Christine Lieberknecht

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Last Statements

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Angehörige auf der Tribüne und Vertreter des Diplomatischen Korps, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst einmal an das Hohe Haus hier, an die Fraktionen: Vielen Dank für diese Debatte, bei der, glaube ich, jeder gespürt hat, wie ernst es allen Fraktionen ist, aber wie ernst es auch der Landesregierung ist, dass die Wahrheit herausgefunden wird. Bei allen Unterschieden in den sonstigen politischen Meinungen haben wir es uns hier im Landtag über alle Fraktionen hinweg, auch gemeinsam mit der Landesregierung erarbeitet, dass wir einen Konsens haben, einen Konsens in der Verurteilung jeder Form von Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz. Ich erinnere hier auch an die gemeinsame Erklärung aller Fraktionen des Thüringer Landtags für ein demokratisches, tolerantes und weltoffenes Thüringen vom 29. September 2009, zu Beginn der Legislaturperiode vor fünf Jahren. Das war der erste Inhaltsbeschluss, den wir nach der Wahl hier im Hohen Haus gemeinsam gefasst haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie auch mir, dass ich mich zunächst an die überlebenden Opfer sowie an die Angehörigen der Toten des NSU-Terrors wende und auch an diejenigen, die Betroffene des Anschlags in der Keupstraße in Köln gewesen sind. Das Leid, das Ihnen zugefügt wurde, können wir nicht ermessen. Die Verluste, die Sie erlitten haben, lassen sich nicht wiedergutmachen. Die Demütigungen, die Sie durch falsche Verdächtigungen ertragen mussten, haben Ihren Schmerz noch vergrößert. Beschämt muss auch ich Ihnen, den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße von Köln, bekennen, unser Land, unser Staat, unsere Behörden haben versagt. Es ist uns in Deutschland nicht gelungen, Sie und Ihre Angehörigen zu schützen. Ich verneige mich vor den Opfern und Ihnen, den hinterbliebenen Angehörigen, mit Scham, mit Trauer und mit der Bitte um Vergebung.
Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es uns jahrelang nicht gelungen, und das wurde überaus deutlich in dieser Debatte, die wir gerade hier im Hohen Haus geführt haben, die wahren Hintergründe der Morde zu erkennen und die Täter dingfest zu machen. Jahrelang haben die Täter ihre Verbrechensspur durch ganz Deutschland gezogen. Sie haben geraubt und gemordet, mit brutaler Gewalt, kalt, mit Kalkül. Heute wissen wir, die mutmaßlichen Täter kamen aus Thüringen, aus Jena. Sie wuchsen hier auf, gingen hier zur
Schule, sie glitten hier in die rechtsextreme Szene ab. Sie radikalisierten sich. Sie waren bereits im Jahr 1998 als Bombenbauer ins Visier der Ermittler geraten, bevor sie von hier aus in den Untergrund abtauchten. 13 Jahre blieben sie unerkannt. Richtig ist zwar auch: Ermittlungsfehler und Behördenversagen im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen Untergrund gab es auch in anderen Ländern, aber die Spur nahm hier in Thüringen ihren Anfang. Diese Tatsache hat mich tief erschüttert, als ich davon erfuhr. Deshalb habe ich auch Thüringen von Anfang an in einer besonderen Verantwortung gesehen, für Aufklärung zu sorgen, und zwar vollständig, schonungslos und transparent. So habe ich es in meiner Regierungserklärung vom 16. November 2011 gefordert. Aufklärung ist die Voraussetzung dafür, die tiefe Vertrauenskrise aufzuarbeiten, in die uns das Versagen der Behörden gestürzt hat. Gewiss, keine Kommission, kein Untersuchungsausschuss kann ungeschehen machen, was den Opfern und Ihnen als Angehörige widerfahren ist. Aber ein Untersuchungsausschuss kann Licht ins Dunkel bringen, er kann Vergangenes aufarbeiten, Fehlentwicklungen aufzeigen. Er kann Versagen beim Namen nennen. Und das haben die Abgeordneten in mühevoller Kleinarbeit vorbildlich getan, bei all den Fragen, die nach wie vor einer Klärung harren. Sie haben gezeigt, was wir tun können, ist, Geschehnisse aufzuklären, Vorgänge aufzuarbeiten, daraus zu lernen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Ich meine auch, das ist die politische und moralische Verantwortung, die wir tragen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses und namentlich der Vorsitzenden Dorothea Marx für ihre umfassende Arbeit danken,
natürlich auch allen danken, die dazu beigetragen haben: als Mitarbeiter für den Ausschuss, der Landtagsverwaltung, in den Ministerien, aber auch in den Fraktionen. Sie haben unzählige Seiten Akten ausgewertet, hunderte Zeugen und Sachverständige wurden vernommen und befragt. Dadurch ist ein umfassendes Mosaikbild entstanden, das sowohl die Entwicklung der Terrorzelle NSU als auch das Handeln der Behörden aufzeigt. Im Kern bestätigt der Bericht die Ergebnisse, zu denen bereits die unabhängige, von Innenminister Geibert eingesetzte Schäfer-Kommission gekommen ist. In Teilen gehen die gewonnenen Erkenntnisse aber auch deutlich darüber hinaus.
Der Wille der Landesregierung war es, nach bestem Wissen und Gewissen das zu tun, was ich mit vollständiger, transparenter und schonungsloser Aufklärung angekündigt hatte. Die Ministerien und Behörden haben umfassendes Aktenmaterial zur Verfügung gestellt, dazu auch zahlreiche als geheim eingestufte Dokumente unter den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen übersandt und zu
gänglich gemacht. Durch die konsequente Haltung hat die Landesregierung - und das klang hier auch schon an und gerade in Ihrem Votum, Herr Ramelow - durchaus gegen den Widerstand aus Sicherheitskreisen anderer Länder und des Bundes das getan und vertreten. Wir konnten uns auch verlassen auf den verantwortungsvollen Umgang der Abgeordneten, der Ausschussmitglieder mit diesen sensiblen Daten. Aber ich hatte eine ganz klare Position: Was in den Behörden Mitarbeitern zugänglich ist, muss auch den Abgeordneten der Parlamente zugänglich sein, hier im Thüringer Landtag, im Deutschen Bundestag und auch anderswo.
Darüber hinaus hat sich die Landesregierung unmittelbar nach dem Aufdecken des Terrortrios - ich sagte es bereits - selbst um Aufklärung bemüht mit der Einberufung der Schäfer-Kommission. Sie deckte erhebliche handwerkliche und strukturelle Defizite beim Handeln der Thüringer Sicherheitsbehörden ab Mitte der 90er-Jahre auf. Wir haben diesen Bericht sowohl den Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages und des Thüringer Landtags als auch allen Fraktionen des Thüringer Landtags zukommen lassen. Er hat gezeigt, es mangelte damals nicht nur an der notwendigen Abstimmung innerhalb und zwischen den einzelnen Sicherheitsbehörden einerseits und andererseits der Justiz. Auch die Auswertung, Informationsweitergabe, Dokumentation und Kontrolle durch die Leitung der Behörden war damals unzureichend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein wichtiger Satz aus dem Resümee des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses des Landtags ist für mich der folgende, da heißt es: „Für die gezielte Gründung oder den Aufbau von Strukturen der extremen Rechten konnte der Untersuchungsausschuss keine Belege finden. Allerdings gibt es hinreichend Gründe, von einer mittelbaren Unterstützung und Begünstigung derartiger Strukturen durch das TLfV [Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz] zu sprechen.“ Ich meine, dieser Satz belegt zweierlei: Erstens, er belegt, dass durch mangelnde Informationsweitergabe und durch fehlende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden möglicherweise Fahndungserfolge verhindert wurden - das kam auch in der Debatte zum Ausdruck -, und offenbar haben damals falsche Entscheidungen und Handlungen insbesondere durch das Landesamt für Verfassungsschutz dazu geführt, rechtsextremistische Strukturen eher zu begünstigen als zu bekämpfen. Damit bestätigt der Befund des Untersuchungsausschusses die Notwendigkeit der Reformen, die wir allerdings zwischenzeitlich auch in Angriff genommen, zum Teil zwischenzeitlich auch schon vollzogen haben.
Zum Zweiten: Es gibt für den Verdacht, es habe so etwas wie eine Komplizenschaft zwischen den Thü
ringer Behörden und rechtsextremistischen Strukturen gegeben, keine Bestätigung. Zu diesem Ergebnis kommt im Übrigen auch der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Auch Hinweise auf eine direkte Verbindung zwischen dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zu der Terrorgruppe oder gar eine V-Mann-Eigenschaft eines der NSU-Mitglieder hat der Untersuchungsausschuss nicht festgestellt. Es war uns wichtig, dass wir hier im Hohen Haus in der letzten Sitzung des Landtags noch in dieser Legislaturperiode im Juli die notwendige Neuausrichtung des Thüringer Verfassungsschutzes auf den Weg bringen konnten. Ich nenne nur die wichtigsten Neuerungen, die die Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse des Bundestages und auch hier des Thüringer Landtags aufgreifen. Da ist die intensivere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission, da sind eine stärkere innerbehördliche Kontrolle durch eine unabhängige Stabsstelle Controlling, umfassendere Vorgaben sowie Dokumentations- und Berichtspflichten zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Eine Präzisierung der Übermittlungsvorschriften stellt klar, ob und welche Informationen beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Straftaten an Polizei und Staatsanwaltschaften weitergeleitet werden müssen. Da ist die Eingliederung des Verfassungsschutzes bei dem Innenministerium und die gesetzliche Festschreibung in der Informations- und Aufklärungsfunktion des Amtes für die Öffentlichkeitsarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, auch bei Polizei und Justiz sind im Zuge der Aufarbeitung Defizite offenbar geworden, auf die wir reagiert haben. So wird derzeit von der Thüringer Landespolizeidirektion eine Handlungskonzeption zur Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität aus dem rechtsextremistischen Spektrum erarbeitet. Am Landeskriminalamt wurde eine besondere Aufbauorganisation „Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung - Rechts“ gegründet. Bereits zu Beginn des letzten Jahres wurde in der Polizeidirektion die Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention eingerichtet, mit der die Thüringer Polizei beim Umgang mit politischem Extremismus und der Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität gestärkt werden soll. Sie soll zudem die Bevölkerung hinsichtlich der Gefahren, die aus dem politischen Extremismus erwachsen können, sensibilisieren. Schließlich haben wir auch im Bereich Justiz Arbeitsgrundlagen verändert, Arbeitsabläufe optimiert und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden auch ressortübergreifend verbessert. Ich nenne nur beispielhaft eine angemessene Behandlung und Berücksichtigung des Bereichs „rechtsextrem motivierter Straftaten und Tatmotive“ im Rahmen der Juristenausbildung, die Neufassung der Richtlinien des Thüringer Landeskriminalamtes und der Thü
ringer Generalstaatsanwaltschaft zur Einleitung und Durchführung der Zielfahndung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtig ist mir auch, dass die Landesregierung die Entscheidung getroffen hat, gemeinsam mit einer großen Mehrheit anderer Bundesländer über den Bundesrat vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die NPD anzustrengen. Nach unserer festen Überzeugung gibt es hinreichend Belege dafür, dass diese Partei unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv bekämpft und dass sie zudem als fremdenfeindliche und rassistische Partei den ideologischen Nährboden für Gewalttäter liefert, auch für den NSU. Dem muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln begegnet werden. Deshalb treten wir für ein Verbot der rechtsextremen NPD ein. Die NPD ist - daran besteht für mich persönlich kein Zweifel - eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Ordnung. Ich bin mir auch bewusst: Verbote sind das eine. Das Problem ist damit aber nicht aus der Welt geschafft. Wir müssen uns im Klaren sein, dass sich der braune Spuk durch ein Verbot nicht in Luft auflöst. Wir müssen aufklären und sensibilisieren für die perfiden Strategien der Nazis. Aber ganz wichtig dabei ist ein engagiertes, demokratisches Bürgertum, das deutlich zeigt, dass in unserer Stadt, in unserem Dorf Nazis nicht willkommen sind, dass sie nicht hierher gehören.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Demokratie muss aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus gestützt werden. Je mehr Menschen bereit sind, sich für sie zu engagieren, sei es im örtlichen Gemeinderat, in der Kirche oder in Vereinen, umso lebendiger, vielfältiger und auch wehrhafter wird sie sein. Die Auseinandersetzung mit den Nazis muss aus der Gesellschaft heraus geführt werden, aber es reicht nicht, nur zu protestieren, sondern wir müssen auch aufklären, informieren über menschenverachtende Ideologien, die die rechtsextremen Parteien und ihre Sympathisanten verbreiten. In der eingangs erwähnten Erklärung aller Landtagsfraktionen aus dem Jahr 2009 heißt es: „Der Schutz von Demokratie und Freiheit beginnt mit dem Schulterschluss der Demokraten.“ Ich meine, dieser Satz gilt heute, nachdem sich die Abgründe des NSU-Komplexes aufgetan haben, umso mehr. Gefordert sind wir alle. Wo sich rechtsextremes Gedankengut breitmacht, wo ausländerfeindliche Äußerungen gemacht werden, wo Minderheiten verunglimpft, wo Menschen mit Behinderungen herabgewürdigt werden, da ist entschlossener Widerspruch nötig. Wir brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten und sehr verehrte Gäste, eine Kultur des Hinsehens. Wir brauchen eine Mutkultur: Bürgerinnen und Bürger, die den Mut haben, aufzustehen und zu widersprechen, wo Widerspruch nötig ist. Diese Kultur des Hinsehens
wollen wir auch seitens der Landesregierung stärken. Aus diesem Grund hat die Landesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag von 2009 vereinbart, das Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz auf den Weg zu bringen, was gemeinsam mit den Fraktionen des Thüringer Landtags auch geschehen ist. Es ist ein zentraler Baustein in unserer Informations- und Aufklärungsarbeit. Das Landesprogramm sichert landesweite, flächendeckende Beratungsstrukturen. Es fördert Initiativen und Projekte, die den Kampf gegen extremistische Tendenzen aufnehmen und die sich für ein weltoffenes Thüringen einsetzen. Der Schwerpunkt des Einsatzes liegt eindeutig im Kampf gegen den Rechtsextremismus.
Darüber hinaus ist es auch wichtig, extremistische Tendenzen frühzeitig zu erkennen. Mit dem Thüringen-Monitor wird seit inzwischen 13 Jahren kontinuierlich die Landkarte der politischen Kultur in unserem Land vermessen. Auch dadurch haben wir ein relativ klares Bild über Einstellungen der Thüringerinnen und Thüringer zur Demokratie, zur Freiheit, aber auch zu antidemokratischen Haltungen und zum Rechtsextremismus. Klar ist, die Demokratie steht einerseits in Thüringen auf festem Grund, aber es gibt auch eine über die Jahre verfestigte Gruppe, die die freiheitliche Demokratie ablehnt und verachtet. Es gilt also, wachsam zu sein, wachsam zu bleiben und den antidemokratischen Einstellungen von Anfang an wehrhaft entgegenzutreten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können die Fehler der Vergangenheit nicht rückgängig machen, aber wir müssen uns zu diesen Fehlern bekennen. Wir müssen daraus lernen und die richtigen Konsequenzen ziehen. Dieser Anspruch wird bleibend sein, auch über den heutigen Tag hinaus. Entscheidend ist, der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist eine dauernde, ständige Aufgabe. Wir werden die Auseinandersetzung mit dem Geschehenen auch mit dem Abschluss des Untersuchungsberichts nicht ad acta legen, sie bleibt auf der Agenda, auch für eine kommende Legislaturperiode. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben heute nach der Befassung und Anhörung im Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz erneut das Thema der Kalifusion aus dem Jahr 1993 auf der Tagesordnung. Dabei geht es noch immer um die vollständige Zurverfügungstellung des Kalifusionsvertrags zwischen der Kali und Salz AG, der Mitteldeutschen Kali AG und der Treuhandanstalt vom 13. Mai 1993. Trotz mehrfachen, auch unmittelbaren Einsatzes seitens der Landesregierung, auch von mir ganz persönlich an den Bundesfinanzminister, auch an die Bundeskanzlerin - das kann ich hier ganz offen sagen -, ist es nicht
gelungen, den Inhalt in Gänze zur Verfügung zu haben, sondern es ist lediglich am Ende autorisiert worden, was auf anderem Wege zu uns gekommen ist, aber eben kein Blatt mehr.
Ich sage ganz deutlich, das ist schlecht. Es öffnet nach wie vor Spekulationen Tür und Tor und es bleibt ein ungutes Gefühl. Nicht nur das, Bischofferode bleibt eine tiefe Wunde auch nach über 20 Jahren.
Vergangenes ist gegenwärtig, und ich hatte auch in den letzten Tagen noch einmal Gelegenheit, vor Ort zu sein. Es wirkt noch immer tief. Die verlassenen Werksgebäude, die auf den Schacht zugerichteten, ausgerichteten verlassenen Sozial- und Gesellschaftsbauten, die Wohnblocks, die einst unmittelbar an der Halde errichtet wurden, das alles lässt den Schmerz und die Wut über enttäuschte Hoffnungen, über das tiefe Gefühl von Ungerechtigkeit und Ohnmacht bis heute spüren.
Das sind nur die steinernen Zeugen dessen, was da passiert ist. Über das Empfinden der Menschen, der Bergleute, unsere Solidarität zu ihnen haben wir oft und immer wieder ausgesprochen, auch in großer Übereinstimmung hier im Hohen Hause und auch zwischen Parlament und Landesregierung. Daran hat sich nichts geändert.
Vor allem ihnen, den von der damaligen Schließung betroffenen Bergleuten in Bischofferode, in ganz Nordthüringen und dann schließlich auch in Merkers - nur in Unterbreizbach haben wir den Standort halten können - sind wir es schuldig, die Suche nach der Wahrheit auch nach über 20 Jahren zu betreiben. Dazu stehe ich. Allerdings lege ich genauso Wert darauf, dass dies nur im Rahmen der rechtsstaatlich zulässigen Mittel geschehen kann. Auch darüber hatten wir vor einigen Wochen leider etwas Streit. Aber es ist in eine gute Bahn gekommen und ich danke ausdrücklich auch den Mitgliedern des Ausschusses unter Ihrer Leitung als Ausschussvorsitzender, Herr Kummer, für diese sachliche Debatte sowie für die sachlichen Einlassungen heute hier im Hohen Hause.
Mir geht es dabei um drei Dinge, die ich in aller Kürze schildern möchte, noch einmal um Vergangenes, aber nicht nur um der Vergangenheit willen, es geht um Gegenwärtiges und vor allen Dingen und das war ja auch die Zielrichtung der Beschlussempfehlung, die gemeinsam getragen wird um die Zukunft. Es geht vor allen Dingen auch um den Blick nach vorn, aber ohne das andere zu vernachlässigen.
Zunächst einmal zum Ersten, die Aufarbeitung des Vergangenen: Da sind unsere Forderungen klar. Sie sind in Übereinstimmung mit den Forderungen von Ihnen, den Damen und Herren des Hohen Hauses, nach vollständiger Offenlegung dessen,
was im Vertrag, aber vor allen Dingen in den Anlagen, die nach wie vor nicht zugänglich sind, steht also volle Transparenz.
Transparenz in die Vorgänge von damals bringen, das ist auch das beste Mittel, um der einen oder anderen Verschwörungstheorie, die im Raum steht, am Ende vielleicht doch abhelfen zu können. Da hilft es nicht, weiter darüber zu philosophieren, wer hätte wie mit wem vielleicht noch stärker kämpfen sollen oder was auch immer. Fakt ist - und da waren die Prognosen eben nicht so optimistisch, wie Kollege Augsten es dargestellt hat -, es gibt ein Dokument zum Rahmenkonzept damals der Gewerkschaften die IG Bergbau und Energie, die es damals noch gab, in dem unmissverständlich steht, und zwar ist es damals an alle vier Landesregierungen mit Kalistandorten, nach Niedersachsen, nach Sachsen-Anhalt, nach Hessen und eben auch nach Thüringen, gegangen, in dem die Gewerkschaft, damals der 1. Vorsitzende der IG Bergbau und Energie betont, und zwar vom Februar 1992: Die Situation des deutschen Kalibergbaus erfüllt uns mit großer Sorge. Weltweite Überkapazitäten, der Zusammenbruch der osteuropäischen Märkte und das sinkende Preisniveau haben zu einer tiefen Krise geführt, die diesen Zweig des deutschen Bergbaus zunehmend in seiner Substanz bedroht. Dabei steht die Zukunft dieses bedeutenden heimischen Rohstoffes ebenso auf dem Spiel wie die wirtschaftliche Entwicklung der Kalireviere und ihre soziale Sicherheit der Menschen, die vom Bergbau leben. Das wird dann lange in einem Rahmenkonzept ausgeführt und endet in der inständigen Forderung an die vier genannten Landesregierungen und an die Länder, damals auch an die Landtagsfraktionen in den Parlamenten sich gemeinsam mit den Unternehmen des deutschen Kalibergbaus, der BASF, der Treuhandanstalt und der IG Bergbau und Energie zu einer Zukunftsinitiative Kalibergbau zusammenzufinden, um so gemeinsam eine langfristige Perspektive für den deutschen Kalibergbau zu entwickeln. Also eine gewerkschaftliche Initiative, nicht finstere Machenschaften mit schwarzen Koffern vom damaligen Bundeskanzler zum Chef von BASF und alles, was im Raum steht. Dann gibt es ja auch Fotos aus der Zeit damals.
Lieber Herr Weber, ich kann es Ihnen nicht ersparen, weil Sie immer wieder mit diesen Verschwörungstheorien ankommen. Es war der SPD-Bundesvorstand, der sich auf Betreiben der Betriebsräte der Mitteldeutschen Kali AG und K+S zusammengesetzt hat und schließlich dem Fusionskonzept zugestimmt hat.
Das gehört auch alles zur Wahrheit. Ich will das nicht weiter ausführen. Ich habe ein großes Interes
se daran, um diese Theorien mal aus der Welt zu schaffen, dass das auf den Tisch kommt.
Das kann man in Berlin machen, das kann man auch hier machen. Ich bin da offen. Ich bin für Transparenz. Ich habe da überhaupt nichts zu verbergen und viele andere auch nicht; nein, das soll auf den Tisch. Das soll jetzt an der Stelle reichen, was Vergangenheit betrifft.
Wichtig ist - es gibt eine Gegenwart. Dazu gehört, dass heute Arbeitsplätze der Kalikumpel in Unterbreizbach bestehen. Darauf ist hingewiesen worden, Egon Primas hat das gemacht. Ich sage, ich möchte alles tun, um diese Arbeitsplätze zu erhalten. Wir sind mit den Betriebsräten von Unterbreizbach im Gespräch, denn die Kalisituation ist wieder nicht ganz ohne. Weltmarktpreise sind wieder gesunken. Es besteht ein Konsolidierungsbedarf, zumindest aus Unternehmenssicht, von 500 Mio. €. Das weckt Sorgen, hier muss klug gehandelt werden. Ich will, dass diese Arbeitsplätze erhalten bleiben,
natürlich unter Berücksichtigung all dessen, was heute zu Umweltgesichtspunkten technologisch möglich ist. Wir sind da eng im Gespräch, sind da auch mit einer kritischen Haltung dabei. Aber das gehört auch zur Gegenwart. Und zur Gegenwart gehört die Altlastensanierung in Merkers, die nicht zu Ende ist, die im Übrigen im Generalvertrag mit 16 Jahren angesetzt war. Sie wird nach Vertrag noch bis 2016 gehen, aber wir wissen, solange kein technologisches Verfahren entwickelt ist, was das Laugenabpumpen obsolet werden lässt, ist der Zeitraum, für den gezahlt werden muss, nicht absehbar. Dass es kein zeitliches Ende ist, was da fixiert ist, ist sicher eine große Schwäche, ich komme darauf zurück. Das Geld des Bundes ist verbraucht, wie wir wissen, wie wir aber auch schon seit dem Jahr 2009 vonseiten der Landesregierung bei den zuständigen Bundesgremien angemahnt haben, das ist auch dem Ausschuss offengelegt worden, Sie wissen das. Wir brauchen eine Lösung für die weitere Finanzierung, eine Lösung, die nicht heißen kann, dass wir als Freistaat Thüringen allein auf diesem Posten sitzen bleiben,
und natürlich nach wie vor zukünftige Sanierungsmaßnahmen stemmen müssen, die im Übrigen allesamt durch das Thüringer Bergamt bestätigt werden müssen. In der dafür zuständigen Arbeitsgruppe ist es gelungen, den Bund wieder mit einzubeziehen, er wirkt neben Kali+Salz und unserem Landesbergamt mit; es wird kein Euro ausgegeben, kein Cent für irgendeine Maßnahme, die nicht in
diesem Kreis als unabdingbar notwendig eingestuft wird. Das will ich an der Stelle sagen. Es geht nicht um Willkür, auch nicht darum, einem DAX-notierten Unternehmen zusätzliche Euro in den Rachen zu werfen - nein, es geht um unabdingbar notwendige Maßnahmen.
Zur Gegenwart gehört aber auch, und darüber ist im Ausschuss auch gesprochen worden, dass der Generalvertrag schon eine segensreiche Wirkung in über 1.000 Projektfeldern in Thüringen hatte. Ich will die jetzt hier nicht alle einzeln aufzählen, dazu gehört - nur an einer Stelle - das liebenswürdige und liebenswerte Bad Liebenstein, es steckt im Namen. Es war - ganz nebenbei - die weltgrößte bekannte Cadmium-Altlast durch Umweltsünden der DDR. Ich könnte diese Liste fortsetzen. Es gibt einen Ordner, 60 DIN-A3-Seiten, nicht DIN-A4-Seiten, was an Umweltsanierung damit möglich gemacht werden konnte. Es ist zu Recht geschildert worden, wie schwer es uns der Bund vor Abschluss des Generalvertrags gemacht hat. Sicher, dass die beiden Großprojekte da so gleichgestellt mit hineingekommen sind, ist schwierig, und das ist das Problem, was wir heute haben, aber Probleme sind dafür da, dass wir sie lösen müssen; dazu stehe ich. Ich will nur sagen, ehe wir in die Zukunft kommen, zur Gegenwart gehört auch, selbst wenn ich das düstere Bild vom Schacht von Bischofferode selbst gezeichnet habe, weil ich es selbst so empfunden habe, wenn man davorsteht, es ist einfach beklemmend. Ich kann insgesamt nur für das Eichsfeld sagen, dass der Landkreis Eichsfeld heute an die Spitze der Thüringer Landkreise gerückt ist, an dritter Stelle mit seiner Wirtschaftskraft steht, eine Arbeitslosigkeit von 5,2 Prozent hat, also an Niedersachsen angeschlossen, zum Teil Niedersachsen, Göttingen als Nachbarkreis überholt hat. Ich kann nur sagen, da sind blühende Landschaften entstanden,
aber sie haben an einzelnen Stellen Wunden und Narben. Auch das gehört zur Geschichte dieses Freistaats und muss benannt werden. Ich habe jetzt bunte Bilder, die will ich nicht weiter ausführen, es ist keine moderne Kunst, es sind auch nicht die Farbkleckse meiner Enkelkinder. Ich wollte nur sagen, auch das ist Altlast. Arsen, gefunden unter einem Kindergarten in Eisenach, 20 cm tief in der Erde auf einer ehemaligen Farbenfabrik. All das gehört zu den Altlasten, die dankenswerterweise beseitigt werden konnten.
Nun aber zur Zukunft: Dankenswerterweise hat der Ausschuss auch in die Zukunft diskutiert. Zur Zukunft gehört: Wir haben das Problem mit den Großprojekten Rositz, aber vor allen Dingen Merkers, die Kostensteigerung. Es war deswegen gut, dass auch nicht gleich im ersten Anlauf, aber insgesamt die Revisionsklausel in den Vertrag aufgenommen
worden ist. Da hat auch die Koalition von CDU und SPD in den 90er-Jahren ihren Anteil geleistet, weil damals nach dem Wechsel der Bundesregierung dann die Schröder-Regierung im Bund war. Auch der Thüringer SPD-Vorsitzende und Innenminister Richard Dewes war mit dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Lippmann unterwegs. Sie haben diese Klausel in den Vertrag hineinverhandelt, diese Klausel, in der zum einen - darüber besteht Konsens - 20 Prozent der damals vereinbarten Summe von 1,3 Mrd. DM, die es damals noch waren, wenn sie überschritten ist, eine Höhe von 1,56 Mrd. DM angefallen ist. Diese Klausel greift. Strittig ist, was die zeitliche Befristung betrifft, das ist schon dargestellt worden, ob diese Kosten innerhalb von zehn Jahren nach Abschluss des Generalvertrags oder nach Ablauf von zehn Jahren nach Abschluss des Generalvertrags anfallen müssen. Aus Sicht der Landesregierung - das will ich noch einmal ganz deutlich sagen - gibt es keinen Zweifel daran, dass es nach dem Ablauf von zehn Jahren gilt, denn sonst wären andere Regelungen im Vertrag schlichtweg unsinnig. Das Großprojekt Kali und Salz - ich nannte es schon - hat eine Laufzeit von 16 Jahren, da macht es keinen Sinn, es nur auf die ersten zehn Jahre zu fokussieren, sondern es muss eindeutig heißen, nach Ablauf dieser zehn Jahre. Dafür wurden diese 800 Mio. DM angesetzt. Warum sollen die Gesamtkosten von 1,56 Mrd. DM, die in den zehn Jahren hätten erreicht werden müssen, in den zehn Jahren schon erreicht worden sein, wenn insgesamt die Laufzeit 16 Jahre ist? Von daher scheint mir das eindeutig. Deshalb wird aus unserer Sicht diese Revisionsklausel greifen.
Ich fürchte nicht den Gang vor Gericht. Es gibt nur die alte Erfahrung, wenn man einen Gerichtsweg wählt, vor dem ich keine Scheu habe - als Ultima Ratio, ich sage ganz deutlich, machen wir das. Aber was man aus allgemeinem gesellschaftlichen und auch Bund-Länder-Interesse - es gibt eine Solidaritätsverpflichtung der Länder zum Bund, die gilt aber auch umgekehrt vom Bund zu den Ländern -, eine gesellschaftlich bedeutende Angelegenheit, lasst sie uns möglichst auf dem Verhandlungswege lösen. Ich bin persönlich mit der Bundeskanzlerin im Gespräch, ganz klar, wir hatten im Juni ein intensives Gespräch. Ich habe wiederholt Dokumente zusammengestellt und sie noch einmal aus Thüringer Perspektive in Kenntnis gesetzt, um letztlich auch mit dem Bundesfinanzministerium zu reden, bei dem Herr Kollege Reinholz, Kollege Voß vorstellig wurden, ich noch einmal mit einem Briefwechsel, sage aber auch bedauernd, nicht dass das gleich von anderer Seite wieder hochgezogen wird, ich sage es selbst, ich werde mich dagegen auch wehren. Es gibt törichterweise - und bei aller Solidarität, die ich insgesamt gegenüber dem Bund walten lasse, also bundesfreundliches Verhalten eine Antwort, in der die Bundesregierung ganz einfach auf eine Kleine Anfrage „Wurden nach Kennt
nis der Bundesregierung im Laufe der Sanierungen neue, bei Vertragsabschluss zur Fusion im Jahr 1993 unbekannte Altlasten entdeckt, für die zusätzliche Sanierungsmittel zu zahlen sind (bitte Auflis- tung mit geschätzten Sanierungsaufwand)?“ antwortet: „Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über unbekannte Altlasten, die nach Abschluss des Rahmenvertrages vom 13. Mai 1993 neu entdeckt wurden.“ Ich sage es schon präventiv, es gibt jede Menge Briefwechsel, in denen wir das dokumentiert haben, Listen, die wir vorgelegt haben. Es stimmt einfach nicht, da wird sich die Bundesregierung revidieren müssen. Das werde ich der Bundesregierung mitteilen, nur damit das hier gleich abgeräumt ist. Es ist sicher auch so, dass nicht überall jemand politisch draufschaut, es gibt halt Verwaltungen, okay. Da werden wir unterwegs sein.
Außerdem wollen wir für uns in Anspruch nehmen das habe ich auch schon deutlich gemacht -, wir waren damals das erste Land - das ist mehrfach gesagt worden -, das sich auf einen solchen Generalvertrag eingelassen hat. Ja, wir haben darauf gedrängt, weil es in den über 1.000 Fällen, die ich genannt habe - einzelne davon exemplarisch -, notwendig war, dass wir handlungsfähig wurden. Die wirtschaftliche Entwicklung, die wir seitdem mit einer Unternehmensdichte in Gang setzen können, die auch einmalig für die jungen Länder ist, hat uns in der Frage recht gegeben, dass wir das getan haben. Es bleibt aber eben dieser Mangel an der Stelle. Deswegen werden wir weiterkämpfen. Wir waren die Ersten, wir dürfen dadurch nicht benachteiligt sein. Das ist ganz deutlich gesagt worden und das sagen wir immer wieder, sage ich auch persönlich.
Als Zweites: Ich weise darauf hin, wir sind dabei, zur verfassungsrechtlichen Frage, ob ein Land mit den immensen Kosten der Bergbaufolgelasten, die 1999 in diesem Umfang für niemanden vorhersehbar waren, alleingelassen werden kann, ein Rechtsgutachten zu vergeben. Ich sage ganz eindeutig, das kann nach unserer föderalen Ordnung nicht der Fall sein, das lassen wir verfassungsrechtlich noch einmal erhärten. Das wäre dann die Ultima Ratio, dass wir für das Bundesverfassungsgericht gewappnet sind.
Drittens will ich nur an vergleichbare Fälle erinnern. Der Bund beteiligt sich finanziell auch an anderer vergleichbarer Stelle als Verantwortlicher für die Treuhandabwicklung und als Rechtsnachfolger der ehemaligen Bergbaugesellschaften. Er hatte im letzten Briefwechsel, ich weiß nicht warum, die irrige Annahme, würde Merkers noch bergbaurechtlich betrieben, das war natürlich falsch, das haben wir zurückgewiesen. Da muss sich die Erkenntnis aber auch setzen. Sie sehen, wir sind da in intensiven Verhandlungen.
Parallel zu unseren Gesprächen mit dem Bund und unserem Insistieren gibt es die Rechtsstreitigkeiten in Meiningen; auch das wissen Sie. Da ist eine Ziffer in der Empfehlung, dass wir regelmäßig das Parlament darüber unterrichten. Wir haben die Beiladung des Bundes beantragt. Das Gericht gibt uns darin Recht, es muss nur geschehen. Außerdem hat das Gericht genauso die Offenlegung des Vertrags angefordert - auch da ist es aber Sache des Gerichts, dranzubleiben -, so dass wir doppelgleisig fahren und, ich denke, die ganze Sache, auch wenn es ein zäher Weg ist, in die richtige Richtung bewegen. Ich erinnere nur daran, was die Wismut betrifft. Bei der Wismut ist der Bund in hundertprozentiger Sanierungsverpflichtung, aber eben nur für das engere Wismut-Gebiet. Da ist es aber auch gelungen, im Nachgang Flächen, die außerhalb des Wismut-Gebiets lagen, in die Verantwortung des Bundes, jedenfalls partiell, mit hineinzubekommen. Warum soll das nicht auch an anderer Stelle gelingen? Man muss hart kämpfen. Das tun wir. Ich bin überzeugt davon, dass wir am Ende des Weges damit Erfolg haben werden, wenngleich wir das Ganze nicht mehr in dieser Legislaturperiode werden abschließen können, aber ich bin sicher, dass das Parlament und die Landesregierung auch in kommender Zeit an einem Strang ziehen werden. Es ist auch, glaube ich, nicht unerheblich, dass man in Berlin und bei anderen Behörden sieht, hier steht ein ganzes Parlament hinter dieser Initiative und stärkt der Landesregierung bei dieser Sache den Rücken. Herzlichen Dank.
Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie auch mir am Beginn ein persönliches Wort zu den Ereignissen gerade eben. Ich erinnere, am Beginn der Legislaturperiode stand fraktionsübergreifend der Beschluss für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in unserem Land. Er ist kon
stitutiv geworden für unsere gemeinsame Arbeit in diesem Hohen Haus über fünf Jahre. Wir leben Demokratie, wir streiten für die Demokratie. Mit braunem Ungeist wollen wir nichts zu tun haben. Auch ich danke allen, die heute die Stirn geboten haben.
Lassen Sie uns auch heute eine Debatte führen, die die Vorzüge der Demokratie erlebbar macht, nämlich das offene Wort in Rede und Gegenrede. Darum geht es. Es geht um das beste Argument. Darum wollen wir streiten hier im Hohen Haus. In diesem Geist möchte ich auch meine Regierungserklärung Ihnen, den Damen und Herren Abgeordneten dieses Hohen Hauses, abgeben.
Ich gebe diese Regierungserklärung im Namen der Landesregierung ab, um dem Parlament Rechenschaft abzulegen über diese Legislaturperiode. Es ist eine Frage der politischen Kultur, dass wir die Diskussion über Bilanz der Regierungsarbeit auch im Thüringer Landtag führen. Wir stellen uns dieser Diskussion selbstbewusst, denn es waren fünf gute Jahre für Thüringen.
„Starkes Thüringen - innovativ, nachhaltig, sozial und weltoffen“, so lautet der Titel des Koalitionsvertrages, den CDU und SPD zu Beginn der Legislaturperiode vereinbart haben. Fast 400 Ziele und Initiativen hatten die Koalitionspartner formuliert. Davon sind fast 90 Prozent abgearbeitet. In diesen Tagen gehen die letzten Gesetzgebungsinitiativen durch das Parlament, wie gestern die Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes oder die Dienstrechtsreform - grundlegende Gesetzeswerke für die Arbeit in den kommenden Jahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir hatten uns viel vorgenommen und wir haben gemeinsam für Thüringen viel erreicht. Die Koalition hat in den vergangenen fünf Jahren gut und erfolgreich zusammengearbeitet.
Ich verhehle nicht: Diese Koalition war keine Liebesheirat. Darum geht es auch gar nicht. Die politischen Positionen lagen 2009 längst nicht in allen Punkten beieinander. Wir mussten uns auf beiden Seiten bewegen, um uns anzunähern. Aber auch das macht eine Demokratie aus: Es gibt eine gemeinsame Basis, die wir schließlich gefunden haben zum Wohle des Landes. Das ist Verantwortung, die Politik wahrnehmen muss, und diese Verantwortung haben wir wahrgenommen.
In diesen fünf Jahren haben wir bisweilen hart um die Sache gerungen. Aber es geht ja auch um viel: um die verantwortungsvolle Gestaltung des Lan
des. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen und erhalten, damit die Thüringerinnen und Thüringer ihre Talente entfalten können, dass sie in unserem Land eine Perspektive für sich und ihre Familien sehen, dass sie auch von dem, was sie erarbeitet haben, von ihrem Einkommen, leben können. Auch das muss in Thüringen möglich sein und auch darum haben wir uns bemüht.
Wir wollten Thüringen auf die Zukunft vorbereiten. Das ist uns gelungen. Das Land steht besser da als je zuvor. Heute können wir sagen: Thüringen ist innovativer, nachhaltiger, sozialer und weltoffener geworden. Das ist die Leistung der Thüringerinnen und Thüringer zunächst selbst, die alle die Ärmel hochgekrempelt haben, die Hand angelegt haben, die jeden Tag ihre Leistung erbracht haben. Aber es ist auch Leistung der gemeinsamen Arbeit in der Koalition, in der wir dafür Rahmen setzend für das Land tätig gewesen sind.
Die letzten fünf Jahre gehören zu den erfolgreichsten Jahren seit der Wiederbegründung des Freistaats. Sie waren trotz aller Beschwernisse, die es bei Regierungsantritt noch gab, eine Zeitenwende und ein guter Start in das nächste Thüringer Jahrzehnt. In den zentralen Debattenfeldern der Gegenwart - Beschäftigung bei fairen Löhnen, Schuldenfreiheit, Antworten auf die demografische Entwicklung, Infrastruktur, Bildung, Forschung - sind wir erheblich vorangekommen. An diesem Erfolg haben auch die Fraktionen der Koalitionspartner hier im Landtag großen Anteil. Sie haben unsere Regierungsarbeit getragen und auch dafür bedanke ich mich bei den Koalitionsfraktionen ausdrücklich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Meilensteine, die wir erreicht haben, sind keine Selbstverständlichkeit. Erinnern wir uns: Als die Koalition im Jahr 2009 die Verantwortung für das Land übernommen hat, steckte die Welt in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Auch die Thüringer Wirtschaft wurde in diesen Abwärtssog hineingezogen. Binnen Monaten waren vier Jahre Wirtschaftswachstum dahin. Viele Thüringer Unternehmen mussten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken. Erstmals seit vier Jahren stieg 2009 die Arbeitslosigkeit wieder an. Ich erinnere nur an das Stichwort Opel. Die erste Landtagssitzung hier gemeinsam nach der Regierungsbildung war unter anderem der Situation bei Opel gewidmet. Der ganze Konzern General Motors und mit ihm das Werk in Eisenach standen auf der Kippe. Die Thüringer Landesregierung hat hier gemeinsam mit den Landesregierungen der anderen Opel-Standorte in RheinlandPfalz, in Hessen und Nordrhein-Westfalen an einem Strang gezogen. Die guten Erfolge, die bereits von der Vorgängerregierung erzielt worden waren ausgeglichene Haushalte, stabiles Wirtschafts
wachstum -, wurden durch die schwere globale Wirtschafts- und Finanzkrise, die ich eben exemplarisch für Opel genannt hatte, wieder zunichtegemacht. Der Aufbruch ins nächste Jahrzehnt fand unter schwierigen Bedingungen statt. Dennoch ist Thüringen gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen. Als sich mit dem Jahr 2010 die wirtschaftlichen Rahmendaten wieder zu bessern begannen, war der richtige Zeitpunkt für den Kurswechsel gekommen, den ich mit dem Leitbild „Thüringen 2020“ eingeleitet habe. Es war der richtige Zeitpunkt, den neuen Herausforderungen, vor denen unser Land stand, konkret zu begegnen: Dem demografischen Wandel, zurückgehenden Finanzmitteln vom Bund und aus Europa, der Globalisierung und später nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 - galt es auch, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die eingeleitete Energiewende mit aller Kraft zu stemmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Maßstab für unser Handeln war klar: Wer sich unter diesen Bedingungen Handlungsspielräume erhalten will, wer die Zukunft gestalten will, wer auch in Zukunft eigenständig sein will, der braucht zuallererst eine solide finanzielle Grundlage. Das war der erste Schritt nach der Wirtschaftskrise, den Landeshaushalt nachhaltig zu konsolidieren. Das haben wir getan, und zwar mit großem Erfolg.
Wir haben den Rückenwind der anziehenden Konjunktur nicht für zusätzliche Ausgaben genutzt. Nein, wir haben unsere Ausgaben in dieser Legislaturperiode sogar deutlich zurückgefahren. Das ist bundesweit in dieser Dimension einmalig. Wir gehören finanzpolitisch mittlerweile zur Spitzengruppe aller Länder. Das ist ein klarer Erfolg der Koalition. Auch hier danke ich den Fraktionen ausdrücklich, denn es war ein Gemeinschaftswerk von uns allen, die wir hier Verantwortung wahrgenommen haben.
Die Ausgaben folgen den Einnahmen - das haben wir erreicht - und nicht umgekehrt. Das ist unsere Leitlinie für eine nachhaltige Finanzpolitik. Seit dem Jahr 2012 haben wir keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Wir haben begonnen, Verbindlichkeiten abzubauen. Bleiben die Rahmenbedingungen so günstig wie im vergangenen Jahr, könnten wir erstmals in der Geschichte dieses Landes eine ganze Legislaturperiode in Summe ohne neue Schulden abschließen. Das wäre eine historische Leistung, ein Gemeinschaftswerk, dieses Land fünf Jahre gestaltet zu haben, und zwar ohne die nachkommende Generation zu belasten, nein, unsere Mittel zugunsten der nachfolgenden Generation eingesetzt zu haben. Das ist Politik, das ist Verantwortung und dafür stehen wir.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir sparen allerdings nicht um des Sparens willen. Sparen ist kein Selbstzweck. Bildung und Forschung genießen hohe Priorität. Verantwortliche Ausgaben in diesem Bereich kommen auch künftigen Generationen zugute. Auch Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft stiften nachhaltigen Nutzen. Sie schaffen die Basis für dauerhaftes Wirtschaftswachstum, für eine hohe Beschäftigung und gesellschaftlichen Wohlstand.
Obwohl die Gelder aus dem Aufbau Ost in den letzten fünf Jahren um über 500 Mio. € zurückgegangen sind, investiert Thüringen weiterhin fast 50 Prozent mehr als vergleichbare westdeutsche Länder. Mit einer Investitionsquote von 13 Prozent schaffen wir gute Perspektiven für unser Land.
Das Land ist finanzpolitisch auf einem guten Weg, um 2020 selbstbewusst und unabhängig auftreten zu können. Klar ist aber auch: Dieser Kurs muss fortgesetzt werden!
Auch die wirtschaftspolitische Bilanz kann sich sehen lassen. Thüringen ist heute ein wirtschaftlich stärkeres Land als vor fünf Jahren. Kurz zusammengefasst: Wir haben mehr Wirtschaftskraft. Die Wirtschaftsleistung hat enorm zugelegt. Das Bruttoinlandsprodukt ist gegenüber 2009 bis 2013 um insgesamt 7 Mrd. € gewachsen - ein nominales Plus von 15 Prozent. Thüringen ist damit das Bundesland mit der größten wirtschaftlichen Dynamik.
Dass wir mehrfach hintereinander in ausländischen Investorenmagazinen - ich erinnere nur an das USamerikanische Investorenmagazin „Site Selection“ als dynamischster vorzugswürdigster Investitionsstandort Nummer 1 in ganz Westeuropa gelten, gehört auch zur Wahrheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung.
Es gibt mehr Lohn: Menschen haben heute deutlich mehr Geld in der Tasche, und das bei stabilen Preisen. Der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn ist im Vergleich von 2009 zu 2012 um 7 Prozent gestiegen. Damit haben wir keineswegs an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Nein, es ist Geld, was sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erarbeitet haben, das wirtschaftlich erwirtschaftet wurde und das auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen muss.
Es gibt mehr Arbeit in Thüringen. Deutlich mehr Thüringerinnen und Thüringer haben einen Arbeitsplatz: Mit 56,8 Prozent hat Thüringen deutschlandweit die höchste Beschäftigungsquote.
Es gibt weniger Arbeitslose: Die durchschnittliche Jahresarbeitslosenquote ist zwischen 2010 und
2013 von 9,8 auf im Durchschnitt 8,2 Prozent gesunken. Im Juni dieses Jahres lag die Arbeitslosenquote in Thüringen bei 7,5 Prozent. Das ist gleichauf mit der Freien und Hansestadt Hamburg, die eine prosperierende Stadt in der Bundesrepublik Deutschland, in Europa ist. Damit können wir uns inzwischen messen. Wir sind auch arbeitsmarktpolitisch in der Mitte Deutschlands angekommen.
In Thüringen gibt es am Ende der Legislaturperiode also deutlich mehr Menschen in Arbeit und deutlich weniger Arbeitslose als vor fünf Jahren. Dabei kommt uns nicht allein die stabile Konjunktur zugute, die die deutsche Wirtschaft insgesamt trägt. Wir haben auch für die richtigen Rahmenbedingungen gesorgt. Das sieht man daran, dass nicht überall in Deutschland bei dem Wirtschaftswachstum, das wir haben, bei der Konjunktur, die in Gesamtdeutschland auf dem Aufwärtstrend ist, jedes Land auch für sich diese Rahmenbedingungen hat nutzen können, nein, es gehört auch eine aktive Landespolitik dazu. Das sieht man am größten Flächenland der Bundesrepublik Deutschland Nordrhein-Westfalen sie haben heute mehr Arbeitslose als in früheren Jahren trotz des Wirtschaftswachstums.
So hat die Landesregierung in den vergangenen fünf Jahren knapp 750 Mio. € allein für die Investitionsförderung zur Verfügung gestellt. Allerdings nicht, ohne diese Mittel im Sinne des Prinzips „Gute Arbeit“ auch an klare Bedingungen zu knüpfen - etwa an eine geringere Leiharbeitsquote, eine hohe Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze und die Tarifbindung der Unternehmen. All das macht für uns Wirtschaft aus. Arbeitgebern und Unternehmen soll es gut gehen, aber die Beschäftigten sollen auch etwas davon haben.
Aber wir dürfen nicht vergessen: Entscheidend für die Lohnhöhe ist letztlich die Fähigkeit des Unternehmens, Gewinne zu erwirtschaften. Deswegen werden wir auch weiter hart daran arbeiten müssen, die Rahmenbedingungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, für mehr Produktivität und für mehr nachhaltiges Wachstum in den Unternehmen zu festigen und weiter auszubauen. Das habe ich gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister vor einigen Wochen der Thüringer Öffentlichkeit vorgestellt. Es geht darum, jetzt auch vor allen Dingen im Bestand unserer Thüringer Unternehmen mehr Produktivität, mehr gute Arbeit zu ermöglichen.
Aber es gibt auch nach wie vor Bereiche, wo wir weiter nachholen müssen. Es gibt noch immer deutliche Unterschiede bei den Einkommen, trotz allen Wachstums, was wir hier haben, aber auch bei den Exportquoten. Auch hier sind wir auf dem richtigen Weg, das zeigen die Meldungen von heu
te, aber immer noch mit deutlichem Abstand zu einigen westlichen Flächenländern.
Die Kapitalkraft der Unternehmen in den jungen Ländern ist noch immer deutlich geringer als in den alten, auch in Thüringen. Noch immer bleibt der Anteil der Forschungsausgaben aus den Unternehmen selbst heraus hinter denen in den alten Ländern zurück. Umso wichtiger ist es, dass wir den öffentlichen Sektor in Thüringen hochgehalten haben und auch weiter hochhalten werden.
Ich erinnere auch an die Krise der Solarwirtschaft, die noch längst nicht überwunden ist. Auch hier hat sich die Landesregierung zum Beispiel erfolgreich gemeinsam für die Rettung des Standorts in Arnstadt starkgemacht und Perspektiven geschaffen. Und wir haben uns eingesetzt für die Anti-DumpingMaßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene, um faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen.
Die noch bestehenden Defizite in der Wirtschaftsstruktur Thüringens gehen wir systematisch an. Auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftebedarf ist es wichtig, Menschen, die arbeiten können und wollen, auch in Arbeit zu bringen. Unternehmen fällt es immer schwerer, freie Stellen mit geeigneten Fachkräften zu besetzen. Das ist ein Thema, was man allenthalben im Lande hört. Aus diesem Grund hat die Landesregierung unter anderem die Fachkräfteinitiative „Thüringen braucht dich“ gestartet. Mit der Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung und dem „Welcome Center Thuringia“ haben wir zudem Strukturen geschaffen, die die Themen Fachkräftesicherung und Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften effektiv aufgreifen und abdecken. Auch in der öffentlichen Verwaltung gehen wir das Thema Fachkräftesicherung an, denn eine effektive, bürgernahe Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor. Deshalb reformieren wir beispielsweise das Dienstrecht, wie wir es am gestrigen Tage gemeinsam hier im Landtag getan haben. Das Ziel lautet, das Leistungsprinzip und die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber zu stärken. Wir sind Dienstleister für die Menschen im Land und Dienstleister auch für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Das ist unser Verständnis.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, für die Thüringer Wirtschaftsförderung haben wir eine Reihe von Kernzielen formuliert:
1. Nach dem Jahr 2020 muss eine selbsttragende Weiterentwicklung der Thüringer Wirtschaft möglich sein. Dementsprechend müssen die vorhandenen Fördermittel eingesetzt werden. Für den Zeitraum 2014 bis 2020 muss gelten, dass die hierfür zur Verfügung stehenden Bundes- und EU-Mittel vom Land kofinanziert werden. Das haben wir in der Koalition auch so verabredet.
2. Wir stellen uns dem ehrgeizigen Ziel, dass wir am Ende der nächsten Legislaturperiode Vollbeschäftigung erreichen können. Das ist realistisch möglich bei der Dynamik, bei der Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen, die wir in Thüringen haben. Wir wollen künftig einen noch stärkeren Fokus auf qualifizierte und dabei auch besser bezahlte Arbeitsplätze legen. Dabei ist klar: In Zeiten des zunehmenden Fachkräftebedarfs brauchen wir vor allem produktivitätssteigernde Investitionen in den Unternehmen. Genau das haben wir auch gemeinsam in der Landesregierung beschlossen.
3. Wir unterstützen die in Thüringen ansässigen Unternehmen - das heißt, nicht nur, aber vor allem kleine und mittelständische Unternehmen - in ihren Wachstumsbemühungen. Darum geht es. Wirtschaft, die in der Region verankert ist, die Mitspieler, die bei vielen gesellschaftlichen Fragen bis hin zur Stärkung des Ehrenamtes in unseren Kommunen tätig sind, die wollen und müssen wir als bleibende Mitspieler in unserem Land und für unsere Heimat unterstützen.
4. Über die reine Zuschussförderung hinaus geht es uns auch darum, gute Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen sicherzustellen und den Zugang zu Wagnis- und Beteiligungskapital zu sichern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, allerdings nutzt auch der größte Fördermittelbescheid wenig, wenn es am Ende an guten Ideen fehlt. Ideen, aus denen Innovationen und letztlich gute Produkte entstehen können. Darum geht es letztlich. Gute Ideen, nicht Fördermittel, sind der Treibstoff für unsere Wirtschaft.
Neben den klassischen Wirtschaftsförderprogrammen ist deswegen vor allem die Forschungs- und Technologieförderung für die hiesigen Unternehmen von besonderer Bedeutung. Wir wollen, dass in Thüringen Innovationen entstehen und auf dieser Basis noch mehr Wertschöpfung in Thüringen stattfindet. Die Rahmenbedingungen dafür haben wir in den vergangenen fünf Jahren noch weiter verbessert. Die Förderung wurde noch stärker strategisch ausgerichtet. Letztes Glied in der Kette dieser Entwicklung ist die vor Kurzem von der Landesregierung verabschiedete und auch schon mit dem EUKommissar Dr. Hahn, als er hier war, dem Regionalkommissar, Regionale Innovationsstrategie „RIS3“.
Wir haben noch mehr Raum für neue Ideen gegeben. Thüringen hat sich zu einem etablierten Wissenschafts- und Forschungsstandort entwickelt, der national und auch international wahrgenommen wird. Mit dem „Thüringer Innovationszentrum Mobilität“ in Ilmenau, dem Innovationscluster „Green
Photonics“ in Jena, dem „GreenTech-Campus“ in Hermsdorf
- ja, ein bisschen Bekenntnis aus der Region ist immer angesagt - oder dem „Thüringer Zentrum für Maschinenbau“ in Südthüringen haben wir in Thüringen neue „Denkfabriken“ eröffnet. Auch hier rauchen die Köpfe und nicht wie in früheren Jahrzehnten die Schlote.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die ressortübergreifende Forschungsstrategie der Landesregierung setzt einen passgenauen Rahmen: Schwerpunkte sind die wichtigen Zukunftstechnologien, darunter Photonik, Mikro- und Nanotechnologie sowie erneuerbare Energien. Seit 2009 hat das Land mehr als 135 Mio. € für den Ausbau der Forschungsinfrastruktur bereitgestellt.
Darüber hinaus haben wir das Landesprogramm „ProExzellenz“ zur Förderung der Spitzenforschung in Höhe von 20 Mio. € bis 2019 neu aufgelegt. Mit der Forschungsinitiative „E hoch 4“ entwickelt sich Thüringen zum grünen Motor der erneuerbaren Energietechnologien. Auch der Ausbau des Forschungscampus Beutenberg in Jena und die Aufnahme des Instituts für Photonische Technologien e.V. in die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz sind eindrucksvolle Belege einer erfolgreichen Thüringer Forschungspolitik, die längst auch im Bund, die nicht nur in Berlin, sondern die international angekommen ist.
Undenkbar wäre das Wissenschaftsland Thüringen ohne seine Hochschulen. In den vergangenen Jahren haben wir die nötigen Entscheidungen getroffen, um sie auch für die Zukunft gut aufzustellen. So erhalten alle neun Thüringer Hochschulen eine Zukunftsgarantie.
Mit der Rahmenvereinbarung III stellt das Land bis 2015 insgesamt 1,56 Mrd. € zur Verfügung 121 Mio. € mehr als in der vorangegangenen Finanzierungsperiode. Somit ist für eine stabile Basis gesorgt.
Mit der Hochschulstrategie 2020 richten beide Partner - Land und Hochschulen - jetzt das Augenmerk auf das Jahr 2020 und darüber hinaus. Damit jede Hochschule nationale und internationale Sichtbarkeit erreicht, sollen zukunftsträchtige Bereiche gezielt entwickelt und Kooperationen zwischen den Hochschulen weiter ausgebaut werden.
Das Land sorgt im Gegenzug für eine verlässliche Finanzierung der neu geschaffenen Strukturen, indem den Hochschulen ab 2016 die wissenschaftsspezifischen Kostensteigerungen vollständig ersetzt und zusätzlich ein Strategiebudget in Höhe von 1 Prozent des jährlichen Zuschusses zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine tolle Leistung. Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren
Abgeordneten, wo gibt es das sonst in einem deutschen Flächenland? Wir sind hier Spitze für unsere Hochschulen, für unsere Forschung, denn das ist Zukunft für Thüringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir setzen bei unseren Ausgaben klare Prioritäten, und das bei insgesamt sinkenden Haushaltsvolumina. Dazu zählt neben Wissenschaft und Forschung insbesondere auch die Bildung. Denn Bildung schafft Chancen. Frühkindliche Bildung, individuelle Förderung als zentrales Prinzip an den Schulen, leistungsfähige Hochschulen und eine innovative Forschungslandschaft machen Thüringen zu einem erfolgreichen Bildungsland, und zwar in der gesamten Kette von der frühkindlichen Bildung über unsere berufliche Bildung, über die akademische Bildung bis hin zu den Professoren und Akademikern, die für unser Land arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit dem neuen Kita-Gesetz von 2010 hat Thüringen bundesweit Maßstäbe gesetzt. Als erstes Bundesland hat der Freistaat den kleinsten Thüringerinnen und Thüringern einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten vollendeten Lebensjahr und eine Betreuungszeit von 10 Stunden täglich garantiert. 2.500 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher wurden neu eingestellt. Dank des verbesserten Personalschlüssels und klaren Regelungen für die räumliche Ausstattung der Kitas hat sich die Qualität der frühkindlichen Betreuungs- und Bildungsangebote in Thüringen deutlich erhöht. Mit der Weiterentwicklung des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis zehn Jahre wird sich die Qualität der Bildung weiter erhöhen.
Der Kindergarten, eine Thüringer Erfindung - wie so vieles, wo ich immer sage, aus dem Land der Originale, auch der Thüringer Kindergarten ist ein Zeichen für dieses Land der Originale -, ist eine Thüringer Erfolgsgeschichte. Mehr als 88.000 Kinder besuchen einen Kindergarten oder werden von einer Tagesmutter betreut. Das ist jedes zweite Kind unter drei Jahren sowie 97 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen. Auch dies ist ein Spitzenwert in Deutschland. Zugleich haben wir das Angebot eines Thüringer Erziehungsgeldes für jene Eltern aufrechterhalten, die sich dafür entscheiden, ihr Kind überwiegend oder ganz zu Hause zu betreuen.
Damit haben wir eines unserer zentralen Ziele in der Bildungs- und Familienpolitik erreicht: Wahlfreiheit für die Eltern. Sie treffen die Entscheidung, der Staat stellt die Rahmenbedingungen zur Verfügung, die diese Entscheidungsfreiheit überhaupt erst ermöglichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, jedes Kind ist einzig und hat seine Stärken, die es zu entdecken und zu fördern gilt. Deshalb wurde im Thüringer Schulgesetz und in der Schulordnung die individuelle Förderung eines jeden Schülers in das Zentrum der pädagogischen Arbeit gerückt. Ziel ist, den bestmöglichen Lernerfolg bei allen Kindern und Jugendlichen zu sichern. Dabei gehen das Fördern und das Fordern Hand in Hand. Dass sich die Anstrengungen lohnen, bestätigen die unterschiedlichen Schulleistungsstudien, die Thüringen an der Spitze der Länder sehen, so der „Chancenspiegel 2013“ der Bertelsmann Stiftung, der „Bildungsmonitor 2013“ des Instituts der deutschen Wirtschaft und die IQB-Ländervergleichsstudie der Kultusministerkonferenz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Qualität in der Bildung wird auch durch differenzierte Schulformen und durch ein breites Angebot an freien Schulen gewährleistet.
Neben den klassischen Schulzweigen der Grundschule, der Regelschule und des Gymnasiums hat die Landesregierung das Modell der Thüringer Gemeinschaftsschule als gleichberechtigte Schulart neben der Regelschule und dem Gymnasium ebenso eingeführt wie das Prädikat „Oberschule“. Zu Beginn dieses Schuljahres 2014/2015 gibt es in Thüringen 47 Gemeinschaftsschulen. Wo Lehrer, Schulträger und Eltern das gemeinsam wollen, kann auch eine Gemeinschaftsschule entstehen, so haben wir es im Koalitionsvertrag verabredet. Ziel ist es, die Freiheit muss es ermöglichen, die Freiheit von Eltern, Schülern und Schulkonferenzen, Schulträgern, die darüber bestimmen, wie ihre Schulform aussehen soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, letztlich kommt es aber auf die Menschen an. Engagierte und gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind der Garant für gute Bildung. Seit 2009 hat die Thüringer Landesregierung deshalb die Einstellungszahlen für Lehrer systematisch erhöht. In den Jahren 2013 und in diesem Jahr 2014 werden jeweils 400 Lehrer neu eingestellt.
Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zum Gelingen des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderung hat die Thüringer Landesregierung gemeinsam mit den Schulträgern den Entwicklungsplan Inklusion erarbeitet. Dieser analysiert die unterschiedlichen Ausgangslagen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten und enthält spezifische, für die Region abgestimmte Maßnahmen und Entwicklungsschritte. Derzeit besuchen - mit großen regionalen Unterschieden - landesweit 27 Prozent der Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf den gemeinsamen Unterricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir wollen unterschiedliche Lebensentwürfe und -erfahrungen in gegenseitigem Respekt und gesellschaftlicher Verantwortung zusammenbringen.“ Dieser Satz ist kein leeres Versprechen. So, wie wir uns zum Beispiel im Bildungswesen um eine faire Teilhabe und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen einsetzen, aber auch den bewährten Zweig der Förderschulen selbstverständlich weiter im Bildungsgesetz haben, weiter auch mit einer Zukunft versehen, so setzen wir uns auch insgesamt für eine tolerante und weltoffene Gesellschaft ein.
Bereits im Jahr 2012 hatte der Thüringen-Monitor die Weltoffenheit und Internationalisierung in unserem Freistaat untersucht. Die Wissenschaftler kamen damals zum Ergebnis, dass - so wörtlich „sich die Thüringer Bevölkerung mit großer Mehrheit […] zur Offenheit gegenüber anderen Kulturen, zur Aufnahmebereitschaft gegenüber Zuwanderern und […] [zu den] Chancen internationaler wirtschaftlicher Verflechtung bekennt.“
Die wachsende Thüringer Wirtschaft drängt auf die internationalen Märkte. Russland, China, Indien standen in dieser Legislaturperiode unter anderem im Fokus großer Wirtschaftsdelegationen. Durch diese internationalen Verflechtungen werden dauerhaft neue Arbeitsplätze auch in Thüringen gesichert. Mit Blick auf die weitere Öffnung Thüringens spielt auch die Internationale Bauausstellung, die IBA, eine wichtige Rolle. Die IBA ist bereits erfolgreich gestartet. Sie hat in diesem Jahr mit den Projektaufrufen begonnen und wird zu einem Aushängeschild unseres Landes werden.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir die Partnerschaften insbesondere nach Malopolska und in die Picardie weiter intensiviert. Erst vor wenigen Wochen haben wir zum Beispiel in der Staatskanzlei gemeinsam mit unseren polnischen Freunden das 15-jährige Bestehen der Partnerschaft mit Kleinpolen gefeiert.
Besonders freut mich, dass die grenzüberschreitenden Kontakte zwischen jungen Menschen immer intensiver werden. Alle Schüler in Thüringen lernen ab der Grundschule eine Fremdsprache, denn die Beherrschung von Fremdsprachen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zum Verständnis anderer Kulturen.
398 Schulen des Freistaats haben Partnerschulen in Europa und in der Welt. Ich danke auch den Abgeordneten des Thüringer Landtags, namentlich des Europaausschusses, die immer wieder vonseiten des Landtags, auch mit den Freundeskreisen, ich blicke in Ihre Gesichter, die Partnerschaften von parlamentarischer Seite pflegen und auch da Thüringen zu einem guten Botschafter für die interna
tionale und europäische Zusammenarbeit haben werden lassen. Herzlichen Dank deshalb auch an das Parlament.
Schüler und Studierende lernen wie selbstverständlich fremde Sprachen und Kulturen kennen und schätzen. Auch Thüringen ist zum Beispiel als Studienort international bekannt und begehrt geworden: 10,4 Prozent der Studierenden an Thüringer Hochschulen kommen aus dem Ausland. Die Zahl ist steigend.
Erfreulich: Auch die Zahl der Einbürgerungen ist in Thüringen in den letzten Jahren leicht gestiegen. Seit 2009 wurden mehr als 2.000 Menschen eingebürgert. Auch hier haben wir mit einer guten Tradition sehr würdiger Einbürgerungsveranstaltungen, Festveranstaltungen begonnen.
Thüringen ist schon aus demografischen Gründen immer stärker auch auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. So manche Arztstelle wäre nicht besetzt, wenn nicht Mediziner aus anderen Ländern zu uns gekommen wären. Diese neuen Thüringer sind aber nicht nur begehrte und notwendige Arbeitskräfte und Fachkräfte - nein, lassen Sie es mich deutlich sagen: Sie sind auch eine menschliche und kulturelle Bereicherung unseres Landes, auf die wir nicht verzichten möchten.
Dennoch müssen wir auch feststellen, dass Ängste und Ressentiments gegenüber Ausländern - ebenso wie gegenüber anderen Gruppen - leider noch immer weitverbreitet sind und mitunter auch geschürt werden. Auch das zeigen die Ergebnisse des jährlichen Thüringen-Monitors immer wieder. Aus diesem Grund hat die Landesregierung besonderen Wert darauf gelegt, die Willkommenskultur weiter zu stärken. So wird das Weimarer Ausländeramt in einem bundesweiten Pilotprojekt zu einer „Willkommensbehörde“ ausgebaut. Asylbewerber können in der Landeserstaufnahmestelle in Eisenberg an einem Erstorientierungskurs teilnehmen, um ihr Gastland und den Ablauf des Asylverfahrens kennenzulernen. Mit der Änderung der Residenzpflichtverordnung haben alle Asylbewerber nun die Möglichkeit, sich im gesamten Freistaat Thüringen frei zu bewegen. Solche Maßnahmen erleichtern das Eingewöhnen und Zurechtfinden von Fremden, die zu uns finden.
Förderung der Willkommenskultur beginnt aber letztlich bei uns selbst, bei den Thüringerinnen und Thüringern. Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit setzt hier an. Es sichert landesweite und flächendeckende Beratungsstrukturen und fördert Initiativen und Projekte, die insbesondere den Kampf gegen extremistische Tendenzen aufnehmen und die sich für ein weltoffenes Thüringen einsetzen. Die Evaluierung hat gezeigt,
dass das Landesprogramm gut angenommen worden ist. Allein 2013 wurden über 360 lokale und regionale Projekte für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gefördert. Der Kampf gegen Rechtsextremismus hat dabei einen besonderen Schwerpunkt gebildet. Das stärkt die Zivilgesellschaft und die Verwaltungen bis in das letzte Dorf und fördert die Sensibilität für extremistische Entwicklungen. Gerade in unserem Zeitalter der Globalisierung wäre das Zurückfallen in nationalistische Denkweisen ein fataler Irrtum.
Die Zukunft unseres Landes liegt - trotz aller Schwierigkeiten in manchem Detail - in Europa. Auf diesem Grundverständnis hat die Landesregierung auch ihre europapolitische Strategie „Für Thüringen in Europa“ aufgebaut. Sie enthält ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union und zum Euro, die im zentralen Interesse Deutschlands und Thüringens liegen und die der Rahmen unserer erfolgreichen Entwicklung der letzten Jahre sind. In den vergangenen fünf Jahren haben wir unsere Interessen in Brüssel konsequent verfolgt. Eines der wichtigsten europapolitischen Ziele, eine angemessene Förderung durch die EU-Strukturfonds auch nach 2013 sicherzustellen, haben wir erreicht. Das war, weiß Gott, nicht einfach.
Thüringen wird bis 2020 auf diesem Weg insgesamt rund 1,66 Mrd. € aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, dem EFRE, und dem Europäischen Sozialfonds, dem ESF, erhalten. Darüber hinaus fließen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, also dem ELER-Fonds, noch einmal rund 680 Mio. € aus Brüssel nach Thüringen. Insgesamt konnten wir die Einschnitte deutlich geringer halten, als wir anfangs befürchtet hatten. Es bleibt aber unter dem Strich: Es ist rund ein Drittel weniger, als wir bisher hatten.
Hierfür haben fast alle Mitglieder der Landesregierung in Brüssel immer wieder geduldig und beharrlich verhandeln müssen. Allen, die zu dem Verhandlungserfolg in Brüssel beigetragen haben, deshalb an dieser Stelle meinen herzlichen Dank!
Die Europapolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, nimmt - nicht nur wegen der finanziellen Bedeutung, sondern auch wegen der weitreichenden Gesetzgebung - an Bedeutung immer weiter zu. Aus diesem Grund haben die Landesregierung und der Landtag 2011 eine Vereinbarung über die Unterrichtung und die Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union getroffen. Dadurch ist die Mitwirkung des Landtags an europapolitischen Entscheidungen, insbesondere am Subsidiaritätsfrühwarnsystem, sichergestellt. Das war uns ein ganz wichtiger Pro
zess. Nach diesem Prozess haben wir vorbildlich im Vergleich der deutschen Parlamente für Thüringen miteinander verhandeln und beschließen können. Es ist wichtig, die Meinung der Thüringer Abgeordneten, von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch bei unserem Verhalten im Bundesrat und gegenüber der Europäischen Union mit einzusetzen. Vielen Dank.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, Thüringen ist heute weltoffener, ja, internationaler geworden. Wir wissen unsere Interessen auch auf europäischer Ebene zu wahren. Thüringen ist heute, 25 Jahre nach der friedlichen Revolution, längst in der Mitte Europas angekommen. Ein Land, das sich Europa und der Welt offen zuwendet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Thüringen ist auch reich an großen Naturschätzen. Der wirtschaftliche Erfolg zahlreicher Branchen, wie die Agrar-, Ernährungs- und Forstwirtschaft oder der Tourismus, gründet auf diesem Reichtum. Doch langfristig kann Wohlstand in Thüringen nur gedeihen, wenn wir die natürlichen Ressourcen bewahren. Wir sind wichtige Schritte auf diesem Weg gegangen. Wir haben eine Biodiversitätsstrategie erstellt. Wir setzen uns für eine erfolgreiche Landwirtschaft ein, die im Einklang mit der Natur arbeitet, unter anderem mit dem „Zukunftskatalog Thüringer Landwirtschaft 2020“, den wir bereits als Landesregierung im Jahr 2012 gemeinsam mit dem Thüringer Bauernverband, mit den Landwirten erarbeitet haben.
Wir haben der Gentechnik in der Landwirtschaft ebenso eine klare Absage erteilt wie dem Fracking zur Gewinnung von fossilen Energieträgern. Auch da ist eine große Übereinstimmung mit den Abgeordneten hier im Thüringer Landtag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, unser Land ist regional überschaubar. Der Klimawandel dagegen ist ein globales Phänomen. Mancher Kritiker meint daher, was wir in Thüringen für die Umwelt tun, rettet das Weltklima nicht vor dem Umkippen. Wozu also dieser Einsatz? Wahr ist, Thüringen allein kann freilich nicht die Welt retten, das zu meinen, wäre auch vermessen. Aber es geht uns um die Verantwortung, die wir tragen, die jeder Einzelne für die Umwelt trägt, unseren Nachkommen eine Umwelt zu hinterlassen, die mindestens genauso schön und lebensdienlich ist wie die, die wir im Moment genießen. Wir sind gefordert, diese Verantwortung anzunehmen und unseren Beitrag zu leisten, und zwar jeder von uns.
Wir müssen davon ausgehen, dass Wetterextreme auch Thüringen immer häufiger treffen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Die Thüringer Klimaagentur, das Klimaanpassungsprogramm des Freistaats, der Klimagipfel in diesem Jahr 2014 und der Klimabeirat, all das sind Instrumente, mit denen wir den Klimaschutz und die Klimaanpassung im Land vorantreiben.
Uns allen ist in diesem Zusammenhang auch das schwere Hochwasser vom Juni vergangenen Jahres in Erinnerung. Trotz aller Schäden, die entstanden sind, hat sich aber auch gezeigt: Noch Schlimmeres konnte verhindert werden. Der Freistaat hat in der Legislaturperiode etwa 85,5 Mio. € in den Hochwasserschutz und Gewässerbau investiert. Zugleich erhalten die Betroffenen die Hilfe, die sie brauchen, die Hilfe, die mit den Antragsverfahren noch läuft. Aber bei der Soforthilfe, die unbürokratisch und sofort ausgezahlt wurde an die Betroffenen, haben wir als Thüringer Landesregierung Handlungsfähigkeit - und zwar binnen weniger Tage - bewiesen. Derzeit sind bereits 73 Prozent der Anträge bearbeitet und über 44 Mio. € an die Betroffenen ausgezahlt.
Selbstverständlich wollen wir aus diesem Hochwasser weitere Schlüsse ziehen. Wir wollen präventiv handeln. So haben Land und Kommunen intensiv das neue Landesprogramm für Hochwasserschutz vorbereitet, das ab 2015 umgesetzt wird. Die dazugehörigen Hochwasserrisiko- und Gefahrenkarten sind bereits erstellt und für jedermann im Internet zugänglich. Prävention allein reicht in mancher Notsituation aber nicht aus. Deshalb prüfen wir auch auf Bundesebene weiter die Einführung einer Elementarschadenversicherung, die eine Pflichtversicherung sein sollte, damit auch hier Risiken zusätzlich abgesichert werden können.
Zerstörungen zu reparieren ist stets teurer, als sie von vornherein zu vermeiden - wenn ein Ersatz überhaupt möglich ist. Dieses Prinzip gilt für den Hochwasserschutz und es gilt auch für den Schutz der biologischen Vielfalt.
Wir wollen unser Naturerbe erhalten: Tiere, Pflanzen und die einzigartigen Naturlandschaften. Alle acht Nationalen Naturlandschaften im Freistaat sind in den vergangenen Jahren aufgewertet und weiterentwickelt worden und auch das sind zusätzliche Potenziale in den Regionen. Es lohnt sich, dieses Engagement, nicht zuletzt am UNESCO-Weltnaturerbe Hainich merken wir das. Die Entwicklungen waren richtig, die wir hier vor Jahren eingeschlagen haben.
Daneben setzt Thüringen mehrere Naturschutzgroßprojekte mit um, beispielsweise am Grünen Band oder auf der Hohen Schrecke und nicht zu vergessen auch
die Biosphärenreservate Vessertal, Thüringer Wald oder auch die Rhön, wo sich eine wichtige Entwicklung und vor allen Dingen auch eine touristisch gute Entwicklung abzeichnet.
Hinzu kommt: Unsere Landesforstverwaltung - seit der Forstreform als ThüringenForst eine Anstalt des öffentlichen Rechts - betreibt bereits einen großflächigen Waldumbau hin zu standortgerechten, artenreichen und stabilen Mischwäldern, die den Klimaänderungen besser widerstehen können. 100.000 Hektar Wald sollen insgesamt umgebaut werden. Damit wollen wir nachhaltig dafür sorgen, dass die Artenvielfalt von Flora und Fauna in Thüringen erhalten bleibt. Und wenn ich so selbstverständlich davon spreche, ThüringenForst, wir haben in dieser Legislaturperiode auch die umfassendste Forstreform vorgenommen, die es in Thüringen je gab, und haben dabei
- auch ganz wichtig - unser Einheitsforstamt, was unsere forstliche Leistungsfähigkeit auszeichnet, erhalten und das soll auch weiter so bleiben.
Das mit Abstand größte Nachhaltigkeitsprojekt der Landesregierung ist aber ohne Zweifel die Energiewende. Thüringen hat sich hier ambitionierte und realistische Ausbauziele gesteckt. Wir haben uns von Anfang an aktiv und gestaltend in die Energiewende eingebracht. Ich erinnere insbesondere an die grundlegende Weichenstellung von Weimar mit der Ministerpräsidentenkonferenz unter Thüringer Vorsitz im Oktober 2012. Damals haben wir maßgeblich die Erarbeitung einer nationalen Ausbaustrategie erneuerbarer Energien vorangebracht. Bund und Länder ziehen seitdem an einem Strang. Sie stimmen ihre Ausbaustrategien nun besser aufeinander ab und auch das gerade am Freitag beschlossene, novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Zeugnis davon.
Das gilt auch für unsere eigenen energiepolitischen Ziele, die wir uns in Thüringen gesetzt haben. Wir wollen bis 2020 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Nettostromverbrauch von 45 Prozent erreichen und einen Anteil an erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von 30 Prozent. Zugleich wollen wir die Energieproduktivität als Maßstab der Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber 2010 erhöhen. Auch Energieeffizienz ist letztlich die beste Form von Energieeinsparung und Senkung des Energieverbrauchs.
Mit dem Landesentwicklungsprogramm 2025 haben wir die Weichen richtig gestellt, um die energiepolitischen Ziele zu erreichen. Thüringen bleibt damit Vorreiter der Energiewende. Insgesamt hat die Lan
desregierung - auch um die Wertschöpfungspotenziale der GreenTech-Branche zu erschließen - eine Reihe von Initiativen gestartet. Mit der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur wurde bereits 2010 das zentrale Kompetenzzentrum für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der grünen Technologien im Freistaat Thüringen eingerichtet.
Darüber hinaus haben wir im Jahr 2011 die Thüringer Energieeffizienzoffensive für Unternehmen ergriffen. Im Rahmen der Initiative „Energetischer Stadtumbau 2025“ wurden mit Thüringer Kommunen, der Wohnungswirtschaft, Energieunternehmen und zahlreichen Verbänden wichtige Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung des Energieverbrauchs angeschoben. Der Freistaat geht mit gutem Beispiel voran: Seit 2014 erfolgt die Stromversorgung aller Landesimmobilien zu 100 Prozent aus Ökostrom. Auch das ist eine Verpflichtung, die wir uns gegeben haben. Wir haben sie eingehalten.
Zuletzt sind allerdings immer mehr die Energiepreise in den Blick der Diskussion geraten. Klar ist: Wir dürfen sie sich nicht ungebremst weiter nach oben entwickeln lassen. Verbraucher und Unternehmer gerade in den jungen Ländern dürfen nicht überfordert werden.
Darauf müssen wir achten, denn sonst droht die Energiewende zu Recht die Akzeptanz bei den Menschen zu verlieren und das wollen wir nicht.
Mit der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, die gerade erst beschlossen wurde, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Vor allem können wir nun die Kostendynamik der EEG-Umlage durchbrechen. Dies entspricht einer wesentlichen Forderung, die wir als Freistaat Thüringen von der Thüringer Landesregierung, aber eben auch aus Reihen des Parlaments erhoben haben.
Außerdem liegt mit der grundlegenden Reform des EEG erstmals ein verlässlicher Ausbaurahmen für alle Erzeugungsarten der erneuerbaren Energieträger vor. Für die Biomasse, den wichtigsten erneuerbaren Energieträger in Thüringen, hätten wir uns zwar noch bessere Ergebnisse gewünscht. Auch hier werden wir weiter unsere Interessen vertreten. Wir werden auch den Zeitraum bis zur Evaluierung 2017 - dann muss es ohnehin noch mal ein erneuertes Gesetz geben - nutzen, um hier unsere Kreisläufe im ländlichen Bereich zu fördern, um sie stabil zu halten, denn alles das sind Einnahmequellen, das sind Attraktivitätsfaktoren für den ländlichen Raum. Aber insgesamt ist die EEG-Reform, wie gesagt, ein wichtiger Schritt für die Energiewende, den wir unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, wir wollen Vorreiter für eine nachhaltige Energiepolitik und Naturnutzung, Forst- und Landwirtschaft werden. Das war die Maßgabe unseres Handelns.
Um „gute Arbeit“ im wahrsten Sinne des Wortes ging es auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Gute Arbeit und faire Löhne - an diesem Grundsatz haben wir uns in den vergangenen fünf Jahren orientiert. Die Thüringer Landesregierung hat nicht zuletzt die bundespolitische Debatte um die Einführung eines Mindestlohns maßgeblich mitgeprägt. Das Thüringer Mindestlohn-Modell hat erstmals gezeigt, dass ein parteiübergreifender, mehrheitsfähiger Kompromiss in dieser Frage möglich ist.
Dass nun ein bundesweit gültiger, flächendeckender Mindestlohn mit pragmatischen Übergangsregelungen eingeführt wird, ist damit auch ein Verdienst unserer Arbeit, die wir im Vorfeld hier in Thüringen geleistet haben, ein Erfolg, der direkt bei den Menschen ankommt. Mit dem Mindestlohn verbessert sich gerade die Situation von Menschen mit einem niedrigen Einkommen deutlich.
Mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt und vor allen Dingen mehr Chancen für Frauen im Berufsleben war bei der Neufassung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes unser Ziel. Auch die Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen sind verbessert worden - nicht zuletzt durch die Erhöhung des Blindengeldes, was wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen haben.
Jenen, die sich nicht selbst helfen können, reichen wir immer wieder die Hand zur Hilfe. So hat die Landesregierung die Thüringer Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung mit Nachhaltigkeit, TIZIAN, finanziell abgesichert, weiterentwickelt und ab 2015 um den Schwerpunkt Armutsprävention erweitert. TIZIAN ist damit ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut und Familienarmut in Thüringen. Das Programm richtet sich an Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, gering qualifizierte Menschen und diejenigen, die schon seit Jahren keinen Zugang zu geregelter Arbeit finden konnten. Es ist ein Projekt, was flächendeckend in Thüringen zum Einsatz kommt.
Die positive Beschäftigungsentwicklung in Thüringen in den vergangenen Jahren habe ich bereits beschrieben. Die Landesregierung hat erhebliche Anstrengungen unternommen, auch Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zum ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Neben dem sozialpolitischen Ansatz über die TIZIAN haben wir auch mit dem Landesarbeitsmarktprogramm gezielt auf eine noch bessere Integration Langzeitarbeitsloser hingearbeitet. Die Landesregierung hat bezüglich der ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 entschieden, die
Anstrengungen zur Integration aller Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt fortzusetzen und weiter auszubauen und dazu eben auch die europäischen Mittel zu nutzen.
Außerdem haben wir die Finanzierung der Jugendpauschale auf einem Niveau von 11 Mio. € stabilisiert. Das sind Mittel für Kinder- und Jugendarbeit in den Kommunen, Jugendsozialarbeit und Kinderschutz.
Zu nennen ist hier auch das 2013 gestartete Landesprogramm Schulsozialarbeit: Mehr als 200 Stellen für Schulsozialarbeiter werden aus diesem Programm mit 10 Mio. € im laufenden Jahr finanziert. Die Kommunen erhalten damit ein zusätzliches Instrument, um an der Nahtstelle von Jugendhilfe und Schule benachteiligte Kinder und Jugendliche und deren Familien zu unterstützen.
Ein weiterer Baustein eines sozialen Thüringens ist ein funktionierendes Gesundheitswesen. Im Freistaat nimmt der Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen rasch zu. Gleichzeitig sinkt das Angebot potenzieller Fachkräfte beträchtlich. Schon heute wissen wir, dass im Jahr 2025 fast 70.000 Arbeitskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen benötigt werden, auch in der Pflege. Das kann Auswirkungen auf die Qualität der Pflegeversorgung im Freistaat haben, wenn es uns nicht gelingt, die hier ausgebildeten Fachkräfte im Land zu halten. Wir tun hier also alles, um gemeinsam vom Sozialministerium mit den wichtigsten Akteuren der Sozialwirtschaft den Thüringer Pflegepakt, der beschlossen worden ist, auch Tag für Tag in der Praxis umzusetzen. Dadurch sollen das Image der Pflegeberufe, das Ausbildungsangebot, die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung und die Pflegesätze in der Pflegebranche weiterentwickelt und verbessert werden. Ohne ein Anheben der Löhne und Gehälter wird es auch hier nicht gehen, um die Attraktivität des Pflegeberufs in Thüringen weiter zu steigern.
Weiterhin haben wir Weichen gestellt, um die ärztliche Versorgung im ganzen Land, besonders im ländlichen Raum, zu sichern. Wir reagieren auf die drohende Unterversorgung mit einem Bündel von Maßnahmen; unter anderem können Ärzte seit dem 1. Juli 2014 eine Förderung in Höhe von bis zu 20.000 € in Anspruch nehmen, wenn sie sich in ländlichen Regionen niederlassen. Die Stärkung und der Ausbau der Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen gehört ebenso zu diesen Maßnahmen wie die Weiterentwicklung des bestehenden Netzwerks zur hausärztlichen Nachwuchsförderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der ländliche Raum verdient in jeder Hinsicht
unsere besondere Aufmerksamkeit: Denn Thüringen ist zu 90 Prozent ländlicher Raum. Rund 75 Prozent der Bevölkerung leben nicht in einer Großstadt, sondern in unseren Dörfern und Kleinstädten. Denen gilt ebenso unsere Aufmerksamkeit.
25 Jahre nach der friedlichen Revolution sind die Städte und Dörfer durch einen engagierten Stadtumbau und vielfältige Maßnahmen der Dorferneuerung wieder lebenswert geworden. Gerade hier ist aber auch der demografische Wandel eine zentrale Herausforderung, die uns alle fordert: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft insgesamt. Wir lassen die kleinen Städte und Gemeinden nicht allein. Im Rahmen der Städtebauförderung haben wir darüber hinaus rund 400 Mio. € für etwa 430 Städte und Gemeinden bereitgestellt. Hinzu kamen 130 Mio. € aus EUMitteln. Um die Herausforderungen des demografischen Wandels noch besser gestalten zu können, hat Thüringen unter anderem die Einführung eines Sanierungsbonus vorgeschlagen; ein Thüringer Pilotprojekt zur Wiedernutzung leer stehender Immobilien soll noch in diesem Jahr starten. Mit der Schaffung des Thüringer Wohnungsbauvermögens, dem neuen Wohnraumfördergesetz und dem Wohneigentumsprogramm stehen leistungsfähige Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung des Thüringer Wohnungsmarktes zur Verfügung.
Wer Wandel im ländlichen Raum gestalten will, muss aber auch die Menschen einbeziehen, die von den Entscheidungen betroffen sind. Bürgerschaftliches Engagement, Kommunikation und Vernetzung der Akteure vor Ort sind die wesentlichen Antriebskräfte für eine erfolgreiche Entwicklung. Deshalb fördert die Landesregierung Eigeninitiative und Ideen der lokalen Akteure, zum Beispiel auch über die Akademie Ländlicher Raum und die Serviceagentur Demografischer Wandel. In der EUFörderperiode 2007 bis 2013 wurden zudem knapp 44 Mio. € Fördermittel über LEADER für rund 800 Projekte ausgereicht. Übrigens, die Servicestelle Demografischer Wandel ist die erste ihrer Art, die es in einem deutschen Flächenland gibt. Auch das ist positiv notiert worden und ist im Bund als vorbildlich angekommen. Auch hier wurde wirklich Gutes geleistet.
Massiv investiert haben wir auch in die Verkehrsinfrastruktur, die auch dem ländlichen Raum zugutekommt. Allein für den Bau und die Sanierung von Straßen wurden rund 2,6 Mrd. € zur Verfügung gestellt.
Damit wurde die Mobilität der Thüringerinnen und Thüringer in allen Regionen spürbar verbessert.
Auch die Fertigstellung der neuen ICE-Strecken und des ICE-Knotenpunkts Erfurt rücken näher. Der Bau liegt im Plan, der Großteil der Tunnel und Brücken konnte inzwischen fertiggestellt werden. Insgesamt flossen ca. 5,5 Mrd. € in die Thüringer Bauprojekte, die ab 2015 eine völlig neue Fernverkehrsqualität ermöglichen.
Ergänzend kommt hinzu, dass durch eine Finanzierungsvereinbarung mit dem Ausbau der MitteDeutschland-Verbindung ebenfalls begonnen werden konnte und ab 2016 eine leistungsfähige Anbindung Ostthüringens an den Fernverkehr und eine deutliche Ausweitung der Nahverkehrsangebote ermöglicht wird. Auch das ist nicht selbstverständlich.
Auch da wurde klug geplant: Rund 200 Mio. € für neue Busse und Straßenbahnen hat die Landesregierung in dieser Legislaturperiode ausgereicht, damit wir eine neue Qualität von Fern- und Nahverkehr haben werden. Und es bleibt dabei, 2017 wird mit dem ICE-Knotenpunkt hier in Erfurt ein weiteres Zeichen modernster Infrastruktur in Europa gesetzt - ein Kampf, der dann über zwei Jahrzehnte geführt worden sein wird und der die richtigen Weichenstellungen damals in den 90er-Jahren bestätigt. Auch das ist etwas, von dem wir Früchte ernten können von dem, was früher grundgelegt worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im digitalen Zeitalter ist nicht nur eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur eine Grundbedingung für Wachstum und Wohlstand, sondern auch das BreitbandInternet. Hier sind wir ein gutes Stück vorangekommen: Seit dem Jahr 2010 ist der Anteil der Thüringer Haushalte mit einer Grundversorgung von mindestens zwei Megabit pro Sekunde von 71 auf 92 Prozent gestiegen. Mit der neuen „Breitbandstrategie Thüringen 2020“ hat die Landesregierung noch deutlich weiter gehende Ziele gesteckt und ich bin mir auch ganz klar, dass wir, die Koalitionsfraktionen, die Koalitionspartner im Bund mit der Koalitionsvereinbarung, die dort beschlossen worden ist, mit der vollen Breitbandversorgung 2018 in die Pflicht nehmen auch für Thüringen. Es war nicht zuletzt eine Thüringer Forderung, die wir in diese Verhandlung auf Bundesebene eingebracht haben.
Thüringen als Ganzes: Jede Region in Thüringen soll sozusagen „Deutschlands schnelle Mitte“ sein können - gut erreichbar, attraktiv als Ort zum Leben und zum Arbeiten für die Menschen; da ist die heutige Infrastruktur sowohl in Beton, aber auch digital unverzichtbar.
Den Zukunftskompass für eine lebenswerte Heimat und ein gutes Miteinander in allen Regionen des
Freistaats bildet dabei das in diesem Jahr beschlossene Landesentwicklungsprogramm 2025. Thüringen wird in den gewachsenen Strukturen neu gedacht, Stadt und Land als regionale Einheit behandelt. Das Landesentwicklungsprogramm legt also nicht allein die Grundlagen für die Umsetzung der Energiewende in Thüringen; es zeigt vor allem eine nachhaltige Zukunftsperspektive für den Freistaat auf und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Dabei lassen wir ausdrücklich Raum für freiwillige Neugliederungen der Gemeinden. Seit 2009 wurden fünf Gesetzentwürfe zu freiwilligen Neugliederungen kreisangehöriger Gemeinden und fünf Rechtsverordnungen zur Änderung von Kreisgrenzen bzw. zur Änderung von Verwaltungsgemeinschaften erarbeitet. Die Landesregierung hat dem Landtag 54 Neugliederungsmaßnahmen vorgelegt. An den Neugliederungen waren 298 Städte und Gemeinden beteiligt, die wir zwischen 2009 und 2011 mit insgesamt 15 Mio. € gefördert haben. Wir reden hier, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, nicht von einer Kleinigkeit: Fast 600.000 Einwohner Thüringens waren von den Neugliederungen direkt oder indirekt betroffen. Das ist ein Viertel der Bevölkerung. Wir haben die größte Gemeindegebietsreform in dieser Legislaturperiode gemacht. Aber wir haben sie nicht mit einem großen Radau, mit großen Demonstrationen gemacht, sondern wir haben sie mit den Menschen gemacht - von daher relativ geräuschlos.
Zugleich haben wir mit der Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zu den Straßenausbaubeiträgen einen großen Konflikt befriedet, der in Thüringen seit Jahren schwelte. Mit der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs im Jahr 2013 haben wir darüber hinaus die enge finanzielle Partnerschaft zwischen Land und Kommunen festgeschrieben. Das Ergebnis ist eine faire Verteilung der Mittel und Verlässlichkeit für beide Seiten. Ein wesentlicher Grund ist: Steuereinnahmen und zusätzliche Bundesmittel verbleiben weitgehend bei den Kommunen. Ein Garantiefonds erleichtert den Übergang in das neue System. Auch hier haben wir hart gerungen, aber wir haben Lösungen gefunden für unsere Kommunen, für unsere Landkreise und für uns als Land, denn wir sind hier in einer gemeinsamen Partnerschaft.
Das alles spricht für Stabilität und Solidität. Allerdings haben wir auch Problemfälle, auch das möchte ich nicht verschweigen. Einige Kommunen haben erhebliche finanzielle Lasten aus der Vergangenheit zu tragen. Deshalb hat die Landesregierung auch in enger Abstimmung mit den Landtagsfraktionen der Koalition von CDU und SPD - ein weiteres starkes Programm aufgelegt mit 136 Mio. € zu Beginn dieses Jahres, das den betroffenen Kommu
nen den Weg ebenfalls erleichtert. Auch das ist ein Ausdruck gelebter Partnerschaft.
Dass wir uns um ganz gravierende Einzelfälle sowohl auf der Landkreisebene als auch auf der kommunalen Ebene ganz spezifisch kümmern, das ist nicht verborgen geblieben, auch das ist notwendig. Es braucht im Einzelfall Konsolidierungskonzepte, Haushaltskonsolidierungskonzepte, langfristige Wege. Auch dafür stehen wir und da nehmen wir Verantwortung wahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie wichtig diese Partnerschaft zwischen Land und Kommunen ist, zeigt sich beispielhaft auf dem weiten Feld der Thüringer Kulturlandschaft. Die Kultur ist in Thüringen so gegenwärtig wie in kaum einem anderen Land der Bundesrepublik. Ja, Thüringen ist Kulturland in der Mitte Deutschlands.
Gerade die Kommunen als Träger von Orchestern, Theatern und Museen stehen vor der Frage, wie sie dieses in Thüringen so reiche Erbe angemessen pflegen und bewahren können. Das Land sieht sich in der Verantwortung, hier stützend zur Seite zu stehen. Mit dem Leitbild Kultur und dem darauf aufbauenden Kulturkonzept hat die Landesregierung Perspektiven und Entwicklungslinien aufgezeigt. Darüber hinaus haben wir aber vor allem seit 2009 die Kulturausgaben um ca. ein Viertel erhöht.
Das bedeutet mehr Geld für Literaturförderung, für Musik, Theater und Museen sowie für unsere Gedenkstätten und kulturellen Bauwerke und mehr Besucher aus ganz Deutschland und aller Welt. Ich habe wiederholt gesagt und will es hier gern nochmals unterstreichen: Ich schließe in Thüringen kein Theater
und natürlich auch kein Orchester. Diese historisch gewachsene Theater- und Orchesterlandschaft in Thüringen zeichnet sich durch eine außerordentliche Dichte, Vielfalt und Qualität aus. Jedes Theater und jedes Orchester ist ein kultureller Mittelpunkt in der Region. Sie sind längst zu Bildungszentren geworden, sind wichtige künstlerische Aushängeschilder für das Kulturleben in Thüringen. Sie sind Botschafter unseres Landes, auch über die Grenzen Thüringens hinaus, sie gilt es zu erhalten.
Das war angesichts knapper Haushaltsmittel keine einfache Aufgabe gewesen. Mehrfach haben wir miteinander gerungen - der Kulturminister des Landes, ich als Ministerpräsidentin mit dem Finanzminister -, jeweils Lösungen zu finden. In einem intensiven Dialog gemeinsam mit den Trägern haben wir
dennoch die Finanzierung auf ein sicheres Fundament gesetzt. Bis 2016 steigen die Landeszuschüsse auf insgesamt rund 65 Mio. €. Das sichert die Vielfalt und die Strahlkraft unserer Theater und Orchester, wenngleich es auch noch keine dauerhafte wirkliche Lösung ist. Auch hier gilt es in Zukunft, weitere Aufgaben wahrzunehmen.
Darüber hinaus haben wir auch Medien wie Film und Fernsehen in Thüringen zukunftsfest aufgestellt: Mit dem neuen Thüringer Landesmediengesetz wird der Bürgerrundfunk gestärkt, mit Initiativen wie „Fernsehen aus Thüringen“ oder der Spring School wird der Freistaat als attraktiver Medienstandort ausgebaut.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele von uns gehen freilich gern ins Theater oder zu einem Konzert der Thüringer Orchester oder zu einem der vielen Freilichttheater bis hin zu den Domstufen, die wir in diesen Tagen wieder grandios erleben. Andere gehen vielleicht lieber ins Kino oder in ein Museum. Dass wir das aber gefahrlos bei Tag und Nacht tun können, ohne Sorge vor einem Überfall, das verdanken wir vor allen Dingen der Thüringer Polizei, den Polizistinnen und Polizisten, die täglich im Einsatz sind.
Sie sorgen dafür, dass der Freistaat Thüringen zu einem der sichersten Länder bundesweit zählt: Die Aufklärungsquote war 2013 mit 64,5 Prozent die höchste aller Bundesländer.
In den vergangenen Jahren haben wir mit der Polizeistrukturreform die Weichen gestellt, damit dieses hohe Niveau an Sicherheit auch in Zukunft, auch unter den Herausforderungen von Demografie und von knappen Kassen gewährleistet wird. Auch das war keine Kleinigkeit. Wir wissen, wie viele Jahre an dieser Reform gearbeitet wurde. Wir haben sie hier zu einem guten Ende gebracht.
Wir haben die Strukturen der Polizei gestrafft, damit mehr Beamte ihre eigentliche Arbeit „draußen“ auf der Straße verrichten können. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, „mehr Blau auf die Straße“ zu bringen, und wir haben dieses Ziel erreicht. Im Rahmen der Polizeistrukturreform sind nun der in Erfurt neu errichteten Landespolizeidirektion sieben Landespolizeiinspektionen zugeordnet. Thüringen ist eines der ersten Flächenländer, in dem von einer zentralen Leitstelle aus alle Polizeieinsätze landesweit koordiniert werden. Dieser Bau, diese Fertigstellung, diese Einrichtung, die dort zur Verfügung steht, ist wirklich beispielgebend. Es lohnt sich, sie anzusehen.
Die Landeseinsatzzentrale hat das polizeiliche Notruf- und Einsatzmanagement für den gesamten Freistaat übernommen. Allein in die technische Ausstattung wurden 7 Mio. € investiert. Rund 80 Bedienstete übernehmen hier die Aufgaben des polizeilichen Notrufund Einsatzmanagements, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Sie leisten zusammen mit ihren Kollegen in den anderen Dienststellen eine hervorragende Arbeit. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle einmal herzlich Dankeschön sagen!
Auch der Justizvollzug ist in dieser Legislaturperiode modernisiert worden. Das Justizvollzugsgesetzbuch ist neu geschaffen worden und mit der neuen Jugendstrafanstalt Arnstadt ist vor wenigen Tagen die modernste Vollzugseinrichtung Deutschlands für Jugendliche in Betrieb gegangen. Für die geplante gemeinsame Justizvollzugsanstalt mit Sachsen in Zwickau wurde der Staatsvertrag unterschrieben, die Zustimmung durch den Landtag ist erfolgt. Auch das waren umfangreiche Verhandlungen, die zu einem guten, erfolgreichen Ergebnis, zu einer Win-win-Situation für beide Länder gekommen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine der großen Herausforderungen für Polizei und für den Verfassungsschutz ist und bleibt der Kampf gegen jede Form des Extremismus. Wir alle müssen wachsam gegenüber Tendenzen sein, die darauf angelegt sind, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen. Das verstehe ich übrigens unter dem Prinzip der wehrhaften Demokratie. Nicht zuletzt aus diesem Grund erhebt die Friedrich-Schiller-Universität Jena jedes Jahr im Auftrag der Staatskanzlei eine Studie zur politischen Kultur in Thüringen, den Thüringen-Monitor. Es ist eine gute Tradition, dass ich als Ministerpräsidentin dieses Landes wie auch meine Vorgänger im Amt darüber im Landtag eine Regierungserklärung abhalte und die Ergebnisse zur Diskussion im Plenum stelle. Der Thüringen-Monitor bestätigt immer wieder, dass die Demokratie in Thüringen auf einem festen Grund steht. Aber dennoch erkennen die Wissenschaftler immer auch eine Minderheit, die unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat grundsätzlich ablehnend gegenübersteht.
In den vergangenen Jahren haben wir diese Debatten insbesondere unter dem Eindruck der schrecklichen Taten des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ geführt. Die drei mutmaßlichen Täter aus Thüringen haben über Jahre hinweg unerkannt in ganz Deutschland aus fremdenfeindlichen Motiven heraus schreckliche Morde an acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer begangen. Auch der Mord an einer Polizistin gehört zu ihren mutmaßlichen Verbre
chen. Die Entdeckung dieser Terrorzelle Ende 2011 bedeutete eine tiefe Zäsur für unser Land, für Thüringen wie für Deutschland. Wir haben uns das Wüten des Rechtsterrorismus in diesem Ausmaß schlicht nicht vorstellen können und wir sind immer noch tief darüber betroffen. In der Folge haben wir intensive Debatten über das Versagen von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz auch in Thüringen geführt. Und wir haben entsprechende Konsequenzen gezogen.
Ich bin auch dankbar, dass wir in dieser letzten Plenarsitzung der Legislaturperiode die gesetzliche Grundlage für die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes mit dem gestrigen Tag beschlossen haben. Der Verfassungsschutz wird künftig zu einer selbstständigen Organisationseinheit unter dem Dach des Thüringer Innenministeriums. Die innerbehördliche Kontrolle wird durch ein unabhängiges Controlling gestärkt. Gerade weil der Verfassungsschutz ein unverzichtbares Instrument unserer wehrhaften Demokratie ist, muss er auch in der Lage sein, Radikalisierungstendenzen und Gewaltorientierung frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus haben wir auch bei den Polizei- und Justizbehörden die Arbeitsgrundlagen verändert, Arbeitsabläufe optimiert und die Zusammenarbeit ressortübergreifend verbessert. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit: Wenn es darum geht, Verbrechen, wenn es darum geht, menschenfeindliche Tendenzen und Extremismus zu bekämpfen, müssen Behörden in diesem Freistaat, aber auch bundesweit, zusammenarbeiten.
Neben diesen Reformen hat die Landesregierung die Entscheidung getroffen, gemeinsam mit anderen Ländern vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die NPD anzustrengen.
Ich bin mir aber auch bewusst, Verbote sind das eine, aber noch wichtiger ist, dass unsere Demokratie auch aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus gestützt wird. Je mehr die Menschen bereit sind, sich zu engagieren, sei es im örtlichen Gemeinderat, in der Kirche, in Vereinen, im Sport, bei freiwilligen Feuerwehren, umso lebendiger, vielfältiger und auch wehrhafter wird sie sein. In Thüringen haben wir heute nicht zuletzt auch dank der Thüringer Ehrenamtsstiftung eine Kultur des Ehrenamts. Die Menschen fühlen sich für ihre Heimat, für ihren Ort, für ihre Stadt verantwortlich und sie sind bereit, sich auch aktiv einzubringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, deshalb kann ich unter dem Strich eine gute, ja, eine sehr gute Bilanz unter die vergangenen fünf Jahre ziehen. Das Land steht heute so gut da wie noch nie in seiner Geschichte. Den Menschen geht es gut und sie bringen es auch zum Ausdruck. Im
letzten Thüringen-Monitor haben 93 Prozent der Befragten angegeben, dass sie mit ihrem Leben insgesamt zufrieden seien und sie gern in Thüringen leben. Fast drei Viertel der Thüringer sagten, dass ihre Zukunft eher gut aussieht. Ich finde, das ist ein guter Ausweis unserer Thüringerinnen und Thüringer zu ihrem Land.
Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Das ist ein Erfolg aller Thüringerinnen und Thüringer und dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung.
Auch die Landesregierung hat dazu ihren Beitrag geleistet. Wir haben investiert, in die Wirtschaft, in Bildung und Infrastruktur. Wir haben modernisiert und reformiert, um Thüringen zukunftsfest zu gestalten. Wir haben uns engagiert für Thüringen, ob in Berlin oder Brüssel, ob im Falle großer, einschneidender Ereignisse wie der Wirtschaftskrise oder dem Hochwasser des vergangenen Jahres oder im Alltag in ungezählten Bund-Länder-Gesprächen. Aber klar ist auch, wir sind nicht am Ende des Weges angekommen. Herausforderungen wie der demografische Wandel, die zurückgehenden Finanzmittel aus Berlin und Brüssel oder die Energiewende können nicht in fünf Jahren gelöst werden. Sie reichen weit über die Legislaturperiode hinaus. Manches ist sogar eine Generationenaufgabe. Aus diesem Grund habe ich auch das Leitbild „Thüringen 2020“ vorgegeben. Wir wollen unser Handeln bewusst nicht am nächsten Wahltag ausrichten, sondern an den Zeiträumen, die zur Lösung bzw. zu notwendigen Anpassungen gebraucht werden. Das Jahr 2020 erscheint mir als Zielmarke besonders geeignet, weil bis dahin auch der Solidarpakt II ausgelaufen ist. Dann ist der Aufbau Ost formal abgeschlossen. Einen Solidarpakt III wird es nicht geben, das wissen wir.
Erst in der vergangenen Woche haben sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. Dort habe ich meinen Vorschlag für einen Deutschlandfonds erneuert und konkretisiert, mit dem die gesamtdeutsche Regionalförderung ab 2020 finanziert werden könnte. Die Arbeit an den Kriterien für eine gesamtdeutsche Strukturförderung beginnt nämlich bereits jetzt. Sie soll in die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einfließen. Die Verhandlungen laufen und wir müssen gut aufpassen, dass diese Reform nicht zulasten der neuen Länder geht. Alles in allem sind für Thüringen bis zu 4 Mrd. € von den derzeitigen Reformüberlegungen betroffen, also 44 Prozent des derzeitigen Haushaltsvolumens, und da gilt es, Verantwortung wahrzunehmen, und zwar frühzeitig, für eine richtige Weichenstellung.
Zugleich haben wir mit der Verwaltungsreform 2020 auch in Thüringen ein großes Reformvorhaben an
gestoßen. Angesichts des demografischen Wandels müssen wir auch die Strukturen der Landesverwaltung - soweit wir sie nicht bereits angepasst haben - weiter verschlanken. Der Freistaat wird mittelfristig mit rund 8.800 Planstellen und zahlreichen Behörden weniger auskommen. Am Ende der Verwaltungsreform 2020 wird eine effektive, aber moderne Behördenlandschaft entstehen. Allein bis 2020 werden dadurch Einsparungen von 340 Mio. € realisiert.