David-Christian Eckardt

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Last Statements

Veröffentlichung eines seniorenpolitischen Konzepts für Thüringen durch die Landesregierung
Die Landesregierung hat mehrfach die Veröffentlichung eines seniorenpolitischen Konzepts angekündigt. Im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit am 24. April 2009 berichtete die Landesregierung, die Erarbeitung des seniorenpolitischen Konzepts befinde sich in der Endphase und könne bald veröffentlicht werden. Es wurde der Eindruck erweckt, das Konzept werde noch in dieser Legislaturperiode vorgestellt. Eine zeitnahe Veröffentlichung, die eine Diskussion des Konzepts im Landtag ermöglicht, steht jedoch nicht in Aussicht.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wann wird das seniorenpolitische Konzept veröffentlicht werden?
2. Wie kommt es zu den Verzögerungen bei der Veröffentlichung?
3. Welches sind die nächsten Arbeitsschritte bei der Erarbeitung und Veröffentlichung des Konzepts?
4. Gab es Einwände von Seniorenvertretern gegen die Veröffentlichung des Konzepts?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe nicht sehr zahlreich anwesenden Kolleginnen und Kollegen, ich bedaure es sehr, dass wir heute nur den Bericht aus dem Ausschuss über den Stand des Seniorenmitwirkungsgesetzes der Fraktion DIE LINKE hier im Plenum behandeln, weil dieser Gesetzentwurf - ich gebe es offen zu - auch der Fraktion der SPD in vielen Punkten sehr sympathisch ist und ich eigentlich gehofft habe, dass wir dies heute hier in zweiter Lesung tun können, um für die Seniorinnen und Senioren in
Thüringen etwas bewegen zu können und sie aktiv gesetzlich abgesichert am gesellschaftlichen Leben verstärkt zu beteiligen. Aber leider ist es bisher durch Schachzüge im Ausschuss noch nicht möglich gewesen, dieses Gesetz im Ausschuss abschließend zu behandeln, daher heute auch nur dieser Sachstandsbericht. Ich befürchte auch, dass wir in dieser Legislatur die zweite Lesung dieses Gesetzes nicht mehr erleben werden, so dass wir schon wieder einen Arbeitsauftrag für die neue Legislatur haben, was hier in diesem Haus scheinbar so üblich ist, dass die Arbeitsaufträge verteilt werden. Wir werden das zügig in der neuen Legislatur angehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, da es in der Natur der Sache ist, dass wir das etwas anders sehen, werde ich auch ein bisschen mehr sagen als mein Vorredner Dr. Krause.
„Alles wird gut, glauben Sie mir“ - mit diesen schönen Worten versuchte der damalige Kultusminister Goebel in einem Interview der „Thüringer Allgemeinen“ vom 5. Dezember 2007 sämtliche Zweifel daran vom Tisch zu wischen, dass es die Landesregierung mit einer raschen Realisierung des neuen Bauhaus-Museums in Weimar tatsächlich ernst meint. Damit nicht genug; der Minister versprach sogar vollmundig, der Museumsneubau wird 2013 eröffnet. Ob das Gesagte vom Kollegen Goebel seinerzeit wirklich so gemeint gewesen war oder nur als rhetorischer Befreiungsschlag, um das vorher erlebte Debakel der Landesregierung bei der leichtfertig verspielten Bauhaus-Landesausstellung vergessen zu machen, sei dahingestellt. Jedenfalls gibt es seit Dezember 2007 eine feste Zusage der Landesregierung, das neue Bauhaus-Museum bis 2013 zu realisieren.
Daran hat auch der neue Kultusminister Müller nicht gerüttelt, ganz im Gegenteil, der Minister hat in einem TA-Gespräch vom 22.05.2008 noch einmal betont, das Datum 2013 steht, die Klassik Stiftung wird einen Architektenwettbewerb ausschreiben, dann wird gebaut. Seit den Ankündigungen des alten Kultusministers sind inzwischen 18 Monate vergangen, seit deren Bekräftigung durch den neuen Amtsinhaber mehr als ein Jahr. Wer sich ein bisschen mit der Realisierung komplexer Museumsprojekte von internationalem Rang auskennt, wusste schon im September 2007, dass die Zielmarke 2013 recht ambitioniert war - ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Mit einem energischen Vorantreiben der Museumsplanungen, mit straff koordinierten und aufeinander abgestimmten Umsetzungsschritten sowie dem nötigen Quäntchen Glück war von Ende 2007 aus betrachtet eine Errichtung des neuen Bauhaus-Museums bis 2013 durchaus leistbar. Das hätte allerdings bedeutet, unmittelbar nach der Zusage der Landesregierung die Ärmel hochzukrempeln. Das hätte auch bedeutet, dass das Kultusministerium fortan nicht nur als Schlagzeilenproduzent, sondern als Impuls- und Taktgeber in Sachen Bauhaus-Museum gewirkt hätte, dass es im Stiftungsrat für die nötige Dynamik gesorgt und die Dinge energisch vorangetrieben hätte. Wenn all das geschehen wäre, müsste sich das Museumsprojekt jetzt eigentlich in der Phase des Architektenwettbewerbs befinden, es müsste ein erstes Ausstellungskonzept auf dem Tisch liegen und ganz sicher wäre uns auch schon das Datum des Baubeginns bekannt. Das hätte man ja auch gut in den Wahlkampf mit einbauen können, aber die Chance haben Sie sich entgehen lassen.
Nichts von all dem ist jedoch bis heute eingetreten, das Kultusministerium erweckt nicht einmal mehr durch blumige Medienverlautbarungen den Anschein, dass es sich ernsthaft um den Museumsneubau kümmert oder dass das Ganze den Freistaat überhaupt irgendwie angeht. Man gewinnt angesichts der hartnäckigen Passivität des Herrn Müller erneut den fatalen Eindruck, dass die Landesregierung die Bedeutung des Themas Bauhaus für die internationale Entwicklung von Kunst, Architektur und Design, aber auch für Thüringen gar nicht zu erfassen vermag.
Das ist wohl wahr.
Nun muss einen so viel künstlerische und kulturpolitische Ignoranz bei einem Ministerpräsidenten, der sich einer Bauhaus-Landesausstellung verweigert, und einem Kultusminister, der das SYNERGURAFestival für ein Marionetten-Kindertheater hält, eigentlich nicht wundern. Meine Fraktion nimmt das bishe
rige Nichtstun dennoch nicht hin. Wir wollen das neue Bauhaus-Museum und wir wollen es so schnell wie möglich. Es kann einfach nicht sein, dass der Freistaat auch dieses direkt wieder verschläft und verstolpert. Seit Dezember 2007 ist schon genug Zeit, viel zu viel Zeit vertrödelt worden. Wachen Sie endlich aus Ihrem Berufsschlaf auf, Herr Müller, und packen Sie an, damit wir 2013 das Bauhaus-Museum in Weimar öffnen können. Ich danke Ihnen.
Stand der Erarbeitung eines seniorenpolitischen Konzepts für Thüringen
Die Auswirkungen des demographischen Wandels verändern Thüringen grundlegend. Damit gehen neue Herausforderungen im gesundheitlichen, infrastrukturellen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich einher. Derzeit ist Thüringen nicht angemessen auf den demographischen Wandel und die damit einhergehenden Herausforderungen vorbereitet. Das letzte seniorenpolitische Landesprogramm stammt aus den 90er-Jahren und ist veraltet. Um auch zukünftig eine flächendeckende Versorgung mit medizinischen, kulturellen und infrastrukturellen Angeboten sicherstellen zu können, bedarf es einer gezielten und intensiven Planung. Die Landesregierung hat die Veröffentlichung eines seniorenpolitischen Konzepts angekündigt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wer ist mit der Erarbeitung des Konzepts beauftragt?
2. Was kostet die Erarbeitung des Konzepts?
3. Auf welche Weise werden Seniorenvertreter, Kommunen und Thüringer (Fach-)Hochschulen in die Erarbeitung des Konzepts einbezogen?
4. Welche Kosten resultieren aus dem Konzept mittel- und langfristig für die Kommunen und für das Land?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das kleine Missverständnis ist beseitigt, danke, dass ich jetzt noch zu unserem Antrag Stellung nehmen kann. Wir beabsichtigen, die Änderung des Artikels 28 Abs. 1 der Landesverfassung um folgenden Satz zu ergänzen: Allgemeine Studiengebühren werden an Staatlichen Hochschulen nicht erhoben.
Ich denke, alle Teile dieses Hauses können dieser ebenso präzise formulierten wie inhaltlich eindeutigen Aussage ohne Weiteres zustimmen. Eine Änderung der Landesverfassung durch die das gemeinsame Bekenntnis zum Verzicht auf die Erhebung allgemeiner Studiengebühren Verfassungsrang erhält, sollte demnach die Unterstützung sämtlicher Land
tagsfraktionen finden. Nicht nachvollziehbar ist daher für mich, wie die CDU-Mitglieder des Wissenschaftsausschusses auf unseren Änderungsantrag reagiert haben. Sie haben ihn nicht nur abgelehnt, sondern in Person des Abgeordneten Schwäblein sinngemäß erklärt, man wolle sich den Weg zu einer Erhebung allgemeiner Studiengebühren auch weiterhin offenhalten. Diese Erklärung muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da gibt es eindeutige und wiederholte Aussagen des Ministerpräsidenten und ebenso des Kultusministers, die CDU werde auch in Zukunft im Freistaat keine Studiengebühren einführen. Und dann kommt der hochschulpolitische Sprecher der gleichen CDU und macht deutlich, übrigens ohne dass ihm irgendeiner seiner CDU-Ausschusskollegen oder der ebenfalls anwesende Kultusstaatssekretär dabei widersprochen hätten, dass seine Partei in Wirklichkeit ganz andere Ziele verfolge. Da frage ich mich doch, was das Versprechen des Ministerpräsidenten in Sachen Bezahlstudium eigentlich wert ist. Wessen Wort gilt denn nun in der Thüringer CDU, das des Ministerpräsidenten und Kultusministers oder das des Abgeordneten Schwäblein? Werden hier die Bürger durch die Landesregierung verschaukelt oder vertritt der Kollege Schwäblein an dieser Stelle eine bloße Einzelmeinung? Auf diese Frage will ich heute eine eindeutige Antwort haben, Herr Minister Müller. Und wenn Sie dazu mit Worten nicht in der Lage sind, dann werden wir aus dem Abstimmungsverhalten der Mehrheitsfraktion unsere Schlüsse ziehen. Ist die CDU zu der von uns beantragten Verfassungsänderung bereit, nehmen wir auch künftig deren Engagement gegen allgemeine Studiengebühren ernst. Sollte sich die Regierungsmehrheit jedoch unserem Änderungsantrag verweigern, wissen wir, was von Ihrem bisherigen Versprechen zu halten ist, Herr Minister - gar nichts.
Herr Mohring, Ihr Angebot, das Sie heute in der TA unterbreitet haben, kann ich nur als schlechten Kuhhandel bezeichnen. Wenn Sie wirklich ein verfassungsrechtliches Verbot von Studiengebühren wollen, dann bekunden Sie dies hier und heute und knüpfen nicht Bedingungen daran, die mit dem Sachverhalt Studiengebühren nichts zu tun haben. Aber, egal wie Sie sich entscheiden, meine Damen und Herren von der CDU, die heutige Abstimmung wird den Bürgern endlich Gewissheit darüber verschaffen, wie Sie wirklich zum Thema Studiengebühren stehen. Im Hinblick auf die vor uns liegende Landtagswahl dürfte Ihre Positionierung heute zeigen, ob Sie ernsthaft an einem dauerhaften, gebührenfreien Studium in Thüringen interessiert sind, oder aber, ob Sie dieses Thema für den Wahlkampf instrumentalisieren wollen. Aber glauben Sie mir, der Wähler wird diese Manöver erkennen und dafür am 30. August die Quittung präsentieren. Ich danke Ihnen.
Frau Kaschuba, wir sind uns, glaube ich, vom Grundsatz des Gewollten absolut einig. Aber geben Sie mir recht, wenn man bei Ihrer Formulierung bleibt „... unentgeltlicher Zugang zu allen Bildungs- und Informationsangeboten und -einrichtungen der Hochschule wird gewährleistet.“ - dass das schon die Gefahr birgt, dass die Hochschulbibliotheken selbst keine Fernleihgebühren mehr erheben dürfen. Wenn man bei der Formulierung bleibt - der freie Zugang usw. usf. -, dass es dann rechtlich doch sehr bedenklich ist mit Studienvoraussetzungen und mit Einschränkungen zu diesen Studiengängen.
Herr Kollege Schwäblein, ich bin jetzt seit gut zweieinhalb Jahren in diesem Haus. Seitdem ist es Anliegen der SPD-Fraktion, einen Verzicht auf Studiengebühren durchzusetzen. Können Sie mir denn aber erklären, wie Ihr Herr Fraktionsvorsitzender Mike Mohring dann heute zu den Äußerungen in der „Thüringer Allgemeine“ kommt, dass er sich vorstellen könne, das Verbot von Studiengebühren in der Verfassung mitzutragen, hat aber natürlich die Bedingung drangesetzt, dass wir gleichzeitig ein Schuldenverbot in der Verfassung mittragen würden. Dann der letzte Satz: Ein Verzicht auf allgemeine Studiengebühren wird offenbar Teil des Regierungsprogramms der CDU sein. Wer macht jetzt mit diesem Thema bitte schön Wahlkampf, Herr Schwäblein?
Herr Minister Müller, Sie haben auf einen Einnahmeverlust der Hochschulen hingewiesen, der nur aufgrund des Wegfalls des Landesverwaltungskostenbeitrags bestehen könnte. Nun ist die Verwendung des Verwaltungskostenbeitrags aber festgeschrieben für die Deckung des zusätzlichen Verwaltungsaufwands. Können Sie mir erklären, wie es dann davon möglich ist, Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und Ähnliches zu bezahlen, die Sie aufgezählt und hochgerechnet haben?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es die Kollegen der CDU-Fraktion sicher nicht mehr hören können, dass die Erhebung von Studiengebühren unsozial ist und insbesondere Kinder aus wenig begüterten Elternhäusern von einem Hochschulstudium abhält, ist nicht nur seit Jahren Auffassung meiner Fraktion, sondern lässt sich seit vergangenen Herbst auch mit ganz nüchternen Zahlen belegen. Nach einer vor wenigen Monaten bekannt gewordenen repräsentativen Umfrage des Hochschul-Informations-Systems HIS haben sich allein im Jahr 2006 bundesweit rund 18.000 Abiturienten gegen ein Studium entschieden aus Angst, sich die von den Unionsländern erhobenen allgemeinen Studiengebühren nicht leisten zu können. Das ist eine 18.000-fache Verschwendung von geistigem Potenzial und angesichts der Tatsache, dass die Bun
desrepublik mit einer Studierendenquote von gerade einmal 35,4 Prozent ohnehin meilenweit hinter dem OECD-Studierendendurchschnitt von 55,9 Prozent herhinkt, auch ein bildungspolitischer Skandal ersten Ranges. Zu verantworten haben ihn jene CDU/CSUPolitiker, die die Aufnahme eines Studiums nach wie vor als Privileg der gesellschaftlichen Oberschichten betrachten und Papas dicken Geldbeutel als einzig wahre Hochschulzugangsberechtigung verstehen. Studiengebühren, gleich welcher Form, sind also gesellschaftspolitisch indiskutabel und bildungspolitisch kontraproduktiv.
Ein Land wie Thüringen, das mit einer Studierendenquote von lediglich 29 Prozent noch nicht einmal den viel zu niedrigen Bundesdurchschnitt erreicht und wegen seiner ungünstigen demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren ohnehin auf einen gravierenden Fachkräftemangel zusteuert, kann sich Studiengebühren, gleich welcher Form, daher schlicht nicht leisten. Es muss vielmehr im ureigenen Interesse des Freistaats liegen, die vorhandenen geistigen und schöpferischen Potenziale der jüngeren Generation so weit wie irgend möglich und unabhängig von der individuellen sozialen Herkunft zu erschließen sowie möglichst vielen Studierenden aus anderen Bundesländern, aber auch aus dem Ausland auf den Campus Thüringen zu locken und dauerhaft hier zu halten. Im Wettbewerb mit den überaus leistungsstarken Hochschulstandorten im Westen kann so etwas aber nur durch einen bewussten Verzicht auf Studiengebühren gelingen. Meine Fraktion hat dies bereits vor Jahren erkannt und sich öffentlich entsprechend positioniert. Dies hat nichts mit Wahlkampf zu tun, wie hier unterstellt. Das Thema kurz vor dem Wahlkampf aufgreifen, tut nun die Fraktion der CDU in Person ihres Vorsitzenden. Auch wenn der Kultusminister eben wiederholt hat, dass es im Freistaat zukünftig keine Studiengebühren geben wird, das Abstimmungsverhalten der Mehrheitsfraktion hier im Hause zu unserem Änderungsantrag lässt jedoch Zweifel aufkommen. Wenn man sich endlich zu einem solchen Verzicht auf allgemeine Studiengebühren durchringen könnte, dann sollte nach Auffassung der SPD auch der Ende 2006 eingeführte Verwaltungskostenbeitrag wieder abgeschafft werden. Für die Existenz dieser Verwaltungsgebühren hat das Kultusministerium bis heute keine sachliche Notwendigkeit nachweisen können. Die Ausführungen, Herr Müller, die Sie vorhin dazu gemacht haben, haben jedoch gezeigt, dass Sie, glaube ich, immer noch nicht richtig wissen, wofür diese Verwaltungsgebühr seinerzeit einmal gedacht war, nämlich als Studiengebühr light und als Bodenbereiter für die Einführung einer echten Studiengebühr in Thüringen. Das hat inzwischen der zur Lottofee mutierten oder nicht zur Lottofee mutierten, nichts Genaues weiß man nicht, Kollege Schwäblein bei parlamentarischen Beratungen über die Einfüh
rung des Verwaltungskostenbeitrags damals ganz offen so hier benannt. Demzufolge muss die CDU als nunmehr Gegnerin allgemeiner Studiengebühren, und das will ich hier nun einmal unterstellen, auch so konsequent sein, den Verwaltungskostenbeitrag als seinerzeit ersten Schritt hin zu einem Bezahlstudium wieder rückgängig machen. Der von meiner Fraktion vorgelegte und heute zu seiner zweiten Beratung anstehende Gesetzentwurf zielt jedenfalls auf ein solches Ende der Verwaltungsgebühren ab. Da sollte es der Mehrheitsfraktion eigentlich nicht so schwerfallen, unserer Vorlage zur Annahme zu verhelfen, jedoch habe ich hier nach dem ewigen Abstimmungsverhalten arge Bedenken. Ich bin jedenfalls gespannt, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich heute positionieren werden, auch wenn ich befürchte, das Ergebnis zu kennen. Sollten Sie am Verwaltungskostenbeitrag festhalten wollen, wird Ihnen künftig immer das Etikett anhaften, sich trotz anders lautender Behauptungen den Weg zur allgemeinen Studiengebühr weiterhin offenzuhalten. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“, dieser schöne Satz ist mir eingefallen, als am Montagabend in einer Art Überraschungscoup die CDU-Fraktion ihren Gesetzentwurf zum Bafög-Ausführungsgesetz präsentiert hat und uns auch noch überreden wollte, dies in erster und zweiter Lesung in diesen beiden Plenartagen zu verabschieden. Dabei wurde das Überrumpelungsmanöver mit dem plumpen Argument garniert, inhaltlich sei der Gesetzentwurf völlig unproblematisch, größerer Diskussionsbedarf bestehe ohnehin nicht. Außerdem müsse man unbedingt ein Inkrafttreten der Novelle zum 1. Januar 2009 ermöglichen.
Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Darlegung allerdings als ziemlich fadenscheinig. Selbstverständlich spricht aus fachlicher Sicht nichts dagegen, die Entscheidungskompetenz bei Widersprüchen in Bafög-Angelegenheiten an das Studentenwerk zu übertragen. In einer ganzen Reihe anderer Bundesländer wird dies so gehandhabt. Soweit wir informiert sind, funktioniert dies dort auch.
Der eigentliche Pferdefuß des Gesetzentwurfs steckt daher nicht in der Gesetzesmaterie selbst, sondern in der von der CDU-Fraktion getroffenen Aussage zu den Kosten der Novellierung. Frau Kollegin Kaschuba hat dies ja auch schon ausgeführt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form ein echtes Danaer Geschenk ist. Die von der CDU gewählte Überrumpelungstaktik bei der Einbringung und das Vorhaben, die erste und zweite Beratung der Novelle terminlich miteinander zu koppeln, dürfte eng mit dieser Tatsache zusammenhängen. Anders als die Mehrheitsfraktion sieht die SPD daher noch einigen Beratungsbedarf zum Gesetzentwurf im Ausschuss. Die Ausschussüberweisung wurde schon beantragt. Ich freue mich auf die Weiterbehandlung des Entwurfs im Ausschuss. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuregelung des Stiftungswesens war überfällig. Schon 2002 sind durch das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts die bundesrechtlichen Bestimmungen für rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts neu gefasst worden. In Thüringen jedoch gilt bis heute das Stiftungsgesetz vom 13. September 1990. Dabei handelt es sich um ein seinerzeit kurzfristig geschaffenes Recht. Die neuen Länder sollten nicht in einen rechtsfreien Raum entlassen werden. Dieser rechtsfreie Raum war vorhanden, weil seit der Einführung des Zivilgesetzbuches der DDR 1975 die aktive Errichtung
von Stiftungen des bürgerlichen Rechts nicht mehr möglich war.
Es ist also höchste Zeit, dafür zu sorgen, dass nach 18 Jahren die Rahmenbedingungen für die Arbeit von rechtsfähigen Stiftungen verbessert werden und das Stiftungswesen in Thüringen verstärkt wird. Dies wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auch realisiert.
Das Gesetz sorgt vor allem dafür, dass die Stifter, die Stiftungen und ihre Organe eine größere Handlungs- und Entscheidungsfreiheit erhalten, dass die Aufgaben der Stiftungsaufsicht gebündelt werden und die Stiftungen vor Vermögenseinbußen besser geschützt sind.
Insgesamt werden die Regelungen für das Entstehen einer Stiftung transparenter und einfacher. Zwar waren einige der ursprünglich von der Landesregierung im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen rechtlich nicht sauber und bedenklich, das haben auch die Stellungnahmen des Gemeinde- und Städtebundes und des Abbe-Institutes recht deutlich gezeigt, aber im Ergebnis einer gründlichen Ausschussberatung konnten diese Fehler korrigiert und im Ausschuss ein Einvernehmen hergestellt werden. Damit liegt nun ein Gesetzentwurf vor, dem auch die Fraktion der SPD zustimmen kann, und das mit gutem Gewissen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit etwas Positivem beginnen. Im Zuge der Ausschussberatung hat es beim vorliegenden Gesetzentwurf einige Detailverbesserungen gegeben, die auch unsere Unterstützung finden. Dabei geht es um eine stärkere Öffnung der Thüringer Hochschulen für qualifizierte Berufstätige, ein Ziel, bei dem sich alle drei Fraktionen dieses Hauses einig sind. Die entsprechenden Passagen der Beschlussempfehlung sind im Wissenschaftsausschuss deshalb auch einstimmig angenommen worden. Das war es dann aber auch schon an Gemeinsamkeiten mit der Mehrheitsfraktion, denn zu der von uns angemahnten Korrektur zweier wesentlicher Knackpunkte des Gesetzentwurfs ist es im Wissenschaftsausschuss gar nicht gekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Unterschied zwischen Opposition und der Mehrheitsfraktion in diesem Haus. War die Opposition bei dem heute Morgen beschlossenen Stiftungsgesetz bereit, im Ausschuss die Mängel des von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs mit zu bereinigen, so bleiben die Ohren der Mehrheitsfraktion bei Änderungen der Opposition überwiegend verschlossen.
Meine Fraktion kann daher die Beschlussempfehlung des Ausschusses trotz der von mir erwähnten Verbesserung einiger Detailpunkte nicht mittragen.
Ich möchte im Folgenden die Kritik meiner Fraktion am Gesetzentwurf etwas ausführlicher darlegen. Dabei beziehe ich mich stets auf Artikel 2 der Vorlage, auf die beabsichtigten Änderungen des Thüringer Hochschulgesetzes. Vorgesehen ist dort, aus verschiedenen Gesetzespassagen die Bezugnahme auf
das Hochschulrahmengesetz des Bundes zu streichen. Begründet wird dies von der Landesregierung mit dem zum 1. Oktober 2008 geplanten Außerkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes. Diese Änderung ist jedoch nicht zielführend, denn der im Begründungstext angeführte Sachverhalt ist bis heute nicht eingetreten und wird wohl auch in absehbarer Zeit nicht eintreten. Ich habe es bereits bei der ersten Lesung gesagt und ich sage es hier gern noch einmal, denn die CDU-Kollegen scheinen das bisher nicht recht verstanden zu haben: Der von der Bundesregierung erarbeitete Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ist vom Bundestag überhaupt noch nicht verabschiedet worden. Er liegt seit Monaten zur weiteren Beratung in den zuständigen Bundestagsausschüssen. Einen Termin für die zweite und dritte Lesung im Plenum gibt es nicht. Gegenwärtig erscheint es nach Informationen aus Berlin fraglich, ob die Hochschulrahmengesetzaufhebungsnovelle überhaupt noch in der jetzigen Wahlperiode des Bundestags verabschiedet wird. Solange dies aber nicht geschehen ist, ist das Hochschulrahmengesetz weiterhin in Kraft, es bedarf also vorerst auch nicht der genannten Streichungen im Thüringer Hochschulgesetz.
Nun wollte mir Kollege Schwäblein im Wissenschaftsausschuss einreden, man könne trotzdem ohne Weiteres sämtliche Bezugnahmen auf das Hochschulrahmengesetz aus dem Thüringer Hochschulgesetz streichen, denn schließlich habe der Landtag die entsprechenden Hochschulrahmengesetzbestimmungen längst ins Landeshochschulrecht übertragen. Herr Schwäblein, an den von uns kritisierten Stellen, das sind die Nummern 1, 2 und 9 in Artikel 2 des Gesetzentwurfs, geht es doch überhaupt nicht darum. Dort soll vielmehr der Hinweis auf eindeutige Hochschulrahmengesetzregelungen gestrichen und durch die Bezugnahme auf irgendwelche wolkigen Übereinkommen der Länder ersetzt werden. Diese Ländervereinbarungen existieren aber überhaupt noch nicht und solange das Hochschulrahmengesetz Bestand hat, werden sie auch nicht beschlossen werden können. Was soll dann eine Novellierung des Hochschulgesetzes an den fraglichen Stellen bringen? Das müssen Sie mir noch einmal genau erklären, Herr Schwäblein, in Ihrer Rede sind Sie leider darauf nicht eingegangen. Vielleicht ergibt sich ja heute Abend dazu die Möglichkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich zum zweiten wesentlichen Kritikpunkt meiner Fraktion am Gesetzentwurf, der geplanten Änderung von § 69 des Thüringer Hochschulgesetzes. Sie zielt darauf ab, künftig eine Zwangsexmatrikulation bei Nichtzahlung des Verwaltungskostenbeitrags rechtlich abgesichert zu ermöglichen. Wir halten das für
die falsche hochschulpolitische Antwort auf den berechtigten Gebührenboykott der Thüringer Studierenden. Anstatt hier mit Drohgebärden und Sanktionen zu kommen, sollte sich die CDU besser eingestehen, dass die Verwaltungsgebühren sachlich unbegründet, für die Weiterentwicklung der Thüringer Hochschullandschaft schädlich - ich nenne hier nur das Stichwort „Einwerbung von Studierenden aus anderen Bundesländern“ - und öffentlich nicht durchsetzbar sind.
Die Konsequenzen aus dieser Tatsache können nur darin bestehen, den Verwaltungskostenbeitrag schnellstmöglich wieder abzuschaffen. Dass Sie dazu nicht bereit sind, meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie erst vor Kurzem wieder bewiesen, als Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf meiner Fraktion im Wissenschaftsausschuss abgelehnt haben. Aber nicht nur das, Sie wollen nicht allein die Studiengebühr light aufrechterhalten, sondern setzen nach wie vor auf die Einführung allgemeiner Studiengebühren. Der Kollege Schwäblein hat das ja bei der letzen Wissenschaftsausschuss-Sitzung in dankenswerter Klarheit ausgeführt. Mit diesem Punkt werden wir uns im Plenum bei anderer Gelegenheit noch beschäftigen. Dann werden die Bürger sehen, wie viel Ihre Versprechen in Sachen Studiengebühren tatsächlich wert sind, meine Damen und Herren von der CDU.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den beiden von mir benannten Kritikpunkten „Streichung der Bezugnahme auf das Hochschulrahmengesetz“ und „rechtlich abgesicherte Zwangsexmatrikulation von Teilnehmern am Gebührenboykott“ hat meine Fraktion Änderungsanträge gestellt. Sie beziehen sich auf eine Rücknahme der Novellierungsvorhaben an diesen Stellen. Sollten unsere Anträge, was zu befürchten ist, keine Berücksichtigung in diesem Haus finden, werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. Ich danke Ihnen.
Herr Kollege Schwäblein, stimmen Sie mir zu, dass die Mehrheitsfraktion dieses Hauses im letzten Wissenschaftsausschuss einen Antrag der SPD-Fraktion, die allgemeine Studiengebührenfreiheit an Staatlichen Hochschulen in der Verfassung des Freistaats Thüringen zu verankern, abgelehnt hat und dass Sie in Ihrem Beitrag gesagt haben, man weiß ja nie, was in Zukunft noch kommt? Ist das entsprechend oder ist es nicht entsprechend oder müssen wir uns dazu noch einmal das Protokoll holen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, an den deutschen Hochschulen gibt es seit dem Wintersemester 2006/2007 ein neues Spiel. Dieses Spiel heißt „Studentenroulette“. Wie funktioniert dieses Spiel? Ganz einfach, ein Abiturient bewirbt sich an zehn Hochschulen, bekommt von fünf Hochschulen eine Zusage, sucht sich natürlich die Hochschule seiner Wahl aus, beginnt dort sein Studium, so weit so gut, doch nun kommt noch die Trägheit der Masse ins Spiel, natürlich vergisst der junge Student, weil so viel zu regeln und zu klären ist, den vier anderen Hochschulen zu sagen, dass mit seinem Erscheinen nicht zu rechnen ist. Die Folge für die Hochschulen? Studienplätze, die eigentlich frei sind, können vorerst trotzdem nicht besetzt werden, später gibt es ein erstes Nachrückverfahren, vielleicht dann noch ein zweites oder ein drittes. Das geht dann so lange, bis die Studienplätze tatsächlich vergeben sind. Das kann mitunter monatelang dauern. Die Folge für die erfolgreichen Absolventen des Nachrückverfahrens? Sie bekommen ihre Zusage erst deutlich nach Semesterbeginn und verlieren durch den verspäteten Start ins Studium wertvolle Zeit.
Dass ein solcher Zustand für Hochschulen und Studierende unhaltbar ist, liegt auf der Hand. Man darf aber auch nicht vergessen, wie es überhaupt zu einem solchen Organisationschaos an den deutschen Hochschulen kommen konnte. Das hängt nun einmal mit dem Bildungs- und Hochschulföderalismus und seinen zweifelhaften Segnungen ganz eng zusammen. Wenn man auf der einen Seite den Hochschulen die Kompetenz gibt, örtliche Auswahlverfah
ren für die Besetzung der meisten ihrer Studienplätze durchzuführen, auf der anderen Seite aber keine Abstimmung zur Hochschulzulassung über Ländergrenzen hinweg stattfindet, braucht man sich nicht zu wundern, dass das dann dabei herauskommt.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist auch meine Fraktion für eine Ausweitung der Hochschulautonomie und in diesem Zusammenhang auch für ein größeres Auswahlrecht der Hochschulen bei der Besetzung der Studienplätze. Damit so etwas erfolgreich funktioniert, darf man aber auch die nötigen bundesweiten Rahmensetzungen nicht vergessen, denn der Glaube an die sogenannte Wettbewerbskraft des Föderalismus hilft uns da nicht weiter. Das bekommen Hochschulen und Studierende gerade auf sehr drastische Weise und zu beider Nachteil demonstriert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Staatsvertrag, mit dem wir uns heute zu beschäftigen haben, ist also nichts anderes als ein Versuch der Länder, eine aufgrund eigener falscher Weichenstellungen ziemlich verkorkste Situation wenigstens im Nachhinein noch zu retten. Dass dabei die von CDU und FDP seit Jahrzehnten verteufelte und von den gleichen politischen Kräften vor gar nicht allzu langer Zeit freudig für erledigt erklärte ZVS in anderer Gestalt die Auferstehung erfährt, könnten wir getrost unter Ironie der Geschichte verbuchen. Das Gleiche hätte man auch schon viel früher haben können, aber da hatte offenbar der Föderalismusrausch so mancher Landesregierung - das Kabinett Althaus ausdrücklich mit eingeschlossen - den Blick auf nüchterne hochschulpolitische Realität verstellt.
Aber sei es, wie es wolle, meine Fraktion wird dem Staatsvertrag zustimmen, weil die Weiterentwicklung der ZVS zu einer Serviceeinrichtung für Hochschulzulassung im Sinne von langwierigen Auswahlverfahren, Mehrfachbewerbungen und großem Verwaltungsaufwand gleichermaßen betroffenen Hochschulen und Studierenden ist.
Wir tun dies allerdings ohne große Begeisterung, denn es hat nun einmal einen faden Beigeschmack, dass die Hochschulen für die zentrale Koordinierung ihrer örtlichen Auswahlverfahren durch die neue Stiftung für Hochschulzulassung Gebühren zahlen müssen - Frau Kaschuba ist hier auch schon näher darauf eingegangen -, denn schließlich haben nicht die Hochschulen das jetzt eingetretene Organisationschaos zu verantworten, sondern haben es, wie schon gesagt, der mangelnden Kooperation der Länder bei der Hochschulzulassung zu verdanken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung darf sich daher an dieser Stelle nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Sie muss nach
unserer Auffassung den Thüringer Hochschulen die nötigen Mittel für eine Nutzung des Stiftungsangebots zusätzlich zur Verfügung stellen, denn derartige Zahlungen sind in den bisherigen Hochschuletats nun einmal nicht vorgesehen gewesen.
Ob Sie unserer Forderung nachkommen, Herr Minister - der nicht anwesend ist, Herr Staatssekretär, Sie werden es ihm aber sicherlich weitergeben -, werden wir in den kommenden Monaten aufmerksam beobachten. Falls hier nichts geschieht, wovon bei dieser Landesregierung einfach einmal auszugehen ist, werden wir nach der Regierungsübernahme im kommenden Jahr zugunsten unserer Hochschulen materiell nachbessern. So jedenfalls verstehe ich verantwortungsvolle Hochschulpolitik. Eine Sache erst gründlich selbst zu verbocken und dann anderen die Kosten dafür in Rechnung zu stellen, das ist mit der SPD nicht zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Situation in der Pflege ist eines der Themen, das immer wieder kontrovers und gelegentlich auch äußerst emotional diskutiert wird. Leider wird es auch immer wieder missbraucht, um kurzfristig Aufmerksamkeit zu erregen. Der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU bringt das Thema Pflege, deren jetzige und zukünftige Situation in Thüringen, erneut auf die Agenda. Dies ist zunächst zu begrüßen. Es ist immer wichtig, sich des Status quo bewusst zu sein. Doch auch wenn inzwischen drei Stunden vergangen sind, seit Sie, Frau Ministerin, Ihren Bericht gegeben haben, ändert sich an meiner Meinung nichts. Leider war der Bericht zur Pflegesituation in Thüringen, den Sie uns gegeben haben, nicht besonders erhellend und wir haben lediglich wieder zum überwiegenden Teil Altbekanntes gehört. Die Hoffnung, dass die Sommerpause intensiv genutzt wurde, um eine ausführliche Berichterstattung zu bekommen, in der wirklich auch Ausblicke auf die Zukunft gewährt werden, hat sich leider nicht erfüllt, z.B. bei der Frage nach den Investitionen im stationären Bereich - hier haben wir vor einiger Zeit bereits die Zahlen erfahren. Ebenso ist die Zahl stationärer Pflegeeinrichtungen bekannt. Entsprechende Aussagen kannten wir bereits aus diversen Kleinen Anfragen sowie der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zum Thema „Seniorinnen und Senioren in Thüringen“ aus dem letzten Jahr. Aber in der besagten Großen Anfrage ist die Beantwortung der drängenden Probleme ja auch schon sehr sicher umschifft worden. Es war also zu befürchten, dass wir bis auf eine Aktualisierung der Zahlen durch den Bericht nicht viel Neues zu den Pflegeeinrichtungen erfahren würden - und so ist es auch gewesen. Wieder einmal wurde elegant vorgetäuscht, was das Land Thüringen für umfängliche Investitionen im stationären Bereich getätigt hat, wohl wissend, dass hier Bundesmittel geflossen sind. Das Land Thüringen hingegen hat sich im Jahr 2005 aus der finanziellen Verantwortung für Investitionen zurückgezogen und somit überwiegend die Betreiber von Einrichtungen bestraft, die schon vor der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes dafür Sorge getragen haben, dass sich die Situation in der stationären Pflege in Thüringen verbessert. So viel zu Kontinuität und Verlässlichkeit der Landesregierung. Es wäre schon von Interesse gewesen, wie sich die Belegungssituation in den betroffenen Einrichtungen verändert hat und wie sich das Verhältnis von selbstzahlenden und auf Sozialhilfe angewiesenen Bewohnern verschoben hat, denn 300 bis 450 € im Monat mehr, die diese Bewohner jetzt in den Einrichtungen zahlen müssen, sind nun mal kein Pappenstiel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hätte in dem Bericht auch die Situation in der ambulanten Versorgung detailliert betrachtet werden müssen, denn besonders diese Form der Versorgung ist von den Menschen besonders gewünscht und nachgefragt. Auch die Landesregierung hat den Grundsatz „ambulant vor stationär“ immer wieder betont wie auch Sie, Frau Ministerin, in Ihrem Bericht. Aus diesem Grund wundert es nicht, dass der Fokus erneut zu stark auf dem stationären Pflegebereich lag. Die Qualität der Pflege in Thüringen lässt sich jedoch nicht an der Zahl existierender oder geplanter Pflegeeinrichtungen festmachen. Ein wenig mehr Spannung als die eben genannten Fragestellungen zum Bericht versprachen die Aussagen der Landesregierung zum Thema „Pflegestützpunkt“ im Freistaat. Obwohl es auch hier so ist, dass in der Antwort keine großen Überraschungen zu erwarten waren, die Haltung der Landesregierung hierzu war lange sehr negativ und ablehnend. Frau Ministerin, Sie haben kurz nach Ihrem Amtsantritt diese Pflegestützpunkte noch verdammt und wollten überhaupt nichts davon wissen, aber anscheinend hat auch die Landesregierung den bedarf erkannt und zeigt sich nun offener.
Einer Pressemitteilung des Sozialministeriums vom 4. September 2008 war zu entnehmen, ich zitiere Frau Lieberknecht: „Dort, wo entsprechende Bedarfe vorhanden sind, und die Verantwortlichen vor Ort die neuen rechtlichen Möglichkeiten zur Errichtung von Pflegestützpunkten nutzen wollen, werde ich diese Vorhaben selbstverständlich positiv begleiten. Eine flächendeckende Einrichtung von Pflegestützpunkten von oben wird es in Thüringen allerdings nicht geben.“ Fast wörtlich war dies auch vorhin in Ihren Ausführungen zu hören.
Wir sind jedoch der Meinung und wissen dies auch aus Gesprächen mit Betroffenen, dass ein flächendeckendes Netz notwendig und gewünscht ist.
In Jena gibt es, wie heute schon mehrfach angesprochen, seit Ende Mai dieses Jahres einen Modellstützpunkt, der gemeinsam von der Stadt und der Fachhochschule betreut wird - Sie haben dies erwähnt. Von dort wissen wir, dass bereits im ersten Monat des Bestehens dieses Modellstützpunkts rund 50 Informations- und Beratungsgespräche durchgeführt worden sind, ohne dass vorher viel Öffentlichkeitsarbeit für diese Einrichtung gemacht worden wäre. Sogar in dem Gebäude, als ich selber den Pflegestützpunkt besucht habe, war wirklich kein sehr zielführender Wegweiser zu finden und trotzdem gab es in den Sprechzeiten schon eine große
Nachfrage. Viele der Betroffenen, die das Angebot genutzt haben, sagten, dass sie bereits bei verschiedenen anderen Stellen vorher gewesen waren, eine umfassende Beratung habe es dort jedoch nicht gegeben. Auch hätten sie einige Informationen dort gar nicht erhalten können.
Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass ein hilfebedürftiger Mensch oder dessen Angehörige von Pontius zu Pilatus laufen muss, um umfassend und neutral informiert zu werden. Das ist den Menschen, die in dieser schwierigen Situation, in der sie dann ohnehin sind, einfach nicht zuzumuten und deshalb brauchen wir in Thüringen Pflegestützpunkte.
Es ist auch so, dass bereits einige Landkreise auf die Verantwortlichen in Jena zugekommen sind, um sich über die Möglichkeit zu informieren, ähnliche Einrichtungen bei sich vor Ort zu schaffen.
Meine Damen und Herren, wenn das nicht deutlich macht, dass ein Bedarf für eine solche Beratung, und zwar thüringenweit besteht, dann frage ich mich, auf welche Zeichen die Landesregierung noch warten will. Die Schaffung eines solchen Netzes muss also durch die Landesregierung unterstützt und angeregt werden. Mit ihrer zögerlichen und abwartenden Haltung in dieser Sachfrage tut die Landesregierung den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen in Thüringen keinen Gefallen.
Wie genau die zugesagte Unterstützung bei der Einrichtung der regionalen Pflegestützpunkte durch die Landesregierung konkret aussehen soll, ist mir bei Ihren Ausführungen, Frau Ministerin, nicht klar geworden. Ich habe hier nur allgemeine Platzhalter gehört, aber nichts Konkretes und Zielführendes. Aber das passt ins Bild der Plan- und Konzeptlosigkeit der Landesregierung in den Bereichen Pflege und offene Altersarbeit.
Sicherlich wissen wir, dass beim Thema Pflegestützpunkte noch viele offene Fragen bestehen, aber keine dieser Fragen ist, ob Pflegestützpunkte eingerichtet werden sollten oder nicht. Die Frage sollte eher sein, wie eine neutrale Beratung sichergestellt werden kann oder auch, wie die Finanzierung nach der Anschubfinanzierung weitergehen soll. Doch hier fehlen klare, verbindliche Aussagen, die in die Zukunft weisen.
Herr Kubitzki, Ihre Ausführungen zu Pflegestützpunkten in allen Ehren, jedoch war für mich doch so ein bisschen die Betroffenheit eines Trägers zu
spüren, der selber gern Pflegestützpunkte betreiben will. Solche Interessen sollten wir nicht einfließen lassen. Wie gesagt, das war mein persönliches Empfinden.
Dass der Beratungsbedarf aufgrund der demographischen Entwicklung weiter steigen wird, steht außer Zweifel, denn der Beratungsbedarf wird proportional zum Pflegebedarf ansteigen. Andere Bundesländer haben das erkannt und sind bei der Einrichtung der Stützpunkte bereits viel weiter. Thüringen hängt als eines der wenigen Bundesländer mal wieder hinterher. Ich hoffe also wirklich, dass die Landesregierung ihre Position zum Thema Pflegestützpunkte noch eingehender überdenkt; erste Anzeichen dafür gibt es ja. Lassen Sie uns, Frau Ministerin, gemeinsam mit den Betroffenen die offenen Fragen klären und die Position Pflegebedürftiger und deren Angehöriger verbessern.
Aber die wirklich drängenden Probleme beim Thema Pflege wurden durch den Bericht nicht angesprochen. Diese Probleme wären unter anderem: Wie kann man pflegende Angehörige unterstützen? Wie können wir leistungsfähige ambulante Hilfsstrukturen stärken? Wie stellen wir sicher, dass auch in Zukunft genügend Pflegefachkräfte in Thüringen tätig sein wollen?
An dieser Stelle spielt natürlich auch unter anderem das Thema Bezahlung der Pflegekräfte eine entscheidende Rolle. In Thüringen ist die Entlohnung mit am niedrigsten im gesamten Bundesgebiet; Herr Kubitzki hat dies schon ausführlich ausgeführt. Wir müssen uns also fragen, was hier zu tun ist, um die Abwanderung von Pflegepersonal zu verhindern. Wenn wir dies nicht schaffen, dann werden wir in absehbarer Zeit einen Mangel an qualifizierten Pflegekräften haben. Was nützen die schönsten und modernsten Pflegeeinrichtungen, die über Artikel 52 gefördert worden sind, wenn kein Personal mehr vorhanden ist, das die Bewohner pflegen kann?
Ich schließe mich natürlich ausdrücklich dem Dank der Frau Ministerin an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem durchaus schwierigen Berufsfeld an. Ich weiß, von was ich hier rede, ich habe selber einige Jahre in der Branche gearbeitet. Frau Ministerin, wenn Sie wirklich etwas für diese Leute tun wollen, dann setzen Sie sich dafür ein und machen Sie sich dafür stark, dass auch für den Bereich der in der Pflege Tätigen ein Mindestlohn eingeführt wird, denn das ist ein wirklich konstruktiver Schritt.
Auch der Bericht der Landesregierung hat, wie erwartet, diese lang vermissten Konzepte nicht aufzeigen können; ich hätte mich an dieser Stelle durch
den Bericht natürlich gern überraschen lassen, aber leider blieb die Überraschung aus. Der Bericht sollte auch Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz in der Pflege geben. An dieser Stelle muss unter anderem das Thema „Heimgesetz“ erwähnt werden. Wir hätten hier gern detailliert erfahren, wie weit Überlegungen und Anstrengungen der Landesregierung gediehen sind, doch das Wort „Heimgesetz“ war nicht einmal in Ihren Ausführungen zu hören. Es wäre wünschenswert gewesen, heute hier keinen Sofortbericht der Landesregierung zu hören, da hätten vielleicht auch die Dinge, die ich angesprochen habe, Eingang in die Ausführungen gefunden, denn das Thema hätte eine eingehende Beschäftigung verdient. Man kann den Pflegebereich nicht einfach in einem Sofortbericht abhandeln, das wird dem Thema nicht gerecht und spricht für eine gewisse Geringschätzung des Sachverhalts durch die Landesregierung, fast so, als sollte das Thema schnell abgehakt und zu den Akten gelegt werden.
Meine Damen und Herren, dies darf aber in keinem Fall geschehen, denn es gibt viele drängende Probleme, die der eingehenden Beschäftigung bedürfen. In dem Bericht ist es versäumt worden, über eine Beschreibung des Status quo hinaus auf die Fragen und Probleme im Bereich der Pflege einzugehen. Welche das unter anderem sind, habe ich bereits beschrieben.
In Thüringen sollten endlich stringente Konzepte, die mittel- und langfristig Bestand haben, erkennbar werden. Dies ist jedoch nicht so. Das verwundert nicht, da der Bericht die wirklichen Baustellen im Pflegebereich nicht aufgezeigt hat. Und, meine Damen und Herren, wenn man die Baustellen nicht kennt, wie will man dann aktiv werden? Deshalb war dieser Bericht leider weitestgehend nutzlos. Berichte dürfen jedoch nicht dem Selbstzweck dienen und einwandfreie und problemlose Pflegesituation in Thüringen vortäuschen, es drängt sich dann nämlich der Eindruck auf, dass das Thema zur Stimmungsmache genutzt wird. Damit ist niemandem geholfen. Ich danke Ihnen.
Herr Gumprecht, können Sie mir auch nur einen Absatz in meinem Beitrag sagen, wo ich schlecht über die Pflege geredet habe? Ich habe darüber geredet, dass die Pflege schlecht von der Landesregierung behandelt wird. Aber das sind zwei grundverschiedene Schuhe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den Anträgen zur Armuts- und Reichtumsberichterstattung ging es um das Erfassen der jetzigen Situation. Eine der zentralen Aussagen des Bundesberichts besteht immerhin darin, dass Altersarmut kein aktuelles Problem sei. Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat für Thüringen nochmals bestätigt, dass die Befragten ab 60 Jahren weitgehend zufrieden sind mit ihrer derzeitigen finanziellen Situation. Trotz dieser Zufriedenheit äußerten fast die Hälfte der derzeitigen Rentner und bemerkenswerte 70 Prozent der noch im Berufsleben stehenden Befragten die Befürchtung, dass zukünftig die Rente nicht mehr zum Leben ausreicht. Ich darf aus der heutigen Presse zitieren, die „Thüringer Allgemeine“ schreibt: „Die Altersarmut drängt als politisches Problem immer stärker auf die politische Bühne Europas und Deutschlands. 88 Prozent der Ostdeutschen gehen davon aus, dass die Armut in Deutschland in den nächsten zehn Jahren zunehmen wird.“ Und im „Tagesspiegel“ steht unter der Überschrift „Zum Leben zu wenig - Rentenversicherer warnen vor Altersarmut“: „Altersarmut ist noch kein drängendes Problem, kann aber bald eines werden.“ Der das sagt, ist Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Und wie er es sagt, ist es eine Warnung.
Wir können und dürfen uns als Politiker nicht darauf zurückziehen, dass die derzeitige Altersarmut noch relativ gering ist. Nein, die Gefahr steht sozusagen vor der Tür. Mit Blick auf die Armuts- und Reichtumsberichterstattung muss festgestellt werden, dass Altersarmut insbesondere in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands in kurzer absehbarer Zeit zu einem drängenden Problem werden wird. All diejenigen, die jetzt aufgrund von Arbeitslosigkeit oder geringen Löhnen oder unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigungen unterhalb eines Stundeneinkommens von 7,50 € bei einer Vollzeitbeschäftigung liegen, all diejenigen erwerben im Verlauf ihres Berufslebens einen gesetzlichen Anspruch unterhalb des Grundsicherungsniveaus. So ist in etwa die versicherungsmathematische Faustregel.
Nun erhalten in Thüringen etwa 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten Löhne unterhalb von 7,50 €. Noch dramatischer sieht es beim Bezug von Arbeitslosengeld II aus. Pro Jahr wird beim SGB-II-Bezug ein Rentenanspruch von 2,19 € pro Monat erworben. Herr Kubitzi hat die Zahl ebenfalls genannt. Nach zehn Jahren Langzeitarbeitslosigkeit entsteht also ein Rentenanspruch von 21,19 € monatlich.
Wenn aber Erwerbseinkommen von 7,50 € monatlich bestenfalls ausreichen, um eine Versicherten
rente in Höhe der Grundsicherung aufzubauen, dann wird auch daran deutlich, welche Folgen die jahrelange Niedriglohnideologie der Thüringer Landesregierung für künftige Rentner haben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wissen, dass wir von der Personengruppe in diesen Eingangsbereichen nicht erwarten können, dass sie eine private wie auch immer geartete zusätzliche Alterssicherung aufbauen kann. Wer das verlangt, der handelt zynisch.
Angesichts der demographischen Entwicklung und der Brüche in den Erwerbsbiografien vieler Menschen hier in Thüringen, angesichts des außerordentlich niedrigen Lohnniveaus entwickelt sich vor unseren Augen eine rasch ansteigende und dramatische Altersarmut. Es wird Konsequenzen haben für die Menschen und es macht ihnen zunehmend Angst. Eine Umfrage der Volkssolidarität hat gezeigt, dass bereits jetzt 55 Prozent der jungen Erwerbstätigen dieses Thema mit großer Sorge betrachten. Aber es wird auch Konsequenzen für die Kommunen haben, die für die Grundsicherung maßgeblich verantwortlich sind und es wird mit Blick auf die künftige Kaufkraft und die demographische Entwicklung erhebliche Konsequenzen für die örtliche Wirtschaft haben. Das wird bedeuten, dass viele Menschen trotz aller Anstrengungen während ihres Berufslebens nicht in der Lage sind, im Alter ein Leben in Würde zu gestalten. Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit in unseren strukturschwachen Regionen fast zur Normalität einer Erwerbsbiografie zählen. Dafür können die Menschen nichts, ganz im Gegenteil. Sie haben seit der Wende eine enorme Anpassungsbereitschaft und persönliche Flexibilität bewiesen. Privatvermögen, die zur zusätzlichen Alterssicherung dienen könnten, sind wenig vorhanden und konnten bisher auch in den seltensten Fällen aufgebaut werden. Gleichzeitig aber sind die Einkommensmöglichkeiten vergleichsweise schlecht. Das trifft unverändert besonders für Thüringen zu.
Aus all den Gründen, meine Damen und Herren, müssen wir jetzt wissen, welche Entwicklungen sich konkret für Thüringen abzeichnen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, um Gegenstrategien zu entwickeln. Dabei ist es nicht damit getan, wie im Fall des nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten und selbsternannten Arbeiterführers, plakative Forderungen aufzustellen, ohne diese durch konkrete politische Handlungen zu untermauern. Wer Mindestrenten einfordert und Mindestlöhne verweigert, der ist unglaubwürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir wollen mit dem Antrag Datengrundlage für die künftige Entwicklung bekommen und wir wollen wissen, welche Initiativen die Landesregierung bereits ergriffen bzw. welche konzeptionellen Vorstellungen sie hat. Auch wenn ich nach den Ausführungen des Herrn Worm wenig Hoffnung habe, dass Sie dem Punkt 2 unseres Antrags zustimmen werden, darf ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag bitten, würde mich allerdings nicht wundern, wenn Sie diese Zustimmung verweigern. Denn wenn wir von der Landesregierung einmal konkrete Fakten und Maßnahmen fordern, die nicht angenehm sind und in denen man sich sonnen und abfeiern kann, wird sie meistens von Ihrer Mehrheitsfraktion in diesem Hause verhindert. Ich danke Ihnen.
Frau Ministerin, würden Sie mir recht geben, dass wir nach einem Konzept und nach Tätigkeiten der Landesregierung gefragt haben und nicht nach Traumschlössern und Wahlversprechungen?
Initiativen der Landesregierung zur Anhebung des Rentenniveaus Ost auf das Rentenniveau West
Einem Bericht der „Thüringer Allgemeinen“ vom 10. Juni ist zu entnehmen, dass Sozialministerin Christine Lieberknecht die Erhöhung der Ost-Renten auf West-Niveau fordert.
Ich frage die Landsregierung:
1. Welche konkreten Maßnahmen zur Anhebung des Rentenniveaus Ost sind von der Landesregierung geplant?
2. Welche gemeinsamen Initiativen mit anderen Bundesländern sind dabei geplant?
3. Welche finanziellen Auswirkungen würde eine Anhebung des Rentenniveaus Ost für die derzeitige Rentner- und Rentenbeitragszahlergeneration haben?
4. Welche finanziellen Auswirkungen würde eine Anhebung des Rentenniveaus Ost für zukünftige Rentner- und Rentenbeitragszahlergenerationen haben?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Herr Minister, es war schon eine etwas merkwürdige Form des Einbringens eines Gesetzes der Landesregierung,
aber zu den Inhalten später dann noch ein paar Bemerkungen. Lassen Sie mich zunächst ein paar Gedanken zu unserem eigenen Gesetzentwurf sagen. Im Herbst und Winter 2006 haben wir uns in diesem Hause monatelang mit der Novellierung der Hochschulgesetzgebung befasst. Eine der am heftigsten umstrittenen Neuregelungen sowohl parlamentarisch als auch öffentlich war seinerzeit die Einführung des Verwaltungskostenbeitrages. Die Landesregierung, allen voran Kultusminister Goebel, hatte damals argumentiert, mit der Erhebung dieser Gebühren soll ein wie auch immer gearteter zusätzlicher Verwaltungsaufwand an den Hochschulen abgedeckt werden. Worin dieser zusätzliche Verwaltungsaufwand bestand, konnte man damals nicht erklären, konnte man bis heute nicht erklären, ist nach wie vor im Raume stehend. Daher bin ich aber auch dem Kollegen Schwäblein nach wie vor dankbar, dass er in der damaligen Diskussion offen benannte, worum es der CDU zum damaligen Zeitpunkt mit der Erhebung der Verwaltungsgebühren eigentlich gegangen war. Herr Schwäblein wandte sich ja hier im Plenum vehement gegen den Verwaltungskostenbeitrag, aber nicht etwa, weil er den Weg für allgemeine Studiengebühren bereite, sondern weil er auf diesem Wege nicht weit genug voranschreite. Wäre es seinerzeit nach Herrn Schwäblein gegangen, so hätten die Studierenden sofort allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 € pro Semester zahlen müssen. Damit ist für alle klar geworden zum damaligen Zeitpunkt: Die neue Verwaltungsgebühr ist nichts anderes als eine Studiengebühr light - ein bloßes Einfallstor in Richtung Erhebung allgemeiner Studiengebühren. Aber seitdem haben sich die Zeiten glücklicherweise geändert und die Landesregierung ist zu der späten, aber doch zu der Einsicht gelangt, dass die Einführung allgemeiner Studiengebühren kontraproduktiv für den Hochschulstandort Thüringen ist. Dass diese Erkenntnis nichts damit zu tun hat, dass die Studiengebühren schlichtweg unsozial sind, sondern bloßen Nützlichkeitserwägungen geschuldet sind - Stichwort Hochschulpakt 2020 -, sei dahingestellt. Ministerpräsident und Kultusminister haben jedenfalls wiederholt öffentlich erklärt, dass es im Freistaat auch künftig keine Studiengebühren geben wird. Das kann man natürlich nur begrüßen und ich hoffe, dass diese Aussage auch über das Jahr 2009 hinaus Bestand hat. Aber man muss auch klar sagen, dass damit die von uns ja schon im Winter 2006 bezweifelte Notwendig
keit, einen Verwaltungskostenbeitrag zu erheben, selbst aus Sicht der CDU nicht mehr gegeben sein kann. Hier, Herr Minister, widerspreche ich Ihnen vehement. Wenn das so ist, dann muss man aber auch so konsequent sein und den ersten Schritt in Richtung allgemeine Studiengebühren wieder rückgängig machen. Dann muss man diese unsägliche Verwaltungsgebühr schleunigst abschaffen. Genau darauf zielt unser Gesetzentwurf ab.
Ich bin jetzt schon gespannt, wie sich die Mehrheitsfraktion zu unserer Vorlage positionieren wird. Ihre Ausführungen haben mich allerdings sehr pessimistisch gestimmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einen zweiten Punkt nennen, der aus Sicht meiner Fraktion gegen die weitere Erhebung des Verwaltungskostenbeitrags spricht. Dessen Einführung hat an den Hochschulen bekanntlich für beträchtliche Unruhe gesorgt. Davon zeugen die zwei großen Studentendemos, die hier vor dem Landtag Ende 2006 stattgefunden haben. Davon zeugt der Gebührenboykott im vergangenen Jahr und davon zeugt auch das vor dem Verwaltungsgericht Weimar geführte Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation bei Nichtzahlung des Verwaltungskostenbeitrags. Am 29.05.2008 hat das Verwaltungsgericht eine derartige Exmatrikulation für unrechtmäßig erklärt. Seitdem wird in der Thüringer Studentenschaft über einen erneuten Gebührenboykott diskutiert und dazu aufgerufen. An einigen Hochschulen ist er sogar bereits angelaufen. Wer sich noch an den letzten Boykott erinnert und noch im Gedächtnis hat, wie angespannt damals die Situation an den Hochschulen war, mit welch harten Bandagen und juristisch fragwürdigen Argumentationen das Kultusministerium seinerzeit gegen die Studierenden vorgegangen ist und welche Reaktionen das mitunter hervorgerufen hat, der weiß, dass eine rasche Streichung des Verwaltungskostenbeitrags die richtige Antwort ist, um den Rechtsfrieden an den Hochschulen endlich wiederherzustellen. Wie die Studierenden über den Verwaltungskostenbeitrag denken, zeigt das Ergebnis einer Unterschriftensammlung der Juso-Hochschulgruppe an der FSU Jena und an der Uni Erfurt, die gestern und vorgestern in zwei Tagen 1.200 Unterschriften für die Abschaffung des Verwaltungskostenbeitrags gesammelt haben. Dies signalisiert unserer Fraktion deutlich die Unterstützung der Studenten für unseren Gesetzentwurf. Herr Minister, ich freue mich, Ihnen im Anschluss an meine Rede diese Unterschriften übergeben zu können. Ich hoffe, sie bewirken bei Ihnen das erforderliche Umdenken, aber wie schon mehrfach gesagt, nach Ihren Ausführungen habe ich hier wohl jede Hoffnung verloren.
Das, was sich die Landesregierung und die CDUFraktion geleistet haben und worauf ich später noch einmal kurz eingehe, nämlich einfach § 69 des Hochschulgesetzes dergestalt abzuändern, dass künftig eine Zwangsexmatrikulation bei Nichtzahlung des Verwaltungskostenbeitrags rechtlich abgesichert möglich wird, halte ich dagegen für ein Armutszeugnis. Anstatt sich inhaltlich mit den Gründen des Gebührenboykotts auseinanderzusetzen, anstatt eine eigene Fehlentscheidung einzugestehen, ist Ihr einziges Bestreben, meine Damen und Herren von der CDU, den aufkommenden Protest brutalstmöglich und bereits im Keim zu ersticken. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihr Demokratieverständnis und Ihre Fähigkeit, sich berechtigter Kritik zu stellen. Doch dazu später noch mal mehr.
Dass die Novellierung des § 69 von der CDU-Fraktion dann auch noch im Zusammenhang mit einer ganz anderen Gesetzesmaterie, der Verabschiedung des Bibliotheksgesetzes, und damit quasi in der Grauzone der Landtagsgeschäftsordnung betrieben wurde, ist für mich der Gipfel der Unverfrorenheit. Ich kann an dieser Stelle nur sagen, meine Damen und Herren von der Unionsfraktion, Sie hätten sich damit einen Bärendienst erwiesen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum letzten Punkt meiner Argumentation gegen die Weiterexistenz der Verwaltungsgebühr. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulgebühren- und -entgeltgesetzes sieht vor, dass der Verwaltungskostenbeitrag von den Hochschulen für die Verwaltungsleistungen erhoben wird, die sie für die Studierenden außerhalb der fachlichen Betreuung erbringen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 zählen zu diesen Verwaltungsleistungen insbesondere Leistungen im Zusammenhang mit der Immatrikulation, Beurlaubung, Rückmeldung, Exmatrikulation, Hochschulzulassung, Leistungen bei der allgemeinen Studienberatung, Leistungen der Auslandsämter sowie Leistungen bei der Vermittlung von Praktika, der Förderung des Übergangs in das Berufsleben. Soweit die klaren Gesetzesbestimmungen. Was aber passiert an den Hochschulen tatsächlich mit den Einnahmen? Antwort darauf geben uns die Ausführungen des Kultusministeriums zur Kleinen Anfrage 4/2330. Nach Angabe des Ministeriums nutzt etwa die TU Ilmenau die Einnahmen grundsätzlich zur Finanzierung aller der Hochschule obliegenden Aufgaben, während die Bauhaus-Universität Weimar als Mittelverwendung unter anderem Unterstützung einer studentischen Galerieinitiative angibt, die Fachhochschule Erfurt beispielsweise Kinderbetreuung von Studierenden
sowie die Förderung des Hochschulsportvereins benennt und die Mittel an der Fachhochschule Nordhausen unmittelbar Lehre und Forschung zugute kommen. Damit ich nicht falsch verstanden werde, das alles sind unbestritten wichtige Vorhaben der Hochschulen, aber es ist für mich äußerst zweifelhaft, ob es sich dabei tatsächlich um Verwaltungsleistungen im Sinne der von mir vorhin zitierten Gesetzesbestimmungen handelt. Herr Minister, darüber sollten Sie einfach einmal in Ruhe nachdenken, anstatt uns hier dazu aufzufordern, unseren Antrag zurückzuziehen. Aber die Arroganz in Ihren Ausführungen hat eine neue bedauerliche Qualität in diesem Hause erreicht.
Er lässt mich an Ihrer Fähigkeit zweifeln, über andere Gedanken nachdenken zu können. Ich hoffe nur, dass Frau Kaschuba nicht recht behält, dass die Mutation von Veranstaltung zu Veranstaltung steigt, weil ich ansonsten befürchte, dass Sie spätestens zum Weihnachtsplenum hier hereingeschwebt kommen, weil Sie jegliche Bodenhaftung verloren haben, Herr Minister.
Aber wieder zurück zum Inhalt. Man bekommt den Eindruck, dass die Hochschulen die eingenommenen Gebühren zur Stopfung aller möglichen Haushaltslöcher nutzen, die ihnen die jahrelange Unterfinanzierung durch das Land gerissen hat. Ich verstehe ja, dass den Hochschulen offenbar kein anderer Ausweg aus der von der Landesregierung verschuldeten Finanzmisere möglich ist. Rechtlich ist die Situation jedoch ziemlich brisant. Ich kann mir gut vorstellen, was passiert, wenn ein von der Erhebung der Verwaltungsgebühr betroffener Student unter Hinweis auf deren doch recht zweifelhaften realer Verwendung den Klageweg einschlägt. Bei dem inzwischen ja schon des Öfteren unter Beweis gestellten übergroßen juristischen Sachverstands des Kultusministeriums wird es wohl dann die nächste Gerichtspleite für die Landesregierung geben.
Mit etwas Glück werden die Richter sogar die Belastungen der Studierenden mit dem Verwaltungskostenbeitrag generell infrage stellen, so dass auf das Land anschließend die nächste Rückzahlungswelle zurollen wird. All das können Sie dem Land, sich selbst und uns allen hier ersparen, meine Damen und Herren von der CDU. Unser Gesetzentwurf zeigt Ihnen einen gangbaren Weg dafür auf. Er sieht zum einen die Streichung des Verwaltungskostenbeitrags vor, zum anderen sollen jene Studenten, die bereits die Verwaltungsgebühr für das
kommende Wintersemester bezahlt haben, die Rückerstattung bekommen. Beides bringt natürlich Kosten für das Land mit sich, das ist klar. Durch die von uns angestrebte Gesetzesänderung ergäben sich Mindereinnahmen bei den Hochschulen sowie für den Landeshaushalt im Umfang von jeweils rund 2,5 Mio. € jährlich. In den Haushaltsjahren 2008/2009 können den Hochschulen die weggefallenen Einnahmen aus der Erhebung des Verwaltungskostenbeitrags vom Land im Haushaltsvollzug jedoch ohne Weiteres zur Verfügung gestellt werden. Dass im Landeshaushalt noch genügend finanzieller Spielraum vorhanden ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass die Landesregierung die Ausfinanzierung der durch den Wechsel zur Vollzeitverbeamtung notwendig werdenden 1.000 zusätzlichen Lehrerstellen ebenfalls im Haushaltsvollzug realisieren will, und hierbei fallen nach Angaben des Kultusministeriums jährlich Zusatzkosten von über 10 Mio. € an. Wer solch eine Summe locker aus einem angeblich bereits wie eine Zitrone ausgequetschten Landeshaushalt herausholen kann, dem wird es auch gelingen, ohne größere Mühen den Wegfall des Verwaltungskostenbeitrags zu kompensieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, dass die Einführung des Verwaltungskostenbeitrags ein schwerwiegender politischer Fehler war. Dafür gilt es die Konsequenz zu ziehen und die kann nur heißen: schnellstmögliche Streichung der neuen Gebühren. In diesem Sinne bitte ich Sie um eine ernsthafte Beratung unseres Gesetzentwurfs und um dessen Überweisung an den Wissenschaftsausschuss, damit wir dort in die Detaildiskussion eintreten können.
Damit komme ich zu den beiden Gesetzentwürfen der LINKEN. Zunächst zum TOP 13 a, dem verfassungsändernden Gesetzentwurf. Als ich dieses Papier in die Hände bekommen habe, ist mir spontan Erich Honeckers trotzige Fehlprognose „Totgeglaubte leben länger“ eingefallen. Vor etwas mehr als drei Jahren hat die damalige PDS nämlich bereits eine ganz ähnliche Verfassungsinitiative gestartet und damit hier im Plenum ziemlichen Schiffbruch erlitten. Das hat seinerzeit aus Sicht meiner Fraktion nichts etwa mit der völlig richtigen Intention der Vorlage, nämlich ein Verfassungsverbot für die Einführung allgemeiner Studiengebühren festzuschreiben, zu tun gehabt, sondern mit dem von der PDS gewählten Gesetzestext. Er enthielt derart unpräzise Formulierungen, dass mit seiner Realisierung weit über das eigentliche Ziel hinausgeschossen worden wäre. Die neue Initiative heilt jedoch die Schwächen der früheren Vorlagen nur scheinbar. Artikel 28 Abs. 1 der Landesverfassung soll nun um folgenden Satz 3 ergänzt werden: „Der freie, gleiche und unentgeltliche Zugang zu allen Bildungs- und Informationsangeboten und Einrichtungen der Hochschule wird
gewährleistet.“ Das klingt natürlich erst einmal gut, auch wenn mir nicht so recht klar ist, was sich konkret hinter den Bildungs- und Informationseinrichtungen der Hochschule verbirgt. Das kann nämlich so gut wie alles sein, bis hin zum jeweiligen Hochschulrechenzentrum. Aber das nur nebenbei. Mir geht es vornehmlich darum, aufzuzeigen, dass auch bei den neuen Formulierungen der Teufel im Detail steckt. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist die Rede von einem freien, gleichen und unentgeltlichen Zugang zu allen Bildungs- und Informationsangeboten der Hochschulen. Ich nehme an, dass damit insbesondere die von den Hochschulen angebotenen Studiengänge gemeint sind. Dazu kann ich nur feststellen, dass es einen derartigen freien und gleichen Zugang zu den Hochschulstudiengängen in Deutschland nicht gibt und es ihn auch gar nicht geben kann. Ein solches Postulat steht nämlich eindeutig im Widerspruch zu der Tatsache, dass ein Studium an staatlichen Hochschulen nur dann aufgenommen werden kann, wenn auch der Nachweis der dafür erforderlichen Qualifikation erbracht wird, also eine Hochschulzugangsberechtigung vorliegt. Nun kann man sich sicherlich dafür einsetzen, den Zugang zum Studium stärker als bisher von der Formalqualifikation Abitur zu lösen und auch andere beruflich erworbene Mindestqualifikationen als gleichwertige Studienvoraussetzung anzuerkennen. Bundesarbeitsminister Scholz hat dafür ja in den vergangen Tagen ganz vernünftige Vorschläge auf den Tisch gelegt. Aber wollen Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, ernsthaft die Hochschulzugangsberechtigung gänzlich unter den Tisch fallen lassen? Für mich ist das nichts anderes, als das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Darüber hinaus hebelt ein derartig freier und gleicher Zugang sämtliche Zulassungsbeschränkungen für einzelne Studiengänge bzw. Studienfachkombinationen aus. Er macht zudem Eignungsfeststellungsverfahren der einzelnen Hochschulen, wie sie § 62 des Thüringer Hochschulgesetzes vorsieht, unmöglich. Wollen wir das wirklich? Für meine Fraktion kann ich darauf mit einem klaren Nein antworten. Bis zur Einreichung des heute behandelten Gesetzentwurfs bin ich zudem davon ausgegangen, dass DIE LINKE eine ähnliche Position einnimmt, denn schließlich hat sie im September vergangenen Jahres dem Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen, bei dem es um das Vergabeverfahren bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen geht, ohne jede Einschränkung zugestimmt. Aber ich bin sicher, dass sich dieser Widerspruch in Zukunft doch noch aufklären wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich zum nächsten Punkt. Ebenso kontraproduktiv
wäre die Festschreibung eines gänzlich unentgeltlichen Zugangs zu allen Bildungs- und Informationsangeboten und Einrichtungen der Hochschule. So etwas hätte nämlich nicht nur zur Folge, dass keine allgemeinen Studiengebühren eingeführt und keine Verwaltungskosten sowie Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden dürfen. Über diese Forderung können wir uns gerne unterhalten, da sind wir nicht weit auseinander. Unentgeltlicher Zugang bedeutet aber auch, dass die Hochschulen künftig auf jegliche Immatrikulations-, Verwaltungs-, Weiterbildungs-, Gasthör-, Sprachprüfungs-, Verfahrens- und Säumnisgebühren sowie in ihren Hochschulbibliotheken auf Leihgebühren verzichten müssten. Dann dürfte beispielsweise in den Hochschulbibliotheken fortan keine Fernleihgebühr mehr erhoben werden. Und was passiert dann? Steigt Thüringen dann aus dem deutschen Fernleihverbund aus? Bekommen Thüringer Studenten dann keine Bücher mehr aus Hochschulbibliotheken jenseits der Landesgrenze? Über solche Konsequenzen muss man sich im Klaren sein, wenn man mit derart schwammigen Formulierungen operiert, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN.
Die Verfassungsinitiative schießt aber nicht allein weit über das Ziel hinaus, sie steht auch im Widerspruch zu dem von den LINKEN vorgelegten zweiten Gesetzentwurf. Dieser sieht eine Änderung von § 16 des Thüringer Hochschulgesetzes vor. Demnach soll künftig die Benutzung von Einrichtungen der Hochschule mit Bezug zu den Informations- und Bildungsangeboten, insbesondere der Hochschulbibliotheken, entgeltfrei sein. Zudem soll das gesamte Hochschulgebühren- und -entgeltgesetz, in welchem die Erhebung des Verwaltungskostenbeitrags und von Langzeitstudiengebühren festgeschrieben ist, aufgehoben werden. Gleichzeitig wird im Gesetzentwurf der LINKEN aber auch festgelegt, dass die Hochschulen für sonstige öffentliche Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Studienbetrieb erbracht werden, weiterhin Gebühren und Auslagen erheben können. Mit dem in der angestrebten Verfassungsänderung postulierten generellen unentgeltlichen Zugang zu allen Bildungs- und Informationsangeboten und Einrichtungen der Hochschule hat das jedoch nicht mehr viel zu tun, denn die Erhebung von Immatrikulations-, Verwaltungsverfahren- und Säumnisgebühren würde bei einer Realisierung des zweiten Gesetzentwurfs auch in Zukunft möglich sein. Wie soll man das nun wieder verstehen, als Bekenntnis zu einer realistischeren Sicht der Dinge, oder ist der Widerspruch den Verfassern gar nicht erst aufgefallen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, um es auf den Punkt zu bringen, meine Fraktion sieht er
heblichen Diskussions- und Änderungsbedarf bei den beiden Initiativen der LINKEN. Gut gemeint ist eben nicht automatisch deshalb gut gemacht, daher beantrage ich seitens der SPD die Überweisung auch dieser Vorlagen an den Wissenschaftsausschuss.
Nun noch einige Worte zum Gesetzentwurf des Kultusministeriums: Aus meiner bisherigen Zeit hier im Landtag bin ich ja schon einiges an Initiativen der Landesregierung gewöhnt. Das Sammelsurium, das uns dieses Mal aber vom Kultusministerium als Gesetzentwurf vorgelegt worden ist, schlägt mühelos manch andere Absonderlichkeit der Ministerialbürokratie. Grob gesagt zerfällt der Entwurf in drei Teile, einer davon ist durchaus vernünftig, der zweite aber unnötig und der dritte schlichtweg indiskutabel. Aus diesem Grund werde ich auch nicht allzu viele Worte zu dieser Novellierung verlieren, denn eigentlich gehört ein solches Stückwerk nicht in das Parlament.
Lassen Sie mich zunächst mit dem Positiven, dem ersten Teil der Vorlage, beginnen. Meine Fraktion unterstützt die im Gesetzentwurf beabsichtigte Vereinheitlichung des Thüringer Hochschulzulassungsrechts, das derzeit über verschiedene Gesetze und Verordnungen verstreut festgeschrieben ist. Wir erkennen ebenfalls an, dass es die durch den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 eingeräumte Kompetenz, Kapazitätsermittlungs- und Festsetzungsverfahren in örtlich zulassungsbeschränkten Studiengängen künftig eigenständig zu regeln, landesgesetzlich zu nutzen gilt. Hier muss es verständlicherweise zu Rechtsetzungen kommen. Auch wenn man über das eine oder andere Detail der von der Landesregierung geplanten Bestimmungen sicherlich noch diskutieren kann, ist unbestritten Regelungsbedarf vorhanden. An anderer Stelle des Gesetzentwurfs können wir das hingegen nicht erkennen. Dort ist vorgesehen, aus verschiedenen Bestimmungen des Thüringer Hochschulgesetzes die Bezugnahme auf das Hochschulrahmengesetz des Bundes zu streichen. Begründet wird dies mit dem zum 1. Oktober 2008 geplanten Außerkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes. Der von der Bundesregierung erarbeitete Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes ist jedoch vom Bundestag überhaupt nicht verabschiedet worden. Er liegt derzeit zur weiteren Beratung in den zuständigen Bundestagsausschüssen; einen Termin für die zweite und dritte Lesung im Plenum gibt es nicht. Wir haben uns diesbezüglich eigens beim Bundestag rückversichert und, Herr Minister, ich bin etwas verwundert, Sie haben bis vor Kurzem selbst noch im Bundestag im zuständigen Ausschuss gesessen, eigentlich müsste Ihnen das bekannt sein, dass es zum 01.10. kein Inkrafttreten dieses Gesetzes geben wird und es darf bezweifelt werden, ob überhaupt in der jetzigen Legislaturpe
riode des Bundestages dieses Gesetz noch verabschiedet wird. Solange dies aber nicht erfolgt ist, ist das Hochschulrahmengesetz weiterhin in Kraft, es bedarf also vorerst auch nicht der genannten Streichungen im Thüringer Hochschulgesetz. Was soll also das Novellierungsvorhaben der Landesregierung an dieser Stelle? Lassen Sie uns darüber reden, wenn es an der Zeit ist.
Dass Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, das Hochschulrahmengesetz nicht schmeckt und auch noch nie geschmeckt hat, ist ja kein Geheimnis, solange solch ein Bundesgesetz aber besteht, ist auch Thüringen juristisch an dessen Norm gebunden. Da können Sie nicht einfach die notwendigen Bezugnahmen auf das Hochschulrahmengesetz aus dem Landesrecht streichen, Herr Müller. An dieser Stelle besteht derzeit also überhaupt kein Regelungsbedarf und ich verstehe beim besten Willen nicht, was das Kultusministerium hier vom Landtag will.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man diesen Teil des Gesetzentwurfs noch als handwerkliche Schlamperei verbuchen, ist dessen letzter Schwerpunkt eine pure hochschulpolitische Provokation. Ich meine natürlich die angestrebte Änderung des § 69 des Thüringer Hochschulgesetzes. Ebenso wie die CDU-Fraktion, die ja schon Rechtswidriges im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Bibliotheksgesetzes vorhatte, soll mit der Ergänzung des § 69 künftig eine Zwangsexmatrikulation bei Nichtzahlung des Verwaltungskostenbeitrags rechtlich abgesichert möglich werden. Das ist offenbar das Einzige, was Ihnen zum Gebührenboykott der Studierenden einfällt, meine Damen und Herren von der CDU; Einschüchterungsversuche, Drohungen und diktatorische Weisungen, das ist die Sprache des Kultusministeriums, wenn es darum geht, dass Thüringer Studenten ihre Interessen vertreten und sich gegen weitere finanzielle Hürden an Hochschulen wenden.
Staatssekretär Bauer-Wabnegg hat uns dazu im vergangenen Jahr mit seinen Ausführungen bei einer Aktuellen Stunde ein beredtes Beispiel geliefert. Die geplante Änderung des § 69 zeigt, dass die Union seitdem nichts dazugelernt hat. Sie ist nach wie vor nicht bereit, sich inhaltlich mit den Gründen des Gebührenboykotts auseinanderzusetzen, sie ist noch immer nicht willens, sich eine eigene Fehlentscheidung, nämlich die Einführung des Verwaltungskostenbeitrags, einzugestehen und hier endlich zu einer Korrektur zu kommen. Stattdessen wird erneut eine Drohkulisse gegen die Studierenden aufgebaut, es wird erneut die Kommunikation mit den Betroffenen verweigert, es wird erneut die Stimmung an
den Hochschulen schöngeredet und die Erde zur Scheibe erklärt. Wir halten eine derartige Diskussionsverweigerung für den falschen Weg und haben daher einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Verwaltungsgebühr in den Landtag eingebracht. Vielleicht geschieht ja das Wunder und die Eingebung von oben - sei es nun göttlicher Natur oder schlicht aus der Staatskanzlei kommend - sorgt für ein Einlenken der CDU, bei der unsere Novelle doch noch Zustimmung finden wird. Das wäre der richtige Weg, mit den berechtigten Anliegen der Studierenden umzugehen.
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: In seiner jetzigen Form ist der vorliegende Gesetzentwurf für meine Fraktion inakzeptabel. Er schafft teilweise Regelungen, wo überhaupt kein Regelungsbedarf besteht, und er gibt die falsche Antwort auf den Gebührenboykott. Daher wäre es am besten, die Novelle in Ihrem ministeriellen Papierkorb zu versenken, Herr Müller. Diesen Gefallen wird uns die Landesregierung aber vermutlich nicht tun und so steht dem Wissenschaftsausschuss einiges an Reparaturarbeit bevor. Ich danke Ihnen und darf Ihnen noch die Unterschriften geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Föderalismusreform von 2006 hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens verloren. Die SPD-Fraktion wollte das seinerzeit nicht. Ich erinnere hier nur an unseren Antrag „Verbesserungen bei der geplanten Föderalismusreform“ vom März 2006, der die Nachteile und Negativkonsequenzen eines Rückzugs des Bundes aus der Rahmengesetzgebung thematisierte. Diese Initiative hätte der Landesregierung Gelegenheit geboten, über den Bundesrat Korrekturen am Reformvorhaben anzustoßen. Leider ist sie damals von der CDUMehrheit abgelehnt worden. Ich finde es daher gut, dass das Thema heute erneut auf der Agenda des Landtags steht.
Natürlich könnte man sagen, dass das, was gerade in Berlin debattiert wird, nämlich die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, als Konsequenz aus der von Bund und Ländern nun einmal so beschlossenen Föderalismusreform zu betrachten und damit auch hinzunehmen ist. So einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Mit der Hochschulrahmengesetzannullierung werden nämlich auch die bisherigen bundesgesetzlichen Bestimmungen zu den Bereichen Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse nichtig. Zwar hat der Bund auch nach Wegfall des Hochschulrahmengesetzes gemäß Artikel 74 Grundgesetz die Kompetenz, Regelungen für diese Komplexe zu erlassen, das zuständige Ministerium der Frau Schavan lässt jedoch keinerlei Bereitschaft erkennen, die den Bund nach Grundgesetz zuwachsende Gesetzgebungsbefugnis auch tatsächlich zu nutzen. Der Kultusminister hat uns jedenfalls erst vor Kurzem im Wissenschaftsausschuss bestätigt, dass das Bundesbildungsministerium derzeit nicht daran denkt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der auch für die Zukunft bundeseinheitliche Regelungen zu den Bereichen Hochschulzulassungen und Hochschulab
schlüsse sicherstellt. Offenbar will Frau Schavan wieder einmal die Dinge einfach treiben lassen, um dann nach einem Jahr festzustellen, dass die Bundesländer aufgrund der Föderalismusreform hochschulpolitisch und hochschulrechtlich immer weiter auseinanderdriften. Im Bildungsbereich ist sie ja schon zu einem solchen Erkenntnisgewinn gelangt, allerdings etwas zu spät. Eine derartige Entwicklung dürfen wir nicht zulassen. Wir brauchen auch weiterhin bundeseinheitliche Regelungen im Hochschulbereich und die heute thematisierten Punkte Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse zeigen das in aller Deutlichkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das näher erläutern. Das Hochschulrahmengesetz sorgt dafür, dass in allen Ländern einheitliche Bedingungen im Hinblick auf die Zugangsvoraussetzungen für ein Hochschulstudium oder die Anerkennung von einem in anderen Bundesländern erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen herrschen. Es macht einheitliche Vorgaben zu den von den Hochschulen zu verleihenden Abschlüssen und zu den Studienzielen der einzelnen Abschlüsse. Es benennt nicht zuletzt Eckwerte für die jeweils zu absolvierenden Studienzeiten. Was passiert, wenn dieser vom Bund gesetzte Rahmen demnächst ersatzlos wegfällt? Ich sage es Ihnen einmal ganz drastisch, es würde in kurzer Zeit zu einem kaum noch überschaubaren Wirrwarr unterschiedlichster hochschulgesetzlicher Regelungen der einzelnen Länder kommen. Jedes Land würde nach eigenem Gusto definieren, unter welchen Voraussetzungen an seinen Hochschulen ein Studium aufgenommen werden kann und wann nicht. Das gleiche Studium könnte in dem einen Land mit einem Master honoriert werden, in dem anderen aber nur einen Bachelor wert sein. Es ist überhaupt nicht mehr sichergestellt, dass ich mit dem Bachelorgrad meines Heimatlandes auch ohne Weiteres einen Masterstudiengang im Nachbarland belegen kann.
Kurz und gut, wir hätten in Deutschland dann eine hochschulpolitische und hochschulrechtliche Kleinstaaterei par excellence. Die Bundesrepublik als Ganzes könnte sich zwar freuen, dem einheitlichen europäischen Hochschulraum anzugehören, würde aber die Mobilität von Studierenden über die Ländergrenzen im Inneren deutlich erschweren. Das kann nicht das Ziel verantwortlicher Hochschulpolitik in Zeiten der Globalisierung sein. Natürlich würde so ein Durcheinander landesrechtlicher Regelungen noch weitere schwerwiegende Folgen mit sich bringen.
Ich nenne hier nur einmal die Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst. Wenn die Länder die Bestimmungen über die Hochschulabschlüsse in Zukunft völlig autonom treffen können, gewinnen sie einen beträchtlichen Spielraum für die Eingruppierung
von Hochschulabsolventen in den Landesdienst. Ein gutes Beispiel dafür, wie mit diesem Spielraum verantwortungslos umgegangen werden kann, haben wir bei der Verabschiedung des Lehrerbildungsgesetzes in diesem Hause erlebt. Da muss ein Grundschullehrer nämlich plötzlich nur noch einen Bachelorgrad vorweisen, weil das Land gern Geld an der Bildung sparen möchte und ein Bachelorabsolvent im Landesdienst nun einmal deutlich niedriger eingruppiert und schlechter bezahlt werden kann als jemand mit einem vollwertigen Masterabschluss. Fachliche Einwände im Hinblick auf das Ausbildungsniveau eines solchen, ich nenne es einmal Grundschullehrer light, spielen dann für die handelnde Landesregierung keine Rolle mehr. Das ist die qualitative Abwärtsspirale, die sich beim ersatzlosen Wegfall des Hochschulrahmengesetzes über kurz oder lang für den öffentlichen Dienst aller Länder auftun würde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion will solch eine Entwicklung nicht. Wir sind gegen einen Wettbewerbsföderalismus, der sich nur allzu oft als von jeder nationalen Verantwortung losgelöste Kleinstaaterei entpuppt. Wir wollen einen bundesweiten Raum für das Hochschulstudium. Wir wollen die Mobilität der Studierenden über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg erhalten und wir wollen möglichst einheitliche Studienbedingungen in ganz Deutschland. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Sinne des von der LINKEN eingebrachten Antrags für die Fortexistenz bundesgesetzlicher Regelungen zu dem komplexen Hochschulzugang und den Hochschulabschlüssen einzusetzen. Die Bundesministerin Schavan ist offensichtlich nicht in der Lage, hier steuernd einzugreifen, also muss Thüringen, allein schon im Interesse der eigenen Studierenden, hier endlich im Bundesrat aktiv werden. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags in der Plenarsitzung vom 20. Oktober 2006 sind die Anträge der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD in Drucksache 4/2356 „Erhalt des Theaters Nordhausen/Sondershausen“, Drucksache 4/2357 „Erhalt des Theaters Rudolstadt/Saalfeld“, Drucksache 4/2358 „Erhalt des Landestheaters Eisenach“ sowie Drucksache 4/2359 „Erhalt der Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl“ federführend an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien überwiesen worden.
Der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien hat sich in seinen Sitzungen am 30. November 2006, 22. Februar 2007, 22. März 2007, 26. April 2007, 31. Mai 2007, 5. Juli 2007, 13. September 2007, 4. Oktober 2007, 8. November 2007, 6. Dezember 2007 sowie am 17. Januar 2008 intensiv mit diesen Anträgen beschäftigt und vom Ministerium über die aktuelle Situation berichten lassen. In seiner 30. Sitzung am 17. Januar 2008 beschloss der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien mehrheitlich die Ablehnung der oben genannten Anträge. Daher erfolgte auch keine Beratung im mitberatenden Haushalts- und Finanzausschuss. Danke.
Meine sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, während wir uns in den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre mit teils drastischen Mittelkürzungen zulasten von Wissenschaft und Forschung auseinanderzusetzen hatten, zieht mit dem aktuellen Haushaltsentwurf erstmals ein Hoffungsschimmer für den Hochschul- und Forschungsstandort Thüringen auf. Dabei ist zum einen die neue Rahmenvereinbarung zu nennen, die meine Fraktion voll und ganz mittragen kann. Diese Vereinbarung bietet den Hochschulen für die Jahre 2008 bis 2011 finanzielle Planungssicherheit und das auf einem deutlich höheren materiellen Niveau als der bisherige Hochschulpakt. Als positiv ist insbesondere die Tatsache zu werten, dass das Land künftig die Belastung der Hochschulen durch Tarif- und Besoldungserhöhungen auffangen wird. Die SPD begrüßt diese Regelung ausdrücklich und sie tut das auch deswegen, weil meine Fraktion bereits 2002 während der damaligen Beratungen über den Hochschulpakt und auch während seiner wenig erfolgreichen Laufzeit immer wieder eine derartige Bestimmung zur Entlastung der Hochschulen von unausweichlichen Personalkosten eingefordert hat. Bislang wurde uns seitens der Landesregierung stets erklärt, das sei völlig unnötig, überhaupt nicht realisierbar und purer Oppositionspopulismus. Wenn ich nun aber sehe, dass genau die gleiche Landesregierung stillschweigend unseren Lösungsvorschlag übernommen hat und sich darüber ausgiebig in den Medien selbst feiert, kann ich mich eines leichten ironischen Lächelns nicht erwehren. Das alles hätte man zum Nutzen der Hochschulen auch schon viel früher haben können, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Neben der Rahmenvereinbarung als allgemeine Basis bewerten wir auch die ganz konkreten Haushaltsansätze für die Hochschulen positiv. Stehen im aktuellen Haushaltsjahr 328,7 Mio. € aus dem Hoch
schulpakt zur Verfügung, so werden es 2008 bereits 345,5 Mio. € und im darauffolgenden Jahr 353,2 Mio. € sein. Zudem ist eine weitere Mittelaufstockung aus den Verkaufserlösen der Jenoptik-Anteile des Landes möglich. Das ist ein guter erster Schritt in die richtige Richtung bei der Hochschulfinanzierung. Wir wissen aber auch, dass er nicht etwa einem bereits längeren Engagement der Landesregierung für den Campus Thüringen oder gar auf Nachhaltigkeit ausgerichteten konzeptionellen Überlegungen geschuldet ist, sondern ganz banal der Tatsache, dass die Steuerquellen wesentlich intensiver sprudeln als ursprünglich gedacht.
Noch in diesem Frühjahr sah das ganz anders aus. Da kursierten Papiere des Kultusministeriums, die die Streichung ganzer Studiengänge und eine drastische Reduzierung des Studienplatzangebots in Thüringen vorsahen. Die ersten Verhandlungsrunden mit den Hochschulen über die neue Rahmenvereinbarung wurden seitens der Landesregierung mit der Maßgabe geführt, dass in den kommenden Jahren noch weniger Mittel für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen sollten als dies ohnehin schon der Fall ist. Dann kam die Mai-Steuerschätzung und plötzlich entdeckte das gesamte Kabinett Althaus seine übergroße Liebe für den Hochschul- und Forschungsstandort Thüringen. So jedenfalls deute ich die Tatsache, dass sich bei der öffentlichen Vorstellung der Eckpunkte der neuen Rahmenvereinbarung eine ganze Ministerriege um den Ministerpräsidenten drängelte, von denen jeder und jede einzelne die Vater- bzw. die Mutterschaft der unerwarteten Mittelaufstockung für sich reklamierte. Mit wirklichem, der ureigensten Überzeugung entspringendem Engagement der Landesregierung für Wissenschaft und Forschung hat das wenig zu tun. Diesen Eindruck erhält man auch, wenn man die geplanten Haushaltsansätze für Forschungsförderung näher betrachtet. Wer dort nach den vollmundigen Ankündigungen zu „Thüringen exzellent“ Mittelaufstockungen erwartet hat, sieht sich rasch eines Besseren belehrt. Es kommt nämlich 2008/2009 zu weiteren Mittelkürzungen bei der Forschungsförderung, und zwar um 132.000 € auf dann nur noch 14,9 Mio. €. Zusätzliche Gelder gibt es in diesem Bereich laut einem Haushaltsvermerk nur durch die Inanspruchnahme von Jenoptik-Erlösen. Ein solches Verfahren ist angesichts der drastischen Streichung in den letzten Jahren reichlich dürftig.
Was der Hochschul- und Forschungsstandort in Thüringen braucht sind vernünftige materielle Rahmenbedingungen für seine langfristige Entwicklung. Die von der Landesregierung betriebene Politik nach Wetterlage in Abhängigkeit von Konjunktur und Börsenkursen hat damit wenig zu tun. Ich kann daher nur sagen: Herr Ministerpräsident, bekennen Sie sich endlich zu Ihrer finanziellen Verantwortung für die Zukunft des Campus Thüringen und steuern Sie er
kennbar und nachhaltig zugunsten von Wissenschaft und Forschung um. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, beim Thema „Pflegehelfergesetz“ zeigt sich einmal mehr, dass gut gemeint nicht gleichbedeutend ist mit gut gemacht. Die Intention, die mit dem Pflegehelfergesetz verfolgt wird, nämlich die Helferberufe in der Pflege besser zu qualifizieren, ist im Hinblick auf die Zukunft in der Pflege, der sich verschärfenden Pflegesituation richtig und gut und wäre im Hinblick
auf Qualitätssteigerung und Qualitätssicherung ein wichtiger Schritt.
Die Ausführung jedoch ist mangelhaft. Zu viele Regelungen sind unausgegoren und bedürften dringend einer Überarbeitung. Ich möchte an dieser Stelle nur auf einige eingehen. Beispielsweise wird nichts über den Stundenumfang ausgesagt, der im Rahmen der Ausbildung absolviert werden muss. Dies passt jedoch ins Bild, denn ein Rahmenlehrplan liegt bis heute, wie von Herrn Kubitzki schon bemängelt, nicht vor. In anderen Bundesländern ist der Umfang der Lehrstunden hingegen im Gesetz festgeschrieben. Warum man das bis jetzt in Thüringen versäumt hat, verschließt sich meiner Kenntnis. Auch die Zugangsvoraussetzungen zu den Helferberufen sind uns nicht ganz nachvollziehbar. Um eine Ausbildung zu den Helferberufen aufzunehmen, muss man über einen Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige Schulausbildung verfügen. Dagegen ist nichts zu sagen. Es wird auch festgeschrieben, dass Menschen, die die Hauptschule erfolgreich abgeschlossen haben und erfolgreich eine einjährige Berufsfachschule im Bereich Gesundheit und Soziales beendet haben, zugangsberechtigt sind. Auch hier gibt es von unserer Seite keinen Widerspruch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber nun kommt der Knackpunkt. Wer über einen Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren verfügt, ist ebenfalls zugangsberechtigt. Wie darf man sich das vorstellen? Bedeutet das, dass jeder, der eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, egal in welchem Bereich, sich zu einem Pflegehelfer ausbilden lassen kann? Das würde bedeuten, dass eine Bäckereifachverkäuferin oder ein Teilzurichter - nicht, dass ich hier falsch verstanden werde, dies soll nichts über die Bedeutung dieser Berufe aussagen -, die aber über keinerlei Erfahrungen im pflegerischen Umgang mit Menschen verfügen, diese Ausbildung beginnen können. Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen, auch Menschen, die eine Ausbildung im nicht sozialen Bereich absolviert haben, können grundsätzlich dafür geeignet sein. Aber welche zusätzlichen Qualifikationen im Bereich der Pflege oder Allgemeinbildung hat zum Beispiel die Bäckereifachverkäuferin in den zwei Berufsschuljahren erworben? Die Zugangsvoraussetzungen sollten noch einmal überarbeitet und nachvollziehbar gemacht werden. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf aufmerksam machen, dass für diejenigen, die bereits heute als Helfer im Bereich der Pflege tätig sind und nur über einen Haupt- oder gar keinen Schulabschluss verfügen, eine Regelung gefunden werden muss. Wer bereits über mehrjährige praktische Erfahrungen in einer Pflegeeinrichtung verfügt, dem darf der Zugang zu einer Ausbildung als Pflegehelfer nicht verschlossen bleiben. Wir weisen also
dringend darauf hin, dass an dieser Stelle Regelungen gefunden werden müssen. Diejenigen, die zwar keinen Realschulabschluss haben, aber über Erfahrungen im pflegerischen Umgang mit Menschen verfügen, dürfen hier nicht benachteiligt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer Kritikpunkt am Gesetz ist § 20, der die Ausbildungsvergütung regelt. Die Vergütung soll dabei laut Gesetz angemessen sein. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, ich zitiere: „Der Rechtsanspruch auf Gewährung einer Ausbildungsvergütung soll zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung... beitragen.“ Dies ist in der Sache nachvollziehbar und lobenswert. Dem Ziel, eine angemessene Ausbildungsvergütung als Anreiz zu gewähren, widerspricht jedoch Absatz 2 des § 20. Dort heißt es nämlich, dass bis zu 75 Prozent der Vergütung in Sachkosten gezahlt werden können. Der Betreiber eines Heimes könnte demnach dem Auszubildenden ein Zimmer zur Verfügung stellen und ihn kostenfrei am Essen teilnehmen lassen und müsste dann nur noch 25 Prozent der Vergütung als Geld auszahlen. Die Vergütung der Ausbildung wird wohl leider ohnehin nicht sehr hoch sein. Gehen wir einmal von 400 € aus - und diese Zahl dürfte der Realität sehr nahekommen -, wenn davon nur 25 Prozent in Geld ausgezahlt werden, würde ich gern einmal von der Landesregierung wissen, wie dann 100 € ein Anreiz sein sollen, eine solche Ausbildung zu beginnen. Nun kann ich mir denken, was Sie gleich sagen werden, dass dieser Passus mit der 75-ProzentSachmittelregelung auch im Bundesaltenpflegegesetz enthalten ist. Aber hier möchte ich Ihnen antworten: Eine solche Regelung hätte nicht übernommen werden müssen, denn die Sachkostenbenennung ist unseres Erachtens völlig unsinnig und animiert geradezu zum Missbrauch. Deshalb fordern wir ganz klar, diesen Absatz zu streichen, denn erstens ist damit der Zahlung von Hungerlöhnen Tür und Tor geöffnet, zweitens widerspricht diese Regelung dem vorhin genannten Anspruch einer angemessenen Ausbildungsvergütung. Eine Anreizfunktion zum Ergreifen eines solchen Helferberufes in der Pflege kann ich darin nicht erkennen. Kurzum, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein unausgegorener Schnellschuss geworden. Deshalb werden wir dem Entwurf nicht zustimmen können. Die LIGA und auch die Landeskrankenhausgesellschaft haben im Vorfeld starke Bedenken geäußert. Ich verweise auf die Anlage zum Protokoll der 42. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit vom 5. Oktober dieses Jahres. Dort sind all die Bedenken in den Stellungnahmen nachzulesen. Auch meine Fraktion hat ausdrücklich auf einen anderen Umgang mit der Gesetzesvorlage gedrängt und eine eingehende Beratung gefordert. Die Bedenken sind jedoch durch die Landesregierung nicht ernst genommen worden. Stattdessen hat man ein Gesetz mit der „heißen Na
del“ gestrickt und will es nun durchpeitschen. Das ist besonders deshalb beklagenswert, weil der Bereich der Pflege, der bereits zum heutigen Zeitpunkt große Leistungen vollbringen muss, in Zukunft noch wichtiger werden wird. Die demographischen Veränderungen, die bereits im Gange sind, haben wir schon mehrfach in diesem Hause erörtert. Minister Zeh hat sich erst kürzlich wieder dazu an dieser Stelle geäußert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen bei steigendem Pflegebedarf dafür sorgen, dass auch in Zukunft ein hohes Niveau in der Pflege erhalten bleibt. Dazu ist auch ein Mehr an Personal mit einer fundierten Ausbildung notwendig. Ein gut gemachtes Pflegehelfergesetz wäre dazu ein wichtiger Schritt gewesen. Die Landesregierung war aber wieder einmal nicht in der Lage, ein stimmiges Gesetz zu erarbeiten. An Anregungen von Betroffenen hat es - wie bereits angesprochen - nicht gemangelt. Dass dies ignoriert wurde, offenbart eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber den Trägern der Pflege und den Pflegebedürftigen. Meine Damen und Herren, das ist beschämend und - wie eingangs schon erwähnt - gut gemeint, ist nicht gut gemacht. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eines sei vorangestellt: Auch die SPD-Landtagsfraktion
sieht die Notwendigkeit zur Überprüfung der geltenden Regelsätze.
Sie wissen, dass der dafür zuständige Bundesarbeits- und -sozialminister dies zugesichert hat. Nicht zuletzt aufgrund der erheblich gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel ist die Überprüfung und Anpassung erforderlich. Gemeinsam mit dem Bundesjugendministerium ist außerdem dafür Sorge zu tragen, dass die Förderung für Kinder verbessert wird.
Diese zugesicherte Überprüfung gilt es abzuwarten, statt jetzt populistische Schaufensteranträge zu stellen. Die Kollegen von der LINKEN wissen, dass sich dahinter Milliardenbelastungen für die öffentlichen Haushalte verbergen. Sie wissen vor allen Dingen, dass sich dahinter Mehrbelastungen für die Kommunen verbergen. Ich kann Ihnen sagen, was dort in den Kommunen bei einer Realisierung dieser Forderungen erfolgen würde: Kürzungen in all den Sozialleistungsbereichen, in denen keine zwingenden gesetzlichen Grundlagen vorliegen. Das wäre zu befürchten. Oder anders gesagt: Bedroht wären kommunale Politikbereiche, bei denen es um Teilhabe derjenigen Kinder und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen an öffentlichen Angeboten geht, die sie aufgrund ihres dann immer noch niedrigen Einkommens zwangsläufig dennoch einschränken müssen. Da geht es zum Beispiel um Spielplätze, um Jugendfreizeitangebote, Seniorenbegegnungsstätten, um öffentliche Bäder, um nur einige Beispiele zu nennen. Was Ihnen offenbar verborgen bleibt, das ist die auf Umwegen erfolgte klammheimliche argumentative Unterstützung des CDU-Bürgergelds.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle erneut auf etwas hinweisen, was DIE LINKE immer wieder vergisst: Mit der Einführung des SGB II ist bundesweit vorhandene Armut sichtbar geworden; Armut, die vorher in Form der Sozialhilfeempfänger leider selten im Blickpunkt des öffentlichen und politischen Interesses stand; Armut auch all derjenigen, die sich vorher schämten, Sozialhilfe zu beantragen, und sich mit Minirenten und Minieinkommen, welcher Art auch immer, durchschlugen; Armut also, die vorhanden war, an der sich Politik und öffentliches Interesse aber vorbeischummeln konnten.
Das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch und ich will sie wahrlich nicht bagatellisieren. In der Folge der Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe werden endlich alle Erwerbslosenhilfeempfänger als solche registriert. Es zählt aber auch zur Wahrheit, dass ehemalige Sozialhilfeempfänger nicht schlechter, sondern be
tragsmäßig etwas bessergestellt wurden. Mit der Einführung des SGB II ist es auch für sie zu keiner Kürzung der damaligen Sozialhilfesätze gekommen, sehr wohl aber für viele Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Das betrifft in Thüringen aufgrund der Tradition der Vollbeschäftigung in der ehemaligen DDR und aufgrund einer bis zum Regierungswechsel 1999 praktizierten offensiven Arbeitsmarktförderung den größeren Teil der heutigen SGB-II-Empfänger. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Mit der Einführung des SGB II kam es auch zur Pauschalierung bisher auf Antrag gewährter einmaliger Leistungen. Diese Pauschalierung erfolgte nicht zuletzt auch auf Anregung von freien Trägern, Interessenverbänden und Selbsthilfegruppen aus dem Bereich der damaligen Sozialhilfe. Die Leistungsberechtigten sollten einen Rechtsanspruch nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach erhalten; Behördenwillkür sollte ausgeschlossen werden. Im Sozialhilferecht gab es zum Beispiel Einschulungsbeihilfen, Bekleidungsbeihilfen, Beihilfen zum Erwerb einer Waschmaschine oder Wohnungsausstattung, deren Höhe aber war nun einmal von der Beurteilung des jeweiligen Sachbearbeiters abhängig. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass das mit der Pauschalierung eben nicht die Erfindung des Bundesgesetzgebers ist, dass mit dieser Pauschalierung in vielen Fällen der falsche Weg beschritten wurde. Ohne dass ich bösen Willen unterstelle, sind offensichtlich viele Menschen mit der Rücklagenbildung überfordert. Die Erfahrung spricht dafür, dass dies auch im Falle der von Ihnen beantragten Erhöhung der Regelsätze der Fall wäre. Ich plädiere deshalb sehr dafür, dass die einmaligen und auf Nachweis gezahlten Mehraufwendungen mit den Verbänden überprüft und sachgerecht als gesetzlicher Anspruch im SGB II ausgeweitet werden. Ich plädiere dafür, dass wir uns insbesondere im Bereich der Kinderarmut viel mehr Gedanken darüber machen, wie wir die Grundversorgung mit Nahrung und die Teilhabe an allen öffentlichen Angeboten, insbesondere aber an Bildung von Anfang an, wie wir dies in öffentlicher Verantwortung sicherstellen können. Sie finden heute einen Antrag meiner Fraktion genau zu diesem Thema.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister Zeh, es ist falsch, wenn Sie das Landeserziehungsgeld als Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut anlässlich der Pressekonferenz zum Familienatlas in dieser Woche verkaufen.
Kinder brauchen eben beides - den Kindergarten und mehr direkte Förderung. Genau das lassen Sie nicht
zu.
Bei der bis Ende 2005 geltenden Regelung war hingegen tatsächlich beides möglich - Kindergarten und zusätzlich Landeserziehungsgeld. Ich will nur daran erinnern, dass diese angebliche Doppelförderung ein Argument Ihrer Offensive gegen die Familie war.
Aber zurück zur direkten Förderung. Auch unsere Initiativen zu Ganztagsschulen, zu längerem gemeinsamen Lernen, zu einer besseren frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten und zu qualitativ hochwertigen Jugendfreizeitangeboten dienen dazu, Kinderarmut abzubauen oder am besten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das sind ausdrücklich nur Beispiele. Es geht letztlich um viel mehr. Das setzt aber voraus, dass in all den Bereichen mehr und nicht weniger öffentliche Mittel eingesetzt werden - Mittel, die uns insbesondere in den Kommunen bei der Realisierung der Antragsforderungen wieder fehlen würden. Und noch etwas befürchte ich - genau wie bei dem Bürgergeld der CDU des Thüringer Ministerpräsidenten: Diese Strategie der massiven Erhöhung der Regelsätze wird gleichzeitig dafür sorgen, dass die politischen Anstrengungen aller drei Politikebenen in der Bundesrepublik zur beruflichen Eingliederung benachteiligter Menschen erheblich nachlassen. Die Grundsicherung ist dann ein sanftes Ruhekissen, auf dem sich nicht die Betroffenen - nein, die nicht -, sondern der andere Teil der dann gespaltenen Gesellschaft ausruhen werden. Genau diese Tendenz bringt der heutige CDU-Antrag zum Ausdruck. Es wird nämlich nur so getan, als ob etwas getan werden sollte. Als wir im vergangenen Jahr die Anpassung der Regelsätze Ost an West im SGB XII zeitgleich mit dem SGB II gefordert haben, war der Mittelblock dagegen. Ja, es wurde sogar von der Landesregierung im Sozialausschuss argumentiert, dass bei einer ostspezifischen Überprüfung der dem Regelsatz zugrunde liegenden Daten keinesfalls eine Erhöhung selbstverständlich wäre, obwohl die Regelsätze des SGB II bereits bundeseinheitlich gezahlt wurden. So gehen Sie mit Überprüfungen des Regelsatzes und mit Fristen um, wenn es Ihnen haushaltstechnisch in den Kram passt. Als die Regelsätze des SGB II und die Anrechnungsmodalitäten der Vermögen im Einvernehmen mit der damaligen CDU-Bundesratsmehrheit vereinbart wurden, musste mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung um jeden Euro für die Betroffenen gerungen werden. Immer aber zählte die Thüringer Landesregierung zu den Scharfmachern innerhalb der CDU-Bundesländer, nicht ohne anschließend die Hände in Unschuld zu waschen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Ihnen nimmt nun wirklich keiner ab, dass Sie die
Lebenssituation langzeitarbeitsloser Menschen und ihrer Familien verbessern wollen. Kümmern Sie sich endlich um deren berufliche Integration, statt zum Beispiel weiterhin öffentlich geförderte Beschäftigung bestenfalls auf Sparflamme zu ertragen - ja, zu ertragen, denn mehr geschieht dort im Wirtschaftsministerium wirklich nicht. Deshalb meine ich, wir sollten uns politisch auf andere Bereiche statt auf Schaufensteranträge konzentrieren. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, das Wissen der Menschen, gebraucht zu werden, die Gewährleistung von Teilhabe an öffentlichen Gütern und die Festlegung eines existenzsichernden Mindestlohns - all dies halte ich für vorrangig gegenüber einer derartigen Erhöhung der Regelsätze. Außerdem kann bei der derzeitigen Rechtslage DIE LINKE getrost davon ausgehen, dass die angestrebte Erhöhung der Regelsätze bei den erwerbstätigen SGB-II-Empfängern jede Lohnerhöhung verhindern wird. Ich werde deshalb die derzeitigen Regelsätze nicht verteidigen. Ich will und ich erwarte eine realistische Erhöhung. Ich weiß, dass die Höhe der Grundsicherung, insbesondere beim Bedarf der Kinder, nicht ausreicht. Deshalb erwarten wir von der Überprüfung der Bundesregierung Verfahrensvorschläge, die den Menschen helfen und die zu keiner Mehrbelastung der Kommunen führen. Ich will auf Bundes- und Landesebene eine Arbeitsmarktförderung langzeitarbeitsloser Menschen, die den Namen verdient und die den Menschen in absehbarer Zeit Chancen bietet. Wir wollen einen gesetzlich geregelten Mindestlohn. Das alles aber ist nicht mit Schaufensteranträgen zu erledigen. Dafür brauchen wir einen abgestimmten Prozess von der Mindestlohnsicherung über die Reduzierung der Leiharbeit bis hin zur Förderung des öffentlichen Beschäftigungssektors und ganz konkrete Hilfen, insbesondere für Kinder. Genau darauf werden wir unsere Kraft konzentrieren. Die SPDFraktion wird die vorliegenden Anträge ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir uns heute erneut mit dem Thema „Rente mit 67“ beschäftigen zeigt, dass es ein besonders emotionales Thema ist. Das ist auch verständlich, denn in der politischen Diskussion werden immer wieder Schreckensszenarien beschrieben. Es ist jedoch falsch und unverantwortlich, mit den Ängsten der Menschen zu spielen und das Schreckgespenst der Altersarmut an die Wand zu malen.
Lassen Sie mich eines gleich vornweg ganz deutlich klarstellen: Nicht die Rente mit 67 führt zur Altersarmut, sondern lange Zeiten der Arbeitslosigkeit, geringe Löhne und eine Unternehmenskultur, die bestrebt ist, Menschen oberhalb von 50 Jahren auszugrenzen.
Deshalb müssen wir eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben, um mehr Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Wir müssen das Programm „50 Plus“ durch weiterführende Initiativen ergänzen, um den Menschen einen längeren Verbleib im Arbeitsleben zu ermöglichen. Und wir brauchen verbindliche Zusagen der Unternehmer zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Warum sollte das, was im Ausbildungspakt immerhin halbwegs gelungen ist, nicht auch in einem Beschäftigungspakt für ältere Arbeitnehmer möglich sein. Last, but not least, zur Vermeidung von Altersarmut muss ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden, der es den Menschen ermöglicht, von ihrer Hände Arbeit zu leben. Wir brauchen darüber hinaus eine Lohnentwicklung, die die Binnen
konjunktur stärkt und die es den Menschen ermöglicht, zusätzlich private Vorsorge zu betreiben. Das sind die tatsächlichen Stellschrauben, um Altersarmut zu verhindern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten in der aktuellen Diskussion nicht vergessen, dass das Renteneintrittsalter langsam und schrittweise auf 67 Jahre erhöht wird. Nicht die Rentner jetzt sind betroffen, auch wenn die Kollege von der LINKEN gerne so tun, als sei dies der Fall. Weiterhin findet sich im Gesetz eine Revisionsklausel, die die regelmäßige Evaluation der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer ab dem Jahr 2010 vorsieht. Nur wenn das Ergebnis zufriedenstellend ist, wird die Rente mit 67 tatsächlich eingeführt. Es liegt also jetzt an den Unternehmen zu beweisen, dass sie geheilt sind vom Jugendwahn vergangener Jahre. Was in anderen Ländern unter vergleichbaren Wirtschaftsbedingungen seit langem möglich ist, wie z.B. in Skandinavien, das muss doch auch bei uns zu realisieren sein. Siehe da, für diese wünschenswerte Entwicklung gibt es immerhin deutliche Hinweise. Die Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt hat sich verbessert. Ich verweise auf den aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit zur Situation von Älteren am Arbeitsmarkt. Der Bericht beschreibt, dass die Eurostat-Beschäftigungsquote - das ist der Anteil aller erwerbstätigen 50- bzw. 55- bis 64-Jährigen - bei allen Personen dieser Altersgruppe in Deutschland im II. Quartal des Jahres 2007 bei 52 Prozent lag. Dies bedeutet eine Zunahme dieses Werts um mehr als 10 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. Damit hat Deutschland das sogenannte Lissabon-Ziel der Europäischen Union von 50 Prozent bereits erreicht. Diese Entwicklung ist äußerst erfreulich und sie sollte weiter gefördert werden.
Die Zunahme der Erwerbstätigkeit der über 55-Jährigen findet auch nicht etwa vorrangig im Bereich der geringfügigen Beschäftigungen statt, sondern überwiegend in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Der Bericht der Bundesagentur für Arbeit liefert noch weitere erfreuliche Fakten. So hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei älteren Arbeitnehmern über 50 Jahre um fast 5 Prozent und die der über 55-Jährigen sogar um mehr als 6 Prozent zugenommen. Das bedeutet, dass ältere Arbeitnehmer am meisten vom derzeitigen Beschäftigungsaufbau profitieren. Die Möglichkeiten, auch jenseits der 50 einen fair bezahlten Beruf auszuüben, verbessern sich. Das ist schon ein neuer und erfreulicher Trend. Angesichts des zunehmenden Rufs nach Fachkräften lässt die skizzierte Entwicklung auch für die Zukunft hoffen. Ein Mehr in diesem Bereich ist natürlich immer wünschenswert, vor allem aber ist es für die Menschen persönlich wünschenswert. Das Gefühl, auch außerhalb der
eigenen Familie gebraucht zu werden, Wissen weiterzugeben und etwas zu schaffen, ist von unschätzbarem Wert und trägt zu einem positiven Lebensgefühl bei. Nichts ist schlimmer als das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wer von uns Arbeitsämter und ARGEN besucht, der bekommt zu hören, dass es gerade die Älteren sind, die Angebote unter nahezu allen Bedingungen annehmen. Damit kein falscher Eindruck entsteht, das wollen wir nicht unterstützen, wir wollen faire Arbeit zu fairen Konditionen, aber es verdeutlicht den Willen vieler älterer Menschen nach sinnstiftender Arbeit. Nicht erst seit der Rentendiskussion und der Rente mit 67 ist bekannt, dass die Menschen heute durchschnittlich fitter, leistungsfähiger und gesünder sind als die Generationen zuvor. Der durchschnittliche 60-Jährige des Jahres 2007 hat eine bessere gesundheitliche Konstitution als der durchschnittliche 60-Jährige vor 50 oder 100 Jahren. Diese überaus positive Tendenz hält an und ich wünsche uns allen, dass wir davon profitieren. Auch der Eintritt in das Berufsleben erfolgt aufgrund des seit Generationen zunehmenden Qualifikationsbedarfs heute im Durchschnitt später als früher. Auf den Punkt gebracht: Wir arbeiten kürzer und wir leben länger. All das muss man sich vor Augen führen, wenn die künftige Rente mit 67 kritisiert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch acht Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses sind älter als 60 Jahre. Drei weitere sind über 65 Jahre alt und eine weitere Handvoll wird die Altersgrenze der 60 Jahre noch in dieser Legislaturperiode erreichen. Es ist doch wohl unbestritten, dass auch diese Kolleginnen und Kollegen leistungsfähig sind und ich bin mir sicher, dass sie überwiegend Freude an ihrer politischen Arbeit haben. Ich ahne, dass auch ein großer Teil meiner älteren Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause im Jahre 2009 ihre Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben wollen; warten wir es ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir ist klar, dass nicht alle Arbeitnehmer als Landtagsabgeordnete arbeiten. Für körperlich sehr anstrengende Berufe, wie z.B. Dachdecker, Maurer oder auch Klempner und Fliesenleger, müssen gesonderte Regelungen gefunden werden. Lösungsansätze dafür werden von meiner Partei in der Bundesregierung diskutiert. So wird über Teilverrentungen ebenso nachgedacht wie über Zusatzversicherungen für Beschäftigte in besonders belastenden Berufen. Ziel ist es, dass Arbeitnehmer aus solchen Berufssparten auch vor dem 67. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen können. Wesentlich und entscheidend aber ist ein Umdenkprozess in den Unternehmen. Personalentwicklung ist angesagt, die die besonderen Kompetenzen dieser älteren Mitarbeiter berücksichtigt. Hier
können Unternehmen von funktionierenden Großfamilien lernen. Auch dort sind Großeltern doch mitunter jahrzehntelang und mit Freude weiterhin in familiärer Mitverantwortung. Andere Länder, wie zum Beispiel Dänemark, machen uns vor, dass über 60-Jährige auch in körperlich anstrengenden Handwerksberufen nicht zum alten Eisen gehören. Es muss also darum gehen, den Menschen den Verbleib in der Berufstätigkeit zu ermöglichen, und zwar so, dass sie überwiegend mit Freude ihre Kompetenzen einbringen können,
und es muss darum gehen, ihnen den Einstieg in die Rente ohne Abschläge zu ermöglichen, wo die weitere Berufstätigkeit aufgrund der Anforderungen und der persönlichen Verfassung nicht mehr möglich ist. Daran arbeitet die Bundesregierung und daran arbeitet meine Partei in der Berliner Koalition.
Lassen Sie mich abschließend noch darauf hinweisen, dass es auch aufgrund der demographischen Entwicklung erforderlich ist, länger als bisher zu arbeiten. Die derzeitigen Prognosen lassen erkennen, dass im Jahre 2030 auf jeden Beschäftigten ein Rentenempfänger kommt. Gleichzeitig kommt es voraussichtlich zu der eingangs schon geschilderten erfreulicherweise weiter steigenden Lebenserwartung, also steigt auch die durchschnittliche Rentenbezugsdauer. All dies muss für die Sozialsysteme finanzierbar bleiben. Die finanziellen Anforderungen an die nachfolgenden Generationen dürfen nicht aus dem Ruder laufen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb sage ich, lassen Sie uns Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch ältere Arbeitnehmer zufriedenstellende und existenzsichernde Arbeitsplätze erhalten, Arbeitsplätze, die sie bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter ausfüllen können und die ihnen sichere und auskömmliche Renten garantieren. Das zu vertreten, ist zwar nicht populistisch, aber es ist angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen realistisch. Wir sollten uns deshalb darauf konzentrieren, was im Lande Thüringen zu regeln ist. Das wäre zum Beispiel eine aktive Arbeitsmarkförderung für ältere Arbeitnehmer. Die SPD wird den Antrag der LINKEN in großen Teilen nicht mittragen können. Er wird weder den Bedürfnissen älterer Arbeitnehmer noch den geschilderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, spätestens seit der Vorlage des 2. Berichts des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zur Pflegesituation in Deutschland ist der politische Handlungsbedarf offensichtlich. Die zeitliche Übereinstimmung mit der Einbringung unseres Antrags, Herr Minister Zeh, war rein zufällig, jedoch haben wir schon im Juli dieses Jahres angekündigt, diesen Antrag ins Plenum einzubringen. Das Zusammentreffen der Ereignisse und die Anträge der beiden anderen Fraktionen machen mich jedoch hoffend, dass das Thema über den Tag hinaus parteiübergreifend für wichtig erachtet wird. Ich hoffe, dass unser Antrag heute nicht von der Mehrheitsfraktion dieses Hauses abgelehnt wird, sondern dass wir ihn weiter im Sozialausschuss beraten können.
Ich will heute allerdings nicht das Skandalbild der Presseberichterstattung im Zusammenhang mit dem genannten Bericht verstärken. Reißerische Skandalbilder, wie sie teilweise in den Medien gezeichnet werden, sind hier in keinster Weise zielführend in der Sache. Ich selber unterstütze daher auch eine Initiative, die vom Pflegedirektor der Krankenhäuser Sonneberg/Neuhaus gGmbH ins Leben gerufen wurde. Mehr dazu können Sie im Internet unter www.pflege-braucht-pflege.de nachlesen.
Mir geht es um Sachlichkeit und um konkrete Lösungsansätze. Dabei ist das Heimrecht einer der beiden Dreh- und Angelpunkte. Der andere ist die längst überfällige Novellierung der Pflegeversicherung. Herr Kubitzki, in Ihrem Beitrag sind Sie meines Erachtens nach doch mehr auf die Reform der Pflegeversicherung als auf die für das Land Thüringen notwendige Reform des Heimgesetzes eingegangen. Ohne jede Bagatellisierung ist festzustellen, dass zumindest in Thüringen eklatante Pflegemängel die Ausnahme und nicht etwa die Regel sind. Überall dort, wo allerdings Pflegemängel auftreten oder in der Vergangenheit aufgetreten sind, stellt sich neben der Frage der Verantwortung der Träger immer die Frage der Verantwortung der öffentlichen Beratungs- und Kontrollinstanzen. Der von einigen Marktfetischisten aus den Reihen der CDU auch in diesem Hause oft geforderte Rückzug der öffentlichen Hand aus der Verantwortung hat offensichtlich Grenzen, Grenzen, die beim Überschreiten für auf Hilfe angewiesene Menschen lebensbedrohlich werden können. Deshalb sollte spätestens jetzt klar sein, der Wettbewerb der Träger stationärer und ambulanter Pflegeangebote darf sich nicht in einer Preisspirale nach unten niederschlagen. Dies war die Be
fürchtung, die mit der Föderalismusreform und der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder durchaus verbunden war. Wenn die Ereignisse der letzten Wochen dazu beigetragen haben, das Bewusstsein für Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung in der Pflege geschärft zu haben, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, war die öffentliche Berichterstattung wirkungsvoll.
Pflege ist ebenso wie Kinderschutz und die Gesundheit nicht eine beliebige Ware. Sie bedarf des öffentlichen Schutzes und der öffentlichen Verantwortung. Deshalb wollen wir in Thüringen ein Heimgesetz, welches nicht nur die geltenden bundesgesetzlichen Qualitätsstandards sichert, sondern darüber hinausgeht. Wir wollen zum Beispiel, dass sich verändernde Wohnformen pflegebedürftiger Menschen im Übergang von ambulanter zur stationären Pflege nicht an bürokratischen Hürden scheitern. Zur Vermeidung einer Kostenspirale nach unten halten wir die Abstimmung insbesondere mit angrenzenden Bundesländern für erforderlich. Ich begrüße in diesem Zusammenhang den Antrag der CDU, die anscheinend kein Interesse daran hat, ihre ansonsten betriebene Strategie des Billiglohnlandes Thüringen auch auf die Pflege zu übertragen. So will ich die Ziffer 2 des Antrags jedenfalls verstehen, denn so macht die Abstimmung mit den angrenzenden Bundesländern Sinn. Die Ausführungen des Herrn Minister Zeh lassen hier jedoch schon wieder starke Zweifel in mir aufkommen. Entscheidend ist für uns weiterhin ein Bürokratieabbau in der Pflege, ohne dass deswegen Kontrolle und Kontrollierbarkeit vernachlässigt werden. Ich kann Ihnen aus der Pflegepraxis berichten, dass die korrekte Führung der Pflegedokumentation einen enorm hohen Zeitaufwand benötigt. Ob dies nun 25, 30, 35 Prozent sind, sei dahingestellt, aber auch im Sozialausschuss hat Prof. Dorschner von der Fachhochschule Jena bereits ähnliche Aussagen im Vorgriff auf die Ergebnisse seiner Studie getroffen. Ebenfalls aus der praktischen Erfahrung gilt der Grundsatz: Je weniger fachliche Kompetenz bei Prüfbehörden vorhanden ist, umso mehr wird sich an Formalien und an Bürokratie festgehalten, getreu dem Motto: Nicht geschrieben ist nicht gemacht. Umso mehr wird auch die Rivalität zwischen dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse und der staatlichen Heimaufsicht gepflegt. Koordination in der Prüfung ist leider eher die Ausnahme als die Regel. Fachliche Beratung, die tatsächlich der Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots und der Verbesserung der Arbeitsabläufe in stationären und ambulanten Einrichtungen dient, ist alles andere als selbstverständlich. Ich formuliere das hier bewusst sehr vorsichtig. Ein kontinuierlicher Ausbau der Beratungskompetenz im Besonderen bei der staatlichen Heimaufsicht ist erforderlich. Allein der Ruf nach mehr Kontrolle ist deshalb zu platt. Uns geht es um eine Stärkung des
Beratungs-, Unterstützungs- und Fortbildungsauftrags der staatlichen Heimaufsicht. Sie ist übrigens diejenige, die unabhängig von Kosteninteressen handeln kann und sollte. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hingegen steht letztlich immer auch in einem Interessenkonflikt mit den Kostenträgern der Pflege.
Eines sollte uns allen klar sein: Manches, was an Missständen aufgedeckt und beschrieben wurde, rührt daher, dass in den vergangenen Jahren die Kostenschraube immer mehr angezogen wurde. Auch die Thüringer Landesregierung hat mit dem faktischen Ausstieg aus den Investitionskostenförderungen vor zwei Jahren zur Erhöhung des Kostendrucks und einer Wettbewerbsverzerrung erheblich beigetragen. Schlimmstenfalls wird so etwas immer zulasten der Qualität in der Pflege gehen. Wer hier sparen will, der zündelt und spielt mit den Interessen pflegebedürftiger Menschen. Die Investitionen, die in Thüringen in die Modernisierung und den Neubau von Pflegeeinrichtungen geflossen sind, waren überwiegend Bundesmittel aus Artikel 52 Pflegeversicherungsgesetz. Wer meint, dass man die Träger ambulanter und stationärer Pflege in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf um die billigsten Angebote treiben könnte, der verursacht Missstände. Gute Pflege, meine Damen und Herren, setzt schlicht und einfach ausreichende Finanzmittel voraus. Vor dem von mir geschilderten Hintergrund der Stärkung der Kompetenz der Heimaufsichtsbehörde halten wir es auch für angebracht, dass die Qualität der Dienstleistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zukünftig transparent sein muss. Dies hat in einer allgemein verständlichen und objektiven Form zu erfolgen. Ich sage aber hier ausdrücklich, wir brauchen dafür keine neue Behörde. Dazu müssen die Heimaufsicht und der MDK befähigt werden. Man sollte aus den Erfahrungen der Stiftung Warentest lernen, die ja zu Beginn ihrer Arbeit von Unternehmen auch heftig bekämpft wurde. Mittlerweile sind deren Ergebnisse zu einem Gütekriterium und einem Werbefaktor für Produkte und Dienstleistungen geworden. Etwas Vergleichbares muss auch bei den Anbietern von Pflege möglich sein, immer vorausgesetzt allerdings, dass ein Missbrauch und Fehleinschätzungen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden können. Fehlurteile können nämlich schnell den Ruin eines Trägers bedeuten.
Meine Damen und Herren, wir haben mit unseren Eckpunkten die Ergebnisse der fachlichen Diskussion vieler Experten aufgegriffen. Ich will ausdrücklich nicht ausschließen, dass es darüber hinaus weitere Anregungen geben kann, wie sie von Herrn Minister Zeh auch schon angedeutet wurden. Wir wollen aber ausschließen, dass es unterhalb dieser
Eckpunkte ein Gesetz geben wird. Auch wenn Sie, Herr Minister, unseren Antrag für entbehrlich halten, gerade jetzt ist er für uns erforderlicher denn je.
Die Anträge der beiden anderen Fraktionen erschöpfen sich weitgehend in sicherlich notwendigen Berichterstattungen. Die von den Kollegen der LINKEN eingeforderten Eckpunkte liegen Ihnen mit unserem Antrag bereits vor. Ich beantrage deshalb die Überweisung unseres Antrags an den Sozialausschuss, um in Thüringen zu einem guten Heimgesetz zu kommen. Wir sollten dort das Fachwissen der Thüringer Experten einholen und dann die Landesregierung beauftragen, zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin erfreut, dass uns die Landesregierung einen Gesetzentwurf über Helferberufe in der Pflege vorlegt. Es ist dies auch ein Schritt, der dem Erhalt und der Verbesserung der Qualität in der Pflege dient. Dies ist durch die aktuellen Geschehnisse der letzten Wochen ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Herr Kubitzki, ich kann Ihnen und Ihren Befürchtungen an dieser Stelle leider nicht folgen, dass es für diese Berufsgruppe keinen Bedarf geben wird. Gestattet sei mir jedoch die Frage, warum wir erst heute diesen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen? Es sind doch seit dem Erlass des Artikels 63 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 gut zwei Jahre vergangen, in denen der Landesregierung bekannt war, dass bis zum 20. Oktober dieses Jahres eine gesetzliche Regelung des Landes für die Helferberufe in der Pflege erlassen werden muss. Wie wir nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem knapp verbleibenden zeitlichen Rahmen eine gewissenhafte Bearbeitung des vorliegenden Entwurfs realisieren sollen, bleibt wohl das Geheimnis der Landesregierung, aber das sind wir bei Gesetzentwürfen zum Jahresende doch des Öfteren gewohnt. Bedauerlicherweise hat man hier zwei Jahre verstreichen lassen und hat somit auch bei der betroffenen Berufsgruppe nicht unbedingt zur Vermittlung von Sicherheit beigetragen.
Aber lassen Sie mich kurz etwas zum Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Im ersten Teil sind allgemeingültige Formalien geregelt. Hier sehe ich keinen weiteren Diskussionsbedarf. Diese Formalien haben sich bereits bei anderen Gesetzen bewährt. Anders hingegen ist dies beim zweiten Teil des vorliegenden Gesetzentwurfs und hier, Herr Kubitzki, haben wir doch einige Übereinstimmungen.
Probleme sehe ich bei den Formulierungen des § 11, Ausbildungsziel, der hier sehr allgemeinen Aussage, „Pflegefachkraft bei der Durchführung der Behandlungspflege zu unterstützen“. Dies könnte bei den Betroffenen zu Irritationen führen, da die Durchführung von Behandlungspflege ausschließlich in die Hoheit der Pflegefachkräfte fällt. Dieser Sachverhalt gibt auch immer wieder Anlass, bei Qualitätsprüfungen in der Pflege dies zu bemängeln, weil gerade Pflegehelfer in die Behandlungspflege eingebunden wurden. Ich frage hier, wo beginnt und wo endet die Unterstützung? Weiterhin problematisch sehe ich auch - wie Herr Kubitzki - die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung zu einem Helferberuf. Ob man hier die höherwertigen Schulabschlüsse nicht automatisch als erfüllte Zulassungsvoraussetzung ansehen kann, wird wohl im weiteren Verfahren zu klären sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wo jedoch der Ermessensspielraum der Ausbildungsbetriebe eindeutig zu weit geht, das ist bei der Ausbildungsvergütung. Ich bin doch etwas verwundert, hier von Herrn Kubitzki überhaupt nichts darüber gehört zu haben. Den Ausbildungsbetrieben wird die Möglichkeit eingeräumt, 75 Prozent der Ausbildungsvergütung als Sachleistung zu gewähren. Führt man sich vor Augen, dass ein Auszubildender oder eine Auszubildende einen Anspruch auf eine Vergütung von ca. 400 € hat - diese Zahl ist nicht aus der Luft gegriffen -, so können 300 € als Sachleistung gewährt werden und es werden dann lediglich noch 100 € als tatsächliche Vergütung gezahlt. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann das wirklich unser Wille sein? Ich sage hierzu ganz klar: Nein. Diese Relationen müssen umgekehrt werden, um hier eine allgemein verträgliche Regelung zu beschließen. Da ich einmal beim Thema „Vergütung“ bin: Sicher, dies kann nicht in diesem Gesetz geregelt werden, aber ich glaube schon, dass in diesem Zusammenhang diese Diskussion angeschoben werden muss. Ist es bisher gängige Praxis, dass Pflegehilfspersonal, egal ob mit oder ohne Ausbildung, gleich vergütet wird, stelle ich mir schon die Frage: Welchen Anreiz hat es dann für jemanden, sich dieser Ausbildung zu unterziehen? Hier muss ein Umdenken sowohl bei einigen Trägern als auch bei den Kostenträgern erfolgen. Der Logik der Pflegeberufe folgend, hat man sich bei der Erstattung der Kosten für die Ausbildung an die bestehenden Regelungen der Fachkräfteausbildung angelehnt. Ich will nun nicht unbedingt behaupten, dass mich diese Regelung glücklich macht, doch leider sind hier andere aus meiner Sicht dem Gedanken der Solidargemeinschaft wesentlich näherkommende Varianten in den zurückliegenden Jahren per Gerichtsentscheid gekippt worden. Ich finde es nicht gerecht, dass Bewohner einer Pflegeeinrichtung, welche ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachkommt und aus
bildet, hierfür mehr zahlen müssen, als Bewohner einer Einrichtung, welche ihr Personal nur auf dem Markt rekrutiert und selber nicht in die Ausbildung junger Menschen investiert. Doch ich sagte es schon, hier ist man an gerichtliche Entscheidungen gebunden.