastung sei, spiegelt sich dann wider in Formulierungen wie „... mit Fahrtkosten bestraft werden“.
Kinder haben immer Geld gekostet, ob es für Bekleidung, Essen oder sonst was ist. Und das haben die Familien früher mit Freude auf sich genommen, weil sie wussten: Unsere Kinder sind die Sicherheit unseres Alters! - Das gilt in manchen Ländern dieser Erde heute noch.
Wir haben diesen Zusammenhang, der nach wie vor unbestritten richtig ist, unerkennbar gemacht, indem wir die sozialen Sicherungssysteme dazwischengeschaltet haben. Der Generationenvertrag bedeutet ja nichts anderes als: Die, die arbeiten, zahlen ein, die Älteren profitieren davon. Aber dieser innerfamiliäre Zusammenhang - die eigenen Kinder sind die Sicherheit des eigenen Alters - ist verloren gegangen: Ich bin ja arbeitslosenversichert, ich bin ja sozialversichert, ich habe ja eine Rentenversicherung - mir kann nichts passieren! Eine solche Denkweise trägt mit Sicherheit dazu bei, dass das Empfinden, eigentlich müsste ich ja auch Kinder haben, weitgehend verloren gegangen ist.
Ich weiß nicht, wie sich das, wenn wir es nicht immer wieder erklären, dass dieser Zusammenhang nach wie vor zwingend besteht, ändern soll.
Es gibt andere Entwicklungen, auf die wir auch keinen Einfluss nehmen können und wollen, beispielsweise den medizinischen Fortschritt und die weitere Alterung unserer Bürger. Wir freuen uns ja, dass die Menschen älter werden, aber es gibt natürlich in der Demographie ein ganz anderes Bild.
Wir brauchen - es ist schon gesagt worden - ein Gesamtkonzept, wie darauf zu reagieren ist. Der Ministerpräsident hat dieses Leitbild angekündigt. Lassen Sie mich noch sagen: Weil eben alle Politikbereiche von diesen Entwicklungen betroffen sind, alle Ressorts davon betroffen sind, sind auch alle Ressorts gefordert, gemeinsam an den Gegenreaktionen, an diesem Leitbild zu arbeiten. Ich freue mich darauf, wenn wir möglichst bald zu Beginn der nächsten Legislaturperiode über dieses Leitbild dann wirklich inhaltlich diskutieren können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas erstaunt darüber, dass Herr Vietze meint, wir könnten in den parlamentarischen Gremien nicht über Föderalismusreform diskutieren, wenn wir dafür nicht eine Ermächtigung durch einen Landtagsbeschluss hätten.
Der Hauptausschuss hat sich mit diesem Thema bereits mehrfach beschäftigt. Meiner Meinung nach ist der Hauptausschuss Manns genug, seinen Bedarf an Informationen von Fall zu Fall neu einzufordern. Meine ganz praktische Erfahrung ist, dass die Landesregierung solche Informationen jedesmal auch relativ willig geliefert hat.
Insofern bedarf es einer Ermächtigung der genannten Art nicht.
Trotzdem ist der Prozess hier interessant; denn es gibt dafür mehrere Wurzeln und Ursachen. Ich erinnere an die Konferenz der Landtage in Lübeck, die durch die Präsidenten der Landtage initiiert wurde und an der alle Fraktionsvorsitzenden teilgenommen haben, sowie an die Runden, die die Ministerpräsidenten gedreht haben, und an die Einsetzung der Kommission. Das macht deutlich, dass offensichtlich einiges neu zu regeln ist, und zwar vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Auftrags der Bundesregierung, für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen. Natürlich spielen hierbei Fragen eine Rolle wie Zuständigkeit für die Steuererhebung oder Vollzug der Steuererhebung durch die Finanzämter; denn wenn es hierbei ein ungleiches Maß gibt, dann entstehen Ungerechtigkeiten.
Ein ganz wichtiger Punkt ist die Fördermittelverteilung, sind die Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff Wettbewerbsföderalismus oder eben nicht Wettbewerbsföderalismus einzuordnen. Wer über Jahre und Jahrzehnte aus den Bundestöpfen kräftig geschöpft hat und heute in einer guten Situation ist, kann sich als Geberland nicht von denen abschotten, die heute noch Mittel brauchen und zu denen zum Beispiel wir gehören.
Was wir ablehnen, ist, die Forderungen im Detail zu diskutieren. Die großen Züge kennen wir. Die betreffenden Themen hat der Ministerpräsident auch öffentlich gemacht. Aber die Einzelverhandlungspositionen kann man eben nicht über das Parlament festlegen; denn das ist keine Shoppingveranstaltung, zu der man mit einer Liste geht und zu der das Parlament vielleicht sagt: Bring uns doch noch mal drei Stück Gesetzgebungskompetenz und 10 kg Fördermittel mit. Vielmehr wird dort im Detail über ein Geben und Nehmen verhandelt. Ich will jetzt keine sehr flapsigen Vergleiche ziehen; jedenfalls wird da sehr intensiv verhandelt. Es werden Pakete auf- und zugeschnürt mit dem Ziel, die eigenen Interessen möglichst gut zu vertreten.
Übrigens haben wir ja die Möglichkeit, die öffentlichen Unterlagen aus den Debatten im Internet einzusehen. Die Staatskanzlei bzw. Herr Speer hat mir neulich noch einmal die Internetadresse genannt. Auf diesem Wege können Sie das bekommen. Dafür brauchen wir also keinen neuen bürokratischen
Mechanismus einzuführen, in dem viel Papier gedruckt und verteilt wird.
Deshalb hat der Hauptausschuss in seiner Sitzung dem Plenum empfohlen, der Vorlage nicht zuzustimmen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Anlass der heutigen Regierungserklärung - Scheitern der Chipfabrik - hätten wir wahrscheinlich alle gern verzichtet. Es herrscht große Enttäuschung darüber in Brandenburg, insbesondere in der betroffenen Region Ostbrandenburg. Trotzdem danke ich Matthias Platzeck für seine Regierungserklärung.
Ich denke, er hat sehr wohl deutlich machen können, dass das gegenwärtig veröffentlichte Bild von der Brandenburger Situation zumindest nicht die ganze Wahrheit ist.
Ich finde, wir sollten, wenn wir schon die Bertelsmann-Stiftung zitieren, mit der Problematik auch fair und ehrlich umgehen, denn vor dem Hintergrund der unbestrittenen Tatsache, dass uns Arbeitsplätze fehlen, dass wir zu wenig Wertschöpfung haben, dort einschneidende Maßnahmen - Herr Vietze, Sie haben das gestern genüsslich zitiert - gefordert werden, schließe ich daraus erst einmal Ihre Zustimmung zu dieser Aussage. Wenn wir aber im Haushaltsverfahren wenig einschneidende Maßnahmen vereinbaren und verabreden, gibt es heftigen Protest von Ihrer Seite. Schauen Sie sich bitte einmal die Vielzahl Ihrer Änderungsanträge zum Haushalt an; wir waren ja erst beim Einzelplan 07. Überall Erhöhung konsumtiver Ausgaben!
Das sind nicht die geforderten einschneidenden Maßnahmen. Sie finden in der Vielzahl jedoch auch zwei, drei Anträge, die anders aussehen. Das sind aber nicht die einschneidenden Maßnahmen, die die Bertelsmann-Stiftung meint. Wenn, dann müssten wir hier konsequent vorgehen und Politik aus einem Guss machen.
Es ist sicherlich richtig, dass nur die konsequente Aufklärung von in der Vergangenheit gemachten Fehlern unsere Stärken und Chancen für die Zukunft nutzbar macht. Ich stimme dieser Aussage zu und füge aus Sicht eines Parlamentariers eine Bemerkung hinsichtlich politischer Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft hinzu. Um es vorab noch einmal zu bekräftigen: Meine Fraktion wird sich den vorliegenden Anträgen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses anschließen und damit unseren Fraktionsbeschluss zur bestmöglichen Aufklärung der Gründe des Scheiterns umsetzen.
Auf dem Weg zu einem solchen Projekt sind viele Fragen zu stellen und laufend zu beantworten: Gibt es eine hinreichend tragfähige Geschäftsidee und das zur Realisierung nötige technische und wissenschaftliche Know-how? Welche Absatzchancen und Kundenbindungen können hergestellt werden? Welche Finanzierung ist vorhanden bzw. erforderlich? Welche Genehmigungserfordernisse mit welchen Chancen sind zu beachten? - Das sind nur einige wenige, aber beispielhafte Fragen, die im Laufe des Verfahrens offenbar nicht befriedigend beantwortet werden konnten. Wir müssen es jetzt im Nachhinein tun. Das geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern wir brauchen die Antworten. Auch in Zukunft wird es in Brandenburg Ansiedlungen und Investitionen geben, die der politischen Unterstützung und finanziellen Förderung durch die öffentliche Hand bedürfen. Dafür muss in der Tat das Urteilsvermögen aller Beteiligten geschärft werden. Nicht allein politische Wünschbarkeit - sie auch, aber nicht allein -, sondern vor allem ökonomische Tragfähigkeit muss zum Maßstab werden.
Die angestrebte Analyse leistet wohl einen Beitrag zum Verständnis der Vergangenheit. Dies allein würde einen Untersuchungsausschuss aber nicht rechtfertigen. Der wichtigere Teil, die eigentliche Bedeutung, liegt in der Gestaltung der Zukunft. Ein Großprojekt - und nicht nur ein Großprojekt - politisch begleiten heißt eine harte Nuss knacken. Wer aber dem Weg dahin mehr Bedeutung beimisst als dem Ziel, hat den Kern der Nuss schon vergessen und begnügt sich mit der Schale. Wir haben das gerade in den vergangenen Tagen erlebt, meine Damen und Herren.
In Frankfurt (Oder) ist eine große Chance vertan worden. Hier hätte nämlich beispielhaft gezeigt werden können, wie die Wertschöpfungskette Wissenschaft, Forschung, Innovation, Technologietransfer Wirtschaft gemeint ist und wie sie funktioniert. Ich bin nach wie vor von der Exzellenz der Frankfurter IHP-Technologie überzeugt und deshalb umso enttäuschter über den Ausgang des Vorgangs. Aber das IHP gibt es weiter, es feiert am nächsten Donnerstag sein 20-jähriges Bestehen. Ich bin gespannt auf die Zukunftsvisionen, die uns Dr. Mehr vortragen wird, denn das IHP - da bin ich sicher - hat in Frankfurt eine gute Zukunft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während dieser Plenartag langsam zur Neige geht, beginnt die Föderalismusdiskussion in Deutschland trotz einigen Vorlaufs erst so richtig, habe ich den Eindruck. Wir bewegen uns auf einer anderen Ebene als beim vorigen Tagesordnungspunkt, bei dem ich deutlich das Bedürfnis von Herrn Vietze spüren konnte, die Bevölkerung auch einmal mit einem Fördermittelbescheid zu erschrecken. Nein, es geht jetzt um ein anderes Verhältnis, nämlich das zwischen den Bundesländern, dem Bund und der EU.
Ich darf daran erinnern, dass zumindest einer der Ausgangspunkte für die Debatte, die dazu in Deutschland geführt wurde, die Auffassung der Landtagspräsidenten war, sie und ihre Abgeordneten hätten zu wenig Einflussmöglichkeiten in ihren Ländern gegenüber der jeweiligen Landesregierung bzw. auf der Bundesebene gegenüber dem Bundestag.
Diese Besorgnis klang in Herrn Vietzes Ausführungen ebenfalls an und es ist wohl auch etwas daran. Die Koalitionsfraktionen sind ja in der glücklichen Lage, die Landesregierung stützen zu dürfen, weshalb wir uns, wenn wir Kritik anzubringen haben, auch etwas zurückhalten müssen. Wir brauchen andere Ebenen der Diskussion, wenn wir etwas durchsetzen wollen. Dafür haben wir unsere Arbeitskreise. Zuweilen funktioniert das auch ganz gut.
Die Opposition hat natürlich andere Instrumente. Sie kann in aller Öffentlichkeit alles, was ihr nicht passt, lautstark anprangern.
Das tut sie dann auch. Manchmal ist es sogar konstruktiv, Herr Vietze, wie ich durchaus einräumen will.
Sie kennen die Spielregeln in diesem Hause. Manchmal sind die Ideen der Opposition so gut, dass wir sie in einen Entschließungsantrag gießen und dann mit der Mehrheit der Koalition beschließen.
Wir haben am 30. Mai 2002 - dies wurde bereits erwähnt - einen Beschluss gefasst, der darauf zielte, dass wir uns in Kenntnis des damals vorliegenden Entwurfs der Lübecker Erklärung aktiv an der Debatte um den Föderalismus beteiligen wollen. Ich darf Absatz 1 der Erklärung zitieren:
„Die deutschen Landesparlamente sind der Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für den Föderalismus in Deutschland nichts von ihrer zukunftsweisenden Bedeutung eingebüßt hat. Sie setzen sich für eine Stärkung des Föderalismus ein, weil er sich als politisches Modell bewährt hat.“
In Vorbereitung der Sitzung in Lübeck hat der Landtag Brandenburg am 6. März 2003 eine Entschließung angenommen ich meine, die Beschlussfassung ist nahezu einstimmig er
folgt -, die das Problem viel drastischer beschreibt. Es heißt dort:
„Der Landtag Brandenburg teilt die Auffassung, dass die im Grundgesetz angelegte ausgewogene Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen praktisch nicht mehr existiert.“
Der ursprüngliche Gedanke des Föderalismus hat etwas mit dem Subsidiaritätsprinzip zu tun: Jede Aufgabe soll möglichst dort erledigt werden, wo sie anfällt. Wenn Aufgaben anfallen, die die Länder angehen, sollen die Länder auch die Zuständigkeit haben. Das ist vernünftig und spiegelt sich in den Verabredungen zwischen Bund und Ländern wider, wenn es um Finanzierungsfragen und Gesetzgebungskompetenzen geht.
In vielen Jahren bundesdeutscher Praxis hat sich dieses Gleichgewicht aber eindeutig verschoben. Der Anteil, den die Landesparlamente bzw. die Landesregierungen noch eigenständig regeln können, ist immer kleiner geworden. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die Bundesebene ein nicht enden wollendes Bedürfnis entwickelt hat, überall mitzusteuern und mitzuregeln. Das hat zwar in gewisser Weise Sinn; denn die Bundesregierung hat den Auftrag des Grundgesetzes, für die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in Deutschland zu sorgen. Auf der anderen Seite führt dies dazu, dass die Selbstständigkeit der Entscheidungsmöglichkeiten in den Ländern unterwandert, wenn nicht sogar ausgehöhlt wird.
Die Debatte hat eine sehr große Bandbreite. Ich will das nur kurz umreißen und stelle die Behauptung in den Raum: Die Diskussion reicht von Forderungen nach absoluter Kleinstaaterei auf der einen Seite bis hin zu Forderungen nach einem Zentralstaat in Deutschland auf der anderen Seite. Beides kann nicht richtig sein. Wenn wir das Verhältnis von Kommunen, Städten und Kreisen zu den Ländern, zum Bund und zur EU im Auge haben, müssen wir andere Lösungen anstreben, als wenn wir das Verhältnis zwischen Parlamenten und Regierungen betrachten. Zu Letzterem habe ich schon ein paar Worte gesagt; ich will das nicht vertiefen.
Das Verhältnis in der Vertikalen ist davon gekennzeichnet, dass immer mehr Befugnisse auf die Ebene der Europäischen Union übertragen werden und immer weniger Regelungskompetenz bei uns verbleibt. Deshalb gilt es, klare Verabredungen zu treffen, wer wofür zuständig ist und wer was finanziert. Ich erinnere an die Sorge der Institute der Blauen Liste, dass sie ihre Arbeit einstellen müssen, wenn sich der Bund aus der Finanzierung zurückzieht.
Ich hege eine Hoffnung und bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht enttäuscht wird: Unsere Vertreter in der Kommission werden uns über den Fortgang der Dinge regelmäßig informieren und das mitnehmen, was wir ihnen mit auf den Weg geben. Danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt der Entwurf der Landesregierung für den Haushaltsplan 2004 vor, der ja im Wesentlichen beschreibt, wie das letzte Jahr dieser Legislaturperiode ablaufen soll.
Die Eckwerte geben bekanntermaßen einen außerordentlich engen Rahmen vor. Es wird eine sehr intensive Arbeit der Ausschüsse erforderlich sein, um den Konsolidierungskurs einerseits und die Erfüllung der notwendigen Aufgaben unter Beachtung der politischen Vorgaben dieses Hauses andererseits in Einklang zu bringen. Ich betone das so, weil ich manchmal den Eindruck habe, dass das, was hier an Vorgaben - zum Teil schon vor vielen Monaten - formuliert worden ist, noch nicht überall da angekommen ist, wo es hingehört.
Es sind hier ausdrücklich alle Ausschüsse gefordert, federführend der Finanzausschuss für den Haushalt und der Innenausschuss für das GFG. Ich habe die Bitte an alle übrigen Fachausschüsse, dort konstruktiv mitzuwirken.
Dass die Neuverschuldung im Jahr 2004 1,1 Milliarden Euro beträgt, ist mehr als bedauerlich. Damit steigt nämlich über die Erhöhung des Schuldendienstes der Ansatz bei dem Titel „Sächliche Verwaltungsausgaben“ noch einmal um 58,5 Millionen Euro auf dann etwa 1,2 Milliarden Euro und das sind rund 12 % des gesamten Haushalts. Jeder Euro, den wir an Zinsen zahlen, geht erstens an die falsche Stelle und fehlt uns zweitens bei der Erfüllung unserer Aufgaben.
Hinzu kommt: Ein Viertel des Haushalts sind Personalkosten, die leicht sinken. Die Finanzplanung zeigt deutlich die Gründe für die sinkenden Einnahmen des Landes auf und weist auf die Notwendigkeit einer Neufestlegung unseres Konsolidierungszieles.
Was ich nicht akzeptieren kann, Herr Kollege Bisky, ist die Aussage, wir hätten kein Ausgabenproblem, sondern ein Ein
nahmeproblem. Wir alle wissen, wie der Länderfinanzausgleich funktioniert: Steigende Steuereinnahmen in Brandenburg werden zu schätzungsweise 95 % über den Länderfinanzausgleich egalisiert. Das heißt nicht, dass wir uns nicht darum bemühen müssten - nicht, weil das unsere finanzielle Situation drastisch verbessern könnte, sondern weil wir die Solidarität der alten Bundesländer, der Geberländer, brauchen, damit wir nicht wieder Verfassungsgerichtsprozesse angehängt bekommen zu der Frrage, ob denn die Bayern mehr von ihrem Geld behalten dürften oder nicht.
Nein, auf dem Weg über erhöhte Steuereinnahmen werden wir den Haushalt nicht verbessern, sondern wir werden die Beschäftigungssituation im Lande verbessern können und damit die Ausgabensituation entlasten.
In der Tat ist der größere Teil des Gestaltungsspielraums, den wir haben, auf der Ausgabenseite zu finden - einmal, indem die sozialen Belastungen abgebaut werden, zum anderen aber auch, indem wir das, was wir ausgeben, zielgerichteter ausgeben, und zwar nach den Kriterien, über die wir uns hier im Hause eigentlich schon seit langem verständigt haben.
Wir haben ein Haushaltssicherungsgesetz verabschiedet, in dem steht:
„Ziel ist es, die Wahrnehmung von Aufgaben auf die Kernkompetenzen staatlichen Handelns zu beschränken.“
Ich weiß nicht, ob sich jeder klarmacht, was dieser Satz bedeutet. Aber er ist Gesetz und wir haben Gesetze einzuhalten, auch wenn wir neue Gesetze machen. Er heißt zumindest, dass die Rückführung anderer - wenn auch lieb gewordener - Aufgaben vorangetrieben werden muss, und er heißt, dass auf gar keinen Fall neue oder erweiterte Aufgaben in Gesetzen oder Verordnungen erscheinen dürfen. Das ist so selbstverständlich wie nur irgendetwas.
Wenn wir unsere eigenen Grundsatzbeschlüsse hier nicht durchsetzen und ernst nehmen, können wir auch nicht erwarten, dass uns die Menschen in Brandenburg ernst nehmen.
Um die Entwicklung des Landes unter den gegebenen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen voranzubringen, bedarf es wahrscheinlich eines sehr umfangreichen Bündels von Maßnahmen, die beginnen mit Überlegungen zur Verwaltungsmodernisierung unter Federführung der Staatskanzlei, die die Personalbedarfsplanung beinhalten, die wir mindestens auf dem heute vorgesehenen Niveau durchsetzen müssen; einiges spricht dafür, dass wir in den nächsten Jahren vielleicht auch hier die Schrauben noch fester anziehen müssen.
Wir müssen ein Abschmelzen auch der Personalkosten erreichen. Die bisherigen Abbauzahlen von 12 400 Mitarbeitern führen ja nur dazu, dass die Personalausgaben annähernd konstant bleiben. Die Versorgungslasten, die immer mehr zu Buche schlagen, lassen befürchten, dass sie möglicherweise sogar ansteigen.
Wir haben in das Haushaltssicherungsgesetz hineingeschrieben, welche Aufgaben ausgegliedert werden sollen. Das ist ein ganz beachtlicher Katalog und wir werden in der Ausschussar
beit sehen, ob dieses Ausgliedern dann auch zu Veränderungen in den Ausgabentiteln der einzelnen Ressorts führt. Ich habe den Eindruck, dass wir an mancher Stelle erstaunt fragen werden: Warum steht hier noch der gleiche Ausgabenbetrag, obwohl eine wesentliche Aufgabe ausgegliedert werden soll? Das wird Erklärungsnachfragen auslösen und sicherlich nicht in jedem Falle Freude bereiten.
Voraussetzung dafür, dass die Grundsatzentscheidungen des Parlaments umgesetzt werden, ist als Erstes, dass die Häuser diese Grundsatzentscheidungen zur Kenntnis nehmen, und zwar nicht nur die Spitze der Häuser, sondern die Häuser insgesamt. Die zweite Voraussetzung ist, dass jeder einzelne Ressortchef die Verantwortung erkennt, die Umsetzung zu organisieren. Da die Ressorts ja nach wie vor Dienstberatungen mit den Fachamtsleitern der Landkreise durchführen, haben sie auch das Instrument in der Hand, diese Grundsatzentscheidungen auf die Kreisebene, wo das meiste Verwaltungshandeln, das der Bürger erlebt, stattfindet, zu transportieren. Ich habe aus Gesprächen auf der Kreisebene bisher nicht den Eindruck, dass dies schon in wesentlichem Umfang geschehen ist.
Die Aufgabe heißt heute nicht mehr nur, die Verwaltung aller Ebenen zu rechtssicherem Handeln zu befähigen - das muss 13 Jahre nach der Wende selbstverständlich sein -, sondern die Aufgabe ist viel schwieriger. Es hilft uns überhaupt nichts, wenn eine Verwaltungsbehörde vor Gericht Recht bekommt und der Bürger dann bestätigt, dass der Herr Landrat völlig im Recht sei. Wir kennen diesen Spruch aus alten Zeiten. Nein, heute haben wir eine ganz andere Zielstellung, nämlich die, die Einstellung und die Fähigkeit zu entwickeln, trotz bestehender Widerstände von Lobbyisten, von Interessengruppen, aber auch trotz bestehender Widerstände rechtlicher Art in Brandenburg so viele Vorhaben wie irgend möglich umzusetzen.
Ich komme nachher noch zu praktischen Beispielen, damit Sie etwas aus dem Leben hören.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Prioritätensetzung vereinbart, die sich natürlich im Haushalt wiederfindet. Wir haben das Schulressourcenkonzept verabschiedet, eines der wenigen fachlichen Themen, die vorab unsere Zustimmung gefunden haben, weil es wichtig ist, wie mit Bildung und Ausbildung umgegangen wird. Wir haben aber auch gerade den Fortschrittsbericht zum Umgang mit den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen der Landesregierung gelesen und festgestellt, dass die Investitionsanteile bei diesen Mitteln von 80 % auf 42 % im Jahr 2002 gesunken sind. Wir wissen, dass der Fortschrittsbericht für das Jahr 2003 vermutlich viel Kreativität erfordern wird, um bei Hans Eichel noch durchzukommen. Es wird immer schwieriger. Deshalb müssen wir auf diesem Grundprinzip weiterhin bestehen. Wir müssen bei den konsumtiven Ausgaben kürzen, auch dann, wenn wir wissen, dass sie nur haushaltssystematisch konsumtiv sind, aber natürlich eine Investition in die Zukunft darstellen. Das sind Bildungsausgaben, ganz klar.
Wir werden die noch in dieser Legislaturperiode zu verabschiedenden Gesetze sehr genau darauf prüfen müssen, ob die Kriterien Arbeitsplatzrelevanz, Steueraufkommen, Bürokratieabbau,
Stimulierung von Initiativen der Bevölkerung Berücksichtigung finden oder nicht. Land und Kommunen sind eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn die Verbundmasse sinkt, sinken die Einnahmen auf beiden Ebenen. Das hat noch nichts mit Kürzen zu tun. Dann ist das kein aktiver Prozess, sondern ein Rechenergebnis. Insofern, Herr Bisky, haben wir so furchtbar große Sorge nicht wegen des Parteitagsbeschlusses, der noch viele andere Punkte beinhaltet.
Aber Parteitagsbeschlüsse legen immer den Finger in eine Wunde, machen auf ein politisches Problem aufmerksam, in diesem Falle auf die Finanzausstattung der Kommunen. Wir werden unsere Möglichkeiten nutzen, auf Münteferings Zusage, in der Bundestagsfraktion noch etwas zu tun, Einfluss zu nehmen und wir werden unsere Anstrengungen verstärken, um zu einer zielgenaueren oder, wenn Sie so wollen, gerechteren Verteilung der Finanzeinnahmen der Kommunen zu kommen, indem wir das Finanzausgleichsgesetz - ich habe die Verabredung hoffentlich richtig in Erinnerung - im nächsten Jahr zu verabschieden,
sodass es Anfang 2005 endlich in Kraft treten kann.
Jetzt hat dieser Beschluss aber den Charakter einer Kabinettsentscheidung und das ist eine ganz neue Qualität.
Der trauen wir jetzt.
Aber eines ist auch klar: Es wird dadurch nicht mehr Geld; die Zielgenauigkeit des Einsatzes der Gelder wird vielleicht etwas besser.
Lassen Sie mich ein Beispiel anführen, das zeigt, dass manches eben doch noch nicht so funktioniert, wie es funktionieren soll. Es gibt die Regionalplanung, die festlegt, wo Windeignungsgebiete sind, wo Windmühlen stehen dürfen, die der Minister am liebsten alle absägen möchte, was nun nicht mehr geht. Die Windeignungsgebiete werden nach einer Reihe von Parametern ausgewählt: Windhöffigkeit, Abstand zu Siedlungsgebieten, auch Vogelflugdichte. Dann erleben wir in der Praxis, dass bei einer stehenden Anlage plötzlich die Auflage erteilt wird, ein Vogelschutzgutachten zu erstellen. Wenn es da Zweifel gibt, hätte die Anlage eigentlich gar nicht genehmigt werden dürfen. Der Gutachter ist dort entlanggegangen und hat kontrolliert, aber nichts gefunden. Er kommt nun nicht zu dem Schluss, es sei harmlos, sondern sagt anschließend, man wisse nun, dass die Fuchspopulation in der Gegend relativ hoch sei. Es könne ja sein, dass der Fuchs die armen Vögel geholt habe. Darüber, ob der Gutachter Federn gefunden hat, wird nicht referiert. Solch ein Gutachten sagt uns nichts, kostet aber Geld und ich wünsche mir eigentlich nur, dass der Fuchs den Gutachter holt.
Lassen Sie mich ein anderes Beispiel nennen. Ich will mit diesen Beispielen dahin kommen, vielleicht noch einmal mehr das
öffentliche Interesse, das wir in Brandenburg definieren müssen, zu beschreiben. Wir alle haben in der Presse verfolgt, wie es dem Güterfelder Bauernmarkt gegangen ist. Dort hat es Arbeitsplätze gegeben. Dort hat es Direktvermarktung Brandenburger Produkte gegeben. Dort hat es einen alten Standort von Gewerbe gegeben, der auf diese Weise mit Leben erfüllt wurde. Planungsrechtlich war er natürlich völlig daneben. Mir ist eine Behörde lieber, die das Planungsrecht in Ordnung bringt und die Leute aktiv werden lässt, auch wenn der Investor unsympathisch ist. Solche Verstöße kann man mit kräftigen Bußgeldern ahnden und der Kreiskasse auf die Beine helfen, statt dafür zu sorgen, dass der Markt platt gemacht wird.
Ich füge ausdrücklich hinzu: Ich habe Hartmut Meyer sonst immer dafür gelobt, dass er einer war und ist - hoffentlich auch in Zukunft sein wird -, der trotz bestehender Gesetze etwas in Bewegung gebracht hat und nicht als Verhinderer aufgetreten ist.
Aber es gibt in Brandenburg eben diese Beispiele, die wir uns eigentlich nicht leisten können.
Ich spreche ein ganz anderes Thema an, das aber genauso strittig ist. Wenn ich mir anschaue, wie sich die Kosten im Bereich der Jugendhilfe entwickelt haben, bekomme ich graue Haare. Da ist das Land beteiligt, auch wenn die Dinge vor Ort in den Kreisen ablaufen, nämlich über die Vorgaben, die das Landesjugendamt macht. Wenn ein Platz für einen schwer erziehbaren Jugendlichen vor sieben Jahren ungefähr 3 000 DM gekostet hat und die Kosten heute bei 2 700 bis 3 700 Euro liegen, dann liegt die Erklärung dafür nicht nur bei den Lohnsteigerungsraten, sondern dann ist hier etwas schief gelaufen mit der Art der Organisation der Aufgabenwahrnehmung.
Das ist ein Potenzial von vielen Millionen. Wir sollten das nicht abbügeln und auf die Zuständigkeit der Kreise verweisen, sondern wir sollten uns ganz genau ansehen, warum sich das so entwickelt hat.
- Ich weiß auch, wie die zustande kommen. Wir sollten da wirklich einmal ernsthaft hingucken und nicht so tun, als würden die Ergebnisse schon gut sein, wenn wir in diesem Bereich nur ordentlich viel Geld ausgeben.
Die Ergebnisse sind dadurch gut, dass dort gute Arbeit geleistet wird, und nicht dadurch, dass dort lediglich viel Geld ausgegeben wird.
- Ich habe eine auf dem Tisch liegen; da werden einem die Haare grau. - Ich habe es ja geahnt, jedes Beispiel, das man hier an
führt, trifft auf den Widerstand irgendeiner Lobbygruppe. Das ist nicht nur im Parlament so, sondern das ist auch in der Bevölkerung so und das wird zwischen den Ressorts genauso sein. Das heißt, wenn wir uns vornehmen, die Grundsätze des Haushaltssicherungsgesetzes durchzusetzen, werden wir flächendeckend auf Ärger, Widerstand und Widerspruch stoßen.
Wir müssen bereit sein, das auszuhalten; sonst brauchen wir keine Grundsatzbeschlüsse zu fassen.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich führt aus jeder Krise ein Weg heraus. Dass wir es nicht mit einem kurzen, vorübergehenden Tief zu tun haben, wissen wir inzwischen. Im einfachsten Falle führt der Weg durch Zeitablauf heraus mit der Option, dann auch in einer Katastrophe zu enden. Mit Ideen, Konzepten, Gestaltungswillen und Durchsetzungsfähigkeit das muss ich auch einmal dazusagen - kann dieser Prozess gesteuert und beschleunigt werden. Ich denke, wir sollten uns für die zweite Variante entscheiden, auch wenn sie viel Arbeit macht, wenn sie Widerspruch hervorruft, wenn sie lästig ist. Wir wollen, dass Brandenburg ein Land zum Leben bleibt. Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast ist nichts mehr zu sagen, so gründlich ist heute debattiert worden. Aber eine Sache macht mir Freude. Wir sind mit dem Thema Mentalitätswechsel ein gutes Stück vorangekommen. Wir haben heute von Herrn Vietze gehört, dass der Bürger Rechte, Ansprüche gegen den Staat hat, weil es sein Geld ist, das dort verwaltet wird. Das ist alles richtig. Ich erinnere mich aber, Herr Vietze - leider ist er jetzt nicht da - an die Zeiten,
in denen ich dazu angehalten wurde, nicht kritisch zu diskutieren, sondern gefälligst dankbar für meinen Studienplatz zu sein.
Wir sind also in der Tat ein gutes Stück weiter und das begrüßen wir beide.
Ich bin auch der Meinung...
Ich bin gerade so schön im Fluss, lassen Sie mich erst reden.
- Ja. - Ich bin auch der Meinung, wir sollten - lassen Sie mich doch einmal reden - über das Thema Kernaufgaben intensiv diskutieren. Was ich nicht nachvollziehen kann: Die Art, die Zahl, die Intensität der Wahrnehmung von Kernaufgaben,
wenn wir sie dann einmal definiert haben, hängen natürlich vom Haushaltsvolumen ab. Da eine Abkopplung zu verlangen halte ich für naiv und unverantwortlich, auch für die Zeiten, in denen es uns einmal gut geht. Der Staat soll ja keine Rücklagen bilden. Natürlich werden wir dann auch wieder mehr Geld ausgeben, auch Kernaufgaben und sonstige besser bedienen können. Im Augenblick sind wir leider in der anderen Phase, in der wir das nicht können.
- Arbeiten wir gemeinsam daran, dass es möglichst bald so weit ist!
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem volkswirtschaftlichen Grundseminar machen, mit dem Sie hier eingeleitet haben, Herr Vietze. Ich glaube, die Wirkungsmechanismen sind nicht hinreichend beschrieben. Steuersenkung, mehr Kaufkraft, Entstehung neuer Arbeitsplätze - ich glaube, dabei gibt es unheimlich viele Mitnahmeeffekte und die Unternehmen werden ihre Mitarbeiterzahl grundsätzlich nicht nur nach Lohnkosten oder ähnlichen Dingen bestimmen, sondern vor allem danach, ob sie Aufträge haben, ihre Produkte los werden oder nicht. Deshalb ist es richtig und nicht Zufall, sondern Absicht, wenn wir immer wieder die Frage stellen: Wo sind die Themenfelder, die Arbeitsfelder, die Aufgabenfelder der Unternehmen für die Zukunft?
Der Ministerpräsident hat - auch nicht durch Zufall - in der Regierungserklärung gesagt: Bildung, Ausbildung, Forschung, Technologieentwicklung sowie Überleitung in die wirtschaftliche Praxis müssen Priorität haben, denn nur so entsteht eine Wertschöpfungskette, die nicht reißen darf, auch wenn das Geld noch so knapp ist. Deshalb sind das unsere prioritären Bereiche.
Ich will noch einige Bemerkungen bezüglich der Verfassungskonformität dieses Gesetzes machen. Wir haben - Herr Schuldt hat das wieder angesprochen - im Hauptausschuss eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Dort wurde auf den Artikel 96 der Landesverfassung mit einer Argumentation Bezug genommen, die lautet: Im Artikel 96 ist die Zuständigkeit der Landesregierung für die Einrichtung, Abschaffung, Änderung von Behörden, Landesämtern und Ähnlichem geregelt. - Diese Aussage ist richtig, ihr geht aber ein Absatz 1 im Artikel 96 voran, in dem es heißt, dass über die Aufgaben- bzw. Verantwortungszuordnung usw. der Gesetzgeber per Gesetz entscheidet. Kurz zusammengefasst interpretiere ich damit rückwirkend den Willen des Verfassungsgebers - als Landrat war ich damals mehr Betroffener als Mitwirkender - einmal so: Die Politik bestimmt, was wo gemacht wird, die Landesregierung setzt es um.
Das hören die Kollegen Minister nicht so gern, aber bis zu einem bestimmten Grad muss das ja so gelten, denn es ist eine wichtige Frage des Selbstverständnisses dieses Parlaments, der Aufgabenteilung zwischen Landesregierung und Abgeordneten. Das darf aber jetzt auch nicht zu weit gehen, nicht bis ins letzte Detail. Deshalb haben wir darauf verzichtet vorzuschreiben, welche Software wo verwendet wird, welche Autos in welchem Fahrzeugpool gehortet werden bzw. welche Abteilungen in welcher Oberfinanzdirektion aufgelöst werden oder nicht.
Diese Detailregelungstiefe wollen wir uns nicht anmaßen. Das liegt in der Zuständigkeit der Landesregierung.
Aber ich sage auch noch etwas, weil das in der Öffentlichkeit häufig missverstanden wird: Auch wenn wir einen solchen Beschluss nicht fassen, heißt das nicht automatisch, wir seien gegenteiliger Meinung. Einen Beschluss nicht zu fassen ist nicht der Beschluss des Gegenteils.
Das muss man auch der Öffentlichkeit immer wieder deutlich machen. Wir hatten neulich einen Vorgang, als es um die Kyritz-Ruppiner Heide ging. Sie erinnern sich. Ich danke dem Kollegen Kuhnert heute noch für seinen hervorragenden Vortrag, den er in diesem Zusammenhang gehalten hat.