Frauke Heiligenstadt
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat in seiner ersten Antwort versucht, mit einem leichten Zungenschlag darauf hinzuweisen, der Landkreis Northeim habe angeblich die Zuständigkeit von sich schieben wollen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Ich glaube, es war genau anders herum. Die Verwaltung des Landkreises Northeim musste erst mehrfach nachfragen, bevor das Gewerbeaufsichtsamt bei diesem Thema überhaupt in die Strümpfe kam. Im Übrigen hat der Landrat persönlich am ersten Gespräch nach der Feststellung dieses Vorfalles teilgenommen.
Ich stelle daher die Frage, ob Sie das relativieren, weil der Landkreis Northeim hier alle erforderlichen Vorarbeiten geleistet hat. Es trifft wohl eher zu, dass Sie die Zuständigkeit nicht wahrhaben wollten.
Meine zweite Frage betrifft ein anderes Thema. Sie haben hier einige Zeiträume in Aussicht gestellt, in denen der Inhaber der Firma diese Abfälle entsorgen kann. Ich darf in diesem Zusammenhang mit Genehmigung der Präsidentin aus der HNA vom 12. Dezember zitieren:
„Seit Mittwochnachmittag stehen die Arbeiten in dem illegalen Giftmülllager auf dem Tönnieshof bei Fredelsloh im Landkreis Northeim still. Ein Chemiker des Gewerbeaufsichtsamtes war bei Arbeiten in einer der vollgepackten Lagerhallen auf ein undichtes Fass mit einer Ammoniumsulfidlösung gestoßen. Die Chemikalie gilt als hochexplosiv, wirkt ätzend und ist giftig, wenn sie mit Wasser in Kontakt
kommt.“
Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten, bis der Inhaber dieser Firma endlich in die Strümpfe kommt? Damit gefährden Sie die Bevölkerung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag „Erwerbspotenziale besser ausschöpfen - mehr Frauen in die Chefetagen“ in den Landtag eingebracht, weil wir der Meinung waren, dass sich die Situation von Frauen auf dem Arbeitmarkt und im Arbeitsleben deutlich verbessern muss.
Ich habe bereits in der ersten Beratung zu diesem Thema vorgetragen, wie es um die Beschäftigung von Frauen und deren Bezahlung sowie deren Anteil in Führungspositionen in der Wirtschaft bestellt ist. Die wirtschaftliche Entwicklung ist dramatisch davon abhängig, dass wir zukünftig mehr qualifizierte Frauen im Erwerbsleben unterbringen können. Meine Fraktion und ich sind uns durchaus bewusst gewesen, dass solch ein Antrag vielleicht nicht eins zu eins im Landtag beschlossen wird.
Ich war aber schon der Meinung, dass wir uns zumindest in den Zielen einig wären, dass es nämlich zu einer Veränderung dieser schwierigen Situation kommen muss, dass wir mehr Frauen in Chefetagen brauchen, dass wir mehr Engagement der Betriebe bei der Berücksichtigung familiärer Aspekte benötigen und dass wir eine gleiche Bezahlung für Arbeitsleistungen von Männern und Frauen in gleichen Berufen brauchen.
Ich war mir auch sicher, dass auch die rechte Seite dieses Hauses zumindest in diesen Zielen übereinstimmt. Doch weit gefehlt. Die Wortbeiträge, die wir bei der ersten Beratung im Plenum erleben mussten, waren schon starker Tobak. Ich erinnere mich noch an den Wortbeitrag der Kollegin Frau
König von der FDP-Fraktion. Ich will ihn eigentlich an dieser Stelle nicht mehr extra erwähnen.
Das war in frauenpolitischen, selbst in wirtschaftspolitischen Zusammenhängen nicht Stand der
Dinge, wie man es so schön sagt.
Bei den Beratungen zum Antrag hat mich vor allen Dingen eines betroffen gemacht: Anhand dieses Antrags ist wirklich deutlich geworden, welche Auswirkungen es hat, wenn man die Frauenpolitik in einem Bundesland fünf Jahre lang brachliegen lässt.
Wenn wir eine für Frauenpolitik zuständige Ministerin in diesem Bundesland hätten, die sich in der Tat für die Frauen einsetzen würde, dann wäre es gar nicht erst zu solchen Wortbeiträgen gekommen wie z. B. in der ersten Beratung in diesem Hause und wie wir sie in der sozialpolitischen Debatte gestern in dem Wortbeitrag von Herrn Böhlke oder auch im Umgang des Wissenschaftsministers mit starken Frauen als Gegenspielerinnen erlebt haben.
Meine Damen und Herren, in der Frauenpolitik ist diese Landesregierung um Lichtjahre nach hinten gefallen. Ich habe den Eindruck, dass selbst Adenauer und Scheel in der Frauenpolitik fortschrittlicher waren als Sie.
- Ja. Herr McAllister, wie ist es denn zu erklären, dass die CDU die Herdprämie auch noch als moderne Familienpolitik verkauft? Das ist ein Rückschritt in die Vergangenheit!
- Herr Althusmann, wissen Sie, was passiert, wenn diese Herdprämie wirklich irgendwann einmal Realität werden würde?
Ich hoffe, dass es nicht dazu kommen wird. Aber wissen Sie, was das für die Frauen in erster Linie bedeutet, wenn sie doch einmal Realität werden sollte? Es können im Übrigen auch Männer zu Hause bleiben. Aber wir wissen doch, wie es ausgeht, wenn Frauen sich plötzlich zu Hause rechtfertigen müssen, weil sie arbeiten wollen, aber doch lieber zu Hause bleiben sollen, weil sie dann wegen der Steuerprogression etwas mehr Geld verdienen.
So sieht es doch aus. Wir haben in unserem Antrag deshalb auch das Ehegattensplitting mit untergebracht, weil unserer Meinung nach die erneute Beschäftigungsaufnahme nach einer Kinderpause nicht durch solche steuerlichen Restriktionen behindert werden darf.
Meine Damen und Herren, frauenpolitisch ließe sich eine ganze Menge sagen. Ich möchte allerdings zusammenfassen: Wirtschaftspolitisch und auch für die Gesamtgesellschaft ist es extrem wichtig, dass wir die Frauen stärker im Erwerbsleben unterbringen. Das haben wir im Übrigen auch in der Enquete-Kommission behandelt. Wir sind auch in der gesamten Enquete-Kommission zu weitergehenden Entschlüssen bereit gewesen.
Wie sieht denn die Situation in Niedersachsen aus? - Die Frauenerwerbstätigenquote in Niedersachsen ist nach wie vor am unteren Ende der Skala. Hinzu kommen all die Begleiterscheinungen für die Betriebe. Wir haben schon im Moment einen Facharbeitermangel. Und Sie weigern sich, ein Maßnahmenpaket aufzulegen. In den Beratungen waren Sie noch nicht einmal bereit, Änderungsvorschläge zu machen, damit wir wenigstens darüber nachdenken können, inwieweit man dort etwas verbessern kann.
Meine Damen und Herren, wirtschaftspolitisch
hätte man diesen Antrag auch durchaus gemeinsam verabschieden können. Sie waren aber nicht dazu bereit, weil Ihre frauenpolitische Denkweise wohl noch etwas in den vergangenen Jahrzehnten steckengeblieben ist. Das war leider so. Aber ich
hoffe, dass sich das nach dem 27. Januar ändern wird.
Leider stehen für eine Kurzintervention nur anderthalb Minuten zur Verfügung. Deshalb will ich nur auf zwei Punkte eingehen.
Erstens. Wenn Sie sagen, es sei eine Sache der Tarifparteien, für gleiche Bezahlung zu sorgen, dann sage ich nur: 80 % aller Niedriglohnempfänger sind Frauen. Da brauchen wir den Mindestlohn, und genau dagegen kämpfen Sie. Das ist doch völlig scheinheilig, wie Sie hier argumentieren.
Wer ist denn von diesen Niedriglöhnen betroffen? Das sind doch in erste Linie Frauen!
Zweiter Punkt. Wenn Sie sagen, die natürliche Entwicklung sei in Zukunft so, dass wir Angst um unsere Söhne haben würden, dann kann ich nur sagen: Seit 20 Jahren sind die Mädchen in der Regel besser als die Jungs. Dann hätten wir diese natürliche Entwicklung schon seit 20 Jahren in den
Chefetagen haben müssen - oder spätestens dieses Jahr. Wie lange wollen Sie denn noch darauf warten?
Frau Präsidentin! Herr Minister, Winterdienst und Organisation des Straßendienstes sind das eine, die Unterhaltung der Straßenbankette und der Gräben an den Landesstraßen sind das andere. Wir hatten in diesem Jahr einige Hochwasserereignisse, insbesondere in den Sommermonaten, die dazu geführt haben, dass viele Menschen mit Überschwemmungen zu kämpfen hatten. Mir ist zugetragen worden, dass viele dieser Über
schwemmungen nicht zuletzt darauf zurückzuführen waren, dass in einigen Bereichen die Unterhaltungsmaßnahmen an den Landesstraßen nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sind. Angeblich sind die Rhythmen, in denen die Gräben entsprechend unterhalten werden, gestreckt worden.
Meine Frage lautet: Kalkulieren Sie bei den Überlegungen zur Privatisierung mögliche Schadenersatzansprüche mit ein, die von Dritten erhoben werden können, wenn nicht ordnungsgemäß unterhalten wird?
Meine zweite Frage ist, ob die Menschen im nächsten Sommer Angst haben müssen, dass die Unterhaltungsrhythmen eventuell noch weiter gestreckt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche hat eben vorgetragen, dass in etwa die Hälfte der Anzeigen von privaten Firmen, die andere Hälfte vom Land finanziert worden sei. Sie haben in Ihren Vorbemerkungen ausgeführt, dass es allgemeine Anzeigen und eher firmenbezogene Anzeigen gebe. Die allgemeinen Anzeigen seien vom Land finanziert worden. Nachdem der Ministerpräsident gestern in einer anderen Debatte erklärt hat, dass das Land bisher noch keine einzige Anzeige geschaltet habe, frage ich die Landesregierung: Wer sagt denn nun die Wahrheit?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem diese Landesregierung von 2003 bis zum heutigen Tage die Innovationsförderung halbiert hat, einen Teil des nur noch hälftig vorhandenen Geldes auch noch in einen Fonds hineingibt, davon auch noch Zinsen bezahlt, weil sie mehr Sollzinsen bezahlen muss, als sie Habenzinsen bekommt, und davon auch noch eine Anzeigenkampagne finanziert, frage ich die Landesregierung ganz konkret: Wie viel zusätzliche Innovationsförderung ist im Vergleich zu 2003 für die Unternehmen in Niedersachsen eigentlich übrig geblieben?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor, Männer würden durchschnittlich 25 % weniger verdienen als Frauen. Stellen Sie sich vor, in deutschen aktiengeführten Unternehmen wären ausschließlich Frauen in den Vorständen. Stellen Sie sich vor, dass nur 10 % aller Führungspositionen in deutschen Unternehmen von Männern besetzt sind. Stellen Sie sich vor, dass 70 % aller Frauen arbeiten, aber nur 61 % aller Männer.
Wenn wir uns das vorstellen würden, dann würde man über ein so wichtiges Thema wie die ungerechte Behandlung von Männern in diesem Parlament nicht mehr abends um 19.30 Uhr diskutieren.
- Ich bin schon der Meinung, dass uns dieses Thema wichtig sein muss, bei allem Respekt vor anderen Veranstaltungen in diesem Parlament.
Meine Damen und Herren, Hintergrund unseres Antrags sind traurige Zahlen: Frauen verdienen in Deutschland bei gleicher Arbeit bis zu einem Viertel weniger als Männer und das, obwohl Frauen beim Bildungsniveau die Männer schon längst überholt haben. 56 % beträgt der Frauenanteil des Abiturjahrgangs 2005. Das wirkt sich aber leider immer noch nicht auf Karriere und Beruf aus. Das sollte auch die Mitglieder der Fraktionen auf der rechten Seite dieses Hauses interessieren.
Wir fordern daher gleiche Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben. Es gibt viel zu wenige Frauen in Führungspositionen. In der Wissenschaft werden nur 15 % und in der Wirtschaft nur 10 % der Spitzenpositionen von Frauen bekleidet. In keinem einzigen deutschen DAX-Unternehmen ist eine Frau im Vorstand vertreten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss sich ändern,
weil es hier nicht nur um Gerechtigkeitsfragen geht, sondern auch darum, dass die Wirtschaft die Frauen immer mehr braucht.
Dazu einige Fakten: Die Erwerbstätigenquote bei Frauen ist in Deutschland in den letzten Jahren von 58 auf knapp 60 % leicht gestiegen. An der Spitze der europäischen Länder sind Dänemark und Schweden mit einer Frauenerwerbstätigenquote von jeweils über 70 %. Auch beim Lohn sind die Unterschiede beträchtlich: Frauen verdienen durchschnittlich 23 % weniger als Männer in vergleichbaren Berufen; bezogen auf den Stundenlohn beträgt der Unterschied sogar 26 %.
Auch innerhalb der Berufsgruppen gibt es eklatante Unterschiede. Beispielsweise Chemikerinnen
verdienen im Durchschnitt 850 Euro brutto weniger als ihre männlichen Kollegen. Eine Ursache für diese Einkommensunterschiede ist, dass Frauen und Männer hierarchisch unterschiedliche Positionen besetzen. Zum anderen finden sich Frauen in der Regel in schlechter bezahlten Berufsfeldern und Branchen.
Nun zu den Führungspositionen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatte im Jahr 2006 nur jede sechste berufstätige Frau einen Job mit viel Verantwortung. Bei den Männern war dieser Wert doppelt so hoch. In der letzten Woche war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen: Karriereknick durch Kinder. - Ja, ist es dann ein
Wunder, dass immer weniger Kinder geboren werden und sich immer weniger Männer für die Elternzeit entscheiden, wenn man dadurch Karrie
renachteile in Kauf nehmen muss? - Selbst in der Wissenschaft, in der der Frauenanteil ja noch relativ hoch ist, gibt es unter habilitierten Forschenden bisher nur 28 % Frauen, unter Professuren lediglich 9 %. Fazit: Chefinnen sind selten. Dafür sind zwei Drittel aller Mini-Jobber weiblich. Gleiche Chancen für Frauen in der Arbeit? - Fehlanzeige.
Zur Ausbildung: Junge Frauen haben zwar bessere Schulabschlüsse als ihre männlichen Altersgenossen, dennoch wählen sie andere Ausbildungen oder studieren in Fakultäten mit geringen Zukunftsaussichten. Andererseits wird es ihnen nicht leicht gemacht, wenn sie bereit sind, in männerdominierte Berufsfelder einzusteigen. Eine Umfrage unter Betrieben zeigt: Technikorientierte Berufspraktika und eine verbesserte Berufsberatung sind wichtig. Mehr als 50 % der Abiturienten, knapp 50 % der Studienanfängerinnen, der Studierenden und der Hochschulabsolventen sind weiblich. Ganz klar: Frauen haben eine gute Bildung. In ihrem Leben nehmen Karriere und Beruf eine wichtige Rolle ein. Dennoch wirkt sich das kaum auf ihr Berufswahlverhalten aus. Der Arbeitsmarkt bleibt gespalten in männer- und frauentypische Berufe.
Wie sieht es in Niedersachsen aus? - Niedersachsen hat den drittletzten Platz in der Frauenerwerbstätigenquote im Vergleich zu allen Bundesländern. Niedersachsen hat die rote Laterne bei der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen. Im Hortbereich liegt Niedersachsen ebenfalls am unteren Ende der Skala.
Meine Damen und Herren, gleichzeitig bekommen die Wirtschaftspolitiker aller Parteien bei Betriebsbesuchen und Veranstaltungen der Unterneh
mensverbände in den letzten Monaten nur eines zu hören: Facharbeitermangel - vor allem, weil wir die Potenziale der Frauen nicht ausschöpfen. All diese Zustände sind - auch nach einer qualitativ sehr hochwertigen Anhörung in unserer Fraktion für uns Anlass genug, in diesem Bereich ein klares Maßnahmepaket und einen Prozess des Umdenkens zu fordern.
Wir fordern ganz klar: Die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsmarkt muss zukünftig ein Schwerpunkt der Landespolitik sein. Wir brauchen mehr Frauen in verantwortungsvollen Positi
onen, weil wir es uns nicht leisten können, diese gut ausgebildeten Frauen zu Hause zu lassen. Wir brauchen eine Unternehmenspolitik, die nicht nur betriebswirtschaftlich kurzfristige Effekte berücksichtigt, sondern auch familienorientierte Maßnahmen beinhaltet, eine Unternehmenspolitik, die
berücksichtigt, dass Frauen als Mütter und Männer als Väter auch Kompetenzen hinzugewinnen und Erziehungszeiten nicht als Nachteil bewerten.
Zu einer guten Frauenpolitik im Unternehmensbereich gehört auch, dass diese Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft erbringen und Arbeitszeiten familienorientiert einführen und nicht unternehmensorientiert.
Wir müssen gemeinsam mit allen Akteuren ein Maßnahmenpaket zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit im Berufs- und Arbeitsleben erreichen. Wir müssen gezielt in Schulen für ein höheres Interesse bei Mädchen an typischen Männerberufen werben. Da lohnt sich auch nicht nur ein Girls’ Day. Da muss deutlich mehr gemacht werden.
Wir brauchen spezielle Förderprogramme zur Existenzgründung von Frauen. Kommunen, Politik, Betriebe müssen einen umfassenden Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Öffnungszeiten von Kitas müssen flexibler werden, die Hort- und Kleinkindbetreuung muss deutlich verbessert werden und vor allen Dingen auch für die Ferienzeiten ausgebaut werden.
- Viel zu wenig, viel zu wenig!
Wir brauchen mehr Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuungsplätze ohne Gebühren. Außerdem müssen wir im Bundesrat die immer noch vorhandenen steuerlichen Nachteile für Frauen abbauen, wenn sie nach einer längeren Zeit der Erwerbslosigkeit die Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen ist die Herstellung von echter Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Denn ein eigenes Einkommen, von dem die Frauen auch leben können, ist der Schlüssel zur Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Daher setzen wir uns für die Erhöhung der Frauenerwerbsquote, das weitere Schließen der Einkommensschere, für mehr Frauen in Führungspositionen sowie für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.
Meine Damen und Herren, eine moderne Gesellschaft kann auf das Potenzial der Frauen in vielerlei Hinsicht nicht verzichten. Unser Wohlstand hängt letztlich von der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen im Arbeitsleben ab. Denn die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ist ein unverzichtbares Element einer langfristigen Wachstums- und Beschäftigungspolitik, das nicht zuletzt auch die Effizienz der Wirtschaft steigert. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die unhaltbaren Zustände in der niedersächsischen Fleischwirtschaft in Bezug auf
Entlohnung, Unterkunft, Arbeitsbedingungen und letztlich auch in Bezug auf die Produkte und den Verbraucherschutz sind in dieser Legislaturperiode schon mehrfach Thema in diesem Hause gewesen.
Die SPD-Fraktion hat ihren Antrag im April 2005 eingebracht. Davor hatten wir in diesem Hause schon beschlossen, etwas gegen die haltlosen Zustände in dieser Branche und die damit einhergehenden Wettbewerbsverzerrungen für noch
rechtmäßig handelnde Betriebe zu tun.
Nur, die Landesregierung hat sich leider nicht an den Beschluss des Parlaments gehalten.
Meine Damen und Herren, was ist Fakt in dieser Branche? Mit welchen Zuständen müssen die legal arbeitenden Unternehmen - es sind leider nur einzelne Betriebe - kämpfen? Unter welchen Umständen müssen die beschäftigten Männer und Frauen in den Betrieben arbeiten? - Ich glaube, das kann niemand besser sagen als sie selbst - vertreten durch die NGG - bzw. die Staatsanwaltschaft Oldenburg. Danach ist die Anzahl der Verfahren mit Verdacht auf illegale Arbeitnehmerüberlassung,
Beitragsvorenthaltung und Betrug zum Nachteil der Sozialversicherung sowie Lohnwucher 2006 und 2007 auf hohem Niveau - ich betone: auf hohem Niveau - stabil geblieben. Im Bezirk der Staatsanwaltschaft Oldenburg häufen sich Fälle, in denen wegen des Verdachts der Lohnwucherei ermittelt wird. Nach Aussagen der Staatsanwaltschaft konnten dabei Stundenlöhne von 1 bis 3 Euro festgestellt werden.
In mehreren Verfahren sind statt erlaubter 8 Stunden pro Tag durchgehende Arbeitszeiten von 13 bis 16 Stunden pro Tag zu verzeichnen gewesen. Das ist Fakt. Meine Damen und Herren, leider hat sich hier seit 2004 nichts, aber auch gar nichts verbessert.
Die Staatsanwaltschaft verweist lediglich auf ein Verharren auf hohem Niveau und auf ihre zwei Jahre zuvor abgegebene Stellungnahme. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich hier wirklich nichts verändert hat. Insbesondere betont die Staatsan
waltschaft die Unterbesetzung ihrer eigenen Einrichtungen und verweist auf die Unterbesetzung der Kontrollinstanzen. Meine Damen und Herren, jeder weiß um die unhaltbaren Zustände. Wir haben Vorschläge dafür unterbreitet, wie diese Zustände zumindest besser kontrollierbar gemacht werden können. Dazu gehört ein branchenspezifischer Mindestlohn. Dazu gehören ferner eine Quote für Fremdbeschäftigte, die Unterbindung von Kettenverträgen, die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung, klare Abgrenzungsregelungen zwischen Werk- und Dienstleistung gegenüber der Arbeitnehmerüberlassung und die Einbindung der Branche in das Entsendegesetz. Dazu ist es erforderlich, dass wir klare Mindeststandards festlegen.
Was aber tun Sie? - Sie ändern den SPD-Antrag ab und feiern Ihre angeblichen Erfolge. Aber welche Erfolge, meine Damen und Herren? - In dieser Branche sind diese Zustände in Ihrer Regierungszeit manifestiert worden. Ihr Antrag strotzt nur so von einem „Weiter so!“. Was denn weiter so? Die Situation weiter so hinnehmen? - Wenn es um zusätzliche Arbeit geht, verweisen Sie ausschließlich auf andere Behörden wie z. B. den Bund oder die EU. Meine Damen und Herren, das ist meiner Meinung nach eine ganz billige Methode, sich der Verantwortung zu entziehen.
Sie als Regierungsfraktion tragen hier Verantwortung und müssen sich des Themas ernsthaft annehmen. Gerade die Niedersächsische Landesregierung, die im Vergleich zu anderen Bundesländern mit den höchsten Anteil der Betriebe dieser Branche in ihrem Verantwortungsbereich hat, darf sich hier nicht wegducken. Dieses Wegschieben von Verantwortung hat bei Ihnen aber System. Bloß nicht Farbe bekennen und Verantwortung übernehmen. Aber genau das wäre die Aufgabe des Wirtschafts- und Arbeitsministers Hirche gewesen. Sie sind zum Teil jedoch noch nicht einmal über die einfachsten Sachverhalte in Ihrem Haus informiert.
Das ist eigentlich ganz praktisch; denn man muss keine Verantwortung übernehmen, wenn man von nichts weiß.
Was machen nun die Regierungsfraktionen? - Sie verwässern den Antrag, feiern sich und das Handeln der Regierung wieder einmal ab und lassen die betroffenen Betriebe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen. Bei allen Diskussionen zu diesem Thema haben aber auch Sie durchaus Handlungsbedarf gesehen, jedoch immer nur von schwarzen Schafen gesprochen.
Meine Damen und Herren, die Staatsanwaltschaft sagt selbst, dass es hier nicht mehr um Einzelfälle gehe, sondern um eine Manifestierung des kriminellen Handelns in dieser Branche. Hier brechen Hunderte reguläre Arbeitsplätze durch unfairen Wettbewerb weg. Sie machen dafür das Arbeitsrecht in Deutschland verantwortlich. Es müsse flexibler werden. Ja, wie flexibel muss es denn noch werden, damit die Werkvertragsarbeitnehmer nicht weiter missbraucht werden? Wo sind eigentlich Ihre Untergrenzen im Hinblick auf die Arbeitnehmerausbeutung, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen? Bei 16 Stunden
Schwerstarbeit am Tag? Oder bei 1 bis 3 Euro Stundenlohn oder weniger? - Die Gesetzeslage ist eindeutig: Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sind zu gleichen Arbeitsbedingungen wie einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit zu beschäftigen. Der Zoll sagt dazu selbst: Bei jeder Überprüfung werden rechtswidrige Zustände festgestellt. Dennoch ist immer nur die Spitze des Eisberges zu überprüfen gewesen.
Meine Damen und Herren, die Zeit zum Handeln ist gekommen. Es geht hier um Arbeitsplätze in Niedersachsen. Hier geht es um Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Ich hoffe, dass Sie dem Antrag noch zustimmen werden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hoppenbrock, Sie haben nicht verstanden, worum es geht.
Die Staatsanwaltschaft und der Zoll sagen: Bei jeder Überprüfung werden rechtswidrige Zustände festgestellt. - Da geht es nicht nur um ein paar schwarze Schafe. Es geht um ein Manifestieren dieser illegalen Zustände in einer ganzen Branche zulasten derer, die sich bemühen, noch rechtmäßig zu handeln.
Wenn Sie sagen, Mindestlohn geht nicht: Natürlich geht ein tariflicher Mindestlohn in diesem Bereich nicht, der in das Entsendegesetz aufgenommen werden könnte. Aber wir müssen doch genau in den Branchen, in denen wir eben nicht die entsprechende Abdeckung über Tarifparteien haben, den gesetzlichen Mindestlohn einführen. Sie wissen genau, dass in der Branche, in der solche Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitneh
mer eingestellt werden, die Tarifbindung überhaupt nicht erzielt werden kann. Deswegen ist ja der Mindestlohn so wichtig. Aber daran haben Sie einfach kein Interesse, wie Sie vorgestern im Koalitionsausschuss deutlich gemacht haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich fassungslos,
wenn ich hier höre, in welchem Stadium der Diskussion über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wir uns befinden. Ich habe das Gefühl, dass dieses Thema noch gar nicht Gegenstand der Verfassung ist. So argumentieren Sie
hier. Auf eine entsprechende Frage meiner Kollegin Hemme musste die Ministerin hier ablesen, was unter Gleichberechtigung außer Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verstehen ist. Ablesen musste die zuständige Ministerin das! Es ist wirklich eine Zumutung, in welcher Art und Weise Sie hier über Gleichberechtigung reden.
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist ein Grundrecht. Wir haben hier heute mehrfach gehört - deshalb meine Frage -, dass dieses Grundrecht, das nicht erst Akzeptanz finden, sondern umgehend eingelöst werden muss, mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden sowie dem Haushaltsrecht der Gemeinden und des Landes gleichgestellt und außerdem unter den Haushaltsvorbehalt gestellt wird. Deshalb meine Frage: Welche Grundrechte wollen Sie eigentlich noch der Ehrenamtlichkeit preisgeben?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, Herr Dinkla und Herr Rösler: Sie stellen sich hier hin, feiern Ihre angeblich positive Politik ab,
und in Wirklichkeit sieht das Ergebnis ganz anders aus.
Erstens sagen Sie, es sei eine Situation zum Feiern - dass das nicht der Fall ist, werden wir Ihnen gleich noch einmal belegen -, und zweitens sagen Sie auch noch, das sei Ihr Verdienst. Das glauben Sie doch nur allein.
Wenn es insgesamt nicht gut läuft, ist die Bundesebene schuld, aber immer wenn es gut läuft, ist man auf Landesebene dafür verantwortlich.
Das können Sie doch sonst wem erzählen! Wie sieht denn die Wirklichkeit in diesem Land aus, meine Damen und Herren?
Wie sieht die Situation aus? Für 70 932 Bewerberinnen und Bewerber stehen 47 609 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Für mehr als 23 300 Bewerberinnen und Bewerber gibt es also keine Ausbildungsplätze im dualen System. Und Sie feiern das? Gute Politik, Herr Rösler und Herr Dinkla? - Ich weiß es nicht. Was machen denn diese unversorgten Jugendlichen? - Sie gehen in die Warteschleifen in den berufsbildenden Schulen und verschwinden so aus der Statistik. In Niedersachsen waren das ausweislich unserer gemeinsamen Feststellungen in der Enquete-Kommission schon in den letzten Jahren immer mehr als 40 000 Schülerinnen und Schüler, und es sind nicht weniger geworden. Insgesamt sind mehr junge Menschen im Übergangssystem verschwunden, als neue Bewerberinnen und Bewerber auf den Markt kommen. Und Sie stellen sich hier hin und feiern das? Gute Politik? - Hinzu kommt, dass 1 325 junge Menschen überhaupt noch keine Perspektive haben. Was sagen Sie denen denn? Auch: gute Politik? - Ich sage: Das ist ein Schlag ins Gesicht jedes einzelnen Jugendlichen.
Diese Zahlen sind kein Anlass, irgendeine Entwarnung zu geben, und sie sind erst recht kein Anlass zum Abfeiern von angeblich gut gemachter Politik. Sicherlich ist es erfreulich, dass es mehr Ausbildungsverträge und mehr gemeldete Stellen gibt als im Vorjahr.
Aber der Vergleich im Bundesgebiet zeigt doch ganz andere Zahlen. Bundesdurchschnitt: minus 41 %, westdeutsche Länder: minus 38 %. In Niedersachsen aber gerade nur einmal minus 28 %.
Dieser Rückgang ist erstens konjunkturell bedingt und nicht Ihr Verdienst, und zweitens haben Sie bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen noch nicht einmal den ohnehin schon schlechten Stand aus dem Jahr 2005 erreicht, in dem immerhin noch mehr als 50 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden sind. Sie stellen sich hier hin und feiern dies als gute Politik.
Nehmen Sie doch die Fakten zur Kenntnis: Es gibt eine riesige Lücke von 23 000 Ausbildungsplätzen, auch wenn ein Großteil der Bewerberinnen und Bewerber im Übergangssystem verschwindet. Fast jeder zweite Bewerber befindet sich im Übergangssystem, und der Bedarf steigt weiter an. Auch die Zunahme der Zahl der sogenannten Altbewerber ist alarmierend. Allein in Niedersachsen ist diese Zahl gegenüber dem Vorjahr um mehr als 5 % angestiegen.
- Altbewerber aus der SPD-Zeit. Das glauben doch nur Sie allein.
Diesen jungen Menschen droht Perspektivlosikeit, die jede Menge sozialen Brennstoff in sich birgt.
Auf der anderen Seite - meine Damen und Herren, das ist der eigentliche Skandal - fehlen dem Arbeitsmarkt Fachkräfte, und das alles in Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs. Wenn es die Landesregierung in Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs nicht schafft, für eine deutliche Verbesserung zu sorgen, die weit über das bisher Erreichte hinaus geht, dann kommt das einer Bankrotterklärung der Arbeits- und Ausbildungspolitik gleich.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss es 10 % mehr Ausbildungspläte als Bewerberinnen und Bewerber geben. Das wären mindestens noch einmal 8 500 Ausbildungsplätze mehr, als Sie uns hier präsentieren. Deshalb fordern wir: Wir brauchen ein Recht auf Ausbildung. Darüber werden wir im Laufe dieses Tagungsabschnitts noch diskutieren. Außerdem brauchen wir 10 000 zusätzliche Ausbildungsplätze für diejenigen Bewerberinnen und Bewerber, die sich bislang noch im Übergangssystem befinden. Erst wenn Sie das geschafft haben, werden Sie sich für gute
Politik selbst loben können. Wenn ich aber Ihre Messlatte zugrunde lege, die Sie sich, Herr Dinkla, selbst auferlegt haben, kann ich aber nur sagen: Mindestens dreimal gerissen.
Herr Präsident, ich möchte noch einmal auf das Thema der Überbelegung im Maßregelvollzug zurückkommen. Im Landeskrankenhaus Moringen gibt es zurzeit 360 Betten im Maßregelvollzug. Tatsächlich ist dieses Landeskrankenhaus regelmäßig mit fast 400 Patientinnen und Patienten überbelegt, d. h. immer über 10 % Überbelegung.
Ich frage daher die Landesregierung: Wie hat sich der Personalbstand im Hinblick auf diese ständige Überbelegung entwickelt, vor allem auch im Hinblick auf die vorgegeben Schlüsse nach dem PsychKG?
Herr Präsident! Der zweite Teil meiner Frage - der Teil betreffend das PsychKG - ist von der Ministerin vorhin nicht beantwortet worden. Stattdessen hat sie sich nur auf Probewohnplätze bezogen. Deshalb frage ich noch einmal: 360 Planbetten in Moringen. 396 Belegungen, wie Sie gerade gesagt haben. Davon befänden sich angeblich 80 Patientinnen und Patienten im Probewohnen. Jetzt behaupte ich aber einmal, dass auch diejenigen Patientinnen und Patienten, die sich im Probewohnen befinden, einen entsprechenden Personalbedarf auslösen. Die schweben ja nicht frei im Raum herum. Aus diesem Grunde steht nach wie vor die Zahl von 396, also von fast 400 Patientinnen und Patienten im Raum. Hinzu kommt die Betreuung im Festen Haus in Göttingen, die zum Teil auch mit dem festen Personalbestand der Einrichtung in Moringen durchgeführt wird. Hinzu kommen schließlich die Patientinnen und Patienten, die die Kollegin Frau Bockmann vorhin angesprochen hat.
Vor diesem Hintergrund frage ich noch einmal ganz gezielt auch im Hinblick auf das PsychKG und den Personalschlüssel: Ist die Zahl der Beschäftigten in Moringen an diesen zusätzlichen Bedarf angepasst worden? Wie wollen Sie angesichts der von mir geschilderten Umstände noch die erforderliche Sicherheit gewährleisten?
Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Erlaubnis kurz aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft zitieren:
„Die Anzahl der Verfahren mit Verdacht auf illegale Arbeitnehmerüberlassung, Beitragsvorenthaltung und Betrug zum Nachteil der Sozialversicherung sowie Lohnwucher hat sich 2006/2007 auf hohem Niveau stabilisiert.“
Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, dass die zuständige Ministerin sagt, die Zahlen seien rückläufig, wenn die eigene Staatsanwaltschaft eine andere Aussage trifft. Die Staatsanwaltschaft vor Ort wird die Verfahren ja wohl noch zählen können. - Das als Vorbemerkung.
Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund des gleichmäßig hohen Anteils solcher Verfahren: Wie groß ist der Schaden, der der Sozialversicherung und dem Fiskus dadurch entsteht?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sie scheinbar nur irgendwelchen Verdachtsmomenten nachgeht und nicht selbstständig tätig wird - jedenfalls drängt sich mir der Eindruck auf, dass dort nur Dienst nach Vorschrift gemacht wird -: Was tun Sie eigentlich konkret, um die Betriebe zu unterstützen, in denen es noch reguläre Arbeitsbedingungen gibt und die damit zu kämpfen haben, dass andere Betriebe Wettbewerbsvorteile aus illegaler Beschäftigung und schlechten Arbeitsbedingungen ziehen? Gibt es eventuell sogar noch Fördermittel der Landesregie
rung - aus welchen Töpfen auch immer - für die Betriebe, gegen die Strafverfahren laufen?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Herausforderungen des demografischen Wandels sind von der Vorsitzenden der Kommission, Frau Stief-Kreihe, ausführlich dargestellt worden. Dem „weniger, älter, internationaler, vereinzelter“ ist aber noch hinzuzufügen, dass quer durch alle Altersgruppen Armut wieder zunehmen wird - eine wichtige Feststellung der Kommission, die von den Regierungsfraktionen nur nach deutlichem Drängen auch der Sachverständigen akzeptiert wurde.
Für Niedersachsen ergibt sich noch eine weitere wichtige Herausforderung: die Entwicklung unserer Regionen. Sie ist dramatisch unterschiedlich, klafft weit auseinander. Wir reden hier von 30 Prozentpunkten Unterschied bis 2020. Das bedeutet, die Gleichwertigkeit - wohlgemerkt: nicht die Gleichheit, sondern die Gleichwertigkeit - der Lebensverhältnisse wird immer schwerer zu gewährleisten sein.
Ich werde mich daher in meinem Redebeitrag darauf beschränken, einen Teil der Forderungen meiner Fraktion zu benennen und deutlich zu machen, dass diese Landesregierung mit der Politik, die sie diesem Land seit mehr als vier Jahren antut,
genau das Gegenteil von dem macht, was vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung notwendig ist.
Meine Damen und Herren, es gibt Stimmen, die sagen, die Erkenntnisse der Kommission seien nicht neu.
Die Fraktion der Grünen drückt es drastischer aus, indem sie sagten, dass es zwei verlorene Jahre gewesen seien. Die Regierungsfraktionen - das haben wir eben gehört - sehen sich auf dem besten Weg und haben die Weichen angeblich schon richtig gestellt.
- Ja. Freuen Sie sich mal, Herr Althusmann. Wenn dies so wäre, dann hätten wir uns die Kommission sparen können.
Zu diesem Ergebnis kommen wir nicht, und das hat zwei Gründe.
Erstens halten wir die Arbeit der Kommission für wichtig. Der Analyseteil enthält eine sehr umfangreiche und detaillierte Bestandsaufnahme von vielen Politikfeldern, die wir ohne diese Kommission in dieser Bündelung nicht bekommen hätten.
Zweitens konnte durch die Beteiligung von über 90 externen Institutionen, Sachverständigen, Experten und Interessenvertretungen, Kommunen und Kirchen ein breites Meinungsspektrum zur Thematik des demografischen Wandels zusammengetragen werden. Das ist für dieses Parlament auch eine gute Hilfe bei der Diskussion dieser Zukunftsaufgabe.
Ich möchte mich daher, auch im Namen meiner Fraktion, bei all diesen Institutionen und Experten, bei den Sachverständigen der Kommission, dem Niedersächsischen Landesamt für Statistik, der Landtagsverwaltung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Kommission - ich erwähne hier ausdrücklich: Frau Kammeier, Herrn Dr. Fuchs, Frau Roth und Herrn Rasche - sowie dem Stenografischen Dienst und nicht zuletzt den Referenten der Fraktionen bedanken.
Sie alle haben viel Geduld gezeigt und durch ihre Arbeit - oft abends und auch am Wochenende einen wichtigen Beitrag zu diesem Bericht geleistet. Diese Geduld war auch nötig. Während insbesondere die externen Experten die Herausforderung durch den demografischen Wandel im Blick hatten, ging es den Mehrheitsfraktionen - den Regierungsfraktionen, muss ich hier ja sagen - zuallererst um das Beschönigen, Relativieren und Negieren.
Konkret bedeutet dies: Weichspülgang als Programm und Ziel. Offensichtliche Probleme wurden, wenn sie überhaupt angesprochen wurden, zu Herausforderungen oder Bedarfen; Zahlen wurden zum Teil beschönigt, und Schwächen des Landes wurden zu möglichen Stärken umdefiniert.
Lag Niedersachsen in einer Grafik am Ende der Skala, wie z. B. beim Wanderungssaldo der Studenten, wurde einfach eine andere inhaltliche Aussage wie z. B. die Quote gewählt, und dann lag man eben nicht mehr ganz am Ende.
Drunter und drüber ging es bei der Analyse im Bildungsbereich. Da waren die Zahlen des eigenen Statistischen Landesamtes einfach so schlecht, dass sie nicht mehr beschönigt werden konnten. Dann hat das MK einfach mehrere Wochen selbst gerechnet und eine eigene Statistik erstellt. Dabei sind dann mal eben 7 000 Schülerinnen und Schüler in dem Übergangssystem der beruflichen Bildung verschwunden.
Wohin, konnte nicht erläutert werden. Aber genau das ist der Stil, wie in diesem Land derzeit Politik gemacht wird.
Noch schlimmer ist allerdings, dass selbst diese schöngerechneten Zahlen eigentlich immer noch grottenschlecht sind. Auch bei der Betreuung der unter Dreijährigen ergab sich ein trauriges Bild.
Nach der Landesregierung werden 10 % aller Dreijährigen betreut.
In der Realität sind in Niedersachsen aber nur rund 2 % der Kinder unter drei Jahren in reinen Krippen untergebracht. Der Rest entfällt auf verschiedene Sonderformen und die Tagespflege.
Aber 10 % hört sich besser an als 2 %.
Bei der geriatrischen Versorgung hat man sich gar geweigert, die Forderungen des Verbandes geriatrischer Einrichtungen in den Bericht mit aufzunehmen, und behauptet, wir hätten ausreichend Kapazitäten in diesem Bereich. Genau das Gegenteil ist der Fall: Mindestens 4 000 Betten fehlen in Niedersachsen. Wenn es eine harte Herausforderung in diesem Bereich gibt, dann ist es die Situation der Altenpflege oder der Versorgung der älteren Menschen. Die Aufnahme der entsprechenden Zahlen haben Sie jedoch verweigert.
Meine Damen und Herren, wer nicht sauber analysiert oder analysieren will, der kann auch schlecht die richtigen Schlüsse ziehen.
Auch die Formulierung von Empfehlungen war von dem Ziel getragen, vor allen Dingen aktuelle Programme der Landesregierung unterzubringen. Die auch seitens aller externen Experten angemahnte Schwerpunktsetzung und integrierte Betrachtungsweise wurden abgelehnt.
Zu den Empfehlungen für den Hochschulbereich haben die Mehrheitsfraktionen eine Diskussion gar vollständig verweigert.
Aus diesem Grund waren wir gezwungen, unsere Vorstellungen in einem eigenen Votum darzustellen. Anders war eine aus unserer Sicht notwendige integrierte, ressortübergreifende Sichtweise nicht darstellbar.
Dass es bei einem schlüssigen und umfassenden Votum zu den künftigen Herausforderungen zwangsläufig inhaltliche Übereinstimmungen auch bei den Zielen gibt, ist logisch; denn unsere Kritik bezieht sich nicht auf die allgemeinen Ziele, sondern auf die Wege der Umsetzung. Damit sind wir bei der entscheidenden Frage: Was ist wichtig für die Zukunft? Welches sind die richtigen Instrumente, um die gesteckten Ziele zu erreichen?
Der zentrale Ansatzpunkt für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Landes ist die Bildung. Die einzige Zukunftsperspektive für unser Land in einer globalisierten Welt sind Innovationen. Grundvoraussetzung dafür sind Investitionen in die Köpfe der Menschen. In Zeiten steigender Konjunktur merken wir es schon jetzt: Fachkräfte werden rar. Die Diskussion um das Sicherstellen ausreichend qualifizierter Menschen nimmt zu, auch in diesen Tagen. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird sich aufgrund der demografischen Entwicklung noch verschärfen. Deswegen müssen wir jetzt ausreichend bilden und qualifizieren. 10 % Schulabgänger ohne Abschluss - das geht einfach nicht mehr.
Bildung ist aber nicht nur dazu da, das Arbeitskräftepotenzial für die Wirtschaft sicherzustellen; Bildung ist vor allen Dingen wichtig für jede Einzelne und jeden Einzelnen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können und nicht ausgegrenzt zu werden. Bildung ist wichtig für eine eigenständige Lebensführung, für einen intensiven Umgang mit Prävention und damit auch für die eigene Vorsorge vor Krankheiten, gerade in Zeiten, in denen wir immer länger leben.
Für eine weiterhin gute wirtschaftliche Entwicklung müssen wir die Potenziale aller Menschen besser nutzen. Dazu gehört, dass wir es Frauen, Migranten, aber auch älteren Menschen besser ermöglichen, ihre Potenziale am Arbeitsmarkt einzubringen. Dazu gehört eine echte - ich betone: echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sowohl die Betreuungssituation von Familien mit Kindern im Blick hat, aber auch die Situation von Menschen, die Familienangehörige pflegen. Dazu gehört vor allen Dingen, dass der Familienbegriff auch die Formen von Familie umfasst, die es heute in der Realität gibt. Wir müssen auch die Benachteiligung der Familien abbauen, die durch das familienpolitische Wunschraster der CDU fallen. Zu einer besseren Familienpolitik gehört auch, die Unternehmen in eine Verantwortung für die Gesellschaft mit einzubinden und familienorientierte - und nicht nur unternehmensorientierte - Arbeitszeiten festzulegen.
Eine weitere wichtige Aufgabe für ein Land, in dem die Bevölkerungsentwicklung so deutlich auseinanderklafft, ist die Gewährleistung der Daseins
vorsorge in allen Landesteilen. Hierbei ist der Staat Garant für Mindeststandards in der Daseinsvorsorge. Hier unterscheiden wir uns mit unseren Instrumenten in der Tat deutlich von den Instrumenten der CDU und der FDP. Angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen in den Regionen wird der freie Wettbewerb um Fördermitteltöpfe diese Probleme nicht lösen. Bildlich gesprochen lassen Sie zu, dass in einem Fußballspiel eine Mannschaft der Kreisliga mit Sandsäcken auf dem Rücken gegen eine Mannschaft aus der Bundesliga spielt, und sagen dabei noch: Ihr alle habt die gerechte Chance zu gewinnen.
Reiner Wettbewerb bedeutet hier, die Solidarität in unserem Land aufzukündigen, die unsere Gesellschaft bisher trägt. Freiheiten und Spielräume sind gut und wichtig. Aber gerade die schwachen und in der Bevölkerungsentwicklung negativ betroffenen Regionen benötigen Perspektiven und Unterstützung durch das Land. Ich verweise auf den Hilferuf aus Holzminden vom dortigen Kreistag. Heute gibt es dazu einen Artikel in der HAZ unter dem Thema „Landflucht“. Mehr Beweise braucht es wohl nicht!
Sie, Herr Ministerpräsident Wulff, lassen einen ungezügelten Wettbewerb zu, der ungleiche Kontrahenten gegeneinander ausspielt. Unsere Auffassung ist hier eindeutig anders: Wir wollen allen eine Perspektive geben. Die, die schlechtere Ausgangsbedingungen haben, müssen zumindest so unterstützt werden, dass sie eine Chance haben, im regionalen Wettbewerb zu bestehen.
Meine Damen und Herren, Grundvoraussetzung ist die Wahrnehmung der Realität. Aber genau das Gegenteil passiert im Moment in Niedersachsen. Dazu ein paar Fakten, die ich Ihnen nicht ersparen kann: Niedersachsen ist das Schlusslicht aller Bundesländer bei der Kinderbetreuung. Bei der Frauenerwerbstätigkeit sind wir immerhin Vorletzter. Schulstandorte werden mehr und mehr aufgegeben, weil insbesondere bei den Hauptschulen die Anmeldezahlen der Schüler oft noch nicht einmal mehr die Einzügigkeit gewährleisten können.
Die Gesamtschulen platzen aus allen Nähten. Die Gymnasien müssen häufig mit dem Doppelten der Schülerzahlen zurechtkommen, die sie noch vor vier Jahren hatten, was natürlich alles auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen wird.
Meine Damen und Herren, bei den Schulen schreibt diese Landesregierung den Systemfehler der frühzeitigen Aufteilung sogar noch fort, obwohl uns nahezu fast alle Sachverständigen, die wir in der Kommission angehört haben, darauf hingewiesen haben, dass mit dem System der frühzeitigen Auslese die Humanpotenziale und damit auch die ökonomischen Potenziale für unser Land verschenkt werden.
Kein einziger Experte hat das gegliederte Schulsystem sogar verteidigt oder befürwortet.
Was macht die Mehrheit dieser Kommission? - Sie beschließt, die Erde sei eine Scheibe, und schreibt in die Analyse, dass das gegliederte Schulsystem die Schulstandorte in der Fläche erhält. Das ist die derzeitige Politik made in Niedersachsen. Das ist das berüchtigte Weiter-so.
Meine Damen und Herren, bei der beruflichen Bildung sind gerade in Niedersachsen die Übergangssysteme sehr ausgeprägt und mit anderen Bundesländern kaum vergleichbar. Daher fordern wir ein Recht auf Ausbildung für alle jungen Menschen in unserem Land.
Nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für dieses Land ist dies wichtig, weil uns aufgrund der demografischen Entwicklung Fachkräfte fehlen werden. Die letzten zahlenmäßig starken Jahrgänge gehen jetzt in die Schulen. Das sind die Kinder der Babyboomergeneration. Danach wird es mit dem Arbeitskräftepotenzial absolut noch schlimmer. Diese Landesregierung tut nichts dagegen, sondern sorgt durch Klientelpolitik noch immer dafür, dass viel zu viele die Bildungsleiter nicht hochklettern können.
Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Zukunftsfeld ist die Innovationspolitik dieses Landes. Auch hier sind wir mit die Letzten in der Bundesrepublik. Wir haben die gute Wettbewerbsposition, die wir vor Jahren hatten, verschenkt, nicht zuletzt weil diese Landesregierung die Innovationsförderung nahezu halbiert hat.
Damit haben wir die Wettbewerbsposition im Vergleich zu den anderen Bundesländern deutlich verschlechtert. Dies wird beim Thema der Hochqualifizierten deutlich. Niedersachsen hat die höchsten Wanderungsverluste aller Bundesländer bei Studierenden. Damit haben wir den höchsten Brain Drain in ganz Deutschland.
Wie, meine Damen und Herren, sollen wir im internationalen Wettbewerb um Hochqualifizierte eigentlich bestehen, wenn nicht einmal im nationalen Wettbewerb Schritt gehalten werden kann? - Zusammen mit der Innovationsschwäche ist hier eine riesengroße Hypothek vorhanden, die Sie in den letzten Jahren angelegt haben.
Meine Damen und Herren, nun zu einem Thema, das ein wesentlicher Anlass für unser Zusatzvotum war, nämlich die Frage der Integration. Ich erinnere mich noch gut an die vielen Diskussionen zu die
sem Thema in der Kommission. Während wir und auch einige Sachverständige wegen der zentralen Bedeutung immer wieder ein eigenes Kapitel zu Fragen der Integration vorgeschlagen haben, lehnten Sie es kontinuierlich ab. Mehrfach mussten wir darauf hinweisen, dass es nicht nur um die Zuwanderung von Hochqualifizierten geht, sondern zuerst darum, die Menschen, die bereits in unserem Land sind, in unsere Gesellschaft zu integrieren,
ihre Kompetenzen, ihre Kultur und ihre Bereitschaft, weil sie sich für Niedersachsen entschieden haben, anzuerkennen und sie willkommen zu heißen in diesem Land und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Beitrag zur Entwicklung des Landes zu leisten. Aber die Landesregierung mit ihrem Hardliner Minister Schünemann schiebt lieber weiter ab.
Da klingt es geradezu zynisch, wenn Sie jetzt den Zuwanderungskompromiss im Bundesrat ablehnen mit der Begründung, es werde zu wenig für qualifizierte Zuwanderer getan.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist der Umgang mit hier lebenden Migranten. Entscheidend ist das Bild, das Niedersachsen für zuwanderungswillige Menschen abgibt.
Solange sich das nicht ändert, können Sie so viele Zuwanderungen Hochqualifizierter beschließen, wie Sie wollen. Es wird aber niemand kommen.
Ich bin daher ausgesprochen froh darüber, dass insbesondere der massive Druck der externen Sachverständigen am Ende dazu geführt hat, dass Ihre Fraktion diesen Aspekt in den Bericht mit aufgenommen hat.
Meine Damen und Herren, nun zur Situation der Versorgung älterer Menschen. Wir müssen angesichts der stark steigenden Zahl älterer Menschen ein Umfeld schaffen, damit diese Menschen die Möglichkeit haben, ein weitgehend eigenständiges
Leben zu führen. Das bedeutet u. a. barrierefreie Wohnungen und lebenswerte und altengerechte Städte und Dörfer mit notwendigen Infrastrukturen und ÖPNV-Anschlüssen. Es ist bezeichnend und fast schon konsequent, dass Niedersachsen nichts für den Stadtumbau macht: keine Beteiligung bei Stadtumbau West und eine teilweise Aussetzung der Städtebauförderung.
Wenn ältere Menschen doch pflegebedürftig werden sollten, dann muss dafür Sorge getragen werden, dass ihnen eine menschenwürdige Pflege zukommt. Der Bedarf steigt rasant: 30 % bis 2020. Was macht diese Regierung? - Sie sperrt sich gegen eine Wiedereinführung der Ausbildungsumlage im Altenpflegebereich und produziert damit wissentlich und sehenden Auges einen Pflegenotstand.
- Genau: Wir und einige Experten, die angehört worden sind. - Nicht zu vergessen ist die Streichung der Investitionskosten für stationäre Pflege, die zur Absenkung der Pflegestandards geführt hat.
Meine Damen und Herren, unser Land ist weitaus besser, als es durch diese Landesregierung regiert wird.
Aber wir müssen die Probleme auch schonungslos benennen können und anpacken. Ein Weiter-so wird in den Regionen wie Holzminden und dem Harz als Drohung empfunden. Wir meinen, man muss jetzt umsteuern. Wir sind für mehr staatliche Verantwortung und Solidarität statt Individualisierung und Privatisierung. Wir sind für eine gemeinsame Bildung statt Auslese. Wir brauchen mehr Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in unseren Regionen anstatt Verdrängungswettbewerb. Deshalb muss der demografische Wandel echte Chefsache werden. Er darf nicht im Sozialressort am Rande verkümmern, sondern muss in Zukunft in allen Politikfeldern mitgedacht werden. Das bedeutet an ersten Schritten: Wir müssen bei der frühkindlichen Bildung und Förderung ansetzen. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Betreuung der Kinder ab dem ersten Lebensjahr, den Ihre Partei noch immer verweigert. Wir brau
chen mehr Ganztagsplätze und Ganztagsbetreuungsplätze für alle Kinder, und zwar ohne Gebühren. Wir müssen weg von der frühzeitigen Auslese und weg von 32 Kindern in einer engen Klasse. Wir brauchen mehr Studienplätze in Niedersachsen, vor allen Dingen ohne Studiengebühren.
Wir brauchen eine Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte anstatt einer Einschränkung. Wir brauchen eine bessere Integration und Offenheit für Zuwanderung, anstatt abzuschieben und auf einem deutschen Leitbild zu beharren, das es so gar nicht gibt.
Wir brauchen mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen, weil wir es uns nicht leisten können, die gut ausgebildeten Frauen zu Hause zu lassen. Wir brauchen mehr Unterstützung für unsere schwächeren Regionen anstatt Förderung mit der Gießkanne. Wir brauchen eine Politik, die ältere Menschen mitnimmt, ihre Potenziale im Blick hat, die Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben im Alter ermöglicht. Meine Damen und Herren, neue Anstriche ersetzen keine maroden Häuser. Anscheinserweckung ersetzt keine seriöse Politik für die Zukunft.
Eine Strategie des Aussitzens wird dem demografischen Wandel nicht gerecht. Das Land hat eine bessere Politik verdient. Es hat eine Niedersachsen-gerechtere Politik verdient.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der SPD-Fraktion ist die Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren in unseren Städten im Lande Niedersachsen sehr wichtig. Wir unterstützen daher die Bemühungen in
allen Städten, die Zentren attraktiver zu machen. So unterstützen wir alle Aktivitäten angefangen beim Stadtmarketing bis hin zum Wettbewerb „Ab in die Mitte!“, den wir damals unter der alten Landesregierung eingeführt haben, um etwas mehr Engagement in den Innenstädten zu fördern.
Die Problemsituation in den Innenstädten ist auch durch verschiedene Prozesse im Einzelhandel entstanden. Ich nenne den Konzentrationsprozess, den Filialisierungsprozess und die Entwicklungen im großflächigen Einzelhandel an nicht integrierten Standorten. Den Innenstädten und insbesondere den Zentren in den Mittelstädten droht jedoch noch weiteres Ungemach. Ich erwähne nur die Planungsabsichten bezüglich der Factory-Outlet-Center, die auch Herr Kollege Hagenah schon erwähnt hat, und den in Niedersachsen ausgehöhlten Ladenschluss. Diese neue Situation hat verstärkt dazu geführt, dass die Läden auf der grünen Wiese abends länger öffnen und in den Innenstädten noch mehr Läden schließen müssen. An der vorangegangenen Diskussion zum demografischen Wandel haben wir gemerkt, dass diese Entwicklung nicht spurlos an den Innenstädten vorbeigeht.
Ein weiteres Problem in den Innenstädten sind die Trittbrettfahrer, die die engagierten Einzelhändler vor Ort zum Teil ins Leere laufen lassen. Die engagierten Einzelhändler möchten gerne verschiedene Aktionen durchführen. Häufig genug gibt es aber Filialisten, die nicht an diesen Aktionen teilnehmen wollen.
Wir halten daher den Gesetzentwurf der Grünen zur Regelung der sogenannten Business Improvement Districts für ein geeignetes Instrument, um die Solidarität von allen in den Innenstädten Handelnden einzufordern.
Die Anhörung zu dem Entschließungsantrag hat ergeben, dass hier durchaus verfassungsrechtliche Bedenken bestehen; der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat darauf hingewiesen. Diese darf man nicht außer Acht lassen, keine Frage. Allerdings lassen sich diese Bedenken auch auflösen.
Wir haben unterschiedliche Nuancierungen im Bereich der Quotierungen andiskutiert. Deshalb hat meine Fraktion den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag eingebracht. Darin geht es zum einen darum, dass die Kommunen das Quorum per Satzung innerhalb einer bestimmten Bandbreite selbst festlegen können. Zum anderen geht es darum,
dass die Standortkonzepte der einzelnen Vorhabenträger auch mit den Kommunen abgestimmt werden sollen, um eine entsprechende Einbindung in die kommunale Planung zu gewährleisten.
Diese beiden Änderungsvorschläge hätten wir gerne in einer ordentlichen Beratung im Ausschuss diskutiert. Das aber war leider nicht möglich, weil die Mehrheitsfraktionen in diesem Hause keine vernünftige Beratung zu diesem Gesetzentwurf zugelassen haben. Es war noch nicht einmal erwünscht, dass das vorgetragen wird.
Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen hätten hiermit die Möglichkeit, etwas Handfestes für die Kommunen mit Innenstadtproblemen zu tun und ihnen ein Instrument an die Hand zu geben, das sie nutzen könnten. Es wäre ja keine Kommune verpflichtet, von diesem Instrument Gebrauch zu machen. Sie hätte lediglich die Möglichkeit, eine entsprechende Satzung aufzulegen. Sie trauen den Kommunen doch sonst immer zu, die Dinge vor Ort zu entscheiden. Warum verweigern Sie ihnen dieses Instrument, noch dazu ohne sachliche Begründung?
Uns ist selbstverständlich bekannt, dass es in dieser Frage einen Dissens zwischen CDU und FDP gibt. Um bei den Pressemeldungen der letzten Tage zu bleiben: Herr Rösler hat wohl mit seinem Stöckchen den dicken Elefanten CDU dazu gedrängt, diese kommunalfreundliche Gesetzesregelung nicht mitzumachen.
Ich hätte den Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion im Interesse der Innenstädte etwas mehr Durchsetzungsvermögen gewünscht. - Vielen Dank.
Herr Rickert, für die Innenstädte nehmen wir uns gerne die Zeit. - Nachdem der Ministerpräsident gesagt hat, dass der Bericht der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel“ als Grundlage für die weiteren Diskussionen in diesem Landtag dienen sollen, möchte ich mit Erlaubnis der Präsidentin aus ihm zitieren.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben heute Zeit und Gelegenheit, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen und damit die erste in diesem Bericht empfohlene Maßnahme umzusetzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung hat bei der Durchführung von Vergabeverfahren größeren Ausmaßes ja durchaus ihre Probleme.
Ich erinnere an die Probleme bei dem Vergabeverfahren bezüglich der Landeskrankenhäuser, wo Unterlagen verspätet abgegeben worden sind.
Da die Landesregierung eine ganze Menge Probleme mit solchen Verfahren hat, frage ich hiermit die Landesregierung: Sind Ihnen ähnliche Unregelmäßigkeiten im Rahmen dieses Verfahrens bekannt bzw. ist der suspendierte Mitarbeiter mit der Heilung von solchen Verfahrensverletzungen beauftragt worden?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ladenschlussgesetz des Bundes war ein Schutzgesetz. Es diente dem Schutz der Beschäftigten vor Arbeit in den Nacht- und Abendstunden sowie am Sonntag. Es diente dem Schutz der kleinen mittelständischen Betriebe im Einzelhandel vor dem ruinösen Wettbewerb mit Dumpingpreisen, Dumpinglöhnen und ungelerntem Personal. Damit diente es dem Schutz des Verbrauchers vor unseriösen Produkten und Dienstleistungen.
Meine Damen und Herren, all diese Schutzzwecke waren es wohl, die das Ladenschlussgesetz zu einem Fachgesetz der Sozialpolitik machten. Nicht zuletzt deshalb haben wir es in diesem Hause im zuständigen Ausschuss für Soziales behandelt. Aber mit sozialer Gesetzgebung, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat dieses Gesetz nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.
Im Gegenteil: Anhand dieses Gesetzes wird deutlich, was die Koalition in Niedersachsen tatsächlich unter „sozialer Marktwirtschaft“ versteht. Dies ist nämlich ein Gesetz, das Marktwirtschaft pur regelt - mit all ihren hässlichen Facetten, die wir gerade durch die soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik zähmen wollten.
Wenn es Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der rechten Seite dieses Hauses, darum ginge, einen wirklich sozial ausgewogenen Gesetzentwurf zu verabschieden, dann hätten Sie einen anderen, einen gemäßigteren Gesetzentwurf eingebracht. Dann hätten Sie auf all die Gründe aus der Anhörung eingehen können. Sie hätten diese Gründe wenigstens abwägen und anschließend in Ihre Überlegungen mit einbeziehen können. Dann hätten Sie vielleicht die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr morgens oder wenigstens den Samstag ab 20 Uhr unter Schutz gestellt.
Aber von all dem ist in diesem Gesetzgebungsverfahren nichts zu merken gewesen. Stattdessen handeln Sie nach der Devise: Augen zu und durch! Freiheit für den Kommerz! Freiheit für das Einkaufen rund um die Uhr!
Aber dass diese Freiheit ihre Grenzen in den Freiheiten der Betroffenen hat, scheint Ihnen dabei völlig egal zu sein. Die unbegrenzte Einkaufsfreiheit hat ihre Grenzen in der Gesundheit der Verkäuferinnen und Verkäufer. Diese unbegrenzte Freiheit hat ihre Grenzen bei den Geschäftsinhabern des kleinen mittelständischen Einzelhandels. Sie hat ihre Grenzen in der Tradition unserer Gesellschaft, in unserem Selbstverständnis aus unserer christlichen Tradition heraus, nämlich einen Tag in der Woche als Ruhetag einzuplanen.
Unsere Gesellschaft ist keine Gesellschaft des ständigen Rund-um-die-Uhr-Kommerzes. Die Menschen sehnen sich nach Einteilung und Ruhe, wollen Stress abbauen und keinen zusätzlichen erzeugen. Sie wollen sich in Vereinen und Organi
sationen ehrenamtlich engagieren. Sie wollen für ihre Familien und Kinder da sein, ihre Eltern und Verwandten pflegen können und Zeit für sich selbst haben.
Was machen Sie stattdessen? - Sie reden von Familienfreundlichkeit und geben doch familienfeindlichen Regeln den Vorzug mit einem Gesetz, in dem übrigens der kleine Koalitionspartner, die FDP, die vermeintlich große CDU mächtig über den Tisch gezogen hat.
Wie anders ist es zu erklären, dass nun gar nichts von den Forderungen, z. B. der katholischen Arbeitnehmerorganisationen und der Kirchen, in diesen Gesetzentwurf eingearbeitet worden ist? - Sie wollen ja wohl nicht im Ernst deutlich machen, dass das Einpflegen des Pfingstmontags und des Ostermontags tatsächlich eine Errungenschaft Ihres Verhandlungsgeschickes ist, die Sie dem kleinen Partner FDP abgetrotzt haben!
Meine Damen und Herren, es ist doch Christenpflicht und damit selbstverständlich, dass alle Feiertage von Ostern und Pfingsten unter den Sonntagsschutz zu fallen haben. Sie verkaufen das stattdessen auch noch als Erfolg.