Cornelia Seibeld

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Frau Präsidentin! Ich frage den Senat: Welche Hinderungsgründe sieht der Regierende Bürgermeister, eine Gedenktafel zur Erinnerung und Mahnung an die von den Nationalsozialisten enteigneten jüdischen Mitbegründer des Varietés Scala in der Martin-Luther-Straße anzubringen mit dem Text: „Hier stand das 1919 gegründete und 1943 im Krieg zerstörte weltberühmte Varieté Scala. Die jüdischen Eigentümer wurden 1933/34 von den Nazis enteignet. Weder die Eigentümer noch ihre Nachfahren enthielten je eine Entschädigung“?
Darf ich Sie so verstehen, dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass eine Gedenktafel, ob an diesem Haus oder woanders, für die enteigneten Mitbegründer angebracht werden wird?
Meine Damen und Herren! Ich dachte, der Senat darf immer reden, jedenfalls steht das seit 20 Jahren so in der Geschäftsordnung. Aber offenbar haben wir heute
neue Sitten hier in diesem Haus.
Dass der Kollege Lauer in der Disziplin des Angebens besonders gut ist und es deswegen auf die ganze Stadt
(Dirk Behrendt)
übertragen möchte, ist nicht überraschend. Herr Kollege Lauer! Ich bedauere es zum ersten Mal, dass Sie nicht die Gelegenheit haben, uns in Regierungsverantwortung zu zeigen, wie es eigentlich gehen könnte. Darauf wäre ich tatsächlich gespannt gewesen.
Aber das werden wir vermutlich nicht erleben.
Die Funkzellenabfrage hat sich – und darüber bestand im Rechtsausschuss, jedenfalls mehrheitlich, Einigkeit – als ein wesentliches Mittel der Strafverfolgung herausgestellt, mit dem in den letzten Monaten und Jahren schwerwiegende Straftaten aufgeklärt werden konnten. Auch der Eindruck, den die Piratenfraktion an dieser Stelle suggerieren möchte, dass ein ganz überwiegender Anteil der Strafverfahren mit Funkzellenabfrage bearbeitet wird, ist nicht zutreffend. Es gibt im Land Berlin im Jahr 500 000 Strafverfahren. Davon werden lediglich 500, also 0,1 Prozent, über diese Methode bearbeitet.
Darüber hinaus muss man bei der Bewertung der Schwere des Grundrechtseingriffs berücksichtigen, dass es sich hier um anonymisierte und nicht individualisierte Funkzellenabfragen handelt. Eine Individualisierung einer Person ist immer erst dann möglich, wenn weitere Tatsachen hinzukommen, was bedeutet, dass der Grundrechtseingriff für den unbeteiligten Einzelnen sehr gering ist.
Genau vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem Interesse des einzelnen Bürgers an einer Information zu beurteilen. Natürlich ist dabei auch abzuwägen, inwiefern eine Information der Betroffenen, sei es per SMS oder per Veröffentlichung im Internet, möglich ist. Ein solches Informationssystem muss verschiedene Kriterien erfüllen. So muss zum einen verhindert werden, dass kriminelle Kreise darüber Informationen über die Ermittlungen ziehen können. Zweitens ist darauf zu achten, dass durch eine Veröffentlichung im Internet der Eingriff in Grundrechte für die Betroffenen nicht noch weiter verstärkt wird. Drittens ist zu klären, welche Anfechtungsmöglichkeiten für die Betroffenen bestehen und welche Anforderungen an die Form der Benachrichtigung zu stellen sind.
Was die Variante der Veröffentlichung im Internet angeht, so hat die Senatsverwaltung in ihrem Zwischenbericht aus dem Jahr 2013 meiner Meinung nach die Ungeeignetheit dieses Instruments bereits überzeugend dargelegt.
So wird mit der Veröffentlichung zu erwartender Rückfragen der Betroffenen bei Polizei und Staatsanwaltschaft
überhaupt erst ein individueller Bezug hergestellt und der Grundrechtseingriff damit verstärkt statt abgeschwächt.
Auch die Information per SMS ist im Hinblick auf die rechtlichen und technischen Anforderungen nicht unproblematisch, auch wenn die Piratenfraktion hierzu anderer Auffassung ist.
Anders als hier suggeriert wird, wurde das Projekt von der zuständigen Senatsverwaltung sofort gestartet. Zur Umsetzung des Konzepts wurde Dr. Buermeyer, Richter am Landgericht und ausgewiesener Fachmann, der sich auch vertieft mit IT-Fragestellungen befasst hat, hinzugezogen. Es hat sich herausgestellt, dass das Projekt u. a. wegen der Einbindung verschiedener Ressorts, vom LKA bis zu den Gerichten, Strafverfolgungsbehörden und ITDZ, mit einem erheblichen Programmieraufwand technisch höchst anspruchsvoll ist. Kollege Lauer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es dieses Projekt weltweit in dieser Form noch nirgendwo gibt.
Daneben stellen sich verschiedene verfassungs- und datenschutzrechtliche Probleme. So ist neben der bundesgesetzlichen Sperrwirkung der Benachrichtigungspflicht in § 101 Abs. 4 StPO für Berliner Landesrecht auch zu prüfen, ob das Verfahren aus kompetenzrechtlicher Sicht mit der StPO vereinbar ist.
Dennoch arbeitet die Senatsverwaltung für Justiz mit Hochdruck an der Einführung eines SMS-Informationssystems und befindet sich darüber seit Monaten in intensiven und konstruktiven Abstimmungen mit dem jeweiligen Datenschutzbeauftragten. Schließlich ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zu berücksichtigen, dass die Einführung eines SMS-Informationssystems auch die Schaffung von neuen Datenbanken nach sich zieht.
Der Start des Pilotprojekts dauert länger als erwartet, das ist völlig unbestritten. Allerdings gilt auch in diesem Bereich und insbesondere beim Umgang mit sensiblen Daten: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, schließlich geht es hier um ein weltweit bisher einzigartiges Projekt.
Der Antrag der Piraten zielt offensichtlich darauf ab, ein grundsätzlich sinnvolles Element der StPO, nämlich die in § 101 Abs. 4 StPO normierte Benachrichtigungspflicht auszuhebeln und die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden stattdessen erheblich zu erschweren.
Das Pilotprojekt ist bestehende Beschlusslage in diesem Haus, eines weiteren Beschlusses bedarf es deshalb zur Umsetzung nicht. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Das liegt vermutlich daran, dass das Präsidium nicht will, und nicht daran, dass es nicht kann, an der Technik, die hier versagt.
Herr Lauer! Anders als Sie habe ich jedenfalls zugehört. Das ist bei Ihnen offenbar nicht der Fall. Das verwundert aber nach den letzten viereinhalb Jahren auch nicht so richtig. Weder ich noch der Senator haben gesagt, dass es an Herrn Richter am Landgericht Buermeyer liegt. Ganz im Gegenteil! Wir haben beide die Qualifikation von Herrn Dr. Buermeyer herausgestellt, und wir haben beide darauf hingewiesen, dass er inhaltlich geeignet ist, dass er qualifiziert ist und dass er auch will und dass es andere Gründe gibt, die dazu führen, dass es noch nicht in der wünschenswerten Zeit umgesetzt ist.
Ich finde es übrigens ganz bemerkenswert, Herr Lauer, dass Sie, statt zuzuhören – aber das haben auch schon Ihre Beiträge vorher dargelegt –, jetzt mit dem Handy spielen. Das ist bestimmt eine sinnvolle Diskussion an dieser Stelle!
Noch viel spannender finde ich den Umstand, dass Sie mit zweierlei Maß messen. Sie erzählen etwas von Grundrechtseingriffen, die eklatant und in dieser Form nicht hinzunehmen seien und gegen die die Senatsverwaltung nichts unternehme, finden es aber selbstverständlich, dass man jemandem, der die Handynummer gewechselt hat, die Information darüber mitteilt, wer vor ihm diese Handynummer benutzt hat und wo der sich befunden hat. Sie finden es auch völlig selbstverständlich, dass die Ehefrau, die Freundin, die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte oder der eingetragene Lebenspartner Dinge liest, die derjenige, dessen Handy es ist, möglicherweise
(Christopher Lauer)
nicht erfahren möchte. Sie müssen sich mal entscheiden, wo Sie stehen, wie wichtig Ihnen der Datenschutz ist und wie wichtig Ihnen die Grundrechtseingriffe sind.
Denn das Maß, wie Grundrechte zu würdigen sind, ist immer das gleiche – egal, ob es den Piraten gerade gefällt oder nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie viele Personen haben seit Anfang des Jahres von der Freiwilligen-Rückkehr-Beratung im LAGeSo Gebrauch gemacht, und welche Maßnahmen sind notwendig, um die Zahl der freiwilligen Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern zu erhöhen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jedenfalls ganz bemerkenswert, wie schnell die Linksfraktion ihre Meinung geändert hat von: Das Gesetz wird ganz sicher verfassungsgemäß nicht standhalten. –
bis hin zu: Es gab ein paar Fragen. – Herr Dr. Lederer! Sie haben wörtlich gesagt: Das werden uns die Verfassungsgerichte in dieser Form um die Ohren hauen.
Ich habe vorhin noch einmal nachgelesen, wie die Parlamentsdebatte Anfang 2014 gelaufen ist.
Wir haben also einen Erkenntnisgewinn bei der Linksfraktion, der das Gesetz jetzt verfassungsgemäß macht.
Grundsätzlich ist die Vermeidung von Interessenkollisionen natürlich wünschenswert, richtig und wichtig, allerdings muss sie in den Kontext passen, und sie muss vor allem machbar sein. Gesetze, die das Verfassungsgericht hinterher für nicht haltbar erklärt – – Dreistufentheorie des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958. Vielleicht wird Berlin Verfassungsgeschichte schreiben, und die Dreistufentheorie wird sich in Wohlgefallen auflösen. Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht.
Grundsätzlich halte ich fest, dass es aus Sicht der CDU richtig ist, wenn Senatsmitglieder nach ihrer politischen Tätigkeit wieder einer anderweitigen Beschäftigung nachgehen – nicht nur, weil es dem Steuerzahler Geld spart – Stichwort Übergangsgelder –, sondern auch, weil es das normale Modell abbildet, wonach Menschen sich entschließen, für einen bestimmten Lebensabschnitt politische Verantwortung zu übernehmen, und sowohl davor als auch danach in ihrem Beruf tätig sind. Ich warte schon darauf, dass die Grünen oder der Kollege Dr. Behrendt auch die Berufstätigkeiten begrenzen wollen, aus denen sich Senatsmitglieder rekrutieren können. Es könnte ja auch mit dem zuvor ausgeübten Beruf Interessenkollisionen geben.
Wenn man nur noch Senator oder Staatssekretär werden darf, wenn man weder vor noch nach dem politischen Amt einen anderweitigen Beruf ausgeübt hat, blieben nur noch die Kollegen aus den Fraktionen übrig, in denen man traditionell neben dem Mandat keinen Beruf ausübt, also aus der Schule beziehungsweise der Universität direkt ins Parlament und weiter in den Senat wechselt. Nein, das ist nicht meine Wunschvorstellung von Senatsmitgliedern. Ich wünsche mir Senatoren und Staatssekretäre, die auch in ihrer vorherigen Berufstätigkeit mitten im Leben standen und praktische Erfahrung haben – gleich, ob als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer –, Kompetenzen, die sie im Idealfall befähigen, ein Regierungsamt auszuüben, mitbringen und nach einem gewissen Lebensabschnitt wieder in einem bürgerlichen Beruf ankommen.
Nun von meinen Wunschvorstellungen zum politisch Machbaren: Wir hatten schon Anfang 2014 darauf
(Dr. Klaus Lederer)
hingewiesen, dass die Verfassungsgemäßheit des Gesetzentwurfs problematisch sein könnte. Ich wundere mich, Herr Dr. Behrendt, dass Sie mit dem gleichen Gesetzentwurf, ohne über die Konkretisierung und Substantiiertheit dessen, was Sie aufgeschrieben haben, nachzudenken, wieder in die Beratung gegangen sind. Was soll eigentlich nach Auffassung der Grünen passieren, wenn man seinen ausgeübten Beruf für die Dauer eines Regierungsamts ruhen lässt, anschließend in diesen Beruf zurückkehrt und es auch noch ähnliche Tätigkeitsbereiche sind bzw. in einem großen Unternehmen gar nicht klar differenziert werden kann, in welchem Bereich das Senatsmitglied tätig ist? Sie, Herr Kollege Behrendt, wollen mit dem Gesetzentwurf der Politik oder den Politikern zu mehr Ansehen verhelfen, und das auch um den Preis der verfassungswidrigen Einschränkung der in Artikel 12 Grundgesetz verbrieften Berufsfreiheit. Was Sie aber tatsächlich erreichen würden, wäre noch weniger Qualität beim politischen Personal. Wer soll denn, wenn er im bürgerlichen Leben einen lukrativen Beruf ausübt, bei gekürzten Übergangsgeldern, wenig Ansehen, permanentem öffentlichen Kreuzfeuer, ohnehin nicht mit der freien Wirtschaft vergleichbaren Gehältern und dann noch langen und mit unbestimmten Kriterien versehenen Karenzzeiten ein Senatsamt übernehmen? Herr Dr. Behrendt! Es ist vermutlich Werbung in eigener Sache. Richter sind nach diesem Gesetzentwurf die einzigen potenziellen Kandidaten, die noch als Senatsmitglieder übrig bleiben. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich hier heute zum dritten Mal binnen weniger Monate zum selben Thema rede, freue ich mich nach wie vor ungemindert, dass mit dem einmaligen Feiertag zum Gedenken des historischen Ereignisses der Reformation vor 500 Jahren ein würdiger und angemessener Rahmen gefunden worden ist. In diesen Tagen merkt der eine oder andere von uns, wie wichtig auch das wahrnehmbare Leben und Erleben der eigenen Kultur und Geschichte eines Landes ist. Da die Reformation Martin Luthers sowohl das christliche als auch das kulturelle Deutschland in den letzten 500 Jahren geprägt hat, ist der einmalige Feiertag auch eine gute Gelegenheit, sich mit dem Ereignis der Reformation und deren Auswirkungen auf unser Land und unsere Gesellschaft zu befassen. Ich hoffe, dass auch der Feiertag den Anstoß gibt, sich zum Beispiel an Schulen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen mit der auch kulturhistorischen Bedeutung des 500. Jahrestags der Reformation intensiver zu befassen, wenn dieser Tag durch den einmaligen Feiertag nochmals wahrnehmbar hervorgehoben wird.
Zur geschichtlichen, kulturellen und religiösen Bedeutung der Reformation habe ich bereits in meinen letzten beiden Reden ausgeführt. Ich bin sicher, das ist in Erinnerung geblieben,
sodass ich auf die Wiederholung verzichten kann.
Wichtig ist mir allerdings, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Reformation, Aufklärung und das respektvolle gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Religionen Hand in Hand gehen. Nicht nur die Reformation, sondern auch diese Erkenntnisse der letzten 500 Jahre haben uns und unsere Gesellschaft in Deutschland geprägt und machen vieles aus, was wir heute für selbstverständlich halten, so z. B. auch die Trennung von Staat und Kirche und die damit verbundene Neutralitätspflicht des Staates. Ich freue mich mit und für Berlin auf das
Reformationsjubiläum 20017 und auch auf den im selben Jahr in Berlin und Wittenberg stattfindenden evangelischen Kirchentag. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war versucht, die Rede des Kollegen Lenz von vor drei oder vier Monaten einfach mal vorzulesen, weil das Thema hier ja in regelmäßigen Abständen immer wieder neu diskutiert wird. Nach wie vor lehnen wir den Antrag der GrünenFraktion, auf V-Leute zu verzichten, ab. Für jeden demokratischen Nachrichtendienst sind V-Leute ein unverzichtbares Aufklärungsmittel.
Besonders im Bereich des gewaltbereiten Extremismus und Terrorismus sind V-Leute erforderlich, da sich solche Gruppen erfahrungsgemäß abschotten, konspirativ planen und sich mit anderen Maßnahmen nur schwer beobachten lassen. Der Einsatz menschlicher Quellen ist daher nicht oder nicht vollständig verzichtbar. Eine wehrhafte Demokratie darf sich aber nicht vorsätzlich taub und stumm stellen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die zunehmende Gewalt von rechtsextremer, linksextremer und islamistischer Seite.
Die Begründung des Grünen-Antrags verweist übrigens fälschlicherweise auf den NSU-Komplex, in dem sehr viele sehr bedauerliche Dinge passiert sind, allerdings kein V-Mann vom Berliner Verfassungsschutz beteiligt war.
Auch wird der falsche Eindruck erweckt, dass mit dem Geld für V-Leute extremistische Strukturen in Berlin erst hätten entstehen können. Dabei müssten die Grünen eigentlich wissen, dass die Bezahlung der V-Leute in Berlin so gering ist, dass sich daraus keine Strukturen finanzieren lassen, zumal es auch V-Leute gibt, und zwar gar nicht so wenige, die aus nicht finanziellen Gründen beim Verfassungsschutz Informationen abliefern.
Die Begründung ist auch hinsichtlich der angeblich fehlenden Unterrichtung über den Einsatz von V-Leuten
durch die Senatsinnenverwaltung falsch. Der Verfassungsschutzausschuss wird über die Erkenntnisse von VLeuten sowohl abstrakt als auch konkret unterrichtet, allerdings zugegebenermaßen meistens in nichtöffentlichen oder geheimen Sitzungen. Trotzdem lassen sich manche dieser Erkenntnisse danach in den Zeitungen nachlesen.
Hinzu kommt, dass die Berliner Vorschriften für die Gewinnung und Führung von V-Leuten sehr viel restriktiver sind als die Vorschriften in anderen Bundesländern oder im Bund. Auch nach Reformen des Verfassungsschutzes aufgrund der Erfahrungen aus dem NSUSkandal sind die Regelungen auf Bundesebene im Bereich der V-Leute immer noch nicht so restriktiv wie in Berlin.
Die Grünen konnten sich übrigens mit ihrer Forderung nach Abschaffung von V-Leuten nicht einmal in Thüringen durchsetzen, wo sie in Regierungsverantwortung sind.
Es steht zwar in ihrem Wahlprogramm, die Abschaffung von V-Leuten beim Verfassungsschutz, allerdings hat es nach Regierungsübernahme nichts dergleichen gegeben.
Nach heftiger Kritik der Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer und des Bundes wird es auch weiterhin VLeute beim Verfassungsschutz in Thüringen geben.
Richtigerweise sind die V-Leute nicht immer vertrauenswürdig. Das ist zutreffend. Deshalb verlässt sich der Verfassungsschutz – auch das dürfte bekannt sein – nicht auf Aussagen von V-Personen, sondern prüft diese immer durch andere nachrichtendienstliche Mittel gegen. Aber ein vollständiges Bild ergibt sich häufig nur durch die zusätzlichen Informationen der V-Leute.
Der Antrag der Grünen vermittelt den Eindruck, als ob der Verfassungsschutz eine Armee an V-Leuten führe. Dabei müssten die Grünen aus den Berichten im Verfassungsschutzausschuss wissen, dass V-Leute lediglich in einer sehr geringen Anzahl vom Verfassungsschutz geführt werden. Im Übrigen würde ich gern verstehen, warum Sie beim Verfassungsschutz die V-Leute abschaffen wollen, beim Staatsschutz des LKA aber offenbar nicht.
Auch aus Sicht der Grünen geht es wohl doch nicht ganz ohne V-Leute. Trotz der schlimmen Erfahrungen aus dem NSU-Skandal bleibt der punktuelle rechtsstaatliche Einsatz von V-Leuten nach Ansicht der CDU-Fraktion auch weiterhin gerechtfertigt und notwendig. – Vielen Dank!
(Hakan Taş)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass uns heute ein Gesetzentwurf vorliegt, womit im Gesetz über die Sonn- und Feiertage der einmalige Feiertag zum Gedenken des historischen Ereignisses des Reformationstages vor 500 Jahren am 31. Oktober 2017 geregelt wird.
Grundsätzlich ist der 31. Oktober, der Reformationstag, ein religiöser Feiertag für evangelische Christen, jedoch kein gesetzlicher Feiertag für die gesamte Bevölkerung. Es wird jedoch auch der kulturhistorischen Bedeutung des 500. Jahrestages des Reformationstages gerecht, wenn an diesem Tag die gesamte Bevölkerung die Möglichkeit erhält, das Reformationsjubiläum zu begehen. Auch unabhängig von der religiösen Bedeutung, die natürlich beim Reformationstag im Vordergrund steht, hat die in Deutschland durch Martin Luther eingeleitete Reformation gesellschaftlich und kulturell erheblichen Einfluss auf die Fortentwicklung Deutschlands genommen. In der Folge der Trennung der evangelischen Kirche von der katholischen Kirche musste man sich auch gesellschaftlich mit der Frage der Toleranz zwischen den Religionen auseinandersetzen. Dieser Problematik hat sich auch die Literatur wie z. B. Lessing in seiner Ringparabel häufig angenommen, und auch heutzutage schadet die lebendige Erinnerung daran, dass sich nicht nur die Religionen untereinander, sondern auch sämtliche weltanschaulichen Vereinigungen untereinander Akzeptanz und Toleranz schulden, im Zusammenleben einer pluralistischen Gesellschaft nichts.
Die Reformation schuf die Voraussetzungen für die Aufklärung in Deutschland und in Europa. Den Wert der Persönlichkeit des Einzelnen und dessen unumstößliche Freiheit und Individualität rückte erst die Aufklärung in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Eine weitere Folge der Aufklärung war auch die Trennung von Kirche und Staat, und an Beispielen wie dem sogenannten Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts, dem Berliner Neutralitätsgesetz und vielem mehr wird auch heutzutage immer wieder deutlich, wie wichtig die Grundgedanken von Reformation und Aufklärung für die christlich-abendländische Kultur auch heute noch sind.
In allen anderen Bundesländern wird der Jubiläumsreformationstag im Jahr 2017 durch einen gesetzlichen Feiertag begangen werden. Auch wenn uns durchaus bewusst ist, dass die Einführung dieses einmaligen Feiertages für den Einzelhandel zu Umsatzeinbußen führen könnte, so dürfte doch davon auszugehen sein, dass insgesamt durch das Reformationsjubiläum und auch den in Berlin stattfindenden Kirchentag etwaige Umsatzverluste zumindest aufgefangen, wenn nicht sogar wiedergutgemacht werden. Im Übrigen würde es auch komisch anmuten, wenn ausgerechnet Berlin mit seiner Nähe zur historischen Lutherstadt Wittenberg des 500-jährigen Jubiläums nicht angemessen gedenken würde. Ich freue mich daher sehr, dass diese Initiative der CDU zur Einführung des einmaligen Reformationstages eine breite Mehrheit gefunden hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich zu Beginn der Rede, weil es offenbar angezeigt ist, darauf hinweisen, dass ich in keiner Form betroffen bin. Ich bin weder lesbisch noch verheiratet und habe trotzdem ein Kind. Übrigens hat mich mein Kind noch nie gefragt, ob und warum wir nicht verheiratet sind. In der Kita unseres Kindes ist die Großzahl der Eltern nicht verheiratet. Das ist auch ein Teil der Lebensrealität in dieser Stadt.
Der Antrag, über den wir heute diskutieren, fordert eine Bundesratsinitiative,
um Ehe und Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Partner/-innen endlich umfassend gleichzustellen und die Ehe zu öffnen.
Die Aktualität für diesen Antrag speist sich offenbar daraus, dass vor etwa 14 Tagen in Irland ein Referendum stattgefunden hat, in dem sich eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare ausgesprochen hat. Irland ist übrigens ein Land, in dem es keine der eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbare Institution gibt.
Vor etwa zwei Jahren hat sich Kroatien in einem Referendum gegen die Homoehe entschieden. Ich kann mich nicht erinnern, dass seinerzeit eine Bundesratsinitiative stattgefunden hätte, die eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland wieder abzuschaffen.
Wie dem auch sei: Es hat sich in den letzten drei Wochen in Deutschland nichts, aber auch gar nichts, verändert, was die Eile rechtfertigt, mit der hier und heute 2 000 Jahre alte gesellschaftliche Einrichtungen abgeschafft werden sollen.
Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass hier versucht wird, mit medialem Rückenwind ein Thema mit sehr weitreichenden Folgen durchzupeitschen, weil man befürchtet, Ergebnisse herauszubekommen, die möglicherweise nicht gewollt sind, wenn sich die Gesellschaft länger und ernsthaft mit diesem Thema befassen wollte.
(Anja Kofbinger)
Wenn die Grünen-Fraktion nun meint, aus der Enthaltung des Landes Berlin im Bundesrat einen Skandal machen zu können, so darf ich nur auf Hessen verweisen. Ich gehe sicher davon aus, dass Herr Al-Wazir dort nicht aus der Koalition austreten wird. Ich vermute, dass im dortigen Koalitionsvertrag das Gleiche geregelt ist wie in Berlin.
Die CDU-Fraktion steht selbstverständlich dafür ein, bestehende Diskriminierungen weiter abzubauen.
Diskriminierungen schafft man nicht in erster Linie durch Gesetze, sondern durch einen Diskussions- und Erkenntnisprozess in der Gesellschaft ab.
Dass die Piraten –
als eine Partei, bei der zwei Drittel der Mitglieder wegen Mitgliedsbeitragsrückständen ausgeschlossen werden, mit Mitgliedsbefragungen nichts mehr am Hut hat, liegt auf der Hand.
Diskriminierung schafft man in erster Linie durch einen Diskussions- und Erkenntnisprozess in der Gesellschaft ab. Genau diesen hat die Berliner CDU mit ihrer Mitgliedsbefragung angestoßen. Seien Sie versichert, dass wir die Ehe für alle sehr ernsthaft und ausführlich diskutieren und dann schauen wollen, was bei der Befragung herauskommt.
Nun zur Sache: Welche volle Anerkennung, die gesetzlich veranlasst werden kann, bleibt den queerliebenden
Eltern und deren Familien versagt? Die Sukzessivadoption gibt es schon. Steuerlich, erbrechtlich, beamtenrechtlich, alle Rechten und Pflichte sind doch längst der Ehe gleichgestellt.
Tatsächlich scheinen mir, rein sachlich betrachtet – Herr Schatz, hören Sie doch einmal zu, oder gehen Sie hinaus, wenn es Ihnen nicht gefällt –, zwei Fragen stehenzubleiben, die wir diskutieren sollten, auch wenn sie in dem Antrag nicht explizit erwähnt sind. Zum einen soll die Ehe nicht mehr wie in den letzten 2 000 Jahren auf der ganzen Welt exklusiv nur noch für Männer und Frauen geschlossen werden können. Zweitens soll die Adoption auch von gleichgeschlechtlichen Paaren erfolgen können.
Ich möchte mit der Frage beginnen, dass die Ehe jedenfalls bislang per Definition übrigens auch des Bundesverfassungsgerichts nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden konnte. Warum möchten Sie nun ein Aliud so behandeln, also den gleichen Namen für eine Institution einrichten, ohne dass sich in rechtlicher Hinsicht hierdurch irgendetwas verbessern würde?
Ich möchte die Frage am Beispiel der Gleichberechtigung der Frauen noch deutlicher machen. Nicht einmal Alice Schwarzer hat jemals gefordert, Frauen als Männer anzuerkennen. Eine rechtliche Gleichstellung soll es geben, aber warum unter dem Institut der Ehe?
Die Ehe ist exklusiv für Männer und Frauen – das werden Sie auch politisch nicht ändern können, –
weil Männer Kinder zeugen und Frauen sie gebären. Nur aus Beziehungen zwischen Männern und Frauen können Kinder hervorgehen. Deswegen ist und bleibt eine Beziehung zwischen Mann und Frau unabhängig von kulturellen, theologischen oder gesellschaftlichen Überlegungen etwas ganz Besonderes und Unvergleichliches.
Im Übrigen wurden noch immer etwa zwei Drittel der im Jahr 2013 Geborenen – 682 000 Kinder – in Deutschland in Ehen geboren. Sollen – an dieser Stelle finde ich die Überlegung der saarländischen Ministerpräsidentin keinesfalls an den Haaren herbeigezogen – künftig eigentlich auch WGs, enge Freunde und Geschwister unter den Schutz der Ehe fallen dürfen? Wenn nein, warum eigentlich nicht?
Es handelt sich häufig um auf lange Zeit angelegte Gemeinschaften, die füreinander Verantwortung übernehmen und sich vielleicht ebenso den Traum von Kindern erfüllen möchten. Mit welchem Argument soll man diesen Menschen die Eheschließung versagen? Soll in die Definition der Ehe, um diesen Aspekt auszuschließen, künftig aufgenommen werden, dass es sich um eine Beziehung zwischen Menschen handeln muss, die auf einer sexuellen Grundlage basiert? Warum dürfen, wenn wir schon bei der Neuregelung sind, eigentlich nur zwei Menschen miteinander die Ehe schließen?
Ich bin – meine Kollegen aus dem Rechtsausschuss wissen das – kein Fan davon, Verfassungen schnell einmal zu ändern, ohne die Folgen zu Ende zu denken.
Diese Zeit zur Diskussion sollten wir uns auch nehmen, es sei denn, es geht Ihnen gar nicht um die Sache, sondern nur um Symbolik.
Wie ist es nun mit der Adoption? Hier soll das abstrakte Kindeswohl ohne Wenn und Aber im Vordergrund stehen. Natürlich sind adoptierte Kinder immer Wunschkinder, denen eine besondere Fürsorge zuteilwird. Natürlich ist jedes Kind bei liebenden Eltern gleich welcher geschlechtlichen Orientierung besser aufgehoben als in einem Heim. Allerdings braucht es hierfür nicht die Änderung des Artikels 6 Grundgesetz, sondern eine Reform des Adoptionsrechts. Wenn wir die in Angriff nehmen, sollten wir auch die vielen weiteren Menschen in Deutschland mit völlig berechtigtem Kinderwunsch berücksichtigen. Warum kann denn die alleinstehende Frau oder der alleinstehende Mann, die oder der den Partner für das Leben noch nicht gefunden hat, in Deutschland keine Kinder adoptieren?
Es ist doch längst gesellschaftliche Realität, dass Alleinerziehende bei uns leben.
Warum gibt es immer noch eine Altersgrenze, die jeweils weit unter der biologischen Altersgrenze liegt, mit der
Frauen Kinder bekommen? Warum sind so viele Paare und alleinstehende Menschen in Deutschland gezwungen, zur Adoption ins Ausland zu fahren? Hier sehe ich tatsächlich dringenden Handlungsbedarf und zwar im Interesse der Kinder.
Wenn man allerdings die Zahlen betrachtet, scheint die Diskussion um die Adoption doch eher symbolischen Charakter zu haben. Im Jahr 2013 gab es in Deutschland insgesamt 3 793 Adoptionen. Abzüglich der Adoption von Stiefeltern verbleiben noch 1 555 adoptierte Kinder. Wenn Sie davon noch die Verwandschaftsadoptionen abziehen, sind wir bei einer Zahl weit unter 1 000 Kindern, die im Jahr adoptiert werden können. Was folgt daraus? Als nächstes wird es den Wunsch nach der Leihmutterschaft oder der Eizellenspende in Deutschland geben, damit sich auch alle gleichgeschlechtlichen Paare den Kinderwunsch erfüllen können. Ist die Leihmutterschaft ethisch zu Ende durchdacht? Was heißt es eigentlich für Kinder, mit einer solchen Herkunft zu leben?
Alles in allem drängt sich der Eindruck auf, dass es der versammelten Opposition hier um reine Symbolpolitik geht. Wenn Sie diese brauchen, bitte sehr! Der Sache selbst leisten Sie damit keinen guten Dienst.
Wir jedenfalls werden die nächsten Wochen und Monate nutzen, um hier in einen ernsthaften Diskurs mit der Berliner Gesellschaft einzusteigen.
Auch wenn Sie es nicht für möglich halten, gibt es in Berlin große Bevölkerungsteile, die keineswegs für eine Gleichstellung und Öffnung der Ehe eintreten. Ich verstehe es als unser Anliegen als CDU, auch diese Bevölkerungsteile ernsthaft in die Diskussion mit einzubeziehen.
Wesentliche gesellschaftspolitische Entscheidungen möchte ich weder dem Bundesverfassungsgericht überlassen, noch möchte ich sie mit knappen Mehrheitsverhältnissen über das Knie brechen.
Mit der Änderung von Gesetzen und sei es auch der deutschen Verfassung ist den Betroffenen nicht allein gedient, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Wenn es
Ihnen um die endgültige Abschaffung von Diskriminierung geht, unterstützen Sie uns dabei, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, statt mit pawlowschen Reflexen vermeintlich überholte Positionen anzuprangern.
Meine Damen und Herren! Kollege Dr. Lederer! Wir können, was das Thema angeht, sehr gerne im Gespräch bleiben. Ich glaube auch, dass es keinen Dissens zwischen allen Fraktionen gibt, dass die Formulierung „Rasse“ nicht glücklich ist, und dass wir uns einig sind, dass eine andere Formulierung besser wäre. Allein, es bleibt,
dass die Anhörung nicht ergeben hat, wie die Formulierung sein könnte. Thüringen hat in der Tat seine Verfassung in „ethnische Zugehörigkeit“ geändert. Dazu hat mindestens einer der Anzuhörenden im Rechtsausschuss gesagt, dass das eine Einschränkung des Schutzbereiches wäre und man im Übrigen, wenn man Rassismus meine, auch Rassismus sagen müsse, weswegen Ethnie kein geeignetes Synonym wäre, das man an dieser Stelle einsetzen könnte.
Einer der Anzuhörenden hat gesagt, „rassistisch“ wäre die richtige Formulierung. Der zweite hat gesagt, „rassistische Gründe“ wäre die richtige Formulierung, und der dritte hat gesagt, „Diskriminierung aufgrund der Rasse“ wäre eine gute Formulierung.
Bei vier Anzuhörenden und drei Formulierungsvorschlägen finde ich, dass es nicht ganz einfach ist zu entscheiden, wie die glücklichste, beste sprachliche Regelung ist. Wir ändern nicht irgendeine Verordnung oder irgendein Gesetz, sondern die Verfassung eines Bundeslandes. Da finde ich, dass man sich auch sprachlich, grammatikalisch und was den Schutzbereich angeht, gründlich Gedanken darüber machen sollte. Nichtsdestotrotz bin ich und ist auch meine Fraktion nach wie vor offen dafür, das Thema weiter zu erörtern und darüber nachzudenken, ob sich eine Formulierung findet, mit der sich alle Fraktionen und auch die Sachverständigen abfinden können.
Lieber Kollege Lederer! Sie haben den Eindruck erweckt, es gäbe noch ganz viele Bundesländer. Es gibt genau Brandenburg und Thüringen, alle anderen haben inklusive des Grundgesetzes das Wort „Rasse“ in dem entsprechenden Artikel stehen oder verweisen auf den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, in dem „Rasse“ steht. Das wird nicht daran liegen, dass allen anderen Bundesländern in Deutschland nicht aufgefallen ist, dass die Formulierung „Rasse“, vorsichtig ausgedrückt, möglicherweise sehr unglücklich und längst überholt ist, sondern an demselben Problem, vor dem wir gestanden haben: Es fehlt schlicht die Entscheidung oder die Frage, was tatsächlich als geeigneter Begriff zu nehmen wäre, der gleichzeitig den Schutzbereich nicht einschränkt und nicht zu einer Veränderung der Rechtsprechung führt; denn das ist, glaube ich, das Letzte, was wir wollen, dass sich an der Stelle tatsächlich die Rechtsprechung verändern bzw. negativ verändern würde.
(Dr. Klaus Lederer)
Wir bleiben also bei unserer momentanen Entscheidung, nicht weil wir die Formulierung „Rasse“ glücklich finden, sondern weil wir nach der Anhörung zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es keinen übereinstimmenden glücklicheren, besseren, juristisch passenderen Begriff gibt. Ein Verschlimmbessern der Verfassung beseitigt das Problem, glaube ich, nicht, sondern macht es eher schlechter als besser. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Wie begründet der Senat, dass es religiöse Feiertage gibt, für die Schülerinnen und Schüler in Berlin ganztägig vom Unterricht beurlaubt werden, und andere, für die lediglich bis zu zwei Stunden Beurlaubung vom Unterricht gewährt wird?
Heißt das, Frau Senatorin, dass ich Sie richtig verstanden habe, dass es für sämtliche religiösen Feiertage eine ganztägige Befreiung vom Unterricht und nicht nur zwei oder drei Stunden geben kann?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass es gelungen ist, auf Initiative der CDU-Fraktion auch in Berlin eine Mehrheit für die Einführung eines einmaligen Feiertags zum fünfhundertjährigen Jubiläum des Reformationstags im Jahr 2017 zu finden. Alle anderen Bundesländer haben am 31. Oktober entweder einen regulären Feiertag, oder sie haben sich bereits darauf verständigt, im Jahr 2017 einen einmaligen Feiertag einzuführen. Für Protestanten hat der 31. Oktober alljährlich eine besondere Bedeutung. Vor 500 Jahren hat Matin Luther mit dem Anschlag der 95 Thesen in Wittenberg die protestantische Reformation in Deutschland und Europa eingeleitet.
Neben der Reformation des katholischen Glaubens hatten die Reformation und Martin Luther auch kulturhistorisch erhebliche Bedeutung in Deutschland und Europa. Martin Luther hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass alle Gläubigen den Inhalt ihres Glaubens auch aus eigener Wahrnehmung erfahren können, nämlich mit der Lutherbibel. Allein für die Ausbreitung und Entwicklung der hochdeutschen Sprache dürfte die Lutherbibel eine erhebliche Bedeutung gehabt haben. Auch an der zunehmenden Alphabetisierung hat die Lutherbibel und ihre Verbreitung ihren Anteil. Martin Luther legte mit seiner Lehre den Grundstein für die Befreiung des Einzelnen aus dem unmündigen Kollektiv und etablierte die Vorstellung von Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit, nach der die Freiheit nicht nur im Sinne der Solidarität zu beschränken, sondern andererseits auch zu fördern ist – eine Vorstellung, die auch heute noch in unserer sozialen Marktwirtschaft ihren Niederschlag findet. Letztlich hat die reformatorische Lehre Martin Luthers der Aufklärung in Deutschland den Boden bereitet.
Allerdings auch in politischer Hinsicht kann Martin Luther heute noch Vorbild sein. Deshalb lohnt es sich, das fünfhundertjährige Jubiläum zu feiern und für alle Deutschen und Berlinerinnen und Berliner wahrnehmbar zu machen, indem es ein einmaliger Feiertag ist. Luthers Lehren machen Mut dazu, Missstände nicht einfach zu akzeptieren und hinzunehmen, sondern vielmehr kritisch zu hinterfragen, anzuprangern und ihre Lösung anzuge
hen. Letztlich sind das die Voraussetzungen, ohne die die freiheitlich-demokratische Grundordnung heute nicht möglich wäre.
Mit der Einführung des einmaligen Feiertags verbindet die CDU-Fraktion die Hoffnung, dass die Lehren und Vorstellungen von Martin Luther auch über die rein religiösen Fragen hinaus bei einem Großteil der Berlinerinnen und Berliner ins Gedächtnis gerufen werden. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Hämmerling! Ein Verkehrsmittel, das aus einer anderen Zeit gefallen, zu langsam und gefährlich ist – ich habe für einen kurzen Moment gedacht, dass Sie von Fahrrädern reden, aber es waren tatsächlich die Pferdefuhrwerke.
Ich fange mit der Ständerhaltung an. Die Ständerhaltung – da gebe ich den Piraten völlig recht, nur der Antrag ist nicht sinnvoll – gehört in der Tat verboten. Es ist nicht artgerecht, und es gibt de facto in Berlin auch keine mehr. Ende der Neunzigerjahre sind in den letzten Schulstellen die Ständer alle abgerissen worden. Es sind Boxen daraus gemacht worden. Ich will nicht ausschließen, dass es den einen oder anderen quasi privaten Pferdehalter gibt. Dann muss man dem in der Tat nachgehen. Dafür brauchen wir keine neue Regelung.
Ständerhaltung gehört verboten, ist mit den Tierschutzgesichtspunkten nicht zu vereinbaren und findet auch in Berlin nicht mehr statt.
Im Übrigen, finde ich, hat der Antrag schon ein bisschen etwas von Realsatire. Ich nehme an, das mit den „Horden“ haben Sie nicht so ernst gemeint. Das sind weniger Hordentiere, sondern vielleicht doch eher Herdentiere. Die eine oder andere Horde befindet sich anderswo in Berlin, aber jedenfalls nicht bei den Pferden. Und mit den Lauftieren sind wahrscheinlich doch eher die Fluchttiere gemeint.
Dann kommen wir zu den Pferdefuhrwerken, die in Berlin unterwegs sind! Der Antrag liest sich typisch so, als wenn Großstädter meinen, dass sie aus menschlichen Gesichtspunkten beurteilen könnten, was für Tiere gut ist. Das ist allerdings nicht immer das, was dann für Tiere tatsächlich am Ende sinnvoll ist.
Das Laufen auf Asphalt beispielsweise ist für manche Pferde mit Hufeisen sowieso nicht das Schlechteste.
(Claudia Hämmerling)
Jedes Pferd, das einmal einen Sehnenschaden hatte, wird jeden Tag mehrere Stunden auf Asphalt geführt, weil es die Sehnen der Pferde stärkt. Wir haben an der Avus reihenweise Pferdeställe, 24 Stunden am Tag Verkehrslärm. Dass es den Pferden schlechter geht, dass sie höhere Tierarztkosten haben oder kürzere Lebensdauern, auf die Idee ist noch keiner gekommen. Das gibt es im Übrigen auch nicht, sonst würde niemand 500 Euro für eine Box im Monat bezahlen. Also vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag stehen haben, hat mit der Realität von Pferdehaltung und den Bedürfnissen von Pferden leider wenig zu tun.
Ich habe im Vorfeld zu diesem Antrag mit zwei, drei Tierärzten, die sich ausschließlich auf Pferde spezialisiert haben, telefoniert. Auch die sagen, sie hätten überhaupt keine Bedenken. Pferde sind Nutztiere, sie müssen und sollen beschäftigt werden und müssen sich vor allem bewegen. Und so manches Sportpferd – in Anführungsstrichen –, das 23 Stunden am Tag in einer Box steht, ist sicher unglücklicher als manches Pferd, das vor einer Kutsche durch Berlin läuft.
Zu der Leitlinie, muss ich allerdings zugeben, gibt es schon den einen oder anderen Verbesserungswunsch, den ich hätte und den wir auch gerne im Rechtsausschuss besprechen können. Ich habe gar nichts dagegen, dass die Pferde morgens mit Anhängern in die Stadt gefahren werden. Ich glaube auch, dass das in der Regel die meisten Pferde überhaupt nicht stört. Dass die Pferde keinen freien Tag verbindlich in der Woche haben, das empfinde ich schon als Problem,
dass die Pferde nicht einen Tag haben, wo sie mal auf der Koppel stehen können und sich frei von Menschen bewegen können,
das, finde ich, ist schon etwas, was man nachbessern kann. Ob die Ruheplätze unbedingt auf naturbelassenem Boden sein müssen, das weiß ich nicht so richtig. Dass die Pferde allerdings nicht in Ruhe Raufutter fressen können und nicht in ausreichenden Mengen, wie Pferde es nun einmal brauchen, das empfinde ich auch als ein Problem. Das ist in der Tat etwas, was man mit den Bezirken klären muss. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen sein. Das sind Dinge, über die man nicht diskutieren kann, weil das klar unter Tierschutzgesichtspunkten und auch aus veterinärmedizinischer Sicht ein Muss für Pferde ist. Grundsätzlich habe ich mit der Bewegung von Pferden und Pferdefuhrwerken in Berlin überhaupt kein Problem. Über die Details lassen Sie uns gerne im Rechtsausschuss reden, da können wir sicherlich an der Leitlinie noch das eine oder das andere verbessern. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Werter Kollege Behrendt! Ich habe Anhörungen in Ausschüssen bislang so verstanden, dass man den Anzuhörenden zuhört und nicht, dass das Parlament sich selbst zuhört. Wenn die Opposition das so versteht, dass man sich selbst zuhört und selber reden muss, dann, finde ich, ist das eine originelle Interpretation. Und wenn Sie sich an die Anhörung erinnern, dann war die Anhörung – glaube ich – so, dass insbesondere Herr Dr. Heischel die gute Zusammenarbeit auch mit der Senatsverwaltung und das gut funktionierende System gelobt hat.
Lieber Kollege Lux, ich habe vorne gesessen. Wenn Sie sich das Protokoll angucken, dann werden Sie genau zu dem Ergebnis kommen. – Aber jedenfalls sich ernsthaft hierhin zu stellen und zu sagen, bei einer Anhörung müssten die Parlamentarier reden, das wäre Sinn und Inhalt einer Anhörung, das kann wohl nicht ernst gemeint sein.
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Lederer! Wir sind uns ja einig: Die Vollzugsbeiräte zu stärken und besser zu verankern, ist grundsätzlich eine gute Idee. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass Sie mir erklären, welche Vorteile der Vollzugsbeauftragte hat, die die Anstaltsbeiräte und der Vollzugsbeirat nicht haben. Was soll der eigentlich mehr machen? Soll der nebenherarbeiten? Soll der alleine arbeiten? Soll er sie ersetzen? Wer soll eigentlich welche Kompetenzen haben? – Das habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden, und das ergibt sich auch aus dem Antrag nicht.
Danke! – Im Übrigen habe ich mir das einmal angeguckt – weil ja das Modell aus NRW immer als großes Vorzeigemodell herhält –: Der ab 1. Oktober, also seit gestern amtierende neue Vollzugsbeauftragte im Land NordrheinWestfallen ist seit 2003 Referatsleiter des Justizministeriums. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als einen unabhängigen, selbstständig agierenden Justizvollzugsbeauftragten jemanden haben wollen, der Referatsleiter im Justizministerium ist. Mich hat auch, ehrlich gesagt, das Modell in NRW ein bisschen überrascht. Aber jedenfalls kann es ja nicht das Vorbild sein, die unabhängigen Vollzugsbeiräte durch einen Vollzugsbeauftragten zu ersetzen, der im Ministerium angesiedelt ist. Das scheint mir schon ein Widerspruch in sich zu sein.
Der Vollzugsbeauftragte neben den Anstaltsbeiräten und dem Vollzugsbeirat scheint mir nicht sinnvoll zu sein. Da ist ja auch die Opposition sich nicht einig. Auch die Grünen sind zu dem Ergebnis gekommen, der Vollzugsbeauftragte ist es eher nicht, sondern das bestehende Modell der Vollzugsbeiräte, wie wir es in Berlin haben, funktioniert super. Wie auch Herr Dr. Heischel im Kern gesagt hat, ist die Zusammenarbeit sehr gut, und sie erfüllen ihre Aufgabe. Das ist einzigartig in der Bundesrepublik, und man kann auch einfach einmal sagen, es gibt etwas, was im Berliner Vollzug besser läuft als woanders, etwas, was besonders gut läuft.
Wenn wir uns auf diesen Punkt einigen können, dann bin ich gerne bereit, im Rahmen des Strafvollzugsgesetzes – das werden wir ohnehin erörtern – auch die Frage zu besprechen: Wie soll der Vollzugsbeirat besser verankert werden? – Da fehlt mir im Grünen-Antrag, das muss ich ehrlich zugeben, die Frage: Was soll denn da besser werden? – Mehr Geld, mehr Sachmittel und mehr Personal sind immer schön, aber das kann man für alles fordern. Das ist ein bisschen dünn als Begründung. Insofern habe ich das Gefühl, dass der Antrag der Grünen mal wieder unter die Überschrift fällt, es ist mehr Populismus. Um die Sache geht es offenbar nicht, denn dann hätten wir es im Rahmen des Strafvollzugsgesetzes diskutiert. Mal wieder schade für den Vollzug! Aber ich lade Sie herzlich ein, im Rechtsausschuss, wenn wir das Strafvollzugsgesetz diskutieren, auch hierzu vernünftige Vorschläge zu erarbeiten und die Vollzugsbeiräte zu stärken. – Vielen Dank!
Ich frage den Senat: Welche Planungen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf für die Zukunft des WaltherRathenau-Gymnasiums sind bekannt – mit Blick darauf, dass es im Schuljahr 2014/15 aufgrund angeblich mangelnder Anmeldungen keinen 7. Jahrgang in dieser Schule gegeben hat?
Vielen Dank! – Ich gehe davon aus, dass es auch in den anderen Jahren schon Bewerbungen der Oberschulen gegeben hat. Insofern frage ich: Wie sehen Sie denn tatsächlich die Zukunft des Walther-Rathenau-Gymnasiums? Gibt es einen politischen Willen, das WaltherRathenau-Gymnasium zu erhalten, und gibt es insbesondere auch einen politischen Willen, den Namen Walther Rathenaus mit dieser Schule zu erhalten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich zugeben: Ich habe den Antrag ein paar Mal gelesen, um zu verstehen, was die Piratenfraktion uns eigentlich sagen will, ob es jetzt um Transparenz
(Fabio Reinhardt)
geht, ob es um parlamentarische Kontrolle geht oder ob es darum geht, grundsätzlich keine Schiedsvereinbarungen mehr zu treffen. Ganz sicher bin ich mir, ehrlich gesagt, immer noch nicht.
Ich versuche es jetzt einmal chronologisch. Die Ziffer 1 des Antrags sieht vor, gar keine Schiedsvereinbarungen mehr zu treffen. Ich finde es grundsätzlich – das ist den Piraten zuzugeben – gut, wenn gerichtliche Verfahren transparent sind, auch wenn Schiedsvereinbarungen getroffen sind, dass sie transparent sind. Es ist aber denkbar – das ist Parteien nun einmal zuzugestehen –, dass in der Wirtschaft Unternehmen ein Interesse daran haben, dass sie eben nicht öffentlich und nicht bereit sind, ihre Firmengeheimnisse offenzulegen. Dazu kann man sagen, solche Verträge darf der Staat nicht schließen. Dann darf man sich aber nicht wundern, dass Verträge mit der öffentlichen Hand immer zu schlechteren Konditionen abgeschlossen werden und die öffentliche Hand immer im Nachteil gegenüber Verhandlungen in der freien Wirtschaft ist. Ich kann keinen dazu zwingen, einen Vertrag mit dem Staat zu schließen, wenn alles transparent gemacht wird. Das ergibt sich schon aus dem Grundgesetz.
Nein, danke! – Dann stellt sich die Frage: Der Staat hat grundsätzlich gar kein eigenes Interesse daran, Schiedsvereinbarungen zu schließen, ob geheim oder nicht geheim, weil der Staat von den Gerichtskosten bei Zivilgerichten befreit ist. Insofern kann es kein staatliches Interesse geben, sondern nur ein Interesse Dritter daran.
Zu Punkt 2 des Antrags: Da wird beantragt, auch schon bestehende Vereinbarungen seit Beginn der Legislaturperiode so zu stellen, dass die verfassungsgemäße parlamentarische Kontrolle möglich wird. Dazu kann ich nur sagen: Pacta sunt servanda. Verträge, die geschlossen worden sind, wird man wohl auch einhalten müssen. Da hilft es auch nichts, wenn die Piratenfraktion entgegenstehende Anträge stellt. Im Übrigen dürfte parlamentarische Kontrolle nichts mit Transparenz zu tun haben, denn natürlich steht es jedem Parlamentarier in diesem Haus frei, einen Akteneinsichtsantrag zu stellen und sich die entsprechenden Akten anzugucken, gegebenenfalls im Geheimschutzraum. Selbstverständlich können Sie parlamentarische Kontrolle ausüben. Was Sie nicht ausüben können, ist medienwirksames politisches Handeln. Das können Sie in der Tat nicht ausüben, wenn es anders vereinbart ist.
Im dritten Punkt beantragen Sie, auch auf Bundesebene und sogar auf supranationaler Ebene sich dafür einzusetzen, keine geheimen Schiedsverfahren mehr zu führen.
Dazu schlage ich vor, stellen Sie die Anträge doch einfach im Bundestag und auf EU-Ebene. Da kann man sich dann in den zuständigen Parlamenten auf den jeweiligen Ebenen mit der Frage auseinandersetzen.
Alles im allem enthält der Antrag durchaus einige interessante Anregungen, ist letztlich im Ergebnis aber handwerklich so, dass man ihn nicht ernsthaft beschließen kann. – Vielen Dank!
Ich glaube, es gibt hier zahlreiche Dissense, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass der Antrag nicht wirklich eindeutig ist. Aber da in der Piratenfraktion ja heute das Interesse am Rechtsausschuss groß ist, der Kollege Delius wollte schon vorbeikommen, bitte ich Sie, kommen Sie doch einfach auch vorbei. Dann können wir das gemeinsam diskutieren. Es ist ein schöner Ausschuss, und dann können wir das in epischer Breite diskutieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es mir jedenfalls in den letzten fünf Minuten schwergefallen, festzustellen, zu welchem Thema eigentlich geredet worden ist.
Generalabrechnung der Piraten mit den Grünen! Frau Kahlefeld philosophiert über bürgerschaftliches Engagement in Friedrichshain-Kreuzberg.
Mit dem Thema Kirchensteuergesetz schien das jedenfalls in den letzten fünf Minuten nicht so wahnsinnig viel zu tun zu haben, und ich versuche, mal wieder zum Antrag der Piratenfraktion zurückzukommen.
Herr Lauer! Richtig ist: Ja, es ist eine Gesetzesinitiative. – Es stellt sich aber die Frage, ob sie zu dem führt, was Sie wollen – die absolute Trennung von Kirche und
Staat. Wenn man in das Grundgesetz, in unsere Verfassung sieht, kommt man zwanglos zu dem Ergebnis, dass wir keinen laizistischen Staat haben und dass das auch nicht gewollt ist. Schon in der Präambel – ungefähr Satz 3 oder 4 – fängt es an mit dem Gottesbezug. Diese Art der Trennung ist also nicht das, was unsere Verfassung vorsieht, und ich glaube, es ist auch nicht das, was die Mehrheit der Bevölkerung in unserem Land will. Es ist jedenfalls ganz bestimmt nicht das, was die CDUFraktion in diesem Hause möchte.
Richtig ist, dass eine Trennung von Kirche und Staat vorgesehen ist, und das ist auch gut so. Das heißt aber nicht, dass es keine partnerschaftliche Kooperation zwischen Staat und Kirche gibt, und das heißt insbesondere nicht, dass der Staat nicht den administrativen Akt der Einziehung der Kirchensteuer vornehmen kann und auch vornehmen sollte. Es hat im Übrigen auch etwas mit Transparenz und Bürgerfreundlichkeit zu tun, dass ein und dieselbe Stelle die Steuern einzieht und nicht zwei, drei oder vier Steuerstellen die Steuern einziehen und dass man sich, wenn die Steuerbescheide falsch sind, nicht an mehrere Stellen wenden muss, um gegen diese vorzugehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung, wie sie in Berlin und in den meisten anderen Bundesländern existiert, ausdrücklich für zulässig gehalten. Das ist, glaube ich, in diesem Haus auch unstreitig. Insofern ist es lediglich eine Frage der politischen Bewertung und keine Frage, ob das rechtlich geht oder nicht geht. In der politischen Bewertung ist jedenfalls die CDU-Fraktion der festen Auffassung, dass die jetzt existierende Praxis sinnvoll, vernünftig und bürgerfreundlich ist. Im Übrigen ist es auch kein Zeichen mangelnder staatlicher Neutralität, sondern in der Tat ein reiner Verwaltungsakt, der von den Kirchen auch noch finanziert wird, sodass der Staat dafür nicht draufzahlt, sondern lediglich der Einfachheit halber diese Steuer miteinzieht. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! Ich habe den Änderungsantrag gelesen und mich ein bisschen gefragt, warum wir zu relativ später Stunde zu dem Thema heute eigentlich noch reden, denn im Kern steht schon alles drin und ist auch schon alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Ich möchte der Kollegin Kapek recht geben: Unter einer erfolgreichen schwarz-grünen Zählgemeinschaft hat eine engagierte Grünen-Stadträtin super Arbeit geleistet, tolle Vorarbeit geleistet. Wir sind uns alle einig: Es wird ein Naturschutzgebiet geben. Es wird Bebauung geben, und der Flächennutzungsplan, der bisher Hochhausbebauung mit bis zu 20 Stockwerken vorsieht, ist ganz sicher veraltet, denn den will niemand mehr haben.
Insofern muss der Flächennutzungsplan geändert werden. Dass irgendwo auch Gewerbetreibende sich wiederfinden, so es denn einbindbar ist, auch da sind sich alle einig. Was die anliegende Thermometersiedlung und die sozialen Probleme in der Gegend angeht, kann es nur eine Aufwertung der Gegend sein, kann es für alle Anlieger, die es in der Gegend gibt, nur gut sein, wenn es ein neues Wohnbebauungsprojekt gibt.
Frau Platta, zur Frage der Bürgerbeteiligung: Ja, ich finde Bürgerbeteiligung an der Stelle ganz wichtig. Aber es gibt sie ja auch. Es gibt Workshops, es gibt laufende Veranstaltungen, es gibt permanente Informationsveranstaltungen. Fakt ist allerdings auch: Bei den Informationsveranstaltungen sind außer Politikern und den Mitgliedern der Bürgerinitiative, die auch alle namentlich kennen, ansonsten übersichtlich viele Bürger, weil viel
leicht der Bürger an sich es nicht so tragisch findet, dass ein Gelände, das frei ist, das leersteht, wo viel Naturschutzgebiet erhalten bleibt, auch bebaut werden sollte. Ich habe das Gefühl, dass die Bürger an diesem Punkt sehr gut eingebunden sind. Insofern kann ich nur sagen: Aus meiner Sicht läuft es bisher gut. Wir werden im Bezirk weiter gemeinsam beraten, wie man allen verschiedenen Belangen in diesem Gebiet am besten gerecht werden kann. Bisher sind wir, denke ich, auf einem ganz guten Weg. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer hätte das gedacht, der Kollege Dr. Lederer hat es im Wesentlichen auf den Punkt gebracht. – Lieber Kollege Behrendt! Ich bin ein bisschen enttäuscht. Dass es so einfach nicht geht, wie Sie es hier versucht haben, das liegt auf der Hand. Ich habe heute Morgen noch mal in den Kommentar zum Grundgesetz geguckt und mich dunkel aus dem Studium erinnert: Einschränkung der Berufsfreiheit, Dreistufentheorie – da gab es unterschiedliche Modelle mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Jetzt kann man überlegen, ob es eine subjektive oder eine objektive Berufszulassungsbeschränkung ist. Ich neige zu einer objektiven, aber selbst wenn es eine subjektive wäre: Da hat das Bundesverfassungsgericht 1958 in nie widersprochener Rechtsprechung im „Apotheken-Urteil“ entschieden, dass dieser Eingriff in die Berufszulassungsfreiheit nur bei höchstwahrscheinlichen schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut legitimiert werden kann. Das kann man bestimmt sehen, aber nicht mit den unbestimmten Rechtsbegriffen, mit denen Sie hier kommen. In Ihrer Gesetzesformulierung steht drin – nach den Voraussetzungen, die ich Ihnen eben vorgetragen habe –:
…, insbesondere die Verhinderung des Anscheins der Käuflichkeit öffentlicher Ämter, beeinträchtigt werden können. …
Dass das nicht reicht, hat der Kollege Dr. Lederer ja ausführlich ausgeführt. Also in der Form wird es uns, selbst wenn man der Überzeugung ist, dass zwei Jahre angemessen wären und man mit diesem Gesetz möglicherweise die von Ihnen gesehenen Interessenkonflikte reduzieren könnte, das Verfassungsgericht, ob auf Landes- oder Bundesebene, ganz sicher um die Ohren hauen.
(Dr. Klaus Lederer)
Dann muss man sich die Frage stellen – auch das hat der Kollege Lederer schon ausgiebig dargestellt –: Von was für Fällen reden wir hier eigentlich? Welche finden wir eigentlich problematisch, und woran hakt es eigentlich, wenn man es problematisch findet? Was ist denn z. B. mit dem Mitarbeiter, der aus einem großen Wirtschaftskonzern kommt, da für politische Kontakte zuständig ist, dann in die Politik geht und Senator wird und anschließend wieder in seinen Job zurückgeht? Wollen Sie dem auch verbieten, dass er wieder in seinem Beruf tätig wird?
Was ist denn übrigens mit Ihrer eigenen Gesetzesbegründung? Was ist denn mit den Kollegen, die hier im Abgeordnetenhaus sitzen, erhebliche Einblicke in die Verwaltung und erhebliche Fachkenntnis gewinnen und hinterher wieder zurückgehen in ihre normalen Berufe? Oder was ist denn eigentlich mit denen, die hier gar im Halbtagsparlament sitzen? Warum entsteht da weniger der Eindruck, dass man sich öffentliche Ämter einkaufen würde? Da muss man doch mal überlegen, was hier eigentlich die Punkte sind, die im allgemeinen Empfinden der Gesellschaft dazu führen, dass man Sorge hat, dass es Interessenkonflikte geben könnte. Die Mühe haben Sie sich mit diesem Gesetzesvorschlag nicht mal im Ansatz gemacht. Auch in der Begründung steht kein Wort, warum man die Berufsfreiheit aus Artikel 12 in dieser Form einschränken können sollte.
Letzter Punkt: Ich glaube, dass es ein grundsätzliches Problem ist, dass moralisches Empfinden, Wohlverhalten, so allgemeine Empfindungen, die irgendwie jeder teilt, in abstrakte Normen eines Gesetzes zu fassen. Das begegnet uns ja auch an anderen Stellen. Ich glaube, dass die letzten Wochen und Monate gezeigt haben, dass das normale Empfinden der Gesellschaft da ja funktioniert und dass es ja durchaus so ist, dass die Medien und auch die Gesellschaft solche Fälle problematisieren. Eigenverpflichtungen gehen selbstverständlich, gar kein Problem, darauf kann man sich sicherlich auch verständigen. Allerdings muss man sich dann – auch das hat der Kollege Lederer ausgeführt – auch auf die entsprechenden Übergangsgelder verständigen. Ansonsten muss man sich nicht wundern, wenn die Qualität derjenigen, die sich im Senat oder auf Bundesebene in der Regierung wiederfinden, nicht besser, sondern eher schlechter wird.
Dann muss man in der Tat auch für die Übergangsgelder erhebliche Beträge in den Haushalt einstellen und dann auch damit rechnen, dass man sie ausgibt.
Und noch einen wesentlichen Aspekt haben Sie vergessen: Wie lange muss man Mitglied des Senats sein, damit Ihre Regelungen ziehen? Ist es ganz egal? Reicht ein Tag, oder reichen drei Monate, oder müssen es zwei Jahre
sein, oder müssen es fünf Jahre sein, damit man hinterher zwei Jahre Karenzzeit und insbesondere das Übergangsgeld in Anspruch nehmen muss?
Denn wer eine Karenzzeit hat, muss auch ein Übergangsgeld in Anspruch nehmen. Also, liebe Grünen-Fraktion! Der Gesetzentwurf war ein Satz mit x, nämlich nix!
Die Piratenfraktion beantragt, das Gesetz über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide zu ändern
und dahingehend zu ergänzen, dass auf Antrag des Trägers eines Volksbegehrens der Volksentscheid gemeinsam mit einer Wahl durchgeführt werden kann, sofern das notwendige Verfahren rechtzeitig durchgeführt werden kann.
Dieser Änderungsantrag gibt letztlich lediglich den auch schon in den derzeitigen Gesetzesfassung angestrebten Zustand wieder, wonach es grundsätzlich angestrebt wird, Volksbegehren zeitgleich mit anderen Wahlen oder Abstimmungen durchzuführen, sofern dies möglich ist. Qualitativ würde auch die von der Piratenfraktion angestrebte „Kann-Bestimmung“ hier keine Veränderung bringen. Die Fraktionen waren sich bei der Erarbeitung des Gesetzes über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide darüber einig, dass eine Zusammenlegung mit Wahlen grundsätzlich wünschenswert wäre. Dies kommt auch in der Regelung zum Ausdruck, dass bestehende Fristen verlängert werden können, wenn hierdurch eine Zusammenlegung mit Wahlen ermöglicht werden kann.
Im Hinblick auf das aktuelle Volksbegehren, das wohl die Veranlassung für den vorliegenden Änderungsantrag gegeben haben wird, würde auch die durch die antragstellende Fraktion gewünschte Gesetzesänderung der „KannBestimmung“ zu keinem anderen Ergebnis führen, denn nach Ausführungen der zuständigen Senatsverwaltungen hätte das notwendige Verfahren nicht rechtzeitig für eine Zusammenlegung mit den Bundestagswahlen erfolgen können. Grundsätzlich besteht für die Idee, die hinter dem Antrag der Piraten steht, durchaus Sympathie. Mir scheint allerdings das hier gewählte Mittel nicht tauglich zu sein.
Im Übrigen dürfte klar sein, dass eine etwaige Änderung des Gesetzes über Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide ohnehin nicht für das aktuelle Volksbegehren in Betracht kommen kann. Es ist schlechter demokratischer Stil, Gesetze für konkrete Vorhaben zu ändern. Vielmehr sollen diese grundsätzlich abstrakt generell sein. Da folglich auch kein Zeitdruck besteht, sollten wir eine etwaige Gesetzesänderung ausführlich im Rechtsausschuss diskutieren. Der vorliegende Antrag der Piratenfraktion ist als Anstoß durchaus richtig. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass man letztlich in den Beratungen zu dem Ergebnis kommt, dass eine qualitative Verbesserung der Ist-Regelungen kaum zu erreichen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man fragt sich ein bisschen, liebe Frau Herrmann, die Kollegen von der Opposition, wieso Sie eigentlich fragen, wenn Sie meinen, die Antworten ohnehin schon zu kennen. Da wäre es doch einfach gewesen, einen Antrag zu machen.
Aber sei es drum!
Die Fraktion Die Linke hat Ihre Anfrage mit „Burschenschaften in Berlin“ überschrieben. Sie thematisieren in immerhin 26 Fragen etwaige Verbindungen von Berliner Burschenschaften und konkret der Gothia mit rechtsextremistischen Kreisen.
Die Zielrichtung ist klar: Studentenverbindungen sind grundsätzlich am rechten Rand der Gesellschaft verankert und sollten geächtet werden. Dabei lässt die antragstellende Fraktion zugunsten blinden Populismus die gebotene Differenzierung völlig außer Acht. Einig sind wir uns insoweit, dass sämtlichen extremistischen Tendenzen in unserer Gesellschaft konsequent entgegengewirkt werden muss. Hier sind sowohl der Staat als auch die Bürgergesellschaft in der Pflicht. So sieht dann auch konsequenterweise der Haushaltsentwurf für den Bereich Verfassungsschutz einen personellen Aufwuchs für die Bekämpfung des Rechtsextremismus vor.
Will man eine ernsthafte Debatte um die Rolle der Burschenschaften in der deutschen Gesellschaft führen, so kann man die historische Rolle der Studentenverbindungen, der Senator hat es schon angesprochen, in der deutschen Geschichte nicht völlig außer Acht lassen, denn deren gesellschaftliche Rolle lässt sich nur aus ihrer Entwicklung und wie so häufig im geschichtlichen Kontext nachvollziehen.
Was macht die Studentenverbindung schlechthin aus? – Einzig verbindend und allen immanent sind das Convent- und das Lebensbundprinzip, wobei Letzteres trotz weit verbreiteter Irrtümer nichts mit lebenslangen Treueschwüren zu tun hat. Weitere Gemeinsamkeiten aller Studentenverbindungen gibt und gab es nicht, sondern die einzelnen Verbindungen sind in ihrer Ausrichtung und Schwerpunktsetzung ganz unterschiedlich.
Das Lebensbundprinzip, nämlich die dauerhafte Vernetzung auch generationsübergreifend, die Förderung im Berufsleben, findet sich, wenn auch unter anderem Namen an vielen amerikanischen Universitäten als erfolgreiche Ehemaligenvereinigung wieder, nur dass die Alumni-Aktivitäten an US-amerikanischen Universitäten als weltweit gefeiertes Vorbild erfolgreichen Netzwerkes gelobt werden. Warum ausgerechnet das Netzwerken, das auch in Deutschland tausendfach in verschiedensten Gestalten gepflegt und im Berufsleben als ausschließlich positiv wahrgenommen wird, zum Problem werden soll, nur wenn es im Rahmen einer Studentenverbindung stattfindet, ist mir persönlich schleierhaft. Schließlich handelt es sich ja nicht um Sekten, die ihren ehemaligen Mitgliedern nach Austritt nachstellen oder mit Repressalien drohen.
Nun zur Historie: Die ersten Korps entstanden um 1800. In ihren Inhalten standen der deutsche Idealismus, – –
Herr Kollege! Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, können Sie das ja machen.
In ihren Inhalten standen der deutsche Idealismus, geprägt von den Philosophen Kant, Fichte, Schelling, Hegel, sowie Demokratiebestrebungen im Vordergrund.
Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts kam es dann zu Bestrebungen, die landsmannschaftlichen Gliederungen der Korps an den Universitäten abzuschaffen. Dies lief parallel mit den politischen Bestrebungen der Studentenverbindungen, die Kleinstaaterei in den deutschsprachigen Gebieten zugunsten eines vereinten Deutschlands abzuschaffen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zunehmend zur Gründung katholischer Verbindungen, Sängerschaften usw. Die Landschaft der Studentenverbindungen wurde also bunter und vielfältiger. Auch nach Ausrufung der Republik blieben die Verbindungen, wenn auch eher republikfeindlich, so doch parteipolitischen Festlegungen fern.
Die NSDAP hatte ein großes Interesse an der Übernahme der studentischen Verbindungen gehabt und gründete 1926 den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Da die Ziele der Nazis im Dritten Reich – Frau
(Clara Herrmann)
Kollegin Herrmann, das haben Sie netterweise in Ihrem Vortrag außer Acht gelassen – den der studentischen Verbindungen entgegenstanden, waren die meisten Studentenverbindungen bis 1936 entweder zwangsweise aufgelöst worden oder hatten sich selbst unter dem Druck aufgelöst. Organisiertes Studententum gab es im Dritten Reich praktisch nur noch in den staatsnahmen Kameradschaften. Tatsächlich haben die ursprünglich in Deutschland existierenden Studentenverbindungen sich also deutlich vom Nationalsozialismus und dessen Strukturen abgegrenzt und sind letztlich wie viele weitere traditionelle Vereinigungen im Dritten Reich im Zuge der Gleichschaltungspolitik verboten worden.
Rechtsextremistische Tendenzen sind Studentenverbindungen also keinesfalls immanent, wie hier suggeriert werden soll, sondern vielmehr erging es den Verbindungen unter den Nazis genauso wie vielen anderen Gruppierungen auch, die verboten worden sind. Zahlreiche Widerstandskämpfer im Dritten Reich waren ehemalige Korporierte. So befanden sich auch unter den Hitlerattentätern vom 20. Juli Dr. Karl Sack und Hermann Kaiser.
Während unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Alliierten sämtliche Studentenverbindungen verboten wurden, sprachen auch viele Universitäten zu dieser Zeit Verbote für Verbindungen aus, was jedoch der gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten hat.
Nein, danke! –
In der DDR standen studentische Verbindungen im Gegensatz zu den politischen Zielen des Regimes und wurden bis zuletzt streng beobachtet.
In den Sechzigerjahren kam es dann zur Konkurrenz zwischen den historischen Studentenverbindungen und der sich zunehmend politisierenden Studentenbewegung der Achtundsechziger. Nach 1989 kam es in den alten wie neuen Bundesländern zu Neugründungen und Wiederbelebungen der studentischen Verbindungen. Dies mag auch durchaus mit der historisch-politischen Situation der Wiedervereinigungsjahre im Zusammenhang gestanden haben, denn den meisten Verbindungen ist ja am politischen Diskurs, wenn auch nicht unbedingt parteipolitisch, gelegen.
Nein, danke! – In der Geschichte der Studentenverbindungen finden sich querbeet durch alle politischen Richtungen Musiker, Wissenschaftler, Unternehmer, hohe Beamte, herausragende Politiker oder Ingenieure. So waren Franz Schubert und Robert Schumann ebenso Mitglied in Studentenverbindungen wie Theodor Mommsen, Konrad Duden, Heinrich Heine, Georg Büchner, Theodor Storm, Karl Marx, Wilhelm Liebknecht, Ferdinand Lassalle, Rudolf Breitscheid, Franz Mehring, Theodor Herzl und Gustav Stresemann.
Es lässt sich also feststellen, dass jedenfalls in der Vergangenheit der Studentenverbindungen keinesfalls die Befürchtung oder der Eindruck gerechtfertigt gewesen wäre, dass dort rechtsextremistische Tendenzen gepflegt würden.
Unstreitig ist, dass Studentenverbindungen, die nicht oder nicht mehr auf dem Boden unserer Verfassung stehen und verfassungsfeindliche Tendenzen erkennen lassen, nicht zu tolerieren sind. Wie in allen Bereichen gibt es auch unter den Studentenverbindungen schwarze Schafe, die gegebenenfalls in letzter Konsequenz auch überwacht oder verboten werden müssen.
Wenn die Opposition in den letzten Monaten versucht hat, hier den Eindruck zu erwecken, als handle es sich bei Studentenverbindungen um ein vorrangiges Problem von politischem Extremismus, so kann diese Fehleinschätzung nur dem Versuch geschuldet sein, im Bundestagswahlkampf zu polarisieren, anstatt sich mit ernstzunehmenden Problemen des politischen Extremismus auseinanderzusetzen.
Unglückerweise ist es der antragstellenden Fraktion allerdings nicht gelungen, die Anfrage, wie offensichtlich geplant, noch vor der Bundestagswahl zu stellen.
Weder aus der Geschichte der Studentenverbindungen noch aus der aktuellen Situation ist ersichtlich, dass auch nur der überwiegende Teil der Studentenverbindungen parteipolitisch aktiv oder rechtsextremistisch wäre. Einzelne Verbindungen, auf deren Häusern Veranstaltungen mit problematischen Inhalten oder mit bekannten Rechtsextremisten stattfinden, sind zum Glück die seltene Ausnahme. Hier gilt es, seitens der Gesellschaft und des Staates entschlossen zu handeln. Auch auf dem Gebiet der Parteien gibt es am rechten und am linken Rand extremistische Gruppen, ohne dass die Opposition deswegen bislang gefordert hätte, die deutsche Parteienlandschaft abzuschaffen.
Richtig ist allerdings, dass die Diskussion im Dachverband Deutsche Burschenschaft um die Erbringung einer Art von Ariernachweis auf erschreckende Weise zeigt, dass dort tatsächlich rechtsextremistisches und rassistisches Gedankengut kultiviert wird, das an die düstersten Zeiten unserer Geschichte erinnert.
Viele namhafte Burschenschaften haben sich deshalb in den letzten Jahren völlig zu Recht zum Austritt aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft entschieden. Im Rahmen dieser Abgrenzung hat sich vor allem die meiner Kenntnis nach politisch völlig unbedenkliche Neue Deutsche Burschenschaft gebildet. Allein hieraus wird doch schon ersichtlich, dass es bei den deutschen Burschenschaften ein ausgeprägtes Abgrenzungsbedürfnis von Burschenschaften mit rechtsextremistischen Tendenzen gibt.
Sofern es im Spektrum der Studentenverbindungen rassistische oder antisemitische Tendenzen oder Bestrebungen gibt, hat das nichts mit der grundsätzlichen Ausrichtung von Burschenschaften zu tun.
Durch die künstlich am Lauf erhaltene Diskussion um Studentenverbindungen und deren mögliche rechtsextreme Tendenzen bereitet man einigen wenigen Rechtsextremisten ein Forum und eine Öffentlichkeit, die sie nicht nur nicht verdient haben, sondern mit denen man ihnen geradezu in die Hände spielt. – Vielen Dank!
Der vorliegende Antrag der Grünen ist mal wieder einer der Anträge, den die Grünen alle fünf Jahre neu abschreiben und aus dem Hut zaubern. Davon wird der Antrag allerdings nicht besser oder überzeugender. Würde der Antrag heute eine Mehrheit finden – was nicht zu erwarten ist –, würde damit ein erheblicher bürokratischer Aufwand produziert, der in gar keinem Verhältnis zu etwaigen – und keinesfalls auf der Hand liegenden – Vorteilen stünde. Das Ziel, das die Grünen mit dem Antrag verfolgen, nämlich Transparenz, wird auch mit der bisherigen Gesetzesfassung hinreichend erreicht. Auch jetzt gibt es bereits regelmäßige einsehbare Mitteilungen – zur Kenntnis – über die Verwendungsnachweise und Mittel der Fraktionen. Diese werden u. a. durch den Landesrechnungshof überprüft. Mir ist aus der Vergangenheit kein Fall bekannt, in dem Finanzmittel verspekuliert worden wären. Allein dies zeigt doch bereits, dass eine Missbrauchsgefahr nicht besteht. Ich kann nicht beurteilen, ob bei den Grünen die akute Gefahr von Finanzspekulationen besteht. Bei uns ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Die Grünen wollen nun dem Land Berlin – quasi durch zwangsweise Verpflichtung der Fraktionen – Zinsvorteile verschaffen. Ich darf in diesem Zusammenhang an die gesetzlich festgeschriebene und doch wohl auch von den Grünen nicht infrage gestellte Fraktionsautonomie erinnern und daran, dass die Fraktionen allein entscheiden, welche Beträge sie wo zu welchen Zinssätzen anlegen. Man stelle sich den Aufschrei der Grünen vor, wollte eine andere Fraktion die Rechte der Fraktionen und deren Selbständigkeit beschneiden.