Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich einen Politik-Grundkurs des Schulzentrums Blumenthal, eine Ausbildungsklasse des Einzelhandels und eine zehnte Hauptschulklasse des Schulzentrums an der Graubündener Straße. Seien Sie herzlich Willkommen! Ich wünsche Ihnen einen spannenden Vormittag.
Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Senator, dann sind Sie damit einverstanden, dass wir gleich in die Debatte eintreten. Die Aussprache ist eröffnet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben an den Senat eine Große Anfrage zur Stärkung des Katastrophenund Bevölkerungsschutzes gerichtet. Wir haben eine umfassende Antwort bekommen, und wir wollen das hier heute noch einmal debattieren.
Katastrophenschutz ist Sache der Länder und Bevölkerungs- sowie Zivilschutz Aufgabe des Bundes, das wird im Grundgesetz geregelt. Deshalb ist an––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
gesichts der Terrorakte und Flutkatastrophen in der letzten Zeit hier noch einmal nachzufragen, ob wir in Bremen unsere Hausaufgaben gemacht haben. Natürlich gibt es in diesen Bereichen, das wissen Sie, immer Wünsche, zum Beispiel Wünsche nach mehr Geld oder nach besserer Ausstattung oder mehr Personal oder mehr Schulung und Übungen, aber alles ist begrenzt. Trotzdem kann ich auch nach der Antwort des Senats sagen, wir können dem Vergleich mit allen Bundesländern standhalten. In diesem Hilfeleistungssystem leisten der Bund und die für den Katastrophenschutz zuständigen Länder gemeinsam mit den Hilfsorganisationen und Feuerwehren wirkungsvoll eine gute Arbeit. Rückgrat dieses Systems, und das zeichnet das deutsche Notfallversorgungssystem ja aus, ist das ehrenamtliche Engagement. Die freiwilligen Feuerwehren haben hier in Deutschland über 1,2 Millionen Mitglieder. Fünf Hilfsorganisationen stehen uns zur Verfügung, das Deutsche Rote Kreuz, der ArbeiterSamariter-Bund, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser Hilfsdienst. Sie ergänzen mit einer halben Million Helferinnen und Helfern dieses System in Deutschland und damit auch hier bei uns in Bremen. Dazu kommen natürlich auch die öffentlich-rechtlichen Hilfsorganisationen, Berufsfeuerwehr, freiwillige Feuerwehr und die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk. Wie aus der Mitteilung auf die Große Anfrage zu entnehmen, sind 2500 Helfer hier in Bremen für den Katastrophenschutz und Bevölkerungsschutz ausgebildet, nicht nur ausgebildet, sie sind auch einsetzbar. 540 Helfer davon sind in Bremerhaven stationiert, und es können aus den niedersächsischen Umlandverbänden des THW noch 454 Helfer zusätzlich mobilisiert werden. Nach Ende des Ost-West-Konflikts hat sich keiner von uns Bedrohungsszenarien vorgestellt, wie sie in der letzten Zeit vorkommen sind. Wer von uns, wenn Sie sich noch einmal erinnern, hätte daran gedacht, dass Verkehrsflugzeuge als fliegende Bomben umfunktioniert und eingesetzt würden, wer hätte an den verbrecherischen Einsatz von Milzbranderregern gedacht? Katastrophenschutz war bei uns in so einer Dimension in Europa eingegliedert wie durch die Katastrophen von Enschede, Eschede und Toulouse. Wer hätte gedacht, dass bei uns hier mitten in der Stadt ein Haus explodiert, eine Gasexplosion, dass bei Bad Münder ein großer Bahnchemieunfall passiert oder dass weite Teile im Südosten der Bundesrepublik, es war im September 2002, wenn Sie sich daran erinnern, von Hochwasser überflutet würden mit Schäden in Höhe mehrerer Millionen Euro? Wer hätte es für möglich gehalten, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie in Spanien geschehen am 11. März 2004 in Madrid, dass Züge in die Luft gesprengt werden mit vielen Toten und Schwerverletzten, und wer hätte gedacht, dass eine riesige Flutwelle über 200 000 Menschen in Asien tötet? Genaue Zahlen sind immer noch nicht bekannt.
Nun sagen Sie einmal ehrlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, keiner hätte das als Realität wahrgenommen, und wenn, dann nur die Filmemacher und Drehbuchautoren in Hollywood, aber eben nur im Film! Die filmische Darstellung, das sage ich hier, ist seit dem 11. September 2001, nach der Flutwelle in Asien an den Weihnachtsfeiertagen realistischer geworden. In unserer Zeit ist alles denkbar, darum bedarf es für die Notwendigkeit eines umfassenden Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes keiner Begründung.
Bremen und Bremerhaven müssen dem Katastrophenschutz und Bevölkerungsschutz wegen der Lage am tideoffenen Großschifffahrtsweg Weser und wegen der Ballung von Menschen sowie gefahrengeneigter Industrie und einer Kernkraftanlage in unmittelbarer Nähe auf niedersächsischem Gebiet ganz besondere Bedeutung beimessen. So wirkungsvoll Maßnahmen zur Verhütung von Katastrophen auch sein mögen, wie zum Beispiel Hochwasserschutzanlagen, Sicherung des Schiffs- und Luftverkehrs, Überwachung von Betrieben, ich will es auf den Punkt bringen: Ein Restrisiko für die Menschen in unseren beiden Städten bleibt bestehen.
Die Schwierigkeiten bei der Bewältigung extremer Gefahrenlagen sind gekennzeichnet durch rasch wechselnde, sich oft überstürzende Lagebilder, Unwägbarkeiten und vor allem dem Zwang zu schnellen, dabei aber abgewogenen Entscheidungen. Hinzu kommt eine hohe Gefährdung der unmittelbar Betroffenen sowie auch eine Beunruhigung der nicht betroffenen Bürgerinnen und Bürger, deren Gefahrenbewusstsein und Schutzbedürfnis unter dem Eindruck der Nachrichten und Bilder von Katastrophen in aller Welt immer größer wird.
Die Bewohner in Bremen und in Bremerhaven haben einen Anspruch darauf, dass ihnen schnell und wirkungsvoll geholfen wird. Von den Mitarbeitern der Freien Hansestadt Bremen, die diese Hilfe zu organisieren haben, muss deshalb ein hohes Maß an Fachwissen sowie die Fähigkeit verlangt werden, sich schnell den Einsatzbedingungen und den besonderen Arbeitsbedingungen anzupassen. Bei der ganzen Diskussion über äußere und innere Sicherheit findet endlich ein Begriff den Weg in die Öffentlichkeit zurück, und dieser Begriff, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ihn über die Jahre vermisst, heißt Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.
Nachdem sich der Bund vor Jahren mit Kürzungen aus dem Zivilschutz fast verabschiedet hatte, wurden auch im Katastrophenschutzbereich Einsparungen vorgenommen. Wir dürfen diese Problematik hier nicht polemisch, wir müssen in diesem Bereich sachlich diskutieren. Ich will es auch nicht verschweigen, weil wir ehrlich sein müssen: Der massive Abbau der Zivilschutzkapazitäten hat schon Anfang 1990 begonnen und wurde dann von der jetzigen Bundesregierung fortgesetzt. Ein erstes Umsteuern im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes hat
dann erst unmittelbar nach dem 11. September 2001 stattgefunden. Die Flutkatastrophe in den neuen Bundesländern hat diesen Prozess des Umsteuerns, der Umstrukturierung, des neuen Nachdenkens über bessere und effizientere Lösungen noch einmal beschleunigt und verstärkt. Hier ziehen wir alle an einem Strang, und wir müssen gemeinsam für Lösungen einstehen. Politische Schuldzuweisungen sind hier völlig fehl am Platz.
Ich erinnere mich noch ganz genau, meine Damen und Herren, es war 1995, wir hatten zehn Zivilschutzfahrzeuge, die der Bund uns überlassen wollte. Damals, es war eben so, wurden diese Fahrzeuge dann zurückgegeben an den Bund, es waren LF-16-Fahrzeuge und auch Rüstfahrzeuge. Wir haben sie zurückgegeben, weil der damalige Innensenator, Herr von Nispen, gesagt hatte, so ein Fahrzeug kostet im Jahr 8000 DM. Wir haben diese Fahrzeuge zurückgegeben, unsere freiwilligen Feuerwehren wären heute froh, wenn sie diese Fahrzeuge noch hätten.
Wenn vieles aus Sicht der so genannten Nachwendezeit überflüssig war, so gab es immer Bereiche, die meiner Meinung nach nie vernachlässigt werden dürften. Ich habe es vorhin auch noch einmal im Radio gehört, vor 40 Jahren haben zum ersten Mal die Sirenen hier in Bremen einen Alarm durchgegeben, und ich kann jetzt nur sagen, ich kann es nicht nachvollziehen, warum in der Bundesrepublik 60 000 Sirenen, auch in den Ballungsgebieten, abgebaut wurden. Nicht jeder nutzt die Medien, und ich weiß auch gar nicht, wie man 80 Millionen Einwohner nur per Lautsprecher warnen soll. Trotzdem begrüßen wir die Ausstattung der Länder mit den satellitengestützten Warnsystemen des Bundes und die Gefahrendurchsagen durch die Rundfunkanstalten, aber, wie schon gesagt, alle Leute hören nicht immer zu jeder Zeit Radio oder sehen fern.
Sie, meine Damen und Herren, wissen, dass in der Folge das Niveau des Zivil- und Katastrophenschutzes ständig sank, insbesondere in der Bundesrepublik der erweiterte Katastrophenschutz wegfiel, der Bund viele Kompetenzen an die Länder abtrat, die finanziellen Aufwendungen vom Bund immer weiter reduziert wurden und die Beschaffung von Fahrzeugen schließlich völlig außer Kraft gesetzt wurde. Wir haben in der großen Koalition hier in Bremen gehandelt, und der Sprecher der Deputation für Inneres, Herr Kleen, kann es bestätigen, wir haben in den letzten Jahren hier in Bremen eine Vielzahl von neuen Fahrzeugen, Rettungsgeräten, Krankenwagen bei unseren Berufsfeuerwehren und freiwilligen Feuerwehren angeschafft.
In enger Abstimmung mit den Ländern, und dies darf man nicht verschweigen, hat der Bund nach dem Umsteuern 2001 650 Zivilfahrzeuge an die 16 Bundesländer ausgeliefert. Trotzdem fehlen noch Fahrzeuge, da die Haushaltslage auch beim Bund nicht die beste ist. Neben Krankentransportwagen waren dies vor allem moderne ABC-Erkundungskraftwagen.
Mit diesen Fahrzeugen hat Deutschland, und auch das Land Bremen hat davon profitiert, ein hochmobiles System zur Aufspürung, Messung und Erfassung von radiologischen, biologischen und chemischen Kontaminationen.
Trotzdem will ich diese Situation nicht schönreden, denn wir haben bei den freiwilligen Feuerwehren hier in Bremen noch Fahrzeuge, die bei weitem überaltert sind. Aufgrund der Haushaltslage und Steuereinbrüche können wir hier nur nach und nach Ersatz beschaffen. Wir haben hier in Bremen ein flexibles Führungssystem, das ein schnelles, lang angepasstes Handeln ermöglicht und auch eine enge Zusammenarbeit mit privaten Hilfsorganisationen gewährleistet. Es bestehen Vorgaben und Richtlinien für die Bewältigung eines Massenunfalls mit Verletzten und Toten, und bei Übungen hat es sich gezeigt, dass wir schnell und richtig reagieren können. Ich werde hier jetzt erst einmal schließen und komme gleich noch einmal wieder.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer bei dem Wort Katastrophenschutz nicht an ein Fußballspiel denkt, sondern an die Kästnersche Frage nach dem Verbleib des Positiven, der mag erst einmal überrascht sein. Mir geht es so, vor uns liegt das Positive, die Antwort des Senats auf die Große Anfrage von CDU und SPD zum Bevölkerungsund Katastrophenschutz.
Für das Land Bremen, für die Stadt Bremen und in weiten Teilen auch für die Stadt Bremerhaven können wir, glaube ich, mit Fug und Recht den beruhigenden Satz im schönsten Politikerdeutsch sagen: Wir sind gut aufgestellt. Das heißt, alle Vorkehrungen sind getroffen, um schnell und professionell auf einen Katastrophenfall in Bremen oder Bremerhaven reagieren zu können. Die Berufsfeuerwehr wird unterstützt von der freiwilligen Feuerwehr und den Hilfsorganisationen. Arbeiter-Samariter-Bund, DLRG, DRK, Johanniter, Malteser und unter Bundesflagge das THW sorgen für einen verlässlichen Rundumschutz im Lande Bremen. Dafür ist allen Beteiligten sehr herzlich zu danken!
Meine Damen und Herren, jeder weiß allerdings, dass es nicht nur auf die Zahl der Köpfe ankommt, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sondern auch darauf, was in diesen Köpfen steckt. Auf diesem Feld können wir als Bürgerinnen und Bürger aber auch zufrieden sein. Es wird regelmäßig geübt, aus den Übungen werden die richtigen Konsequenzen gezogen, Fortbildungen gehören zum Standard. Nicht nur rechtlich haben wir uns mit dem integrierten Hilfeleistungsgesetz Bremen ganz vorn im bundesweiten Ranking platziert, nach früheren Jahren der falschen Sparsamkeit ist in den vergangenen Jahren auch der Investitionsstau abgebaut worden, die Technik auf einen modernen Stand gebracht, Erwin Knäpper hat es gerade schon in Bezug auf Fahrzeuge erläutert.
Dass zu solchen positiven Entwicklungen leider immer wieder maßgeblich schreckliche Ereignisse weichenstellend beitragen, offensichtlich geradezu nötig sind, das ist leider Alltagsgeschäft der inneren Sicherheit. Auch ich darf an das Unglück am Geschwornenweg erinnern, Erwin Knäpper hat eine Anzahl anderer Unglücke genannt. Das Unglück am Geschwornenweg traf uns nicht gänzlich unvorbereitet, ich würde sagen, sehr viel hat damit zu tun, dass wir in den Jahren vorher mit dem heutigen Leiter der Berufsfeuerwehr eine sehr gute Personalauswahl getroffen haben.
Mit ihm an der Spitze ist der Nachhol- und Modernisierungsprozess sehr zügig eingeleitet worden, aber man muss zugeben, nach dem Unglück am Geschwornenweg hat es einen weiteren Schub zur Modernisierung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr gegeben.
Ein anderer Anlass, Erwin Knäpper hat daran erinnert, ist eindeutig der Anschlag auf das World Trade Center gewesen. Dieser Anschlag hat den Weg des Katastrophenschutzes, des Bevölkerungsschutzes, der Anfang der neunziger Jahre eingeschlagen worden ist, geändert. Nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts schien die Notwendigkeit von Zivilschutz, also des Bevölkerungsschutzes im Verteidigungsfall, niemandem mehr einzuleuchten, also wurde beim Bund, der für diesen Bereich nach dem Grundgesetz zuständig ist, abgebaut, Ressourcen wurden verkürzt, finanzielle Mittel umgesteuert. Das gleiche Schicksal erfuhr zu weiten Teilen auch der Katastrophenschutz in Friedenszeiten, nach dem Grundgesetz in der Zuständigkeit der Länder. Ein völlig falscher Schluss, denn zivile Katastrophen wie Überschwemmungen halten sich nicht an Friedensabkommen, die Ereignisse an Oder, Elbe oder Donau haben das gezeigt!
Nach den Anschlägen in New York und auch in Madrid ist jedem klar geworden, dass darüber hinaus Katastrophen nicht nur natürliche Ursachen haben müssen, sondern auch von Menschen herbeigeführt werden können, unbeabsichtigt wie das Unglück von Tschernobyl vor vielen Jahren oder als kriegerischer Akt in einem unerklärten Krieg. Der Bund hat
mit einer Vielzahl von Aktivitäten in den vergangenen Jahren auf die neuen Herausforderungen reagiert. Erinnert sei an das gemeinsame Lagezentrum von Bund und Ländern oder an deNIS, das deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem, oder an die Gründung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. So kann man als erstes Fazit sicher feststellen, Bremen und der Bund haben ihre Hausaufgaben gemacht, wie im Übrigen auch viele andere Bundesländer.
Aber, wie das in solchen Reden immer so ist, es gibt auch ein dickes Aber, denn der Zustand des Bevölkerungsschutzes in Deutschland ist überhaupt nicht in Ordnung, wenn sich eine Katastrophe nicht an Ländergrenzen hält oder die Leistungsfähigkeit eines Bundeslandes übersteigt. Die Koordination und Führung in diesen Fällen ist nicht nur ungeregelt, sondern sie klappt auch häufig nicht. Das zeigte sich beispielsweise bei den Hochwasserereignissen. Vieles lief unkoordiniert ab, vieles ging aus diesem Grunde schief. Durch die riesige Zahl der professionellen und freiwilligen Helfer gelang es am Ende, der Katastrophe Herr zu werden, wir haben eben ein sehr gutes System in Deutschland, wie Erwin Knäpper auch schon deutlich gemacht hat.
Wenn man sich aber klar macht, dass manche Hilfe deshalb an einem bestimmten Ort ankam, weil zwischen dem absendenen Ort und dem Hilfe suchenden Ort eine Städtepartnerschaft besteht oder weil die beiden Hauptverwaltungsbeamten der Kreise, die höchsten Katastrophenschützer vor Ort, gemeinsam studiert haben, dann macht das deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. Man stelle sich im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr eine solche Situation einmal vor, ein Bundesland erbittet wegen einer Großdemonstration Hilfe, und andere Bundesländer entscheiden völlig unkoordiniert, ob sie helfen können! Das eine Mal kommt niemand, und das andere Mal kommen zehn Hundertschaften. So funktioniert es nicht in der polizeilichen Gefahrenabwehr, und so darf es in der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr auch nicht weiter hingenommen werden.
Dieses Defizit in Koordination und in der Führung war Gegenstand der Föderalismuskommission unter Vorsitz der geschätzten Herren Müntefering und Stoiber. Diese Föderalismuskommission ist, wie Sie wissen, nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass selbst nach Änderung des Grundgesetzes die Koordinierung und Führung bei Lagen über mehrere Länder oder bei einer nicht allein in einem Land beherrschbaren Großlage verändert worden wären. Das bedeutet aber, dass diese Aufgabe, hier eine Änderung herbeizuführen, nicht aufgegeben werden darf. Es darf doch nicht nötig sein, dass wieder erst einmal ein schreckliches Unglück passiert, damit an dieser Stelle Reden durch Handeln abgelöst wird. Ich gehe davon aus, dass die Innenministerkonferenz oder die Ministerpräsidentenkonferenz an dieser Stelle handeln wird.
Meine Damen und Herren, neben der Kompetenzverteilung kommt es aber auch in Zukunft entscheidend darauf an, dass Menschen da sind, die im Notfall anpacken. Es ist eine Binsenweisheit, dass das bürgerschaftliche, freiwillige, ehrenamtliche Engagement das Rückgrat und die Basis der nationalen Hilfeleistungssysteme bildet. Deshalb dürfen Politik und Verwaltung nicht nachlassen, dieses Engagement zu unterstützen. Das geht von materieller Hilfe, also insbesondere der sachgerechten Ausstattung der freiwilligen Feuerwehren und der Hilfsorganisationen, bis zur ideellen Unterstützung, also der breiten Aufwertung des Ehrenamtes.
Es geht vor allem auch darum, die Menschen, die sich ehrenamtlich zur Verfügung stellen, vor Nachteilen zu schützen. Das bedeutet, dass es nicht nur Kampagnen geben muss, Ehrenamtler zu gewinnen, sondern meiner Überzeugung nach auch Marketing und Akzeptanz schaffende Maßnahmen, insbesondere bei Arbeitgebern, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei deren gesellschaftlicher Selbstverpflichtung unterstützen.
Es ist heute ein immer wieder auftauchendes Problem, dass wer sich in der Feuerwehr oder in Hilfsorganisationen betätigt, möglicherweise sogar Rückschläge im Beruf erleiden muss oder von Arbeitgebern abgelehnt wird. Abhilfe ist umso dringender, weil durch die Verkleinerung der Bundeswehr eines der bisherigen Potentiale ehrenamtlicher Mitwirkung austrocknet,