Hermann Kleen
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Last Statements
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich zu Beginn bedanken, besonders bei Helmut Pflugradt und Klaus Möhle. Ganz eigennützig möchte ich mich aber auch bei den übrigen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss bedanken, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Fraktion. Niemand hat für sich in Anspruch genommen, nur in der zweiten Reihe zu sitzen und deshalb weniger zu arbeiten. Vielen Dank dafür! Ohne die hervorragende Unterstützung unserer Assistenten Corinna Mariji´c und Holger Ilgner wäre ich auch nicht ausgekommen. Ich darf der Ausschussassistenz der Bürgerschaft herzlich danken, ihr Engagement ging auch emotional über das Normalmaß hinaus.
Der Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ war mein dritter Untersuchungsausschuss, aber er war mit den anderen nicht vergleichbar. Der Respekt vor dem Leiden und vor dem Tod des kleinen Kevin hat es niemals zugelassen, dass der Ausschuss zur politischen Tagesordnung oder zum politischen Ritual des Untersuchungsausschusses übergehen konnte. Dieses Grundverständnis hat bis zum Bericht getragen. Wir haben uns, ohne dass sich jemand verbiegen musste, auf eine gemeinsame Darstellung einigen können. Ich verrate an dieser Stelle auch kein Geheimnis, dass es der ausgezeichneten Vorarbeit der Ausschussassistenz zu verdanken ist, ihr mit großem Gespür verfasster Entwurf hat die Einigung sehr erleichtert.
Meine Damen und Herren, die Nachricht über das Auffinden des toten Kevin, die uns in einer Fraktionssitzung im vorigen Oktober erreichte, war auch für uns ein Schock. Uns war sofort klar, dass dieses Ereignis weitreichende Auswirkungen haben würde. Ich fand es angemessen und richtig, dass Frau Senatorin Röpke keine Minute gezögert hat, die politische Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten. Es war auch gut, dass Bürgermeister Böhrnsen sofort die Aufklärungsarbeit eingeleitet hat und durch Staatsrat Mäurer eine unabhängige Sachdarstellung hat erarbeiten lassen.
Auch der Untersuchungsausschuss war folgerichtig und notwendig. Dass mit Klaus Möhle die Opposition dem Ausschuss unparteiisches Aufklärungsinteresse bestätigt hat, hilft uns hoffentlich, auch über Grenzen hinweg Bremens Glaubwürdigkeit ein Stück ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
wiederherzustellen. Das alles macht Kevin nicht wieder lebendig, aber das als Anfang und vielmehr in Zukunft ist notwendig, um aus dem kurzen, schmerzhaften Leben und dem Sterben von Kevin Lehren ziehen zu können.
Meine Damen und Herren, seit dem 10. Oktober 2006 ist einiges geschehen, um Verantwortung anzunehmen und auszuschließen, dass so etwas wie mit Kevin wieder passieren kann. Der Amtsleiter ist gegangen, der Jugendamtsleiter hatte schon zuvor seine Versetzung in die Wege geleitet, die Stadtteilleiterin macht andere Aufgaben. Gegen unmittelbar Verantwortliche sind dienstrechtliche und strafrechtliche Schritte eingeleitet. Das betrifft insbesondere den Casemanager und den Amtsvormund, und es betrifft den Ziehvater, gegen den wegen Mordes Anklage erhoben wird.
Auch an anderen Stellen wurde individuelles Versagen herausgearbeitet. Das betrifft auch freie Träger und andere Mitwirkende, besonders auch den methadonvergebenden Arzt, der seine Zulassung für die Substitution verloren hat und gegen den wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt wird.
Senatorin Rosenkötter mit ihrem Staatsrat Dr. Schuster haben nicht auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses gewartet. Sie haben in mehreren Schritten begonnen, Maßnahmen einzuleiten, um den Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung zu verbessern. Schon zuvor war in einer Sofortaktion die Lebenssituation von 1000 Kindern aus Risikofamilien überprüft worden.
In einer zweiten Phase wurde mit der Erarbeitung von Eckpunkten für notwendige Veränderungen im System der Jugend- und Erziehungshilfe begonnen. Das Notruftelefon wurde eingerichtet, ein dahinter liegender Krisendienst wird im Herbst seine Arbeit aufnehmen. Erste Personalaufstockungen in den Sozialzentren und bei den Amtsvormündern wurden vorgenommen. Schon die Wiederbesetzung von vakanten Stellen hat die Arbeitsatmosphäre in den Sozialzentren sehr positiv verändert, wie wir in den folgenden Anhörungen erfahren konnten. Auch die Erreichbarkeit des Jugendamtes wird verbessert. In diese zweite Phase gehört die Klausurtagung des Amtes für Soziale Dienste sowie der Handlungsrahmen vom Januar 2007, auch die Leitlinien und Verfahrensregeln für die Beratung und Betreuung drogenabhängiger schwangerer Mütter und Eltern durch die Bremer Drogenhilfe vom Februar, die durch das Gesundheitsamt erarbeitet wurden.
In einer dritten Phase stehen die weitere Entwicklung von Konzepten und deren strukturelle Umsetzung, auch mittel- und langfristig, im Vordergrund. Durch eine fachliche Weisung wurde zur Qualitätssicherung der Standards bei Kindeswohlgefährdung das konkrete Vorgehen beim Verdacht auf akute Kindeswohlgefährdung verbessert, etwa durch die In
formationspflicht an Vorgesetzte und die Festlegung, welche Absprachen mit den am Fall beteiligten Kooperationspartnern zu treffen sind. Auch die Anforderungen an eine Dokumentation wurden verbessert. Weitere Stichworte der Regelung betreffen vermehrte Hausbesuche, die Verbesserung der Dienst- und Fachaufsicht, das Schulungs- und Fortbildungsangebot oder die Optimierung der Organisation der Wochenkonferenz.
Seit einigen Wochen kann in den Sozialzentren wieder verstärkt Supervision zur Verfügung gestellt werden. Einen besonderen Schwerpunkt wird Senatorin Rosenkötter auf die Themen Früherkennung und Prävention legen, wie sie uns im Ausschuss bereits erläutert hat und wozu sie sicher hier noch etwas sagen wird. Die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen waren ja bereits Gegenstand von Berichterstattung wie auch Erstberatung und Früherkennung sowie das Unterstützungsprogramm für Schwangere und Eltern von Neugeborenen. Der Handlungsansatz des Casemanagements wird fachlich und durch entsprechende Qualifizierung und Ressourcen unterstützt.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, es ist sehr viel geschehen. Dadurch soll hier nichts beschönigt werden. Die Liste der Versäumnisse im Ausschussbericht ist lang, aber der Respekt vor dem Engagement der Beteiligten gebietet es auch, darauf hinzuweisen, dass das Wächteramt des Staates für das Kindeswohl im Mai 2007 einen anderen Stellenwert hat als im Oktober 2006. Jetzt kommt es darauf an, dass fortgesetzt wird, was begonnen wurde. Nichts von dem, was Bürgermeister Böhrnsen und Senatorin Rosenkötter eingeleitet haben, darf zurückgenommen werden, im Gegenteil, es muss ausgebaut und fortentwickelt werden.
Ich hoffe sehr, dass auch die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der bremischen Jugendarbeit und im Amt für Soziale Dienste die Arbeit und das Ergebnis des Untersuchungsausschusses in diesem Sinne als Unterstützung verstehen. Viele Betroffene haben sich sehr schwer getan, als Zeugen im Untersuchungsausschuss auszusagen. Viele hatten das Gefühl, nicht als Zeugen gehört zu werden, sondern nach ihrer Ansicht zu Unrecht auf der Anklagebank zu sitzen, und zwar nicht allein wegen Kevin oder ihrer Arbeit im Sozialzentrum, sondern wegen ihrer ganzen beruflichen Lebenseinstellung.
Der Bericht des Untersuchungsausschusses macht hinreichend deutlich, dass individuelles Versagen den tragischen Verlauf des kurzen Lebens von Kevin beeinflusst hat, aber der Bericht schildert auch die Rahmenbedingungen, die die schwere Arbeit vor Ort und im Amt in einen strukturellen Zusammenhang stellen. Die ständige Umorganisation des Amtes für Soziale Dienste, nicht zuletzt wegen Gesetzesänderungen, hat die Mitarbeiter verunsichert, zumal sie nicht
das Gefühl hatten, wirklich umfassend mit ihren Belangen und Interessen beteiligt zu werden.
Inhaltlich hat sich die Arbeit in den vergangenen Jahren verändert. Der Paradigmenwechsel hin zu organisierender, verwaltender Managementtätigkeit war in der Umsetzung schlecht kommuniziert und wurde nicht gelebt. Begriffe wie neue Steuerung, Budgetierung und Controlling wurden nicht als Instrumente moderner Verwaltungstätigkeit auch im Sozialbereich angenommen, sondern als wesensfremd und belastend empfunden. Wer Sozialarbeiter geworden ist, um Menschen zu helfen, auch ganz schwierigen, sich verweigernden und selbst schädigenden Menschen mit Suchtkrankheiten, der will an dem Menschen bleiben und nicht an einem Schreibtisch managen. Ich will das hier nicht verklären, aber soll man dafür jedes Verständnis verweigern, oder muss man nicht doch froh sein, dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die sich den immer schwierigeren Verhältnissen in manchen Stadtteilen und Wohnquartieren oder Familien auch stellen!
Die personelle und sachliche Ausstattung des Amtes für Soziale Dienste war unzureichend. Die elektronische Fallakte ist immer noch nicht eingesetzt. Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote fehlten, insbesondere auch für das Führungspersonal. Es mangelte an Dienst- und Fachaufsicht in den Sozialzentren. Die Erreichbarkeit war schlecht, es bestand keine verbindliche Vertretungsregelung. Wegen des vielfach fehlenden Wiedervorlagesystems war es schwierig, den Verlauf eines Falles aus der Akte nachzuvollziehen.
Nicht nur diese strukturellen Defizite waren festzustellen. Zu den Rahmenbedingungen der Arbeit gehört es auch, darauf haben meine Vorredner hingewiesen, dass es im Bereich Soziales einen hohen, für viele unaushaltbaren Kostendruck gegeben hat. Dieser Spardruck hat zu einem Klima beigetragen, in dem die Handlungsmöglichkeit verantwortungsvoller Jugendhilfe beeinträchtigt war. Das haben nahezu alle Mitarbeiter des Jugendamtes bestätigt. Sie haben berichtet, dass sie wegen des hohen Drucks nicht mehr ausschließlich nach fachlichen Kriterien gedacht haben, sondern dass sie die berühmte finanzielle Schere im Kopf hatten.
Meine Damen und Herren, es ist die Aufgabe der Politik, die richtigen Konsequenzen aus diesen Fehlern zu ziehen. Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden sozialen Problemlagen muss künftig die notwendige Ausstattung gewährleistet werden. Wenn wir von den Sozialdienstmitarbeitern erwarten, dass sie nach dem Handlungsansatz des Casemanagements arbeiten, zunehmend auf elektronische und PCgestützte Aktenführung zurückgreifen und vielleicht ein eigenständiges Kostenbewusstsein entwickeln, dann müssen wir die sachlichen und personellen Rahmenbedingungen danach ausrichten.
In der Vergangenheit gab es zu wenig Mitarbeiter, und die nötige Altersmischung aus Lebenserfah
rung und junger Dynamik stimmte nicht. Das Durchschnittsalter war deutlich zu hoch. Viele Jahre PEP haben unübersehbar Spuren hinterlassen. Die Mitarbeiter mussten hoch komplexe Sachverhalte aus dem Leben Kinder und Jugendlicher bewerten und haben in bestimmten Wohnquartieren fast nur mit schwierigsten Problemlagen zu tun. Hier besteht Handlungsbedarf, auch personeller.
Diese Erkenntnisse sind nicht neu. In den vergangenen Jahren hat es immer wieder, auch innerhalb der Regierungskoalition, Auseinandersetzungen gegeben, ob im Sozialressort die Sparschraube überdreht ist. Im Verlauf der letzten 5 bis 6 Jahre wurden die Haushaltsansätze im gesamten Bereich Soziales wie auch in der Jugendhilfe immer wieder überschritten. Trotzdem wurden weitere Sparvorgaben gemacht. Klaus Möhle hat über Auseinandersetzungen berichtet.
Es gehört auch zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses, dass wir als Politik diese Verantwortung annehmen. Es gehört zur Verantwortung, äußerst sparsam mit den finanziellen Ressourcen umzugehen, aber es gehört auch zur Verantwortung, Nein zu sagen, wenn es nicht mehr geht.
Die Grenze des Sparens mag ein gutes Stück politische Verhandlungssache sein, aber wenn sie objektiv erreicht ist, dann darf man sie nicht überschreiten. In der Vergangenheit ist das an einigen Stellen dennoch geschehen.
Anfang 2006 hat die Große Koalition unter Bürgermeister Böhrnsen die Reißleine gezogen und ist in den finanzpolitischen Kurswechsel eingestiegen. In den bereits beschlossenen Haushalten wurden 40 Millionen Euro zugunsten von Soziales umgeschichtet und zum Teil auf Investitionen verzichtet. Konkret wurden dabei allein 5,5 Millionen Euro für zusätzliche Bedarfe in 2006/2007 im Bereich der Hilfen zur Erziehung anerkannt.
Es wird darum gehen, künftig im Bereich Soziales auch ein Klima zu erzeugen, in dem die Arbeit wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Nicht die Überlegung kommt zuerst, was wir uns leisten können, sondern als Erstes muss gefragt werden, was notwendig ist, damit Kinder in Würde leben können, um sie vor Vernachlässigung und Misshandlung zu schützen,
und dann müssen die notwendigen Maßnahmen haushaltswirksam abgesichert werden! Ein solcher Wechsel in der Herangehensweise ist wohl nicht nur in der Jugendhilfe in Bremen nötig. Wer glaubt, dass
man weiter Aufgaben des Sozialstaates ausschließlich mit dem Ziel hinterfragen kann, um auf sie zu verzichten oder Standards abzubauen, der darf sich nicht wundern, wenn die Gesellschaft gespalten wird und uns der soziale Frieden aus dem Ruder läuft.
Ich stehe hier nicht als Sozialpolitiker, sondern für den Untersuchungsausschuss, aber das darf meinen Blick dafür nicht verstellen, dass sich die Ereignisse, um die wir uns zu kümmern hatten, in eine Entwicklung einordnen, die nicht ungebremst so weitergehen darf, eine Entwicklungen, die unter den Stichworten Kinderarmut, Verelendung, Chancenungleichheit und Segregation diskutiert wird. Eine aktive und präventive Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik muss Priorität haben, um nicht Stadtteile abzukoppeln, Familien aus der Gemeinschaft auszuschließen und die Verarmung und Perspektivlosigkeit eines nicht kleinen Teils der Bevölkerung zu riskieren. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.
Aber, meine Damen und Herren, auf der anderen Seite würde es uns nicht weiterbringen, wenn pauschal gesagt würde, Soziales brauche nur mehr Geld, und jede Form der Einsparung sei per se schlecht nach dem Motto, Geld ist Gerechtigkeit, mehr Geld ist größere Gerechtigkeit. Die bremische Haushaltssituation wird auch bei einem notwendigen Perspektivenwechsel der Politik zu kostenbewusstem Ausgabeverhalten in allen Bereichen zwingen. Nicht von ungefähr ist einer der zentralen Begriffe des Bremer Anliegens in Karlsruhe der der Eigenanstrengung. Aber es wird darauf ankommen, fachliche Ansprüche und Sparsamkeit miteinander in Einklang zu bringen. Als Beispiel kann man hierfür die modellhafte Leistungsvereinbarung erwähnen, die ein freier Träger der Jugendhilfe, nämlich „Alten Eichen“, mit dem Amt für Soziale Dienste abgeschlossen hatte und die uns in einer letzten Beweisaufnahme noch einmal vorgestellt wurde.
Der Tod des kleinen Kevin hat bundesweit Aufsehen erregt. Das mag zum einen daran liegen, dass Kevin vom Ersatzvater Staat nicht ausreichend geschützt werden konnte, aber sein Fall lenkt den Blick zum anderen auf den Drogenhintergrund. Kevin ist ein sogenanntes Kind der Sucht. Seine Eltern waren beide drogen- und alkoholabhängig, hatten selbst bereits in frühester Kindheit Gewalt erfahren und Vernachlässigung erdulden müssen. Kevin wurde in ein süchtiges Beziehungsgeflecht oder -system hineingeboren.
Kinder drogenabhängiger Eltern gibt es inzwischen viele, oftmals erst ermöglicht durch die relative Normalisierung des Lebens durch die Substitution. Offenkundig ist im Fall Kevin aber auch geworden, dass sowohl der Ziehvater als auch die Mutter praktisch während der gesamten Behandlung Beigebrauch an
derer Drogen, insbesondere Alkohol, hatten. Dies ist nach den Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem Grundgedanken der Substitutionsbehandlung nicht vereinbar, und das ist auch richtig so. Drogenkonsum und Sorge für das Kind passen nicht zusammen.
Zum Beweis der Erziehungsfähigkeit gehört der Nachweis, dass kein Beigebrauch vorliegt. Das muss verbindlich und nachhaltig kontrolliert werden. Zu den Instrumentarien, wie Kontrakt und Kontrolle, aber auch zu den Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten für schwangere Mütter und Eltern gibt die Mitteilung des Senats, die Ihnen vorliegt, zu wirksamen Beigebrauchskontrollen umfassend Auskunft. Die fachliche Weisung für den Umgang mit Kindern substituierter beziehungsweise drogenabhängiger Mütter, Väter oder Eltern war häufig Gegenstand der Beratungen im Untersuchungsausschuss ebenso wie die BUB-Richtlinien, die als oberstes Ziel der Behandlung die Suchtmittelfreiheit ausgeben.
Meine Damen und Herren, dieses oberste Ziel ist bei uns unbestritten gewesen. Die Substitution ist bei aller Forderung nach Abstinenz unverzichtbar als ein Weg zurück in ein drogenfreies Leben. Der Fall Kevin macht aber auch deutlich, dass auch in der Substitutionsbehandlung neben den bisherigen obersten Zielen das weitere oberste Ziel Kindeswohl heißen muss. Es darf nicht wieder vorkommen, dass eine Akte des Jugendamtes dokumentiert, dass immer wieder Rücksicht auf das Elternwohl Vorrang hatte vor dem Kindeswohl.
Meine Damen und Herren, ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Substituierte Eltern, die nicht in einem Kontrakt darauf eingehen mögen, das Wohl ihres Kindes an die erste Stelle zu setzen, müssen damit zu rechnen haben, dass das Jugendamt das Familiengericht anruft, um nach Alternativen für das Kind zu suchen.
Meine Damen und Herren, Kevins Tod hätte verhindert werden können. Das haben Herr Möhle und Herr Pflugradt hier ausführlich dargestellt. Damit ein solches Schicksal sich nicht wiederholt, muss vieles geschehen, viele Einzelmaßnahmen, die dann vernetzt werden. Trotz vieler Debatten der vergangenen Monate, die sich bundesweit leidenschaftlich mit der Situation von Kindern in unserem Land beschäftigt haben, wird man wohl zugeben müssen, dass sich das
Bewusstsein für Kinder in unserem Lande noch erheblich verbessern muss.
Ich erinnere an letzte Woche, da hieß es: Kinder sind unsere Zukunft. Eigentlich müssen alle dabei mitwirken, unsere Zukunft nicht durch Ignoranz, Desinteresse oder soziale Kälte zu verspielen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Integrationspolitik ist eine unerlässliche, vielleicht sogar die entscheidende gesellschaftspolitische Zukunftsaufgabe. Die Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Bremen und Bremerhaven wird in den nächsten Jahren stetig zunehmen. Es ist damit zu rechnen, so hat es uns der Senat in seiner Mitteilung zur Polizeistrukturreform gesagt, dass der Anteil der Nichtdeutschen bei den unter Zwanzigjährigen in den nächsten 10 bis 12 Jahren auf über 50 Prozent steigen wird.
Diese Zahlen sagen nicht einmal aus, dass Menschen mit Migrationshintergrund keine homogene Gruppe bilden, sondern sich in Geschichte und Herkunft, in Bildung, sozialem Status und Lebensverhältnissen stark unterscheiden. Unter der Voraussetzung genau dieser Vielfalt muss sich unsere Gesellschaft fortentwickeln, wohl kaum von oben herab und ein––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
seitig gelenkt. Integration muss, im Gegenteil, ein vielseitiger Prozess der Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte sein, selbstverständlich auch und gerade mit Migranten und ihren zum Teil noch zu bildenden Vertretungen.
Der Senat hat mit dem ressortübergreifenden Integrationskonzept eine umfangreiche Arbeit vorgelegt, die Aufschluss darüber gibt, ob und wie die von den Ressorts, dem Senat und der Bürgerschaft aufgestellten Ziele auf dem Feld der Integrationsarbeit erfolgreich waren und umgesetzt wurden. Zugleich können wir daraus schließen, welche Lücken und Defizite es noch gibt und erhalten Anregungen, wie diese zu schließen sein könnten. In 15 Handlungsfeldern wurden über 100 Ziele formuliert, die dazu beitragen sollten, dass sich die Zuwanderinnen und Zuwanderer in unserem Bundesland heimisch fühlen. Die Maßnahmen des ressortübergreifenden zielgerichteten Handlungsansatzes sollen im Land Bremen ein Klima der Aufgeschlossenheit, der Toleranz und der Zusammengehörigkeit schaffen und den Zuwanderinnen und Zuwanderern signalisieren, erwünscht und angenommen zu sein.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben integrationspolitisch noch längst nicht alles erreicht. Noch immer besitzen nicht alle Kinder, die zur Grundschule angemeldet werden, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse. Die Anzahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss liegt bei den Migranten-Jugendlichen bei 20 Prozent und ist damit viel zu hoch. Dagegen ist der Anteil der Migranten-Jugendlichen unter den Gymnasiasten viel zu gering. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, wie viele Jugendliche, vor allem solche mit Migrationshintergrund, nicht vom Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aufgenommen werden.
Meine Damen und Herren, mit diesen kritischen Anmerkungen möchte ich die erfolgreichen Ergebnisse des Abschlussberichts nicht schmälern. Sie alle können nachlesen, in wie vielen verschiedenen Punkten gute Arbeit geleistet worden ist. Ich möchte mich ganz entschieden dafür aussprechen, dass auch für die kommenden 4 Jahre wieder ein solches Integrationskonzept aufgestellt wird. Beliebigkeit oder Zufälligkeit können wir uns nicht mehr leisten, weil wir alles, was wir heute versäumen, später doppelt und dreifach bezahlen müssen. Mangelhafte Integrationspolitik könnte sich zum Sprengsatz für den sozialen Frieden entwickeln. Nicht zuletzt müssen wir Haltungen in der Bevölkerung und auch in unseren Behörden und Ämtern verändern, damit die Zuwanderer sich angenommen fühlen können. Dabei wird es absolut wichtig sein, einen viel höheren Anteil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund auch im öffentlichen Dienst zu erreichen.
Nicht zuletzt brauchen wir Anerkennung gesellschaftlicher Realität durch bessere Möglichkeiten für Migranten ohne deutschen Pass, Einfluss auf die Politik zu nehmen, die die Lebensverhältnisse aller Bürgerinnen und Bürger Bremens und Bremerhavens, nicht nur der deutschen oder nichtdeutschen EUBürger, beeinflusst. Ich finde, ein Wahlrecht für alle auf Dauer in Bremen lebenden Bürgerinnen und Bürger sollte nicht für alle Zeit ausgeschlossen werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, das war es!
Für mich! Das war jetzt wirklich meine letzte Rede, ich gehe. Ich möchte mich herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Ich bin möglicherweise dem einen oder anderen in den letzten Jahren auf die Füße getreten. Ich gehe davon aus, das war dann auch nötig.
Ansonsten habe ich mich immer bemüht, ein kollegiales Verhältnis zu allen zu finden. Ich hoffe, es ist mir einigermaßen gelungen. Ich hoffe, ich war immer relativ gut vorbereitet an diesem Pult. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Wir haben Blumen geschenkt bekommen, auf denen stand „Auf Wiedersehen“. So wollen wir es dann machen! Wir sehen uns bestimmt wieder. Ich habe hier gearbeitet, ich war hier Abgeordneter. Die Zuschauertribünen sind wunderbar. Für mich ist hier immer ein Platz vorhanden. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich so reden, dass Herr Herderhorst sich so ärgert, dass er noch einmal hierher kommt. Jetzt hat er sich aber so nett verabschiedet, das streiche ich jetzt alles heraus!
Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage zur Polizeistrukturreform ist sehr umfassend, ist ganz detailliert und gibt einen guten Zwischenstand über ein nach meiner Überzeugung insgesamt erfolgreiches Projekt. Aus verschiedenen Richtungen gibt es Kritik, Sie haben es in den Zeitungen lesen können. Meines Erachtens kommt das auch gar nicht unerwartet angesichts der Dimension dieser Reform. Jetzt kommt es darauf an, konstruktive Kritik ernst und anzunehmen. Auch bei der Aufnahme dieser Kritik rumpelt es an manchen Stellen – Herr Herderhorst ist darauf eingegangen –, aber man kann, glaube ich, hier sehr deutlich sagen, dass im Großen und Ganzen die Polizei bei schwierigen Rahmenbedingungen auf der Erfolgsspur ist, und dabei verdient sie politischen Rückenwind.
Meine Damen und Herren, da sind wir auch ganz eigennützig, denn nach meiner festen Überzeugung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
gibt es zur Polizeistrukturreform überhaupt keine vernünftige Alternative.
Herr Herderhorst hat noch einmal die Debatte von gestern angesprochen. Natürlich ist die Polizeistrukturreform auch eine Antwort auf sinkende Ressourcen. Die Polizei soll schlanker und effektiver arbeiten, wir wollen mehr Polizisten auf die Straße bringen, wie es so schön heißt. Deshalb ist es richtig, und auch die Sozialdemokraten stehen voll dahinter, Polizei bedarfsgerecht auszubilden, dass wir die Polizei nicht verkleinern. Die gestrige Debatte ging aber auch nicht darum, dass die einen die Polizei verkleinern wollen und die anderen die Polizei vergrößern wollen, sondern die gestrige Debatte hatte etwas damit zu tun, dass wir eine Gesamtverantwortung haben und dass eigentlich auch Sie diese Gesamtverantwortung annehmen müssten, denn Sie wissen ganz genau, dass viele der Herausforderungen, die auch in diesem Bericht zur Polizeistrukturreform stehen, von der Polizei allein überhaupt nicht gelöst werden können.
Dazu brauchen wir Bildung, dazu brauchen wir Soziales, dazu brauchen wir auch Justiz. Frank Imhoff nickt so schön, wahrscheinlich brauchen wir dazu auch Umwelt.
Deshalb trifft es uns als Innenpolitiker auch, wenn wir keine ordentliche Jugendpolitik betreiben können, wenn wir keine präventive Sozialpolitik betreiben können und wenn wir nicht genug Staatsanwälte und Richter haben, und deshalb müssen wir uns um alle Bereiche kümmern und nicht nur um die Polizei.
Meine Damen und Herren, immer wieder wird der öffentliche Dienst angegriffen und mit Vorurteilen konfrontiert. Häufig bekommen in Haushaltsdebatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes den Eindruck, sie seien nur Kostenstellen, eigentlich Ballast bei der Modernisierung und Verschlankung der Verwaltung. Beliebte Stichworte in Debatten sind eher Personalabbau und Beschneidung von Mitbestimmungsrechten. Wie falsch diese Vorurteile und Verunglimpfungen sein können, sehen wir auch in der Antwort des Senats zur Polizeistrukturreform. Rund 1550 Beamtinnen und Beamte, das sind etwa 60 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sind von dieser Reform betroffen. Nicht allen gefällt, was da passiert, im Gegenteil, einigen gefällt das überhaupt nicht, aber alle ziehen im Wesentlichen mit. Innovation ist das Stichwort, auch wenn nicht in allen Fällen von Innovationsfreude geredet werden darf.
Dass alle so mitziehen, ist bestimmt kein Selbstläufer, Herr Herderhorst hat es angesprochen. Bei der bremischen Polizei ist in den Neunzigerjahren ordentlich herumgedoktert worden, beginnend mit der Trennung des Stadt- und Polizeiamtes, also der Verwaltungspolizei und der Vollzugspolizei als Ausfluss des Gladbecker Geiseldramas. Danach gab es immer wieder Reformprozesse, von denen die Untersuchung durch Roland Berger sicher nicht die billigste, aber die bekannteste war.
Die Polizeistrukturreform, über die wir heute reden, hat den dramatischen Vorteil, dass sie von Anfang an von der Polizei selbst ausgegangen ist. Ich bin sehr dafür, dass wir als Politik die Erfolge der Polizeistrukturreform auf unsere Fahnen heften, aber wir sollten auch ehrlich sein: Verdient hat sie die Polizei selbst!
An manchen Stellen geschieht diese Reform aus Einsicht in Notwendigkeiten. Das betrifft und betraf insbesondere die Öffnungszeiten in den Polizeirevieren. Noch immer haben Bürgerinnen und Bürger in den Stadtteilen das Gefühl, dass wir eigentlich zurück müssten. Jeder von uns weiß aber, dass das nicht geht. Polizisten, die nachts ein Polizeirevier bewachen, stehen für Polizeiarbeit für die Bürgerinnen und Bürger nicht zur Verfügung. Das müsste auch die Partei wissen, die sich anschickt, mit mindestens 18 Prozent in dieses Haus zu kommen, und wir wissen alle, es wäre schön, wenn sie fast 3 Prozent bekommen würde. Es ist aber einfach so, dass wir nicht dahin zurückkommen können, dass wir alle Reviere geöffnet haben. Wir müssen bei den Öffnungszeiten so bleiben, aber sie möglicherweise flexibler machen.
Frau Präsidentin, Sie haben das Licht jetzt ausgemacht, dass meine Redezeit zu Ende ist. Heißt das, ich kann jetzt weiterreden?
Ich muss unbedingt noch einmal wiederkommen, damit ich solche technischen Sachen auch irgendwann begreife!
Ich höre jetzt auf, Ober sticht Unter! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Die Bremer Polizei“, so heißt das Thema, „braucht 100 neue Polizisten“. Das ist richtig, das haben wir in der Innendeputation auch so beschlossen, und das macht Sinn, denn wir wissen, wir müssen heute ausbilden, um dann in drei Jahren, wenn der Bedarf besteht, den Nachwuchs zur Verfügung zu haben.
Wenn wir das nicht tun, dann verkleinern wir die Polizei! Das wollen wir nicht, das würde ich auch für falsch halten. Herr Herderhorst hat über die Polizei, über die Leistungsfähigkeit und so weiter gesprochen, und dabei hat er sich zumeist nur auf Bremen bezogen. In Bremerhaven ist die Situation nicht besser, da müssen wir auch herangehen!
Meine Damen und Herren, dabei hat die CDU mit ihrer Forderung nach 100 Stellen, die FDP fordert 200 Stellen, noch nicht den 13. Mai im Blick. Sie wissen alle, am 13. Mai ist Muttertag, und das lenkt den Blick auf die Frauen. Wir bilden seit dem Jahr 2000 verstärkt Frauen aus. Für Mutterschaft, für Teilzeitstellen haben wir überhaupt noch keinen Bedarf eingeplant. Darum geht es der CDU aber doch überhaupt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nicht. Die CDU möchte mit den Sorgen der Menschen vor Kriminalität Wahlkampf machen. Damit will sie punkten!
Genau das ist es aber! Sie starten eine Unterschriftenkampagne, meine Damen und Herren, da fragt man sich doch ernsthaft, wie frech darf Wahlkampf eigentlich sein!
Sie wissen so gut wie ich, Herr Herderhorst hat es angesprochen, dass wir neben den 100 Polizisten 38 Feuerwehrleute brauchen, dass wir 55 Lehrer brauchen, dass wir für das Kindeswohl 35 Einstellungen bei Soziales brauchen, 25 Stellen bei der Justiz, 66 bei Finanzen. Diese Einstellungen kosten 12 Millionen Euro zusätzlich. Genau deshalb hat unser Fraktionsvorsitzender einen Brief an die CDU, an Herrn Perschau, geschrieben und gesagt, bitte schön, macht einen seriösen Finanzierungsvorschlag für diese 319 Stellen! Was ist gekommen? Nichts, gar nichts! Die CDU äußert sich nicht! Das ist die Realität, das ist die Wahrheit! Nicht die SPD verhindert die 100 Einstellungen, nicht die SPD hat irgendetwas abgelehnt, sondern die CDU schlampt und kümmert sich nicht so wie bei den Haushaltsberatungen.
Meine Damen und Herren, so wie bei den Haushaltsberatungen! Damals haben wir auf verschiedene Probleme aufmerksam gemacht, und die CDU hat gesagt, mit uns ist gar nichts zu machen, wir stellen keine Anträge. Keine für Herrn Röwekamp, keine für Herrn Kastendiek, keine für Herrn Neumeyer! Auch Herr Röwekamp hat in den Haushaltsberatungen, da hätte man über diese Einstellungen reden sollen und müssen, gar nichts gemacht. Heute wissen wir, warum! Man möchte nicht die Verantwortung für das Ganze übernehmen, der Unterschied zwischen einem Bürgermeister und einem Fachsenator! Die CDU wollte nicht für Soziales, Finanzen und Bildung kämpfen, sondern nur für die Polizei.
Ich hoffe sehr, dass uns das nicht wieder auf die Füße fällt, wenn wir später mit anderen verhandeln müssen, denn bei Inneres sieht es so aus, dass wir zwischen 1993 und 2004 6,5 Prozent der Stellen abgebaut haben, das meiste für die zweigeteilte Laufbahn. Bei den Lehrern haben wir 12 Prozent abgebaut, und bei allen Stellen haben wir 21 Prozent abgebaut. Also, ich sage als Innenpolitiker: Es geht Inneres im Prinzip noch gut!
Dann, mein letzter Satz, bitte schön! Statt dass Sie dafür dem Schöpfer auf Knien danken, nörgeln Sie herum und ärgern sich über den durchsetzungsfähigen Finanzsenator. Sie haben es nicht mehr mit dem Schöpfer, denn das C in CDU steht jetzt für Café Röwekamp, mit Flatrate!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte ein Wort von Herrn Wedler aufnehmen, in aller Kürze. Wir sind nicht für eine Liberalisierung des Glücksspielmarkts. Die von Herrn Herderhorst schon erwähnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat im Blätterwald für einiges Rauschen gesorgt. Hier heißt es bei dem einen, das Sportwettenmonopol der Bundesländer wackelt, und bei einem anderen heißt es sogar, es ist ein Dolchstoß für das staatliche Sportwettenmonopol.
Ich glaube, dass alles in eine andere Richtung gehen wird, und bin der Ansicht, dass wir auf der sicheren und guten Seite sind. Wir müssen noch einmal daran erinnern, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, wenn ihr den Glücksspielmarkt einschränken wollt, wenn ihr das Glücksspiel insgesamt zurückdrängen wollt und wenn ihr insbesondere Spielsucht bekämpfen wollt, dann könnt ihr das mit einem staatlichen Monopol machen; wenn ihr das nicht wollt, dann könnt ihr kein staatliches Monopol errichten und private Anbieter ausschließen, damit ihr die Gewinne als Staat allein einstreichen könnt. Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, aber wenn ihr ein staatliches Monopol macht, dann müsst ihr das sehr streng auch an den Zielen Spielsuchtprävention, Kanalisierung des Spielbetriebs und an der Abwehr von Begleitkriminalität orientieren.
Das macht der Staatsvertrag, und das macht auch Bremen. Bremen hat im vergangenen Jahr oder seitdem das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat, ganz konsequent versucht, uns zu vermitteln, wie Glücksspielmarkt aussehen wird, wenn dieser Staatsvertrag in Kraft getreten ist: Keine marktschreierische Werbung mehr, nicht an jeder Ecke Buden, wo vermarktet und verkauft wird, sondern ein eingeschränktes Glücksspielangebot, keine Verführung von Jugendlichen oder Abhängigen. Das ist konsequent durchgehalten worden, und das ist es, was dabei herauskommt!
Wer das Thema so debattiert, auf der einen Seite staatliches Monopol und auf der anderen Seite liberalisierter Markt und wenn wir uns für ein staatliches Monopol entscheiden, bleibt alles so wie es früher war, der weiß, dass das falsch ist! Wenn wir das staatliche Monopol so durchsetzen, wie es durch den Staatsvertrag angelegt ist, dann verändert sich der Glücksspielmarkt!
Das hat auch negative Folgen, die muss man ganz klar sehen. Wir werden, der Bürgermeister hat bereits auf die Rede von Herrn Pohlmann reagiert, uns Gedanken darüber machen, wie dem Sport verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden können, auch wenn der Glücksspielmarkt nicht mehr das abwerfen wird, was er bisher abwirft, und das steht zu befürchten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Der Europäische Gerichtshof, und deshalb weiß ich gar nicht, weshalb einige darauf so sehr bauen, hat in einem Fall zu entscheiden, in dem die Italiener genau das andere gemacht haben. Die Italiener haben 1000 Konzessionen vergeben und gesagt, diese sind aber nur für Italiener, und wir lassen Auswärtige nicht zu! Dazu hat der Europäische Gerichtshof gesagt, so geht es nicht! Wenn ihr ein Konzessionsmodell macht, dann müsst ihr das offen und diskriminierungsfrei gestalten, sonst seid ihr im Hinblick auf Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit nicht auf der sicheren Seite. Das wollen wir überhaupt nicht!
Erlauben Sie mir, am Ende zu sagen, die Bewegung im Blätterwald war das eine, die Bewegung fand nach dem Europäischen Gerichtshof auch an einer anderen Stelle statt, nämlich auf dem Markt der Aktienkurse. Flux und Tipp24 haben zeitweise um 6 bis 8 Prozent zulegen können, bwin hat um satte 17 Prozent zugelegt. Das ist die Zukunft, und dafür streiten wir hier.
Wir nicht! Die SPD streitet nicht dafür, dass Flux, Tip24 oder bwin auf dem Rücken von Glücksspielern ihre Aktienkurse steigern können, sondern wir wollen weiter daran festhalten, dass wir das staatliche Monopol in den Ländern erhalten und genau diese Auswüchse und Auswirkungen verhindern.
Wer wirklich glaubt, staatliche Monopole abzuschaffen, bringe irgendetwas Positives, der sollte sich noch einmal, ich habe das beim letzten Mal schon gesagt, beim Privatfernsehen oder auf dem Energiemarkt umschauen. Ich finde, wir haben gute Beispiele dafür, an dieser Stelle den Staatsvertrag heute zwar nur zur Kenntnis zu nehmen, aber ihm aus vollem Herzen zuzustimmen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner ist ja ein bisschen moderat an die Sache herangegangen. Das ist leider im Bleiberecht nicht immer so, sondern sehr oft wird über Bleiberecht mit großer ideologischer Befrachtung debattiert, was einen immer wieder wundert, wenn man sich mit der Materie beschäftigt, denn eigentlich ist die Verhandlung darüber, wie man mit geduldeten Migranten umgeht, überhaupt nicht geeignet für ein Schwarz-Weiß-Denken. Wer herangeht und sagt, jeder, der es geschafft hat, hierher zu kommen, soll auch hier bleiben dürfen, der weiß natürlich, dass bei schwerer Strafbarkeit und diesen Dingen sofort ein Stopp einsetzen muss. Das glaube ich unbestritten.
Aber wir haben als Sozialdemokraten ein ganz anderes Problem: Wir wollen keine ungesteuerte Zuwanderung in einen prekären Markt von ungesicherten, von schwer gesicherten, von tarifrechtlich doch instabilen Arbeitsmärkten. Wir wollen nicht, dass geduldete Ausländer hier zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden, weil sie unter Druck stehen, und wir wollen auch nicht, dass skrupellose Arbeitgeber die Möglichkeit ausnutzen könnten, geduldeten Migranten einen Arbeitplatz anzubieten und damit die Tariflöhne von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu unterwandern. Auch das wollen wir nicht.
Das hat die Debatte über das Zuwanderungsrecht erschwert, das weiß jeder. Arbeitsminister Müntefering hat da eine Rolle gespielt, aber wir stehen dazu, dass wir als Sozialdemokraten auch diesen Blick haben. Wir haben zurzeit eine solche Debatte ganz konkret in Hamburg mit einem Mitarbeiter, der einen Arbeitsplatz angeboten bekommen hat und dafür 1400 ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Euro bekommen soll, aber der Tariflohn liegt bei 1607 Euro. Die Arbeitsbehörde hat gesagt, das geht nicht, das können wir so nicht annehmen. Ich finde, das ist ein ganz schwieriger Fall, weil wir natürlich wissen, wie die konjunkturelle Situation ist, und weil wir natürlich wissen, wie problematisch das ist.
Auf der anderen Seite wollen wir nicht, dass der Tariflohn heute 1607 Euro beträgt, weil wir genau solche Fälle positiv bescheiden, die Gewerkschaften nicht in der Lage sind, einen solchen Tarifvertrag bei der Verhandlung zu halten. Das wollen wir genauso wenig.
In Hamburg haben wir eine sehr lobenswerte Lösung dafür erkennen können, weil der Arbeitgeber gesagt hat, ich will den Mann haben, dann zahle ich Tariflohn.
Die andere Seite „Alle raus“ ist selbstverständlich genauso schwierig. Das verbietet sich aus humanistischen Erwägungen. Aber auch wer diesen humanistischen Ansatz nicht so ausgeprägt hat, Beispiele dafür kennen wir hier zur Genüge, der sollte auch darauf schauen, wen wir eigentlich in den Blick nehmen. Wir nehmen Menschen in den Blick, die zum großen Teil hoch integriert sind in unsere Gesellschaft, die zum Teil hier geboren sind, die sehr lange hier leben, die ein ganz großen Potenzial bieten nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für unsere Wirtschaft. Wenn wir auf die Demografen schauen und diese uns sagen, Leute, das wird in zwanzig, dreißig Jahren schwierig, dann ist es völlig dumm, vernünftig integrierte Menschen heute auszuweisen, und in zehn Jahren, weil sie gut Deutsch sprechen, versuchen, sie wieder anzuwerben, um hier Lücken zu füllen, die wir heute schon erkennen.
Ich glaube, man darf sagen, Zuwanderung birgt Risiken, das weiß jeder. Aber ich finde, Zuwanderung birgt ungleich höhere Chancen. Hier sind Menschen, die aus Deutschland zuwandern sozusagen, sie sind nämlich alle schon hier.
Deshalb bietet es sich an, differenziert zu denken, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass uns die Gespräche, die Verhandlungen über Bleiberecht weiter verfolgen werden. Selbst wenn es zu sehr guten Kompromissen kommt, selbst wenn es zu guten Ergebnissen kommt, dann ist doch klar, dass so viele ungeregelte und ungeklärte Fälle von Geduldeten und Illegalen bleiben am Ende dieser Lösungen, dass wir die Zahl mit Hunderttausenden berechnen und nicht mit 5000, 10 000, sondern es bleiben wesentlich mehr. Deshalb bleibt das Thema auf der Tagesordnung.
Es wird auch dieses Mal nicht zu einem großen Wurf kommen, sondern zu ganz harter Kärnerarbeit, in der unermüdlich daran gearbeitet werden muss. Die SPD begrüßt sehr, dass es zu einem Bundesgesetz kommen soll. Es muss auch zu einem Bundesgesetz kommen. Wir können gar nicht anders. Wir müssen endlich elf EU-Richtlinien umsetzen. Deshalb muss es zu einem Bundesgesetz kommen.
Wir begrüßen aber auch sehr, dass das Bleiberecht dort integriert bleibt, dass es nicht herausgelöst wird, und zwar auf der Grundlage des Kompromisses, den die Herren Schäuble, Wiefelspütz und Bosbach miteinander verhandelt haben als Große Koalition. Herr Wiefelspütz hat diesen Entwurf als ausgewogen, klug und vernünftig bezeichnet. Ich zitiere ihn hier, weil mir nichts Besseres eingefallen ist. Das ist genau die richtige Beschreibung, dass die Ausländerbeauftragte Frau Böhmer, auch CDU, das gut findet, was dort verhandelt worden ist. Das gibt ja vielleicht auch noch einen kleinen Kick, dass auch andere sich dem anschließen können.
Ich möchte gern an dieser Stelle Bürgermeister Röwekamp genauso wie Matthias Güldner loben, dass er bisher in den Wettlauf Beckstein, Schünemann, Schönbohm nicht eingestiegen ist, und hoffe, dass er das auch heute nicht tut, sondern Bremen weiter auf einer vernünftigen Kompromisslinie hält.
Zwei bis drei Bemerkungen zu Einzelregelungen: Wir begrüßen es, dass es ein eigenes Bleiberecht für über 14-Jährige geben soll, wenn die 14-Jährigen besonders gut integriert sind, selbst wenn die Eltern aus nachvollziehbaren Gründen nicht hierbleiben dürfen. Wir begrüßen auch den Kompromiss, dass die Übergangszeit bis Ende 2009 verlängert wird. Das ist ein echter Kompromiss, die SPD wollte ein halbes Jahr länger, die CDU wollte ein halbes Jahr kürzer, dann hat man sich in der Mitte geeinigt. Das ist einmal richtig so, wie man in der Schule Politik erklären kann.
Dass es zurzeit nur 27 oder in Niedersachsen 69 positive Bescheide gibt, hat möglicherweise auch damit etwas zu tun, dass diese Zeit gebraucht wird, um das Bleiberecht ordentlich in der Realität anzuwenden. Klar bleibt die Ungerechtigkeit, dass das, was umgesetzt werden soll, ein gutes Stück abhängt von konjunkturellen und strukturellen Fragen. Natürlich ist es wesentlich einfacher, für geduldete Migranten in Stuttgart oder Umgebung einen Arbeitsplatz zu finden als in Bremen oder Bremerhaven. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu einer geteilten Humanität kommen.
Wir begrüßen sehr, dass mit Familien in Bremen anders umgegangen wird als in Niedersachsen. Auch da unterscheidet sich Bürgermeister Röwekamp sehr wohltuend von seinem Kollegen Schünemann. Es steht in dem Erlass, der nach der IMK von seinem Haus
an das Stadtamt in Bremen und an die Ortspolizeibehörde in Bremerhaven gerichtet worden ist, dass in Fällen mit Familien auch ergänzende Sozialleistungen berücksichtigt werden können beim Familieneinkommen. Da sind die Niedersachsen krasser und ungerechter, finde ich! Krasser und ungerechter! Da sind wir besser.
Wo wir immer noch unser Problem haben, ist ganz klar die Frage der Sippenhaft. Wenn wir in einer Familie einen haben, der über die Stränge geschlagen hat, ich will das gar nicht verniedlichen, der richtig kriminell ist und vom dem hier keiner sagt, den müssen wir hierbehalten, der muss woanders hin, dann leidet darunter die ganze Familie, obwohl alle anderen hervorragend integriert sein können. Wir haben darüber schon ein paar Mal gesprochen, weil wir bei bestimmten Familien diese Situation sehr intensiv hatten, dass es Brüder gab, aber wer weiß, was für welche, und die Schwestern jetzt ihre Schulbildung abgeschlossen haben und eigentlich einen Arbeitplatz finden können und suchen. Sie leiden dann alle darunter, dass einer aus der Familie einen falschen Weg gegangen ist.
Ich hoffe, dass wir am Ende für diejenigen, die trotz aller positiven Bemühungen und trotz der guten Verhandlungen, die in Berlin geführt werden, nicht unter die allgemeine Regelung fallen, dann die Härtefallregelung über die Härtfallkonferenz anwenden können. Das ist ja nicht weg damit, sondern das ist immer noch da, sodass wir auch dort die Möglichkeit haben, eine Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen, so wie in meinem Fall jetzt, es blinkt! Ich höre auf und nehme mir nicht noch mehr Redezeit, es sei denn, wenn Sie einverstanden sind. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Rede von Matthias Güldner bitte ich ganz herzlich darum, vor allen Dingen auf den verbindlichen Ton zu hören, mit dem ich meine Ausführungen hier mache. Ich glaube, dass wir ganz unterschiedliche Wahrnehmungen im Hinterkopf haben, wenn wir über Korruption reden. Korruption ist in Bremen, wenn wir auf die polizeiliche Kriminalstatistik sehen, im Jahr 2004 30 Fälle, im Jahr 2005 50 Fälle, kein Massenphänomen. Deshalb ist es mir ganz wichtig, auch am Anfang einer solchen Debatte darauf hinzuweisen, dass es völlig falsch wäre, über alle Beschäftigten Bremens und seiner Gesellschaften einen Generalverdacht einer Korruptionsanfälligkeit auszusprechen. Das wäre eine überhaupt nicht sachgerechte Pauschalierung.
Wer aber die Medien verfolgt, wer auch Fachzeitschriften aus dem Bereich Wirtschaftsleben liest, der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
weiß, dass das Bild, das Herr Knäpper uns von Korruption in Deutschland gezeichnet hat, sich geändert hat. Mein Vater hat ein kleines Baugeschäft in Ostfriesland gehabt, dort war Korruption nicht nur lateinischen Ursprungs, sondern auch ein Fremdwort. Das gab es früher nicht!
Heute reden wir über Deutschland im Ranking, im Benchmark als ein Land, in dem das vorkommt, und zwar nicht nur am Ende einer solchen Rangliste, sondern wir nehmen einen Mittelplatz ein. Wer heute die Namen VW, Siemens und anderer großer Gesellschaften hört, als wir beim letzten Mal debattiert haben, da war die GEZ gerade ein Thema, wird damit konfrontiert, dass deutsche Unternehmen, die den Weltruf der deutschen Wirtschaft begründet haben, in geradezu Existenzkrisen stehen, weil sie unter Verdacht der Korruption stehen. Gerade wer sich Siemens ansieht, weiß das, wer auf Daimler-Chrysler sieht, weiß das auch. Das heißt, das, was Matthias Güldner und auch Erwin Knäpper dargestellt haben, wie gefährlich Korruption ist, zeigt auch bei diesen Großunternehmen, wie gefährlich das auch für den wirtschaftlichen Erfolg ist.
Wenn heute jemand sagt, man brauche Korruption, weil man in bestimmten Ländern der Welt ohne Korruption nicht zu Aufträgen komme, ist das ein völlig falsches Bild. Im Gegenteil, es gibt Großunternehmen, die sich aus bestimmten Ländern der Welt zurückziehen, weil sie wissen, dass sie dort möglicherweise um Korruption nicht herum kommen und welchen Schaden für ihre Firma das anrichten kann. Das ist gut so, dass es heute anders läuft. Deshalb ist es wichtig, das Thema Korruption ernst zu nehmen und die Korruptionsbekämpfung in Bremen auf neue Beine zu stellen.
Ich bin sicher, mit der neuen Strategie sind wir ein gutes Stück nach vorn gekommen oder auf dem Weg, dahin zu kommen. Die Zusammenfassung von Prävention und Repression finde ich ebenfalls ganz hervorragend. Ich bin sicher, die Repression hat auch nicht gelitten, aber ich bitte, doch wieder auf den verbindlichen Ton zu achten, denn wenn wir bedenken, dass der Rechnungshof 2004 etwas gesagt hat und der Antrag der Grünen auf dieser guten Grundlage des Rechnunghofsberichts im Mai 2004 auf den Weg gebracht worden ist, dann habe ich den Eindruck, dass von dem Moment an beim Senator für Finanzen klar war, wir sind nicht mehr zuständig für Korruptionsbekämpfung, und beim Senator für Inneres klar war, wir werden zuständig werden für Korruptionsbekämpfung.
Aber was ist an Prävention passiert? Ich glaube, dass dort 2 Jahre wenig bis gar nichts passiert ist. Gestern habe ich mir noch einmal den Internetauftritt der Zentralen Antikorruptionsstelle angesehen, sie ist im Aufbau. Es gibt natürlich eine Menge: Es sind Rechtsgrundlagen vorhanden, und es ist auch aufgestellt, dass die Tätigkeiten jetzt bei Inneres an
gebunden sind und dass Herr Hoffmann dafür zuständig ist, und auch andere aktuelle Namen sind da. Sobald man aber im Menü eine Ebene tiefer geht, ist alles alt.
Ich frage mich auch, ob wir zum Beispiel gut aufgestellt sind in der ZAKS, wenn wir diesen Bereich im repressiven Bereich mit 4 Leuten plus Leiter aufstellen. Wenn uns Polizeibeamte sagen, dass für große Strukturverfahren 6, 7, 8 Leute gebunden sind, hat man doch etwas Sorge, wie 5 Leute das eigentlich schaffen können, und der Leiter der ZAKS soll auch noch zuständig sein für die Leitung der Prävention.
Man fragt sich auch: Wie soll eigentlich anschließend die Zusammenarbeit zwischen der Kriminalpolizei, die zuständig ist für die üblichen Begleitdelikte, illegales Glücksspiel oder andere, und der Zentralen Antikorruptionsstelle funktionieren? Wir gehen davon aus, dass die ZAKS nicht an der Contrescarpe bleibt, sondern dass sie näher an die Polizei heranrücken wird. Aber die Praxis muss zeigen, dass sie auch wirklich gut zusammenarbeiten in diesem Bereich, dass es da Hand in Hand geht.
Was ist eigentlich, Herr Knäpper hat sie angesprochen, mit den dezentralen Korruptionsbeauftragten, wie sind sie eigentlich verortet? Ich habe das Gefühl, die sind in der Linie eingebunden und auch räumlich sowie personell in der Kollegenschaft eingebunden. Können diese Korruptionsbauftragten tatsächlich so unabhängig arbeiten und auch versorgt werden mit anonymen Hinweisen, wie wir uns das vorstellen? Das muss auch ein bisschen die Zukunft erweisen.
Wenn uns dieser Antrag der Grünen darauf hinweist, Matthias Güldner, ich will ihn ausdrücklich an dieser Stelle auch loben, weil er ihn ja auch zurückgezogen hat, dass wir das Internet nutzen wollen, dass wir anonyme Hinweisnummern brauchen, und wir dann heute beschließen oder zur Kenntnis nehmen, dass das jetzt eingerichtet werden soll, dann frage ich mich: Was ist eigentlich in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren passiert? Ist da gar nichts passiert? Vielleicht wird mir Herr Röwekamp gleich sagen, was alles passiert ist. Ich glaube, daran ist nicht wirklich weiter hart gearbeitet worden, sondern ich glaube, dass das bei dem einen aufgehört hat und bei dem anderen jetzt anfängt.
Ich will an der Stelle jetzt nicht groß weitermachen. Wenn die Opposition schon so eine tolle Rede in der Unterstützung des Bürgermeisters und Innensenators hält, dann will ich ganz bestimmt nicht mit Kritik kommen. Aber ich würde mein Fazit doch etwas weniger euphorisch anlegen als das Ergebnis von Herrn Dr. Güldner. Ich glaube, der Senat ist auf dem richtigen Weg! Wir haben das schon dadurch beschlossen, dass wir das Polizeigesetz geändert haben. Wir nehmen das heute zur Kenntnis und unterstützen den Senat ausdrücklich dabei. Das ist gut so!
Viel mehr kann man heute ehrlicherweise nicht behaupten. Wir hatten durchaus andere Erwartungen, als wir vor zwei Jahren gesagt haben, die Zuständigkeit für die Zentrale Antikorruptionsstelle soll wechseln. Für mich ist es so, dass da vielleicht ein bisschen ein Dornröschenschlaf entstanden ist. Ich habe das für mich so aufgeschrieben: Mir scheint, wir haben heute einen sehr gut aufgestellten Papiertiger zur Kenntnis zu nehmen und dann dazu das Wort „immerhin“!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben im vergangenen Oktober diese Anfrage gestellt. Es hat ein wenig gedauert, bis wir hier soweit kommen. Der Ausgangspunkt muss vielleicht noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Im letzten Jahr hat der neue Leiter der Bremer Kriminalpolizei ein düsteres Bild der Zukunft der inneren Sicherheit aufgezeigt aufgrund einer umfassenden polizeilichen Ausarbeitung mit dem besonderen Hintergrund der demografischen Entwicklung. Wenn wir auf die innere Sicherheit schauen, dann hat sich manches seitdem überhaupt nicht verbessert. Laut einem Benchmarkingbericht, den wir in der Innendeputation diskutiert haben, wird Bremen in der Gesamtkriminalität nur von Frankfurt, Hannover und Berlin übertroffen. Die Polizeidichte, also die Zahl, wie viele Einwohner sich einen Polizeibeamten oder eine Polizeibeamtin teilen müssen, liegt bei 270 und ist nur in Frankfurt geringer. Bei der Aufklärungsquote sind wir Zweitletzter vor Köln.
Aber, meine Damen und Herren, so dramatisch diese Fakten sind, unser Thema ist heute nicht die Gesamtkriminalität, sondern ein ganz wichtiger Ausschnitt daraus, nämlich die Entwicklung der Jugendkriminalität. Das Thema passt wie zufällig heute gut in die Debattenlage, weil wir heute über Jugendliche und ihre Entwicklung schon viel geredet haben. Ich möchte mit einem Dank anfangen: Die Antwort des Senats hat umfangreiches Datenmaterial sehr sorgfältig zusammengetragen und ausgewertet. Eine solide Basis entsteht so für Analysen und Lösungsansätze, wo wir uns sonst oftmals auf subjektives Empfinden und Vorurteile zurückziehen, dafür den Dank!
Zwei Erkenntnisse über die Struktur der Jugendkriminalität in Bremen springen ins Auge: Zum einen ist der Anteil der unter 21-jährigen Tatverdächtigen deutlich größer als der Anteil Jugendlicher und Heranwachsender an der Bevölkerung. Jugendliche treten also häufiger mit dem Gesetz in Konflikt als Erwachsene. Dabei müssen wir diese Jugenddelinquenz in zwei unterschiedliche Phänomene aufteilen. Einerseits bestätigt der Senat, was wir aus Lebenserfahrung wissen, dass sich Jugendkriminalität vielfach auswächst. Die große, übergroße Mehrheit straffällig gewordener Jugendlicher bleibt in der Regel nicht dabei und startet keine berufliche Laufbahn als Straftäter.
Die Taten dieser Gruppe sollen wir nicht verharmlosen, aber wir müssen doch sehr klug abwägen, auf welche Täter man die ohnehin ausgesprochen dünnen polizeilichen Ressourcen konzentrieren muss und wo andere Mittel besser zum Ziel führen. Deshalb rückt der viel kleinere Rest straffälliger Jugendlicher in den Mittelpunkt. Hier finden wir den Nachwuchs für kriminelle Karrieren. Sie sind schon als Jugendliche Mehrfach- oder Intensivtäter und setzen dies im Erwachsenenalter fort. Auf diese Täter müssen sich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Polizei und Justiz konzentrieren, diese Karrieren müssen so früh wie möglich gestoppt werden.
Meine Damen und Herren, die zweite wesentliche Erkenntnis der polizeilichen Untersuchung, die der Beantwortung der Großen Anfrage zugrunde liegt, und das hat mich besonders umgetrieben, diese Große Anfrage einzubringen, der Anteil der nicht-deutschen jugendlichen Tatverdächtigen ist deutlich größer als der Anteil nicht-deutscher Jugendlicher an der Bevölkerung. Dabei ist sogar noch zu berücksichtigen, dass Bremerinnen und Bremer mit deutschem Pass und Migrationshintergrund gar nicht erfasst sind. Wir tun uns in der Politik oft schwer, diese Zahlen offen zu debattieren, weil wir berechtigt Sorgen haben müssen, dass andere, einer sitzt hier unter uns, die Erkenntnisse für rassistische Hetze missbrauchen wollen. Aber es ändert nichts, wir müssen uns diesen Fakten stellen, gerade auch vor dem demografischen Hintergrund, dass der Anteil von jungen Menschen mit Migrationshintergrund relativ sogar noch erheblich wächst.
Wer einmal einen Blick in die überregionalen Medien wirft, ich habe das gerade in den letzten Tagen getan im Hinblick auf den „Berliner Tagesspiegel“, wird feststellen, dass sie in Berlin solche Schwierigkeiten mit Jugendlichen mit türkischem, libanesischem Hintergrund haben, dass sie schon gar nicht mehr wissen, wie sie an sie herankommen wollen. Wir müssen versuchen, früher anzusetzen, damit es gar nicht soweit kommt.
Meine Damen und Herren, der Migrationshintergrund ist weder Erklärung noch Ursache kriminellen Verhaltens. Wenn man nach Ursachen sucht, stellt man für deutsche und nicht-deutsche Jugendliche gleichermaßen fest, es kommt zunächst einmal wesentlich darauf an, wie Kinder aufwachsen.
Ein Kind, das in annehmbaren Verhältnissen aufwächst, hat gute Chancen, nicht zum Straftäter zu werden.
Nicht die Sicherheit, aber gute Chancen!
Andererseits gibt es erkennbar Einflüsse, die gerade den Bruch in dieser Entwicklung von Kindern und Jugendlichen fördern. Die Polizei nennt das „kriminogene Faktoren“ und beschreibt sie: Sucht und Gewalt in der Herkunftsfamilie, Menschen, die in de
solaten Verhältnissen aufwachsen und Opfer von Gewalt geworden sind, laufen Gefahr, diese Spirale als Jugendliche und Erwachsene fortzusetzen. Logisch! Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und, im Hinblick auf unsere Jugendlichen mit Migrationshintergrund, Integrationsdefizite! Wer schon sprachlich und bildungsmäßig im besonderen Maße Defizite hat und von Arbeit und Teilnahme an der Gesellschaft praktisch ausgeschlossen ist, der hat schlicht schlechtere Chancen.
Daraus ergibt sich die für Sozialdemokraten und sicher für viele darüber hinaus keineswegs überraschende Erkenntnis, dass Strategien der Bekämpfung von Jugendkriminalität zu einem ganz überwiegenden Teil in der Gesellschafts- und Sozialpolitik zu finden sind. Kriminalprävention – gerade auch gegenüber Jugendkriminalität – ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller, die mit Erziehung, Bildung, Sozialisation, Integration, natürlich aber auch mit Repression befasst sind.
Die Polizei schreibt uns die eine Seite und die andere Seite auf. Man kann kriminogene Faktoren definieren, man kann aber auch Schutzfaktoren für die Sozialisation junger Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund definieren, nämlich gewaltfreie Erziehung und Erziehung zu Gewaltfreiheit, Ausbildungs- und Berufsperspektiven, eine gelungene Integration, und bei einem großen Teil unserer Jugendlichen ist ein hoher Schutzfaktor gegen kriminelle Versuchungen ein gesichertes Bleiberecht. Kinder mit ungesichertem Aufenthaltsstatus, der es ihnen praktisch unmöglich macht, ihre Zukunft eigenverantwortlich und sinnvoll zu gestalten, sind hoch gefährdet.
Bei der Lösung der Probleme beginnen wir in Bremen nicht bei Null, und da kann ich auf die Debatten verweisen, die wir heute Morgen schon gehört haben, gerade was an den Schulen läuft. Herr Staatsrat Mäurer hat darauf hingewiesen, und auch andere haben das sehr deutlich gemacht. Wir haben sehr viele Projekte, sie sind aufgeführt in der überaus lesenswerten Mitteilung des Senats. Ein wenig Sorge habe ich, ob bei der Vielfalt der Projekte die Vernetzung auch gut klappt oder ob dort manchmal auch ein Flickenteppich entsteht. Das muss man sicher dann vor Ort auch noch einmal genauer betrachten.
Gute Arbeit leisten die Präventionsräte etwa in Bremerhaven oder in Bremen-Nord. Dass es so lange dauert, einen Landespräventionsrat zu installieren, auch bei allem Verständnis für sorgfältige Vorbereitung und wissenschaftliche Begleitung, ich finde, es ist eigentlich spät genug, dass wir das jetzt einmal hinbekommen könnten. Wir haben es uns am Anfang
der Legislaturperiode vorgenommen in der Koalitionsvereinbarung, es wäre gut, wenn das jetzt passieren würde.
Meine Damen und Herren, es ist mehr als eine Binsenweisheit, dass nur der Ansatz, der langfristig auch eine kriminalpräventive Wirkung entfalten wird, der einzig wirksame Weg ist. Allerdings darf diese Wahrheit nicht den falschen Schluss zulassen, dass der repressive Ansatz von Polizei und Justiz überflüssig sein könnte. Es gibt leider Intensivtäter, die sich jeder Prävention entziehen, es gibt Bandenstrukturen, die massiven Polizeieinsatz und nachhaltige Reaktionen durch die Justiz erfordern. Deshalb müssen unsere Strafverfolgungsbehörden so ausgestattet sein, dass sie auch vor den speziellen Herausforderungen von Jugendkriminalität nicht kapitulieren müssen. Das darf aber an anderer Stelle nicht zu Unterversorgung führen, denn bei uns allen bleibt doch ein Unbehagen darüber, Geld für Therapie zu verwenden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, anstatt rechtzeitig in Bildungs- und soziale Integrationsprozesse zu investieren.
Für mich gilt weiter, dass jeder Euro, den wir nicht für die Prävention ausgeben, später in Polizei und Strafvollzug doppelt und dreifach zu Buche schlägt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Niemand lässt unbeeindruckt, welches Schicksal Murat Kurnaz widerfahren ist. Mitglieder der Untersuchungsausschüsse in Berlin und Brüssel betonen immer wieder übereinstimmend, wie ernsthaft, glaubwürdig und seriös Murat Kurnaz über das große Unrecht berichtet hat, das ihm angetan wurde. Auch Bürgermeister Böhrnsen hatte diesen Eindruck bestätigt, als er Murat Kurnaz wenige Tage nach dessen Rückkehr zu Hause in Hemelingen besucht hat. Die Bemühungen, Murat Kurnaz beim Wiedereinleben in Bremen behilflich zu sein, begrüßen wir sehr.
Murat Kurnaz ist Bremer, an unserer Verpflichtung für ihn konnte es eigentlich nie Zweifel geben, und es gibt auch heute keine Zweifel.
Meine Damen und Herren, die Verdächtigungen, die Murat Kurnaz nach Guantanamo gebracht haben, sind haltlos. Es gibt keinen Hinweis auf terroristische Aktivitäten, es gibt kein Ermittlungsverfahren, es gibt ein Urteil eines Gerichts in den USA, das seine Unschuld bestätigt. Wie dieser Verdacht entstanden ist oder genährt wurde, darüber gibt es seit gestern weitere Anhaltspunkte, Herr Dr. Güldner hat das angesprochen. Diese müssen ebenso im Berliner Ausschuss geklärt werden wie der Vorwurf, die frühere Bundesregierung habe wesentlich dazu beigetragen, das Leid von Murat Kurnaz zu verlängern. Die Vorwürfe sind an Ungeheuerlichkeit nicht zu überbieten.
Der Untersuchungsausschuss in Berlin hat alle relevanten Akten, und er kann Zeugen unter Wahrheitspflicht anhören. Damit unterscheidet er sich auch vom CIA-Ausschuss in Brüssel, der sich gestern geäußert hat. Für alle Beteiligten gilt wie auch in anderen Verfahren zunächst die Unschuldsvermutung. Vorverurteilungen bringen uns nicht weiter. Der Ausschuss muss die Möglichkeit haben, seine Arbeit unaufgeregt und zügig fortzusetzen, und er muss diese Möglichkeiten nutzen.
Im Berliner Untersuchungsausschuss wird vermutlich auch zur Sprache kommen, inwieweit bremische Behörden mit welchem Inhalt mit Bundesbehörden zusammengearbeitet haben. Die Frage nach der ausländerrechtlichen Verhinderung der Rückkehr von Kurnaz nach Bremen wegen Rückmeldefristablauf haben, glaube ich, in der Vergangenheit nur wenige für richtig gehalten. Deshalb war es auch wichtig, dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts eingelenkt wurde und keine Rechtsmittel eingelegt wurden.
Meine Damen und Herren, wer die Medien in den letzten Monaten und gerade auch in den letzten Tagen oder gestern verfolgt hat, der wird erstaunt gewesen sein, welche Entwicklungen sich immer wieder neu aufgetan und ergeben haben. Niemand wird heute von sich behaupten können, das Geschehen von 2002 bis 2005 ganz zu überblicken. Viele Dinge, die Herr Dr. Güldner hier aufgezeigt hat, stehen im Raum, aber sie sind nicht bewiesen. Um sich ein wirkliches Bild davon zu machen, inwiefern Bremer Behörden mit welchen Bundesbehörden zusammengearbeitet haben, könnte es hilfreich sein, wenn der Innensenator von sich aus eine Chronologie der Ereignisse aus Bremer Sicht erstellen lässt und diese dann in der Parlamentarischen Kontrollkommission, soweit der Nachrichtendienst betroffen ist, und in der Innendeputation vorlegt. Gerüchten und Verdächtigungen können eventuell so der Wind aus den Segeln genommen werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Güldner, Herr Wedler, Sie sind ja so in freundlicher, gelassener Stimmung, ich bin es gar nicht! Ich kann Ihnen sagen, für dieses scheinheilige Parteimanöver, das Sie hier jetzt machen,
das Wort Alle-Manns-Manöver, was in Bremen so eine große Bedeutung hat, zu verwenden, das finde ich eine richtige Unverschämtheit! Was hier geleistet worden ist mit Alle-Manns-Manöver, das sind wohl andere Dinge gewesen als das, was Sie uns hier heute vorlegen.
Die zweite Geschichte: Herr Dr. Güldner, ich stelle die Frage, was diese 65 000 Menschen bewogen hat, sich so zu engagieren. Ich finde es auch wirklich toll, wie sie sich engagiert haben. Ich kann mir nur die Frage stellen, was sie bewogen hat. Einer zum Beispiel, der hier als Vertrauensperson unterschrieben hat, das ist Paul Tiefenbach, er war einmal Bürgerschaftsabgeordneter der Fraktion der Grünen hier, hat offensichtlich von gewissen Parteienkungeleien so die Nase voll gehabt, dass er das gemacht hat.
Herr Wedler, Sie haben es gestern versucht, Sie versuchen es heute, uns zu unterstellen, dass wir etwas auf die lange Bank hinausschieben wollen, damit wir in der nächsten Legislaturperiode an diese Substanz herangehen können. Das ist eine richtige Unverschämtheit! Das ist völliger Unsinn!
Wir treten am 13. Mai als Sozialdemokraten an, wir wollen natürlich die Mehrheit hier in dieser Bürgerschaft haben, und wir sagen der Bevölkerung ganz klar: Dieses Wahlgesetz mit den Dingen, die die Menschen interessieren, Kumulieren, Panaschieren, bleibt genauso erhalten, wie wir es gestern beschlossen haben.
Wir haben aber auch genauso deutlich gemacht, das, was in Bremerhaven mit der Fünfprozenthürde passiert und damit eine andere Situation als in Bremen herstellt, wollen wir in der nächsten Legislaturperiode verändern, diesen einen Punkt, der ausschließlich die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven betrifft. Das sagen wir den Wählerinnen und Wählern vorher ganz eindeutig.
Uns zu unterstellen, wir spielen hier Spiele – und dann kommt Herr Dr. Güldner immer: Ja, wie in Ham––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
burg! –, das machen wir überhaupt nicht! Ich bin fest davon überzeugt,
dass die Menschen in Bremen und Bremerhaven unsere politische Glaubwürdigkeit höher einschätzen als die von manchem anderen, der hier dazu geredet hat.
Wir schieben auch nichts auf die lange Bank, sondern wir nehmen genau das, was vorgeschrieben ist, nämlich wir nehmen das Volksbegehren so, wie 65 000 Menschen es am Ende unterschrieben haben. Ich habe das gestern vorgelesen, und weil Herr Dr. Güldner das Fass nun gern heute noch einmal aufmachen wollte, muss ich es noch einmal vorlesen. Artikel 2 dieser Unterschriftensammlung heißt: „Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Es findet erstmals Anwendung auf die erste nach Ablauf einer Frist von 15 Monaten nach seinem Inkrafttreten stattfindende Wahl.“
Das haben die Initiatoren bewusst dort hineingeschrieben, und zwar nach meiner Überzeugung, weil sie sich Gedanken darüber gemacht haben, was sie eigentlich erreichen wollen. Sie wollen erreichen, dass man mit einem vernünftigen Informationsangebot an die Menschen herantreten kann, sie wollen erreichen, dass die Abgeordneten – es war ja einmal beabsichtigt, diesen Volksentscheid mit der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft zu verbinden – auch die Chance bekommen, mit dem neuen Wahlrecht ihr neues Mandat neu zu definieren und zu sagen, was sie auch erreichen wollen: Ich muss mich noch mehr, noch stärker – was bei der SPD ohnehin schon selbstverständlich ist – als Wahlkreisabgeordneten definieren und da herangehen.
Das sollen sie 15 Monate beweisen können, und deshalb steht es auch darin.
Sie haben den Landesbehindertenbeauftragten zitiert, auch das muss ich wiederholen, weil Sie es wieder angeführt haben! Herr Dr. Steinbrück hat an den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft und dann in Durchschrift an die Fraktionsvorsitzenden geschrieben, Herr Präsident, ich darf zitieren:
„Bei einem Wahlverfahren mit 5 Stimmen und der Nennung aller Kandidaten auf dem Stimmzettel ist es nicht mehr ohne Weiteres möglich, Blinden und stark sehbehinderten Menschen die Stimmabgabe mit Hilfe einer Wahlschablone zu ermöglichen. Ohne die Möglichkeit der Verwendung einer Schablone wird aber die Abhängigkeit von fremder Hilfe bei der Stimmabgabe erheblich erhöht. Das komplexere Wahlverfahren mit mehreren Stimmen erschwert das Verständ
nis des Wahlverfahrens. Dies hat insbesondere Folgen für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Deshalb sollte meines Erachtens“ – das schreibt Herr Dr. Steinbrück – „die Wahlrechtsreform erst in Kraft gesetzt werden, wenn geklärt ist, ob und durch welche konkreten Maßnahmen die Entstehung neuer Barrieren für Menschen mit Behinderungen bei einer Änderung des Wahlrechts vermieden werden kann.
Eine Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Wahlrechts bis zur übernächsten Bürgerschaftswahl wäre dabei schon deshalb gerechtfertigt, weil die Verpflichtung des Staates zur Förderung der gleichwertigen Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Hinwirkung auf die Beseitigung bestehender Nachteile für Menschen mit Behinderungen Verfassungsrang genießen – Artikel 2 Absatz 3 der Bremischen Landesverfassung!“
Wir nehmen diesen Brief sehr ernst und sagen nicht: Ja, jetzt setzt euch doch einmal zusammen. Wie können wir das denn ganz schnell einmal regeln? Nein, wir werden uns mit Herrn Dr. Steinbrück zusammensetzen und schauen, dass man die nächste Wahl – und wenn sie denn in 15 Monaten ist, dann ist sie in 15 Monaten, aber dass man dann vorbereitet ist – auch für Menschen mit Behinderungen ordentlich sauber durchführen kann.
Herr Dr. Güldner, ich habe es nicht verstanden: Sie haben gesagt, es sei gangbar und auch geprüft worden. Ich weiß gar nicht, von wem das eigentlich geprüft worden ist mit dem positiven Ergebnis, jawohl, es gibt keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn wir das heute hier so beschließen.
Wir haben gestern ein Gesetz beschlossen, und zwar anstelle des Volkes. Das machen wir sonst auch, aber hier haben wir es einmal ganz definitiv beschlossen. Wir haben gesagt: Du Volk hast eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, die wird am 13. Mai entschieden. Wir nehmen dir das wieder weg. Wir beschließen das für dich und beschließen es selbst, weil wir das so vorgesehen haben.
Wir, dieser Gesetzgeber, der hier sitzt, hat das beschlossen. Am Tag danach kommt derselbe Gesetzgeber – nicht ein neuer, der am 13. Mai 2007 gewählt wird mit völlig anderer Zusammensetzung – und sagt: Jetzt nehmen wir aber einen Teil dieses Gesetzes zurück.
Das soll mir einmal jemand erzählen, dass die Verlässlichkeit eines Gesetzgebers an der Stelle verfas
sungsrechtlich nicht berührt wird. Das soll mir einmal jemand erzählen, dass das heute geprüft ist, und zwar positiv geprüft ist. Ich halte das für ausgesprochen bedenklich. So darf ein Gesetzgeber sich schon normalerweise nicht verhalten, wenn wir als Gesetzgeber gestern ein Gesetz beschlossen hätten, und heute beschließen wir das Gegenteil oder etwas anderes davon. Wenn wir aber auch noch dem Volk das dezidiert wegnehmen aus den Elementen der direkten Demokratie, die wir jetzt haben, das dann am nächsten Tag zu ändern, halte ich für verfassungsrechtlich überhaupt nicht gangbar, und wenn Sie sagen, das ist geprüft, dann möchte ich gern diese Prüfung sehen, die zu diesem positiven Ergebnis gekommen ist. Ich glaube, dass das nicht geht.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU)
Ich glaube, alles andere, als das hier heute von Ihnen Eingebrachte abzulehnen, ist nicht richtig. Sie haben gesagt, es gibt gute Argumente, es nicht zu tun. Ich finde, das stimmt, und deshalb werden wir das auch nicht machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD wird heute dem neuen Wahlrecht zustimmen. Aber nicht alle in der Fraktion machen das gern oder weil sie sich schon immer ein neues Wahlrecht gewünscht haben. Einige stimmen nicht zu, dazu später mehr, und einige stimmen mit großen Bedenken zu, Bedenken, die diese Kolleginnen und Kollegen schon früher geäußert haben, die im Parlamentsausschuss, der sich in dieser Legislaturperiode mit dem Wahlrecht beschäftigt hat, auch zu einer klaren Ablehnung der neuen Instrumente durch unsere Fraktion geführt haben. Das Ziel, mit diesen neuen Instrumenten die Wahlbeteiligung zu erhöhen, ist durch die Anhörungen, die der Ausschuss mit auswärtigen Experten vorgenommen hat, nicht überzeugend bewiesen worden.
Das Ziel, die Partizipation der Wahlbevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen zu erhöhen, ist nicht nachgewiesen worden. Die Bedenken, ein neues, komplizierteres Wahlrecht könne Menschen davon abhalten, wählen zu gehen oder die Zahlen der ungültigen Stimmen steigern, sind nicht hinreichend ausgeräumt worden. Bedenken, mit dem neuen Wahlrecht werde es nicht leichter, die Besonderheiten des bremischen Wahlrechts zu schützen, die aus der in Deutschland einmaligen Realunion von Land Bremen und Stadtgemeinde Bremen resultieren, machen einigen Fraktionsmitgliedern immer noch zu schaffen. Wir wenden uns immerhin ab von einem unmissverständlichen, glasklaren, staatlichen Verhältniswahlrecht und bringen ebenso glasklare, kommunale Elemente der Wahlen ein.
Aber auch die konkreten Auswirkungen des neuen Wahlrechts mit Kumulieren und Panaschieren auf die mögliche Zusammensetzung des Parlaments erfreuen nicht alle gleichermaßen. Mit den stärker auf Personalisierung setzenden Elementen Kumulieren und Panaschieren gehen Befürchtungen einher, dass es Seiteneinsteigern, und das zeigen Erfahrungen, dass es auch Frauen oder Parlamentsneulingen künftig schwerer haben werden, sich auf dieser Liste weiter ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nach oben vorzukämpfen. Unsere Quotierung wird möglicherweise ziemlich durcheinander gewürfelt werden.
Schwer werden es Politiker haben, die ein wichtiges, aber öffentlich oft unbeachtetes Politikfeld bearbeiten und dabei wichtige Aufgaben für die Fraktion wahrnehmen. Wenn ich an meinen Kollegen Frank Schildt denke, der Medienrecht bearbeitet, so ist natürlich manchmal sperrig, das Thema in der Öffentlichkeit darzubringen, er hat da aber bundesweit Ansehen erworben und bringt so etwas auch für Bremen in die politische Diskussion ein. Dumm gelaufen nur, wenn es im Heimatort niemand merkt!
Für Frank ist es kein Problem, da er auch Vizepräsident des Landessportbundes ist. Prinzipiell aber ist es schon ein Problem.
Schwerer haben werden es zukünftig auch diejenigen, die loyal und unspektakulär das Wahlprogramm umsetzen wollen und damit genau das tun, was sie vorher versprochen haben. Die öffentliche Aufmerksamkeit werden nicht sie bekommen, sondern diejenigen, die, aus welchen Interessen auch immer, querschießen. Versuchen Sie einmal, mit der Forderung in die Zeitung zu kommen: Ja, ich unterstütze die Verlängerung der Linie 1 in Huchting, oder ich unterstütze die Windkraftanlagen in Lesum, oder ich unterstütze den Bau eines Möbelhauses in Osterholz! Kein Mensch schreibt über Sie gute Sachen.
Aber gehen Sie einmal dabei und sagen Sie: Nein, nein, ich stimme gegen die Fraktion, gegen den Senat, weil ich als Huchtinger gegen die Verlängerung der Linie 1 in Huchting oder gegen die Windkraftanlagen in Lesum als Lesumer oder gegen das Möbelhaus in Osterholz bin! Dann kommen Sie auch in die Zeitung. Es wird in Zukunft genau das befördert werden, dass Menschen, Abgeordnete sich gegen die Fraktion zu stellen versuchen, möglicherweise weil sie sich erhoffen, dadurch mehr Aufmerksamkeit zu erzielen. Das zu den Bedenkenträgern!
Es gibt aber auch diejenigen, die ganz dagegen stimmen. Das sind unsere Kolleginnen und Kollegen aus Bremerhaven. Sie stören sich nachträglich am Wegfall der Fünfprozentklausel und haben damit auch die übrigen Mitglieder der Fraktion überzeugt. Deshalb werden wir das Gesetz zwar nicht ablehnen, aber bei der entfallenden Fünfprozentklausel sind wir Sozialdemokraten politisch so konträrer Ansicht zum vorliegenden Gesetzentwurf, dass wir schon heute ankündigen, in der nächsten Legislaturperiode an dieser Stelle für eine Revision zu kämpfen.
Das werden wir auch vorher offen den Bürgerinnen und Bürgern sagen.
Wir werden es in unser Wahlprogramm hineinschreiben. Wir werden als Gesetzgeber, der bis zum 7. Juni 2007 heute hier zuständig ist, nicht an dem Gesetz, das wir heute beschließen, statt dass das Volk es in einem Volksentscheid beschließt, herumdoktern. Wir als SPD werden aber der nächsten Fraktion nahebringen, sich klar für eine Revision dieses Wegfalls der Fünfprozenthürde einzusetzen.
Im Übrigen darf man, glaube ich, mit Fug und Recht darauf hinweisen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in Bremerhaven die Augen reiben werden. Sie haben zwar viel über Panaschieren und Kumulieren geredet, aber dass über den Wegfall der Fünfprozenthürde öffentlich in Bremerhaven diskutiert worden ist, das kann wohl niemand ernsthaft behaupten. Das hat keine Rolle gespielt. Mit der Revision des Gesetzes in der nächsten Wahlperiode wollen wir die Vergleichbarkeit zwischen Bremerhaven und Bremen wieder herstellen.
In Bremen gibt es die Fünfprozenthürde und das aus gutem Grund, wie der Staatsgerichthof bei mehreren Überprüfungen betont hat. In Bremen wählen die Abgeordneten die Regierung direkt. Die Handlungsfähigkeit des Parlaments, das Herstellen parlamentarischer Mehrheiten für diesen Zweck, hat einen Wert an sich. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments soll an dieser Stelle nicht durch das ausdifferenzierte Berücksichtigen auch der abwegigsten Einzelinteressen gefährdet werden.
In Bremerhaven stellt sich die Situation völlig vergleichbar dar. Auch dort wird der Magistrat mit dem Oberbürgermeister an der Spitze nicht vom Volk, sondern von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Deshalb hat man in Bremerhaven auch an der Fünfprozenthürde festgehalten. Die Stadtverordnetenversammlung hat den gleichen Anspruch auf Schutz ihrer Funktionsfähigkeit wie die Stadtbürgerschaft in Bremen. Einen Anspruch, jeden noch so fürchterlichen Miniführer einer rechten Gruppierung in der Stadtverordnetenversammlung erleben zu dürfen, kann wohl niemand geltend machen.
Meine Damen und Herren, aber nicht alle Sozialdemokraten quälen sich mit dem neuen Wahlrecht. Sie wissen selbst, dass prominente Sozialdemokraten, Genossinnen und Genossen, wie wir sagen, wie Hans Koschnick, Manfred Fluss oder Christoph Hoppensack mit ihrem Namen dafür geworben haben, Stimmen zu sammeln für das Volksbegehren. Auch
in der Fraktion gibt es Befürworter, sogar in der Parteiführung, weshalb die SPD das Volksbegehren zwar nicht unterstützt, aber es auch nicht bekämpft hat. Wir haben unseren Mitgliedern und unseren Parteigremien nicht anempfohlen: Kämpft gegen dieses Volksbegehren. In vielen Ortsvereinen sind Informationsveranstaltungen durchgeführt worden.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal sagen: Mich hat es schon ein bisschen geärgert, dass für dieses Volksbegehren geworben worden ist mit „gegen Parteienkungelei“ und so weiter. Demokratische, innerparteiliche Prozesse sind doch nicht dadurch zu denunzieren, dass von außen jemand eingreift. Das sind doch nicht diese Hinterzimmerkungeleien, wie es sich manch einer von außen vorstellt. Wenn der Landesvorstand der Grünen sich Gedanken darüber macht, wie eine Liste bis Platz 30 zusammengesetzt werden kann, die ersten 10 erfahrene Leute, dann 10 mit Leuten, die neu sind, und so weiter und dann 10, die sagen, ich will da nicht hinein, ich will aber dokumentieren, dass ich für die Grünen bin, dann ist es das gute Recht des Landesvorstands. Wenn die SPD sich die gleichen Vorstellungen macht, ist es das gute Recht der SPD. Wenn dann ein Parteitag kommt, wir sehen es anders, und ich kann ein Lied davon singen, dass Parteitage auch zu eigenen Entschlüssen kommen,
dann ist es etwas, das man hinnehmen muss. Das ist Parteidemokratie, und zwar von außen ganz klar einsehbar, jedenfalls bei uns und bei den Grünen, glaube ich, auch.
Meine Damen und Herren, in Zukunft werden Wählerinnen und Wähler die Reihenfolge der Parteivorschläge neu mischen können. Ich sage ganz deutlich, die SPD fürchtet es überhaupt nicht. Wir sind in allen Stadtteilen vertreten, wir haben qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten, die sich schon heute und in Zukunft noch sehr viel deutlicher als Wahlkreisabgeordnete betrachten werden.
Meine Damen und Herren, wenn es dann tatsächlich einmal jemandem gelingt, durch Kumulieren und Panaschieren von Platz 10 auf Platz 2 oder von Platz 15 auf Platz 1 vorzustoßen, dann sage ich: Wunderbar, dann wissen wir jedenfalls, wer die Wahlparty bezahlt!
Wir nehmen das neue Wahlrecht aktiv an und nicht nur, weil 65 000 Bürgerinnen und Bürger das Volksbegehren unterschrieben haben. Wenn es um etwas gegangen wäre, was wir mit aller Kraft bekämpfen
wollen, dann hätten wir es bekämpft, und dann würden wir es heute hier auch nicht annehmen, sondern dann würden wir mit aller Kraft kämpfen, dass dieser Volksentscheid keine Mehrheit bekommt. Wir nehmen es an. Die Bürgerinnen und Bürger wollen mehr Einfluss, und wir werden uns dem stellen.
Lassen Sie mich das vielleicht etwas sperrige Thema mit dem Versuch eines versöhnlichen Zitates beenden: Am 18. Mai dieses Jahres wurde Gerald Häfner zitiert, früheres Grünen-MdB, ich hoffe, er ist nicht durch Kungeleien aus dem Bundestag herausgeflogen und heute Bundesvorsitzender des „Mehr Demokratie e. V.“. Herr Häfner sagt, ich zitiere: „Bremen ist beim Wahlrecht noch im Neandertal, hat aber die Chance, jetzt an die Spitze zu kommen. Dann fahren in einigen Jahren womöglich Besucher aus Bayern nach Bremen, um sich moderne Demokratie beibringen zu lassen.“ Lassen Sie uns also schon aus Tourismusförderungsgründen dieses neue Wahlrecht installieren! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur zu einigen wenigen Punkten noch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
einmal! Sie haben doch die Unterschriftenliste alle gesehen. Das ist die Unterschriftenliste, die unterschrieben worden ist von 65 000 Menschen. In Artikel 1 sind die Auflistungen der Regelungen, die verändert werden. In Artikel 2 heißt es ganz eindeutig, dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Es findet erstmals Anwendung auf die erste nach Ablauf einer Frist von 15 Monaten nach seinem Inkrafttreten stattfindende Wahl. Selbst wenn wir am 13. Mai eine Wahl machen würden, und wir hätten Ergebnisse, dass keine ordentliche Koalition zustande käme und wir würden im September noch einmal wählen, dann würden wir nach dem, was dieses Volksbegehren wollte, auch nicht mit dem neuen Wahlrecht wählen.
Jetzt würden wir es natürlich tun, weil wir es heute beschließen. Das haben die Menschen, die für 65 000 Unterschriften geworben haben, vorher gewusst. Sie haben sich etwas dabei gedacht, warum das nicht von heute auf morgen passieren soll, sondern weil das einen Vorlauf haben soll. Sie haben nicht gesagt, es findet auf die nächste Bürgerschaftswahl, nachdem das Gesetz angenommen worden ist, Anwendung, sondern sie haben gesagt, wir wollen, dass die Menschen 15 Monate Zeit haben, sich auf dieses Wahlrecht vorzubereiten. Das nehmen wir ernst.
Wenn Sie jetzt sagen, wir kennen aber den mutmaßlichen Willen von 65 000 Menschen, die das unterschrieben haben, die wollen das alle am 13. Mai schon haben, dann sage ich Ihnen, das glaube ich Ihnen nicht , dass das so ist. Das kann sein, dass das ganz viele so wollen, aber ich glaube, dass es genauso viele Leute gibt, vielleicht sogar mehr, die sagen, nein, wir wollen Zeit haben. Wir wollen uns jetzt einmal ansehen, wie zum Beispiel Abgeordnete ihr Mandat wahrnehmen, die sich in 4 Jahren persönlich stellen müssen, weil wir persönlich diese dann ankreuzen können. Wir haben uns gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, wie die Listen der Parteien aussehen. Wir wollen auch mit denen diskutieren. Wir wollen uns mit denen auch auseinandersetzen oder wie es der Landesbehindertenbeauftragte Dr. Hans-Joachim Steinbrück geschrieben hat an den sehr geehrten Herrn Präsidenten. Ich erlaube mir, mit Ihrer Genehmigung zu zitieren:
„Sehr geehrter Herr Präsident, deshalb sollte meines Erachtens die Wahlrechtsreform erst in Kraft gesetzt werden, wenn geklärt ist, ob und durch welche konkreten Maßnahmen die Entstehung neuer Barrieren für Menschen mit Behinderung bei einer Änderung des Wahlrechts vermieden werden kann. Eine Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Wahlrechts bis zur übernächsten Bürgerschaftswahl wäre schon deshalb gerechtfertigt, weil die Verpflichtung des Staates zur Förderung der gleichwertigen Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Hinwirkung auf die Beseitigung bestehender Nachteile für Menschen mit Behinderung Verfassungsrang genießen.“
Der Landesbehindertenbeauftragte bittet uns, nicht am 13. Mai hiernach zu wählen. Ich finde, das sollten wir auch ernst nehmen.
Ich habe keine Lust, mich darüber mit den Grünen zu streiten. Soll ich mich denn hier tatsächlich hinstellen und sagen, wir Sozialdemokraten waren schon immer die glühendsten Verehrer von dem Wahlrecht, das wir hier heute beschließen? Das ist doch Quatsch, das nimmt mir kein Mensch ab. Deshalb sage ich, wir haben Bedenken gehabt. Wir haben teilweise immer noch Bedenken, aber wir nehmen es jetzt an, und wir setzen uns damit ganz aktiv auseinander. Das, finde ich, ist eine ehrlichere Haltung. Ich glaube, das werden uns die Menschen draußen auch am Ende danken. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will es auch ganz kurz machen. Wir hatten in einer ersten Fassung die Überlegung, dieses Gesetz für fünf Jahre zu verlängern, es also im Prinzip zu entfristen. Wir haben gesagt, wegen der fehlenden Evaluierung wollen wir nicht einfach nur die Botschaft aussenden, wir verlängern das Gesetz, sondern wir möchten schon eine solche Evaluierung haben, weil wir selbst es auch ernst nehmen müssen, wenn wir Gesetze befristen.
Wir wollen auf der anderen Seite aber auch keine Botschaft haben: Wir schaffen wichtige, möglicherweise, wie Herr Herderhorst gesagt hat, entscheidene Befugnisse des Nachrichtendienstes ab, weil diese Evaluierung nicht erfolgt ist. Wir müssen die klare Botschaft heute von hier aussenden: Wir verlängern das Gesetz nicht deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass das alles so sein muss, wie es ist, sondern wir verlängern das Gesetz deshalb, um dem Senat innerhalb der nächsten drei Jahre die Möglichkeit zu geben, eine Evaluierung vorzunehmen, damit in drei Jahren die nächste Bürgerschaft dann auch eine inhaltliche Entscheidung dazu treffen kann.
Wenn man auf die Beratung des Bundesgesetzes schaut, dann wird einem deutlich, dass wir an einer Stelle möglicherweise noch einmal, nicht zu diesem Gesetz, aber zu unserem gesetzgeberisch tätig werden, überhaupt uns Gedanken machen müssen, ob wir die Evaluierung eigentlich allgemeinverständlich so voraussetzen können oder ob wir an Evaluierung auch bestimmte Kriterien anlegen müssen, wie es zum Beispiel der Bundestag tun wird, indem er sagt, wir wollen eine Evaluierung unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit dem deutschen Bundestag bestellt wird.
Wir haben in unserem Gesetz jetzt nur – und da geht es unter anderem um eine Regelung zur akustischen Wohnraumüberwachung beziehungsweise um Regelungen, um wichtige Daten abfragen zu können –, dass wir dringend an den Senat appellieren, die Eva––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
luierung der entsprechenden Regelungen auch so vorzunehmen, dass man in drei Jahren nicht das Gefühl hat, man hat eigentlich nur einen Bericht vorliegen.
Ich habe das Problem ja schon einmal hier an dieser Stelle debattieren müssen, als wir über die Erfahrungen mit Videoüberwachung gesprochen haben, sodass man wirklich den Senat bittet, ab jetzt sich darüber klar zu sein. Es kommt auf diese Evaluierung an, wenn in drei Jahren dieses Gesetz noch einmal entfristet werden soll.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was passiert eigentlich bei so einer Sportwette? Ich habe mir das gestern Abend noch einmal angeschaut im Internet. Dort kann man auf den Spielausgang wetten, zum Beispiel kann man darauf wetten, dass Sofia im Champions-League-Spiel gegen Werder Bremen zur Pause führt und am Ende, Gott sei Dank, verliert. Darauf kann man 50 Euro setzen und gewinnt 1650 Euro. Diese 50 Euro wären besser eingesetzt, wenn man darauf wettet, dass Barcelona in Chelsea 4 zu 0 gewinnt, dann bekommt man für 50 Euro immerhin 3750 Euro zurück. Man kann allerdings auch darauf wetten, wer im Spiel Besiktas gegen Fenerbace in der Türkei Superleague das erste Tor schießt. Das kann man noch bis ganz kurz vor Spielbeginn. Das heißt, diese eine Seite von Sportwette ist bekannt.