Petra Köpping

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Last Statements

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn man die Kritikpunkte, die im Frauenförderungsbericht zu Recht benannt worden sind, teilen kann: Der Bericht ist eindeutig, da muss man nicht herumdiskutieren.
Wenn Frau Buddeberg ein wenig kritisiert hat, dass viele ihre Rede zu Protokoll geben: Das ist in meinem Fall vielleicht nur teilweise gerechtfertigt, da ich in den letzten Wochen sehr viel über den Frauenförderungsbericht und die Notwendigkeit eines modernen Gleichstellungsgesetzes in Sachsen gesprochen habe. Deshalb würde ich meine Rede gern zu Protokoll geben.
Die Staatsregierung hat dem Landtag den Fünften Frauenförderbericht vorgelegt. Um die Ergebnisse des Berichtes einzuordnen, ist grundlegend zu sagen, dass der Geltungsbereich des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes die Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen des
Das Ziel des Frauenförderungsgesetzes ist die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst und der Umgang mit der Unterrepräsentanz von Frauen in einzelnen Bereichen (vgl. § 2 SächsFFG). Die Datengrundlagen des Berichtes sind zum einen die Frauenförderstatistik des Statistischen Landesamtes (Stand 30.6.2015), zum anderen Abfragen bei den Ressorts im Geltungsbereich des Gesetzes. Damit wird ein Bericht vorgelegt, der die bis zu diesem Datum vollzogene Entwicklung auf diesem Gebiet darstellt, aber auch eine Grundlage bildet, künftige Entwicklungen vergleichbar zu machen.
Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes beinhaltet der Bericht die Darstellung des Personalbestandes, enthält zugleich Aussagen zu Stellenausschreibungen und Einstellungen, zu Beförderungen, zur Weiterbildung, zu Frauenförderplänen sowie zur Arbeit der Frauen-und Gleichstellungsbeauftragten.
Ich möchte auf die Ergebnisse des Berichtes zu sprechen kommen. Zusammenfassend formuliert der Bericht, „dass die im Vierten Frauenförderungsbericht festgestellten geschlechtsspezifischen horizontalen und vertikalen
Ungleichheiten nach wie vor vorhanden sind, wobei weibliche Beschäftigte in den höchsten Führungspositionen, Laufbahn- sowie Entgeltgruppen unterrepräsentiert sind. Im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen kann damit keine hinreichende Öffnung der Karrierewege für Frauen festgestellt werden.“
Darüber hinaus wird ausgeführt: „Positive Entwicklungen sind im Rahmen der Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahren festzustellen …“.
Nach wie vor stellen sich die Bemühungen im öffentlichen Dienst zur Frauenförderung bei den einzelnen Dienststellen innerhalb des Landes- und des Kommunalbereichs sehr unterschiedlich dar. Im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung nach dem Sächsischen Frauenförderungsgesetz und die Umsetzung von Artikel 3 Grundgesetz besteht weiterhin Handlungsbedarf.
Neben Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich der Frauenförderpläne und der „Sensibilisierung der Leitungsebenen für Gleichstellungsfragen [als] eine[r] weiterhin bestehende[n] Aufgabe“ formuliert der Bericht Handlungsbe
darf und -möglichkeiten insbesondere in folgenden Bereichen: umfassendere Prüfung und Umsetzung der Möglichkeiten von Teilzeit auch in Führungspositionen, Strategien, männliche Beschäftigte für die Wahl von familienfreundlichen Beschäftigungsmodellen zu gewinnen, grundsätzlich in allen Dienststellen aufzustellender, ein auf die jeweiligen Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnittener, breiter Maßnahmenkatalog in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, die Erhöhung des Frauenanteils in der Besetzung von Gremien, Handeln des Landesgesetzgebers wegen der Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner in Bezug auf die Hauptamtlichkeit der Gleichstellungsbeauftragten gemäß § 64 der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen in Verbindung mit § 60 der Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen.
Der Frauenförderbericht kann immer nur zeigen, wo wir beim Thema Gleichstellung im öffentlichen Dienst gerade stehen. Er ist kein Instrument, um etwa mehr Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst zu bringen. Nur mit dem Frauenförderbericht werden wir auch kein gleichberechtigtes Mitwirken von Frauen in Gremien oder Verwaltungs- und Aufsichtsräten erreichen.
Der Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes und der Sächsischen Verfassung verpflichtet uns aber dazu, die Gleichstellungspolitik noch weiter voranzubringen, bis wir die reale Gleichstellung auch im öffentlichen Dienst erreicht haben. Hierfür brauchen wir nach wie vor moderne Instrumente für die Gleichstellungspolitik.
So gibt es immer noch Bereiche im öffentlichen Dienst, gerade in den Leitungsbereichen, die scheinbar nur durch einen Vollzeitmitarbeiter auszufüllen sind. Dieser Mitarbeiter soll dann dem traditionellen Bild des „Rund um die Uhr verfügbaren und präsenten Kollegen“ entsprechen.
Ebenso hat sich im öffentlichen Dienst noch nicht bei allen herumgesprochen, dass die Nutzung der Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet – zum Beispiel in Form von Homeoffice –, nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Karriere ermöglichen kann. Eine Flexibilisierung des Arbeitsortes kann zusätzlich auch mit einer Erhöhung der Arbeitseffizienz verbunden sein.
Auch dass sowohl Frauen als auch Männer keine beruflichen Nachteile befürchten müssen, wenn sie mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen, ist noch keineswegs selbstverständlich. Wir müssen also weiterhin an der Arbeitskultur im öffentlichen Dienst arbeiten.
Mit meinem Entwurf für ein modernes Gleichstellungsgesetz wollten wir genau dafür an den entscheidenden Stellschrauben drehen. Leider war innerhalb der Koalition kein Ergebnis herzustellen, das diesem Anspruch gerecht geworden wäre. Im Gegenteil: Das, was nach dem Abstimmungsprozess mit den anderen Ressorts übriggeblieben wäre, hätte bedeutet, dass wir hinter den Stand
zurückgefallen wären, an dem wir mit dem schon sehr veralteten Frauenförderungsgesetz von 1994 stehen.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass das Sächsische Frauenförderungsgesetz im Bundesvergleich das älteste ist. Wir brauchen ein modernes Gleichstellungsgesetz für Sachsen, es ist dringend notwendig. Erforderlich sind gesetzliche Regelungen statt Appelle, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen und Gremien zu erhöhen. Noch immer wird nicht jede Leitungsposition nur nach Leistung und Befähigung vergeben. Hier braucht es Vorgaben, zum Beispiel, dass Leitungspositionen öffentlich auszuschreiben sind sowie paritätisch besetzte Auswahlkommissionen.
Auch die Stellung der zuständigen Beauftragten für die Frauenförderung bzw. Gleichstellung muss gestärkt werden, um zum Beispiel Entscheidungen der Dienststelle gerichtlich überprüfen lassen zu können. Die Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Familienaufgaben müssen weiter verbessert werden. Dabei muss auch das zunehmende Thema pflegende Angehörige berücksichtigt werden. Vor allem Männer sollen künftig verstärkt angesprochen werden, Vereinbarkeitsangebote in Anspruch zu nehmen; denn die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familienarbeit ist ein Thema für Frauen und Männer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben wieder einmal gesehen, was das für ein Thema ist und wie stark
das Parlament auf dieses Thema emotional reagiert. Mich persönlich freut das, weil es zeigt, dass wir nach wie vor Aufholbedarf haben.
Otto von Bismarck sagte: „Alles, was Röcke trägt, hat in der Politik nichts verloren: Weiber, Pfaffen, Richter.“ Das ist alles erst hundert Jahre her. Wir haben heute darüber gesprochen, dass vor hundert Jahren das Wahlrecht für Frauen endlich in Kraft getreten ist.
Wo stehen wir heute? Es sind ein paar Zahlen genannt worden. Der Frauenanteil bei den Landtagsmandaten lag 2017 nur bei 32 %. Der Frauenanteil in den Kreistagen und Gemeinderäten in Sachsen liegt bei 21 %. Reichlich ein Viertel der Listenkandidaten für die Landtagswahl in Sachsen – auch darüber haben wir gerade gesprochen – waren Frauen. Nur jeder siebente gewählte Bürgermeister in sächsischen Gemeinden ist 2018 weiblich. Das sind 14 %.
Ich will ein wenig aus meiner Biografie erzählen, weil ich denke, dass Männer das so nicht erzählen können. Ich bin mit circa 30 Jahren Bürgermeisterin geworden. Als ich mich in der Gemeinde Großpösna ab dem Jahr 1994 um Fördermittel gekümmert habe, habe ich sagen hören: „Die kriegt die Mittel ja nur, weil sie einen kurzen Rock trägt.“ Ich habe dann dem Kollegen geantwortet: „Trag‘ doch selber einen.“
Es ist nach wie vor so, dass die Arbeit von Frauen schnell disqualifiziert und diskriminiert wird. Das ist ein Thema, das gerade in der Politik eine Rolle spielt. Wir haben das jüngst bei den Leipziger Nominierungen erlebt, was speziell CDU-Frauen in der Leipziger Region durchaus verärgert hat, und zwar zu Recht. Insofern glaube ich, dass wir über dieses Thema reden müssen.
In Frankreich haben damals die Frauen, die für das Frauenwahlrecht gekämpft haben, sehr harte Strafen bekommen. Sie haben im Gefängnis gesessen. Sie haben Hungerstreiks gemacht. Da ist eine Situation entstanden, die sich jemand, für den das heute alltäglich ist, überhaupt nicht vorstellen kann.
Insofern glaube ich, dass es sehr wichtig ist, dass wir über diese Themen reden, weil wir noch keine paritätisch besetzten Parlamente haben. Das Gleiche trifft für die Verwaltungen zu. Wir wissen, dass 75 % der Beschäftigten in den Verwaltungen weiblich sind. Aber schauen wir uns die Führungsgremien an: Je weiter man nach oben geht, umso mehr nimmt der Anteil der Frauen in Führungsgremien ab. Das wollen wir ändern. Deswegen möchte ich heute ganz klar sagen, dass ein modernes Gleichstellungsgesetz für Sachsen dringend erforderlich ist.
Diejenigen, die mit mir seit Längerem an der Erarbeitung dieses Gleichstellungsgesetzes mitwirken, wissen, dass es gute Dinge sind, die wir in diesem Gleichstellungsgesetz vorgeschlagen haben, dass es Dinge sind, die uns alle voranbringen. Das ist kein Gesetz gegen Männer. Es ist
ein Gesetz für Parität und für Gleichstellung. Das will ich noch einmal hervorheben, weil manch einer, der über diesen Gesetzentwurf spricht, glaubt, dass sich hier irgendetwas gegen jemanden richtet. Nein, es ist ein Gesetz für Gleichberechtigung.
Gleichzeitig glaube ich, dass wir das Vorankommen von Frauen fördern müssen. Deswegen ist es so wichtig, dass, wie Hanka Kliese das erwähnt hat und ich versucht habe an einem kleinen Beispiel zu zeigen, wir als Vorbilder gut vorangehen können und wir Frauen Mut machen.
Wenn man sich Existenzgründungen ansieht, dann wissen wir, dass Frauen gründlicher überlegen, dass sie länger überlegen und manchmal kleinere Schritte gehen. Das Ergebnis ist, das sagen Studien, dass die Unternehmen, die von Frauen geführt werden, länger erfolgreich sind und es bei ihnen weniger Insolvenzen gibt. Das ist doch ein Vorteil.
Ich habe als Kommunalpolitikerin und übrigens auch als Ministerin immer wieder gemerkt, dass Frauen durchaus andere Entscheidungen als Männer treffen. In einer paritätisch besetzten Welt ist es doch gut, wenn Dinge eingebracht werden, die beide Geschlechter betreffen. Insofern will ich mit meiner Rede ein bisschen die Sorgen und Ängste nehmen, falls einer der Männer glaubt, dass wir etwas tun wollen, was andere benachteiligt. Nein, wir fordern Gleichberechtigung. Wir brauchen Teilhabe an Entscheidungsgremien in Führungspositionen.
Mancher hat mir gesagt, dass Frauen in Führungspositionen nicht möglich wären, wenn sie Familie haben. Aber es gibt erste erfolgreiche Experimente, die zeigen, dass Führungspositionen auch doppelt besetzt werden können, übrigens von Männern wie Frauen.
Wir werden uns in Zukunft der Frage stellen müssen – das ist eine positive Entwicklung –, dass eben auch Männer Teilhabe wollen am Familienleben und Ähnlichem, dass sie dafür in Zukunft auch mehr Zeit haben wollen. Das trifft also wieder beide. Deshalb sind solche Entwicklungen nicht negativ und nicht gegen etwas, sondern für etwas. Dafür möchte ich Mut machen.
Ich glaube auch gleichzeitig, dass wir als Vorbilder in die Öffentlichkeit treten können, wenn es um Politik geht. Ich mache es einmal an einem Beispiel sichtbar, was ich als Bürgermeisterin und übrigens auch als Landrätin eingeführt habe. Wir wissen alle, auch hier im Plenum, wie viele Stunden Arbeitszeit wir in der Woche verbringen,
um unserer politischen Arbeit nachzugehen. Ich habe mir Freiräume geschaffen – sowohl als Bürgermeisterin als auch als Landrätin. Manchmal schaffe ich es auch als Ministerin, um einfach für meine Familie da zu sein. Ich habe nämlich auch drei Kinder. Insofern war es in Großpösna Usus, dass man wusste, dass ich freitags nachmittags eben keine Termine festlege. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Männer gern freitags nachmittags Termine vereinbaren, um sich den häuslichen Pflichten ein Stück zu entziehen wie dem Einkaufen oder Ähnlichem.
Ich habe manchmal das Gefühl.
Insofern glaube ich, dass das eine gute Regelung war, die übrigens lange nachgehalten hat und die zeigt, dass man durchaus Familie und Beruf in Einklang bringen kann. Herr Meyer, so ist es gewesen. Ich kenne ja die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe. Das muss man sich schon auch einmal gefallen lassen.
Das andere ist, dass man wirklich darauf achten muss, wie man miteinander umgehen soll. An dem von mir vorhin berichteten Beispiel als Bürgermeisterin habe ich deutlich gemacht, dass man sehr schnell disqualifiziert wird, wenn man Erfolge hat – disqualifiziert wird auf Äußerlichkeiten, was manche Frauen eben auch abschreckt, weshalb sie einfach sagen, sie wollten sich das nicht antun. Nicht die fachliche Qualifikation, nicht die Eignung, sondern den Umgang miteinander sollten wir als Diskussionskultur auch in diesem Bereich zuoberst auf die Tagesordnung nehmen. Nicht zuletzt brauchen wir das Wissen von Frauen. Frauen, die ihre Familie organisieren, die Beruf und Arbeit, Beruf und Familie schon immer in Einklang bringen, sind einfach gute Organisationstalente. Warum sollen wir das nicht für die Politik nutzen?
Liebe Männer, liebe Partner, lasst uns hier gemeinsam eine gute Zukunft für Sachsen gestalten, lasst uns Mut haben für ein modernes Gleichstellungsgesetz!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Anhand der Diskussion macht es sich doch erforderlich, dass ich etwas mehr dazu sage, weil ich gemerkt habe, dass es quer durcheinander gegangen ist. Ich beginne damit, warum wir überhaupt im Jahr 2014/2015 mit den Erstorientierungskursen begonnen haben.
Es gab Problemfelder, wie zum Beispiel das Schwarzfahren oder dass man nicht wusste, wie man bestimmte Regelungen in der Erstaufnahmeeinrichtung – damals übrigens noch Chemnitz – durchzusetzen hat. Wir hatten Problemfelder der Verständigung; denn wir hatten, ehrlich gesagt, überhaupt noch nicht genügend Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Viele Menschen mit Sprachen, die bei uns überhaupt noch nicht vertreten waren, sind in Chem
nitz angekommen. Wir hatten Problemfelder der Gleichstellung, weil wir schnell gemerkt haben, welche Frauen- und Familienbilder durch Geflüchtete mitgebracht worden sind, oder Problemfelder wie Verkehrsregeln, Ernährung, Grundrechte und Grundwerte.
Es gab also eine ganze Reihe von Feldern, bei denen wir gesagt haben: Dort gibt es Konflikte, die wir vermeiden können, wenn wir im Vorfeld sehr schnell informieren. Deswegen haben wir Ende 2015 die ersten Pilotprojekte für diese Erstorientierung aufgebaut.
Ich möchte noch etwas zurückgehen. Wir hatten in dieser Zeit 2015/2016 über 40 Erstaufnahmeeinrichtungen und Außenstellen. Wir haben diese Erstorientierung in sechs Erstaufnahmeeinrichtungen als Pilotphase eingeführt. Wir haben damals den Volkshochschulverband in Kooperation mit Arbeit und Leben e. V. bemüht, und wir haben dafür ein Curriculum aufgeschrieben, weil wir im Vorfeld nichts hatten, das diese Erstorientierungskurse inhaltlich untersetzen konnte.
Es war der Plan, von Dezember 2015 bis August 2017, also 21 Monate, mit rund 600 000 Euro 200 Kurse à 20 Teilnehmern und 30 Stunden durchzuführen. Das haben wir verdoppelt, übrigens mit dem gleichen Geld. Im Rahmen dieser Pilotphase haben wir den Bedarf und das Interesse derjenigen gespürt, die überhaupt daran teilnehmen konnten. Das ist ein wichtiger Punkt. Bei über 40 Erstaufnahmeeinrichtungen haben wir nur in sechs das Angebot machen können, weil wir das Ganze als Pilotprojekt gedeckelt haben. Deshalb, denke ich, war das Interesse in dieser Zeit sehr hoch.
Inhaltlich haben wir diese Kurse mit den Kommunen, mit der Polizei, mit den Rettungsdiensten, mit den Betreibern und anderen abgestimmt, und gleichzeitig haben wir in Absprache mit der Landesdirektion die entsprechenden Standorte ausgewählt, um das dann umzusetzen. Im Übrigen – auch das möchte ich erwähnen – hat der Sächsische Hochschulverband dafür einen Innovationspreis für Weiterbildung in Sachsen erhalten. So viel vielleicht zu dem, was Sie, Herr Wurlitzer, wieder als unnötig, falsch oder sonst wie deklariert haben.
Der Bereich Gleichstellung war uns von Anfang an sehr wichtig. Auch dazu möchte ich noch etwas sagen, weil es auch so eine Mär ist, dass sich Männer nicht von Frauen, von Kursleiterinnen, beschulen lassen usw. usf. Wir haben tatsächlich in den überwiegenden Kursen Dozentinnen. Ich habe diese Kurse besucht, übrigens auch mit der Einladung an die Abgeordneten. Ich lade auch weiterhin ein, sich diese Kurse einmal anzuschauen, damit man nachvollziehen kann, was heute im Allgemeinen so gesagt wurde. Wir hatten nicht einen einzigen Fall, dass Männer nicht hingegangen sind, weil Dozentinnen unterrichtet haben.
Der Anteil von Frauen in den EAEs liegt bei circa 30 %. Teilgenommen haben circa 40 % der Frauen, also gab es auch dort ein überwiegendes Interesse. Im Übrigen
möchte ich gleich vorwegnehmen, weil die Kinderbetreuung heute mehrfach angesprochen worden ist: Die gibt es. Dort, wo der Bedarf angemeldet wird, wird Kinderbetreuung angeboten, damit man am Kurs teilnehmen kann. Das gab es nicht von Anfang an, aber inzwischen gibt es sie.
Für die Weiterentwicklung dieses Systems bedeutet das, dass wir derzeit überlegen, ob dieser 30-Stunden-Umfang, den wir mit dem SMI vereinbart haben, für die Perspektive überhaupt noch ausreicht. Es ist angesprochen worden, dass unser Modell in Sachsen mittlerweile beim Bund angekommen ist. Ein modellhaftes Projekt Erstorientierungskurs wird mit 300 Stunden zurzeit in Dresden durchgeführt; das ist ein Bundesprogramm. Man testet es gerade aus; denn mittlerweile wissen wir, dass viele Menschen gar nicht so lange in den Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. Das heißt, die Kursteilnehmerzahlen wechseln sehr stark. Das ist noch in der Pilotphase und wird zurzeit in einer Einrichtung in der Hamburger Straße in Dresden durchgeführt. Übrigen, wenn der Bund die Kurse in allen Einrichtungen – wie auch immer sie dann evaluiert werden – durchführt, dann können wir uns mit unseren Erstorientierungskursen zurückziehen.
Wir wollen gleichzeitig vor allem die Wertevermittlung stärken, deshalb hinterfragen wir die Stundenzahl unserer 30-Stunden-Erstorientierungskurse. Dort wollen wir vor allem die Themen Gleichstellung, sexuelle Vielfalt und sexuelle Gewalt als Schwerpunkte setzen.
Verpflichtung und Motivation wurden angesprochen. Momentan ist es so, dass wir als SMGI nicht verpflichten können. Das ist rechtlich gar nicht möglich. Ebenso kann das Land nicht verpflichten, auch das ist rechtlich nicht möglich. Es ist keine Integrationsmaßnahme – das will ich ausdrücklich sagen –, es ist eine Orientierungsmaßnahme, die für jeden gilt; auch danach wurde gefragt. Jeder, der in einer Erstaufnahmeeinrichtung ist, kann mittlerweile an unseren Kursen teilnehmen.
Eine Verpflichtung könnten wir sehr wohl regeln – auch für Sachsen, wenn wir es denn wollen –, und zwar im Integrationsgesetz, von dem ich immer wieder spreche, und es macht vielleicht Sinn, darüber nachzudenken.
Die Kurse werden durch Aushänge in den jeweiligen Landessprachen in den Erstaufnahmeeinrichtungen
angeboten, sodass sich jeder, der an dem Kurs teilnehmen will, auch anmelden kann.
Zum Stichtag 31. Juli 2018 lebten 2 316 Asylsuchende in den Ernstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates. Ich will die Zahl noch einmal nennen, weil ich mich heute ein wenig über die Berichterstattung in der Presse geärgert habe. Vom 1. August 2017 bis 30. Oktober 2018 haben an den drei BAMF-Standorten 7 615 Personen Asyl beantragt. Im gleichen Zeitraum haben 5 997 Personen an dem Erstorientierungskurs teilgenommen. Das ist eine Quote von 80 %.
Ganz ehrlich: Ich bin damit sehr zufrieden.
Eine Bewertung darüber, ob und wie viele Personen an den Erstaufnahmeeinrichtungen teilnehmen, hat Frau Zais bereits ausgeführt. Das liegt natürlich an bestimmten Voraussetzungen, deswegen muss man über das Verpflichtende nachdenken, wenn ich von 80 % Teilnehmern spreche. Es kann sein, dass die Anzahl der Zuzüge – im Moment sind wir auf einem sehr niedrigen Niveau – sinkt. Wir haben aber auch eine unterschiedliche Aufenthaltsdauer zu verzeichnen. Momentan dauert eine Beratung zum Asyl bis zur Bewertung circa 2,3 Monate. Auch das hat sich verkürzt.
Es gibt unterschiedliche Personen, die anreisen: Alleinstehende oder Familien. Wir haben also eine sehr unterschiedliche Personengruppe, bei der man nicht unbedingt von der Anzahl der Teilnehmer sofort darauf schließen kann, dass die anderen das gar nicht wollen. Das ist ja die Intention, die Sie so ein Stück mitgeben.
Zum Abschluss: Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens geben wir in Sachsen den Menschen eine Orientierung, damit sie ihren Aufenthalt in der EAE so konfliktfrei wie möglich gestalten können. Das ist das Ziel von Erstorientierungskursen. Es ist keine Integrationsmaßnahme, sondern eine Konfliktprävention. Gerade das ist mir sehr wichtig, vor allem, nachdem ich gestern unseren Innenminister gehört habe, der immer wieder sagte: Prävention, Prävention, Prävention. – Genau das machen wir.
Die Menschen sind dankbar für den ersten Einblick in das Leben in Deutschland, weil sie vieles von dem, was sie hier erwartet, gar nicht kennen und wissen. Deshalb ist es so wichtig, dies auch mit den Kulturmittlern durchzuführen. Die Kulturmittler sind eine Maßnahme, die bisher nur wir in Sachsen haben. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, dass der Bund dies in seine Erstorientierungskurse übernimmt, denn das ist eine ganz wichtige Frage.
Es sind übrigens Kulturmittler – ich sage das, weil es noch einen Änderungsantrag gibt –, die bereits geschult und ausgebildet sind. Sie kommen nicht einfach dorthin und sagen: Ich erzähle euch mal was. Sie sind geschult und auf dieses Thema vorbereitet worden.
Mittlerweile spielt das Thema eine Rolle: Wie geht man damit in Deutschland um? Insbesondere Bayern hat unser Kurssystem eins zu eins übernommen. Der Bund hat weiterhin großes Interesse daran signalisiert, wie man dieses Kurssystem – das wir in Sachsen in einer Zeit aufgebaut haben, in der alle anderen das Kurssystem abgebaut haben – für den Bund übernehmen kann.
Deshalb kann ich an dieser Stelle nicht von einem Antrag sprechen, der unwichtig ist, sondern – ganz im Gegenteil – wir haben es geschafft, dass es flächendeckend in Sachsen eingesetzt wird.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Da fällt einem nicht mehr viel ein, wenn der Herr Wurlitzer geredet hat und von „Untergebenen“ und von all diesen Floskeln spricht. Das ist schon krass. Da muss man sich ganz schön zusammenreißen, auch ich als Staatsministerin, da bin ich ganz ehrlich.
Aber noch einmal zum Thema: Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft alle Lebensbereiche. Frauen und Männer sollten ihre Aufgaben in Familie, Beruf und Gesellschaft gleichberechtigt und partnerschaftlich
wahrnehmen können. Dazu müssen bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt sein. So lautet unser Koalitionsvertrag.
Liebe Frau Meier, der Koalitionszeitraum hat bis 2019 Zeit. Wir haben noch zwei – ich habe noch einmal nachgeschaut – Projekte, die übrig sind. Alle anderen sind abgearbeitet. Das ist auf der einen Seite die „Charta der Vielfalt“, die wir im Frühjahr 2019 verabschieden wollen, und auf der anderen Seite das Gleichstellungsgesetz.
In der Tat ist es so, dass Sie einen Vorteil haben. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Der Vorteil besteht darin, dass Sie einen Gesetzentwurf aufschreiben können. Ich muss ihn abstimmen. Das ist der Unterschied.
Deshalb möchte ich gerne noch einmal darauf eingehen, weil ich Ihren Gesetzentwurf an vielen Stellen sehr gut finde. Das möchte ich gar nicht anders sagen, wenn ich zum Beispiel an die Regelungen zur Stellenausschreibung oder an die Regelungen zur Fortbildung denke. Ich möchte jetzt gar nicht näher darauf eingehen. Sie wissen ja, welche Punkte ich meine. Oder die Regelungen zur individuellen Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung,
Telearbeit – die gerade schwer kritisierte –, ich halte sehr viel davon. Ich möchte ein Beispiel nennen, was es in Berlin gibt. Es wurde gesagt: Führungskräfte müssen immer vor Ort sein. Dort gibt es eine junge Unternehmer- und Unternehmerinnenschaft, die sich zusammengeschlossen hat und zum Beispiel Führungskräfte in Teilzeit ausschreibt. Am Anfang war das ein Projekt, über das alle geschmunzelt haben: Funktioniert das? Mittlerweile berennen sie die Firmen, weil viele Frauen – übrigens auch Männer – nicht 40, 50, manchmal 60 Stunden arbeiten wollen, sondern sagen: Man kann sich auch Führungspositionen teilen. Auch das ist möglich.
Moderne Gleichstellung bedeutet viel mehr als das, was Sie sich vielleicht darunter vorstellen können.
Aber nun noch einmal zum Referentenentwurf des SMGI. Sie haben recht, Frau Meier, und auch die Opposition. Natürlich sehe ich immer wieder, dass es viele – und das haben wir heute auch in der Diskussion gesehen – unterschiedliche Meinungen zum Referentenentwurf und überhaupt zum Thema Gleichstellung gibt. Das ist es auch, was es ausmacht. Tatsächlich wollten wir eine breite Beteiligung. Da müssen Sie sich mit einem Gesetzentwurf so nicht stellen. Ich muss das machen und mache das auch gern, weil ein Gesetz – selbst wenn wir es verabschieden –, das nicht umgesetzt wird, wenig nützt. Ich möchte gern, dass man auch bei dem Gesetzentwurf, der vorliegt, dahintersteht.
Wir haben jetzt die Anhörung der Ministerien vorgenommen. Vielleicht ein Einblick:
Wir haben eine Synopse von 83 Seiten aus dem Ministerium. Daran sieht man, wie vielfältig die einzelnen Punkte abzuarbeiten sind. Ich gebe es zu: Ich wäre auch gern schneller, aber ich möchte an der Stelle sehr gründlich sein. Deshalb werden wir das tun und werden diese Abarbeitung – auch dieser 83 Seiten – vornehmen.
Zum Zeitplan: Der steht. Wir haben am 30. November unseren nächsten Gleichstellungsbeirat und möchten uns zu Eck- und Schwerpunkten verständigen. Das ist der Zeitrahmen, den wir uns vorgegeben haben. Zeitlich vorgesehen ist danach, dass wir es ins Kabinett bringen und anschließend zur Anhörung und in den Landtag. Ich mache extra – und das habe ich zu keiner einzigen Diskussion gemacht – keine feste Zeitvorgabe, weil ich natürlich auch von Mehrheiten abhängig bin, die ich mir besorgen muss. Deshalb ist es sicher auf der einen Seite schwierig zu verstehen, aber auf der anderen Seite freue ich mich, dass wir so weit sind, dass wir eine öffentliche, breite Diskussion geführt haben. Manchmal werde ich dafür kritisiert, dass ich so viel in der Öffentlichkeit darlege und diskutiere und mich auseinandersetze. Ich bekomme in der Tat dafür nicht nur positive Feedbacks, ich bekomme auch Kritiken zu diesen Themen. Ich glaube, genau das sollten wir fortsetzen. Ich hoffe, dass wir dann auch zu einem guten Ergebnis kommen.
Vielen Dank.
Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Ein Förderkonzept des Bundes für das oben genannte Förderprogramm liegt noch nicht vor. Eckpunkte sollen auf der Grundlage einer Verständigung über die Bedarfe in den Ländern in der nächsten Sitzung des runden Tisches im ersten Quartal 2019 festgelegt werden. Daher können zurzeit weder über die Zusicherung von Mitteln an einzelne Länder noch über Planungen zu ihrer Verwendung Aussagen getroffen werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind die Kernforderungen des vorliegenden Antrages? Die Staatsregierung soll, ausgehend von den Bestimmungen der IstanbulKonvention, ein sächsisches Maßnahmenprogramm zum Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt erarbeiten und dem Landtag bis Ende des ersten Quartals 2019 vorlegen. Dies wird mit der Forderung verknüpft, den Sächsischen Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt fortzuschreiben.
Eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes wird vom Lenkungsausschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bereits vorbereitet. Eine Evaluation der Maßnahmen ist eingeleitet. Die Orientierung an den Handlungspflichten der Istanbul-Konvention ist ausdrückliches Ziel der Fortschreibung.
Die Istanbul-Konvention ist ein sehr umfassendes Regelwerk, das die Gewalt gegen Frauen in vielen Facetten thematisiert. Deshalb müssen wir in der Umsetzung Schwerpunkte setzen. Für mich steht im Mittelpunkt die Anforderung, ein flächendeckendes, umfassendes, allgemein sowie barrierefrei zugängliches Unterstützungssystem für alle von Gewalt betroffenen Mädchen, Frauen und deren Kinder in Sachsen zu schaffen.
Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen zur Erfüllung dieser Anforderungen unternommen. Wir haben die Fördermittel für Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, für Interventions- und Koordinierungsstellen, für die Täterberatungsstellen und für die Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel von 1,4 auf 3,5 Millionen Euro im laufenden Haushalt erhöht. Ich will das hier noch einmal sagen, weil damit das Hilfesystem wirklich gestärkt wurde.
Wir haben die Rahmenbedingungen der Förderung durch die Novellierung der Richtlinie Chancengleichheit deutlich verbessert. Sie haben gerade angesprochen, dass die Kommunen, gerade was die Frauenschutzhäuser betrifft, den Abruf der Fördermittel teilweise nicht so richtig koordinieren. Ich will es noch einmal sagen: Wir haben die Förderung bis zu 90 % erhöht. Das heißt, die Möglichkeiten sind da, aber es muss auch der Wille da sein.
Es ist richtig: Was die Quote der Frauenschutzhausplätze betrifft, liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt. Aber die Quote von Frauenhausplätzen ist nicht das alleinige Kriterium für die Leistungsfähigkeit eines Hilfesystems. Auf der Grundlage der erwähnten Aufstockung der Fördermittel haben wir in Sachsen qualitative Akzente gesetzt.
Wir haben in Sachsen eine sehr gute regionale Vernetzungsstruktur aufgebaut, insbesondere eine beispielhafte Kooperation der Interventions- und Koordinierungsstellen mit der Polizei. Wir haben als eines der wenigen Bundesländer in den Interventions- und Koordinierungsstellen ein eigenständiges Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche, die indirekt von Gewalt betroffen sind, aufgebaut. Wir fördern ein aus Landesmitteln auf geflüchtete Frauen spezialisiertes Schutzhaus in Leipzig als Pilotprojekt.
Wir fördern als erstes Bundesland – das will ich noch einmal sagen, weil schon wieder der Wunsch nach mehr kommt – Männerschutzwohnungen in Dresden und in Leipzig mit insgesamt sechs Plätzen. Diesbezüglich kann man sicherlich mehr tun, aber noch einmal: Wir sind das erste Bundesland, das so etwas macht.
Es ist auch offensichtlich, dass die deutlich erhöhte Landesförderung nicht dazu geführt hat, die regionalen Versorgungslücken in unserem Hilfesystem zu schließen. Für mich ist die Konsequenz daraus, dass wir für das Land Sachsen eine Bedarfsanalyse und eine Bedarfsplanung brauchen, die zwischen Land und Kommunen verbindlich abgestimmt ist. Wir müssen die regionalen Bedarfe vor Ort genauso berücksichtigen wie die überregionalen Planungsbedürfnisse des Landes.
Deshalb beteiligt sich das SMGI an dem Modellprojekt des Bundes „Bedarfsanalyse und -planung zur Weiterentwicklung des Hilfesystems zum Schutz von Frauen vor Gewalt und vor häuslicher Gewalt“ mit einem sächsischen Baustein. Ziel ist es, dass sich die Landesregierung, die Landkreise, die Kommunen und die Träger auf gemeinsame Kriterien und Kennzahlen verständigen, die einer abgestimmten Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung für das Land Sachsen zugrunde gelegt werden können.
Unter wissenschaftlicher Begleitung soll ein von allen beteiligten Akteuren akzeptiertes Monitoring zur Entwicklung der Infrastruktur der Hilfsangebote und ihre Inanspruchnahme entwickelt und implementiert werden. Nach Vorliegen der Projektergebnisse – im Sommer 2019 soll das sein – wird das SMGI in Abstimmung mit den Landkreisen und Kommunen ein Gesamtkonzept zur Bereitstellung eines flächendeckenden Angebotes von
Frauenhäusern und Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder erarbeiten und einen neuen Vorschlag für eine gerechte, zukunftssichere Finanzierung unterbreiten. Die Schutzbedürfnisse von Männern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, werden hierbei einbezogen.
Ich halte es für unbedingt notwendig, dass die Ergebnisse des „Modellprojektes zur Bedarfsanalyse und Bedarfsplanung... Gewalt“ in eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt einfließen. Das Projekt wird bis August 2019 abgeschlossen sein. Eine Fortschreibung des Landesaktionsplanes sollten wir daher frühestens für das IV. Quartal 2019 ins Auge fassen.
Neben der häuslichen Gewalt ist die sexualisierte Gewalt ein zentrales Thema der Istanbul-Konvention. Ich halte es für dringend geboten, dass wir die Opfer dieser Form von Gewalt expliziter als bisher in den Fokus unseres Unterstützungssystems stellen. Bisher richtet sich das durch die Landesregierung geförderte Hilfesystem nur an Opfer von sexualisierter Gewalt, soweit diese im Kontext von häuslicher Gewalt ausgeübt wird. Opfer von sexualisierter Gewalt, die im öffentlichen Raum, wie im Arbeits- und Freizeitbereich, stattfindet, können hierdurch von der Landesregierung geförderte Hilfesysteme zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt derzeit keine fachlich qualifizierte Unterstützung bekommen. Das wollen und müssen wir ändern.
Wir werden im Rahmen eines Modellprojektes Beratungs- und Netzwerkstrukturen für Opfer sexualisierter Gewalt aufbauen. Im Zusammenhang mit einer Verbesserung der medizinischen Akutversorgung für Vergewaltigte werden wir die verfahrensunabhängige Spurensicherung für Opfer von sexualisierter Gewalt modellhaft für Sachsen erproben. Wir werden damit eine wesentliche Handlungspflicht der Konvention erfüllen können.
Weitere im Antrag angesprochene Themen sind die Berücksichtigung von Gewalt gegen Frauen in Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren oder die Gestaltung einer psychologischen Prozessbegleitung für von Gewalt betroffene Frauen. Diese Aspekte werden in der AG Justiz des Lenkungsausschusses zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bereits explizit bearbeitet.
Was die Forderung nach der Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt beim Sächsischen Staatsministerium für Gleichstellung und Integration zur wirksamen Kontrolle der Umsetzung der Istanbul-Konvention angeht, ist zu sagen: Ein zwischen Land, Kommunen und Trägern akzeptiertes Monitoring zum Stand und zur Inanspruchnahme der Infrastruktur der Hilfsangebote gegen häusliche Gewalt wird in dem bereits erwähnten Projekt zur Bedarfsplanung entwickelt und implementiert.
Aus alldem wird deutlich: Die Staatsregierung hat mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention längst begonnen. Fast alle im Antrag aufgeführten Maßnahmen stehen bereits auf der Agenda der Staatsregierung. Es bedarf dieses Antrages deswegen nicht, um die Staatsregierung
für eine angemessene Umsetzung der Konvention in die Pflicht zu nehmen.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es war nicht ganz einfach, mit dem Titel umzugehen. Deshalb stehe ich jetzt hier vorn, weil man nicht ganz genau wusste, wo er hingeht und wie breit gefächert dieser Titel aufzufassen ist. Das haben wir jetzt gerade an der Debatte gesehen.
Nun stehe ich hier als Ministerin für Integration und Gleichstellung. Deswegen würde ich gern mit Willy Brandt beginnen, der einmal gesagt hat – sinngemäß, ich habe es nicht ganz wörtlich vorliegen –: Gute Nachbarn nach innen und gute Nachbarn nach außen wollen sein. Deswegen würde ich gern dieses Thema aufgreifen – weil heute schon sehr viel zum Weltfriedenstag selbst gesagt worden ist –, wie es denn bei uns in Sachsen mit „Haltung zeigen für Demokratie und Frieden, gegen Hass und Gewalt“ aussieht.
Am letzten Freitag haben wir mit Kollegen Bienst und Kollegen Krasselt, die zugegen waren – darüber habe ich mich sehr gefreut –, das diesjährige Landestreffen von „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ eröffnet. Da waren über 200 junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, die aktiv an der Arbeit „Gesellschaftliche Zusammenarbeit“ tätig sind. Seit 20 Jahren gibt es dieses Projekt, und wir haben in Sachsen allein über 90 Schulen. Ich glaube, dass das ein Beispiel ist, das Hoffnung auf eine erfreuliche Zukunft gibt. Aber ich sage immer gleich dazu, dass dies immer noch Projekte sind, die wir stärken können. Deswegen wird Kollege Piwarz, der das Projekt im SMK ja begleitet, dieses Projekt mit uns gemeinsam noch weiter stärken.
Doch was ist unsere Gesamtstrategie? Staatlicher Umgang mit staatlichen Maßnahmen unterteilt sich hier in zwei Bereiche, nämlich in die Prävention und die Intervention. Prävention heißt für uns zuerst Unterstützung derjenigen, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen. Ich sage diesen Satz bewusst ein wenig langsamer und deutlicher, weil diejenigen tatsächlich eine große Unterstützung brauchen, gerade in diesen Zeiten. Wir haben in diesem Bereich das „Weltoffene Sachsen“, das heute schon mehrfach sowohl in der Regierungserklärung als auch in den Redebeiträgen erwähnt wurde. Wir haben jedes Jahr neue Anträge und neue Ideen. Stetig aber steigt auch der Beratungsbedarf für dieses Programm, sowohl bei den Städten und Gemeinden als auch bei Institutionen und
Vereinen. Im Jahr 2014 haben wir noch für dieses Programm circa 2,6 Millionen Euro eingesetzt, mittlerweile liegen für bei 3,7 Millionen Euro. Ich kann nur sagen, dass wir Anträge für das Jahr 2018 in Höhe von 11,5 Millionen Euro haben. Wir fördern fast 100 Projekte. Ich glaube, dass wir dort noch ein Potenzial haben, dass wir weiter unterstützen können.
Unterstützung bedeutet aber auch Unterstützung für diejenigen, die Opfer rechter Gewalt geworden sind, und zwar Unterstützung durch unsere Opferberatung. Auch hier unterstützen wir lokale und kommunale Projekte. Wir haben bereits 18 Partnerschaften für Demokratie in Sachsen, aber auch hier gibt es weiteren Bedarf. Hier haben wir also noch Luft nach oben, dass wir dies weiter verbessern können. Wir unterstützen aber auch Vereine und Verbände.
Gerade im Bereich der Demokratie zeigen die letzten Wochen und Monate, wie wichtig und notwendig das ist, zum Beispiel im THW oder im DRK. Wir haben das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Auch dort erfolgt die Unterstützung. Ich möchte an dieser Stelle wirklich einmal all diesen Projekten für ihr riesiges Engagement danken. Es ist nicht selbstverständlich, was dort gemacht wird.
Wir haben heute über so viele Problemlagen gesprochen. Ich möchte den vielen ehrenamtlichen Alltagshelfern, der Freiwilligen Feuerwehr, dem THW, den generationenübergreifenden Projekten, den Sport- und Heimatvereinen und anderen großen und kleinen Organisationen danken.
Aber ich glaube, dass wir auch in diesen Bereichen die Diskussionen über das, was gerade in unserem Land passiert und geschieht, anregen müssen. Diese müssen wir verstärken und intensivieren.
Eine Vielzahl von Menschen in diesem Land zeigt Haltung und leben Demokratie. Egal in welcher Region Sachsens erlebe ich viel ehrenamtliches Engagement – durch junge und alte Menschen, Menschen, die hier geboren wurden oder Zuwanderer sind. Sie gilt es weiterhin zu unterstützen und zu würdigen. Ich hoffe, dass diese Menschen die Mehrheit sind.
Andererseits müssen wir wachsam sein und aktiv werden für Sicherheit und für Extremismusprävention. Wir haben hier klare Grenzen aufzuzeigen im Bereich der Kriminalität sowie bei politischem oder politisch-religiösem Extremismus. Das haben wir zu bekämpfen. Da gibt es eine Null-Toleranz-Strategie, darin sind wir ganz einig mit dem Innenministerium. Wir dürfen nicht zulassen, dass es Parallelgesellschaften in Sachsen gibt.
Wir brauchen eine bessere personelle Ausstattung und Ausrüstung im Bereich der Sicherheitsbehörden. Wir haben bereits begonnen, dieses aufzubauen. Ich glaube, dass Sicherheitspartnerschaften in den Städten und Gemeinden eine wichtige Aufgabe sein sollten. Neu eingerichtete polizeiliche Terrorismus- und Extremismusabwehrzentren sind eingerichtet worden. Politisch motivier
te Straftaten werden ebenso bekämpft wie fremdenfeindliche Übergriffe.
Der Ministerpräsident hat heute noch einmal gesagt, die Koordinierungs- und Beratungsstelle für Radikalisierungsprävention, kurz KORA genannt, ist zu stärken und einzuordnen. Ich habe mir noch einmal angeschaut: Wie sieht es denn aus? Wir haben die Stelle seit über einem reichlichen Jahr. Wir haben 68 Sensibilisierungsseminare durchgeführt, 49 Beratungen von Kommunen, Vereinen, Familien und Schulen. Der Bedarf wächst in diesem Bereich. Man möchte sich informieren. Ich glaube, wir haben mit der Einrichtung unserer KORA einen guten Ansatz gefunden.
Antisemitismus wird ein neuer Schwerpunktbereich in unserem Geschäftsbereich sein. Wir wollen in diesem Bereich das weltoffene Sachsen erweitern. Auch das Demokratiezentrum haben wir ausgebaut.
Wir haben eine Vielfalt der Fördermöglichkeiten, der Präventions- und Interventionsansätze. Vor wenigen Monaten haben wir das Demokratiezentrum personell aufgestockt – weil das bisher nur ein Schlagwort war –, sodass wir nun effektiv arbeiten können.
Ich glaube, dass die Idee unserer Bundesfamilienministerin, über ein Demokratiefördergesetz nachzudenken, eine gute Idee ist. Wir sollten darüber nachdenken.
Der Freistaat steht bereit und fördert vielfältiges Engagement. Für all das, was ich Ihnen aufgezählt habe, ist es jedoch unerlässlich, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und weiter zu verbessern. Zugleich sind wir zu einem neuen Dialog bereit. Er ist begonnen und wir werden ihn mit den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe weiterführen.
Wir haben noch einiges vor. Auch das will ich nicht verschweigen. Sachsen ist der Koalition gegen Diskriminierung beigetreten. Diskriminierung, das haben andere Bundesländer so nicht gemacht, bezieht sich auf jede Art von Diskriminierung und ist dort in keinem Bereich eingeschränkt. Sachsen hat sich ein fortschrittliches Zuwanderungs- und Integrationsgesetz gegeben und Sachsen wird der Charta für Vielfalt beitreten.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das sind nicht nur symbolische Akte, wir nehmen jeden dieser
Schritte sehr ernst. Wir bereiten uns darauf vor und verbinden damit den Anspruch, dass es nicht nur ein Etikett ist, sondern dass wir tatsächlich Demokratie leben und für Demokratie eintreten.
Diese Regierung hat bewiesen, dass sie aus Fehlern lernen kann und diese korrigiert; dass sie Haltung zeigt und Haltung vermittelt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt ernst nimmt und dass sie zuhören und mit den Menschen auf Augenhöhe zusammenarbeiten will, damit sie noch besser werden kann.
Es ist eine Mischung, wenn nicht gar eine Balance, aus sozialer Prävention und staatlich-polizeilicher Repression, die den sozialen Frieden oder anders gesagt den gesellschaftlichen Zusammenhalt schafft, stärkt und bewahrt. Damit möchte ich nicht sagen, dass beides gleich stark sein muss, aber beides hat seine Berechtigung und Notwendigkeit. Offensichtlich benötigen wir in der jetzigen Situation von beidem noch mehr. Bei aller unterschiedlicher Meinung bei den Koalitionspartnern oder der einzelnen Fachminister haben wir uns – das hat der Ministerpräsident heute Morgen bereits betont – zum Ziel gesetzt, deutlich im Ton, aber fair im Umgang zu sein, um die besten Lösungen zu finden. Das, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, ist Frieden. Da hat sich nicht jeder lieb und nicht jeder ist des anderen Meinung. Aber es gibt einen Konsens, nämlich den, dass unterschiedliche Meinungen eine gewollte Vielfalt sind und immer – ich wiederhole: ausnahmslos immer – ohne Gewalt ausgetragen werden. Dafür steht diese Staatsregierung. Genau das muss der breite Konsens in unserer sächsischen Gesellschaft sein und bleiben.
Ich hoffe – nein, ich gehe davon aus, dass wir die große Mehrheit des Hohen Hauses dabei auf unserer Seite haben.
Herzlichen Dank.
Zu Frage 1: Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen prüft auf Bitte der für die Förderung zuständigen Stelle im Rahmen einer Abfrage, ob Erkenntnisse oder Informationen zu den antragstellenden Vereinen/Projektträgern vorliegen, die auf eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließen lassen könnten.
Die Grundlage bildet die nachfolgende Passage der Förderrichtlinie „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“: „Der Zuwendungsempfänger darf nach seiner Satzung oder seinem tatsächlichen Verhalten keine Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vom 16. Oktober 1992
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es funktioniert nicht.
Ich müsste fast sagen: Ich gebe die Rede zu Protokoll.
Ja.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich glaube, jetzt bin ich zu hören.
Im Februar dieses Jahres konnten wir in den Zeitungen spannende Berichte über den belgischen Bürgermeister Bart Somers lesen. Er hat in den vergangenen Jahren die 86 000-Einwohner-Stadt Mechelen von der „formal dreckigsten Stadt Belgiens“, und das sind nicht meine Worte, in eine lebenswerte wachsende Stadt mit hohem sozialen Frieden verwandelt.
Das hat er einerseits geschafft mit einer Mischung aus law and order, also der Aufstockung der Polizei um 50 %, der Installation von Überwachungskameras an allen großen Plätzen und einer massiven öffentlichen Präsenz von Polizeibeamten, und andererseits einem hoch engagierten Paket aus sozialer und integrativer Prävention mit Nachbarschaftshelfern, Beratungsangeboten und Streetworkern. Dabei hat er sich zuerst der Problemviertel angenommen, die Straßen gereinigt, Spielplätze angelegt und Parks aufgehübscht. Mit diesem vergleichsweise simplen Ansatz, bei dessen Umsetzung er richtigerweise viel Geld in die Hand genommen hat, ist eine prosperierende Stadt entstanden.
Aus den Kosten für Kriminalitätsbekämpfung sind Kosten der Prävention, der Integration und der sozialen Daseinsfürsorge geworden. Alle diese Investitionen in Kitas, Schulen, Grünflächen, Spielplätze und vieles mehr haben sich gelohnt für Mechelen, für seine Bewohnerinnen und Bewohner und für den Bürgermeister, der mit dieser Politik zum World Mayor, dem weltbesten Bürgermeister, gekürt wurde. Und es hat sich noch an anderer Stelle gelohnt: Der rechtsnationale Vlaams Belang rutschte von einem Drittel des Wähleranteils auf unter 9 %. Es ist diese Mischung, wenn nicht gar diese Balance aus sozialer Prävention und polizeilicher Stärke, die den sozialen Frieden – oder anders gesagt –, den sozialen Zusammenhalt schafft, stärkt und bewahrt.
Wenn ich heute nicht in unsere Gesellschaft, in ein friedliches Miteinander, in die Stärkung von demokratischer, kultureller und sozialer Teilhabe aller investiere, dann zahle ich morgen die Zeche für negative Kriminalitätsstatistiken.
Wenn es um so etwas Bedeutendes wie das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben geht, dann ist eben nicht nur eine politische Ebene, ein Ministerium und ein Amt dafür zuständig, sondern es handelt sich um eine Aufgabe für alle.
Im nunmehr vorliegenden fortgeschriebenen Zuwanderungs- und Integrationskonzept spiegelt sich genau diese Vielfalt an Maßnahmen wider, freilich konzentriert auf
den Bereich der Zuwanderungs- und Integrationspolitik, aber stets mit dem Wissen, dass gerade dieser Bereich in den letzten Jahren nicht nur viel politische Kraft gebunden hat, sondern es eben auch eine Frage ist, die über unsere sächsische Zukunft in einer globalen Welt mitentscheidet und die von nicht wenigen infrage gestellt wird, sei es aus ausländerfeindlicher Überzeugung oder aus zu großer Unwissenheit und Unerfahrenheit.
Doch schauen wir uns die Rahmenbedingungen, die die Erstellung des aktuellen Zuwanderungs- und Integrationskonzeptes begleiten und beeinflussen, im Einzelnen an. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem demografischen Wandel ist seit mehreren Jahren eine landespolitische Kernfrage. Die Ausgangsvoraussetzungen sind nicht gerade die einfachsten. Wir leben in Deutschland wie auch in der gesamten Europäischen Union in überwiegend alternden Gesellschaften. Der Anteil der Bevölkerung, der über 80 Jahre alt ist, steigt zunehmend. Nicht falsch verstehen: Das ist erfreulich, doch eben auch eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Dann kommt noch ein Spezifikum dazu: Sachsen ist ebenso wie andere ostdeutsche Länder aufgrund der Abwanderung vor und nach der Vereinigung Deutschlands 1989 noch einmal ganz besonders demografisch benachteiligt. Der Freistaat gehört zu den Alterspionieren. Das heißt, das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt schneller als in anderen Teilen Deutschlands.
Durch unterschiedlich starke Fort- und Zuzüge gibt es zudem regional unterschiedliche Entwicklungen in unserem verhältnismäßig dicht besiedelten Freistaat. Da sind die Großstädte, deren Bevölkerung in der Regel weiter wächst. Daneben gibt es viele Regionen im ländlichen Raum, in denen besonders Klein- und Mittelstädte von Überalterung und Verringerung der Bevölkerung betroffen sind. Der demografische Wandel ist an und für sich ein langfristiger Prozess, der von Politik und Gesellschaft vorausschauend gestaltet werden kann und auch wird.
Weitaus weniger vorhersehbar hingegen sind die weltweiten Wanderungsbewegungen, die nunmehr auch uns direkt betreffen und auf die teilweise ausgesprochen kurzfristig reagiert werden muss. Das hat mit der Flüchtlingssituation in Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 begonnen. Obwohl es schon immer Wanderung und Migration gegeben hat und auch Sachsens Geschichte viel stärker davon beeinflusst wurde, als manch einer sich das denkt, war die Quantität der vergangenen Jahre schon besonders; und sie hat nicht nur einen demografischen Effekt, sondern eben auch einen gesellschaftspolitischen. Den folgenden Satz sage ich bewusst so, wie ich ihn sage: Veranlasst, nicht verursacht, durch die Flüchtlingssituation der vergangenen Jahre herrscht und dominiert in Politik und Öffentlichkeit das Phänomen der Ausgrenzung.
Für mich stellt sich das so dar: Mitten unter uns fühlen sich Menschen ausgegrenzt und unwürdig behandelt und fordern nunmehr, auch andere Menschen auszugrenzen und diese unwürdig zu behandeln. Wie komme ich da
rauf? Ich habe unendlich viele Gespräche mit besorgten Bürgern, Asylkritikern und Pegidisten geführt, nie mit den Demagogen und Hetzern an deren Spitze, sondern immer mit den Menschen, die sich einreihen und einreihten.
Ich wollte wissen, was sie dazu antreibt, warum aus dem ruhigen und sonst zurückhaltenden Sachsen ein Wutbürger wird, der teilweise seine gute Erziehung vermissen lässt. Sie alle kennen meine These von den Verletzungen, Ungerechtigkeiten und Kränkungen der Nachwendezeit, die ein nicht unwichtiger Grund für Desintegration und Demokratieferne sind. Die Fragestellungen, die die Menschen beunruhigen, begannen weder mit den Flüchtlingen, noch enden sie damit. Globalisierung, Arbeit 4.0, Digitalisierung, der eingangs erwähnte demografische Wandel und Migration sind nur einige Beispiele für Begriffe, die die Politik beschäftigen und gleichzeitig Menschen verunsichern.
Kurzum – seit einigen Jahren fordern nicht wenige Schlagworte und die dahinterstehenden Veränderungen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft permanent heraus. Dazu zählt letztendlich auch die Zunahme kultureller Vielfalt durch alle Formen der Zuwanderung, welche nicht von allen Menschen als Gewinn oder als Chance gesehen wird. Gleichzeitig werden die Bindungskräfte traditioneller Institutionen, wie zum Beispiel Familien, Parteien und Kirchen, einfach schwächer. Am Ende der logischen Kette gibt es ein Fazit. Ist der Zusammenhalt gefährdet, sind auch die Grundwerte unserer Gesellschaft von der Gleichberechtigung über die Gewaltfreiheit bis hin zu den demokratischen Prinzipien gefährdet.
Nun liegt es an uns, den demografischen und gesellschaftlichen Wandel und Umbruch in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft zu gestalten und insbesondere die Fachkräftesituation zu sichern. Dazu gehört zum einen die stärkere Aktivierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials von Älteren, Frauen, gering Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen. Zum anderen bieten aber auch Zuwanderung und Integration ein gewisses Potenzial zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Insbesondere qualifizierte Zuwanderung kann in einer älter werdenden Bevölkerung und bei allgemein rückläufiger Erwerbsbeteiligung zur Sicherung der Fachkräftebasis und zum weiteren Fortschritt beitragen. Deshalb bleibt es auch ein Zuwanderungs- und Integrationskonzept. Gezielte Zuwanderung von Studierenden, Auszubildenden und vor allem von Professoren, Spitzenforschern, Fachexperten und Fachexpertinnen auf allen Gebieten von Wirtschaft, Verwaltung und Forschung sind und bleiben wichtig. Dieser Fakt liegt leider sehr selten im öffentlichen Fokus.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand und steht oft, manchmal sogar zu oft die Zuwanderung aus humanitären Gründen, so wie wir sie vor allem in den Jahren 2015 und 2016 erlebten. Auch hier sage ich: Mit intensiven Integrationsangeboten eröffnen wir auch hier die Chancen auf Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen, die zu Recht Hilfe beanspruchen und bei uns Asyl erhalten. Damit
schließt sich der Kreis, denn eine moderne Zuwanderungs- und Integrationspolitik ist ein Teil der zukunftsorientierten Strategie der Staatsregierung zur Bewältigung des demografischen und gesellschaftlichen Wandels. Zuwanderung und Integration gut gestalten, Zusammenhalt leben – das ist die Leitidee des unter Federführung meines Geschäftsbereiches Gleichstellung und Integration fortgeschriebenen Zuwanderungs- und Integrationskonzeptes für den Freistaat Sachsen, kurz ZIK genannt.
Wir haben uns das Vorgängerkonzept aus dem Jahr 2012 genauer angeschaut. Letztlich dürften die sehr grundlegenden Veränderungen offenkundig sichtbar sein. Die wohl wichtigste ist, dass nunmehr auch die humanitäre Verantwortung und Solidarität für Flüchtlinge abgebildet wird.
Genauso bedeutend ist – auch hierbei wurde aus der Kritik an der Erstellung des ersten ZIK gelernt – der Stellenwert gesellschaftlicher Beteiligung. Der ausgesprochen umfangreiche Beteiligungsprozess ist gewissermaßen ein Markenkern des neuen Zuwanderungs- und Integrationskonzeptes.
Von März bis Juli 2017 wurden parallel zu den zahlreichen Verbändegesprächen mit jeweils mehr als 200 Teilnehmern zwei Onlinebeteiligungsverfahren über das Beteiligungsportal der Staatsregierung durchgeführt. Nicht zuletzt habe ich das Hohe Haus über den Sozialausschuss und über meine regelmäßigen Runden mit den integrationspolitischen Sprechern aller Fraktionen auf dem Laufenden gehalten.
Mein Anliegen war es, allen interessierten Akteuren in ihrer Meinungsvielfalt die Möglichkeit zu einer Äußerung und von Beteiligung zu geben; denn nur ein partizipatorisch fortgeschriebenes Konzept hat die Chance, von möglichst vielen auch akzeptiert zu werden.
Wer mich kennt, der weiß, was meine gesamte Arbeit prägt.
Insgesamt sind weit mehr als 800 Anmerkungen in den Fortschreibungsprozess eingeflossen. Ich habe mich sehr über diese breite Beteiligung gefreut. Auch hierfür gebührt allen Mitwirkenden an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön.
Es war aber nicht nur ein guter Austausch mit den nicht staatlichen Akteuren. Ich weiß, dass der Austausch unter den Ministerien ebenfalls zu einem verständnisvolleren Miteinander geführt hat. Ich danke daher auch den Mitgliedern der interministeriellen Arbeitsgruppe, die die umfangreichen Maßnahmen der Häuser zusammengetragen und abgestimmt haben.
Ganz im Kleinen hat dieser Beteiligungsprozess auch etwas anderes geschafft: Die vielen Akteure, die am Fortschreibungsprozess mitgewirkt haben, haben dabei nicht nur die Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Initiativen
kennengelernt, sondern auch immer wieder die fachlich zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Häusern.
Keine Veranstaltung, kein Verbändegespräch, bei dem die Expertinnen und Experten aus dem Innenministerium, aus dem Wirtschafts- und Arbeitsministerium oder aus anderen Ministerien nicht mit dabei gewesen wären. Sie haben ihre Dinge vorgetragen und mit diskutiert.
Ich freue mich wirklich sehr, dass dieser umfangreiche Beteiligungsprozess wirklich derart gut funktioniert.
Jetzt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns das ZIK einfach etwas genauer an. Auf die grundsätzliche Frage, wann Integration von Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreich ist, kann man je nach Standpunkt eine ganze Reihe von Antworten finden:
wenn man fließend Deutsch spricht, wenn man eine Arbeit hat oder wenn Kinder mit Migrationshintergrund in den Kindergarten gehen und ihre Eltern zum Elternabend kommen. Oder ist Integration erst dann gelungen, wenn Ausländer eingebürgert werden?
Unter der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wird in der Integrationsforschung zuallererst die weitgehend gleichberechtigte Teilhabe des Einzelnen an zentralen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa Bildung, Ausbildung und Arbeit, Wohnen und gesundheitliche Versorgung verstanden.
Art und Umfang richten sich notwendigerweise nach der jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Situation. Das ist die organisatorische, die fachliche, wenn nicht gar die technische Dimension von Integration.
Es bedarf jedoch noch etwas anderem. Ich habe es eingangs schon angedeutet, weil es eben eine nicht ganz unwesentliche Baustelle hier in Sachsen ist.
Eine notwendige Voraussetzung für gelingende Integration ist die gesellschaftliche Akzeptanz durch die Menschen, die schon in Sachsen leben. Ohne diese grundsätzliche Akzeptanz in breiten Teilen der Bevölkerung können staatliche Maßnahmen noch so gut durchdacht, ehrenamtliche Aktive noch so engagiert und Kommunen noch so gut aufgestellt sein, sie werden es schwer haben. Das haben wir im Jahr 2015 schmerzlich gelernt.
Wir haben damals zu wenig erklärt, diskutiert und die Menschen mitgenommen. Damit will ich hier nicht die Schuldfrage stellen, sondern daraus Lehren für die Zukunft ziehen.
Integration ist nämlich sowohl ein individueller als auch ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. Deshalb haben wir es uns als Staatsregierung zum Ziel gesetzt, dass Sachsen allen Menschen, die hier leben, eine gute Heimat sein soll.
Wir haben dafür gute Leitplanken. Das Grundgesetz und die sächsische Verfassung mit ihrer Rechts- und Werteordnung bilden den Rahmen des Zusammenlebens aller hier lebenden Menschen.
Die Würde des Menschen ist hierbei die wichtigste Werteentscheidung des Grundgesetzes. Ich wiederhole es lieber noch einmal, weil ich mir hier, im Hohen Hause, nicht sicher bin, dass es bei allen angekommen ist: Menschenwürde bedeutet, dass jeder Mensch unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Alter oder von anderen Zuschreibungen und Beschreibungen gleich wertvoll ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Personengruppen, über die wir hier sprechen, sind ausgesprochen heterogen. Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählen sowohl neu nach Sachsen zugewanderte Menschen als auch Menschen mit Migrationshintergrund, die schon lange in Sachsen leben und die ihre Integration noch weiter verbessern wollen.
Das sind zum einen Spätaussiedler mit deutscher Staatsangehörigkeit, dann Unionsbürger aus den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und ähnlich privilegierte Staatsangehörige aus Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und der Türkei und schließlich Menschen aus anderen Staaten außerhalb der Europäischen Union, sonstige Drittstaatenangehörige. Viele kommen mit einem Visum zum Zwecke eines Studiums, einer Ausbildung oder um hier zu arbeiten.
Die Gruppe der geflüchteten Menschen, die für das ZIK neu ist, kommt als letzte Gruppe hinzu. Es zeigt sich übrigens, dass die größte Gruppe der in Sachsen lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor Unionsbürger sind, die ihre Freizügigkeitsrechte wahrnehmen.
Letztlich bleibt mit Blick auf die Zugewanderten eines festzustellen: Von ihnen allen werden Integrationsbereitschaft und Integrationsanstrengung erwartet. Das ist richtig so. Doch dazu müssen auch die richtigen Startchancen erhalten sein, und das auch so schnell wie möglich.
Im wahrsten Sinne des Wortes bundesweit wegweisend ist etwas, das wir im Jahr 2015 in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingeführt haben: unsere Wegweiserkurse für neu ankommende Flüchtlinge.
Während die Geflüchteten darüber informiert werden, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert, wie wichtig beispielsweise die Werte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Religionsfreiheit und der Gewaltlosigkeit sind, lernen sie auch noch erste, wenige Worte Deutsch.
Ich bin deshalb sehr froh, dass diese Kurse als sogenannte Erstorientierungskurse mittlerweile als Regelangebot des Bundes in das Drei-Standorte-Konzept der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen eingeflossen sind.
Weil wir gerade bei den Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Zum Asylverfahren – auch wenn es nicht in den Zuständigkeitsbereich der Staatsregierung fällt – will ich zumin
dest eines deutlich machen, weil mir immer wieder auffällt, dass es die Wenigsten wissen:
Wer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – kurz: BAMF – als Flüchtling anerkannt wurde, der bleibt nicht gleich dauerhaft in Deutschland. Asyl sowie Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention werden zeitlich befristet und für drei Jahre erteilt. Erst nach Ablauf dieser Frist haben die Betroffenen die Möglichkeit auf unbefristeten Aufenthalt, die sogenannte Niederlassungserlaubnis.
Sprachlich und wirtschaftlich gut Integrierte können diese Chance direkt in Anspruch nehmen, weniger gut Integrierte erst nach weiteren zwei Jahren, vorausgesetzt, sie sind nicht wegen einer Straftat verurteilt oder überwiegend von Transferleistungen abhängig.
Das will ich einfach noch einmal klar sagen. Ich will damit deutlich machen, dass das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht sehr wohl darauf achtet, wie gut sich eine Person auch wirklich integriert.
Diesen Willen wollen und müssen wir einfordern.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das vorliegende ZIK beschreibt die entsprechenden Ziele und Maßnahmen in zwei großen Bereichen: gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Migrationshintergrund und gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Aus dem allerersten Kapitel, „Wege nach Sachsen – Daten und Fakten“, habe ich schon einiges berichtet. Hierin können Sie auch nachlesen, welchen Plan die Staatsregierung beispielsweise beim Prozess des Ankommens vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen verfolgt.
Ebenfalls zu Beginn meiner Rede habe ich erwähnt, dass wir das ZIK lebensweltorientiert aufbauen wollen, also nicht strukturiert nach Zielgruppen oder nach Fachressorts, sondern nach den konkreten Lebenslagen und Bedürfnissen der Zugewanderten.
Auf die wesentlichen Inhalte des von uns als Handlungsfelder bezeichneten Kapitels will ich noch kurz eingehen.
Ein Dreh- und Angelpunkt bei einem Handlungsfeld sind die Sprache und Verständigung. Für die Integration der Menschen, die aus anderen Ländern nach Sachsen kommen, ist der Erwerb der deutschen Sprache elementar. Sachsen hat mit dem im Jahr 2016 gestarteten Landessprachprogramm ein Angebot für Zugewanderte definiert, die keinen Anspruch auf einen Bundesintegrationskurs haben. Wir haben erst im vergangenen Plenum darüber gesprochen. Ich weiß mich mit dem großen Teil dieses Landtags einig in der Bewertung, dass es ein wichtiges, richtiges und gutes Programm ist.
Doch dieses Handlungsfeld heißt Sprache und Verständigung. Uns ist allen klar, das Erlernen von Sprache dauert. Der Aufbau von Sprachmittlerdiensten in allen Landkreisen war die logische Antwort auf die Frage, wie man für Behördengänge und für die Verständigung in Ämtern, mit Ehrenamtlichen, mit der Polizei und mit Ärzten ein flächendeckendes Sprach- und Kulturmittlerangebot
aufbaut.
Wenn ich an das Handlungsfeld frühkindliche und schulische Bildung denke, dann denke ich zuallererst an den letzten Freitag, an dem ich mit meinem Kollegen Piwarz stolz die nächste Runde des Ende 2014 in Sachsen gestarteten Modellprojekts der WillkommensKITAs einleiten durfte. In Zukunft können sich weitere 90 Kitas beraten und begleiten lassen, wie sie mit sprachlicher und kultureller Vielfalt in ihren Einrichtungen umgehen; denn eines ist klar: Frühkindliche und schulische Bildung schaffen die nachhaltige Grundlage für gelingende Integration und individuelle Erfolge. Sie sind Voraussetzung für Zukunftschancen und Teilhabegerechtigkeit in den jüngeren Generationen.
Deshalb haben wir nicht nur seit Kurzem die WillkommensKITAs, sondern seit vielen Jahren schon ein ausgereiftes Konzept der schulischen Integration. Alle Schüler verschiedenster Nationalitäten, die die deutsche Sprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen, besuchen zuerst eine sogenannte Vorbereitungsklasse. Hier lernen sie Deutsch als Zweitsprache und werden auf den Übergang in die Regelklasse ihrer Altersstufe vorbereitet. Dieser Übergang erfolgt ganz individuell und in drei Stufen.
Was der Staatsregierung, vor allem dem Kultusministerium, hier besonders wichtig ist: Dabei wird das vorhandene Sprachpotenzial der Kinder, die in Sachsen zwei- und mehrsprachig aufwachsen, als Begabung wahrgenommen und, wenn möglich, im Rahmen des herkunftssprachlichen Unterrichts gefördert.
Wenn wir über Bildung sprechen, dann müssen wir auch die im Blick haben, die nicht mehr schulpflichtig sind, weil sie älter als 18 Jahre sind. Vielen dieser jungen, erwachsenen Flüchtlinge fehlt neben Deutschkenntnissen vielfach auch die erforderliche Schulbildung für den Einstieg in eine Berufsausbildung. Gleichzeitig ist das Potenzial der Helfertätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt schon sehr begrenzt. Das Kabinett hat sich dazu Mitte April auf ein gemeinsames Konzept zur Schaffung eines entsprechenden Angebots geeinigt, dass wir jungen und erwachsenen Flüchtlingen ohne ausreichende Schulbildung eine Ausbildungsreife ermöglichen. Wenn alles gut geht, werden wir im September die ersten Ü18-Kurse starten.
Die Hochschulen sind seit jeher ein Hort von Offenheit und Internationalität, sodass das Handlungsfeld Hochschulbildung und Wissenschaft von besonderem Interesse für den Freistaat Sachsen ist. Der Zugang zu den Hochschulen steht Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen
zu den gleichen Bedingungen offen wie Deutschen. Internationale Studierende stellen dabei ein wachsendes Potenzial für den sächsischen Arbeitsmarkt dar.
Die sächsische Wissenschaftslandschaft profitiert vom Zugewinn an internationalen Nachwuchskräften und Expertinnen und Experten. Der Career-Service an den sächsischen Hochschulen fördert zum Beispiel die Vernetzung von akadamischen Nachwuchskräften und potenziellen Arbeitgebern. Das Engagement im Bereich der humanitären Zuwanderung zeigt sich darin, dass beispielsweise fünf Hochschulen in Sachsen zusätzlich Sprachkurse zur Vorbereitung von Flüchtlingen auf die deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang eingerichtet haben.
Das ist aber nur ein Beispiel des großen Engagements von Wissenschaftsministerium und Hochschulen. Das Handlungsfeld der Aus- und Weiterbildung sowie der Arbeitsmarkt Integration sind überaus umfangreich. Das ist selbstverständlich, denn gut gebildete Menschen mit Migrationshintergrund können zur Fachkräftesicherung in Sachsen beitragen. Durch ihre Kompetenzen und ihre Ideen können sie Impulse für Innovation geben. Ihre Sprachkenntnisse und Kontakte in die Heimatländer können ferner dem Ausbau und der Pflege weltweiter wirtschaftlicher Beziehungen dienen.
Neben den bundesgeförderten Initiativen, wie beispielsweise dem Netzwerk Integration durch Qualifizierung, kurz IQ-Netzwerk, welches sich auf die fachliche Vorbereitung von Zugewanderten auf den sächsischen Arbeitsmarkt konzentriert, praktiziert Sachsen seit dem Jahr 2011 die Maßnahmen „Ausländische FachKräfte-Zuwanderung effizient und sensibel steuern“, kurz AKZESS genannt. Es handelt sich hierbei um ein beschleunigtes Verfahren in ausgewählten Ausländerbehörden für Ausbildungs- und Bildungsmigranten sowie ihre Familienangehörigen. Hinzu kommt neuerdings die Erstberatung durch die Beratungsstelle für ausländische Beschäftigte in Sachsen, kurz BABS genannt. Das Angebot richtet sich an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedsstaaten, die in Sachsen ihre Tätigkeit ausüben oder dies planen.