Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und Vertreter der Presse. Auf dem Besucherrang begrüße ich recht herzlich eine zehnte Schulklasse des Schulzentrums in der Vahr.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Abgeordneten Jens Crueger zu seinem heutigen Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche dieses Hauses aussprechen.
Nachtragshaushaltsgesetz und Nachtragshaushaltsplan der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2005 einschließlich Veränderungen im Produktgruppenhaushalt
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, dass in diese Aussprache auch die Beratung des Nachtragshaushalts für die Stadt einbezogen werden soll. Es ist verlängerte Redezeit vereinbart. Sie beträgt jeweils für den ersten Redner einer Fraktion bis zu 20 Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt Ihnen heute zur ersten Lesung Nachtragshaushalte zu den laufenden Haus
halten für das Land und die Stadtgemeinde Bremen vor. Er kommt damit seiner Verpflichtung nach, die Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers über wesentliche haushaltsstrukturelle Veränderungen einzuholen, die sich in diesem Fall sowohl einnahmemindernd als auch ausgabemindernd auswirken.
Der vorgelegte Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren, ist Ausdruck unserer extremen Haushaltsnotlage. Wir gehen davon aus, dass eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. In der Beratung des Haushalts- und Finanzausschusses werden wir die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben dann im Einzelnen darlegen. Bei den Nachtragshaushalten handelt es sich im Wesentlichen um ausbleibende konsumtive Zahlungen aus dem so genannten Kanzlerbrief in Höhe von 509 Millionen Euro, um Effekte der Hartz-IV-Gesetzgebung, die den bremischen Haushalt voraussichtlich mit netto 91 Millionen Euro entlasten, sowie um die nachträgliche Darstellung von geplanten, aber bislang noch nicht realisierten Erlösen aus Vermögensveräußerungen in Höhe von 21 Millionen Euro.
Die Nachtragshaushalte haben nicht zum Gegenstand die von einigen Ressorts vorsorglich angemeldeten Mehrbedarfe und Mindereinnahmen für das laufende Haushaltsjahr 2005. Nach Erörterung dieser Sachlage im Senat ist deutlich geworden, dass wir weitere Finanzierungsbedarfe im laufenden Haushaltsvollzug zwar nicht völlig ausschließen, aber dass wir dennoch davon ausgehen können, dass alle Ressorts an der Einhaltung ihrer Eckwerte festhalten werden. Insofern vertraue ich auch als Finanzsenator auf den Gestaltungswillen der Senatskollegen und sehe mich nicht veranlasst, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Planungsreserve für eventuelle Mehrbedarfe heranzuziehen.
Die besonderen Bewirtschaftungsmaßnahmen werden wir bis zur Verabschiedung des Nachtragshaushalts aufrechterhalten. Trotzdem, das sage ich an dieser Stelle deutlich, kann sich zum Beispiel durch die Hartz-IV-Revisionskonferenz mit dem Bund im Herbst ein neuer Nachsteuerungsbedarf ergeben. Wir haben es in finanziell schwierigen Zeiten mit eng geplanten und eng gesteckten Haushalten zu tun, in denen wir nicht noch zusätzliche Reserven verstecken können. Deswegen haben wir auch kein Planungsdefizit, aber wir wissen heute schon, dass wir reagieren müssen, wenn sich unsere Rahmenbedingungen aufgrund wirtschaftlicher Entwicklung oder bundespolitischer Gesetzgebung in nennenswertem Umfang ändern sollten.
Meine Damen und Herren, mit der Einhaltung des Haushalts 2005 unter Einbeziehung des nun vorgelegten Nachtrags wollen wir den Einstieg in eine neue zielorientierte Konsolidierungsphase einleiten, und das, es ist gestern schon angesprochen worden, bedeutet eine finanzpolitische Zäsur. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen wir nüchtern und schonungslos unsere Haushalts
situation bilanzieren. Dazu gehören auch strukturelle Bereinigungen, etwa bei der richtigen Ausweisung von konsumtiven Ausgaben, die bislang als Investitionen ausgewiesen werden. Dies mahnt der Rechnunghof zu Recht an. Wichtig ist, dass wir nicht zu statisch in einzelnen Haushaltsperioden, also zu sehr kameral, sondern längerfristig denken und planen, und wir müssen vor allen Dingen in dieser dritten Sanierungsphase unseren Verschuldungsgrad in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen.
Uns allen war klar, dass die Quantifizierung der aus dem Kanzlerbrief zu erwartenden Unterstützung unseren weiteren Konsolidierungspfad in entscheidender Weise prägen würde. Nicht zuletzt die analytischen Schwierigkeiten zur finanzpolitischen Auslegung dieser Vereinbarungen haben dazu geführt, dass wir sehr große Hoffnungen aufgebaut haben, was die zukünftige finanzielle Entlastung durch den Bund angeht. Man kann es auch anders sagen: Unsere gefühlte Finanzlage war deshalb in den letzten Jahren viel positiver, als uns dies die Fakten signalisiert haben.
Genau das macht es uns heute so schwer, mit der notwendigen Konsequenz unpopuläre Haushaltsentscheidungen zu vertreten und die dafür notwendige Akzeptanz bei den Betroffenen zu erreichen. Unser investiver Aufholprozess der letzten Jahre war richtig, und er war auch im Wesentlichen erfolgreich, aber jetzt ist es auch notwendig, die Investitionsseite zu konsolidieren, und wir haben dafür mit dem Orientierungsrahmen einen vernünftigen Anpassungspfad, der auch mittelfristig tragbar ist, vorgelegt.
Unsere bisherigen Bemühungen, aufgrund eigener Wirtschafts- und Finanzkraft das Land wieder ökonomisch lebensfähig zu machen, werden sich nur dann auszahlen, wenn wir diese Erfolge nicht durch eine ungebremste weitere Verschuldung und damit nachhaltige Verschlechterung unserer Finanzstruktur konterkarieren und gleichzeitig den Anspruch auf externe Hilfe aufrechterhalten.
Meine Damen und Herren, der derzeitige Schuldenstand für das Land Bremen inklusive Bremerhaven, Kapitaldienstfonds und Eigenbetriebe beträgt 11,52 Milliarden Euro. Gestatten Sie mir am Rande anzumerken, dass dieser Schuldenstand nach einer bundeseinheitlichen Systematik zur Meldung an das Statistische Bundesamt mit Stichtag 31. Dezember 2004 ermittelt wurde. Die abweichenden Zahlen, die der Rechnungshof zuletzt kommuniziert hat, beziehen sich auf den kameralistischen Jahresabschluss mit den Buchungen des vierzehnten Monats. Senat und Rechnungshof stützen sich also auf das gleiche Datenmaterial, legen aber unterschiedliche Stichtage zugrunde.
Wenn man diese Daten, egal zu welchem Stichtag, sich vor Augen führt, könnte man in Versuchung geraten abzutauchen, aber wir können und wollen nicht weglaufen. Das ist unsere politische Verantwor
tung gegenüber der Bevölkerung. Wir können aber auch nicht im Stillstand verharren und jedes Haushaltsloch mit weiteren Krediten zustopfen. Meine Damen und Herren, unsere Verschuldung hat eine kritische Größe erreicht, und sie stellt sich nicht nur als ein schwer zu lösendes Bilanzproblem dar, sondern sie bereitet Jahr für Jahr zunehmende Probleme im laufenden Haushalt. Heute zahlen wir 500 Millionen Euro für Zinsen, im Jahr 2009 werden wir selbst bei restriktiver Haushaltsführung mit 700 Millionen Euro zu rechnen haben, unterstellt einmal, die Kapitalmärkte verändern sich nicht dramatisch.
Jeder heute kreditfinanzierte Euro ist eine Hypothek zu Lasten zukünftiger Generationen. Wenn wir über Generationengerechtigkeit und wenn wir über Investitionen in Köpfe reden, muss uns deshalb immer klar sein, dass wir unseren Kindern eine auskömmliche Finanzierung von Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangeboten schuldig sind, ihnen aber nicht mit diesem Argument gleichzeitig die zukünftige finanzielle Existenzgrundlage unter den Füßen wegziehen dürfen.
Haushaltstechnisch bedeutet das, dass wir den negativen Trend der Zins-Steuer-Spirale stoppen müssen.
Wenn es aber natürlich klar ist, dass wir von dem Ziel, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, nicht abrücken, aber auch, wenn es klar ist, dass dies ein langfristiges Ziel ist, hilft uns die verfassungsgemäß erlaubte Schuldenaufnahme für Investitionen so nicht weiter. Es gibt keine guten und schlechten Schulden. Wir müssen vielmehr Personalkosten, Ausgaben für sonstige konsumtive Zwecke, aber auch Investitionsausgaben unter der Verschuldungsproblematik zunächst gleichrangig betrachten. Ich meine, mit der Konzentration auf unsere Primärausgaben, also ohne den Schuldendienst, erhalten wir zunächst einen geeigneten Vergleichsmaßstab zu anderen Ländern und Kommunen. Durch eine in dieser Weise aufgestellte Haushaltsbilanz können wir deutlich machen, wo wir ohne die Berücksichtigung unserer besonderen Schuldenlast, aber auch ohne die Berücksichtigung externer Hilfen finanzpolitisch bei der Bewältigung unserer laufenden Aufgaben stehen.
Wenn wir uns in dieser Finanzplanungsperiode zunächst auf einen ausgeglichenen Primärsaldo fokussieren, leugnen wir nicht die Risiken zunehmender Verschuldung. Ganz im Gegenteil, ein ausgeglichener Primärsaldo ist für uns der entscheidende Indikator, der uns anzeigt, wann wir einen möglichen Turnaround geschafft haben, also den entscheidenden Wendepunkt, ab dem wir alle Leistungen, die wir für die Menschen in Bremen erbringen, wieder aus eigener Kraft bezahlen können.
Ich halte es auch für realistisch, dass, wenn wir die Maßnahmen, die wir jetzt angedacht und diskutiert
haben, umsetzen, wenn sich auch die Einnahmen so entwickeln wie geplant, dass wir dann im Jahr 2009 einen ausgeglichenen Primärhaushalt erbringen können, also die laufenden Ausgaben durch die Einnahmen abdecken können. Das ist ein ganz wichtiger Zwischenschritt. Ich sage das ganz deutlich, das kann nicht das Endziel sein. Das Endziel muss viel weiter gehen, aber wenn ich den Berg nicht auf einen Schlag besteigen kann, muss ich über verschiedene Zwischenlager versuchen, trotzdem zum Gipfel zu kommen, und dieser Vorschlag ist eine erste Zwischengröße.
Das Entscheidende ist aber letztlich, dass wir zu diesem Zeitpunkt, wenn wir das wirklich erreichen sollten 2009, die weitere Zunahme unserer Schuldenlast so weit abgebremst haben, dass dieses Problem eher strukturierbar und mit einer externen Hilfe, die dann notwendig und auch entscheidend sein wird, sei es durch eine Entschuldung oder sei es durch eine Besserstellung im bundesstaatlichen Finanzausgleich, dann lösbar machen.
Aus diesem Grund müssen wir unsere jährlichen Ausgaben für Personal, für sonstige konsumtive Zwecke und Investitionen bis zum Jahr 2009 schrittweise um 160 Millionen Euro reduzieren. Mein Ziel ist es, dass wir infolge zunehmender Versorgungslasten und moderat steigender Personalausgaben im Jahr 2009 rund 94 Millionen Euro weniger für konsumtive und 109 Millionen Euro weniger für investive Zwecke ausgeben als heute.
Meine Damen und Herren, als Haushaltsnotlageland sind wir gezwungen, uns im Konzert und im Rahmen anderer Bundesländer zu bewegen, und wir haben unsere Vergütungsstrukturen und Dienstleistungsstandards an anderen Bundesländern zu orientieren. Dennoch wollen wir auch in Zukunft politische Schwerpunkte setzen und in wichtigen Zukunftsfeldern nicht hinter das Niveau anderer Länder zurückfallen. Trotz aller Einsparnotwendigkeiten werden wir einen Schwerpunkt auf den Aufbau von Humankapital in unseren beiden Städten legen. Das geht von der frühkindlichen Betreuung über die vorschulische Bildung bis hin zum weiteren Ausbau der Wissenschaftsinfrastruktur.
Der Koalitionsausschuss hatte mich als Finanzsenator gebeten, wie es wörtlich in diesem Beschluss heißt, in Rückkoppelung zu den Ressorts für die in Aussicht genommene Entscheidungssitzung des Koalitionsausschusses für alle Gebiete die erforderlichen Prüfungen und Bewertungen darzustellen und daraus vorbehaltlos denkbare Alternativen und mögliche Varianten zu entwickeln. Ich meine, dies ist unter Einbeziehung überregionaler Entwicklungen in Erörterung mit den Fachressorts geschehen.
Die beschlossenen Sparvorschläge sind insbesondere darauf ausgerichtet, bewährte Leistungsstandards dadurch zu erhalten, dass wir unsere Kostenstrukturen überprüfen, Prozesse neu aufstellen und
damit die Wertschöpfung erhöhen. Es ist natürlich klar, dass dieser erforderliche Umbauprozess nicht von heute auf morgen zu vollziehen ist, aber es geht darum, und das ist natürlich mühsam und schwierig, einzelne wirtschaftliche Prozesse systematisch zu analysieren und zu optimieren. Das ist unbequemer, als aus der volkswirtschaftlichen Vogelperspektive manchmal gute Ratschläge zu geben.
Ich möchte diesen angestrebten Konsolidierungsprozess an einigen Beispielen, die auch gestern in der aktuellen Diskussion geäußert und erörtert wurden, einmal deutlich machen. Noch einmal zum Thema GEWOBA: Durch das bestehende Pensionsgeschäft, also im Grunde in einer Beleihung der GEWOBAAnteile in Höhe von 25 Prozent mit jetzt aufgelaufenen Kosten von 141 Millionen Euro, haben wir ein objektives Problem zu lösen. Dieses Geld ist ausgegeben, und die GEWOBA ist im Grunde im Pfandleihhaus. Deshalb begrüße ich den im Koalitionsausschuss verabredeten Prüfauftrag. Es ist aber schwer vermittelbar, wenn wir die Ablösung dieses verlustbringenden Pensionsgeschäfts durch Einsparungen an anderer Stelle, zum Beispiel beim Personal, finanzieren würden.
Meine Damen und Herren, der mit Abstand größte Kostenblock in unserem Haushalt mit einem Volumen von 3,8 Milliarden Euro, was den Haushalt anbelangt, sind die Personalausgaben. Wir geben im Kernhaushalt hierfür 1,1 Milliarden Euro aus, aber, das wird manchmal vergessen, es kommen noch weitere zirka 660 Millionen Euro für Personalausgaben in den Sondervermögen, Eigenbetrieben und Gesellschaften hinzu. Mit den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen werden wir den Personalbereich nicht von den allgemeinen Einsparungen ausschließen, aber wir sind gezwungen, steigende Versorgungslasten, ein ganz zentrales Thema, und zu erwartende Tarifsteigerungen zumindest teilweise durch Einsparungen zu kompensieren. Letztlich würden wir über einen maßvollen Lohnverzicht auch Luft für zusätzliche Beschäftigung generieren.
Ich möchte das am Beispiel von der von uns neu gegründeten Ausbildungsgesellschaft deutlich machen. Allein durch die Anpassung der Ausbildungsvergütung auf branchenübliche Niveaus, also das, was in den Branchen, wo wir ausbilden, tarifvertragsmäßig branchenüblich gezahlt wird, konnten zusätzlich zu den 155 Ausbildungsplätzen 45 Lehrstellen geschaffen werden. Das zeigt, dass man, wenn man bereit zu einer Anpassung ist, auch zusätzliche Arbeitsplätze, in diesem Falle Ausbildungsplätze, schaffen kann.
Ich meine, dass es gerade bei der hohen Arbeitslosigkeit ein wichtiger Beitrag zur Beschäftigungspolitik ist. Ich meine auch, dass der öffentliche Dienst hier gerade eine besondere politische Verantwortung für die jungen Menschen hat.
Lassen Sie mich auch einige Worte zum jüngsten Vorschlag machen, den zwischen Gewerkschaften sowie Bund und Gemeinden erzielten Tarifabschluss auch für die Landesbediensteten zu übernehmen! Die Haltung des Senats in dieser Frage ist eindeutig: Ob und in welchem Umfang der von Bund und VKA erzielte Tarifabschluss auch auf die Länder übertragen wird, entscheidet sich nicht auf Zuruf, sondern in den Tarifverhandlungen, die am 3. März 2005 zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder einerseits und ver.di sowie DBB Tarifunion andererseits aufgenommen worden sind. Die Tarifautonomie gebietet es, zunächst das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen abzuwarten.
Übrigens, ein Thema der Verhandlungen sind auch mögliche Öffnungsklauseln für Länder in Haushaltsnotlage. Deshalb lehne ich es ab, das Ziel eines Solidarpaktes zum jetzigen Zeitpunkt für völlig unrealistisch zu erklären.