Protocol of the Session on October 7, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen die Frau Abgeordnete Mühlbauer. Die Rednerliste führt die Abgeordnete König.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Kemmerich, der Abgeordnete von der Krone, der Abgeordnete Primas, der Minister Carius, der Minister Reinholz.

Ich darf für die heutige Sitzung recht herzlich gratulieren zum Geburtstag dem Abgeordneten Huster. Meinen herzlichsten Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit, Glück.

(Beifall im Hause)

Was kann sich ein Ausschussvorsitzender des Haushaltsausschusses anderes wünschen zu seinem Geburtstag als eine Haushaltsdebatte. Nicht wahr?

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das wird sein größter Wunsch gewesen sein.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe, dass anscheinend zahlreiche Abgeordnete der CDU-Fraktion in das gleiche Krawattenregal gegriffen haben. Mir erschließt sich aber der politische und inhaltliche Zusammenhang mit unserer heutigen Haushaltsdebatte nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich höre aber, dass es aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einwände zu diesen Krawattenfarben und zu diesen Krawatten gibt, die nehme ich ernst. Ich unterbreche die Sitzung und berufe den Ältestenrat ein.

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da kann man sich ja totlachen über so etwas. Aber dass die gestern T-Shirts angehabt haben, das habt Ihr da oben nicht gesehen.)

Darf ich die Schriftführer wieder an meine Seite bitten?

Sehr geehrte Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort. Der Ältestenrat hat getagt, er ist zu der Entscheidung gekommen, die Krawatten sind keine

Beeinträchtigung der Sitzung und beeinträchtigen nicht die Würde dieses Hauses.

(Beifall CDU)

Wir werden uns in einer weiteren Ältestenratssitzung damit befassen und den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten bitten, zu dieser Angelegenheit insgesamt zu beraten. Bitte schön, zur Geschäftsordnung oder zur Entscheidung des Ältestenrats? Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte eine persönliche Erklärung abgeben. Ich schäme mich für meine Fraktion. Ich finde es nicht richtig, sich über die Farben schwarzrot-gold unseres Landes aufzuregen.

(Beifall CDU, FDP)

Ich kann nicht verstehen, dass in diesem Parlament weiß und rot als Farben Thüringens ein Problem sein könnten. Ich kann auch nicht glauben, dass mir jemand verwehren könnte, mit vielen von Ihnen zusammen im Mai, wenn wir den Tag der Europäischen Union begehen, eine blaue Krawatte mit goldenen Sternen zu tragen. Das werde ich mir nicht verbieten lassen.

(Beifall CDU, FDP)

Ich muss es an meine Fraktion sagen: Ihr macht diese Leute von der CDU zu Patrioten. Die haben bis zum Januar 1990 dem BÜNDNIS 90 gegenübergestanden. Das ist nicht in Ordnung und das hatten wir auch anders besprochen. Ich schäme mich.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich frage jetzt erneut: Gibt es nochmals Anmerkungen zur Tagesordnung, die wir gestern beschlossen haben? Bitte schön, Herr Blechschmidt.

Danke, Frau Präsidentin. Entsprechend der Geschäftsordnung § 21 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 beantragt meine Fraktion die Vorziehung des Tagesordnungspunkts 38. Wenn ich gleich eine Platzierung kundtun darf, bitte morgen an dritter Stelle.

Gibt es dazu andere Meinungen? Das sehe ich nicht. Dann müssten wir mit Mehrheit darüber abstimmen. Wer dafür ist, dass wir den Tagesordnungspunkt 38 morgen als dritten Tagesordnungspunkt behandeln, den bitte ich jetzt um das Hand

zeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ich sehe die Mehrheit dagegen.

(Zwischenruf aus dem Hause: Zählen.)

Wir können hier gern noch einmal zählen. Dann bitte ich die beiden Schriftführer zu zählen. Noch mal die Stimmen dafür. Das sind 27 Stimmen. Die Stimmen dagegen? Das sind 20 Stimmen. Und die Enthaltungen? Damit ist der Antrag angenommen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8

Thüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Thüringer Haus- haltsgesetz 2011 - ThürHhG 2011 -) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1541 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Frau Finanzministerin, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine nachhaltige, zukunftsfähige Haushaltspolitik ist der große Anspruch, die Herausforderung, vor der wir stehen. Wie gelingt es künftig, bei rückläufigen Einnahmen ohne neue Schulden die Aufgaben des Staates zu erfüllen? Noch nie, meine Damen und Herren, wurde so viel über öffentliche Finanzen gesprochen wie heute, noch nie so viel geschrieben und diskutiert. Noch nie wurde auch in der Politik so viel gestritten, wie es gelingen kann, die öffentlichen Finanzen auf ein solides Fundament zu stellen. An diesem Prozess beteiligen sich inzwischen viele Menschen und das finde ich wirklich beeindruckend. Wir erleben eine breite gesellschaftliche Streitkultur über ein Thema, für das es sich wirklich auch zu streiten lohnt. Deshalb ist es gut, dass das Interesse an der heutigen Parlamentsdebatte so groß ist, und ich begrüße die vielen Besucher auf der Tribüne. Es ist lange her, dass in Thüringen bereits die Aufstellung eines Haushalts so viel Begleitmusik aus verschiedenen Richtungen hatte. Wirtschaftsmanager, Vereine, Verbände, Politiker, aber auch Menschen, die sich einfach über die Zukunft ihrer Kinder Gedanken machen. Viele haben sich in der Presse oder auch im direkten Gespräch geäußert. Eines haben alle Äußerungen gemeinsam, sie haben deutlich gemacht, dass ein Etat künftig nur dann wirklich gut ist, wenn er ohne neue Schulden auskommt.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, ich teile diese Position ausdrücklich. Ich weiß als Finanzministerin dieses Landes aber auch, dass zwischen der Erkenntnis und dem Ziel große Steine liegen, die es zu bewegen gilt. An diese Aufgabe haben wir uns gemacht. Ich bedanke mich an dieser Stelle für das allgemeine und klare Bekenntnis, auf Sparkurs zu gehen, auch aufseiten der Opposition. Nachhaltige Finanzpolitik ist keine Einzelkür und auch kein Paarlauf, sondern, meine Damen und Herren, Breitensport. Das heißt, es geht darum, alle Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und zu beteiligen. Und wichtig dabei ist, dass alle in die gleiche Richtung laufen, und nicht, wenn das Sparen konkret wird, plötzlich die Richtung wechseln.

Der Haushaltsentwurf 2011 ist der erste Schritt auf dem neuen Weg. Thüringen hat sich mit Blick auf den Startpunkt vor rund 20 Jahren hervorragend entwickelt. Wir können insgesamt eine Bilanz aufzeigen, auf die wir stolz sein können. Es ist die Bilanz eines großartigen Engagements unserer Thüringerinnen und Thüringer in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Der Wiederaufbau des Freistaats Thüringen ist aber eine Erfolgsgeschichte, die es nicht zum Nulltarif gab. Die größte Herausforderung für den Landeshaushalt 2011 sind die 15,7 Mrd. € Schulden, die sich im Laufe der Jahre aufgehäuft haben und für die wir fast 700 Mio. € Zinsen pro Jahr zahlen.

Aber, meine Damen und Herren, allein das schränkt die staatliche Handlungsfähigkeit spürbar ein. Wir haben, das muss man selbstkritisch feststellen, so manche Standards gesetzt, die heute unseren Haushalt schwer belasten und kaum noch zu senken sind. Vielleicht hätte man manche Entscheidung stärker auf langfristige finanzpolitische Folgen hin überprüfen müssen.

(Beifall FDP)

Aber Sie wissen auch, wenn man aus dem Rathaus kommt, ist man klüger. Nach 20 Jahren erfolgreichem Aufbau und mit Blick auf die öffentlichen Kassen müssen wir heute damit beginnen, einerseits den Haushalt zu konsolidieren und andererseits die Entwicklung unseres Landes voranzubringen.

Meine Damen und Herren, genau genommen stehen wir vor einer neuen - man kann sagen -, einer weiteren Zeitenwende. Meine Damen und Herren, wir sind an vielen Stellen bei der Infrastruktur auf hohem Niveau angekommen und deshalb ist es nicht mehr notwendig, in den kommenden Jahren in bisheriger Dimension dort zu investieren. Es geht nun in erster Linie darum, Geschaffenes zu erhalten, Strukturen kritisch zu überprüfen und diese zukunftsfest zu machen. Es geht darum, einen Prozess erfolgreich zu bewältigen, an dessen Ende wir als Land finanzpolitisch mehr Verantwortung übernehmen und mittelfristig ohne teilungsbedingte Finanzhilfen auskommen müssen, ohne Sonderbe

(Präsidentin Diezel)

darfsbundesergänzungszuweisungen. Dazu haben wir nicht mehr viel Zeit. Wir müssen bereits heute die Rahmenbedingungen beachten, mit denen wir in zehn Jahren konfrontiert sein werden. Thüringen 2020, das ist das Jahr, in dem die grundgesetzliche Schuldenbremse wirksam ist, die uns die Neuaufnahme von Schulden verbietet. 2020 ist das Jahr, in dem unser Haushaltsvolumen noch rund 7 Mrd. € umfassen wird. Es ist das Jahr, in dem die Solidarpaktmittel 0 € betragen werden. Bekommen wir heute noch 1,3 Mrd. € aus dem Solidarpakt II, so wird er 2020 auslaufen. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren die EU-Gelder spärlicher fließen, weil Thüringen nach 2013 nicht mehr Ziel1-Gebiet-Förderung erhalten wird. Nach den aktuellen Prognosen wird die Thüringer Bevölkerung zwischen 2010 und 2020 um fast 200.000 Menschen abnehmen. Das, meine Damen und Herren, ist fast die Einwohnerzahl der Stadt Erfurt. Der Freistaat verliert dadurch Ansprüche auf Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich, pro Einwohner rund 2.600 €.

Ich unterbreche Sie ungern, Frau Ministerin. Aber, Frau Sojka, ich bitte Sie, nicht zu telefonieren.

Das bedeutet, dass wir pro Jahr mit rund 50 Mio. € weniger Einnahmen aus dem Finanzausgleich rechnen müssen. Schon ab dem nächsten Jahr ist die Schuldenbegrenzung wirksam, die wir 2009 in der Thüringer Landeshaushaltsordnung festgeschrieben haben. Diese Regelung ist richtungsweisend und Vorbild für andere Länder wie zum Beispiel Sachsen-Anhalt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, dass ich froh bin, dass wir diese Regelung haben. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass diese Regelung Richtschnur für unsere Konsolidierung auf unserem Kurs 2020 bleibt.

Meine Damen und Herren, diese genannten Entwicklungen fügen sich letztlich zu Rahmenbedingungen zusammen, die uns dazu zwingen, jetzt umzusteuern. Im Prinzip ergibt sich daraus nur eine logische Konsequenz: Wir müssen mit Blick auf die Handlungsfähigkeit des Freistaats Thüringen in den nächsten zehn Jahren den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig die Vision entwickeln, wo Thüringen in zehn Jahren stehen soll.

Meine Damen und Herren, konsolidieren mit Vision ist der Anspruch der Thüringer Landesregierung an den Entwurf des Landeshaushalts 2011, der Ihnen heute mit seinen Einzelplänen vorliegt. Dieser Entwurf ist ein erster wichtiger Schritt dieser Koalition, dem in den nächsten Jahren viele weitere Schritte folgen müssen.

Meine Damen und Herren, kommen wir zu den Eckdaten. Das Haushaltsvolumen des Haushalts 2011 beträgt 9,48 Mrd. €. Das sind 333 Mio. € weniger als im Haushaltsplan 2010. Die Einnahmen, die wir aus Steuern, aus dem Länderfinanzausgleich und in Form von Bundesergänzungszuweisungen erhalten, betragen rund 6,42 Mrd. €. 2,37 Mrd. € der Einnahmen kommen aus der EU sowie dem Bund für Bund-Länder-Programme und zur Realisierung von Bundesleistungen.

An der Stelle ein besonderer Hinweis zu den EUGeldern: Zu den Einnahmen aus der laufenden Förderperiode hat die Landesregierung 103 Mio. € aus der Abschlussrechnung der letzten Förderperiode in den Haushalt eingestellt. Diese EU-Gelder, meine Damen und Herren, sind also nicht plötzlich aufgetaucht oder einer heimlichen Spardose entnommen, es sind Einnahmen und sie fließen entsprechend in den Haushalt. Zu guter Letzt erhalten wir nochmals Geld vom Bund aus dem Konjunkturpaket II, insgesamt rund 70 Mio. €. Rechnet man diese Einnahmen zusammen, kommt man auf 8,86 Mrd. €.

Meine Damen und Herren, eine solide Finanzpolitik braucht eine realistische Zahlenbasis. Alle Vermutungen und Erwartungen hinsichtlich der Steuerschätzung im November sind bislang nur Schätzungen, Spekulationen und auch als solche zu behandeln und können nicht Gegenstand des Entwurfs sein.