Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreter der Medien.
Für die heutige Plenarsitzung haben neben mir Platz genommen die Frau Abgeordnete Hennig als Schriftführer und die Frau Abgeordnete Mühlbauer, die die Rednerliste führt.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Barth, Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Metz, Herr Abgeordneter Worm, Frau Abgeordnete Schubert zeitweise, Herr Minister Gnauck, Herr Minister Carius zeitweise und Herr Minister Dr. Poppenhäger zeitweise.
Gestatten Sie mir folgende allgemeine Hinweise: Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung für diese Plenarsitzung an Herrn Joachim Köhler und an Herrn Sören Sterzing von SAVIDAS aus Erfurt erteilt.
Die UNICEF-Arbeitsgruppe Erfurt wird heute in gewohnter Weise eine vorweihnachtliche Verkaufsaktion von Weihnachtskarten, Grußkarten und Kalendern für 2014 zugunsten der Hilfsprojekte von UNICEF vornehmen. Der Stand befindet sich am Eingang des Landtagsrestaurants. Weiterhin wird die Tagesstätte Eisenberg von Wendepunkt e.V. heute Morgen einen vorweihnachtlichen Kerzenverkauf durchführen. Der Stand befindet sich ebenfalls vor dem Landtagsrestaurant.
Mich haben die PGFs informiert, dass es eine Einigung zur Tagesordnung gab, dass die Tagesordnungspunkte 10 und 11 ohne Aussprache behandelt werden sollen. Ist dem so? Erhebt sich Widerspruch? Ich sehe das nicht, dann verfahren wir in der Tagesordnung so. Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Tagesordnung ein.
Regierungserklärung der Ministerpräsidentin zur Reform der Landesverwaltung Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 5/6885
Ich mache noch darauf aufmerksam, dass gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung Beratungen zur Regierungserklärung grundsätzlich in doppelter Redezeit verhandelt werden. Ich bitte nun die
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor wenigen Tagen hat die Jena-Optronik GmbH den Startschuss für eine 20-Millionen-Euro-Investition gegeben. In JenaGöschwitz entstehen dadurch 40 neue hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Die Entscheidung des größten ostdeutschen Weltraumunternehmens ist ein klares Bekenntnis für den Hightech-Standort Thüringen, ein klares Vertrauenssignal, ein deutlicher Beleg, in Thüringen hat Zukunft Tradition.
Ob in der Optik wie bei Jena-Optronik oder im Fahrzeugbau, in der Pharmazie, im Maschinenbau - wir sind ein Land der Tüftler und Denker. Seit Jahren hält Thüringen bei der Zahl der Patentanmeldungen Platz 1 unter den jungen Ländern. Thüringen ist ein Chancenland. Auch die Politik kann dazu beitragen, indem sie die richtigen Rahmenbedingungen schafft, etwa mit einer leistungsfähigen Verwaltung und einem guten Schulwesen. Aber es sind vor allem die Menschen in unserem Land. Sie haben mit ihrem Gründergeist, mit ihrem Enthusiasmus, mit ihrem Können und ihren Ideen die Grundlagen gelegt, dass wir heute, mehr als 20 Jahre nach der friedlichen Revolution, wieder zu den wettbewerbsfähigsten Regionen in Deutschland und Europa zählen. Das ist wahrlich eine Leistung, die erreicht worden ist.
Und das verdanken wir auch unseren Verwaltungen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Beamtinnen und Beamten, den Angestellten, den Arbeiterinnen und Arbeitern im öffentlichen Dienst. Danke für Ihre Arbeit! Danke für Ihren Einsatz zum Aufbau Thüringens über zwei Jahrzehnte!
Allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Mit dem demografischen Wandel und mit den zurückgehenden Finanzzuweisungen stehen wir vor zwei zentralen Herausforderungen. Erstens, 1990 lebten knapp 2,6 Mio. Einwohner in Thüringen, 2010 waren es noch 2,2 Mio. Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl weiter absinken auf nur noch etwa 2 Mio. Einwohner. Erfreulicherweise hat sich zwar der Abwanderungstrend nahezu aufgehoben, aber nach wie vor werden zu wenige Kinder geboren. Zweitens, allein durch den Einwohnerrückgang wird Thüringen jedes Jahr rund 50 Mio. € weniger an Einnahmen aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleichssystem erhalten.
Zudem gehen die Zuweisungen aus dem Solidarpakt vereinbarungsgemäß bis 2020 auf null zurück. Da wir uns in Thüringen in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gut entwickelt haben, was sehr erfreulich ist, gehen auf der anderen Seite auch die Fördermittel aus Brüssel zurück. Unterm Strich bedeutet das für das Jahr 2020 rund 1 Mrd. € weniger Haushaltsmittel von dem laufenden Doppelhaushalt 2013/2014 ausgehend. Diesen langfristigen Trend können auch steigende Steuereinnahmen allenfalls nur begrenzt abfedern. Diese beiden Herausforderungen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zwingen Politik und Gesellschaft als Ganzes zu neuem Denken und zu neuen Lösungen. Wir wollen die Weichen für die Zukunft unseres Landes dauerhaft richtig stellen. Deshalb richten wir den Blick auf das Jahr 2020. Wir fragen nicht danach: Wie können wir unsere Besitzstände gegen alle neuen Entwicklungen verteidigen? Nein, wir fragen danach: Was ist zu tun, damit Thüringen auch noch in der 3. Dekade des 21. Jahrhunderts ein eigenständiges, innovatives und lebenswertes Land sein wird? Die Antwort ist eindeutig. Wir wollen, dass Thüringen im Jahr 2020 finanziell auf eigenen Füßen steht. Aus dieser Perspektive heraus entwickeln wir in Thüringen seit 2010 mit der Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise einen stringenten Reformpfad. Unser Reformpfad heißt: Thüringen 2020.
Unter diesem Leitmotiv haben wir eine Reihe von Reformen angestoßen, mit denen wir uns auf diese Zukunft vorbereiten. Wir haben die gute wirtschaftliche Lage seit 2010 genutzt und den Landeshaushalt konsolidiert. Von 2011 auf 2012 haben wir das Haushaltsvolumen um rund 450 Mio. € gesenkt. Das ist ein großartiger Erfolg dieser Koalition.
Erstmals in der Geschichte des wiedererstandenen Freistaats bauen wir in Thüringen schon seit 2012 mit rund 20 Mio. € sowie planmäßig in diesem und im nächsten Jahr Schulden ab. Damit haben wir eine wesentliche Voraussetzung erreicht, um die zurückgehenden finanziellen Spielräume aufzufangen. Darüber hinaus haben wir wichtige Stellschrauben neu justiert. Wir haben den kommunalen Finanzausgleich reformiert und damit die Finanzierung der Kommunen auf eine transparente, nachvollziehbare und verlässliche Basis gestellt. Trotz der Einsparungen haben wir schon zu Beginn der Legislaturperiode mit dem Ausbau der Kindertagesstättenversorgung und der Flexibilisierung des Thüringer Erziehungsgeldes einen Schwerpunkt darauf gesetzt, Thüringen als kinder- und familienfreundliches, als lebenswertes Land zu stärken. Wir haben das hervorragende Thüringer Bildungswesen mit der Einführung der Gemeinschaftsschule in freier Entscheidung der Träger und des Qualitätssiegels
Oberschule moderat ergänzt. Mit dem Einstellungskorridor von 400 Lehrern in diesem und im nächsten Jahr setzen wir ein weiteres Signal, um den Bildungsstandort Thüringen zukunftsfest zu machen. Daran schließt sich nahtlos die Rahmenvereinbarung III und die noch in diesem Jahr vorliegende strategische Hochschulentwicklungsplanung an, mit der wir die Finanzierung und die Struktur unserer Hochschulen nachhaltig sichern.
Wir haben also eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht. Wichtige politische Vorhaben der Koalition sind umgesetzt. Der nächste Baustein steht nun an. Wir reformieren die Verwaltung. Bereits im Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD darauf verständigt, dass wir - ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag - „eine moderne und innovative Verwaltung etablieren“ wollen und dass sie, so wörtlich, „die eingeleiteten Maßnahmen zum Verwaltungsund Bürokratieabbau fortsetzt und verstärkt“. Damit knüpfen wir an die Bemühungen der Vorgängerregierungen an. Kontinuierlich haben die Landesregierungen in der Vergangenheit Sonderbehörden abgebaut und verschmolzen und insgesamt das Subsidiaritätsprinzip auch in der Verwaltung gestärkt. Ich erinnere etwa an die Behördenstrukturreform aus dem Jahr 2005.
Wenn man den Blick noch weiter zurückrichtet, sieht man, dass wir heute schon recht gut dastehen. So waren im Jahr 1995 noch insgesamt 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landesverwaltung beschäftigt. Zur Jahrtausendwende waren es noch etwa 81.000 und im Jahr 2010 noch 65.000. Nur ein kleiner Teil davon wurde durch die Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene erreicht. Dort hat sich das Personal ja ebenfalls zwischen 1995 und 2010 erheblich verringert, nämlich um die Hälfte. Der überwiegende Teil des Personalabbaus in der Landesverwaltung ist durch Effizienzsteigerungen aufgefangen worden.
Auch in dieser Legislatur haben wir unter dem Blickwinkel Thüringen 2020 bereits frühzeitig damit begonnen, die Verwaltung weiter zu straffen. Wir haben mit der Polizeistrukturreform und der Forstreform wichtige politische Vorhaben umgesetzt und damit die Verwaltung in diesen Bereichen grundlegend modernisiert. Diese Reformen sind, wie man merkt, auch ein Erfolg in der praktischen Umsetzung.
Darüber hinaus ist die Zahl der Schulämter von elf auf fünf reduziert worden. Auch im Geschäftsbereich der Sozialministerin ist die Zahl der Behörden bereits verringert worden; ich gehe darauf noch näher ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, dank der Vorleistungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte können wir heute sagen, wir
haben eine gute und funktionierende Landesverwaltung. Doch es gibt weiteren Reformbedarf. Verwaltungsmodernisierung ist eine ständige Aufgabe. Die Ziele aber bleiben gleich: mehr Effizienz und Effektivität, mehr Qualität, mehr Transparenz, mehr Entbürokratisierung, Personal- und Prozessoptimierung und vor allem Bürgernähe. Wir müssen Verwaltung effizienter gestalten und an die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft anpassen. Aber sie muss nicht von Grund auf umgebaut werden. Sie muss neu justiert werden.
Mit der Verwaltungsreform 2020 gehen wir den nächsten logischen Schritt in Richtung Thüringen 2020. In den vergangenen Tagen ist darüber bereits viel geschrieben und gesprochen worden. Manchen ist es zu wenig, was getan wird, manchen ist es aber auch schon zu viel, was getan wird. Ich meine, sie ist weder eine kleine Reform noch eine große Reform, sie ist die richtige Reform für Thüringen zum jetzigen Zeitpunkt.
Denn weder ein „Reförmchen“ noch ein Paradigmenwechsel, sondern eine überzeugende Fortsetzung unserer Reformschritte ist das Gebotene,
und zwar wohlüberlegt und abgewogen, auf der Basis des Berichts der Expertenkommission zur Funktional- und Gebietsreform in Thüringen, auf der Basis der Impulse der Mitglieder aus dem Beirat zur Funktional- und Gebietsreform sowie aller Ministerinnen/Minister aus dem Kabinett, die sich unter Maßgabe sinkender Einnahmen und personeller Ressourcen auch selbst dieser Aufgabe mit ihren Ministerien und nachgeordneten Behörden gestellt haben. Mit zukunftsweisenden Konzepten haben sie sich in die Reformdebatte eingebracht.
Allen, die sich hier aktiv beteiligt haben, möchte ich an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich danken. Es sind die Mitglieder des Beirats, es sind aber auch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle, insbesondere Herr Antoni, der hier über viele Monate gewirkt hat, und Herr Dr. König sowie die Mitglieder der Regierungskommission, mein Stellvertreter, Herr Minister Matschie, die Ministerin Frau Taubert, die Ministerkollegen Herr Poppenhäger und Herr Carius und ganz besonders unser Finanzminister Dr. Voß.
taktet werden musste. Denn jedem ist klar, angesichts einer abnehmenden Bevölkerungszahl und gleichzeitig sinkender finanzieller Handlungsspielräume müssen wir unsere Landesverwaltung straffen und effizienter organisieren. Wir müssen ohne Frage künftig mit weniger Personal auskommen. Andere Flächenländer vergleichbarer Größe und Aufgabenverteilung schaffen das schließlich auch.
Bereits 2011 und weiterentwickelt im vergangenen Jahr hat die Landesregierung deshalb das Stellenabbaukonzept beschlossen. Es sieht vor, künftig insgesamt 8.818 Planstellen abzubauen. Durch die Verwaltungsreform werden rund 1.500 Stellen konkretisiert, die künftig wegfallen.
Anders ausgedrückt: Die Verwaltungsreform ist eine Voraussetzung, um den Abbau ohne Qualitätsverlust für das Verwaltungshandeln zu erreichen. Die zentrale Bedeutung des Landesverwaltungsamtes wird beibehalten. Als Mittelbehörde übt es wichtige Bündelungsaufgaben aus, auch damit haben wir uns eingehend beschäftigt. Darüber hinaus fassen wir insgesamt 60 Landesbehörden zu in Zukunft nur noch 24 zusammen. Ich nenne die wesentlichen Bereiche.
1. Die Verbraucherschutz- und Arbeitsschutzverwaltung: Bereits zum 1. Januar 2013 wurden das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz und der Landesbetrieb für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz zum Landesamt für Verbraucherschutz zusammengeführt. Seit 1. September ist darüber hinaus auch das Landesamt für Mess- und Eichwesen in die neue Behörde integriert.
2. Die Bau- und Liegenschaftsverwaltung: Hier entsteht ein Landesamt für Infrastruktur und Geoinformation. Es bündelt den Hoch- und Tiefbau mit dem Landesamt für Bau und Verkehr und den vier Straßenbauämtern. Zudem werden diese Aufgaben in der Liegenschaftsverwaltung aus dem Geschäftsbereich des Thüringer Finanzministeriums verknüpft. Auch das Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation geht darin auf. Aus insgesamt sieben selbstständigen Behörden wird eine einzige. Mehr Bündelung, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, geht nicht.
Darüber hinaus sollen die bislang verbliebenen Vermessungsaufgaben des bisherigen Landesamtes für Vermessung und Geoinformation und der bisherigen Straßenbauämter auf öffentlich bestellte Ver