Hans-Jürgen Döring

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Last Statements

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer guten Rat hört, der ist weise, so steht es ja schon im Alten Testament. Dem Landesparlament und der Öffentlichkeit liegt nunmehr der Abschlussbericht der Enquetekommission "Erziehung und Bildung in Thüringen" vor. Ich bin überzeugt, dieser Bericht ist eine wichtige und wertvolle Grundlage zu
künftiger bildungspolitischer Arbeit in Thüringen, er ist eine bemerkenswerte Leistung aller an seiner Erarbeitung beteiligten Sachverständigen und Parlamentariar und nicht zuletzt auch der Mitarbeiter der Landtagsverwaltung. Alle haben unter Zeitdruck einer zu Ende gehenden Legislaturperiode viel geleistet.
Meine Damen und Herren, von der ersten bis zu letzten Beratung war allen Mitgliedern bewusst, dass die Beratungsergebnisse weit über Tagespolitik hinaus Bedeutung für die Entwicklung der Bildungslandschaft Thüringens erhalten müssen. So war die Arbeit der Enquetekommission von Beginn an auf ein Ergebnis gerichtet, das nicht nur die Analyse und Bewertung des bisherigen Vorhandenen umfasst, sondern auch Erwartungen in die Zukunft, also Veränderungsvorschläge, äußert. Ca. 70 Empfehlungen zeigen, dass noch sehr viel zu tun ist, wenn Thüringen den Anschluss an internationale Entwicklung in der Bildung vom Vorschulalter bis zum lebenslangen Lernen auf einigen Gebieten halten und in anderen Bereichen überhaupt erst einmal gewinnen soll. Deshalb sprechen wir von der zwingenden Notwendigkeit einer Bildungsreform, also von weit mehr als von kleinen Reparaturen und Verbesserungen. In dieser Auffassung fühlt sich die SPD durch die Empfehlungen der Enquetekommission nachhaltig gestützt.
Meine Damen und Herren, in der Einführung heißt es, die Entwicklung des Thüringer Schulwesens wird von bildungspolitischen Auseinandersetzungen begleitet und ist auch gegenwärtig kein widerspruchsfreier Prozess. Jedoch wächst die Einsicht, dass umfassende, langfristig wirksame und gültige Veränderungen im Bildungswesen von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden müssen, der sowohl die Mitwirkung aller Beteiligten gewährleistet als auch zu enges Denken in parlamentarischen Legislaturperioden überwindet. Insbesondere nach PISA und Gutenberg wurde nicht nur für uns noch stärker deutlich, dass weder die mühsamen Rechtfertigungsversuche der Landesregierung und ihres Kultusministers für die bisherige Schulentwicklung in Thüringen und die daraus abgeleiteten sparsamen Reparaturansätze noch die bisherige Einbeziehung von Eltern, Verbänden und Öffentlichkeit in eine das Land ergreifende breite, öffentliche Bildungsdiskussion ausreichen.
Der Ruf nach Veränderungen, meine Damen und Herren, wird unter Eltern, Schülern, Lehrern und Erziehern immer lauter. Während sich meine Kollegin Pelke nachher zu den Teilen des Abschlussberichts äußern wird, die sich mit Familie und Bildungssystem sowie der frühkindlichen Bildung und Erziehung befassen, ist mein Schwerpunkt die Schule, genauer die Schule und ihre Partner. Denn ohne eine grundlegend veränderte weit stärkere Einbeziehung von mitgestaltenden gesellschaftlichen Kräf
ten ist zukünftige Schulentwicklung nicht denkbar. Dabei lässt sich die Qualität nicht über die Köpfe der Akteure hinweg durchsetzen. Qualität beginnt in den Köpfen, d.h., wir brauchen ein positives Klima für Qualität. Schulen benötigen hier mehr Ermutigung. Wir müssen sie ermuntern, die Vision, das Leitbild der eigenständigen Schule zu entwickeln, und hier müssen wir vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, Standards und Vergleichbarkeit sichern und in erheblich stärkerem Maße Entwicklungsimpulse setzen. Das belegt der Bericht eindeutig von der Analyse bis zu den Empfehlungen. In den Empfehlungen zum bildungspolitischen und erziehungstheoretischen Rahmen werden auch deshalb Konzepte der kooperativen Gestaltung des Bildungsraumes ebenso gefordert wie die verstärkte Entwicklung einer Schulkultur. Es heißt dort: "Hierzu gehört, dass alle Betroffenen - Lehrerschaft, Schülerschaft und Eltern - zusammenwirken und andere Partner in der Kommune, wie kulturelle Einrichtungen, Wirtschaft, Kirchen und Verbände, partizipatorisch einbezogen werden. Ferner ist das Zusammenwirken verschiedener pädagogischer Instanzen zu verstärken; sie arbeiten gegenwärtig allzu oft nebeneinander. Zu entwickeln sind Konzeptionen der besseren Zusammenarbeit an den Übergangsstellen in der Bildungsbiographie, insbesondere am Übergang vom Elementarbereich in die Schule und von der Schule in den Beruf." Abgesehen davon, dass der Übergang vom Elementarbereich in den Sekundarbereich in Thüringen insgesamt inhaltlich und strukturell unbefriedigend ist, darüber wird noch zu sprechen sein und der Bericht tut das ebenfalls, geht es auch darum, die institutionelle Fremdheit von Schule und Sozialpädagogik zu überwinden.
Die Kommission empfiehlt die verstärkte Förderung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Schulen und ihren Partnern im Rahmen von Schulprogrammen, die Einrichtung einer jährlichen Bildungskonferenz zu Themen der Kooperation und nicht zuletzt die Entwicklung eines gemeinsamen Fortbildungsangebots von ThILLM, Landesjugendamt und den Thüringer Fach- und Hochschulen unter der koordinierenden Federführung der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, mit Nachdruck betont die Enquetekommission die Mehrdimensionalität der Bildung. "Der tägliche Unterricht muss sich" - ich zitiere - "um bildendes Lernen in einem auf Förderung aller gerichteten Klima bemühen." - so eine zentrale Empfehlung. Bildendes Lernen soll Wissen und Reflexionsfähigkeit, Problemwahrnehmung und Problemlösungskompetenz, disziplinierte Anstrengung und Kreativität fördern. Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch das Verstehen zu lehren. Bildender Unterricht erfordert natürlich didaktischmethodische Vielfalt. Das heißt, Schule muss Mittel, Methoden und Hilfen entwickeln, damit jeder Schüler nicht nur mitkommt, sondern eigenständig und zunehmend selbstverantwortlich lernt und damit seine Möglichkeiten, Interes
sen und Begabungen voll entfalten kann.
Meine Damen und Herren, der Versuch, die bereits dichten Aussagen und Empfehlungen zum umfassenden Teil des Berichts "Schulen und ihre Partner" noch weiter zusammenzufassen, ist schwierig. Die SPD fühlt sich insgesamt in ihren bildungspolitischen Auffassungen bestätigt. Es geht auf allen Stufen des schulischen auch vorschulischen Entwicklungsweges um eine Einheit von Bildung, Erziehung und Betreuung. Aus diesem Grundsatz erwachsen unter anderem weit reichende Schlussfolgerungen für die konzeptionellen Vorgaben und Pläne, für die gemeinsame jedoch bereichsspezifische Verantwortung von der Werteerziehung bis zu den Leistungsanforderungen für den Ausbau von ganztägigen Angeboten und Ganztagsschulen, für die Einbeziehung von Partnern und für die Ausbildung und Fort- und Weiterbildung der Pädagogen.
Meine Damen und Herren, vor allem im Ausbau von Ganztagsangeboten, insbesondere Ganztagsschulen, sieht die Enquetekommission einen wichtigen Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung unserer Schulen. Ich zitiere: "Der Ausbau von Schulen mit Ganztagsangeboten fördert den Schulentwicklungsprozess an Einzelschulen. Ganztagsangebote in offener bzw. gebundener Form eröffnen... Spielräume für didaktische und organisatorische Entwicklung durch zusätzliche Lern- und Freizeitmöglichkeiten oder die Rhythmisierung des Schulalltags und die Einbeziehung außerschulischer Partner. Sie können dabei helfen, eine bessere Abstimmung der erweiterten Angebote mit Interessen und Neigungen der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen, die Fördermöglichkeiten für Begabungen und bei individuellen Defiziten zu erweitern, intensivere soziale Kontakte zwischen Schülerinnen und Schülern verschiedener Altersgruppen und zwischen Pädagoginnen und Pädagogen zu entwickeln und somit der pädagogischen Entwicklung, der Ausprägung des Schulklimas und der Vernetzung von Schule und Öffentlichkeit zu dienen. Sie bieten verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler und Eltern, insbesondere im außerunterrichtlichen Bereich. Sie ermöglichen verstärkte Lebensnähe und eine engere Verbindung zur Arbeitswelt." Deshalb sind auch klare Empfehlungen der Kommission beschrieben:
1. an den Grundlagen das abgestimmte Zusammenwirken von Unterricht und Hort sowie von Lehr- und Hortpersonal zu fördern und zu evaluieren und dabei die Entwicklung von Schulprofilen, die auf Rhythmisierung des Unterrichts gerichtet sind, besonders zu fördern;
2. für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I an Regelschulen, Gymnasien und Gesamtschulen außerunterrichtliche Angebote zu erweitern und bedarfsgerechte Initiativen zum schrittweisen Ausbau von Ganztagsschulen materiell und personell zu fördern und zu begleiten;
3. in die Ganztagsangebote auch externe Personen, Institutionen wie Vereine, Verbände, freie gemeinnützige Träger und Betriebe mit einzubeziehen, um Lerninhalte le
bensnäher zu gestalten und stärkere Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Meine Damen und Herren, für uns hat die Förderung aller Schüler Priorität, von den besonders Begabten bis zu denen mit Defiziten und Behinderungen. Förderung ist der Schlüssel für Leistungssteigerung; Förderung hat Vorrang vor Auslese. Im Bericht ist im Zusammenhang mit der erforderlichen Schulentwicklung festgestellt, Reformbedarf besteht bei der Entwicklung eines Konzepts des Lernens durch Verstehen und eines Leitbilds der Förderung. Äußerliche Restriktionen tragen häufig nicht zur nötigen Motivation und Ermutigung bei, die nach allen Erkenntnissen der Bildungsforschung für eine erfolgreiche Schulentwicklung erforderlich sind. Ein neuer Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft erfordert unter anderem Umdenken in der Lehr- und Lernkultur, bei größeren Ressourcen und Leistungen, bei der individuellen Förderung, Verantwortung für alle Schüler bis zum Schulabschluss in derjenigen Schule, in der sie aufgenommen wurden, und umfassende Einbeziehung von Partnern, insbesondere der Eltern.
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Enquetekommission dabei auf die zunehmende Rolle der individuellen Förderung. Die Kommission empfiehlt, in allen Schularten Rahmenbedingungen für die Differenzierung des Unterrichts und für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler zu schaffen bzw. zu verstetigen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Personalausstattung, auf die Qualifizierung des Personals sowie auf ideelle, materielle und finanzielle Anreize. Und für das Personal im Elementarbereich und für Lehrkräfte aller Schularten sollte auch ein Weiterbildungsangebot eingerichtet werden, das die Fähigkeiten, die Verbindung von pädagogischer Diagnostik und didaktischen Handelns verbessert. Die Thüringer Landesregierung sollte sich hierbei der Ressourcen der Universitäten und des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien versichern.
Meine Damen und Herren, bestätigt fühlen wir uns auch in der Auffassung, dass Integration Vorrang vor Auslese hat. Hierbei geht es nicht nur um die Integration von Kindern mit Defiziten, Behinderungen und Migrationshintergrund, es geht generell um den Grundsatz der integrativen gemeinsamen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher Leistungskraft und unterschiedlicher Lebensperspektiven über das Grundschulalter hinaus.
Wir fordern längeres gemeinsames Lernen. Wir teilen den Standpunkt von Furck, der im Bericht der Enquetekommission zitiert wird - ich zitiere -, "dass einerseits innere Schulreform schnell an ihre Grenzen stößt, wenn die äußere Reform ihr nicht folgt, dass andererseits eine äußere Reform nur leere Hülsen hervorbringt, wenn sie nicht didaktisch und pädagogisch gefüllt wird." Deshalb hat der
Bericht die schulstrukturellen Probleme in Thüringen zwar deutlich benannt, aber in einen inhaltlichen Kontext gestellt und dabei die unterschiedlichen Denkrichtungen gekennzeichnet.
Die Position der SPD im Rahmen dieser Denkrichtungen ist klar. Wir streben eine strukturelle Verlängerung des gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe I an, also eine integrative Schulform mindestens bis zum Ende des 8. Schuljahres. Im Enquetebericht heißt es dazu weiter: "Damit sowohl über anschließende allgemein bildende als auch berufsbildende Schulen höhere Zugangsraten erreicht werden können, ist die strukturelle Verlängerung des gemeinsamen Lernens mit einem expliziten Förderungsprogramm zu verbinden. Die erste Denkrichtung kann sich seit Neuestem auch auf das PISA-Konsortium berufen, das bisher bei seinen strukturellen Empfehlungen sehr zurückhaltend war. In der jüngsten Studie heißt es heute zusammenfassend: 'Es sind im europäischen Vergleich... Gemeinsamkeiten in der Wahl der Mittel erkennbar, mit denen in den Vergleichsländern zumindest bis zur Sekundarstufe I die gewünschte Entkopplung von sozialer Herkunft und Schulleistung in hohem Maße erreicht worden ist. Offenbar spielt dabei die curriculare und schulorganisatorische Einheitlichkeit in der Sekundarstufe I eine wichtige Rolle.'"
Meine Damen und Herren, gerade vor dem Hintergrund des Enqueteberichts ist es für mich unverständlich, dass Sie von der CDU trotz der weiterhin ausgeprägten Auslese nach sozialer Herkunft der Kinder, trotz unzureichender Prognosesicherheit bei der Laufbahnempfehlung, trotz mangelhafter Förderung und trotz regionaler Disparitäten an einem separierten Bildungsgang des Thüringer Gymnasiums ab Klasse 5 auf Dauer festhalten wollen. Wir wollen das nicht.
Es gibt im Bereich Schulen und ihre Partner natürlich noch eine Reihe wichtiger Entwicklungsimpulse durch die Enquetekommission, die ich hier nur summarisch auflisten kann. Es gibt Empfehlungen zur Entwicklung von Modellen für selbständige Bildungseinrichtungen - Budgetierung, Stellenausschreibung, Anreizsysteme sind hier die Stichworte. Es gibt differenzierte Empfehlungen zur Schulentwicklung, zu einem Konzept praktischer Bildung an der Regelschule, zu einem Unterstützungssystem für die veränderte Schuleingangsphase, zur Integration und Berufswahlvorbereitung. Es wird ein Entwicklungsprogramm für Unterricht und Lernqualität gefordert, die gezielte Fortbildung für Leitungspersonal, ein Etat für Schulentwicklungsforschung. Es gibt Empfehlungen zur Lehrerausbildung, zur Entwicklung von Modellen der Arbeitszeitgestaltung, zur Erweiterung von verbindlichen Einstellungskorridoren für pädagogisches Personal und nicht zuletzt zur Vermittlung von Medienkompetenz. Meine Damen und Herren, natürlich gab es in den Beratungen der Enquetekommission auch erhebliche Auffassungsunterschiede. Und doch ist der Bericht ein Ergebnis erfolgreicher Suche nach
tragfähigen Kompromissen zwischen den Sachverständigen und auch zwischen den Vertretern der Fraktionen. Natürlich gehen die Vorstellungen der einzelnen Parteien teilweise weiter. Viele dringende Empfehlungen für Veränderungen gehen vermutlich denjenigen viel zu weit, die so uneingeschränkt stolz auf den derzeitigen Stand des Thüringer Bildungswesens sind. Wenn gefragt wird, weshalb wir als Sozialdemokraten keine Sondervoten zu Teilen des Berichts abgegeben haben, wo wir Halbherzigkeiten spürten, dann gilt es noch einmal zu betonen, wir wollten einen möglichen konstruktiven Kompromiss nicht gefährden, indem wir uns von einer heute noch bestehenden absoluten Mehrheit wegstimmen und auf das Nebengleis von Sondervoten abdrängen lassen. Wir sind froh darüber, dass der Bericht Wege in eine bessere Zukunft der Thüringer Bildungslandschaft bahnen hilft. Der Bericht ist aber auch kein Abschluss. Wir hatten von Anfang an befürchtet, dass eine zu weite Aufgabenstellung für die Kommission den Erfolg gefährden könnte. Das hat sich insofern bestätigt, dass zum Beispiel Fragen der Bildungsfinanzierung ausgeklammert werden mussten und zu anderen Teilen nicht in der von den Sachverständigen gewünschten Gründlichkeit beraten werden konnte. Also bleibt für die Thüringer Landesregierung noch sehr viel für eine Schulreform zu tun,
was die Realisierung einmal der 70 Empfehlungen angeht, aber auch was diejenigen Bereiche betrifft, die darüber hinaus bessere Lösungen verdienen. Die SPD-Fraktion, das kann ich hier versprechen, wird sich dafür auch in der nächsten Legislaturperiode nachdrücklich einsetzen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf hat folgenden Hintergrund: In seiner jetzigen Fassung trägt das Thüringer Schulgesetz den Erfordernissen der Zeit, wie sie sich aus PISA und auch ähnlichen internationalen Vergleichsstudien ergeben, nur höchst unzureichend Rechnung. Im Gesetzestext finden international weit verbreitete und in der wissenschaftlichen Fachdiskussion unumstrittene Strukturelemente schulischer Bildung und Erziehung nahezu keinen Niederschlag. Ich nenne hier nur längeres gemeinsames Lernen, der Ausbau schulischer Ganztagsangebote, eine stärkere Eigenständigkeit der Schulen und Schulprofilierung sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung und Evaluierung der schulischen Bildungsqualität. Änderungen der gesetzlichen Grundlagen erscheinen uns unumgänglich, um das Thüringer Schulsystem endlich in ausreichendem Maße an den internationalen Bestrebungen zur Reform und qualitativen Verbesserung schulischer Bildung und Erziehung partizipieren zu lassen.
Meine Damen und Herren, wir wollen also mit unserem Gesetzentwurf den Grundstein für eine umfassende, in die Zukunft gerichtete Schulreform in Thüringen legen. Dabei setzen wir folgende Schwerpunkte: An der Regelschule soll künftig bis einschließlich Klassenstufe 9 verbindlich gemeinsam gelernt werden. Diese zum Schuljahr 2005/2006 greifende Neuregelung ist der erste Schritt zu einer umfassenden Festschreibung längeren gemeinsamen Lernens. Deshalb wollen wir in Thüringer Schulen zugleich die Möglichkeit eröffnen, in Schulversuchen Erfahrungen mit Modellen gemeinsamen Lernens zu sammeln, welche über die für die Regelschule gefassten Bestimmungen hinausgehen. Ferner soll allen Thüringer Schulen ab dem kommenden Schuljahr größtmögliche pädagogisch-erzieherische und organisatorisch-administrative Selbständigkeit eingeräumt werden. Diese wichtige Neuerung erfordert zudem eine Stärkung der Schulkonferenz als demokratisch legitimiertes Vertretungsgremium der Schulgemeinde, aber auch die verbindliche Einführung von Mechanismen zur kontinuierlichen internen und externen Evaluation der Qualität schulischer Bildung und Erziehung.
Darüber hinaus wollen wir verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen zur Errichtung von Ganztagsschulen festschreiben. Der integrativen Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf soll zudem Vorrang auch im Schulgesetz eingeräumt werden. Und es gilt, endlich die Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern einzuführen.
Meine Damen und Herren, damit habe ich Ihnen die wesentlichen Inhalte unseres Gesetzentwurfs in der gebotenen Kürze skizziert. Wir legen den anderen Fraktionen des Hauses heute ein konkretes, realistisches, realisierbares Angebot für die Reform des Thüringer Schulwesens vor. Es gemeinsam zu nutzen, in unseren Schulen um
zusetzen, das ist allein eine Frage des politischen Willens. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer in diesen Tagen einen Blick auf die bildungspolitische Landkarte Deutschland wirft, stellt rasch eines fest: In Thüringen herrschen Stillstand und Innovationsscheu.
Herrschen ist dabei, denke ich, das richtige Stichwort, denn es ist die jetzige Landesregierung, die für diesen Zustand verantwortlich ist.
Lassen Sie mich das nur an einigen Beispielen verdeutlichen. Ende November 2002 hat der Landtag das Thüringer Schulgesetz novelliert. Die Resultate von PISA und PISA E waren seinerzeit bereits bekannt und wurden auch breit diskutiert. Von eklatanter bildungspolitischer Bedeutung ist bei diesen Vergleichsstudien, dass der Kompetenzvorsprung der Schüler aus den PISA-Spitzenstaaten gegenüber den getesteten Schülern in Thüringen mehr als ein bis zwei Schuljahre beträgt. Das ist ein Ergebnis, das wir zur Kenntnis genommen haben und da kann man auch nicht die Ergebnisse deutschlandweit betrachten. Auch hier wissen wir ja ganz genau, wenn ich wirklich die Kinder von Asylbewerbern abziehe, dann sind wir eben nicht auf Platz 4, sondern stehen wir auf Platz 10 von 14 Staaten, das ist ja die bittere Realität. Aus der langen Liste nötiger, in den PISA-Spitzenstaaten größtenteils seit langem realisierten bildungspolitischen Innovationsschüben möchte ich hier einige herausgreifen, die auch zur Grundlage unseres Gesetzentwurfs geworden sind, nämlich das längere gemeinsame Lernen, der Ausbau von schulischen Ganztagsangeboten, die individuelle Schülerförderung, neue und differenzierte Unterrichtsformen, mehr Eigenständigkeit der Schule und Schulprofilierung und damit im Zusammenhang - ich habe es schon einmal gesagt - die Weiterentwicklung. Es geht um die Weiterentwicklung und Evaluierung der Bildungsqualität. In der Schulgesetznovelle von 2002 findet sich nichts davon. Das haben wir schon bei den Lesungen der Gesetzentwürfe kritisiert. Unsere Argumente haben damals bei der Mehrheitsfraktion des Hauses aber keinen Widerhall gefunden. Ähnlich unbefriedigend ist es ja auch mit der neuen Regelschulordnung. Wenn man sie wirklich auf ihren Kern reduziert, sinkt dort lediglich die Zahl der Unterrichtsfächer, indem im Kurssystem eine Differenzierung in Haupt- und Realschüler vorgenommen werden muss und es gibt für die Schulen mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Stundentafel. Das begrüße ich natürlich generell.
Minister Krapp verkauft aber die genannten Detailänderungen als längeres gemeinsames Lernen an der Regelschule. Aber das, meine Damen und Herren, ist Etikettenschwindel, denn es fehlt die Verbindlichkeit der neuen Bestimmungen zur Reduktion der verpflichtenden Differenzierung für alle Regelschulen. Diese Veränderungen greifen lediglich bei Regelschulen mit Kurssystem, und Sie wissen genau, das sind nicht einmal ein Viertel aller Regelschulen. Die übrigen Regelschulen haben abschlussbezogene Klassen eingerichtet, und sie haben dies getan, weil für die integrierte Form - und auch das wissen Sie, Herr Minister
der Regelschule bis heute die personellen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Und auch daher ist die neue Regelschulordnung nur eine Mogelpackung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun ein letztes Beispiel für den gegenwärtigen Zustand der Bildung in Thüringen nennen. Auch bei den schulischen Ganztagsangeboten bleibt hierzulande der notwendige bildungspolitische Innovationsschub aus. Die Landesregierung ruft zwar rege das Geld aus dem Bundesprogramm ab, pädagogische Konzepte spielen jedoch bei der Weiterleitung der Gelder an den Schulträger so gut wie keine Rolle und in Thüringen droht das Ganztagsschulprogramm zu einem reinen Schulsanierungsprogramm zu mutieren.
All diese Punkte haben wir oft genug auch hier im Hause kritisiert, gebracht hat das nichts. Deshalb wollen wir es nicht länger bei bloßer Kritik belassen und legen einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes vor. Dabei knüpfen wir an die bisherige Entwicklung in Thüringen an und orientieren uns an praktikablen Lösungen. Es geht uns in unserem Gesetzentwurf um nachhaltige Veränderungen im Rahmen der täglichen Arbeit der Schule. Dabei setzen wir folgende Schwerpunkte:
- konsequente Einführung des gemeinsamen Lernens an der Regelschule und darüber hinaus das Ermöglichen von Schulversuchen zum längeren gemeinsamen Lernen im Rahmen der Profilierung der Einzelschule,
- größtmögliche Eigenverantwortung der Schule,
- kontinuierliche Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung und damit verbunden sind eine Erweiterung natürlich der Mitbestimmungsrechte der Schulkonferenz und die Stärkung der Schulleitung,
- gesetzliche Rahmenbedingungen für die Errichtung von Ganztagsschulen,
- Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern und der Vorrang der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun zu diesen Schwerpunkten im Einzelnen einiges sagen.
Zunächst zum Punkt 1 - längeres gemeinsames Lernen: PISA hat uns gezeigt, Deutschland ist Weltmeister in der sozialen Auslese. In keinem vergleichbaren Land bestimmt soziale Herkunft so stark den Schulerfolg wie in Deutschland. Und hier
- ja, ja, ich komme auf Thüringen, Herr Emde, ich komme natürlich auf Thüringen - in Thüringen hat ein Ober
schichtenkind bei gleichem schulischen Kompetenzniveau eine mehr als doppelt so hohe Chance, in der Klasse 4 die Übergangsempfehlung für das Gymnasium zu bekommen, wie ein Kind aus unteren Schichten. Auch das können Sie ja im Bericht der Enquetekommission nachlesen, wir haben es ja gemeinsam auch so aufgeschrieben.
Anstatt den Kindern Bildungswege zu eröffnen, führt also unser System der frühen Aufteilung auf unterschiedliche Schularten allzu oft in Bildungssackgassen. Viele der bei PISA erfolgreichen Staaten gehen einen ganz anderen Weg, sie lassen die Schüler länger gemeinsam lernen und ermöglichen in den Klassen und Lerngruppen einen nach Leistungsniveau differenzierten Unterricht. Dabei erhalten alle Schüler individuelle Förderung und Unterstützung, sie werden konsequent und umfassend in ihren Stärken gefördert. Genau das wollen wir auch in Thüringen ermöglichen und deshalb treten wir für gemeinsames Lernen aller Schüler bis Klassenstufe 8 ein.
Wir beginnen in unserem Gesetzentwurf mit konkreten Schritten bei der Regelschule. An einer Regelschule sollen künftig alle Schüler bis einschließlich Klasse 9 in allen Fächern gemeinsam unterrichtet werden. Dabei steht natürlich die individuelle Förderung im Mittelpunkt, eine Förderung der Leistungsstarken ebenso wie der Leistungsschwächeren. Wichtig ist, dass diese verbindliche Festschreibung gemeinsamen Lernens an den Regelschulen erst ab dem Schuljahr 2005/2006 greifen soll, um den Schulen den notwendigen Vorlauf zu ermöglichen. Zudem sieht unser Gesetzentwurf Schulversuche vor, mit denen wir weitere über die Regelschulen hinausgehende Erfahrungen zum längeren gemeinsamen Lernen sammeln können. Auf dieser Basis wollen wir später gemeinsames Lernen aller Schüler bis Klasse 8 realisieren. Es geht uns also um eine solide vorbereitete Umsetzung bildungspolitischer Innovationen und nicht um Herumexperimentieren auf Kosten der Schulen, wie uns hier vorgeworfen wird.
Ich möchte an dieser Stelle zudem betonen, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, dass wir uns keinesfalls vom längeren gemeinsamen Lernen bis Klasse 8 verabschiedet haben. Uns ist jedoch auch bewusst, dass man - und das unterscheidet uns - mit gewachsenen Strukturen nicht per Knopfdruck einfach umgehen kann und sie so weit umgestalten kann, wie Sie sich das sozusagen ideologisch vorstellen. Die Realisierung längeren gemeinsamen Lernens braucht Zeit, sie benötigt die Akzeptanz der Bevölkerungsmehrheit und einen möglichst breiten Konsens im parteipolitischen Raum. Ideologisch geprägte Machbarkeitsphantasien helfen uns da nicht weiter, Frau Sojka, und auch nicht der Vorwurf, wir hätten uns vom längeren gemeinsamen Lernen verabschiedet. Nein, wir suchen konkrete Wege und wollen das nicht als Monstranz allein vor uns hertragen.
An dieser Stelle sei mir ausgewogenheitshalber auch noch eine Replik in Richtung CDU erlaubt: Herr Minister Krapp und auch der Kollege Emde haben sich ja besorgt gezeigt, dass die von uns gewollte konsequente Festschreibung gemeinsamen Lernens an der Regelschule nicht die Anerkennung der KMK finden könnte. Ich denke, Ihre Sorgen in Ehren, aber der KMK-Beschluss über die Schularten und Bildungsgänge im sekundaren Bereich I, den Sie immer wie eine Monstranz vor sich her tragen, stammt von 1996. Er ist fünf Jahre vor PISA entstanden, reflektiert damit überhaupt nicht den gegenwärtigen bildungspolitischen Diskurs und wird in PISA mit Sicherheit in nächster Zeit auf der Agenda der Kultusministerkonferenz stehen. Das heißt, die Tage dieser Regelung sind gezählt. Und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein haben vor kurzem erklärt, dass sie in ihren Ländern ebenfalls längeres gemeinsames Lernen realisieren wollen; von einem Thüringer Sonderweg kann also keine Rede sein.
Meine Damen und Herren, ich komme zum zweiten Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfs, der größtmöglichen Eigenverantwortung der Schulen: Ohne dass sich das Land damit aus seiner Bildungsverantwortung zurückzieht, wollen wir den Thüringer Schulen größtmögliche Eigenständigkeit geben. Wir wollen, dass die Schulen mit Hilfe eigener Schulprogramme und orientiert an verbindlichen Bildungsstandards künftig selbst ihr pädagogisches, fachliches und organisatorisches Profil entwickeln können. Den Schulen muss zudem der Abschluss von Rechtsgeschäften möglich sein. Sie müssen ihre Sachmittel selbst bewirtschaften können und die Schulleiter brauchen größere Kompetenzen bei der Personalauswahl, Personalentwicklung und Personalführung. Zu so viel Eigenverantwortung, das ist klar, gehört auch eine gewisse Rückkopplung. Deshalb wollen wir die Schulen verpflichten, regelmäßig an internen und externen Evaluationen zum Stand der von ihnen vermittelten Bildungsqualität teilzunehmen. Dabei geht es nicht darum, Fehler anzuprangern und es geht auch nicht um einen Schul-TÜV, sondern um Hilfestellung und Orientierung für unsere Schulen.
Zu Punkt 3 - Ganztagsschulen: Unser Ziel ist hier klar, wir brauchen klare gesetzliche Rahmenbedingungen für die Schulen, welche sich zu Ganztagsschulen entwickeln wollen. Diese Schulen brauchen Verlässlichkeit und Sicherheit und vor allem muss endlich die Wertigkeit der pädagogischen Konzepte festgeschrieben werden, denn ohne sie ist bei den schulischen Ganztagsangeboten ein Plus an Bildungsqualität nicht zu erzielen.
Zu Punkt 4 - Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern: Die Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern sollte nach Wunsch der Landesregierung ursprünglich Bestandteil der Schulgesetznovelle vom November 2002 sein. Hardliner der CDU-Fraktion haben seinerzeit eine Streichung dieses Passus erreicht. Wir halten das nicht nur aus humanitären Gesichtspunkten für unverantwortlich - schließlich geht es um die Realisierung des Menschenrechts auf
Bildung -, sondern auch aus bildungspolitischen Erwägungen. Empirische Untersuchungen zeigen nämlich eindeutig, dass mit dem Verzicht auf die Schulpflicht eine hohe Barriere für den Bildungszugang für Kinder von Asylsuchenden errichtet wird.
Zu Punkt 5 - Integration: Thüringen hat mit 7,1 Prozent bundesweit den höchsten Anteil an Förderschülern; der Bundesdurchschnitt liegt bei 5,6 Prozent. Hier besteht eindeutig, das wissen wir alle, Handlungsbedarf. Wir müssen daher den Stellenwert integrativer Beschulung erhöhen und das bedeutet letztendlich auch, dass wir im Schulgesetz den Vorrang der Integration gegenüber anderen Formen der Beschulung festzuschreiben haben.
Meine Damen und Herren - ich habe vom Schulgesetz gesprochen -, ich denke, es ist Ihnen deutlich geworden, dass unser Gesetzentwurf die derzeit für Thüringen notwendigen bildungspolitischen Weichenstellungen beschreibt und wir malen dabei keine Wolkenkuckucksheime, sondern zeigen realisierbare Lösungsansätze auf. Wir fordern deshalb auch die anderen Fraktionen des Hauses auf, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit unserer Gesetzesinitiative zu führen. Ich beantrage die Überweisung an die Ausschüsse. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nur einige wenige Anmerkungen zu Leinefelde-Worbis. Der Kollege Pohl hat ja zur Begründung den Bürgermeister Eckart Lintzel zitiert und ich kann Satz für Satz unterstreichen. Damit wird auch deutlich, es geht um die gemeinsame Verantwortung für die Region. Alle Fraktionen der Stadträte und die übergroße Mehrheit der betroffenen Gemeinderäte haben sich dazu eindeutig bekannt. Ich denke, das ist eine sehr gute Basis für die weitere Entwicklung der neuen Gemeinde, auch wenn den kommunalen Mandatsträgern sehr wohl klar ist, die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.
Meine Damen und Herren, ich möchte - und deswegen bin ich hier vorgegangen - vor allem den Mitgliedern des Innenausschusses Dank sagen für die zügige Beratung und auch für die eingebrachte Änderung, die ja die sofortige Finanzierung auf der neuen Grundlage ermöglicht. Ich sage, gerade bei der Haushaltslage ist das ja nicht selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger der neuen Gemeinde Leinefelde-Worbis. Heute ist aber auch ein guter Tag für unser Eichsfeld und, ich denke, ein beispielgebender für das Land Thüringen. Danke.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie hier noch ausharren, meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte Sie konkret ansprechen, dass Sie über zehn Jahre gebraucht haben, um zu begreifen, dass nachmittägliche Angebote an unseren Schulen sowohl notwendig sind als auch erfolgreich umgesetzt werden können, ist nun wahrlich kein Grund in Euphorie auszubrechen.
Viele Schulen hätten gern viel früher ihre Angebote ausgebaut,
wenn die Landesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen, so wie sie jetzt vorliegen, gesetzt hätte. Dass die Schulträger zu Recht kritisiert haben, dass man ihnen das Geld aus der einen Tasche gezogen hat, um es in die andere Tasche zu stecken, sei hier nur am Rande vermerkt. Meine Damen und Herren, mein Besuch vor Ort an den Schulen hat mir gezeigt, Schuljugendarbeit wird gut angenommen und an vielen Schulen auch innovativ umgesetzt. Dass die Schulen häufig nach dem additiven Modell Projekte der Schuljugendarbeit beginnen, ist dabei nicht anders zu erwarten. Wenn wir allerdings auch in diesem Bereich den Prozess der Qualitätsentwicklung in Gang bringen wollen, brauchen die Projekte natürlich Kontinuität. Bis jetzt ist Schuljugendarbeit ja durch den Doppelhaushalt nur für zwei Jahre gesichert.
Schulen und ihre Partner brauchen aber Verlässlichkeit. Deshalb sollten wir uns sehr wohl überlegen, wie wir die Schuljugendarbeit auf eine gesetzliche Grundlage stellen können. Meine Damen und Herren,
Schuljugendarbeit ist ein wichtiger Baustein für Schulentwicklung in Thüringen, kann aber weder Schulsozialarbeit noch ganztägige Angebote ersetzen. Danke.
Herr Kollege Goebel, dass Ihnen das nicht in den Kram passt, das ist mir schon klar. Aber Sie müssen damit leben.
Ich habe ja viel Verständnis, was den Kollegen Emde betrifft,
aber 4 Mrd.   4"#3  und gleichzeitig ein Programm zu feiern, was mit 3,2 Millionen datiert ist, das ist wirklich ein Wunder, was Sie hier vorlegen.
Ich denke, wenn man sich wirklich mal genau anschaut wie viel Geld für die Thüringer Schule übrig bleibt, für jede Schule möglicherweise, das sind immerhin 126.000  pro
Schule, die sozusagen anspruchsberechtigt wären. Und da könnte man sehr wohl in Richtung Auf- und Ausbau ganztägiger schulischer Angebote sehr viel bewerkstelligen. Aber ich sage bewusst, man könnte. Denn es sieht so aus, als wollte die Landesregierung das Innovationspotenzial des Ganztagsschulprogramms nicht wirklich nutzen. Minister Krapp hat das hier noch einmal deutlich gemacht. Wir haben uns ja vor rund acht Monaten schon einmal in einer Aktuellen Stunde mit der Thematik befasst. Ich habe damals gefordert, dass wirklich die Schulen dabei engagiert zu begleiten sind. Dies bedeutet einerseits die nötigen personellen Rahmenbedingungen zu schaffen und andererseits ein professionelles Beratungs- und Unterstützungsnetzwerk wirklich ins Leben zu rufen. Passiert ist seitdem weder das eine noch andere. Weder stehen den Thüringer Schulen, die sich am Bundesprogramm beteiligen wollen, mehr Lehrerwochenstunden und zusätzliche pädagogische Fachkräfte zur Verfügung noch existieren zentrale Informationsbörsen oder Diskussionsforen und von Ganztagschulfachberatern und Ähnlichem habe ich auch noch nichts gehört. Es wird ja gebetsmühlenartig auch das haben wir heute wieder erfahren - darauf verwiesen, dass die Schulen ihren personellen Mehrbedarf über das Landesprogramm zur Schuljugendarbeit abdecken können. Dieses Argument, meine Damen und Herren, trägt nicht. Zum einen stehen den antragsberechtigten Schulen aus diesem Programm jährlich im Schnitt rund 8.000  Verfügung und zum anderen können sie mit den Landesmitteln lediglich Honorarkräfte befristet beschäftigen, nicht aber pädagogisches Fachpersonal einstellen.
Meine Damen und Herren, ein Blick über den bildungspolitischen Gartenzaun zeigt uns, dass man mit der Personalfrage auch anders umgehen kann, wenn man einen wirklich flächendeckenden Auf- und Ausbau ganztägiger schulischer Angebote wirklich will. In Rheinland-Pfalz etwa stellt die Landesregierung den Schulen ohne Wenn und Aber das nötige Plus an Pädagogen zur Verfügung. Durch diese spezielle Personalzuweisung gibt das Land den Schulen die Sicherheit, ihr Konzept mit einem hohen Qualitätsanspruch umzusetzen. Derart halbherzige Personallösungen, wie sie bei uns mit dem Landesprogramm praktiziert werden, stehen dort überhaupt nicht zur Debatte.
Aber auch in anderer Hinsicht lässt sich von RheinlandPfalz lernen. Schulen mit Ganztagsangeboten erhalten systematische Unterstützung durch pädagogische Serviceeinrichtungen, aber auch durch wissenschaftliche Begleitung. Meine Kritik an die Landesregierung bezieht sich aber nicht allein auf die Personalunterstützungsproblematik. Ein weiterer Schwachpunkt - und darauf hat auch schon Kollegin Stangner hingewiesen - liegt in der praktizierten Aufteilung der 114 Mio. " 4gramm nach Schülerzahlen und Gebietsfläche der Schulträger. Kleinere Schulträger laufen durch diese Vorgehensweise Gefahr, ihre Projekte bei einer weit höheren Eigenbeteiligung als sie anfangs seitens des Kultusministeriums verlautbarten 10 Prozent realisieren zu können. Und das ist kleineren Schulträgern angesichts der kommunalen Finanzsituation
oftmals nur mit größter Mühe möglich, mitunter auch gar nicht. Zudem führt das Kultusministerium so das Ganztagsprogramm ad absurdum, denn die Mittelausschüttung orientiert sich nicht primär, und das haben wir heute wieder erfahren, an der Qualität der eingereichten pädagogischen Konzepte, sondern an Kopf- und Flächenzahlen, also rein quantitative Kriterien. Ob der Schulträger wirklich etwas pädagogisch Sinnvolles will oder nur sein Schulgebäude sanieren, findet dabei kaum Berücksichtigung. Eigentlich haben wir heute erfahren, Herr Minister Krapp, dass Sie Ganztagsangebote überhaupt gar nicht wirklich mit ehrlichem Herzen wollen. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund hat Anfang November in einem Schreiben an das Kultusministerium den Modus der Mittelausreichung ja völlig zu Recht als nicht nachvollziehbar kritisiert.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Blick über den bildungspolitischen Gartenzaun lehrt, dass eine derart mechanistische und sinnwidrige Förderpraxis in keinem anderen Bundesland existiert. Bloß Hessen arbeitet ebenfalls mit der Mitteltranchierung. Diese erstreckt sich aber lediglich über 75 Prozent der Gesamtmittel. Die restlichen 25 Prozent gehen dort in einen Sondertopf, mit dessen Hilfe Benachteiligungen kleinerer Schulträger ausgeräumt werden sollen. Wenn also schon Tranchierung, dann wenigstens mit Verstand.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassen: Die bisherige Umsetzung des 4-Milliarden-Ganztagsschulprogramms in Thüringen befriedigt uns ganz und gar nicht. Der Landesregierung fehlt offenbar der Wille die bildungspolitischen Entwicklungspotenziale dieses Programms wirklich zu nutzen.
Zu Lasten unserer Schulen, der Schüler, Lehrer und Eltern, meine Damen und Herren, sind wir dabei in Thüringen Bildungspolitik zu verschlafen, aber das ist ja leider nichts Neues.
"Lieber Hans-Jürgen, es ist noch nichts entschieden für alle Zeiten und falls es für dich überhaupt eine Frage ist, bleib auf jeden Fall in der DDR."
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, diese Nachricht erhielt ich von Jürgen Fuchs im März 1978, einem halben Jahr nach Haftentlassung und Abschiebung nach Berlin-West. Selbst in für ihn schwierigen Zeiten hat Jürgen Fuchs immer wieder Mut gemacht, man konnte sich seiner Solidarität immer sicher sein. Er war nicht nur ein unbequemer Mahner, er hat vor allem Mitmenschlichkeit vorgelebt. Es war für ihn selbstverständlich, das Gesagte auch zu leben und er ist sich und seinen politischen Überzeugungen bis zu seinem Tod treu geblieben. Das wird auch in seiner Jenaer Poetikvorlesung vom Juni 1993 deutlich. Ich zitiere: "Die Kultur, die Toleranz, das Lebenlassen der anderen müssen sich behaupten. Dafür macht es Sinn, Mühe, Entbehrung, sogar Leiden auf sich zu nehmen. Wir müssen die offene Gesellschaft, die gerade erst zustande kam, entschieden verteidigen, allerdings ohne uns in den starken Staat zu verrennen."
Meine Damen und Herren, eine Bannmeile mit dem Namen Jürgen Fuchs zu verbinden,
ist politisch unsensibel, ist geradezu grotesk, ist einfach nicht hinnehmbar.
Kollege Schwäblein und Kollege Fiedler, Sie haben nichts begriffen, und ich befürchte, Sie werden es auch nicht begreifen und Sie wollen es auch nicht begreifen. Frau Landtagspräsidentin Lieberknecht hat während des Symposiums zu Jürgen Fuchs zwei wichtige nachhaltige Sätze gesagt, ich zitiere: "Er hätte uns noch viel zu sagen gehabt. Gerade deshalb tun wir gut daran, umso genauer hinzusehen, hinzuhören, was sein Werk, was sein Leben uns als Botschaft hinterlassen hat."
Meine Damen und Herren, die durchaus guten Erfahrungen - Kollege Schemmel hat das eindeutig hier nachgewiesen - der Parlamente der anderen neuen Länder sind deutlicher Beweis, wir brauchen keine Bannmeile hier im Thüringer Landtag. Kollege Fiedler und Kollege Schwäblein, Sie haben keinerlei Argument gebracht, das wirklich deutlich gemacht hat, dass wir hier in Thüringen diese Bannmeile brauchen.
Lilo Fuchs hat mir in der ihr eigenen zurückhaltenden Art Folgendes geschrieben: "Es wäre mir schon angenehm, wenn die Regelung 'Sperrzone Jürgen-Fuchs-Straße' am Haupteingang und Plenarsaal des Thüringer Landtags wieder aufgehoben werden könnte."
Meine Damen und Herren, es liegt in unserer Hand.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kollege Panse, es ist natürlich richtig, die Schule ist wirklich der Ort, an dem Jugendliche überhaupt am meisten rauchen. Und es ist auch richtig, dass rund 30 Prozent der Jugendlichen jeden Tag im Rahmen der Schulzeit wirklich entweder im Schulgelände oder außerhalb des Schulgeländes rauchen. Offenbar ist der Schulhof wirklich der zentrale Ort, an dem Jugendliche wirklich Erfahrungen mit Zigaretten machen und an dem es auch dann wirklich sozusagen zur alltäglichen Gemeinsamkeit des Zigarettenkonsums kommt. Da gebe ich Ihnen völlig Recht, das ist so. Und deshalb ist hier Handlungsbedarf, da sind wir uns auch einig. Die Frage ist nur, wie gehen wir damit um? Und da sage ich eindeutig, ein generelles Verbot durch ein Gesetz allein wird nichts bringen. Da kennen wir ja die Realität. Die Realität ist klar. Wenn ich das mache, bedeutet das, dass ich auch die über 16-Jährigen dazu verführe, dass sie ganz woanders rauchen, nämlich auf der Toilette und sich andere Räume suchen. Das bedeutet, dass vor allem die Schüler der 7. und 8. Klassen, und das ist der Einstieg, dass die dort mit integriert werden, und damit schaffe ich gerade
für diese Schüler einen großen Einstieg zum Rauchen, und ich werde genau das Gegenteil erreichen von dem, was ich eigentlich will. Deshalb sage ich klar und deutlich, was wir brauchen, ist etwas anderes. Was wir brauchen, ist eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schülern, Eltern und Lehrern, d.h., wir müssen den Schulen wirklich verstärkt Hilfe anbieten, dass sie wirklich ein Gesamtkonzept erarbeiten, nämlich Umgang mit dem Rauchen an der Schule.
Das ist entscheidend. Und da habe ich nämlich noch gute Möglichkeiten. Wenn ich mir anschaue, die Schüler in der 5. und 6. Klasse lehnen mehrheitlich das Rauchen ab, haben eine Abneigung gegenüber dem Rauchen. Das ist klar erwiesen. Und dann in der 7. und 8. Klasse geht das los, und die Schüler fangen an zu rauchen. Wir müssen gerade da ansetzen, und da haben wir die Möglichkeiten, indem sich die Schüler selbst Programme geben, indem ich Verträge mit Schulklassen erarbeite, da gibt es sehr gute Möglichkeiten und sehr gute Erfahrungen. Hier bedarf es auch der klaren Regeln. Da sage ich klipp und klar, damit müssen sich die Schulen auch verstärkt auseinander setzen. Sie müssen auch die klaren Regeln beschreiben und einhalten, also Lehrer müssen darauf achten, dass Schüler, die noch nicht 16 sind, nicht rauchen. Das passiert leider nicht immer überall. Das ist entscheidend. Natürlich muss ich auch darüber nachdenken, dass ich größere Einschränkungen der Raucherlaubnis an Schulen festschreibe. Aber ich muss gleichzeitig auch Präventivangebote machen. Ich muss Hilfsangebote machen, und ich muss Schülern auch Ausstiegshilfen geben. Genau wie es für Erwachsene gilt, gilt es für Schüler auch. Von allein werden sie mit dem Rauchen nicht aufhören. Das muss in einem Gesamtkonzept entwickelt werden, dann haben wir Erfolg, insofern bin ich völlig der Meinung, Erfolge in Richtung einer rauchfreien Schule werden nur dann erreicht, wenn wirklich die gesamte Schulgemeinde in Entscheidungsprozesse einbezogen wird und wenn wirklich auch flankierende Maßnahmen für ausstiegswillige Raucher da mit angebunden werden. Das ist die Realität und deshalb ist unsere Haltung eine andere. Was wir machen müssen, wir müssen wirklich die Schulen in ihrem Bemühen unterstützen, die wirklich Vereinbarungen, freiwillige Vereinbarungen zu einem generellen Verzicht auf Tabakkonsum wirklich festschreiben. Das ist eigentlich der entscheidende Punkt. Wenn wir das erreichen, dass wir sozusagen die Schulgemeinde befähigen solche Vereinbarungen zu erreichen in einem Prozess, den wir unterstützen müssen, dann, denke ich, haben wir das erreicht. Mit einem generellen Verbot werden wir die Probleme nicht lösen, sondern wir werden die Probleme eher noch steigern. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich hätten wir uns den jetzt zu behandelnden Tagesordnungspunkt ersparen können. Der jetzt vorliegende Entwurf zielt nämlich darauf ab, einen Schaden zu reparieren, der durch Novellierung des Schulfinanzierungsgesetzes im Herbst 2002 überhaupt erst angerichtet wurde. Im Schulfinanzierungsgesetz waren ursprünglich die Schulträger als Träger der Schülerbeförderung festgeschrieben. Eine Rege
lung, die sich auch bewährt und in der Schülerbeförderung größtenteils zu effizienten und finanziell tragbaren und auch flexiblen Vor-Ort-Lösungen geführt hatte. Seitens der Schulträger wurde seinerzeit lediglich bemängelt, dass die Gesetzesbestimmung nicht auf das Wohnortprinzip abgestellt war und diesen Schwachpunkt hätte man bei der Gesetzesnovellierung im vergangenen Jahr ganz einfach beheben können. Stattdessen warf das Kultusministerium die gesamte bisherige Regelung über den Haufen und schrieb in seinem Entwurf die Landkreise und kreisfreien Städte als neue Träger der Schülerbeförderung fest. In der dann vom Bildungsausschuss anberaumten Anhörung - Kollegin Sojka hat das gerade eben schon mal ausgeführt - wies der Thüringer Gemeinde- und Städtebund nachdrücklich auf die Unausgegorenheit dieser Neuregelung hin. Die fachlich berechtigte Kritik des Gemeindeund Städtebundes fruchtete damals allerdings nicht. Die CDU-Fraktion wischte in einer für mich wirklich unbegreiflichen Arroganz die Vorschläge der Anhörungsteilnehmer vom Tisch und sie lehnte auch sämtliche Änderungsanträge zum Gesetzentwurf ab, die aus dieser Anhörung erwachsen waren. Darunter war auch ein Änderungsantrag zum Schulfinanzierungsgesetz, nämlich die Trägerschaft bei der Schülerbeförderung weiterhin bei den Schulträgern zu belassen. Wir haben es also nicht nur der fehlerhaften Vorlage des Kultusministeriums, sondern auch der Beratungsresistenz der CDU zu verdanken, dass wir die Novelle des Schulfinanzierungsgesetzes nach nur knapp einem Jahr erneut, und zwar diesmal im Sinne der Praxis, novellieren müssen.
Meine Damen und Herren, damit kein falscher Eindruck entsteht, betone ich, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf natürlich unterstützen. Die bisher gesammelten Erfahrungen mit der Neuregelung der Schülerbeförderung haben nämlich die Ende vergangenen Jahres geäußerten Vorbehalte des Gemeinde- und Städtebundes vollauf bestätigt. Um unbillige Härten bei kreisangehörigen Gemeinden, die Schulträger sind - Kollege Emde hat die Anzahl genannt -, zu vermeiden, muss die ursprüngliche Trägerschaft für die Schülerbeförderung wieder hergestellt werden. Dies gilt es nun zu reparieren und dem verweigern wir uns natürlich nicht. Ich wiederhole: Allerdings wäre das Problem gar nicht erst entstanden, wenn die CDU-Fraktion die Anhörung zur Schulgesetznovellierung ernst genommen hätte. Danke.
Also, ich höre nicht auf den Kollegen Fiedler, das habe ich noch nie gemacht und das werde ich auch nicht tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
es ist kein regionales Schaulaufen, sondern es geht darum, hier wirklich Dinge, die langzeitig auch vorbereitet wurden, auch mal zu würdigen und zu beschreiben. Das ist unsere Aufgabe hier im Parlament und nichts anderes.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der heutige Tag ist für das Eichsfeld ein guter Tag, denn wollen wir wirklich im Dreieck Nordhausen-Kassel-Göttingen uns behaupten, brauchen wir ein starkes Mittelzentrum Leinefelde-Worbis und die Einheitsgemeinde bringt uns diesem Ziel ein gutes Stück näher. Ich denke, wir können so in der Ortsentwicklung der Region neue Impulse setzen und, meine Damen und Herren, die Bildung einer größeren Einheit war ja in den betroffenen Gemeinden schon in den Jahren 1993/94 ein wichtiges öffentliches Thema, damals aber von den Dörfern, von den Gemeinden nicht mitgetragen worden. Es haben damals lediglich die Stadträte Leinefelde und Worbis, aber einvernehmlich, die erforderlichen Beschlüsse gefasst. Dass aber ein Zusammenschluss das Mittelzentrum wirklich leistungsfähiger machen wird, das haben immer wieder viele Befürworter aus Wirtschaft und aus den Stadträten angemahnt. Ich denke, es ist vor allem ein Verdienst der beiden Bürgermeister Eckart Lintzel, der ja heute hier auch zugegen ist und Gerd Reinhardt, dass die Diskussion wieder aufgenommen wurde und vor allem, dass die anliegenden Dörfer überzeugt werden konnten. Die Bildung einer Einheitsgemeinde hat bei den Bürgern der betroffenen Region breite Zustimmung gefunden und ich bin überzeugt, das wird auch die Anhörung deutlich machen. Auch die Gemeinde Ferna, Herr Fiedler hat darauf abgehoben, wird sich noch überzeugen lassen, davon bin ich überzeugt. Es hat sich hier eine Initiativgruppe "Zukunft Ferna" gegründet, die sich vehement für den Beitritt zur Einheitsgemeinde einsetzt.
Meine Damen und Herren, drei Probleme möchte ich noch zum konkreten Gesetzestext anmerken. Einmal der
§ 5 Abs. 3 und 4, das betrifft die Vertretungsfrage bis zur Wahl, also die Bestellung eines Beauftragten durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Wie soll das umgesetzt werden. Ich denke, hier bedarf es noch der Aufklärung. Zum anderen sollte der Gesetzestext so gestaltet werden, dass die neue Stadt die erhöhten Finanzausgleichsleistungen bereits in 2004 erhalten kann. Nach dem bisherigen Text ist das nämlich nicht möglich. Und nicht zuletzt geht es auch darum, dass der Wunsch beider Stadträte, den Schwerpunkt der Verwaltung in Worbis anzusiedeln, sich auch im Gesetzestext wiederfindet.
Meine Damen und Herren, ich habe die Diskussion zur Einheitsgemeinde Leinefelde-Worbis in den letzten Monaten intensiv begleitet. Als Worbiser und ehemals Leinefelder bin ich überzeugt, dass wir den richtigen Weg gehen und auch als Nichtinnenpolitiker weiß ich sehr wohl, Kollege Fiedler, größere Verwaltungsstrukturen sind das Gebot der Stunde und als Bildungspolitiker sage ich, ich hoffe sehr, dass das Beispiel Leinefelde-Worbis in Thüringen Schule macht. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Drogenprobleme an unseren Schulen nehmen zu. Jeder, der sich die Entwicklungen der Fallzahlen anschaut, kommt an dieser Erkenntnis nicht vorbei. 70 Drogendelikte an Thüringer Schulen im vorigen Jahr - Tendenz steigend. Da wir wissen, dass es eine enorme Dunkelziffer gibt, ist es trauriger Beweis. Der Versuch, darüber den Mantel des Schweigens zu decken, ist ebenso wenig hilfreich wie das Zuschieben des schwarzen Peters an die Lehrerinnen und Lehrer. Was wir brauchen, ist ein Netzwerk zur Hilfe und Unterstützung, getragen von Lehrern und Schulpsychologen und der Sucht- und Drogenberatung.
Meine Damen und Herren, natürlich liegt die Hauptaufgabe in der Suchtvorbeugung. Das seelische Immunsystem von Kindern und Jugendlichen muss gestärkt werden. Kinder und Jugendliche stark machen heißt vor allem, sie zu selbstbewussten Menschen zu erziehen, ihnen zu helfen Konflikte zu bewältigen und Ängste abzubauen, insbesondere soziales Verhalten zu erwerben. In Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und Schulpsychologen, mit Jugendhilfe und mit Eltern gilt es, gefährdete Jugendliche zu erreichen, Drogen konsumierende Jugendliche in der Experimentierphase zum Nachdenken zu bringen, ihnen Hilfemöglichkeiten aufzuzeigen und angemessene Reaktionen von Eltern und Lehrern zu initiieren. Nicht zuletzt müssen Suchtmittel missbrauchenden Kindern und Jugendlichen Ausstiegshilfen angeboten werden.
Die damit verbundenen komplexen Fragestellungen erfordern, denke ich, ein koordiniertes Vorgehen der Schule, erfordern ein Regelwerk zur strukturellen Prävention. Suchtberatungsstellen und Schulpsychologen müssen die Schulen im Prozess dieser Regelwerkentwicklung unterstützen. Hierbei geht es vor allem um die Erarbeitung von Basiswissen. Ein fundiertes Basiswissen über Sucht und Prävention bildet den Hintergrund für adäquates Handeln. Die Schulgemeinde sollte gemeinsam Regeln und Maßnahmen erarbeiten und durchsetzen. Schulvereinbarungen über das Vorgehen in Fällen von Drogenkonsum und Drogenmissbrauch als Hilfestellung und Richtschnur für das Verhalten von Schülern und Lehrern sind dabei sehr hilfreich. Natürlich müssen die erarbeiteten Regeln und Maßnahmen in den Schulalltag integriert, im Rahmenkonzept der Schule verankert und regelmäßig auf ihre Ziele und Nachhaltigkeit hin überprüft werden. Auch hier braucht die Schule die kontinuierliche Hilfe und Unterstützung von Schulpsychologen und Drogenberatung. Deshalb ist es unverantwortlich, hier den Rotstift anzusetzen.
Meine Damen und Herren, Sie kürzen sowohl bei Drogenberatung als auch beim schulpsychologischen Dienst.
Die Verträge der 15 zusätzlich nach Gutenberg eingestellten Psychologen nicht zu verlängern, ist mehr als fahrlässig und damit fällt Thüringen bei der Ausstattung mit Schulpsychologen erneut auf den letzten Platz im Bundesvergleich zurück.
Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Sonntagsreden, wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen zur Suchtprävention an unseren Schulen und wir werden Sie aus dieser Verantwortung auch nicht entlassen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Sie brauchen nicht fluchtartig den Saal zu verlassen, ich werde mich kurz halten. Durch Beschluss des Landtags vom 8. Mai 2003 ist der Gesetzentwurf "Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes" an den Ausschuss für Bildung und Medien überwiesen worden. Der Ausschuss für Bildung und Medien hat den Gesetzentwurf in seiner 41. Sitzung am 15. Mai 2003 und in seiner 43. Sitzung am 19. Juni 2003 beraten. Der Ausschuss hat eine schriftliche Anhörung und in seiner 42. Sitzung am 13. Juni 2003 eine Anhörung in öffentlicher Sitzung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt. Durch Mehrheitsbeschluss wurde der Gesetzentwurf mit folgenden Änderungen angenommen. Erstens, die Präambel bleibt erhalten und wird durch die Einbeziehung der Elternbildung erweitert.
Die Anträge von PDS- und SPD-Fraktion auf Aufnahme des lebensbegleitenden Lernens in die Präambel wurden ebenso abgelehnt wie der Antrag der PDS-Fraktion, in § 1 die Bedürfnisse behinderter Menschen besonders zu würdigen. Zweitens, in Nr. 5 wird der § 10 Rechtsanspruch der Einrichtung der Erwachsenenbildung auf Förderung wie folgt geändert. In Punkt a) in Abs. 1 wird nach dem Wort "Erwachsenenbildung" das Wort "angemessene" eingefügt. Unter Punkt b) in Abs. 7 werden folgende Sätze eingefügt: "Der prozentuale Anteil des Zuschusses zu den Personalausgaben darf zur Gewährleistung einer personellen Grundabsicherung der Einrichtung 50 vom Hundert der
Gesamtfördersumme je Einrichtung nicht unterschreiten. Für das Jahr 2003 kann eine von den Festlegungen der Sätze 2 bis 4 abweichende Übergangsregelung getroffen werden."
Die weiter gehenden Anträge von PDS und SPD zur Grundsicherung wurden abgelehnt. Keine Mehrheit fanden auch die Änderungsanträge der SPD-Fraktion zur Anerkennung von Einrichtungen der Erwachsenenbildung und zur Evaluation. Abgelehnt wurden ebenso die Anträge von PDS und SPD den Gesetzentwurf nicht rückwirkend, sondern mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft treten zu lassen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Entwurf des zweiten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes ist auf den ersten Blick ein sehr unscheinbares Werk. Als Drucksache umfasst es gerade einmal dreieinhalb Seiten. Diese wenigen Drucksachen bergen aber ein beträchtliches Maß an bildungspolitischem Sprengstoff, wie nicht zuletzt die vehemente Ablehnung zeigt. Da weiß ich nicht, woraus Sie diese vehemente Zustimmung der Träger ableiten, denn es gab eine vehemente Ablehnung der Novelle durch das Landeskuratorium für Erwachsenenbildung und auch durch die einzelnen Träger. Das hat die Anhörung gezeigt und auch die Gespräche und Diskussionen mit den Trägern. Die Kritik richtet sich dabei nicht etwa gegen bloße Details des Entwurfs, sondern gegen dessen Kernpunkte. Deswegen will ich es gern noch mal sagen: Es war nicht nachvollziehbar, warum die Gesetzespräambel aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, die ja bundesweit als beispielhaft anerkannt ist. Das wurde korrigiert, aber ebenso unangemessen ist - und das, glaube ich, ist der Kernpunkt die von der Landesregierung beabsichtigte Neufassung der Bestimmungen zur Förderung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung.
Das Landeskuratorium für Erwachsenenbildung hat wiederholt und zu Recht darauf hingewiesen, dass die Landesförderung trotz kontinuierlicher Leistungssteigerung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung in den letzten Jahren sich nur in geringem Maße erhöht hat, also nahezu unverändert geblieben ist. Faktisch haben sich die Förderbedingungen für die erbrachten Einzelleistungen damit deutlich verschlechtert.
Welche Schlüsse zieht die Landesregierung daraus? Sie straft die Träger der Erwachsenenbildung noch zusätzlich dadurch ab, dass sie die bisherige gesetzliche Festschreibung der Landeszuschüsse zu den Personal- und Sachkosten der Einrichtungen aufgeben will. Die im Gesetzentwurf festgeschriebenen Fördermodalitäten sind absolut unbefriedigend. Dies gewinnt weiter Brisanz dadurch, dass die konkrete Festschreibung und Aufteilung der Gesamtförderung künftig von der Landesregierung per Rechtsverordnung vorgenommen werden kann. Per Rechtsverordnung heißt, dass wir als Gesetzgeber darauf keinen Einfluss mehr haben. Das ist, meine Damen und Herren, für mich der Einstieg in den Ausstieg aus einer angemessenen Förderung der Erwachsenenbildung. Wir werden sehr wohl beobachten, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.
Durch eine derartige Aufweichung der Förderbestimmungen droht die Erwachsenenbildung wirklich im nächsten Haushalt zu einem Steinbruch des Finanzministeriums zu werden. Wenn es nicht so ist und Sie mich Lügen strafen sollten, wäre ich in dem Fall sehr dankbar.
Auf die notwendige Planungssicherheit und Arbeitskontinuität der Einrichtungen wird dabei keine Rücksicht genommen, was sich nicht zuletzt auch in dem geplanten rückwirkenden In-Kraft-Treten der Novelle zum 1. Januar 2003 zeigt.
Meine Damen und Herren, die von mir genannten Kritikpunkte sind auch vom Landeskuratorium für Erwachsenenbildung und von einzelnen Trägern formuliert worden, und zwar schon zum frühstmöglichen Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens. Bereits der Referentenvorentwurf ist heftig kritisiert worden. Desgleichen der dann folgende Referentenentwurf. Genutzt hat das allerdings nichts. Obwohl im Erwachsenenbildungsgesetz als Aufgabe des Landeskuratoriums festgeschrieben ist - ich zitiere: "... die Landesregierung in Fragen der Erwachsenenbildung zu beraten" hat das Kultusministerium die Einwände und Vorschläge dieses Gremiums nicht beachtet. Vertreter des Kultusministeriums haben vielmehr versucht, die Kritik des Landeskuratoriums mit teilweise überaus fragwürdigen Argumentationen vom Tisch zu wischen. Ich möchte hier nur beispielhaft eine seitens des Kultusministeriums gemachte Äußerung erwähnen, dass die Gesetzespräambel gestrichen werden müsse, weil das Bundesrecht Präambeln in Landesgesetzen verbietet. Ich weiß nicht, wo solche Verbotsklausel enthalten sein soll, das konnte dann auch keiner erklären.
Der Umgang mit dem Landeskuratorium zeigt erneut, denke ich, die erschreckende Kommunikationsunfähigkeit des Kultusministeriums. Wir haben es ja schon bei der Schulgesetzesnovelle erlebt. Ich denke, wir müssen wirklich darüber nachdenken, dass gerade vom Kultusministerium hier nicht nur verwaltet und verbürokratisiert
wird, sondern wir brauchen zukunftsweisende Bildungspolitik. Das gilt auch und im besonderen Maße für das lebenslange Lernen, für das Erwachsenenbildungsgesetz.
Meine Damen und Herren, angesichts der von mir skizzierten Dialogverweigerung des Kultusministeriums bin ich froh, dass der Ausschuss für Bildung und Medien wenigstens auf den Erhalt der Gesetzespräambel eingehen konnte und da tragen wir natürlich den Punkt 1 der Beschlussvorlage mit. Was wir aber nicht mittragen sind die wachsweichen Formulierungen in Punkt 2 der Beschlussempfehlung, die sich auf die Förderungsbestimmungen beziehen. Wir verlangen, dass hier wieder eine juristisch präzise und bedarfsgerechte gesetzliche Festschreibung der Landeszuschüsse zu den Personal- und Sachkosten der Einrichtungen vorgenommen wird. Wir fordern zudem, dass neben der im Gesetzentwurf vorgesehenen externen Evaluation der Einrichtungen der Erwachsenenbildung auch eine interne Evaluierung tritt. Zugleich sollten die Einrichtungen verpflichtet werden, die Resultate dieser Prüfungen auch tatsächlich im Sinne der Sicherung und ständigen Verbesserung der Qualität ihrer Bildungsarbeit zu berücksichtigen. Nur so machen Evaluationen einen Sinn. Durch eine bloße Dokumentation von Prüfungsergebnissen, wie Sie hier beabsichtigen, steigt noch lange nicht die Bildungsqualität. Wichtig ist uns an dieser Stelle aber auch, dass das Landeskuratorium in die Entwicklung der Evaluierungsverfahren einbezogen wird und dass zu den Evaluationskriterien ebenfalls zählt, inwieweit die in der Gesetzespräambel fixierten Zielsetzungen der Erwachsenenbildung den Niederschlag in der Praxis finden. Frau Friedenthal-Haase hat das in der Anhörung angeregt. Ich bedaure, dass das nicht von der CDUFraktion aufgenommen wurde.
Nicht zuletzt verlangen wir, dass das In-Kraft-Treten der Novelle auf den 1. Januar 2004 verschoben wird, um den Trägern der Erwachsenenbildung wirklich Rechts- und Planungssicherheit für das laufende Kalenderjahr zu bieten. Vielleicht kann so etwas von dem Vertrauen zurückgewonnen werden, das die Landesregierung und hier besonders das Kultusministerium durch ihr Vorgehen bei den von der Novelle Betroffenen eingebüßt hat.
Zu all den von mir genannten Punkten haben wir Änderungsanträge gestellt. Wenn sie keine Mehrheit finden, werden wir natürlich die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Medien und damit auch den Gesetzentwurf ablehnen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die schlüssigste Begründung für Ganztagsangebote heißt "Mehr Zeit für Kinder", Lernen braucht Zeit, deshalb sind Ganztagsangebote mit einem besonderen pädagogischen Konzept eine wichtige Voraussetzung für die Schulreform in Thüringen insgesamt. Es muss unser Ziel bleiben, ein Bildungssystem zu schaffen, das Qualität und Chancengleichheit in den Mittelpunkt stellt, das zugleich fördert und fordert. Ganztagsangebote, die mehr Zeit und individuelle Möglichkeiten zum Lernen, aber auch zum Miteinanderleben bieten, sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Meine Damen und Herren, der Bund hat mit seinem Investitionsprogramm den Anstoß für ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot auch in Thüringen gegeben. Dabei ist der Rahmen des vorliegenden Investitionsprogramms breit gefasst. Ich denke, für Thüringen ist von besonderer Bedeutung, dass Schulen einschließlich angegliederte Horte sowie Kooperationsmodelle zwischen Schule und Trägern der Jugendhilfe auf der Grundlage eines gemeinsamen pädagogischen Konzepts gefördert werden, wenn die Weiterentwicklung zu einem in die Schule integrierten Ganztagsangebot angestrebt wird. Hier liegen für Thüringer Schulen enorme Entwicklungspotenziale, die durch die Vernetzung mit der Schuljugendarbeit noch verstärkt werden könnten. Deshalb, denke ich, ist es nicht hilfreich, das Haar in der Suppe zu suchen, sondern produktiv mit diesem Programm umzugehen. Die Länder erhalten die Bundesmittel zur eigenständigen Bewirtschaftung. Sie entscheiden über den jeweiligen Einsatz der Mittel im
Land und sie sind auch für die Durchführung der Vorhaben verantwortlich. Insofern, Kollege Grob, sind die Fragen, die Sie gestellt haben, an die Landesregierung zu richten. Bei den erforderlichen pädagogischen Konzepten sind die Länder, aber auch die Schulen und die Eltern gefragt. Wichtig ist vor allem, dass die Konzepte von den jeweils verantwortlichen Betroffenen gemeinsam entwickelt werden und auf Qualitätsverbesserung und -sicherung abzielen. Es geht um weit mehr als nur um betreutes Spielen am Nachmittag und auch sollen den Eltern nicht die Erziehungsaufgaben abgenommen werden, Kollege Grob, vielmehr geht es um ein hochwertiges Bildungsangebot, bei dem die Fähigkeiten des Einzelnen im Mittelpunkt stehen.
Meine Damen und Herren, die materiellen Investitionen des Bundes machen allerdings nur dann Sinn, wenn sie auf einer langfristigen Aufbaukonzeption der Schulen basieren und dabei - und das ist notwendig und wichtig muss auch der Mehraufwand an Personalkosten einbezogen sein.
Meine Damen und Herren, von der Landesregierung erwarte ich die Erarbeitung verlässlicher pädagogisch-organisatorischer und personeller Rahmenbedingungen, die an den Schulen die notwendige Sicherheit schaffen. Der Schulentwicklungsprozess solcher geförderten Schulen ist in schulstruktureller, organisatorischer und pädagogischer Hinsicht so zu unterstützen, dass den Schulen ermöglicht wird, die notwendigen Qualitätsstandards für das erwartete Schulangebot möglichst schnell zu erreichen. Das heißt natürlich auch, wir brauchen ein verlässliches, flexibles und konzeptbezogenes Personalzuweisungskonzept für die betroffenen Schulen - Kollegin Sojka hat darauf hingewiesen -, das regional verankert wird und das auch auf die schulische Spezifika Rücksicht nehmen kann. Ich denke, nur so kann der notwendige Rahmen und die Planungssicherheit für das sich entwickelnde Konzept abgesichert werden. Neben der Zuweisung von zusätzlichen Lehrerwochenstunden und pädagogischen Fachkräften ist vor allem auch die Möglichkeit der Bewirtschaftung eines Budgets wichtig, das von den Schulen abgerufen werden kann.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben es ja in Ihrem Wahlprogramm gut beschrieben, setzen Sie es auch um.
Längeres Verweilen in der Schule allein bewirkt noch keine höhere Qualität von Bildung. Ganztagsangebote benötigen vielmehr innovative Konzepte, die auf einem integrativen Bildungsbegriff basieren. Daher brauchen wir bei dem von uns angestrebten Aufbau der Ganztagsangebote ein professionelles Beratungs- und Unterstützungssystem für unsere Thüringer Schulen. Ich will einige Stichworte nennen: zentrale Informationsbörsen, Ganztagsschulfachberater, Einbeziehung des ThILLM und der Studienseminare, pädagogische Diskussionsforen für Ganztagsschulfragen und Modellversuche mit spezifischen Konzepten zur
Entwicklung von Ganztagsangeboten. Nicht zuletzt brauchen wir eine Koordinationsstelle als Anlaufpunkt für alle Beteiligten. Da können wir mal nach Bayern schauen, da sieht man, wie das gemacht wird.
Meine Damen und Herren, Ganztagsangebote leisten unter klar definierten Bedingungen einen positiven Beitrag zur Erziehung und Bildung, Schulqualität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Stützung der familiären Erziehung. Allerdings müssen sie von den Bedürfnissen und Erwartungen des Kindes und der Familie her konzipiert werden, so die katholische Bischofskonferenz. Das heißt natürlich auch Freiwilligkeit als Grundsatz, da sind wir uns doch alle einig, anders kann so ein Projekt überhaupt gar nicht funktionieren. Die Landesregierung hat hier die Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir werden sie dabei nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes ist eine Mogelpackung. Im Gegensatz zum bestehenden Gesetz enthält der vorliegende Entwurf keine näheren Angaben zu den von den Einrichtungen zu erwartenden Zuschüssen für ihre erbrachten Leistungen. Zwar ist die angestrebte Vereinfachung der bisherigen Regelung zu begrüßen, jedoch überwiegen eindeutig die negativen Aspekte des vorliegenden Entwurfs. So soll die konkrete Festschreibung des staatlichen Zuschusses für das hauptberuflich beschäftigte pädagogische Personal und die hauptberuflich beschäftigten Verwaltungskräfte ganz wegfallen. Stattdessen ist nur ein Zuschuss - ich zitiere - "höchstens in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten" vorgesehen. Brisanz gewinnt diese völlig unbefriedigende Formulierung noch dadurch, dass deren jeweilige Konkretisierung künftig vom Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium per Rechtsverordnung vorgenommen werden soll. Damit droht die Erwachsenenbildung in eine derartige Abhängigkeit von Haushaltsplanung und Haushaltsvollzug des Landes zu geraten, dass Planungssicherheit und Arbeitskontinuität in ihren Einrichtungen erheblichen Schaden nehmen können. Meine Damen und Herren, zu Recht hat das Landeskuratorium für Erwachsenenbildung darauf hingewiesen, dass trotz kontinuierlicher Leistungssteigerung die Förderung in den letzten Jahren nahezu unverändert geblieben ist, was einer deutlichen Verringerung der Förderung der einzelnen Leistung entspricht. Deshalb, so das Landeskuratorium, ist eine gesetzlich festgeschriebene Mindestförderung unverzichtbar, damit sich bei der derzeitigen Haushaltslage
die Förderbedingungen nicht noch zusätzlich verschlechtern und damit die Arbeitsfähigkeit der Einrichtung in Frage gestellt wird. Hier, meine Damen und Herren, besteht ein deutlicher Handlungsbedarf. Nicht nachvollziehbar ist zudem der beabsichtigte Verzicht auf die Festsetzung eines Stellenschlüssels mit Eingruppierungsrahmen. Die Beschäftigung von beruflich adäquat ausgebildetem und entsprechend angemessen entlohntem Personal in ausreichender Anzahl gehört zu den Basisbedingungen qualitativ hochwertiger Erwachsenenbildung. Eine fehlende Festschreibung von Mindeststandards im Personalbereich könnte sich kontraproduktiv auf die von den Einrichtungen zu erzielende Bildungsqualität auswirken.
Meine Damen und Herren, Unverständnis muss auch die Streichung der bundesweit als vorbildlich anerkannten Gesetzespräambel auslösen und auch aus der Bemerkung in der Entwurfsbegründung, diese Streichung diene der Deregulierung - wie das der Minister ausgeführt hat - wird nicht ersichtlich, weshalb hier ein derart umfassender Änderungsbedarf bestehen soll. Falls in der Präambel überhaupt Änderungen vorgenommen werden sollten, dann das Einbeziehen des lebensbegleitenden Lernens und die Aufnahme einer ausgewogenen Definition von Elternbildung, ihrer spezifischen Aufgaben und ihrer Zielsetzung. Nur so kann dem im Vorspann geäußerten Anliegen, der Elternbildung als wesentlichem Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung eine hervorgehobene Stellung zuzuweisen, auf eine der Systematik des vorliegenden Gesetzes adäquate Weise entsprochen werden.
Übrigens kann ich mich noch sehr wohl an die Einführungsvorlesung von Frau Prof. Friedenthal-Haase am Lehrstuhl für Erwachsenenbildung der Universität Jena erinnern, ihr Thema "Die beispielgebende Bedeutung der Präambel des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes".
Meine Damen und Herren, grundsätzlich zu begrüßen ist die Einführung von Bestimmungen zu interner Qualitätssicherung und externer Evaluation. Allerdings befasst sich der vorliegende Gesetzentwurf fast ausschließlich mit Procedere und Zielsetzung der Evaluation. Worauf die interne Qualitätssicherung abzielen soll, Qualität der Bildungsarbeit, Qualität der Evaluationsstruktur, Qualität der Prozessabläufe, bleibt hingegen unklar. Ebenso wird nicht deutlich, dass die Resultate der internen und externen Qualitätsprüfung von den Einrichtungen zur kontinuierlichen Qualitätssteigerung herangezogen werden müssen. Dies erscheint aber unumgänglich. Eine bloße Dokumentation der Prüfungsergebnisse, wie im Text vorgesehen, führt noch lange nicht zu verbesserter Qualität.
Meine Damen und Herren, nachdenken sollten wir auch über die Forderung des Landeskuratoriums nach Einbringung einer Förderuntergrenze der Leistung der Mitarbeiterfortbildung und der Landesorganisation. Und auch die Möglichkeiten der Erhöhung des Ermessensspielraumes bei der Anerkennung sowie die Anhebung der Anerkennungsgrenze für Einrichtungen der Erwachsenenbil
dung bedarf einer intensiven Diskussion.
"Erwachsenenbildung ist mehr als ein Recht. Sie ist ein Schlüssel zum 21. Jahrhundert. Sie ist Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe an der Gesellschaft." Diese Sätze stammen, meine Damen und Herren, von Ihrem Fraktionsvorsitzenden, meine Damen und Herren von der CDU, Herr Althaus hat das hoffentlich bemerkt.
Wir müssen die Landesförderung wie bisher auf eine verlässliche und solide Basis stellen, ansonsten erweisen sich diese Sätze Ihres Fraktionsvorsitzenden, meine Damen und Herren von der CDU, noch im Nachhinein als folgenlose Phrasen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen sich Kriege mit Kriegen verhüten? Nutzen Kriege, die im Namen der Zivilisation geführt werden, tatsächlich der Demokratie und einem Ende des Terrors? Wer sich diese Fragen nicht stellt und sie nicht beantwortet, verdient
nichts anderes als Misstrauen.
Täglich erreicht uns über das Fernsehen eine Flut schrecklicher Bilder: Bilder von Verwundeten und Toten, Bilder von Bomben und Raketen, Bilder von zerstörten Wohnhäusern und verzweifelten Menschen. Und die Menschen, die vielleicht in diesem Augenblick sterben, sind Menschen wie wir und sie werden voller Entsetzen sterben und das Schrecklichste ist, sie werden für nichts sterben.
"Vor ein paar Tagen konnten wir noch von Frieden und Sicherheit träumen, aber jetzt wissen wir nicht mehr, was diese Wörter bedeuten, weil Gewalttätigkeit, Leiden und Angst uns einengen." Diese Worte stammen aus einem dramatischen Friedensappell der Dominikanerinnen im Irak an US-Präsident George W. Bush - ich zitiere: "Er verspricht, keine Zivilisten zu verletzen - wirft er Blumen auf die Menschen?" So wie bei den Dominikanerinnen hat der Krieg generell bei den Kirchen und Religionsgemeinschaften tiefe Betroffenheit ausgelöst. Papst Johannes Paul II. appellierte mit eindringlichen Worten, den Krieg zu beenden. Ich zitiere: "Wenn der Krieg wie in diesen Tagen das Schicksal der Menschheit bedroht, ist es noch dringender, mit lauter und deutlicher Stimme zu verkünden, dass nur durch Frieden eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft errichtet werden kann. Nie
können Gewalt und Waffen die Probleme der Menschen lösen."
Die christlichen Kirchen in Deutschland haben in einer gemeinsamen Erklärung den Krieg im Irak als eine "Niederlage der Menschheit" bezeichnet. Die Bischöfe betonen, sie sehen keine "ethischen" und "völkerrechtlichen" Rechtfertigungen für das Blutvergießen.
Der Weltkirchenrat verurteilt den Angriff auf den Irak als "unmoralisch" und "illegal". Die friedlichen Mittel zur Beilegung des Konflikts seien bei weitem nicht ausgeschöpft. So sieht das auch der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Reinhard Marx, es hätte sehr wohl friedliche Mittel gegeben, "den Verbrecher Saddam Hussein in Schach zu halten". Professor Hans Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, reagierte mit "Bedauern und Unverständnis" auf die Entscheidung der amerikanischen Regierung. Der
Krieg werde eine ohnehin labile internationale Rechtsordnung erschüttern und verheerende Folgen für die Zukunft des Mittleren und Nahen Ostens und seines Verhältnisses zum Westen haben. Auch der Fuldaer Bischof Algermissen hält den Krieg für ethisch nicht zu rechtfertigen. Der Präsident der Deutschen Sektion der Katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" sagt wörtlich: "Trotz der bitteren Enttäuschung gibt es für die Kirche keine Alternative zum Programm der Kriegsächtung und eines gerechten Friedens. Trotz allem, die Zukunft gehört den Friedfertigen."
Meine Damen und Herren, es ist für mich in dieser Zeit ein sehr wichtiger Halt zu wissen, dass die Kirchen eine klare und eindeutige Haltung gegen diesen Krieg einnehmen. "Kein Krieg, nicht in unserem Namen, erst recht nicht in Gottes Namen." Bischof Joachim Wanke hat der religiösen Rhetorik von Präsident Bush die richtige Antwort gegeben.
Meine Damen und Herren, der Krieg im Irak ist überflüssig, er ist ungerecht und unangemessen, er ist grausam, tödlich und hässlich und er übertrifft die schlimmsten Befürchtungen. Es ist zu befürchten, dass er alles sprengt, was wir an humanitären Katastrophen in den letzten Jahren bislang kannten. Es sind vor allem die Kinder, die unter dem Krieg zu leiden haben. Das Kinderhilfswerk UNICEF befürchtet, dass ein Kollaps in der Wasserversorgung für viele Kinder einem Todesurteil gleichkommen kann. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist gefährdet und deshalb sind wir gerade jetzt in der Verantwortung, humanitäre Hilfe zu leisten, und jeder von uns ist aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Bush-Regierung wird diesen Krieg zwar gewinnen, aber wir alle werden den Frieden dabei verlieren.
Es ist sehr wohl zu befürchten, dass der Irak-Krieg den Terrorismus eben nicht besiegt, nicht einmal lähmt, sondern eher beflügeln wird, weil voraussichtlich eine Konfrontation der Kulturen mit allen verheerenden Konsequenzen aufbrechen wird, und die Löcher, die der Bush-Krieg in das Gebäude des Völkerrechts reißt, könnten es am Ende ganz einstürzen lassen mit irreparablen Folgen. Schon jetzt ist vorauszusehen, dass es einen neuen globalen Wettlauf um Massenvernichtungswaffen geben wird und der Krieg die Rüstungsspirale in neue Rekordumdrehungen versetzen wird.
Meine Damen und Herren, ich sage es klar und deutlich, es ist für mich erschreckend, welche plumpe Desinformation und Verdummung von der Bush-Administration betrieben wurde, um den Krieg im Irak vorzubereiten. Da könnte man wirklich ständig Max Liebermann zitieren. Plakativ
und vordergründig wurde mit Werten wie Demokratie und Menschenrechten argumentiert, in Wahrheit - und das wissen wir alle - verbergen sich hinter dieser Rechtfertigungsrhetorik auch wirtschaftliche Interessen und geopolitische Strategien. Die Bush-Regierung war seit vorigem Jahr fest entschlossen, diesen Kampf zu führen, ganz egal, wie ihre Verbündeten dazu stehen. Das ist die bittere Wahrheit.
Und, Kollege Althaus, weil Sie Herrn Blix zitiert haben, ich will ihn auch zitieren, denn er hat das indirekt bestätigt. Ich zitiere: "Kurz vor ihrer Entscheidung in den Krieg zu ziehen, hatte ich das Gefühl, dass unsere Arbeit sie irritierte. Ich hatte das Gefühl, sie wollten, dass wir verschiedene Ergebnisse unserer Inspektion so herausstreichen, dass sie eine Resolution im Sicherheitsrat erhalten hätten." Der amerikanische Autor Wallace Shawn schreibt im Januar 2003 in sein Tagebuch, nachzulesen in der Kulturzeitung "Lettre", ich zitiere: "Die Waffendiskussion ist das PR-Element für die Vorbereitung zum Krieg. Bush wird sagen, der Irak besitze viele Waffen, die Gegner des Kriegs werden sagen, der Irak besitze wenige. Die Diskussion wird sich bis in den Frühling fortschleppen, wenn für den Krieg das richtige Wetter herrscht, und in diesem Moment wird Bush erklären, dass er bei dem schleppenden Fortgang der Waffendiskussion die Geduld verloren habe und er wird in den Krieg ziehen." Meine Damen und Herren, die Bush-Regierung hat bewiesen, dass sie bereit ist das Recht zu brechen, wenn sie sich dazu berufen fühlt. Bei der Verteidigung von Freiheit und Recht wurden Freiheit und Recht einfach beiseite geschoben. Diese Feststellung hat nichts mit Antiamerikanismus zu tun, Bush ist nicht Amerika, das amerikanische Volk ist nicht Bush.
Meine Damen und Herren, unsere wichtigste Hoffnung liegt in unserem persönlichen Handeln, darin, unsere Stimme gegen diesen Krieg zu erheben. Unsere einzige Chance besteht darin, diesen Krieg, Kollege Althaus, bei seinem wahren Namen zu nennen, und ich bin sehr froh, dass uns gestern im Kreistag Eichsfeld der Kompromiss einer gemeinsamen Erklärung gelungen ist und wir damit dem guten Beispiel der Stadt Heiligenstadt folgen.
In unserer gemeinsamen Erklärung verurteilen wir den Krieg der USA auf das Schärfste und fordern die sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen, Schonung der Zivilbevölkerung und die sofortige Rückkehr der Kriegsparteien an den Verhandlungstisch unter Führung der Vereinten Nationen. Ich zitiere aus unserer Erklärung: "Unser
Streben sollte dahin gehen, über ein Festhalten an bewährten humanistischen Grundsätzen die eigene Glaubwürdigkeit zu bewahren." Über diesen Kernsatz der Erklärung, getragen von der CDU-Fraktion des Landkreises Eichsfeld, sollten Sie, meine Damen und Herren, und auch Sie, Kollege Althaus, intensiv nachdenken.
Es ist töricht, sehenden Auges seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Meine Damen und Herren, es ist ja sehr einfach hier vom Pult aus zu sagen, der Krieg richtet sich nicht gegen das irakische Volk, nicht gegen den Islam, sondern einzig gegen Husseins Regime. Den unschuldigen Opfern in den brennenden Häusern und in den Bombentrichtern muss das ein Hohn sein. Ein Angriffskrieg ist und bleibt die schlimmste Versündigung gegen das Leben und deshalb sollten wir hier gemeinsam feststellen: Der Krieg im Irak ist nicht zu rechtfertigen!
In der Zeit der Friedensinitiative "Schwerter zu Pflugscharen" schrieb ich ein Gedicht, das vielleicht auch heute für den einen oder anderen des Nachdenkens wert ist:
Er und der Frieden
Dagegen war ich nie als er dieses seinen vier Wänden anvertraute lachten sie und stürzten zusammen.
Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen wurde hier im Hause der aktuelle Thüringen-Monitor vorgestellt. Allerdings sind die zum Teil dramatischen Befunde offensichtlich bis heute kaum in die politische Öffentlichkeit und in unser Bewusstsein gedrungen. Ich will deshalb einige der Ergebnisse in Erinnerung rufen: Nur 42,5 Prozent der Thüringer wissen, welche Parteien sie im Thüringer Parlament vertreten, die Politikverdrossenheit ist stärker geworden, 76 Prozent haben den Eindruck, dass es den Parteien nur um Stimmen der Bürger geht, nicht aber um ihre Ansichten. Während in den letzten beiden Jahren die Jugendlichen bis 24 Jahre am wenigsten politikverdrossen waren, stellt der aktuelle Monitor in dieser Altersgruppe die größten Steigerungsraten fest, so dass auch hier die Politikverdrossenheit immerhin bei 63,2 Prozent liegt. Der Anteil der Nichtdemokraten ist unter den Thüringern auf 20,5 Prozent angestiegen und die Mehrheit der Thüringer hält die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße für überfremdet. Auch andere fremdenfeindliche Einstellungsmuster werden von großen Teilen der Thüringer Bevölkerung getragen.
Meine Damen und Herren, welche Schlussfolgerungen ziehen wir als Abgeordnete, natürlich auch die Landesregierung aus solchen wissenschaftlichen Befunden? Gehen wir einfach darüber hinweg, weil das Tagesgeschäft wartet? Die Studie zeigt doch die Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik, lässt immer mehr Zweifel an der Idee der Demokratie aufkommen und unsere Kommunikation mit den Bürgern ist offensichtlich schwer gestört, wenn diese den Eindruck haben, dass ihre Ansichten für die Politikentwicklung in den Parlamenten keine Rolle spielen. Es gibt erhebliche Gefahren für die demokratische Kultur, wenn das Ansehen der Parteien sinkt und wir zugleich mit einem Einstellungspotenzial konfrontiert sind, das nicht demokratisch und rechtsextrem ist. Sowohl der aktuelle Monitor als auch die Ergebnisse des letzten Jahres zeigen, dass politisches Wissen und politische Bildung gegen rechtsextremistische und antidemokratische Einstellungen wirklich immunisieren kann und wir brauchen daher ein
deutig mehr und nicht weniger politische Bildung. Es ist deshalb geradezu absurd, wenn die PDS Mittelkürzungen der Landeszentrale für politische Bildung forderte und die CDU Strukturveränderungen initiiert, die dem Ansehen der Landeszentrale erheblich schaden und gleichzeitig die Zahl der Veranstaltungen reduzieren werden.
Ihre Kürzungsabsichten, meine Damen und Herren von der PDS, die kann ich mir eigentlich nur damit erklären, dass Sie kurzzeitig einer Art kollektiven geistigen Umnachtung anheim gefallen sind.
Sie haben sich ja, und das will ich schon sehr wohlwollend vermerken, jetzt korrigiert und ich denke, es ist hoffentlich nicht zu spät gewesen. Die Landeszentrale hat in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in den letzten Jahren wirklich Vorbildliches geleistet. Ich erinnere an Jugendkongresse, an Seminare für Lehrer und Schüler, ich erinnere an die Projektarbeit zum Thema "Nationalsozialismus". Da sind wirklich sehr anspruchsvolle und kontinuierliche Ansätze in die pädagogische Praxis übertragen worden und diese Projektarbeit hat an vielen Schulen wirklich ein neues pädagogisches Repertoire zu dieser Thematik beschrieben und, ich denke auch, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus auf eine neue Qualität gebracht. Ich denke auch an neue Veranstaltungsformate wie das politische Buch, ich will das hier nicht noch weiter ausführen.
Aber angesichts der steigenden Preise in Tagungsstätten bedeutet eine Stagnation der Mittel bereits eine Kürzung der Aktivitäten. Zugleich ist mit dem neuen Domizil - Sie wissen das ja - der Landeszentrale der Besucherstrom angestiegen, so dass natürlich der Umzug auch mit einem größeren Umschlag von Publikationen einhergeht. Aufgrund der fehlenden finanziellen Ausstattung der Koordinierungsstelle Gewalt beim Innenministerium wird auch immer wieder auf die finanziellen Ressourcen der Landeszentrale zurückgegriffen. Die Landeszentrale wird im kommenden Jahr ihre Teilnehmergebühren verdoppeln müssen und wir wollen nicht, dass gerade im Jugendbereich noch weitere finanzielle Hürden zur Beteiligung Jugendlicher an politischen Bildungsmaßnahmen entstehen. Deshalb fordert die SPD-Fraktion eine Erhöhung der Sachmittel um insgesamt 130.000  die steigenden Kosten auszugleichen, um alternative Projekte gerade in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem aktuellen Extremismus wirklich fortsetzen zu können.
Meine Damen und Herren, ebenso wollen wir, dass die Landeszentrale für politische Bildung auch weiterhin mit einem eigenen Veranstaltungsprofil in der Thüringer Öffentlichkeit präsent ist und der Vorschlag der CDU
Fraktion, den Ring politischer Jugend der Landeszentrale zuzuordnen, geht in die diametral andere, in die falsche Richtung.
Die Landeszentrale wird damit zur reinen Verwaltungsbehörde, die Mittel an Dritte nur noch durchreicht. Da den neuen Aufgaben kein neues Personal zugewiesen wird, sollte dann die CDU-Fraktion auch ehrlicherweise sagen, welche bisherigen Schwerpunkte der Landeszentrale nach ihrer Auffassung entfallen sollen. Sollen die Jugend- und Gedenkstättenseminare gestrichen werden oder fallen die Studienreisen nach Israel weg oder wollen sie mit dem 17.06.2003 die Aufarbeitung der DDR-Geschichte beenden? In § 2 der Geschäftsordnung der Landeszentrale werden die Bildungsaufgaben im Sinne der Durchführung, Anregung und Förderung der politischen Bildungsarbeit beschrieben. Von Verbandsförderung, meine Damen und Herren, ist hier keine Rede. Die Zuordnung des Rings der politischen Jugend an die Landeszentrale ist durch diese Geschäftsordnung in keiner Weise gedeckt. Gemäß § 5 hat das Kuratorium, ein vom Parlament gewähltes Gremium, die Aufgabe, an der mittel- und langfristigen Zielsetzung dieser Landeszenrale mitzuwirken und ich frage mich: Was soll in diesem Kuratorium überhaupt noch diskutiert werden, wenn solche strukturellen entscheidenden Aufgabenverschiebungen kein Thema wert sind?
Wir brauchen uns über die wachsende Distanz der Bürger zur Parteiendemokratie nicht zu wundern, wenn die Mehrheitsfraktion über parlamentarische Gremien und gemeinsam verabredete Geschäftsordnungen hinweggeht. So sieht Ihre politische Kultur aus, meine Damen und Herren von der CDU, und ich bedaure das sehr.
Politische Bildung in den neuen Bundesländern ist immer wieder mit den Indoktrinationserfahrungen der Bürger aus DDR-Zeiten konfrontiert und wir brauchen vor diesem Erfahrungshintergrund mehr und nicht weniger Sensibilität. Überparteilichkeit der Landeszentrale ist für uns deshalb ein hohes Gut und auf keinen Fall darf das beschädigt werden. In der Gründungsphase hatten wir hier einen parteiübergreifenden Konsens, wirklich alles zu tun, um auch nur den Ruch der Parteinähe zu vermeiden. Aus diesem Grund haben wir damals gemeinsam die parteinahen Stiftungen und kommunalpolitischen Vereinigungen nicht der Landeszentrale zugeordnet, obwohl dies ja in einigen alten Bundesländern der Fall ist. Es ist völlig unverständlich, jetzt die Parteijugendorganisationen ausgerechnet der Landeszentrale zuzuordnen. Ich möchte dringend an die Kolleginnen und Kollegen der CDU appellieren, zu diesem Grundkonsens zurückzukehren und ihn nicht einseitig zu kündigen.
Meine Damen und Herren, die Unzufriedenheit in der Praxis lässt mehr und mehr Zweifel an der Staatsidee aufkommen. Das demokratische Fundament bekommt feine Risse, so konstatieren die Autoren des Thüringen-Monitors.
Es liegt an uns dafür zu sorgen, dass aus diesen Rissen kein Bruch wird und deshalb sollte die Landeszentrale in ihrer Überparteilichkeit und durch eine bescheidene Mittelerhöhung in ihrer Veranstaltungstätigkeit gestärkt werden. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der uns vorliegende Entwurf des Landeshaushalts ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung.
Das ist kein Zitat, das ist die Wahrheit.
So als hätte PISA nie stattgefunden, nutzt die Landesregierung den Etat des Hauses Krapp wieder einmal zum Stopfen von Haushaltslöchern, ohne dass dahinter ein nachvollziehbares Personalentwicklungskonzept sichtbar wäre. Ohne erkennbare bildungspolitische Zielsetzung geht der drastische Stellenabbau an Thüringer Schulen weiter. 2.328 Lehrer- und Erzieherstellen sollen in den Jahren 2003 und 2004 gestrichen werden. Zwar suggeriert diese Zahl eine exakte Bedarfserhebung, aber davon kann in Wahrheit keine Rede sein. Eine perspektivisch ausgerichtete Analyse des Personalbedarfs der einzelnen Thüringer Schulen von der Grundschule bis zu den berufsbil
denden Schulen hat nie stattgefunden und es sieht so aus, dass sie auch nie stattfinden wird.
Der Landesregierung scheint dies auch nicht weiter wichtig zu sein, denn ihr geht es offenbar nur um eines, möglichst umfassende Einschnitte im Kultussektor vorzunehmen, um dadurch den Landeshaushalt zu sanieren. So sollen im Jahr 2003 durch Stellenabbau und massive Verbeamtungen an den Schulen 52,7 Mio.  $  werden, für das Jahr 2004 sind weitere 33,9 Mio.  - kürzungen vorgesehen. In den nächsten beiden Jahren werden der schulischen Bildung in Thüringen demnach 86,6 Mio.  fehlen, und ich sage ganz bewusst "fehlen", meine Damen und Herren, von diesen 86,6 Mio. !  lich kein einziger Cent zur Verbesserung der Bildungsqualität eingesetzt.
Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen: Schüleraustausch und die internationalen Schulpartnerschaften dienen nicht nur der europäischen Verständigung und der kulturellen Bereicherung der Schüler, sondern vor allem auch dem besseren Fremdsprachenerwerb. Auf die wachsende Bedeutung dieser Form schulischer Bildungskooperation vor dem Hintergrund von PISA hat Frau Schipanski in ihrer Eigenschaft als KMK-Präsidentin völlig zu Recht hingewiesen, dies ist aber noch nicht zu ihrem Kabinettskollegen Krapp vorgedrungen. Für den Schüleraustausch stehen im Kultushaushalt im Jahr 2003 ganze 30.600     : rung von Schulpartnerschaften 70.000  3   8      +    2=A Schulpartnerschaften, jede davon ist Ihnen im Schnitt 81,5 ! #  $$ B     " mabel genug, denn gleichzeitig werden die Gelder für unterrichtsbegleitende Projektarbeit zusammengestrichen. Davon sind Schulprojekte zur Gesundheits- und Umwelterziehung, unterrichtsvertiefende Arbeitsgemeinschaften, aber auch Schülerclubs und die gesamte schulische Theater-, Chor- und Orchesterarbeit betroffen, und das vor dem Hintergrund der durch die PISA-Studie dokumentierten Notwendigkeit zur Ausweitung schulischer Bildungsangebote.
Meine Damen und Herren, aber es kommt noch schlimmer. Für die dringend benötigte Förderung von Schulbibliotheken sind im Kultusetat überhaupt keine Mittel vorgesehen. Seit Jahren bemüht sich die SPD-Fraktion, hier einen Titel einzustellen. PISA hat deutlich gezeigt, dass die Thüringer Schüler bei der Lesekompetenz erhebliche Schwächen haben und dass ihre Leseunlust weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Hier ist notwendigerweise etwas zu tun. Sie haben das wiederum abgelehnt. Der Kultusminister hat angekündigt, auf dieses erschreckende Resultat mit einer breiten Leseinitiative an den Schulen zu reagieren. Ich frage mich allerdings, wie diese Leseinitiative überhaupt funktionieren soll, wenn der Landesregierung eine bessere Ausstattung der Schulbibliotheken keinen einzigen Cent wert ist.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den bildungspolitisch relevanten Haushaltstiteln des Einzelplans 17 sagen. Auch dort wird gespart, um des Sparens willen, auch dort sind die drastischen Mittelkürzungen für uns sachlich nicht nachvollziehbar.
So sollen die Zuweisungen für die Schülerbeförderung, der Schullastenausgleich und die Investitionspauschale für Schulgebäude in einem Maße reduziert werden, das auch unter Berücksichtigung des Rückgangs der Schülerzahlen in keinem adäquaten Verhältnis zu den verbleibenden Kosten steht. Wenn ich sehe, die Frage Schulessen, auch das wurde vorhin gesagt, ist nichts weiter als ein Buchungstrick. Sie haben dort zwar etwas eingestellt, aber es wieder weggenommen. Das ist unmöglich, das ist für mich nichts weiter als eine Mogelei. Auch wir sind uns natürlich der Notwendigkeit von Einsparungen bewusst, aber es kann nicht sein, dass der Landeshaushalt durch diese drastischen Einschnitte zu Lasten von Lehrern, Schülern und Schulträgern saniert wird. Wer so etwas will, der gefährdet das Thüringer Schulwesen in seiner Substanz, der spart auf Kosten der schulischen Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen und damit auch auf Kosten der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir lehnen den Haushalt in diesem Punkt ab.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wäre der heutige Tag ein Fisch, ich würde ihn wieder reinwerfen. Die CDU-Mehrheit
wird heute einen Gesetzentwurf verabschieden, in dem die Qualitätsentwicklung keinerlei Rolle spielt, die Motivation von Schülern, Lehrern und Eltern auf der Strecke bleibt und sich unsere Schulen auch weiterhin mit bürokratischen Hindernissen herumschlagen müssen. Die Rahmenbedingungen für mehr Eigenverantwortung der Einzelschule als kreativer Kern aller Reformbemühungen werden den Thüringer Schulen durch Ihre Ignoranz, meine Damen und Herren von der CDU, verweigert. Die Wirtschaft hat es auf den Punkt gebracht. Der Entwurf der Gesetzgebung wird einer tief greifenden Thüringer Schulreform nicht gerecht, so die Industrie- und Handelskammern.
Die Südthüringer Handwerkskammer fügt hinzu: Die Erwartungen des Handwerks an die Auswirkungen des neuen bzw. novellierten Thüringer Schulgesetzes sind realistisch bescheiden. Bescheiden - besser kann man den vorliegenden Entwurf gar nicht charakterisieren. Noch nie ist ein Gesetzentwurf der Landesregierung auf derart einmütige Ablehnung in der Bevölkerung gestoßen. In den vom Kultusministerium veranstalteten Regionalkonferenzen...
Meine Damen und Herren von der CDU, ich glaube, Ihre Wahrnehmung ist nicht mehr ganz normal, das ist Ihr Problem.
In den vom Kultusministerium veranstalteten Regionalkonferenzen hagelte es Kritik seitens der Lehrer und Eltern an dem als realitätsfern und wenig innovativ empfundenen "Meilenstein". Die Thüringer Medien bezeichneten die Vorlage als enttäuschend, unzulänglich oder gar als bloßes Fragment, in dem "nur das Nötigste an Änderungen, die seit Jahren gefordert wurden und spätestens seit der Bluttat am Gutenberg-Gymnasium nicht länger zu verhindern waren, vollzogen werden". "Das Schulgesetz findet nur den Beifall der CDU", titelte etwa die "Ostthüringer Zeitung" zu Recht.
Genau diesen Eindruck erlangte man auch bei der Anhörung des Ausschusses für Bildung und Medien zur Schulgesetznovelle Anfang November. Dort verdeutlichten die Vertreter nahezu aller gesellschaftlich-relevanten Gruppen, darunter nicht nur Lehrer, Schüler und Eltern, sondern auch Wirtschaft, Handwerk und Kirchen ihre Vorbehalte gegenüber dem Regierungsentwurf. Manch einer aus den Reihen der CDU mag den geballten Unmut der Anzuhörenden an jenem Tag nicht gern vernommen haben, aber er war nicht zu überhören, meine Damen und Herren.
Wer auf guten Rat hört, der ist weise! - so ist im Alten Testament zu lesen.
Die Weisheit, die die CDU nach der Anhörung im Ausschuss für Bildung und Medien an den Tag legte, lässt sich in trauriger Kontinuität mit dem Attribut "sehr be
scheiden" beschreiben.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die Mehrheitsfraktion dieses Hauses reagierten auf die allgemeine Kritik in bezeichnender Weise. Die Staatskanzlei schaltet auf Kosten des Thüringer Steuerzahlers großflächige Zeitungsanzeigen, um der Bevölkerung doch noch irgendwie die nicht vorhandene Sinnhaftigkeit der Novelle zu suggerieren. Dabei haben die Bürger sehr wohl verstanden: "Was einer recht auffällig in das Schaufenster legt, das führt er gar nicht.", um mit Tucholsky zu sprechen. Die CDU veranstaltete in der Erfurter Messe eine Art Mutmachforum, das offenbar unter dem insgeheimen Motto "Wir sind das wahre Volk" stand. Mich erinnert so etwas an ähnlich realitätsferne Veranstaltungen aus der Zeit vor der Wende; die Hefte aus Burgscheidungen lassen grüßen.
Schon in der ersten Lesung hat ja das Trio der Gesundbeter versucht, den Gesetzentwurf unter dem Motto "Hohle Worte tönen voller" schönzureden. Der eine in der bildungspolitischen Vorstellung der 50er Jahre verhaftet und seit langem gewohnt, politische Probleme einfach wegzulächeln, der andere nur an der Beweihräucherung der eigenen Leistung interessiert, und der Dritte, der völlig überfordert die Wirklichkeit einfach nicht mehr wahrnehmen will oder kann. Auch heute wird es Ihnen nicht gelingen, meine Damen und Herren, aus Magermilch Schlagsahne zu machen.
Meine Damen und Herren, auch die SPD hat in den vergangenen Wochen ihre Kritik an der Schulgesetznovelle deutlich gemacht. Für uns ist dieser Entwurf beileibe kein Meisterwerk, sondern ein konturloser müder Aufguss eines Referentenentwurfs aus dem vergangenen Jahr. Das Kernproblem der Novelle ist das Fehlen jeglicher angemessener Reaktionen auf PISA und der Verzicht auf jede wirkliche bildungspolitische Innovation für Thüringen.
Lassen Sie mich noch einmal kurz rekapitulieren. Bei der PISA-Studie lagen die Spitzenstaaten sowohl in der Lesekompetenz als auch in der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung 40 bis 60 Leistungspunkte vor Thüringen. Das entspricht einem Kompetenzunterschied von ein bis zwei Schuljahren. Unser Bundesland erreichte dagegen in keinem der geprüften Kompetenzbereiche auch nur den OECD-Durchschnitt.
Da will uns die CDU immer wieder einreden, man dürfe das alles nicht so eng sehen, sondern müsse sich über den 4. Platz Thüringens bei PISA-E freuen. Dazu nur so viel: Bei Nichtberücksichtigung der Zuwandererkinder - und das ist die wirklich für uns relevante Kategorie - nimmt Thüringen im nationalen Ranking unter 14 getesteten Bundes
ländern nur noch den 10. Platz ein, Herr Althaus.
Auf diesen Punkt hat übrigens nicht irgendein fehlorientierter Bildungswissenschaftler hingewiesen, sondern der renommierte Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm.
Meine Damen und Herren, unsere Aufgabe nach PISA sollte allen klar sein. Wir brauchen in der schulischen Bildung mehr Qualität und mehr Quantität. Wir müssen die Leistungen der Schüler in den grundlegenden Kompetenzbereichen Leseverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften in den nächsten Jahren deutlich steigern. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg muss aufgelöst werden. Das ist eine der wesentlichsten Aufgaben, der sich die Thüringer Schule in den nächsten Jahren stellen muss.
Nicht zuletzt brauchen wir möglichst viele gut ausgebildete junge Menschen, um international und national konkurrenzfähig zu sein. PISA liefert uns wichtige Hinweise für die jetzt notwendigen bildungspolitischen Reformen in Thüringen. Dabei zeichnen sich folgende Schwerpunkte ab: Die Förderung muss früher beginnen, sie muss individueller werden, das Lernen muss wieder gelernt werden. Die Vermittlung von Kenntnissen allein reicht nicht. Kinder und Jugendliche müssen eigenverantwortliches Handeln lernen. Lernorte müssen sich öffnen und verknüpfen mit der Lebenswirklichkeit draußen - mit dem sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld. Nicht zuletzt brauchen Bildungseinrichtungen inhaltlich, personell und finanziell mehr Eigenverantwortung, denn zentral steuern lässt sich ein so vielfältiger Prozess eben nicht. Lernen braucht aber auch Zeit. Deshalb sind Ganztagsangebote mit einem besonderen pädagogischen Konzept eine wichtige Voraussetzung für Schulreformen insgesamt. Vor allem durch die Kooperation von Schule und Sozialpädagogik müssen neue pädagogische Konzepte und veränderte Bedingungen für den Schulalltag geschaffen werden. Schließlich sollte uns im Zusammenhang mit PISA eine Aussage von Prof. Dr. Fauser vom Lehrstuhl für Schulpädagogik und Schulentwicklung in Jena nachdenklich machen. Ich zitiere: "Unser gegliedertes Schulsystem erzeugt, wie wir sehen, insgesamt mehr Unterschiede und weniger Leistung. Ich wünsche mir, dass es eine bildungspolitische Offensive gibt, in der man die ganzen ideologisch festgezurrten Strukturfragen auf den Tisch bringt. Aus meiner Sicht führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass unser Schulsystem zu selektiv ist und wir uns damit schaden."
Diese kritische Einschätzung von Prof. Dr. Fauser, bei dem es sich ebenfalls nicht um irgendeinen fehlorientierten Bildungswissenschaftler handelt, Herr Kollege Althaus,
macht doch eines deutlich: Wir müssen das gesamte Bildungssystem von der Vorschulerziehung, über die Schule bis zu den Hochschulen inhaltlich und strukturell hinterfragen. Beides ist notwendig und muss auch in Thüringen miteinander verbunden werden. Das nachhaltige Sortieren der Schüler am Ende der vierten Klasse kann jedenfalls längst nicht mehr der Stein des Weisen sein.
Meine Damen und Herren, nicht alles von dem, was ich eben skizziert habe, lässt sich im Rahmen der Schulgesetznovelle realisieren. Darüber sind wir uns natürlich im Klaren. Aber, es lassen sich bereits im Schulrecht wesentliche Weichenstellungen vornehmen, durch die wirkliche bildungspolitische Innovation möglich wird. In diesem Sinne haben wir es auch nicht bei unserer Kritik am Regierungsentwurf belassen, sondern haben, wie Sie wissen, nicht weniger als vierzig Änderungsanträge zur Novelle erarbeitet und in den Bildungsausschuss eingebracht. Ziel unserer Änderungsanträge ist eine moderne Schule mit Profil und Eigeninitiative - also eine PISA-gerechte Schule. Orientiert an den positiven Erfahrungen der PISASpitzen-Staaten wollen wir die Thüringer Schulen endlich in die pädagogische, erzieherische und organisatorischadministrative Selbständigkeit entlassen. Künftig sollen alle Schulen eigenständig ihr pädagogisches, fachliches und organisatorisches Profil entwickeln und sie sollen in individuellen Schulprogrammen Handlungskonzepte festlegen, um das jeweilige Schulprofil realisieren zu können. Das Schulprogramm beschreibt dabei die grundlegenden Ziele einer Schule, die Wege, die dorthin führen und die Verfahren, die das Erreichen dieser Ziele überprüfen und bewerten. Damit ist eine große Chance gegeben, über die praktizierte Pädagogik vor Ort, also in einer Schule, Verständigung und Bewusstheit zu erreichen. Schwerpunkt in diesem Entwicklungsprozess sind die Verantwortung einer allgemeinen Kultur der Leistung und die Professionalität in der Auseinandersetzung über pädagogische Fragen mit dem Ziel einer kreativen Lehr- und Lernkultur. Hinzu kommen die verstärkte Teamarbeit, die Motivation im Kollegium und nicht zuletzt der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen.