Gernot Grumbach
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Last Statements
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei Rätsel gilt es heute zu lösen. Erstens. Was soll dieser Antrag?
Zweitens. Was hat die Hälfte der hier eben gehaltenen Reden mit dem Antrag zu tun?
Als Herr Krüger von „Giftschrank“ sprach, hatte ich das Gefühl, der Antrag hat einfach zu viel Botox bekommen. Er ist so glatt, dass man alles darauf projizieren kann, was einem einfällt. Er hat gar kein Ziel. Deshalb empfinde ich den Antrag der GRÜNEN als eine erfrischende Alternative. Er hat wenigstens ein Ziel. Er deutet in eine Richtung. Ich finde, Politik braucht eine Richtung statt Ziellosigkeit.
Als Frankfurter freue ich mich natürlich immer, wenn Frankfurt gelobt wird. Den Antrag kann aber kein Frankfurter geschrieben haben; denn wir sind selbstbewusst, wir sind uns unserer Stellung in der Welt bewusst, wir wissen, dass Frankfurt ein etablierter Finanzplatz ist. Nur ein Parvenü, der Emporkömmling, bräuchte einen zusätzlichen Titel wie „vierte Hauptstadt Europas“ oder Ähnliches. Das hat diese Stadt nicht nötig, weil sie mit dem, was sie hat, gut genug ist und solche Scheintitel nicht braucht, die aus irgendeiner vergangenen Epoche geklaut wurden – aus welchem Grund auch immer.
Die Landesregierung hat damit jedenfalls wenig zu tun. Für die EZB kann sie nichts. Die gab es schon ein bisschen früher. Da muss man, wenn man CDU-Politiker loben will, die Namen Koch und Roth nennen, die dafür gesorgt haben, dass in Frankfurt etwas passiert ist. Wenn man über den Neubau der EZB redet, muss man die Namen Wentz, Schwarz und Zimmermann nennen, drei Menschen, die dafür gesorgt haben, dass die Zukunft der EZB in Frankfurt in einem Neubau Ausdruck findet. Es waren im Wesentlichen Kräfte der Stadt Frankfurt und Kräfte der Bundesregierung, die Landesregierung hatte damit relativ wenig zu tun.
Auch beim Thema Bankenaufsicht habe ich den Eindruck, das ist nicht mehr als eine markige Presseerklärung. Ich bin auch nicht sicher, ob es klug ist, in diesem Kontext so laut tönend von Frankfurt zu reden. Manchmal führt Unkenntnis auf dünnes Eis. In den europäischen Verträgen ist nämlich festgeschrieben, dass die europäischen Finanzinstitutionen ihren Sitz in Luxemburg haben. Wir haben mittels eines Kuhhandels erreicht, dass die Europäische Zentralbank nach Frankfurt gekommen ist. Wer da zu laut triumphiert, wird damit leben müssen, dass die Preise für die Veränderung in der Bankenaufsicht bei der EZB höher werden. Das ist keine kluge Strategie.
Ich finde, man sollte sich erst einmal erkundigen, wie die Rechtslage ist. Wenn ich das am Rande sagen darf: Faszinierend ist ja, dass Minister Hahn die EZB noch vor Kurzem verklagen wollte,
weil sie das getan hat, was die Regierung nicht getan hat, nämlich versucht hat, die europäische Krise zu managen. Wenn eine Bank in Notwehr das tut, was sie machen muss, weil europäische Regierungen versagen – auch die deutsche Regierung hat versagt –, dann sollte man sie nicht dafür tadeln, sondern loben.
Auch die Haltung zur Bankenaufsicht ist bestenfalls ambivalent. Sie von der CDU haben einen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus – bei Einhaltung der Subsidiarität – abgelehnt, Sie haben eine parlamentarische Kontrolle dieses Mechanismus abgelehnt, und Sie haben eine strikte Kontrolle der Geldpolitik und der Aufsicht
über die Geldpolitik abgelehnt, die später eine eigenständige Behörde möglich machen würde. In der Tat beinhaltet das Zusammenführen von Bankenaufsicht und Geldpolitik ein strukturelles Risiko, das man bedenken muss, wenn man so etwas anlegt. Wenn man das heute anfängt, muss man wissen, wie es weitergeht. Ich habe sehr den Eindruck, darüber hat kaum jemand nachgedacht.
Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass CDU und FDP einer verschärften Regulierung der Finanzmärkte immer wieder die schärfsten Zähne ziehen. Wir sagen: Nur ein gut regulierter Finanzplatz ist einer, der für die Arbeitnehmer und die Anleger sicher ist, und gute Regulation ist das, was noch lange aussteht.
Dazu gehört ganz klar die Finanztransaktionssteuer – ein Projekt, das die Bundeskanzlerin angeblich verfolgt. Das Spannende daran ist: Sie hat die Einführung dieser Steuer in einem Gesamtverhandlungspaket über die Europapolitik zugesagt. Wenn man sich Zitate der Kanzlerin aus den letzten Tagen anschaut, sollte man darüber nachdenken, wie „zuverlässig“ sie in europapolitischer Hinsicht ist und was das für die Zusagen bedeutet, die sie in politischen Verhandlungsprozessen macht.
Die Märchen über die Wirkung der Finanztransaktionssteuer sind in vielen Artikeln schon behandelt worden. Es kommt nämlich darauf an, wie man es macht, welche Kriterien man nimmt und zu wem das führt. Es gehört aber mehr dazu. Erstens gehört dazu, Manipulationen von Marktmechanismen zu begrenzen. Wir haben bei den LIBOR-Manipulationen erlebt, dass ganze Volkswirtschaften von Privatbanken im Prinzip ausmanövriert wurden. Zweitens gehört die Verbörsung des Handels aller Wertpapiere dazu, damit wir wenigstens Transparenz haben und sehr präzise schauen können, was da passiert, statt graue Märkte ohne öffentliche Kontrolle zu haben, auf denen jeder reingelegt werden kann.
Dazu gehört auch die Begrenzung des Hochfrequenzhandels; denn auf diese Weise wird im Prinzip nur die Spekulation gefördert. Mit der Realwirtschaft hat das überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist reines Spielgeld.
Faszinierend finde ich, was diesen Antrag betrifft, den Punkt Börse. Das ist das Skurrile an diesem Text. Der Kollege Krüger hat den Punkt Börse völlig vergessen. Vielleicht liegt das daran, dass die Landesregierung bei den Fusionsüberlegungen im Hinblick auf die Börse eine solch unrühmliche Rolle gespielt hat.
Das ist überhaupt kein dünnes Eis. Sie haben etwas bejubelt, was hinterher in eine Katastrophe geführt hätte. Wir dagegen haben die ganze Zeit davor gewarnt; das wissen Sie ziemlich genau.
Aber das Beispiel Börse zeigt auch, dass dieser Blick auf die Welt von irgendjemandem relativ provinziell gestaltet worden ist. Bei dem Finanzplatz Frankfurt handelt es sich nicht nur um eine Stadt, sondern um eine ganze Region. Wir sollten uns endlich abgewöhnen, so auf die Welt zu blicken, als gäbe es die Rhein-Main-Region nicht und als
hätten wir es nicht mit einem Zusammenwirken von Kräften zu tun, die man insgesamt betrachten muss, statt einzelne Teile herauszunehmen.
Es fällt auf, das nicht nur die Börse vergessen wurde. In der Rhein-Main-Region – eben nicht nur in Frankfurt – sind alle großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt vertreten. In Frankfurt und vor allen Dingen in Eschborn sind die großen Beratungsfirmen angesiedelt, die bei der Kontrolle von Unternehmen eine Rolle spielen könnten, wenn sie damit beauftragt werden würden. Das sage ich einmal ganz vorsichtig. Aber die brauchen auch Leute, die dafür ausgebildet sind.
Damit bin ich wieder bei der Landespolitik. Warum, zum Teufel, muss sich jemand, der bei Pricewaterhouse oder sonst wo arbeiten soll, überlegen, ob er die teuren Studiengebühren für die EBS zahlt, weil die Zahl der Studienplätze an Hessens Fachhochschulen in diesem Bereich nicht ausreicht und die Landesregierung nicht dafür sorgt, dass es an öffentlichen Universitäten genügend Ausbildungsplätze für die Menschen gibt, die gesucht werden? Ich glaube, auch da hat sie versagt.
Wenn man schon von den vielen Menschen in dieser großen Stadt redet: Ich finde es faszinierend, dass die 90 Konsulate aufgezählt werden. Das Spannende ist doch, dass dort Menschen aus 180 Nationen so friedlich wie in fast keiner anderen Stadt auf der Welt zusammenleben.
Das ist allerdings auch ein Kessel, in dem die Anforderungen an die Politik anders formuliert werden: Haben Sie mit einer der jungen Frauen aus Frankreich oder aus einem skandinavischen Land, die zur EZB oder zu einer der Großbanken gegangen sind, einmal darüber geredet, wie das mit der Kinderbetreuung in Deutschland ist? Wie lange dauert es, bis man einen Platz findet? Wie lange hat es gedauert, bis das ausgebaut worden ist? Wie viel hätte eine Landesregierung dafür tun können, wenn sie ihre Zusagen von früher eingehalten hätte, statt sich erst durch Gerichtsurteile dazu zwingen zu lassen, Teile davon umzusetzen?
Zum Wohnumfeld: Hier stellt sich die Frage nach bezahlbarem Wohnraum für die Menschen in dieser Region. Reden Sie nicht so darüber, als ob das ein abstrakter Ort für Institutionen wäre. Das ist ein Ort für Menschen. Bei der Gestaltung genau dieses Ortes für Menschen hat die Landesregierung eindeutig versagt.
Das Interessante ist aber die Aufteilung dieses Textes in einen Antrag und in die Begründung. In der Begründung stehen nämlich Sachen, die Sie sich nicht in den Antrag zu schreiben getraut haben. Da gibt es ganz spannende Formulierungen. Die „Vergemeinschaftung von Schulden“ lehnen Sie ab, heißt es da. Wer traut sich heute wirklich noch, den Menschen zu erzählen, dass sie nicht gemeinschaftlich für die Schulden der Europäischen Union einstehen?
Das kommt mir vor wie der Umgang mit dem Begriff „Zuwanderungsland Deutschland“. 30 Jahre lang war es verbo
ten, darüber zu reden, obwohl jeder wusste, was das ist. Sie treiben bei der „Schuldengemeinschaft Europa“ das gleiche Spiel. Sie erzählen den Leuten Unsinn; denn es gibt seit Langem eine gemeinsame Haftung.
Mit Verlaub, es ist auch gut so, dass es sie gibt. Wer glaubt, dass er den Vorteil einer gemeinsamen Währungsunion haben kann, ohne als Vorteilsnehmer einen Preis dafür zu zahlen, träumt ökonomisch. Ich finde, in der Ökonomie ist die Zeit der Träume lange vorbei.
Weiter steht in Ihrem Antrag die nette Forderung nach „weitreichenden wirtschaftspolitischen Reformen“ und einer „konsequenten Konsolidierung“. Das ist genau das, was Peer Steinbrück in dem Duell gesagt hat: Sie haben nicht im Blick, dass Sie die Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit treiben, weil Sie sich nur um die eine Seite der Politik kümmern, aber nicht um die, die Arbeit, Bildung und Beschäftigung schafft.
Alles in allem: Ich betrachte diesen Antrag als Aufforderung an eine neue Landesregierung, für Hessen in Europa eine bessere Politik zu machen, statt Besinnungsaufsätze zu schreiben, die sowieso keiner braucht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war also eine Regierungserklärung. „Regierungserklärung“ heißt, wenn ich mich recht erinnere, dass die Regierung erklärt, was sie tut oder tun will. Eben hat eine Ministerin aber erklärt, was die Hochschulen getan haben.
Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn wir uns im Hessischen Landtag darauf verständigen, dass die Hochschulen – statt im Ausschuss – vor dem Plenum erzählen, was sie getan haben. Ansonsten war das, was wir gerade erlebt haben, eher eine „Sendung mit der Maus“. Ich war ziemlich versucht, die Titelmusik hier vorzuspielen; denn die Wissenschaftsministerin moderiert, aber sie gestaltet nicht.
Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen. Sie reden davon, dass die Hochschulen eine Autonomie haben. Immer dann, wenn die Hochschulen Probleme haben, ist es die Autonomie, die zum Zuge kommt. Aber wenn die Hochschulen etwas leisten, ist es immer die Landesregierung, die versucht, eine Regierungserklärung zu dem abzufeiern, was andere geleistet haben. Dafür brauchen wir Sie nicht.
Das war die zweite Regierungserklärung zum gleichen Thema – nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das scheint das Einzige zu sein, was Sie in diesem Bereich zu erklären haben.
Sie haben allerdings zwischen den Zeilen doch ein paar spannende Sachen erklärt. Sie haben nämlich etwas über Ihr Gesellschaftsbild gesagt. Wie sieht nach Ihrem Gesellschaftsbild eine Familie aus? Der Vater fährt zur Arbeit, der Sohn geht zur Schule, hat Probleme mit dem Smartphone – ich habe keine Ahnung, was er für ein Fabrikat hat, denn solche Fehlerhinweise gibt es bei Smartphones gar nicht –, die Tochter studiert, und die Mutter arbeitet offensichtlich nicht. Das ist eine Sorte Familie, die gibt es tatsächlich ab und zu. Die Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, um die Sie sich gerade herumdrücken, sieht in der Regel aber so aus: Beide Eltern arbeiten, damit die Kinder studieren können, der Sohn schlägt sich mit der Lehrstoff-Bulimie, mit G 8, herum, und die Tochter hat Probleme mit überfüllten Hörsälen und muss nebenbei arbeiten, damit sie ihr Studium finanzieren kann. – Zu dieser Realität haben Sie nichts gesagt.
Jetzt ein paar Bemerkungen zu Ihrer Rede. Sie loben die Zusammenarbeit der Fachhochschulen mit Tüftlern sowie kleinen und mittleren Unternehmen. Wir haben nicht vergessen, dass wir eine dreijährige Diskussion gebraucht haben, bis wir die dritte Förderlinie – Fachhochschulen und ihre Kontakte zu kleinen und mittleren Unternehmen – überhaupt etablieren konnten.
Ich kann gut verstehen, dass Sie eine hohe Begeisterung für Simulationen haben. Das ist ja keine neue Erfindung. Mein Fraktions- und Landesvorsitzender hat gerade einen Ministerkandidaten vorgestellt, Matthias Kollatz-Ahnen, der seine Diplomarbeit über das Thema „Bewegungsverhalten von Transuranen“ an der GSI und eine Doktorarbeit zum Thema „Simulation des Fliehkraftverhaltens schnell fahrender Motorrädern“ geschrieben hat. Das ist schon ein paar Jahrzehnte her. Deswegen finde ich es ganz faszinierend, dass Sie das für etwas Neues halten.
Es kann ja sein, dass Sie dieses Gebiet gerade erst entdeckt haben. Auch die Tatsache, dass eine Landesregierung Großrechner anschafft, war, ehrlich gesagt, in den vergangen Jahrzehnten, auch bei früheren Regierungen, so ziemlich Standard. Es gab eine Ausnahme – als nämlich die GSI festgestellt hat, dass sie mit Server-Farmen schneller ist als mit Großrechnern. Inzwischen hat sich die Welt auch dort wieder geändert.
Ich glaube, dass es ein LOEWE-Geheimprojekt gibt, das erklärt, warum Sie so sehr für Simulationen sind: In der Rheinstraße steht ein Großrechner, der simuliert anscheinend das Regieren im Wissenschaftsressort. Das ist alles, was Sie tun.
Ich finde auch die Beispiele faszinierend, die Sie genannt haben: Brot mit weicher Rinde – ein Ausflug nach England würde helfen, da gibt es das schon –, roter Apfelsaft, „ungefährlicher“ Kaffee. Frau Ministerin, es würde helfen, auch diese Studie präzise zu lesen. Kaffee ist nämlich nur dann ungefährlich, wenn man ihn ohne Zucker trinkt, mit möglichst wenig Milch, nicht mehr als zwei Tassen am Tag, und wenn man dazu weder raucht noch Alkohol trinkt. Das können Sie alles nachlesen. Das steht in der Studie, aber die Ministerin hat sich nur die Überschrift aufschreiben lassen, nicht den Inhalt der Studie.
Sie haben freundlicherweise das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit erwähnt, das Deutsche Kunststoff-Institut, das IWES in Kassel, das LOEWE-Zentrum CASED und die ETA-Fabrik. Sie haben die Passagen zum Physikclub sowie zum Mathematikum und zum Chemikum wiederholt – ich verweise auf Ihre Regierungserklärung vom Januar 2012, da stehen die gleichen Passagen drin –, und dann haben Sie die EXPERIMINTA in Frankfurt angeführt. Nun wissen wir, dass dieser Laden überhaupt nicht mehr existieren würde, wenn es nach der Landesregierung gegangen wäre; denn es hat eines Fraktionsantrags bedurft, diesen Verein zu retten, während ihn die Landesregierung bei den Haushaltsberatungen nicht einmal auf dem Schirm hatte. Das ist Ihre „Erfolgs“-Bilanz. Die finde ich schon faszinierend.
Besonders spannend finde ich Ihre Begeisterung über die Kompetenz der Hochschulmedizin. Wo ist denn die Ministerin, wenn es gilt, die Hochschulmedizin aus der Falle – Finanzierung von Forschung und Lehre oder Finanzierung der Krankenversorgung – herauszuholen, in die sie inzwischen geraten ist? Wo bleibt die gemeinsame Aktion von Sozialminister und Wissenschaftsministerin dafür, die Universitätsmedizin finanziell so zu stellen, dass sie nicht in manchen Fällen mit Forschungsmitteln die Krankenversorgung und in anderen Fällen in umgekehrter Richtung subventionieren muss, sondern dass sie ausreichend und gut finanziert wird? Nichts davon haben Sie beide gemacht. Genau da wird Ihre Rede zur Sonntagsrede und zum Hohn.
Ich komme zu Ihrem berühmten einstürzenden Leuchtturm. Wo ist denn die Ministerin, wenn es um das UKGM geht? Wo ist sie, wenn ein Letter of Intent geschrieben wird, und am Stichtag, dem 1. Mai, nichts passiert? Wo ist sie, wenn der Stellenabbau weitergeht, obwohl der Ministerpräsident ein Moratorium versprochen hat? Wo ist die Ministerin bei der Umsetzung der Partikeltherapie? Frau Ministerin, Sie haben versucht, mit vielen klugen Worten – und auch nicht so klugen Worten – hinter den Wahltag zu kommen, und Ihr Partner lässt Sie schlicht im Stich. Er kündigt die Räume, er führt Sie an der Nase herum, und Sie schweigen dazu, Frau Ministerin. Das hat mit der Übernahme von Verantwortung überhaupt nichts zu tun.
Ich bleibe beim Tagesgeschäft. Wann beginnt eigentlich Ihre Debatte darüber, was passiert, wenn es doch einen Eigentümerwechsel gibt? Was passiert denn dann? Ist die Landesregierung diesmal vorbereitet? Das letzte Mal ist sie gekreiselt, gekreiselt und gekreiselt. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie sich vorher darüber Gedanken macht, wie sie in einem solchen Fall das Spannungsverhältnis zwischen Forschung und Krankenversorgung sichern kann, ob sie diesen Laden teilweise zurückkaufen will, ob sie ihre Privatisierungsfehler wiederholen will, ob sie einen neuen Vertrag schließen will, weil sie alles privatisieren will – oder was auch immer.
Jedenfalls könnte diese Landesregierung einmal etwas für die Zukunft tun, statt nur über die Vergangenheit zu reden. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber LOEWE ist keine Erfindung dieser Ministerin. Das war Herr Corts. Die Art der Hochschulfinanzierung, wie sie praktiziert wird, ist keine Erfindung der Ministerin. Das war Frau Wagner. Ich würde gern einmal wissen, was der Beitrag von Frau Kühne-Hörmann zur Wissenschaftspolitik in Hessen ist. Ich habe es noch nicht herausgefunden.
Noch ein paar nette Nebenbemerkungen. Da gibt es die berühmten Spin-offs zur Energiewende. Haben Sie einmal mit denen geredet, ob ihnen die Landesregierung das Leben leichter gemacht hat? Nein, es war nicht die Wissenschaftsministerin, aber es waren der Wirtschaftsminister und viele andere, die dafür gesorgt haben, dass die Spinoffs zu ihren Anfangszeiten Probleme hatten, weil sie die erneuerbaren Energien ernst genommen haben – und nicht nur als Lippenbekenntnis, wie es diese Landesregierung getan hat. Ich glaube, an der Stelle muss man schon einmal
klären: Ist die Position der Landesregierung, die Windenergie auszubauen, oder, sie aufzuhalten? Es geht nur eines von beiden. Die Spin-offs sind jedenfalls für das Ausbauen, und dabei hat die Landesregierung sie eher behindert als gefördert.
Sie haben begeistert ein Promotionsrecht für die Fachhochschulen gefordert – weil das das Einzige ist, was Sie nichts kostet. Reden Sie doch einmal darüber, was es heißt, Forschung an Fachhochschulen zu betreiben. Reden Sie doch einmal darüber, was es heißt, an Fachhochschulen einen Mittelbau aufzubauen, der Forschung leisten kann; denn allein mit den Professoren wird das nicht gehen. Reden Sie doch einmal darüber, die Professorenstellen so auszustatten, dass das funktioniert. Aber das tun Sie nicht, weil Sie keinen Plan haben. Das wird an manchen Stellen noch deutlicher werden.
Nächster Punkt: Studierendenwerke. Die Kinderbetreuungsquote ist um 25 % gestiegen – um 180 Plätze. Es fehlen aber 5.000 bis 6.000 Betreuungsplätze, um auch nur das Minimum abzudecken. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass es so etwas wie eine Verhaltensänderung gibt. Es gibt eine Reihe studierender Frauen und Männer, die sich heutzutage dafür entscheiden, ihre Kinder im Studium zu bekommen. Das bringt für die Studierendenwerke ganz neue Herausforderungen. Das berichten uns alle, wenn wir sie fragen. Vielleicht hätten Sie sie fragen sollen, bevor Sie das aufgeschrieben haben.
Das Gleiche gilt für die Zahl der Studierendenwohnungen. Natürlich hat Hessen den höchsten Anteil an Zubau. Das ist völlig unstreitig. Aber was hat das zu sagen? Das ist doch nur eine Folge davon, dass vorher fast nichts da war. Hessen hat mit 7,4 % den niedrigsten Anteil bezüglich der Versorgung Studierender mit Wohnungen in ganz Deutschland. 11,5 % ist der Bundesdurchschnitt. Bis Sie das erreicht haben, müssen Sie noch mehrere Tausend Wohnungen bauen, nicht bloß 2.000 oder 3.000. Da fehlt ihnen etwas.
Statt das schönzureden, sollten Sie sich endlich auf den Weg machen und dafür sorgen, dass die Studierenden angemessen wohnen können. Andere Finanzierungsmodelle wären möglich. Ich glaube, auch das fehlt Ihnen.
Ehrlich gesagt, diese Sorte von Fragen zeugt von einem solchen Elend, dass ich sie nicht wirklich beantworten will.
Jetzt kommen wir zur Gesamtwertung. Ihr Superforschungsprogramm, um das Sie alle anderen Bundesländer beneiden, ist sozusagen Hessens Speerspitze der Innovation. Damit hebt sich Hessen von dem ab, was in allen Bundesländern gemacht wird. – Die Zahlen sprechen gegen Sie. Bundesweit liegt der durchschnittliche Anteil der Ausgaben für die Forschung bei etwa 1,2 % des Bruttoinlandsprodukts; in Hessen sind wir bei ungefähr 0,7 %. Das heißt, wir liegen damit deutlich unter dem Durchschnitt.
Da Sie über Innovationskraft geredet haben, mache ich mir einmal den Spaß, Ihnen die Zahl der Patentanmeldungen im Jahr 2012 vorzulesen: Bayern 14.300 Patentanmeldungen: 30 % aller in Deutschland angemeldeten Patente, Baden-Württemberg 14.200: ebenfalls knapp 30 %, NRW 6.800: 14 %, Niedersachsen 2.900: 6,3 %, und dann kommt Hessen mit 2.200: 4,9 %. Ich will es nur einmal beschreiben.
Versuchen Sie doch einmal, statt über das zu reden, was Sie alles ganz toll machen – was nicht stimmt –, die Punkte zu bestimmen, an denen Sie etwas besser machen können,
indem Sie z. B. die Förderung von Wirtschaft und Wissenschaft nicht nach dem Gießkannenprinzip betreiben, sondern entsprechend einer modernen Form der Wirtschaftsund Wissenschaftsentwicklung: Man versucht, Cluster zu definieren, und führt dort Wirtschaft und Wissenschaft so zusammen, dass sie sich gegenseitig befruchten.
Da Sie aber keinen Plan haben, können Sie das nicht. Darauf, dass Sie keinen Plan haben, kommen wir gleich noch einmal zurück. Insgesamt hat das einiges mit dem GrimmJahr zu tun: viel mit Märchenstunde und wenig mit Realpolitik.
Was wäre denn Ihre Aufgabe? Auch darüber würde ich gern einmal reden.
Sie sehen, Ihre Dramaturgie und meine unterscheiden sich ein bisschen. – Ich erwarte von der Ministerin, dass sie sich nicht hinter den Hochschulen oder sonst wem versteckt, sondern dass sie sie unterstützt, wenn es gebraucht wird. Das fängt bei den gesicherten Finanzen an.
Reden wir also einmal über das Modellprojekt, mit dem Sie hier gerade eine Show zu machen versuchen. Wie sieht denn die Weiterfinanzierung von LOEWE aus? Wie ist denn gesichert, dass all diese hübschen Projekte dauerhaft weiterfinanziert werden? Darüber haben Sie hier nichts gesagt; das überlassen Sie der nächsten Landesregierung. Die
wird sich dem sicher stellen; Sie jedenfalls werden dann nicht mehr dabei sein.
Was die gesicherten Finanzen betrifft: In ganz Deutschland gibt es eine Debatte darüber, dass wir eine Steuererhöhung zugunsten der Bildung brauchen. Im Stifterverband redet man davon, dass die Mehrwertsteuer zugunsten der Hochschulen erhöht werden solle;
die Deutsche Forschungsgemeinschaft – DFG – spricht sich dafür aus, einen Bildungspfennig einzuführen; und die SPD erklärt: 1 % Vermögensteuer für 100 % Bildung. – Wo, bitte schön, ist der Vorschlag dieser Landesregierung zur Bildungsfinanzierung? Sie macht nichts, weil sie nichts ändern will, sondern alles so lassen möchte, wie es ist. Das ist ein für Hessen unerträglicher Zustand.
Kommen wir zur Korrektur von Fehlern. Wann fangen Sie an, die bescheuertste Fehlentscheidung des früheren Ministerpräsidenten Koch, nämlich das Kooperationsverbot, anzugehen? Wir alle wissen, wir können die Hochschulen in den Ländern nicht finanzieren, wenn dieses Verbot bestehen bleibt. Wann fangen wir endlich an, mit Druck auszuüben, damit es fällt und wir aus den Gesamteinnahmen der Bundesrepublik Geld in die Hochschuletats bekommen? Nein, Sie sind auch dort auf der passiven Seite. Passive Hochschulpolitik ist keine Politik. Genau dafür stehen Sie aber.
Was die Hochschulfinanzierung in Hessen angeht, lautet Ihr Selbstlob: „größter Wissenschaftsetat aller Zeiten“. Ich weiß nicht, ob Sie die Reden von Abgeordneten anderer Parlamente lesen. Demnach hatten bzw. haben wir nämlich in den Jahren 2012 und 2013 in 16 Bundesländern den „größten Wissenschaftsetat aller Zeiten“. Da Sie so gern Vergleiche mit Rheinland-Pfalz ziehen – Sie haben den Etat fast verdoppelt –, rate ich Ihnen, sich einmal die Haushaltszahlen von Rheinland-Pfalz von 1999 bis heute anzuschauen. Sie würden feststellen, dass die ihren Wissenschaftsetat ebenfalls fast verdoppelt haben.
Das heißt, ein kleines Bundesland macht genau das Gleiche wie Sie; aber dort spuckt man nicht solch große Töne wie Sie, sondern man leistet anständige Arbeit.
Wer das Gleiche macht wie alle anderen, endet im Mittelmaß und nicht an der Spitze. Wir müssen mehr machen als alle anderen, wenn wir das leisten wollen.
Zu der Frage, wie sich die Wissenschaftsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt verhalten – Durchschnittswert für Hessen –: Bei den durchschnittlichen Ausgaben pro Studierenden – das nächste vergleichbare Bundesland ist Sachsen; ich weiß nicht, ob das ein Beispielland für Sie ist – haben wir in Hessen ein echtes Problem. Da zucken Sie immer zu Recht zusammen. In acht Jahren ist der Anteil
der Studierenden um 31 % gestiegen – an den Universitäten um 42 %. Der Anteil der Hochschulfinanzierung ist um 13 % gestiegen. Das heißt, die Finanzierung pro Studierenden ist um fast 1.000 € gesunken.
Solche Rahmenbedingungen für die Hochschulausbildung sind eine Schande und eine Versündigung an den Lebenschancen einer ganzen Generation von Studierenden. Das haben Sie zu verantworten, und vor dieser Verantwortung drücken Sie sich.
Ich erwarte von der Ministerin auch, dass sie zu der Entwicklung der Hochschulen in Hessen Stellung bezieht. Wir drängen seit Jahren auf eine qualifizierte Hochschulentwicklungsplanung.
Vor knapp einem Jahr ist der Frau Ministerin eingefallen, dass sie da vielleicht etwas machen muss, und dann hat sie eine Wirtschaftsberatungsfirma damit beauftragt. Dass das eigene Ministerium nicht mehr in der Lage ist, Hochschulentwicklungsplanung zu machen, ist ein Thema für sich. Kenner erinnere ich an die Namen Wolf und Weber; die konnten das.
Es geht dabei nicht um die Wirtschaftsplanung für die Hochschulen, sondern um ihre Weiterentwicklung. Wenn man das richtig machen will, muss man von Anfang an nicht nur die Hochschulen beteiligen, sondern auch die Regionen in Hessen sowie die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber, also die Wirtschaft; denn Wissenschaftsentwicklung und Wirtschaftsentwicklung hängen so eng zusammen, dass man die Hochschulplanung nicht von einer Beratungsfirma am grünen Tisch machen lassen kann, sondern sie kann nur im Dialog erfolgen. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir reden mit den Leuten, Sie reden über sie.
Sie haben nicht einmal das Angebot der Fachhochschulen zur Kenntnis genommen. Die Fachhochschulen haben in den letzten Wochen erklärt, sie würden, was den Zuwachs an Studierenden betrifft, gern mehr machen.
Sie organisieren sich Ihre eigenen finanziellen Probleme. Wir alle wissen, dass ein Fachhochschulstudienplatz etwas kostengünstiger ist als ein Universitätsstudienplatz. Hätten Sie den Ausbau der Fachhochschulen so in die Wege geleitet, wie diese es vor langer Zeit vorgeschlagen haben, nämlich indem Sie einen deutlich stärkeren Ausbau als an den Universitäten vornehmen, hätten Sie heute einen Teil der Finanzprobleme nicht. Aber Nichtstun führt eben zu Problemen. Genau das ist Ihr Problem: Nichtstun, dann gibt es Probleme, und schließlich haben Sie Angst.
Wenn Sie die Perspektiven für die Fachhochschulen weiterentwickeln, ist der nächste Punkt: Wie soll die Zukunft aussehen? Wir alle reden davon, dass die Leute höher qualifiziert sein müssen. Was heißt das denn? Das bedeutet eine Akademisierung von Berufen. Diejenigen, die Pflegeberufe und Erziehungsberufe ergreifen, müssen eine bessere Ausbildung haben, damit die Diagnostik funktioniert und damit mit den Kindern und den Älteren ordentlicher umgegangen wird. Das ist der eine Teil.
Über den anderen Teil haben Sie sich aber überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Wie soll es bei hoch qualifizierten Berufen weitergehen, die heute über die duale Berufsausbildung erlernt werden? Ist es nicht ein Punkt, dass Sie
die Versuche der Fachhochschulen unterstützen, bei hoch qualifizierten Berufen die Rolle der Berufsschulen zu übernehmen, anstatt dass dort vollschulisch gearbeitet wird? Denn dann bekämen wir eine neue Form der dualen Berufsausbildung auf einem völlig neuen Niveau. Das ist eine Idee, auf die Sie nicht kommen, weil Sie den Vertretern der Fachhochschulen nicht zugehört haben, obwohl es schon die ersten Versuche gibt. Das wäre ein Punkt, an dem Sie etwas für die Gesamtqualifikation in Hessen machen könnten.
Stärkung und Integration von Forschung und Lehre: Warum war bei Ihnen heute nicht die Rede davon, wie wir die Chance ergreifen können, zum Nutzen von Studierenden und Lehrenden beides wieder zusammenzuführen? Wir erleben gerade einen großen Umbruch in der deutschen Forschungslandschaft. In einer der großen Forschungsgesellschaften – der Leibniz-Gemeinschaft – wird darüber geredet, ob man sich neu strukturiert, sich eventuell sogar auflöst.
Wenn wir die Chance nutzen wollen, dass an Hochschulen wieder ganz normal geforscht wird und dass nicht irgendeine Sonderauswahl an Studierenden die Einzigen sind, die ernsthaft Forschung betreiben, sondern alle Studierenden, dann gehört dazu, dass wir die Integration als Politik befördern, statt dazu zu schweigen. Auch das erwarten wir von der Ministerin.
Alles in allem sehe ich meiner Redezeit an, dass es knapp wird. – Die Frage ist: Wann überprüfen Sie eigentlich die Ergebnisse Ihrer finanziellen Steuerungsversuche?
Das ist die Steuerungsillusion auf der einen Seite. Sie versuchen, mit einem Erfolgsbudget Ziele zu erreichen. Es hat noch keine Dokumentation gegeben, die Ihnen beschrieben hat, dass Sie die auch erreichen. Sie haben gleichzeitig mit dem Steuerungsinstrument der Studierendenzahl für die Hochschulfinanzierung eine Unterdeckelung und einen Kannibalisierungswettbewerb zwischen den Hochschulen erreicht. Denn selbst ein kluger Hochschulpräsident, der sagt: „Ich nehme keine zusätzlichen Studierenden auf, weil es meine Lehrer-Studierenden-Relation und meine Hochschulfinanzen ruiniert“, gerät in die Situation, dass er trotzdem pro Studierenden weniger hat, wenn die anderen mehr aufnehmen.
Sie haben damit ein Steuerungsinstrument eingeführt, das die Hochschulen ruiniert. Wann fangen Sie endlich an, diesen Unsinn abzuschaffen?
Normalerweise enden solche Reden mit dem berühmten Drehen zur Ministerin und der Frage: „Wann treten Sie zurück?“ Aber, ehrlich gesagt, ich bin Wahlkämpfer. Ich glaube, diese Ministerin ist die beste Werbung für einen
Regierungswechsel in Hessen. Deswegen halten Sie die paar Wochen noch durch. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal besteht das Gute in einer Veränderung. Eine der Veränderungen, die ich positiv registrieren kann, ist die verbale Abrüstung.
Ich erinnere mich an die letzte Blockupy-Debatte. Die Selbstverständlichkeiten, das Demonstrationsrecht ohne Gewalt, sind, so glaube ich, in diesem Haus ziemlich unstrittig. Der spannende Punkt ist dann aber die Frage, warum wir diese Aktuelle Stunde machen. Im Prinzip werden die Fragen von allen Seiten zu schlicht beantwortet.
Ich will das an einem simplen Beispiel deutlich machen. Ich bin dem Kollegen Mick für seinen Beitrag sehr dankbar, weil er auf den Inhalt des Punktes eingegangen ist. Das Spannende, was er gesagt hat, war die freundliche Bemerkung: Na ja, alle diese Regierungen und Parlamente sind die Verpflichtungen freiwillig eingegangen. – Das ist, mit Verlaub, eine diskussionswürdige Position. Denn was kann eine Regierung oder ein Parlament machen, wenn sozusagen die Staatspleite ins Haus steht und die Einzigen, die helfen, ganz klare Bedingungen festlegen? Ob das dann so ganz freiwillig ist, ist fragwürdig. Der spannende Punkt, über den es sich lohnt, nachzudenken, ist folgender. Ich bin überhaupt noch nicht so weit, zu sagen, das sei richtig oder falsch. Man muss darüber nachdenken, was das den Menschen zumutet.
Ich will Ihnen das einmal an einem ganz simplen Beispiel deutlich machen. Das, was in Griechenland passiert, bedeutet Einsparungen im Staatshaushalt von 5 % des Bruttoinlandsproduktes. 5 % des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland wären 120 Milliarden €. Das in einem deutschen Staatshaushalt einzusparen würde bedeuten, der Bundeshaushalt würde auf zwei Drittel reduziert. Ich will einfach einmal beschreiben, dass es manchmal vielleicht hilft, statt abstrakt große Worte zu schwingen, ein Stück herunterzugehen auf die Ebene der konkreten Auswirkungen und in einer differenzierten Argumentation ins Gleichgewicht zu bringen das, was nötig ist, um Staatsfinanzen zu stabilisieren, und das, was nötig ist, um Menschen noch Lebensumstände zu lassen, unter denen sie vernünftig leben können.
Das geht nicht mit den großen Worten. Das geht mit ziemlich präziser Kleinarbeit. Das geht mit der Frage, die wir hier mehrfach diskutiert haben. Wir brauchen auf der einen Seite ganz klar eine Begrenzung dessen, was zukünftige Generationen in Europa schultern können, auf der anderen Seite aber eine ebenso klare Investition in die Zukunft dieser Generationen. Wer die eine Seite betont und sagt, es gebe keine Alternative zum Sparen, ohne darüber zu reden, wie er dafür sorgt, dass die Hälfte der Jugendlichen, die heute in Südeuropa unbeschäftigt sind, Beschäftigung bekommt, der verfehlt das Thema.
Genau das ist der Grund, warum ich für die vielen Veranstaltungen in Frankfurt eher dankbar bin. Es geht nicht darum, ob ich irgendeine Meinung teile. Aber es geht darum, dass unter den Einheitsdebatten, die wir haben, neue Ansätze deutlich werden. Denn das, was in Europa vor uns liegt, ist ein Stück größer und differenzierter als das, was wir uns bisher an Antworten leisten. Die einfachen ideologischen Aussagen „Finanztransaktionssteuer nein“ oder „Finanztransaktionssteuer ja“ sind zu schlicht. Wir haben Gestaltungsaufgaben. Und wir haben die Situation, dass die gesamte Politik diesen Gestaltungsaufgaben nur teilweise gerecht geworden ist. Wenn wir nicht darüber nachdenken und wenn wir nicht schrittweise daran arbeiten,
wer dann sonst? – Also betrachten wir das Ganze bitte schön als Anregung. Betrachten wir das Ganze in Frankfurt als einen Debattenbeitrag, zu dem wir unsere eigenen Beiträge beisteuern müssen, und diese Beiträge dürfen dann etwas weniger schlicht sein als der eine oder andere, den ich hier gehört habe.
Dann ist der nächste Punkt, der, so glaube ich, noch einmal von uns allen zu Ende gedacht werden muss, die Frage nach dieser europäischen Politik. Denn wir Deutsche haben ja die bittere Erfahrung gemacht, was es heißt, wenn Arbeitslosenzahlen die 20- und 30-%-Marken erreichen. Wir haben die bittere Erfahrung gemacht, was es heißt, wenn der Anteil arbeitsloser Jugendlicher weit über 50 % liegt. Ich glaube schon, dass wir eine gemeinsame Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, dass das nicht weiter um sich greift.
Ich sage das so deutlich, weil ich schon ein Stück weit den Eindruck habe, dass wir in dem ruhigen Fahrwasser, in dem sich Deutschland befindet, ein Stück weit außer Acht lassen, dass sich hier nicht, wie es in den freundlichen Träumen der Linkspartei ist, eine Entwicklung abzeichnet, die die Gesellschaft grundlegend in eine Richtung ändert, die ihnen gefällt. Es zeichnet sich durchaus etwas anderes ab: Es zeichnet sich eine neue Hoffnungslosigkeit ab, eine neue undemokratische Hoffnungslosigkeit.
Unser aller Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass es dafür keine Basis gibt. Das ist der Job. Darum reden wir darüber.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht sollte man die Debatte einen kleinen Moment einmal ernsthafter betrachten.
Ich wohne seit 1954 im Frankfurter Westend. Ich kenne alle Erzählungen. Ein paar Sachen kenne ich auch aus eigenem Erleben. Bei der Räumung der Bockenheimer Landstraße hat der Frankfurter Oberbürgermeister Rudi Arndt den sozialdemokratischen Innenminister gebeten, nach zwei Tagen die Bereitschaftspolizei, die eingesetzt war, abzulösen. Er hat das getan, weil er gesagt hat: In einer solchen Situation ist es Aufgabe eines Politikers, dafür zu sorgen, dass Polizisten nicht durch Reaktion und Müdigkeit gefährdet werden und dass sie nicht durch Reaktion und Müdigkeit aus Versehen andere gefährden.
Das ist der Umgang eines amtierenden Innenministers mit solchen Konflikten.
Sie alle haben den amtierenden Innenminister gehört. Das ist Eskalationsstrategie. Das ist nicht Deeskalation.
Wenn man das will, weil man daraus politischen Vorteil zieht, ist das politisch erlaubt. Aber es ist nicht politisch klug.
Selbst die hoch ehrenwerte Zunft der Juristen kennt Ermessensspielräume, weil die genau weiß, dass sie für die Folgen der Umsetzung und die Art der Umsetzung mit Verantwortung trägt.
Diese Ermessensspielräume haben verantwortliche Polizeibeamte in Frankfurt immer wieder genutzt.
Und dafür sind sie nicht zu kritisieren. Das, was Sie heute als Maßstäbe legen, kritisiert im Prinzip ganze Generationen von Polizeiführern in Frankfurter politischen Auseinandersetzungen um Wohnungen.
Weiterer Punkt. Es wird besonders spannend, wenn Sie das Wort „Demokratie“ anführen. Heute Abend tagt die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt hat nichts anderes getan, als den Repräsentanten der Frankfurter Bevölkerung die Chance zu verschaffen, darüber zu reden, wie sie das Problem lösen wollen. Das als Nichtdemokratie zu bezeichnen, wirft ein Licht auf ein Demokratiebild, das ich nicht für akzeptabel halte.
Herr Mick, zum Nachdenken: Ihr Satz: „Das ist eine Kriegserklärung an die Zivilgesellschaft“,
verwechselt Staat und Zivilgesellschaft. Genau an dieser Stelle sollten Sie einmal überlegen, warum Ihnen manchmal so merkwürdige Fehler passieren, weil Sie nämlich auch den Staat mit Ihrer Partei verwechseln. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir bewegen uns in einem Feld, wo durchaus ein richtiges Problem festgestellt worden ist. Herr Reif, lassen Sie mich einfach eine Bemerkung zu Ihrem Beitrag machen. Sie befinden sich in einer Welt, die sich von der Welt derer unterscheidet, die im Wesentlichen Dispokredite in Anspruch nehmen.
Wenn Sie nur einmal drei Tage in einer Schuldnerberatung gearbeitet hätten, wüssten Sie, dass die Frage, die Sie rationalerweise völlig zu Recht stellen – der rationale Umgang mit Krediten und Umschuldungen –, in den Schichten, die Schuldnerberatung aufsuchen, nicht das Normale ist, sondern dass die in die Dispofalle hineinrutschen und da auch drinbleiben.
Deswegen glaube ich, an der Stelle sollten Sie vielleicht einmal überlegen, ob eine Ihrer früheren Entscheidungen, nämlich die Finanzierung der Schuldnerberatung in Hessen zu reduzieren, wo solch rationales Verhalten für Menschen mit wenig Einkommen organisiert wird, nicht korrekturbedürftig ist. – Das wäre eine Vorbemerkung.
Der zweite Punkt ist auch ein grundsätzlicher; denn wir bewegen uns im Grenzbereich. Wir reden über zwei Dinge: Wir reden über Marktversagen, und wir reden über Marktmacht. Marktmacht deswegen – auch das wieder Schuldnerberatungserfahrung –: Wenn Sie einmal versucht haben, einen Dispokredit umzuschulden in einen langfristigen Kredit, genau bei denen, die diese hohen Dispokreditraten zahlen, dann werden Sie feststellen, dass Ihnen das gar nicht gelingt, weil das Risiko – –
Herr Reif, das ist das Problem. Sie machen Angebote an Menschen, die diese Angebote gar nicht wahrnehmen können.
Das weiß ich doch. Aber Sie erklären das Menschen, die das nicht begriffen haben und dann in einem anderen Zustand sind.
Das ist genau der Punkt, wo es um Marktmacht geht. Da haben wir relativ klare Regeln. Wir leben in einer Gesellschaft, wo Preise jedenfalls nicht direkt vom Gesetzgeber festgelegt werden, sondern vom Gesetzgeber werden – völlig zu Recht – Grenzen für Preisüberschreitungen festgelegt. Das Wort Wucher ist bei Miete, Zinsen, wo auch immer, der richtige Punkt. Ich sage einmal relativ freundlich, bei Refinanzierungskosten unter 1 % ist ein zweistelliger Zinssatz Wucher. Da bin ich in der Wertung relativ klar. Die Frage ist, wie man ihn einschränken kann.
Liebe Janine, es freut mich auch, in dieser Frage eine Gemeinsamkeit festzustellen. Denn wann sind Janine Wissler und Peer Steinbrück schon einmal einer Meinung? Für wen oder gegen wen das spricht, könnt ihr euch selbst aussuchen.
Die Debatte läuft doch schon zwei Jahre. Die Frage ist aber, in welchem Rahmen wir agieren.
Ich denke, dass allein schon der Umfang des Gesetzentwurfs ein Problem aufwirft; er ist eigentlich zu schmal. Wenn man sich die Gesamtheit der Einnahmen der Banken und deren Einnahmequellen anschaut, dann wird man feststellen, dass sowohl die Zinssätze als auch die Bankgebühren in manchen Fällen hochgradig diskussionswürdig sind, dass das aber eine Regelung wäre, die kein Landesparlament treffen kann. Dass es hier nicht um Kosten, sondern um Gewinne geht, wird relativ schnell deutlich, egal, um welchen Bankentyp es sich handelt. – So weit die Gemeinsamkeiten.
Die Unterschiede sind in drei Punkten ganz einfach darstellbar:
Erstens. Warum bewerten Sie nur einen Kostenfaktor? Warum keine Gesamtbewertung?
Zweitens. Warum ein Landesgesetz? Warum versuchen wir nicht, die beiden Anträge, die vorliegen, so zusammenzuführen, dass sie eine gemeinsame Position wiedergeben?
Drittens. Die Sparkassen – da hat der Kollege Klose völlig recht – haben einen Auftrag für das Gemeinwohl, und es gibt bei dem, was sie machen, bestimmte Grenzen. Wenn man aber die Gemeinschaft der Sparkassen per Gesetz um eine halbe Milliarde oder eine Dreiviertelmilliarde Euro ärmer macht und meint, man würde die Konkurrenzverhältnisse zwischen den Bankensäulen nicht verschieben, dann irrt man sich.
Das heißt, die richtige Position wäre, zu sagen: Wir wollen ein Bundesgesetz haben – da wären wir uns einig –, das das für alle Banktypen regelt und auch mehr als nur die Dispo-Geschichten regelt.
Zusammenfassung: Liebe LINKE, der Gesetzentwurf ist das Gegenteil von gut, nämlich gut gemeint. Da müsste man noch ein bisschen nacharbeiten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Wenn ich über den Einzelplan 15 und das Ressort Wissenschaft und Kunst reden soll, so muss ich gestehen, dass ich hin- und hergerissen bin. Wir haben es heute schon gehört: Der Landtagswahlkampf beginnt. Als Wahlkämpfer habe ich zu dem Plan und zur Ministerin sehr klare Positionen. Erstens: Machen Sie bitte noch ein Jahr weiter – etwas Besseres können Sie für die SPD nicht tun.
Machen Sie bitte noch ein Jahr weiter. Seien Sie weiter überrascht, wenn die Studierendenzahlen steigen, obwohl Ihnen das hier im Plenum in drei Haushaltsrunden vorausgesagt worden ist. Erklären Sie weiter, dass die Studierendenzahlen zwar steigen, die Hochschulmittel aber nicht entsprechend mitwachsen. Machen Sie weiter so. Lesen Sie weiter in Kulturveranstaltungen Reden vor, in denen die schmückenden Beiworte stärker als der Inhalt ausfallen. Tun Sie weiter so desinteressiert, wenn es um die Kulturpolitik in Hessen geht. Machen Sie bitte weiter so, denn als Frankfurter kann ich sagen: Sie sind der Johnny Klinke der Hessischen Landesregierung und die beste Wahlkämpferin für die SPD.
Nur bin ich leider nicht nur Wahlkämpfer, sondern habe als Abgeordneter dieses Landtags noch immer die Grundidee, dass das etwas ist, bei dem wir gemeinsam schauen müssen, wie es weitergeht. Da kann man relativ schnell sagen: Das, was Sie tun, haben die hessischen Studierenden nicht verdient; das ist ganz einfach.
Ich mache die Rede kürzer als sieben Minuten. Ganz simple Zahlen: 42 % Steigerung der Studierendenzahl in den letzten fünf Jahren, ohne dass das Geld gleichzeitig mitgeht. Sie haben ja 400 Millionen € draufgelegt, das bestreitet überhaupt niemand. Nur geben Sie heute 600 € weniger pro Studierenden aus als noch zu Beginn der Regierung Koch. Das heißt, dass wir in einer Situation sind, in der Sie dem, was Sie tun müssen, nicht nachkommen.
Ihr Status im Bundesvergleich verändert sich nur unwesentlich, weil die anderen Länder das Gleiche gemacht haben: Alle haben den steigenden Studierendenzahlen Geld nachgegeben. Nur ist es in Hessen das, was wir alle gewollt haben. Ich könnte jetzt zehn Anträge aus dem Hessischen Landtag der letzten 15 Jahre zitieren, in denen alle Fraktionen immer wieder gesagt haben: Wir brauchen mehr Studierende. – Dann muss man das aber auch finanziell unterlegen; das ist der Kernpunkt Ihres Versagens und des Versagens dieses Haushalts. Deswegen werden Sie auch in der dritten Lesung erleben, dass wir an genau dem Punkt noch einmal Haushaltsanträge stellen. Selbst unter den heutigen Haushaltsbedingungen ist es nicht verantwortbar: Wer an den Studierenden spart, spart an der Zu
kunft Hessens, und an der Stelle sind Sie auf dem falschen Weg.
Damit auch das im Protokoll steht und Sie nicht wieder überrascht werden: Der richtige Anstieg kommt noch. NRW läuft nämlich erst nächstes Jahr mit den großen Zahlen der G-8-Jahrgänge heraus. Nächstes Jahr kommt das größte Bundesland mit seiner ersten Runde an G-8-Abgängern in die Studienlandschaft. Seien Sie bitte darauf vorbereitet, dass wir in diesem Doppelhaushalt für den Hochschulbereich noch einen Nachtrag brauchen werden, wenn Sie dem nicht nachgeben.
Ich sage es Ihnen so, damit Sie nicht sagen können, Sie seien nicht vorbereitet gewesen.
Ich finde das sehr spannend. Wir haben hier sehr kluge Wissenschaftsministerinnen und -minister gehabt: Evelies Mayer, Ruth Wagner, Udo Corts – damit das Spektrum fraktionsübergreifend ist –, die über Autonomie der Hochschule geredet haben. Sie haben gesagt: Wir brauchen die Anstöße aus den Hochschulen, damit wir sie weiterentwickeln können. – Sie tun das auch, aber Sie reden nicht mit den Hochschulen, sondern Sie reden über Autonomie als Ausrede für das, was Sie nicht tun. Genau das ist der Punkt, bei dem wir sagen, dass Sie dazulernen müssen. Aber das werden Sie nicht mehr tun, insofern: Bleiben Sie im Amt.
Nächster Punkt – und da wird es noch spannender –: Zur Hochschule gehört nicht nur die Frage der Finanzierung des Studiums. Wir haben an jedem Semesteranfang nicht nur die Situation überfüllter Hörsäle, sondern auch überfüllter Studierendenwohnheime. Und wir haben ein neues Modell junger Frauen, die sich heute entscheiden, ihre Kinder im Studium zu bekommen. Wer mit den Studierendenwerken redet – wir haben das mit allen getan –, wird feststellen, dass es dort Bedarf gibt. Sie werden von uns erwarten können, dass wir uns auch um diesen Teil kümmern; denn studieren können allein, ohne die benötigten Rahmenbedingungen – was Wohnen und für bestimmte Menschen auch die Kinderbetreuung angeht –, wird nicht ausreichen. Insofern wird das der dritte Punkt sein.
Der letzte Punkt – über die W-Besoldung werden wir in der nächsten Sitzung reden –: Sitzfleisch-Prämie als Leistung, das ist für eine moderne Verwaltungspartei eine spannende Variante. Da müssen Sie sehen, wie Sie damit zurechtkommen. Aber die spannende Frage, wie Sie mit Ihren zwei Problemen umgehen, sollten Sie in Ihrem Haushalt auch beantworten:
Erstens. Bei der European Business School wissen wir nicht, wo das Geld hinfließt. Wir hören immer neue Meldungen und warten im Ausschuss schon ein Weilchen auf den Bericht des Rechnungshofs. Es wäre doch schön, wenn Sie dazu etwas sagen könnten.
Zweitens haben wir eine Investitionsverweigerung bei einem Projekt, das Ihr Leuchtturm war, nämlich die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg. Sie haben nichts zu der Zukunft gesagt. All das spricht dafür, dass Sie Ihren Job nicht im Griff haben; es tut mir leid.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt in der Debatte ein paar Sätze, mit denen man sich schlicht und einfach auseinandersetzen muss. Ich fange einmal mit denen des Hermann Schaus an. Er hat den Satz: „Man muss ja nur wollen“, mehrfach wiederholt. Das Problem dabei ist: Wenn man so Politik macht, darf man sich nicht wundern, wenn man auf die Nase fällt.
Bestimmte Sachen funktionieren nicht einfach nur deshalb, weil man das will, sondern man muss dafür Wege einschlagen.
Damit komme ich sofort zu den Sätzen des Herrn Kollegen Müller. Denn Herr Kollege Müller hat in der Tat – –
Norbert, du musst lauter sprechen, ich verstehe dich nicht. – Okay.
Denn es geht in der Tat um die spannende Frage: Wie setzt man eine Vorschrift aus der Mediation um? – Eine Vorschrift aus der Mediation lautet – Text lesen hilft –: Neben dem absoluten Nachtflugverbot wollen wir eine Entlastung der sensiblen Tagesrandstunden. – Das können Sie im Mediationsergebnis nachlesen.
Wir stellen fest: Wir haben einen Planfeststellungsbeschluss und ein Gerichtsurteil, das wir gerade bewerten lassen, dass das Leben etwas erschwert.
Zweitens. Wir haben eine Debatte, in der Fraport und die Fluggesellschaften völlig zu Recht sagen: Wir wollen gleiche Konkurrenzbedingungen haben. – Wenn man Politik verantwortlich gestaltet, ist der Ausweg daraus: Man sorgt dafür, dass die gleichen Konkurrenzbedingungen für alle in Deutschland und in Europa herrschen, indem das Nachtflugverbot möglich gemacht wird.
Drittens sorgt man dafür, dass es eine Rechtsgrundlage gibt, aufgrund derer man in der Lage ist, darüber zu reden, die Tagesrandstunden weiter zu entlasten.
Das ist der Punkt, bei dem Sie den Unterschied machen. Denn Sie sagen: Das ist jetzt einfach so. Dass die Leute so leiden, das müssen sie ertragen.
Wir sagen: Wenn die Leute so leiden und das ertragen müssen, dann versuchen wir, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass wir neue Handlungsmöglichkeiten bekommen. – Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Der ist relativ einfach.
Viertens. Ich komme jetzt auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE zurück. Mein Problem daran ist: Der Antrag wurde geschrieben, um abgelehnt zu werden. – Die Frage lautet: Warum macht Ihr das?
Das ist ganz einfach. Die Start- und Landebahn ist rechtskräftig, und Ihr bekommt sie mit keinem Argument aus der Welt. Das hat Frank Kaufmann gesagt. Das ist der eine Teil.
Im zweiten Teil geht es um den Lärmaktionsplan. Was ist denn das für eine Idee? – Sie wollen einer unfähigen Landesregierung ein Papier zurückgeben, damit sie es noch einmal macht. Das ist, mit Verlaub, völlig bescheuert.
Da bin ich sehr bei Herrn Kaufmann. Mit Verlaub, möglicherweise werden wir da einmal den Sachverstand bemühen müssen, den es bei den Kommunen und möglicherweise beim Regionalverband gibt, um ein paar Alternativen deutlich zu machen. Denn dieser Plan ist in der Tat so unvollständig und auf einer so grottigen Datengrundlage gemacht, dass man damit nichts anfangen kann.
Wer hat denn das vorgelegt? – Ich hatte einmal einen Chef, der gesagt hat: Du solltest mir sagen, welcher Referent das geschrieben hat. Ich werde ihn dann gerne in die Registratur versetzen.
Genauso ist dieses Papier gemacht worden. Genauso wurde dieser Plan gemacht. Ich halte das für unverantwortlich.
Fünftens. Lieber Frank Kaufmann, ich bin einfach für eine saubere Argumentation. Wie alle anderen verstehe ich, dass die Debatte um die Frage, wie schätzt man die Zahl der Arbeitsplätze, spannend ist. Auf dieser Ebene kann man diese Frage immer wieder thematisieren.
Eines kann man aber nicht machen. Man kann nicht die Zahl, die für den Endausbau vorgesehen ist, für das erste Betriebsjahr annehmen. Das ist, mit Verlaub, intellektuell einfach nicht redlich.
Wir können jetzt gerne darüber streiten, wie sicher die Prognose war. Wir können gerne in ein paar Jahren darüber reden, ob die ersten Schritte gemacht wurden. Aber das andere funktioniert so einfach nicht. Ich glaube, das wissen alle Beteiligten.
Ich will das jetzt einmal zusammenfassen. Das wird jetzt wieder spannend. Wie gelangen wir dahin, dass wir das, was wir versprochen haben, halten können? – Wir haben versprochen: Wir machen diesen Ausbau. – Die GRÜNEN sind da wie immer außen vor. Die LINKEN sind logischerweise auch außen vor, weil sie nicht dabei waren.
Wir haben versprochen: Wir machen den Ausbau unter der Bedingung, dass sich die Belastungen für die Menschen nicht deutlich erhöhen. Wir machen vorher etwas.
Wir haben jetzt zwölf Jahre Nichtstun mit einigen kleinen Einschränkungen erlebt. Sie glauben, dass man jetzt einfach weiter nichts tun muss.
Nein, wir müssen einen Schritt weitergehen. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir den Lärm eingrenzen. Dabei bin ich überhaupt nicht flughafenbezogen.
Ich glaube, die LINKEN müssten mit uns noch einmal gemeinsam diskutieren, wie weit wir eigentlich gehen können. Wir haben in Hessen gemeinsam durchgesetzt – das geschah übrigens auch unter Rot-Grün –, dass wir die Züge auf den Schnellbahnstrecken beschleunigen wollen, damit wir den Flughafen entlasten können. Dieses Ziel ist richtig. Das ist seit dem Bau der Startbahn West ein zentrales landespolitisches Ziel.
Ich finde, man muss aber eines mitdiskutieren. Wir haben nämlich feststellen müssen, dass wir an bestimmten Stellen der Schnellbahnstrecken neue Probleme produziert haben. Das muss man einfach sagen. Dort, wo sie nicht mitten durch die Prärie laufen, sind sie für die Anwohner ziemlich laut. Das heißt, wer so etwas macht, wer solche Forderungen stellt, der muss, glaube ich, keine Debatte darüber führen, wie man einzelne Maßnahmen durchführt.
Ich will einmal ein Konzept beschreiben, das drei Schritte hat. Der erste Schritt lautet: Investitionen am Flughafen in Milliarden-€-Höhe in freier Konkurrenz zu tätigen, ist eine Verschleuderung des volkswirtschaftlichen Vermögens in Europa und in Deutschland. Das heißt, der vernünftige Weg ist, einen abgestimmten Flughafenentwicklungsplan zu haben, bei dem die Verkehre geklärt und aufgeteilt sind. Das würde verhindern, dass wir in manchen Regionen Überkapazitäten haben, die die Ertragslage der Flughäfen, die es gibt, verschlechtern würde. Gleichzeitig würde das auch die Beantwortung der Frage erschweren, wie die Flugverkehre abgewickelt werden sollen.
Denn der Irrsinn, den die Lufthansa gestern vorgestellt hat, der besagt, dass man in Konkurrenz der gesamten Welt in der Türkei, in Dubai oder sonst wo einmal schaut und die Flächen schafft, hinterher soll sich der Flugverkehr dann irgendwie anpassen, ist etwas, was man sinnvollerweise bei einem Verkehrsmittel nicht macht, bei dem man riesige Investitionen für die Start- und Landeflächen vornehmen muss.
Zweitens. Wenn man das gemacht hat, dann geht es um die Frage: Wie kriegt man die Verkehrsmittel so integriert, dass das funktioniert? – Da geht es eben nicht darum, dass man es nur wollen muss. Ich bin sehr dafür, dass ein Großteil der Kurzstreckenflüge weg kommt. Aber wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass es dafür eines politischen Anstoßes bedarf. Ich finde, dafür ist euer Antrag völlig richtig. Auf der anderen Seite geht das aber nicht so einfach.
Wer die Schwierigkeiten auf der Strecke Köln-Frankfurt kennt, das überhaupt so hinzukriegen, dass es unter den derzeitigen Sicherheitsvorschriften funktioniert, der weiß, dass das nicht einfach mit „Man muss nur wollen“ getan ist. Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass das Umsteigen am Flughafen und das Einchecken am Startort so möglich sind, dass es den derzeitigen Vorschriften genügt. Dazu muss politische Arbeit geleistet werden, das kann man nicht einfach wollen. Ich glaube, da muss man etwas nachliefern.
Mein letzter Punkt ist wie immer die Rechtssicherheit. Ich kann es schon fast nicht mehr wiederholen, aber stellen Sie sich einmal vor, Sie haben Ihren Führerschein verloren. Sie gehen dann vor Gericht und sagen: Ich will meinen Führerschein wieder haben. Gleichzeitig erklären Sie aber allen anderen: Das ist nicht, weil ich ihn wieder haben will, sondern weil ich Rechtssicherheit haben will, dass ich ihn verloren habe. – Das ist das Gleiche, was Ihnen hier passiert ist. Das ist so absurd,
dass ich niemanden kenne, dem man das ernsthaft erklären könnte. Das Gericht hat völlig zu Recht gesagt: Der Antrag ist zwar zulässig, aber komplett unbegründet.
An dieser Stelle sollten Sie Ihre Textexegese beenden und sagen: Wir haben versucht zu tricksen; wir haben versucht, etwas anderes durchzusetzen, als wir versprochen hatten; dabei sind wir erwischt worden; wir stehen endlich zu dem, was wir getan haben. – Dann können wir uns einen Teil dieser unsinnigen Debatte hier sparen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Boddenberg, erstens: Ich weiß nicht, wie viele Konzepte – ohne Beschluss – Sie in den verschiedenen Ministerien in den Aktenschränken liegen haben. Aus denen könnten auch wir gerne zitieren. Das hätte den gleichen Stellenwert wie das, was Sie eben getan haben.
Herr Staatssekretär Saebisch, ich gehöre zu den Menschen, die sich sehr mit historischen Dingen beschäftigen. Ich habe vor drei Jahren einen für mich sehr amüsanten Film gesehen, in dem die ersten Sozialdemokraten im Parlament gezeigt wurden. In einer Nachspielszene erklärte da ein Mitglied des preußischen Landadels den armen Bauern, wie Politik zu sein hat. Mit Verlaub, dieser Ton ist dem 21. Jahrhundert nicht mehr angepasst.
Zweitens. Sie haben in Ihrer heutigen Rede zweimal nicht die Wahrheit gesagt. Beim ersten Mal haben Sie einfach ein Wort in einem Satz eingefügt, nämlich das Wort „planmäßig“, und damit den Satzzusammenhang verändert.
Drittens. Wir werden hier den Streit, wer da war, nicht austragen können. Wir werden sehen, wessen Erinnerungsvermögen besser ist. Es gibt ja ein Wortprotokoll über das, was hier gesagt worden ist. Sie haben weiterhin gesagt, ich hätte ein absolutes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr gefordert. Ich fordere Sie auf, sich den Protokollauszug zu organisieren und darin nachzulesen. Ich habe Folgendes gesagt: Ich will gleiche Konkurrenzbedingungen haben; deshalb fordere ich ein Bundesgesetz, das Nachtflugbeschränkungen zu dieser Zeit zulässt, und ich fordere, wie in der Mediation beschrieben, Entlastungen in den Tagesrandstunden.
Viertens. Sie zitieren hier Beschlüsse, deren Text Sie nicht kennen. Ich kenne Beschlüsse, deren Text ich geschrieben habe, in der Regel gut, und manchmal hilft es, sie bei sich zu haben. Ich zitiere:
In der Zwischenzeit werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um eine weitestgehende Ent
lastung in den Tagesrandzeiten zu erreichen. Das gilt insbesondere für die Flüge am Übergang in den Randzeiten zur Verbotszeit.
Das ist der Text, den wir beschlossen haben. All das, was Sie gesagt haben, finden Sie darin nicht wieder. Ich finde, es wäre klug, damit zu beginnen, über das zu reden, was ist, statt über das zu reden, was Sie sich vorstellen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe ein bisschen ein Problem mit dem letzten Diskussionsbeitrag, weil er eigentlich eine Schablone aufgezeigt hat und keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen. Herr Büger, ich würde Sie gern daran erinnern, dass es die Täter waren, die die Debatte aufgemacht haben, nämlich diejenigen, die wie Oppenheimer und andere Verantwortung getragen haben, weil sie ihre Forschung genauso begonnen haben, wie Sie gerade einen Forscherstandpunkt beschrieben haben, die aber, als sie die Ergebnisse ihrer Forschung sahen, festgestellt haben, dass sie das nicht mehr können. Oppenheimers Zitat lautet unter anderem: „Mit diesem, was wir getan haben, hat die Forschung für immer ihre Unschuld verloren.“
Sie versuchen, eine Unschuld wieder herzustellen, die es politisch nicht mehr gibt, und damit müssen wir uns auf allen Ebenen auseinandersetzen.
Der zweite spannende Punkt ist – da bin ich bei dem Kollegen Schneider –: Ich merke einfach, dass wir ein Stück weit schauen müssen, wie sich die Welt seit der Gründung der Bundesrepublik verändert hat, weil ich glaube, dass es ganz wichtig ist, darauf einmal zu schauen. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten eine sehr klare Auffassung davon, was nicht passieren darf. Das findet sich im Grundgesetz wieder, nicht nur in der Präambel, sondern auch in Art. 26: kein Angriffskrieg, keine Störung des
friedlichen Zusammenlebens, Verstöße dagegen sind strafbar Produktion und Handel mit Kriegswaffen nur mit Genehmigung. Die sind davon ausgegangen, dass Deutschland bestimmte Dinge nicht mehr tut.
Herr Schneider hat hier eine Position vorgetragen, mit der er im Kern gesagt hat: „Wir haben in bestimmten Situationen auch politische Optionen, die militärisch sind“, mit einer Unbefangenheit, die mich ehrlich gesagt ein bisschen erschreckt hat. Für Menschen einer Generation zwischen beiden Generationen, also denen, die die Veränderung genau gesehen haben, die den ersten Schritt sozusagen noch als Jugendlicher erlebt haben, nämlich die Tatsache, dass wir in der Bundesrepublik Militär aufgebaut haben, Strauß mit der ersten Atomdebatte, und denen, die dann gesehen haben, wie es in Deutschland im Prinzip durch die Veränderung der politischen Debatten plötzlich möglich war, nicht nur Verteidigung im klassischen Sinne, sondern auch Einsätze weit weg von den deutschen Grenzen zu machen, ist das problematisch, weil das alles nicht mehr mit reflektiert wird.
Ich bin den LINKEN insofern eher dankbar, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dieses Thema wieder auf die Tagesordnung zu holen, weil uns Maßstäbe wegrutschen, von denen ich glaube, dass wir sie weiterhin brauchen, Maßstäbe, die etwas damit zu tun haben, wie man Frieden erhält oder nicht erhält.
Dann komme ich zur internationalen Politik. Es gibt in den Vereinten Nationen ziemlich klare Ideen darüber, was man machen muss, und die Ideen heißen nicht Ausweitung von Rüstungsforschung und -produktion, sondern sie lauten: Rüstungskontrolle, Begrenzung der Produktion, Ausschaltung eines Produktionsbereichs nach dem anderen. Wir reden nicht nur über den Atomwaffensperrvertrag. Ich darf Sie einmal an die Initiative gegen die Verbreitung von Handfeuerwaffen erinnern. Diese haben, hochtechnisch aufgerüstet, die Konflikte, die wir in den Ländern der sich entwickelnden Welt haben, durch ihre Verfügbarkeit angeheizt.
Das heißt, wir reden nicht abstrakt über große Waffensysteme, sondern wir reden über ganz kleine Dinge, die dafür sorgen, dass Konflikte, die früher nicht bewaffnet ausgetragen wurden, leichter ausgetragen werden können, weil die Waffen in einer technischen Perfektion verfügbar sind, die im Prinzip dafür sorgen, dass jemand mit ganz wenigen Menschen in einer bestimmten Region in der Lage ist, plötzlich Gewalt als Option gegen Mehrheiten zu ergreifen. Ich glaube, dass wir an der Stelle nicht so ganz einfach darüber reden können, als sei der technische Fortschritt der Waffenproduktion belanglos. Im Gegenteil, das ist ein Teil des Unfriedlicher-Werdens bestimmter Regionen der Welt, und es ist ein richtiger Ansatz, sich damit auseinanderzusetzen.
Ja, über den Traum der Abschreckung können wir einmal länger debattieren. Aber das wäre eine Debatte, die meinen ganzen Redebeitrag füllen würde.
Ich sage schon: Gerade wenn wir über die Rolle von Kleinwaffen reden, und zwar nicht auf der Ebene der Atomwaffen, sondern auf der Ebene ganz konventionellen Waffenguts, dann macht mir die Rolle der Bundesre
publik in dem internationalen Kontext als drittgrößter Waffenexporteur schon ein Problem. Das will ich ganz deutlich sagen. Das Argument: „Wenn wir es nicht machen, machen es andere“, Entschuldigung, das akzeptiere ich für keinen Bereich.
Wenn es nicht richtig ist, sondern das Gegenteil von dem erreicht, was man will, dann muss man darüber nachdenken.
Dass Frau Wissler Helmut Schmidt zitiert, finde ich nicht zu beanstanden, und zwar weniger, weil es sich um Helmut Schmidt handelt. Jeder, der meine persönliche Biografie kennt, weiß, dass ich mit ihm schon ganz andere Debatten geführt habe. Aber der Text, auf den sie sich bezieht, ist ein kluger Text, der die Probleme – dass wir vorläufig, auf lange Zeit vorläufig, nicht ohne Militär auskommen werden, aber dass uns die stärkere Entwicklung militärischer Optionen politisch in den Abgrund führt – in einer Differenziertheit beschreibt, wie ich sie gerne in dieser Debatte noch an mehreren Stellen gehört hätte. Wir haben also ein Dilemma – die Frage Abschreckung spielt schon eine Rolle –, aus dem wir herauskommen müssen. Insofern ist der Text von Herrn Schmidt ein kluger Text.
Die Sozialdemokraten gehören zu denen, die ein bestimmtes Wissenschaftsbild und ein bestimmtes Bild von Hochschulen haben. Dazu gehört, dass Forschung und Lehre für uns nicht trennbar sind. Das bedeutet im Kern, dass wir davon ausgehen, dass an allen Forschungsprojekten an Hochschulen grundsätzlich Studierende beteiligt sein können, nein, sogar beteiligt sein sollen.
Damit sind wir beim zweiten Punkt. Studierende haben nicht die Stellung des freien Wissenschaftlers, der entscheidet, was er tut oder was er nicht tut, sondern sie sind in einer anderen Situation. Vor allem deswegen halten wir an Hochschulen entwickelte Zivilklauseln für einen Fortschritt und nicht für einen Rückschritt; denn sie binden die Forschung wieder in die Gesellschaft ein und schützen die Studierenden davor, in Projekte zu geraten, in denen sie nichts zu suchen haben. Zivilklauseln sind eine kluge Idee.
Dann komme ich zu den Ausführungen des Kollegen May. Liebe Kollegin Wissler, es gibt da ein Problem. Ich glaube, wir müssen über den Weg dahin nachdenken. Eine Zivilklausel, die entstanden ist aus einer gesellschaftlichen Debatte unter hoher Beteiligung, durch viele Menschen, die sich Gedanken darüber gemacht haben: „Was heißt das konkret, was heißt das nicht nur als Überschrift?“, ist besser als eine Klausel, die wir weit weg von den Hochschulen beschließen.
Ich glaube, da macht ihr einen Fehler. Ich fände es gut, wenn ihr euch dem Antrag der GRÜNEN anschließen würdet; denn an der Stelle haben sie die bessere Idee. Auf diesem Weg kommen wir nämlich zu etwas, was die Reflexion und die Transparenz an den Hochschulen befördert. Das ist nicht einfach nur ein aufgesetztes Regelungsinstrument, mit dem wir von hier aus etwas erreichen wollen. Ich glaube, die Beteiligung an der gesellschaftlichen
Debatte zu mehr Transparenz an den Hochschulen ist der bessere Weg, als das im Gesetz festzulegen.
In den letzten zwei Minuten komme ich zu dem Punkt, wo die Welt komplizierter ist – das haben alle gesagt –, zu den Dual-Use-Gütern. Ich nenne etwas Zweites, was noch viel schwieriger ist. Wir erleben, dass die Entfesselung der Forschung auf militärischem Gebiet auf Bereiche übergegriffen hat, die nuklearer Bewaffnung durchaus gleichkommt. Das, was wir an biologischer, was wir zum Teil an chemischer Waffenentwicklung haben, ist vom Aspekt der Massenvernichtung her tendenziell vergleichbar.
Jetzt haben wir das schlichte Problem, dass wir als ein Land, das dem Frieden verpflichtet ist, immer versucht haben, einen Beitrag dazu zu leisten, dass es Gegenmittel gibt. Diese Frage ist nicht abstrakt zu lösen. Denn wer das Gegenmittel für eine biologische Kampfwaffe entwickeln will, der muss mit dieser Kampfwaffe umgehen können, der muss mit dem biologischen Bakterienstamm, Virenstamm umgehen und ihn beforschen können, damit er das Gegenteil erreichen kann.
Das ist ein Dilemma, das nicht per Gesetz auflösbar ist. Diese Dilemmata sind nur per Diskussion und konkret auflösbar. Das heißt, wir setzen darauf, dass diese Debatte eine Auseinandersetzung an den Hochschulen anstößt. Denn es ist nicht abstrakt entscheidbar. Sonst muss Forschungsprojekt für Forschungsprojekt geschaut werden: Was passiert dort, und wohin führt das? – Abstrakt führt das zu unsinnigen Entscheidungen, dass man entweder sagt, es ist alles zulässig, weil Forschungsfreiheit, oder, es ist nichts zulässig, weil alles missbraucht werden kann.
Ich glaube, dass wir den GRÜNEN-Antrag unterstützen sollten, weil er die Hochschulen in die Situation bringt, in die wir sie bringen müssen. Sie müssen sich gesellschaftlich dafür verantworten, übrigens in jedem Forschungsbereich, nicht nur beim Militär, und sie müssen dafür sorgen, dass an Hochschulen nicht alles stattfinden kann, was der Gesellschaft schadet. Hochschulen sind vielmehr für den Fortschritt der Gesellschaft mit zuständig und haben dafür Verantwortung. Dafür steht ein Stück weit der GRÜNEN-Antrag. Deswegen finde ich ihn gut. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, am Anfang mein Unbehagen über dieses Gesetzgebungsverfahren im gesellschaftlichen Kontext zu beschreiben. Ich kritisiere damit nicht die Landesregierung. Ich kritisiere damit nicht das Urteil. Ich kritisiere nicht einmal den Kläger, weil ich wissenschaftliche Karrieren mit ihren abgebrochenen Kurzverträgen usw. kenne.
Aber wir leisten uns in dieser Gesellschaft, dass wir einzelne Bereiche immer einzeln betrachten. Wir haben die Situation und stehen vor der Tatsache, dass gleich eine neue Klage in den Raum gestellt worden ist, wie der eine oder andere vielleicht den Meldungen entnommen hat – das stimmt mich besonders bedenklich. Wir haben die Situation, dass wir Menschen in der Gesellschaft Unterschiedliches zumuten. Wir muten den Menschen, die im normalen Arbeitsverhältnis sind, zu, dass sie, wenn sie auf einem engen Markt agieren, wo es ein Überangebot gibt, in Gehaltsgruppen unter denen einsteigen, mit denen ihre Vorgänger eingestiegen sind, und zum Teil in diesen Gehaltsgruppen arbeiten, die ihrer Qualifikation nicht entsprechen.
Wir sehen aber in bestimmten anderen Bereichen – Professoren gehören dazu, ich kann das aufgrund der Lebensläufe verstehen –: Nein, es gibt für diesen gesellschaftlichen Bereich eine Untergrenze, die nicht unterschritten werden darf.