Isolde Stangner

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, 17 Monate Arbeit liegen hinter der Enquetekommission "Erziehung und Bildung in Thüringen". Damit diese Arbeit Früchte tragen kann, sollte als Handlungsmaxime Immanuel Kants "Ich kann, weil ich will, was ich muss." gelten, so meine Empfehlung. Wäre es nach meiner Fraktion gegangen, hätte eine Enquetekommission zu Bildung und Erziehung bereits im Januar 2001 eingesetzt werden können. Jedoch fanden sich weder zu dieser Zeit noch im Juni 2002 in diesem Hause Mehrheiten für unsere Anträge. Dies war, wie die ablehnenden Begründungen unschwer erkennen ließen, politisch motiviert. Letztlich wurde jedoch die CDU-Fraktion durch die anhaltenden Bildungsdiskussionen in der Öffentlichkeit wie der sprich
wörtliche Dackel zum Jagen getragen und formulierte im August 2002 einen eigenen Antrag zum Einsetzen einer Enquetekommission. Wir haben uns diesem Antrag nicht verweigert und ihm zugestimmt.
Das Verzögern über Monate bedauern wir im Nachhinein immer noch, da die Kommission mindestens ein halbes Jahr mehr für ihre Arbeit hätte Frucht bringend nutzen können - Herr Döring hat bereits darauf verwiesen - und sie ausgewählte Fragen, zum Beispiel der gymnasialen Oberstufe oder eben der Bildungsfinanzierung, auf deren Bearbeitung aus den genannten Gründen verzichtet werden musste, noch hätte bearbeiten können. Gleichwohl möchte ich konstatieren, die Mitglieder der Kommission haben sachlich und ergebnisorientiert zusammengearbeitet, um zu Empfehlungen für Bereiche zu kommen, die in Thüringen für Bildung und Erziehung relevant sind. Des Öfteren haben wir auch intensiv gestritten, denn in der Arbeit prallten unterschiedliche Bildungs- und Erziehungskonzeptionen aufeinander. Um hier mit Goethe zu sprechen, das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.
Die vorliegenden Ergebnisse der Kommission sind eine Synthese aus diesem Denkprozess. Es gelang, nicht nur Konsens-, sondern auch Dissenspositionen im Bericht deutlich auszuweisen. Man kann also auch darüber nachlesen, worüber in der Kommission keine Einigkeit bestand, und dies nicht nur in Sondervoten. Dies trug nach meiner Auffassung wesentlich dazu bei, dass der Bericht am Ende in der Kommission über Fraktionsgrenzen hinweg breitere Zustimmung finden konnte.
Meine Damen und Herren, dem Dank, den Herr Döring an die Sachverständigen bereits geäußert hat, kann ich mich nur anschließen. Ich tue das gern und ich bitte Frau Morhard und Herrn Professor Lütgert, die in Vertretung der Sachverständigen heute auf der Tribüne sitzen, diesen Dank auch für alle stellvertretend entgegenzunehmen.
Ich möchte aber auch der Landtagsverwaltung, insbesondere Herrn Dr. Seidel, Frau Rittweger und Herrn Schnurre danken, denn ohne ihre zügige und gründliche Arbeit, öfter bis in die Nachtstunden hinein, wären die Beratungen der Kommission zweifellos nicht gründlich und zügig möglich gewesen.
Erste Reaktionen in der Öffentlichkeit zu dem Bericht der Enquetekommission reichen von positiven Bewertungen der Ergebnisse bis hin zu einem mager. Das konnte man nachlesen in der Mühlhäuser TLZ vom 29. April 2004.
Ich will mich zu diesem Artikel nicht weiter äußern, aber schon feststellen, dass ich solche polarisierenden Bewertungen als normal betrachte. Darin drücken sich unterschiedliche Erwartungshaltungen aus, die sich erfüllt oder eben nicht erfüllt haben. Außerdem bekommen die Empfehlungen der Kommission, egal wie man sie heute beurteilt, überhaupt erst ihren Wert, wenn ihnen der Sprung vom Papier in die Realität gelingt.
Dafür ist politisches Wollen und Handeln notwendig und ein breiter gesellschaftlicher Konsens für Veränderungen zu finden - und jetzt zitiere ich aus dem Bericht -, "der sowohl die Mitwirkung aller Beteiligten gewährleistet als auch ein zu enges Denken in parlamentarischen Legislaturperioden überwindet." Meine Damen und Herren, wenn ich nun aus dem Bericht einige inhaltliche Aspekte herausgreife, richte ich meinen Fokus im Besonderen auf die Chancengerechtigkeit. Chancengerechtigkeit vermittelt heute oft den Eindruck einer Worthülse. Für uns, für meine Fraktion, ist sie notwendige Bedingung für sinnerfüllte, individuelle und zukunftsfähige gesellschaftliche Entwicklung.
Ein erster Aspekt: In meiner pädagogischen und bildungspolitischen Arbeit habe ich immer darauf bestanden, Bildung und Erziehung als Ganzheit zu betrachten. Die Enquetekommission hat sich für ihre Arbeit ebenso von einem integrierenden Ansatz von Erziehung und Bildung leiten lassen, der sich natürlich im Spannungsfeld von individuellen und gesellschaftlichen Interessen, auch individueller und gesellschaftlicher Verantwortung, das betone ich ausdrücklich, bewegt. Mit diesem Ansatz verbindet sich für die Enquetekommission, dass Erziehung und Bildung, ich zitiere, "der freien Entfaltung der Persönlichkeit gewidmet," - sind - "was die Perspektive der Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft einschließt". Ich ergänze, dies muss für alle chancengerecht möglich sein. Es entspricht unserer Auffassung, dass Bildung und Erziehung in dem von der Enquetekommission gewählten Leitansatz keine einseitige Einengung auf die unmittelbare Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt erfahren hat, was in Äußerungen immer wieder festzustellen ist. Eine freie demokratische Gesellschaft setzt Menschen voraus, die in der Lage sind, ihr Leben - das berufliche ist natürlich ein Teil davon - selbstbestimmt, sinn- und kulturvoll sowie verantwortungsbewusst gegenüber sich selbst und anderen erfolgreich zu gestalten. Für eine Persönlichkeitsentwicklung in diesem Sinn ist das Zusammenwirken aller an diesem Entwicklungsprozess Beteiligten notwendig. Auch das war ein Leitansatz der Enquetekommission. Der Staat - so sagen wir deutlich - kann und darf sich dabei nicht aus seiner Verantwortung nehmen, dafür notwendige Grundlagen zu schaffen. Ich spreche damit ausdrücklich nicht gegen eine pluralistische Bildungslandschaft, aber die Privatisierung von Bildungsaufgaben und der damit verbundenen Ausgaben löst für uns die Probleme
nicht, geschweige denn führt sie zu mehr Chancengerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, nun zu einem nächsten Aspekt, der schwerpunktmäßig diskutiert wurde, der Qualitätsverbesserung im Bildungssystem. Dafür gilt es, sich individuelle und gesellschaftliche Beziehungen und Zusammenhänge zu vergegenwärtigen. Ich greife aus diesen Beziehungen die sozialen und ökonomischen Lebensumstände heraus, denn im Bericht wird festgestellt: "Je günstiger die ökonomische Lage eines Menschen ist, desto günstiger sind seine Chancen, in lange andauernde - ergo in der Regel höherwertige Lebenschancen verbessernde - Prozesse der Aneignung von Bildung und Bildungszielen einzutreten." Im Vergleich der Bundesländer ist für Thüringen eine eher ausgeglichene sozioökonomische Lage zu konstatieren. Die Mehrheit der Kinder lebt in Thüringen in stabilen Verhältnissen. Gleichwohl verfügten Ende der 90er-Jahre in Thüringen die Familien von 17.000 Kindern nur über ein Einkommen unter 646     kommen unterhalb der für die neuen Bundesländer bestimmten Armutsschwelle. Für diese Kinder besteht durchaus ein Risiko im Hinblick auf ihre Bildungschancen und für sie muss sich notwendigerweise etwas ändern.
Nachgewiesen haben die vorliegenden Bildungsstudien die größeren Chancen von Kindern aus sozioökonomisch besser gestellten Familien, ein Gymnasium besuchen zu können. Das bedeutet zugleich Benachteiligung von Kindern aus sozial schwächeren Schichten. Wie die soziale und ökonomische Lage die Entwicklung junger Menschen beeinflusst, und zwar sowohl ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt als zugleich auch ihre Lebensgestaltung insgesamt, zeigen nachfolgende Daten erschreckend: Der Thüringer Berufsbildungsbericht 2003 weist für die Jahre von 1992 bis 2002 unter den arbeitslosen jungen Menschen unter 25 Jahren einen Anteil von 75 bis 86 Prozent mit Hauptschulabschluss aus, nachzulesen im Bericht. Dazu noch eine aktuelle Zahl: Nach Informationen der Bundesagentur für Arbeit waren im April 2004 23.700 junge Thüringerinnen und Thüringer unter 25 Jahren arbeitslos, das sind immerhin knapp 1 Prozent der Thüringer Bevölkerung. Situationsverschärfend wirkt, dass in dem angesprochenen Zeitraum von 1992 bis 2002 zwischen 10 und 13 Prozent aller Thüringer Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen haben. Zwar sei die Zahl seit der Schulgesetznovellierung rückläufig, wir haben nach Informationen aus dem Kultusministerium statistische Angaben bekommen, die sich zwischen 8 und 9 Prozent bewegen und auch die Aussage, damit liegen die Thüringer Verhältnisse jetzt im Bundesdurchschnitt, aber das, denke ich, ist kein Maßstab. Es besteht aus individueller und gesellschaftlicher Sicht großer Handlungsbedarf.
Ich will das Problem noch untermauern. Ich habe gestern an einer Veranstaltung des ThILLM teilgenommen, in der es um Schulversagen ging. Professor Klemm aus Essen hat drei Daten genannt, die das Problem dieser jungen Menschen noch deutlicher illustrieren. Die Chance, in eine Berufsausbildung zu kommen, liegt für Schüler, die ohne einen Hauptschulabschluss die Schule verlassen, unter 20 Prozent. Sie bekommen regelmäßig, wenn sie in Arbeit einsteigen können, eine schlechtere Entlohnung und, was sich für mich eigentlich noch sehr dramatisch anhörte, diese Ausbildung hat auch Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung der Menschen - je höher der Bildungsstand, umso besser der Gesundheitszustand, wie die Statistik beweist, und auch die Lebenserwartung. Das Umgedrehte kann man sich dann selber vorstellen. Die genannten Daten werfen zugleich ein Licht auf die möglichen sozialen Folgen des Besuchs eines Hauptschulbildungsgangs - ich habe jetzt einige noch einmal genannt -, der für uns unter anderem auch einmal deshalb nicht zeitgemäß ist und abgeschafft werden sollte.
Meine Damen und Herren, in Thüringen gibt es durchaus akzeptable Bedingungen, soziale Herkunft, aktuelle Lebenslage und Bildungserfolg zu entkoppeln. Dazu zähle ich zum Beispiel den gesetzlich verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag im Kindertagesstättenbereich, das Angebot an Plätzen sowie den Rechtsanspruch auf einen Platz ab 2 Jahren und 6 Monaten. Wünschenswert wäre es, diesen Rechtsanspruch bereits früher zu haben.
Ich zähle zu den akzeptablen Bedingungen auch die Ausstattung mit Hortplätzen, wenngleich Elternbeiträge, und das betrifft sowohl den Kindertagesstättenbereich als auch den Hortbereich, die Entkopplung der aktuellen Lebenslage mit dem Bildungserfolg und der sozialen Herkunft aus unserer Sicht konterkarieren. Ich zähle zu den günstigen Bedingungen auch die Einführung gestufter Bildungsabschlüsse in den weiterführenden Schularten, dies allerdings nach langem Kampf. Die Bewährung der besonderen Leistungsfeststellung, die am heutigen Tag in den Thüringer Gymnasien stattfindet - und dafür wünsche ich den jungen Leuten, die daran beteiligt sind, auch alles Gute -, steht noch aus. Zweifellos muss also zugelegt werden. Die Enquetekommission hat eine ganze Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die Chancen für die Entkopplung bieten, wenn sie umgesetzt werden. Sie betreffen Unterstützungsangebote, die auch in andere gesellschaftliche Bereiche hineinlaufen, weil Bildung und Erziehung mit ihnen verzahnt sind. Sie betreffen zum Beispiel Angebote für Familien, elementar- und schulqualitätsverbessernde Maßnahmen und anderes mehr. Auf alles hier einzugehen, ist natürlich nicht möglich.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, im Rahmen der Qualitätsdebatte war ein wesentlicher Punkt die indivi
duelle Förderung, und das, meine ich, muss auch ein wesentlicher Punkt der Schulentwicklung bleiben und werden. Im Verständnis der Enquetekommission, auch in unserem Verständnis heißt das, alle müssen erreicht werden; die Schwächeren wie die Stärkeren. Chancengerechtigkeit erfordert individuelle Förderung aller von Anfang an, gleich, welche Struktur und Institution sich hinter Bildung und Erziehung verbirgt. Dafür ist auf jeden Fall die Interaktion aller Beteiligten, vor allem der Eltern sowie der Pädagoginnen und Pädagogen, unabdingbar.
An dieser Stelle eine Bemerkung zur Rolle der Pädagoginnen und Pädagogen bei der individuellen Förderung in allen Bildungsbereichen: Die individuelle Förderung gehört zu ihren ureigenen Aufgaben. Sie müssen für diese äußerst komplexe und komplizierte Aufgabe aber motiviert und gerüstet sein bzw. werden. Der Bericht betont an mehreren Stellen die Wertigkeit einer entsprechenden Ausund Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen oder empfiehlt zum Beispiel sozialpädagogisch ausgebildetem Personal mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Meine Damen und Herren, speziell für den Elementarbereich empfiehlt die Kommission einen verbindlichen Rahmenplan zu entwickeln, der Mindeststandards für individuelle Entwicklungsziele vorgibt. Das unterstützen wir. Aus unserer Sicht darf ein Bildungsrahmenplan jedoch nicht vorgezogenes schulisches Lernen intendieren, das spielerische Lernen muss Priorität behalten. Der individuellen Förderung der Kinder im Elementarbereich sind auch die Empfehlungen dienlich, die auf die verbesserte Zusammenarbeit von Eltern, Pädagogen und weiteren Fachleuten, die verbesserte Kooperation von Grundschulen und Kindertagesstätten und eine entsprechende Qualifizierung des pädagogischen Personals gerichtet sind.
Meine Damen und Herren, in der Enquetekommission, wie übrigens auch in der zur frühkindlichen Bildung und Erziehung durchgeführten öffentlichen Anhörung, wurde über internationale Standards in der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern und über Qualitätsanforderungen an diese diskutiert. Diese Diskussion führte nur zu einem Minimalkonsens. Wir konnten uns lediglich darauf einigen, einen Modellversuch für einen Hochschulstudiengang für Erzieherinnen und Erzieher zu wünschen. Zumindest, so die Empfehlung weiter, sollten Studiengänge zum Erwerb erweiterter Kompetenzen von Beschäftigten, z.B. auf der Leitungsebene, angeboten werden. Größere Übereinstimmung gab es für die Empfehlung, die Zweckmäßigkeit der Breitbandausbildung zu prüfen. Die Kommission erachtet eine Spezialisierung auf den frühkindlichen Bereich für notwendig.
Meine Fraktion fordert vor allem aufgrund der veränderten und wachsenden Anforderungen an den Elementarbereich
die Hochschulausbildung von Erzieherinnen und Erziehern unter Berücksichtigung von Übergangsentwicklungen ein.
Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an eine Initiative der Fachhochschule Erfurt, insbesondere des Rektors Herrn Prof. Wagner. Natürlich kosten Hochschulausbildung und höher qualifiziertes Personal Geld. Aber sind uns das unsere Kinder nicht wert?
Meine Damen und Herren Abgeordneten, einige Gedanken zur individuellen Förderung im Schulsystem: Über die Notwendigkeit gab es keine Zweifel, deshalb hat die Kommission auch eine breite Palette von Empfehlungen ausgesprochen. Herr Döring hat bereits einige genannt. Ich kann auch nicht alle genauer charakterisieren, ich beschränke mich auf einige Stichworte, z.B. den bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von Ganztagsangeboten, die Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Pädagogen in allen Bildungsbereichen, eine angemessene Personalausstattung und Anreize, sich der schwierigen und komplexen Aufgabe der individuellen Förderung zu stellen, oder die Bereitstellung entsprechender Mittel für die Schulentwicklungsforschung.
Meine Damen und Herren, im Bericht kann man jedoch auch nachlesen, dass das deutsche Schulsystem aufgrund seiner Geschichte auf das Prinzip des Individuellen schlecht vorbereitet ist. Man kann auch über Folgen daraus nachlesen und über notwendige Veränderungen. Offen lässt der Bericht, ob die Trennung von Schülerinnen und Schülern in angeblich homogene Begabungs- und Leistungsgruppen, von denen praktisch bei ihrer Aufteilung nach Klasse 4 auf unterschiedliche Schularten ausgegangen wird, das anregendste und bildungsförderlichste Modell ist; aber es werden an verschiedenen Stellen im Bericht darüber deutliche Zweifel geäußert. Ich füge an dieser Stelle noch einmal eine Erkenntnis ein, die ich aus der gestrigen schon angesprochenen Tagung zum Schulversagen mitgenommen habe. Prof. Tillmann aus Bielefeld hat zu den homogenen Gruppenbildungen gestern gesagt: "Die homogenen Lerngruppen, denen nachgejagt wird, sind eine Fiktion."
Die Mitglieder der Enquetekommission waren sich einig, dass eine alleinige Strukturdebatte nicht nutzbringend ist, sondern immer der Zusammenhang zur pädagogischen und didaktischen Schulreform zu bedenken ist. Das entspricht auch meiner Grundüberzeugung, auch der Überzeugung meiner Fraktion.
Dieser Sachlage zufolge und aufgrund der Ergebnisse der PISA-Studien hat sich die Kommission dem Problem der Schulstruktur nicht verschlossen, wenngleich die Bereitschaft zu dieser Debatte unterschiedlich ausgeprägt war und hier auch der aus meiner Sicht größte Dissens zu Tage trat. Im Ergebnis entschied sich die Kommission für die Beschreibung von verschiedenen Denkrichtungen - Herr Döring hat darauf hingewiesen. Meine Fraktion bekennt sich eindeutig zu der Denkrichtung, die zusammengefasst eine Verlängerung des gemeinsamen Lernens von Anfang an - also nicht erst ab Klasse 5, sondern von Anfang an bis mindestens zum 8. Schuljahr anstrebt,
weil darin ein Ansatz zur von uns angestrebten Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg und damit der Erhöhung von Chancengerechtigkeit liegt. Wir können uns dabei sowohl auf gute internationale Erfahrungen als auch auf Erkenntnisse des PISA-Konsortiums stützen.
Das längere gemeinsame Lernen ist mit einem expliziten Förderprogramm zu verbinden, damit auch eine höhere Jahrgangsquote an Hochschulberechtigten erreicht werden kann. Worauf sich die Enquetekommission in diesem Zusammenhang verständigen konnte, ist eine Empfehlung an die Landesregierung, in der Kultusministerkonferenz - und ich zitiere hier wieder aus dem Bericht "auf eine Prüfung der Vereinbarung zu den Schularten und Bildungsgängen im Sekundarbereich I zu drängen. Insbesondere sollten Möglichkeiten des längeren gemeinsamen Lernens und dafür notwendige qualitätsverbessernde Rahmenbedingungen geprüft werden." Da kann man in der Öffentlichkeit sagen - mager. Das Problem, das dahinter steckt, ist Folgendes: Ein Alleingang von Thüringen würde unter den gegenwärtigen Bedingungen die Gefahr der Nichtanerkennung der in der Thüringer Schule erworbenen Abschlüsse in anderen Bundesländern in sich bergen. Das kann man nicht wollen. Das ist in meinen Augen ein schwieriges, aber dennoch kein unlösbares Problem. Länder wie Kanada oder Finnland haben vorgemacht, dass man es lösen kann, es sei denn, man will unbedingt an der Übergangsauslese nach Klasse 4 festhalten. Das wäre eine politische Entscheidung. Diese wurde vor 85 Jahren so getroffen. Die Verhältnisse haben sich jedoch verändert und selbst damals war die Sinnhaftigkeit keinesfalls ausreichend begründet.
Meine Damen und Herren, der Bericht ist natürlich viel breiter als die Aspekte, die ich jetzt herausgegriffen habe.
Über vieles müsste noch geredet werden: über Partner von Schule; über die Schule als lernende Organisation in einer lernenden Gesellschaft, die selbständig unter Mitbestimmung aller Beteiligten und Betroffenen agiert; über
die Bildung und Entwicklung des pädagogischen Personals; über das lebenslange Lernen; über die Fragen der Medienbildung und -erziehung usw. usf. Dazu reicht meine Zeit nicht.
Einen Aspekt der Chancengerechtigkeit will ich aber noch ansprechen: Warum benachteiligen wir in Thüringen Asylbewerberkinder in ihrem Recht auf Bildung, indem wir sie nicht der Schulpflicht unterziehen? Hier konnte in der Enquetekommission keine Einigung in eine Auffassung erreicht werden. Dabei hat selbst der Thüringer Ausländerbeauftragte Herr Peters wiederholt der Auffassung der CDU-Fraktion widersprochen. Wir plädieren für diese Schulpflicht, weil sich erst hieraus individuelle Rechte ergeben, die sonst für diese Kinder ausgeschlossen sind.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, zusammenfassend zum Bericht möchte ich feststellen, dass wir der Analyse und dem Reformbedarf, der sich in den Empfehlungen widerspiegelt, weitestgehend zustimmen, doch, das sei betont, sehen wir für die Weiterentwicklung des Thüringer Bildungs- und Erziehungssystems darüber hinausgehenden Reformbedarf, dies inhaltlich, pädagogisch-qualitativ und strukturell. Denen, die sich unter den oft nicht einfachen Bedingungen der letzten Jahre für die Gestaltung des Bildungs- und Erziehungssystems in Thüringen engagiert haben, vor allem den Familien und dem pädagogischen Personal, gilt unser Dank und unsere Anerkennung.
Der Enquetebericht, so meine ich, sollte allen Mut machen, sich weiter in die Bildungsdebatte einzubringen. Ein tatsächliches Ergebnis hat die Enquetekommission jedoch erst erreicht, wenn ihre Empfehlungen umgesetzt werden. Und dazu wiederhole ich noch einmal Kant: "Ich kann, weil ich will, was ich muss." Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bringe hier einen Antrag ein, der keineswegs ein Altantrag ist, wie ihn heute eine Thüringer Zeitung titulierte, also kein überholter Antrag, wenn das damit impliziert werden darf, sondern ein Antrag mit einer durchaus hohen Aktualität.
Bildung, Hochschule und Forschung sind in der öffentlichen Diskussion. Freilich werden die Debatten unterschiedlich geführt. Insgesamt ist jedoch erkennbar, es fehlt an personeller und sachlicher Ausstattung. Appelle, Schuldzuweisungen, Vertröstungen oder gar Negieren von Problemen, so ist vor allem von Studierenden, von Hochschul
mitgliedern und auch von Hochschulleitungen zu hören, sind völlig fehl am Platze. Handlungsbedarf ist gegeben, und auf diesen Handlungsbedarf stellt unser Antrag ab.
Meine Damen und Herren, statt einer systematischen Strukturreform an den und durch die Hochschulen Zeit zu geben, wurde mit dem Abschluss des Hochschulpaktes den Hochschulen die finanzpolitische Zielsetzung der Landesregierung zur Mitteleinsparung durch Mittelfestschreibung verordnet. In dem Maße, wie der Hochschulpakt die Mittelbegrenzungen offenbarte, wurden in Thüringen aus Sorge um die Qualität der Ausbildung und der Abschlüsse auch die Studierendenproteste deutlich. Wie begründet diese Sorge ist, zeigt sich unter anderem eindringlich an der Entwicklung des Verhältnisses von Studierenden- und Stellenzahlen an Thüringer Hochschulen. In diesem Verhältnis, das zum Verständnis, drückt sich der Qualitätsparameter Betreuung aus. Vergleicht man also diese Studierendenund Stellenzahlen miteinander, stellt man fest, dass der Qualitätsparameter Betreuung in Thüringen seit 1991 auf weniger als ein Drittel gesenkt wurde. In den Studierendenprotesten drückt sich das Interesse an der eigenen Entwicklung aus, zugleich aber auch an der Entwicklung des Landes. Die Proteste sollten deshalb als Wahrnehmung von Verantwortung mündiger Bürger für die Bildung im Lande und damit als wünschenswerter Ausdruck politischer Willensbildung junger Menschen gesehen werden. Verunglimpfung von Studierenden waren und sind fehl am Platze.
Meine Damen und Herren, Thüringens Hochschulen brauchen zur Bewältigung der steigenden gesellschaftlichen Anforderungen und Erwartungen eine konkurrenzfähige Ausstattung. Darüber nachzudenken, zwingt uns, so meinen wir, auch der Bologna-Prozess. Wichtige Qualitätsstandards dürfen deshalb nicht noch weiter unterschritten werden. Dies leistet der Thüringer Hochschulpakt in der vorliegenden Fassung jedoch nicht, auch wenn unter anderem Presseveröffentlichungen der CDU-Fraktion dies glauben machen wollen. Der Hochschulpakt ist ein Zwangskorsett für die Hochschulen. Er schnürt sie in ihrer Entwicklung, in ihrer Qualität, auch in ihrer Autonomie ein. Der Rektor der Universität Jena, Prof. Meyn, hat im Februar während einer Podiumsdiskussion in Weimar die mit dem Pakt verbundene mögliche Entwicklung der Hochschulen als, ich zitiere, "Planungssicherheit ins Bergab" beschrieben. Vonseiten vieler Betroffener gibt es die eindringliche Aufforderung an die Politik, gemeinsam nach tragfähigen Lösungen für die Hochschulen zu suchen. Dazu gehört, das Thema Hochschulpakt im Kontext der aktuellen Situation neu zu behandeln, wie es unser Antrag beinhaltet. Vielen Dank.
Ich bin ja froh, Herr Minister, dass es ausnahmsweise der PDS-Fraktion nicht angelastet werden kann, dass man zweimal Ihre Redebeiträge so ignoriert hat. Das tut mir auch für Sie ein bisschen Leid.
Meine Sicht auf dieses Investitionsprogramm wird ein bisschen eine andere sein. Das wird aber weder die Damen und Herren von der SPD-Fraktion noch von der CDUFraktion verwundern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wie geht man mit den so genannten Bulmahn-Millionen um, wenn man am Thüringer Schulsystem eigentlich nichts Wesentliches ändern will? Ganz einfach: Man teilt das Geld in drei Portionen, zwei Schulen - Herr Minister hat darauf hingewiesen -, die schon Ganztagsschulen sind, die bekommen etwa ein Viertel der Gesamtsumme, so um die 30 Mio. Für die freien Träger werden die genannten 10 Prozent zurückgestellt, und die anderen - mir sind etwa 60 Antrag stellende Schulen bekannt - können dann den Rest bekommen. Herr Minister hat die Summe ebenfalls benannt, ich sage rund 70, er hat konkret von 74 Mio.  gesprochen. Da muss ich dazu sagen, wenn man das durch die restliche Summe dividiert, dann sind das natürlich nicht mal die von Ihnen genannten auf die Schulen bezogenen 400 Mio., die Sie am Bundesprogramm kritisiert haben. Wenn man das so betrachtet, hat sich das Verteilungsvolumen, das zur Verfügung steht, so weit verringert, dass von einem Auf- und Ausbau eines Netzes von Ganztagsschulen, was ja Sinn dieses Programms sein soll, kaum mehr die Rede sein kann in Thüringen. Und mit Verteilungsgerechtigkeit und Förderung guter pädagogischer Konzepte für Schulentwicklung hat das auch kaum noch zu tun.
Meine Damen und Herren, die Mittelbindung an nur zwei überregionale Ganztagsprojekte, nämlich Schnepfenthal und Oberhof, ist nicht zu rechtfertigen. Die PDS-Fraktion zweifelt weder an der Sinnhaftigkeit von Begabungsförderung - das möchte ich ausdrücklich auch deutlich sagen - noch zweifelt sie an der Sinnhaftigkeit beider Projekte und unterstützt auch die Entwicklung. Aber es kann
nicht sein, dass diese Begabtenförderung sich erstens ausschließlich auf eine Region konzentriert - im Fall von Oberhof werden ja auch dem Innenminister persönliche Ambitionen nachgesagt - zweitens, dass sie auf Kosten anderer Schulen und damit auf Kosten Schwächerer und somit drittens dadurch die Vertiefung der Ungleichheit betrieben wird.
So hat das Landratsamt Gotha mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 alle Schulen in seiner Trägerschaft aufgefordert Schnepfenthal gehört ja zu dieser Region, zur Erklärung für diejenigen, die das nicht wissen -, keine weiteren Anträge zur Aufnahme in das Investitionsprogramm zu stellen und hat bisher gestellte Anträge zurückgegeben. Das, meine Damen und Herren, ist weder im Sinne von PISA noch im Sinne des Investitionsprogramms.
Wir fordern die Landesregierung auf verantwortlich zu handeln und für die beiden Schulen überhaupt und ausreichend Landesmittel zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung hat immer wieder beteuert, dass die Mittelverteilung auch von den vorgelegten pädagogischen Konzepten abhängt und wir haben das heute auch noch einmal von Herrn Minister in der Rede zuvor gehört. Aber die Schulträger und, ich meine, auch ein Teil der Schulen, waren völlig überlastet, innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit
das ist etwa ein Zeitraum von einem halben Jahr - ein ausgefeiltes Konzept zu Ganztagsschularbeit vorzulegen. Eine Abstimmung der Konzepte kann bei vielen Schulträgern nicht gelungen sein. So kann Ganztagsschularbeit nicht gewollt sein - überhastet und bürokratisch.
Im Übrigen, das Kultusministerium hat sich von Mai - das war der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung - bis zum 15.10. Zeit gelassen, die Schulträger über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu informieren. Ein Schelm, wer dabei an Verzögerungstaktik denkt.
Meine Damen und Herren, auch wenn es eine Wiederholung ist, ohne zusätzliche Lehrerstunden - ich möchte das schon noch einmal aufgreifen - lassen sich keine stetigen Ganztagsschulangebote entwickeln. Ganztagsschulen sind jedoch, auch wenn Sie das bezweifeln, eine Chance für verbesserte Bildung und Erziehung; sicher kein Allheilmit
tel, aber schon eine Chance. Deshalb ist Fördern angesagt, nicht aber Einseitigkeit in der Mittelvergabe, im Aufbau von Hürden oder gar Blockaden. Auch im Wahljahr, meine Damen und Herren, ist gezielte Lobbybildung immer noch unseriös. Vielen Dank.
Centrum für Intelligentes Bauen (CIB. Weimar)
Das Kuratorium der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT) hatte sich 2002 für die Errichtung des CIB. Weimar ausgesprochen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Steht das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur (TMWAI) hinter der Option des Kuratoriums der STIFT zur Errichtung des CIB. Weimar?
2. Erfolgte beim TMWAI die Beantragung der Förderung und wie wurde der Antrag entschieden?
3. Gibt es gegen den Projektfortschritt gerichtete Hemmnisse?
Ja, ich will nachfragen. Ich habe jetzt von Ihnen die gleiche Antwort bekommen wie Frau Dr. Kaschuba auch schon auf eine ihrer Fragen. Ich frage trotzdem, Herr Minister, können Sie etwas dazu sagen, wie es nach der Prüfung weitergehen könnte?
Da ich in der Kuratoriumssitzung nicht anwesend war, weil ich kein Mitglied des Kuratoriums bin, stelle ich jetzt die Frage, ob Sie Gründe benennen können, warum diese Prüfaufträge noch mal erteilt worden sind?
Einschränkung der Betreuung im Rahmen der pädagogisch-praktischen Ausbildung im Vorbereitungsdienst
Nach mir vorliegenden Informationen hat das Kultusministerium angewiesen, die Betreuung der Lehramtsanwärter für die ersten drei Ausbildungshalbjahre, insbesondere durch die Fachleiter und die lehrbeauftragten Fachleiter, ab 1. September 2003 einzuschränken.
Ich frage die Landesregierung:
1. Veranlassen pädagogische, fachdidaktische und/oder fachmethodische Gründe in der Ausbildung der Lehramtsanwärter zu dieser Einschränkung oder sind es rein fiskalische Zwänge?
Ich bin nicht fertig, aber es ist so laut, Frau Präsidentin, dass ich gar nicht mehr vorlesen kann.
2. Gibt es Analysen, die diese Einschränkungen rechtfertigen?
3. Kommt es durch die Einschränkungen zu einem Betreuungsausfall, und wenn ja, wie soll er kompensiert werden?
4. Kommt es bei der Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen zu Einsparungen, und wenn ja, für welche Zwecke werden diese eingesparten Mittel eingesetzt?
Herr Minister, ich habe der ersten Antwort nicht entnehmen können, ob es - bezogen auf den ersten Teil meiner Frage pädagogische, fachdidaktische oder fachmethodische Gründe gibt. Darauf hätte ich gern noch eine Antwort.
Eine zweite Frage hätte ich gern beantwortet: Mit den neuen Festlegungen - das war eben auch zu hören - wird der Verwaltungsaufwand für die Betroffenen erhöht. Das widerspricht nach meiner Wahrnehmung dem, was die Landesregierung immer erklärt, Verwaltungsaufwand abbauen zu wollen. Dazu hätte ich gern noch eine Äußerung von Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, an Herrn Emde und Herrn Grob - Herr Grob ist leider nicht da, aber man wird es ihm schon ausrichten, er kann es auch nachlesen - als Erstes gerichtet. Ich höre schon mit Erstaunen und auch mit einer gewissen Freude Ihre heutige positive Bewertung dieses vorgelegten Programms der Bundesregierung. Manchmal hatte ich in den vorausgegangenen Diskussionen schon eher den Eindruck, da wird nach Ihrer Auffassung Teufelszeug auf die Schüler losgelassen.
Schütteln Sie nicht den Kopf, Herr Emde. Es war ein langer Weg. Die SPD hat das vorhin eingeworfen und da hat sie völlig Recht. Es war ein langer Weg, ehe Sie zu dieser heutigen Bewertung gekommen sind. Meine Aussage mit dem Teufelszeug trifft schon zu auf die vorherigen Diskussionen.
Eine zweite Bemerkung zu Ihren Reden: Sie haben gesagt, Eltern bevorzugen eher die freiwilligen Angebote z.B. über die Schuljugendarbeit und Sie haben entsprechende Zahlen hier vorgelegt, was Herr Grob erstmal nicht gemacht hat. Da gab es nur die Behauptung dazu. Natürlich kennen wir die Zahlen auch. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass auch von einer Fragestellung erstens abhängig ist, wie man zu solchen Zahlen kommt und zweitens gibt es natürlich relativ wenig Erfahrungen unserer Eltern in Thüringen mit anderen Formen von Ganztagsschulen als das, was die Kultusministerkonferenz jetzt alles dazurechnet.
Deshalb will ich Ihnen ein Beispiel sagen - ich könnte mehrere aufführen, weil ich nur fünf Minuten habe, muss ich es bei einem belassen -, wie sich die Auffassung von
Eltern ändert, wenn sie Erfahrungen mit wirklichen Ganztagsschulangeboten machen. Sie haben das sicherlich auch zur Verfügung, das ist ein Faltblatt der Staatlichen Grundschule Rudolstadt-West. Diesem Faltblatt ist zu entnehmen, dass sich innerhalb von vier Jahren das Elternverhalten völlig geändert hat. Während anfangs die Mehrheit der Schüler in dem Halbtagsteil, das ist ein "normaler Teil mit Hort" gegangen ist, ist es im Jahre 2002/2003 so, dass die Mehrheit der Schüler an dieser gleichen Schule eher den angebotenen Ganztagsteil der Schule besucht. Hier haben sich die Zahlen gewandelt von 70 auf 110 jetzt im Ganztagsteil der Schule und von 150 auf 81 jetzt im Halbtagsteil der Schule. So viel zu den Erfahrungen der Eltern und den sich damit gewandelten Auffassungen zur Ganztagsschule.
Ich will nicht noch mal etwas zu den Potenzen der Ganztagsschule sagen, das ist hinlänglich bekannt. Richtig ist aber, und das will ich schon noch mal betonen, mit der Stärkung der Ganztagsschulangebote kann man ein Stück Boden bereiten für eine chancengleichere Schule und man kann auch ein Stück Boden bereiten, Herr Emde, dafür, dass Erziehungsschwierigkeiten gemeinsam mit den Eltern - nicht ohne sie - anders überwunden werden können, als das möglicherweise gegenwärtig der Fall ist. Dort ist nämlich eine andere Form des schulischen Lebens möglich als in der Halbtagsschule.
Nun noch einige Anmerkungen: Ich habe auch Fragen und Erwartungen an das Programm. Es ist ja nicht so, dass ich das ganz kritiklos betrachte. Einige Anmerkungen zu einigen Artikeln: Die Bemühungen der neuen Länder, auch bestehende Ganztagsschulen in das Programm hineinzubekommen und damit fördern zu können, waren richtig. Das möchte ich hier ausdrücklich betonen, das ist meine Sichtweise dazu. Das kann und darf aber nicht dazu führen, dass es keinen quantitativen Ausbau, wenn entsprechender Bedarf in Thüringen signalisiert wird, mehr geben darf. Ich denke, da wäre dann wirklich das Programm verfehlt. Es muss eine quantitative und qualitative - ich lege Wert auf diese Kombination - der Entwicklung von Ganztagsschule geben können. Thüringer Schülerinnen und Schüler dürfen hier nicht benachteiligt werden.
Eine zweite Bemerkung: Nach Artikel 1 und Artikel 4 sind Landesregelungen für die Umsetzung des Programms zwingend notwendig. Das ist in anderen Reden ebenfalls schon angeklungen. In diesen Regelungen sollten aber nach unserer Auffassung auch Kriterien für die Auswahl der Vorhaben, denn dafür ist das Land zuständig, enthalten sein, um für die Öffentlichkeit einfach Transparenz herzustellen, wie denn nun diese Auswahl der Vorhaben erfolgt.
Und eine zweite Bemerkung zu diesen Landesregelungen: Das Dilemma, wie wir es bei der Richtlinie für die Schuljugendarbeit erlebt haben - ich meine diesen Entwicklungszeitraum und die damit verbundenen Probleme
sollte sich nun hier wirklich nicht wiederholen.
Noch zu Artikel 1, zu dem Vorliegen pädagogischer Konzepte: Das finde ich gut, dass das so zwingend formuliert wird, auch mit der zusätzlichen Betonung "fachlich". Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, Herr Minister, werden wir im nächsten Ausschuss sicher beraten können.
Darf ich noch einen Satz sagen?
Ich möchte noch einen Satz sagen. In der Präambel werden Erwartungen an die Ganztagsschule beschrieben, die kann sie natürlich nicht erfüllen, wenn wir nicht eine Nachhaltigkeit bekommen, das heißt über 2007 hinaus etwas passiert, wenn die Personalkonzepte nicht geklärt werden und die anderen Fragen, die heute angesprochen worden sind. Die Unterzeichnung des Programms ist für mich nur ein erster Schritt, die Umsetzung wird ein viel schwierigerer Schritt sein. Dazu wünsche ich mir, dass wir alle an einem Strang ziehen. Vielen Dank.
Verwendung von Fördermitteln des Landes für wasserwirtschaftliche Investitionen in der Stadt Blankenhain
Die Stadt Blankenhain ist kommunaler Aufgabenträger für die Abwasserentsorgung. Im Ergebnis der Tiefenprüfung des Thüringer Innenministeriums wurden offensichtliche Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung von Fördermitteln des Landes festgestellt. So sind unter anderem Fördermittel, die an die T/ABG Wassersysteme GmbH & Co. Abwasser Blankenhain KG weitergereicht wurden, nicht ordnungsgemäß bilanziert erfasst.
Ich frage die Landesregierung:
1. Inwieweit erfolgte die Weiterreichung von Fördermitteln des Landes, die an die Stadt Blankenhain ausgereicht wurden, an die T/ABG in Kenntnis des Fördermittelgebers?
2. Welche vertraglichen Beziehungen bestehen zwischen der Stadt Blankenhain, dem Abwasserbetrieb Blankenhain und der T/ABG?
3. Mit welchem Ergebnis wurde der Verwendungsnachweis der an die T/ABG weitergeleiteten Fördermittel geprüft?
4. Welche Konsequenzen resultieren aus der fehlerhaften Bilanzierung erhaltener Fördermittel für die Stadt Blankenhain bzw. den Abwasserbetrieb Blankenhain?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, uns liegt der Entwurf eines Artikelgesetzes vor, der die Rechtsgrundlagen für die Thüringer Schulen in ihrer Gesamtheit und deren Finanzierung betrifft. In Ihrem historischen Abriss, Herr Minister, zu Beginn Ihrer Rede haben Sie darauf hingewiesen, dass es Absicht der Landesregierung war, keine Änderungen auf Kosten von Schülern vorzunehmen. Das sehen wir auch so, aber wir sehen auch, wenn notwendige, wirklich notwendige Änderungen nicht vorgenommen werden, geht das auch auf Kosten von Schülern.
Als Anlass für die Novellierung oder - vielleicht sollte ich besser sagen - als Anlässe für diese werden unter Punkt A des Entwurfs des Artikelgesetzes "Problem und Regelungsbedürfnis" und in Pressemitteilungen benannt: gewonnene Erfahrungen in den vergangenen Jahren, die Ergebnis
se der Schulleistungsstudie PISA und auch die furchtbaren Ereignisse am Gutenberg-Gymnasium. Diese Anlässe haben sich ja auch durch die Rede des Ministers hindurchgezogen. Angekündigt war die Novellierung bereits für das Frühjahr 2002. Der sich seit etwa November 2001 in der Diskussion befindliche Referentenentwurf - darauf bezogen sich zum großen Teil auch die Anhörungen, von denen Sie, Herr Minister Krapp, gesprochen haben - beanspruchte für sich bereits, gesellschaftlichen Veränderungen und Erfahrungen Rechnung tragen zu wollen. Hinter diesem Anspruch blieb er aber noch weiter zurück als der jetzige Entwurf, weil er auf die tatsächlichen Probleme und Kritiken, z.B. die vielen Schülerinnen und Schüler, die seit Jahren die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, und zwar in allen Schularten, oder die Kritiken von Eltern an nicht ausreichender individueller Förderung in der Schule oder die Kritiken der Wirtschaft an den Schulleistungen, allenfalls punktuell, aber keinesfalls ausreichend reagierte,
ganz zu schweigen von einer Reaktion auf die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA. Da der heute vorliegende Gesetzentwurf und der Referentenentwurf in großen Teilen übereinstimmen, erhebt sich schon die Frage nach den Gründen dieser Verfahrensweise.
Meine Damen und Herren, die Verschiebung der Gesetzesnovellierung auf den jetzigen Zeitpunkt wurde vor allem damit begründet, die Ergebnisse des nationalen Leistungsvergleichs, also PISA-E, abwarten und diese ebenfalls berücksichtigen zu wollen. Neue Regelungsentwürfe - ich spreche immer im Vergleich von Referentenentwurf und jetzigem Entwurf - betreffen Leistungstests und Leistungsfeststellungen, die vorgenommen werden sollen, sie betreffen die Informationspflicht der Schule gegenüber Eltern volljähriger Schülerinnen und Schüler, sie betreffen gestufte Abschlussregelungen, die Möglichkeit, Bewertungen zur Mitarbeit und zum Verhalten der Schülerinnen und Schüler in den Zeugnissen aufzunehmen, sie betreffen Regelungen der Schulpflicht für Flüchtlingskinder, was wir übrigens sehr begrüßen - ich möchte das an dieser Stelle einflechten -, und sie betreffen Verpflichtungen der Thüringer Lehrerinnen und Lehrer zur Fortbildung, was es allerdings in der Lehrerdienstordnung bislang auch schon so gab. Das aber alles sind Regelungen, die es vor PISA-E und vor dem schrecklichen Massaker am Gutenberg-Gymnasium schon hätte geben können. Auch erhebt sich die Frage nach der damit tatsächlich möglichen Qualitätsveränderung, von der ja immer gesprochen wird, die wir uns auch wünschen. Tests und Prüfungen allein zum Beispiel werden nichts verändern, wenn Schülerinnen und Schüler im davor liegenden Bildungs- und Erziehungsprozess nicht entsprechend gefordert und gefördert werden und mit den Ergebnissen dieser Tests und Prüfungen nicht entwicklungsfördernd gearbeitet wird. Dies wird von Rahmenbedingungen bestimmt, z.B. ganz wesentlich von der Zeit, die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Pädagogen mitein
ander zur Verfügung haben, aber dazu erkenne ich im vorliegenden Gesetzentwurf keine positiven Entwicklungen.
Meine Damen und Herren, teilweise wurden die Themen, die den genannten Regelungsentwürfen zugrunde liegen, seit längerem diskutiert bzw. Regelungen dazu vehement gefordert. Sie wurden aber von der CDU-Fraktion bzw. - ich muss das weiter fassen - von der CDU bislang blockiert, weil die Ideen eben nicht von ihr kamen oder sie nicht mit den konservativen Vorstellungen der CDU übereinstimmen. Als Stichwort nur noch einmal die gestuften Abschlüsse. Ich hoffe aber, dass nun die Ungleichbehandlung Thüringer Schülerinnen und Schüler ihr Ende findet, wenn der Abwägungsprozess, dem wir natürlich folgen müssen, zugunsten der Schüler ausgeht.
Was also ist das Motiv für das Handeln der CDU, wie wir es erleben? Änderungen soll es geben. Sie sind zum größten Teil auf massive öffentliche Forderungen zurückzuführen. Hier konnte man also gar nicht anders. Aber grundsätzliche Änderungen, so z.B. auch die Forderung vom Kreisschülersprecher gestern Abend in Jena auf der Regionalkonferenz oder die IHK Südthüringens sprach vor kurzem von einem tiefen chirurgischen Eingriff
dann haben Sie wohl nicht zugehört, Herr Seela -, werden abgeblockt. Abblocken, nicht um mögliche Schnellschüsse zu verhindern, nein, auch diese werden von uns entschieden abgelehnt. Unter anderem haben wir uns deshalb auch so für die Enquetekommission engagiert, damit langfristig etwas passieren kann. Nein, nein, darum geht es nicht. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Althaus, hat in seiner Rede zur Enquetekommission im August auf das Motiv hingewiesen, das Sie bewegt, denn er stellte fest - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: "Wir haben keinen Grund zu einer generellen Schulreform."
Der Minister hat das heute untersetzt. Übersetzt heißt das: Die Diskussionsspitzen, die es nach PISA, dem 26. April und auch den Ereignissen in Weimar gegeben hat, sollen durch Aussitzen abgebrochen werden.
Alles wird sich mit der Zeit wieder beruhigen und die Leute sind ja auch vergesslich; manches gerät dann in Vergessenheit und dann novellieren wir nach unseren, den CDU-Vorstellungen.
Meine Damen und Herren, auf diese Strategie deuten auch die Regionalkonferenzen hin. Warum beginnen sie denn einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss zur Gesetzes
novelle? Warum wird in dieser Art und Weise - also mit Regionalkonferenzen, das ist für mich schon noch eine andere Ebene, als wenn sich Betroffene und Beteiligte im Internet informieren können - mit den Betroffenen nicht vorher geredet? Warum haben die Teilnehmer der Konferenzen den Gesetzentwurf der Landesregierung in seiner Gesamtheit nicht wenigstens in der Hand und müssen sich mit Auszügen begnügen, die dann auch noch zu Irritationen führen, weil dort nämlich manches nicht so deutlich gesagt wird?
Warum gibt es nicht solche öffentlichen Ankündigungen der Regionalkonferenzen, die es auch Uneingeladenen möglich machen daran teilzunehmen?
Das sind Fragen von Schülerinnen und Schülern, von Eltern und Pädagogen und sie sind ernst zu nehmen, meinen wir. Um mit Carl Friedrich von Weizsäcker zu sprechen: "Demokratie heißt: Entscheidung durch die Betroffenen." Sie müssen sich in den Entscheidungen wiederfinden können. Das heißt nicht, dass jede Vorstellung umgesetzt werden kann. Dazu sind sie in Abhängigkeit vom jeweiligen Erfahrungshorizont auch zu sehr unterschiedlich und es ist abzuwägen, was zukunftsweisend ist. Dafür ist dann Akzeptanz zu gewinnen. Ich kann nur hoffen, dass die Regionalkonferenzen dies im Ergebnis doch bringen und mehr als Alibiveranstaltungen sind.
Aber meine Hoffnung ist nicht sehr groß, auch nicht nach der heutigen Rede des Ministers. Da geht es mir wie einem Elternsprecher, der gestern Abend deutlich zum Ausdruck brachte, dass er nur wenig Hoffnung habe, dass die Ergebnisse der Regionalkonferenzen
noch in das Gesetz einfließen. Sie haben es ja in der Hand, das zu ändern, Herr Seela. Aber Sie haben ja gestern Abend schon bewiesen, dass es Ihnen schwer fällt zuzuhören, wenn jemand was sagt, deshalb haben Sie immer das nachgefragt, was ohnehin schon vorgetragen worden ist. Das muss man hier auch mal feststellen.
Meine Damen und Herren, diese Sorge - Alibiveranstaltungen - bewegt mich im Übrigen auch im Hinblick auf die Enquetekommission. Ihre Arbeit darf durch die anstehende Novellierung nicht ausgehebelt werden bzw. auch nur als Alibi dienen. Herr Althaus, Sie haben zwar im August öffentlich verkündet, nicht von vornherein Denkstrukturen
vorprägen zu wollen, aber das, was Sie verkünden und was der Minister heute gesagt hat und was ich teilweise auch in den Regionalkonferenzen von Ministeriumsvertretern höre, befördert meine Sorge um die Alibifunktion der Regionalkonferenzen und der Enquetekommission. Heute haben bei mir regelrecht die Alarmglocken geläutet.
Ich will das auch untersetzen. Ich habe persönlich bislang an drei Regionalkonferenzen teilgenommen. Herr Minister, in allen drei Konferenzen ist das Problem mit dem länger gemeinsamen Lernen vorgetragen worden. Da, meine ich, ist es geboten und fair, nicht nur auf die Thüringer Rangplätze in der PISA-E-Studie zu sehen. Schauen Sie doch einmal auf die Spitzenländer und sehen Sie, was die für Strukturen haben.
In allen diesen Regionalkonferenzen, an denen ich teilgenommen habe, stand das Thema Klassenleiterstunde oder wie auch immer dieses Konstrukt genannt wird, das ist mir eigentlich egal -, aber bislang höre ich dazu nur Abweisungen. Abgewiesen werden auch personelle und finanzielle Fragen. Peinlicher kann es dann in Regionalkonferenzen schon nicht mehr zugehen, wenn auf eine sachliche Frage eines anwesenden Teilnehmers, die Rede eines Ministeriumsvertreters mit der Aussage endet: Schauen wir mal. Das hat zu Recht
zu großer Empörung geführt.
Meine Damen und Herren, im Komplex betrachtet kann mit den neuen Regelungen durchaus auf Veränderungsnotwendigkeiten reagiert werden, können durchaus Schritte, aber sie sind sehr klein, in die richtige Richtung gegangen werden. Solche Regelungen können sein: die veränderte Schuleingangsphase, die gestuften Abschlüsse, die Praxisklassen und auch die Schulpflicht für Flüchtlingskinder. Ihre Wirksamkeit ist aber von der konkreten Ausgestaltung abhängig, die zum Teil, Herr Minister hat es gesagt, in Rechtsverordnungen geregelt werden sollen und diese Rechtsverordnungen kennen wir nicht. Für die Beurteilung des Gesetzes insgesamt wäre diese Kenntnis aber notwendig.
Herr Minister, ich appeliere deshalb an Sie, uns im Verständigungsprozess zur Gesetzesnovelle auch die Änderungen so rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, dass wir in die Lage versetzt werden, Gesetz und Rechtsverordnungen
in ihrer Einheit beurteilen und uns dann ein fundiertes Bild machen zu können. Es wäre also gut, wenn die Entwürfe demnächst - ich sage mal vor der zweiten Lesung - vorliegen würden. Für effektive Regelungen sind aber auch Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Da gibt es schon erhebliche Zweifel bei uns.
Meine Damen und Herren, gemessen an den eigenen Ansprüchen der Landesregierung auf gesellschaftliche Entwicklungen, auf PISA reagieren zu wollen und auch eine breite öffentliche Debatte ernsthaft haben zu wollen, kann der Landesregierung aus unserer Sicht nur gesagt werden: Schwach angefangen und stark nachgelassen!
Denn, meine Damen und Herren, eine wichtige Erkenntnis aus PISA heißt: Handlungs- und anwendungsorientierte Kompetenzen sind bei Thüringer Schülerinnen und Schülern in viel größerer Breite in den oberen Kompetenzstufen zu entwickeln, dies insbesondere in der Basiskompetenz Lesen, wenn man sich nicht auf den nationalen Plätzen "sonnt", sondern wenn man sich am internationalen Spitzenmaßstab orientiert.
Da aber sind die vorgesehenen Änderungen in unseren Augen nur Feigenblätter oder wie es in einem Brief an meine Fraktion aus einer Regelschule heißt - ich zitiere wieder mit Ihrer Genehmigung: "Zahlreiche der angestrebten Änderungen sind aus unserer Sicht nur Stückwerk."
Meine Damen und Herren, kleine Schritte in die richtige Richtung dürfen nicht grundlegende Reformen ersetzen. Weit reichendere zukunftsweisende Debatten und Veränderungen aus unserer Sicht betreffen die Qualität und die Struktur von Bildung und Erziehung, betreffen die Vernetzung mit tangierenden Bereichen. Ich verweise hier ausdrücklich auf den Bereich der Familie. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Familien auch Hilfen anbieten können, an der Bildung und Erziehung ihrer Kinder besser beteiligt zu sein, als das manchen Familien in manchen Situationen gelingt. Wir brauchen Debatten zu den Aufgaben von Schule, eingeschlossen die Schuljugendarbeit oder die Ganztagsangebote. Ich bin Ihnen für die Klarstellung, Herr Minister, die Sie heute zu den Ganztagsangeboten vorgenommen haben, dankbar, das ist aus dem Gesetzentwurf nur sehr schwer herauszulesen. Wir brauchen auch Debatten zum Berufsbild der Pädagogen und zur Aus- und Weiterbildung der Lehrer. Wir brauchen auch Debatten zur Personal- und Finanzpolitik im Bildungsbereich.
Zu Letzerem noch zwei Bemerkungen: Die meisten Veränderungen, die die Landesregierung jetzt vorschlägt, tangieren die Pädagogen, übertragen ihnen weitere zusätzliche Aufgaben. Statt die Lehrenden zu stärken, um die Lernenden zu stärken, sie zu fördern und zu fordern, hält die Lan
desregierung aber bislang am Personalabbau fest, stellt Floating nicht auf den Prüfstand, verweigert immer noch und immer wieder die Klassenleiterstunde, die längst überfällig ist. Ich habe es vorhin schon einmal gesagt: Mir ist es egal, wie man dieses Konstrukt bezeichnet, ob man vielleicht einen Pool im Schulamtsbereich bildet oder in der Schule, der dann auch dazu dient, den Pädagogen Zeit einzuräumen für die Kommunikation mit ihren Schülern, nur passieren muss an dieser Stelle etwas. Ein breiteres bedarfsorientiertes, verlässliches, kontinuierliches Unterstützungssystem für Schüler und Lehrer, z.B. durch Sozialarbeiter und Psychologen, ist auch nicht erkennbar. Das alles kostet Geld - natürlich. Beim Geld hört aber bekanntlich die Freundschaft auf. Mehr Geld für Schule, für Bildung und Erziehung gibt es nicht, scheint die Ausgangsthese dieses Gesetzentwurfs zu sein, und wenn es die Zukunft unserer Kinder kostet.
In diesem Sinn folgt meine zweite Bemerkung. Der Erlass des Artikelgesetzes soll, das ist im Abschnitt D - Kosten - nachzulesen, weitgehend kostenneutral sein. Das heißt, die Landesregierung schlägt nur solche Veränderungen vor, die keine oder nur unumgängliche Kosten verursachen und manchmal soll offenbar das Sankt-Florians-Prinzip wirken, wenn es z.B. um die Stärkung der Zusammenarbeit mit den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe geht, die vollmundig versprochen wird, die aber, so wie jetzt geplant, zum Scheitern verurteilt sein wird. Das ist eine gefährliche, kurzsichtige Politik, die hier betrieben wird. So geht es nicht.
Was wir heute nicht in Bildung und Erziehung investieren, fällt uns langfristig auf die Füße. Deshalb brauchen wir auch eine langfristige Betrachtung und ausreichende Investitionen in diesem Bereich. Meine Fraktion weist nachdrücklich darauf hin, dass diese Art von Prävention endlich in die Vorschläge zu den gesetzlichen Regelungen aufgenommen werden muss. Wir haben Verantwortung. Wir haben die Verantwortung zu handeln und nicht nur aufzuschreien, wenn das sprichwörtliche Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist kein Meilenstein, wie die Landesregierung und die CDU-Fraktion glauben machen wollen. Er ist auch nicht aus einem Guss, Herr Ministerpräsident, wie Sie der Auffassung sind.
Meilensteine werden nur dann möglich sein, wenn sich die CDU von ihrer Strukturstarre und ihren konservativen Auffassungen löst, wissenschaftliche Erkenntnisse, Kritik an der Schule und den Bürgerwillen ernsthaft diskutiert und zu entsprechenden Veränderungen bereit ist.
Meine Damen und Herren, wir haben viele Fragen zum Artikelgesetz und sehen großen Diskussionsbedarf zu den Regelungen selbst aber auch zu ihrer Ausgestaltung - Stichwort Schulordnung. Zu den schon aufgeworfenen Problemen möchte ich exemplarisch hinzufügen: Wie gedenkt man den Ausgleich von Bildungsbenachteiligungen zu erreichen und wo erfolgt die konkrete Ausgestaltung dazu? Ich beziehe mich hier besonders auf § 2 Thüringer Schulgesetz im Entwurf. Ein zweites Problem: Wie sollen schulische Integrationshilfen für Flüchtlingskinder gewährleistet werden? Ein Drittes: Mit welchen Kostenerhöhungen haben Eltern schulpflichtiger Kinder zukünftig zu rechnen? Und: Welche verlässlichen, bedarfsorientierten und kontinuitätssichernden Strukturen wird es bezüglich von Schulsozialarbeit und Ganztagsangeboten oder Schuljugendarbeit nach diesem Gesetz tatsächlich geben? Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Bildung und Medien. Wir gehen auch von einer öffentlichen Anhörung zum Artikelgesetz aus, in deren Folge die Anhörungsergebnisse eingearbeitet werden. Ebenso halten wir es für erforderlich - ich wiederhole das noch einmal, weil es mir sehr wichtig ist -, dass die Gesetzesdebatte mit der Debatte zur Schulordnung verknüpft wird. Der heutige Tag kann nur als Einstieg in eine demokratische Debatte zur Bildungspolitik in Thüringen gewertet werden. Das größere Stück Arbeit, meine Damen und Herren, liegt vor uns und wir hoffen, dass dabei die CDU nicht der größte Bremsklotz bleibt. Vielen Dank.
Herr Emde, stimmen Sie mir zu, dass die Mehrheit der Gesamtschulen, von denen Sie ja gerade reden, auch in Klasse 5 beginnen und damit dieser Bruch in Klasse 4, der ja Anlass ist für die Besorgnis der Eltern und Lehrer - und damit ist die Forderung nach längerem gemeinsamen Lernen verbunden, ohne dass das im Augenblick weiter ausgestaltet wird -, genau in diesen Gesamtschulen auch da ist?
Ich rede nicht von Gesamtschulen, Entschuldigung, Sie haben von Gesamtschulen geredet.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Herr Emde, es wird Sie ja nicht wundern, wenn ich Ihnen jetzt widerspreche. Ich meine, dass die abgewiesene Regelung durch Sie weder mit der Sommerpause etwas zu tun hat, noch damit, dass die SPD keinen eigenen Entwurf vorgelegt hat. Den hätten Sie auch abgelehnt. Da gebe ich Ihnen Brief und Siegel drauf. Die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion und die gleichzeitige Umsetzung dessen, was in der Thüringer Schulgesetznovelle jetzt drinsteht, ist nach meinem Dafürhalten wieder einmal ein Zeugnis Ihrer Machtbesessenheit und nichts anderes.
Nein. Sie können es einfach nicht ertragen, dass andere als Ihre Vorschläge in die Thüringer Schulentwicklung Eingang finden könnten.
Dass eine entsprechende Regelung zur Information der Eltern von volljährigen Schülern längst notwendig ist und war, hat uns in seiner Spitze, darauf haben Sie ja auch hingewiesen, mit schmerzlicher Härte der 26.04.2002 vor Augen geführt. Leider konnte sich die Mitte dieses Hauses und damit auch die Landesregierung erst mit dem danach entstehenden öffentlichen Druck dazu durchringen, den Bürgerwillen in einem Gesetz oder in einer Regelung umzusetzen. Ich will zu dieser Regelung deutlich sagen, ich finde sie in ihrem Grundsatz gut.
Das Grundrecht von Schülern wird nicht ausgeblendet und gleichzeitig wird dem verständlichen Willen der Eltern Rechnung getragen, dass sie über Probleme informiert werden. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass ich meine, über die Ausgestaltung noch reden zu müssen. Ich muss noch einmal auf den Gesetzestext zu sprechen kommen. Herr Emde hat ihn schon in seinem Informationsgehalt angedeutet. Es heißt in dem Entwurf: "Die Informationspflicht der Schule...", ich lasse hier etwas aus, was sich auf Paragraphen bezieht, "... besteht auch gegenüber Eltern volljähriger Schüler bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs, sofern der volljährige Schüler..." - und jetzt kommt der Punkt, auf den ich zu sprechen kommen will - "... dem nicht generell oder im Einzelfall widersprochen hat." Da liegt für mich ein Punkt, über den wir noch einmal reden
müssen. Wenn generell widersprochen wird, haben die Eltern eine Information, dass ihr Kind es will, dass sie über Probleme informiert werden. Aber dann haben sie im Einzelfall keine Information, dass da irgendwo etwas im Argen liegen könnte. Wenn wir aber auf den Einzelfall abstellen und sagen, es muss im Einzelfall informiert werden, dann entsteht damit natürlich ein Verwaltungsaufwand, über den man einfach noch einmal reden müsste. Ich bitte, dass wir uns dazu noch einmal im Ausschuss verständigen.
Ich denke, dass die heute im Thüringer Schulgesetzentwurf verankerte Regelung klarstellenden Charakter hat. Man muss sagen, dass gute und gestaltende Schulleitungen Ähnliches im Interesse der Entwicklung der ihnen anvertrauten Schüler längst praktizieren. Aber mit einer gesetzlichen Regelung der Informationspflicht wird sie vielleicht auch öffentlichkeitswirksamer und das wäre ein positiver Effekt nebenbei. Eine gesetzliche Regelung spricht aber auch bei aller Notwendigkeit einmal mehr für ein Verständnis im Thüringer Schulwesen. Eine rechtliche Verpflichtung muss her, damit längst frustrierte Lehrerinnen und Lehrer das tun, was eigentlich zu ihren Aufgaben gehört. Die Ursachen dafür liegen in Ihrer Politik, verehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Sie entziehen damit Selbständigkeit und Eigeninitiative als Grundlage einer guten pädagogischen Arbeit den Boden und schaffen stattdessen Frust und Lethargie.
Abschließend noch eine Bemerkung, die sich auf Ihren Umgang mit der Opposition bezieht. Die Qualität von Demokratie in einer Gesellschaft zeigt sich auch im Umgang der Mehrheit mit Minderheiten. Dies ist in zweifachem Sinn zu verstehen, nämlich sich Minderheiten zu leisten, das heißt, sie auszuhalten, aber auch zu begreifen, dass Minderheitsmeinungen die Demokratie bereichern, weil sie zusätzliche Denkangebote liefern. Aus diesen Gründen werden wir dem Antrag der SPD zustimmen, auch wenn er von Ihnen abgelehnt wird oder schon abgelehnt wurde. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer zugehört hat, hat es vernommen, der Bildungsausschuss hat mit Mehrheit empfohlen, die an ihn überwiesenen Anträge von SPD und PDS abzulehnen. Ich will nicht noch einmal über
den Sinn dieser Anträge reden, das ist bei Herrn Döring deutlich geworden und Herr Emde hat das ja auch in seiner Berichterstattung noch einmal genannt. Ich will noch einmal etwas dazu sagen, was uns bewogen hat, diesen Antrag zu stellen. Nicht Hektik, nicht Oberflächlichkeit, auch nicht möglicherweise Wahlkampf oder Ähnliches waren unsere Motive für den Zeitpunkt der Anträge. Unser Motiv war die Sorge um die nötige Rechtssicherheit für Schülerinnen und Schüler, für Eltern und für Pädagogen, und zwar nicht nur in den Gymnasien - Herr Wehner, wie man das Ihren Worten jetzt entnehmen kann -, sondern auch an den Regelschulen. Uns hat auch die Sorge umgetrieben um den Gesamtablauf des Schuljahres 2002 ohne zusätzliche Belastungen für Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler und ohne Unruhe. Genau Letzteres haben wir nämlich im Augenblick. Wenn Sie gegenwärtig einmal die Gelegenheit nutzen, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen, dann ist diese Unruhe spürbar und das wollten wir vermeiden. Wir hätten nämlich heute lieber über konkrete Vorschläge gesprochen, die ja nun mittlerweile vorliegen, als uns um das Procedere zu kümmern, was wir aufgrund des Verhaltens der Fraktion der CDU in der letzten Landtagssitzung ganz einfach tun müssen.
Es hätte im Nachgang der Regierungserklärung "Der 26. April und die Konsequenzen" einen gemeinsamen fraktionsübergreifenden Antrag geben können zu diesem Thema. Herr Döring hat es angesprochen, ich will es noch einmal vertiefen. Dafür gab es eindeutige Erklärungen von Seiten meiner Fraktion. Man muss es ganz deutlich sagen, das hat die CDU-Fraktion nicht gewollt.
Wenn die CDU gemeinsame Anträge, ich beziehe das gleich auch auf die Enquete mit, gewollt hätte, dann hätte sie das Bemühen meiner Fraktion im Ältestenrat um gemeinsame Anträge unterstützt. Aber das eben, Herr Althaus, nein, war nicht der Fall.
Herr Althaus, wir haben uns zu diesem Thema schon einmal unterhalten.
Erinnern Sie sich an unser Gespräch draußen im Foyer? Es ist nicht gut, wenn Sie sich immer auf Gedächtnisverlust oder Nichtwissen zurückziehen.
Das ist eine Zelebrierung, die Sie versuchen - nein, nein, Herr Althaus, das geht nicht auf, was Sie versuchen.
Beide Anträge wurden aber dann - daran will ich erinnern, das habe ich vorhin mit der Prozedur gemeint - von der CDU an den Ausschuss für Bildung und Medien überwiesen. Das Ergebnis der Überweisung ist eben öffentlich bekannt geworden. Die Abstimmung im Plenum, da braucht man kein Prophet zu sein, wird nicht anders verlaufen.
Meine Damen und Herren, mit Datum vom 26.07. gibt es aus dem Kultusministerium nun ein Papier mit Grundsätzen und Eckpunkten zur Fortentwicklung der Schulabschlüsse an Regelschulen und Gymnasien im Freistaat Thüringen. Die Anträge der Opposition zu den Schulabschlüssen, das ist festzustellen, hatten dieselbe Intention, wie sie im Papier des Kultusministers erkennbar sind. Warum also die Ablehnung unserer Anträge? Eine Schlussfolgerung könnte sein, die Oppositionsanträge werden abgelehnt - Herr Döring hat ja Ähnliches gesagt -, weil die CDU alles daran setzt, in der Vorhand zu bleiben oder mit der absoluten Mehrheit immer in die Vorhand kommt. Das aber führt mich mindestens zu zwei Fragen.
Die Erste: Warum verweigert sich die CDU über die vielen Jahre hinweg einer Lösung der Abschlussproblematik, ehe eine Regelung überhaupt in Betracht kommt? Die Unruhe ich habe es vorhin schon einmal angesprochen -, die es gegenwärtig an den Schulen gibt und die für das pädagogische und soziale Klima an den Schulen nicht gut ist, ist ein Ergebnis dieser Verweigerungspolitik und die haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, zu verantworten.
Eine zweite Frage: Gilt die beschriebene Strategie der Ablehnung wieder für alles, was aus der Opposition kommt und brauchen wir bei einer solchen Art der Parlamentsaushebelung dann das Parlament überhaupt noch?
Das, meine Damen und Herren von der CDU, hätte oder hat...
Ich wiederhole es gern für Sie. Das, meine Damen und Herren von der CDU, hätte oder hat mit Demokratie nichts zu tun,
wäre oder ist reine Macht- und Herrschaftspolitik,
ist nicht Durchsetzung von Bürger-, sondern von Ideologieinteressen. Genau das sollten Sie aber aus der Bildung heraushalten.
Ja.
Herr Wehner, Sie haben eine Auffassung von Demokratie in Ihrer Anfrage erkennen lassen, die ich nicht teile.
Meine Damen und Herren, wir werden uns verbesserten Chancen für Thüringer Schülerinnen und Schülern nicht in den Weg stellen. Verweigerungspolitik aus parteipolitischem Kalkül heraus wird es mit uns nicht geben. Die vom Kultusministerium vorgelegten Eckpunkteregelungen sind für uns in wesentlichen Teilen akzeptabel. Ich sage das nicht erst heute öffentlich, ich habe das bereits im Ausschuss so gesagt, ich habe das auch in einer Veranstaltung so geäußert, an der die anderen bildungspolitischen Sprecher teilgenommen haben. Die Vorschläge sind für uns akzeptabel, weil sie unseren langjährigen Forderungen entsprechen. Sie entsprechen Prinzipien, an denen wir Abschlussregelungen spiegeln. Aber, und das ist deutlich zu sagen, auch wir sind der Auffassung, dass Details, Ausgestaltungsfragen der Eckpunkte, Rahmenbedingungen noch der eingehenden Prüfung und Diskussion bedürfen. Das betrifft z.B., da bin ich der gleichen Auffassung wie Herr Döring, die Wertigkeit der Jahresleistungen, das Verhältnis vom Mündlichen und Schriftlichen in den Prüfungen und in den besonderen Leistungsfeststellungen, aber das betrifft auch die Lehrerbelastung. Auch sie ist sachlich und ernsthaft zu diskutieren, auch wenn sie sich, so sieht es im Augenblick aus, vielleicht nur auf die Über
gangsregelung beschränkt, aber ich bin schon daran interessiert, die entsprechend ausgestalteten Regelungen zu sehen und das dann auch noch einmal zu prüfen.
Ich sage es noch einmal an die Adresse der CDU gerichtet, auch wenn Sie das verärgert, das ist auch meine Absicht: Possenhafte Inszenierungen, wie wir sie im Zusammenhang mit den Abschlüssen und auch mit der Enquetekommission erleben mussten, dienen weder der Klärung von Problemen noch der Stärkung und Weiterentwicklung der Demokratie in diesem Land. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Diese oder ähnliche Gedanken mögen Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, durch den Kopf gegangen sein, als es um die Zustimmung zu den PDS-Anträgen, dann auch zum SPD-Antrag zur Errichtung einer Enquetekommission ging, die für den Landtag Empfehlungen zur künftigen Bildungspolitik im Freistaat Thüringen erarbeiten sollte. In den Debatten dazu und in deren Umfeld wurden Verrenkungen bis zum Gehtnichtmehr gemacht, um nicht zuzulassen, dass eine vernünftige oppositionelle Idee zum Tragen kommt. Nun haben Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, auch zu einer Enquetekommission durchgerungen. Manche Wege der Erkenntnis sind eben etwas länger. Ein gemeinsamer Antrag - ich habe das vorhin schon einmal angedeutet, ich will es aber noch einmal sagen, weil es uns einfach wichtig ist - im Geiste der Regierungserklärung zu dem Geschehen am Gutenberg-Gymnasium hätte dem Thüringer Landtag gut zu Gesicht gestanden. Die Initiativen der Opposition, dies hinzubekommen, wurden abgewiesen. Die von Ihnen in Ihrem Brief benannten Gründe, Herr Althaus, ich spreche Sie jetzt auch noch einmal direkt an, sind dafür mehr als fadenscheinig. Sie wissen um die Bemühungen im Ältestenrat; ich sage das jetzt auch noch einmal.
Sie wissen um die Bemühungen meiner Fraktion im Ältestenrat am 4. Juni, Gemeinsames entstehen zu lassen. Schon da gab es keine Unterstützung von Ihnen, weil Sie diesen gemeinsamen Antrag nicht wollten.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Enquetekommission, deshalb werden wir dem CDU-Antrag auch zustimmen. Unsere Befürchtungen zu dem Antrag der CDU wollen wir allerdings deutlich artikulieren. Sie betreffen - da gibt es ähnliche Bedenken, wie wir das eben aus der SPD gehört haben - die Breite des Auftrags und die Schwammigkeit, mit der er teilweise formuliert ist.
Ich will nicht noch einmal die Punkte aufgreifen, die Herr Döring benannt hat. Man könnte auch in der Begründung fortsetzen und könnte dort solche Dinge aufgreifen. Ich will aber die Frage stellen: Kann eine Enquetekommission in der vorgeschlagenen Größe es tatsächlich tiefgründig leisten, im Prinzip alle wesentlichen Bereiche der Gesellschaft zu analysieren, wie es im Auftrag steckt und entsprechende Entscheidungsgrundlagen vorzubereiten? Da haben wir unsere Sorgen und Zweifel und werden deshalb die Arbeit der Kommission in diesem Punkt auch besonders kritisch begleiten. Es kann nicht sein, dass die Breite der Aufgabenstellung zulasten von Gründlichkeit und des Zeitrahmens geht und damit unter Umständen ein weiteres Mal Verschleppungspolitik statt Handlungspolitik betrieben wird. Ansonsten wollen wir unseren Beitrag leisten und dazu beitragen, dass die Enquetekommission zu guten Ergebnissen kommt, die uns Wegweiser sind für die künftige Gestaltung der Bildungspolitik in Thüringen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Herr Althaus, darf ich Sie fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass es neben der Studie PISA-E, also den Regionalergebnissen, auch noch eine internationale Studie gibt und dass man die nicht einfach von den Ergebnissen von E loslösen kann? Die gibt sehr wohl Anlass, wenn ich die Abstände zu den vorderen Ländern nehme, zum Nachdenken.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ohne Beruf und ohne eigenes Einkommen für betroffene Menschen ist die Lebensqualität in unserer Gesellschaft sehr niedrig. Ohne Beruf und ohne eigenes Einkommen ist eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben überdurchschnittlich eingeschränkt. Eine wichtige Voraussetzung, wenn auch nicht Garantie für eine berufliche Entwicklung und gute Lebensperspektiven ist ein Schulabschluss. Unter den Sozialhilfeempfängern hatten in den Jahren 1999 und 2000 in Thüringen, das ist in den statistischen Berichten
Sozialhilfe nachzulesen, von den 18- bis 21-Jährigen 11 Prozent keinen Schulabschluss. Nicht nur diese Prozentzahl ist erschreckend, auch die Absolutzahlen sind es. Absolut sind das um die 3.000 18- bis 21-Jährige pro Jahrgang. Das sind Menschenschicksale, das sind Menschen, die sehr wohl im Berufsleben stehen könnten. Warum das nicht so ist, dafür gibt es sicherlich viele Gründe. Aber die Zahlen sollten auch Anlass dafür sein, über das System, über Inhalt und Struktur von Schule, von Bildung in Thüringen nachzudenken. Etwa jeder siebente Schüler eines Jahrgangs, Schülerinnen einbegriffen, verlässt seit Jahren die Thüringer Schule ohne Hauptschulabschluss. Bekanntlich ist das der niedrigste Abschluss, der in der allgemein bildenden Thüringer Schule erworben werden kann.
Nachdem dieses Problem etwa zu Beginn der laufenden Legislatur von mir aufgedeckt wurde, bemühte man sich seither um die unterschiedlichsten Interpretationen dieses Ergebnisses. Selbst Qualität des Thüringer Schulsystems wollte der Thüringer Kultusminister damit nachweisen. Aber damit steht das Thüringer Schulsystem eben nicht für Qualität, sondern es steht für Einschränkung von Lebensperspektiven.
Dass unter diesen ca. 13 Prozent Schülerinnen und Schüler sind, denen durch rechtswidrige Auslegung eines Paragraphen in der Thüringer Schulordnung Chancen genommen wurden, ist und bleibt skandalös.
Der entstandene Schaden ist kaum gutzumachen. Der tiefere Hintergrund der vielen Schülerinnen und Schüler ohne Abschlüsse ist aber systembedingt und heißt auslesen statt fördern. Ich habe gestern schon einmal darauf hingewiesen. Wer keine Leistung bringt, hat eben Pech gehabt, so könnte die Lesart auch heißen. Die meisten Schülerinnen und Schüler wollen Leistungen erbringen. Dies hat die Demonstration der jungen Leute "Schrei nach Veränderungen" in Erfurt eindrucksvoll gezeigt. Aber sie brauchen dafür auch Bedingungen, die ihnen Leistungen und den Erwerb eines Abschlusses gestatten. Dass sie dafür Anstrengungen erbringen müssen, versteht sich von selbst. Die meisten wissen und wollen das auch. Was der Einzelne, was die Gesellschaft braucht, ist fördern statt auslesen,
ist Leistung auf der Basis der individuellen Fähigkeiten und Begabungen durch Förderung zu ermöglichen, um jedem Schüler, jeder Schülerin die Chance auf den Erwerb eines Abschlusses zu geben.
In diesem Zusammenhang ist auch über andere strukturelle und inhaltliche Veränderungen nachzudenken. Ich will an dieser Stelle nur die viel zu frühe Entscheidung, wie die meisten Eltern, Schülerinnen und Schüler und viele Wissenschaftler meinen, zur Schullaufbahn in Klasse 4 ansprechen.
Hier zu verändern könnte neben einer zu verstärkenden individuellen Förderung eine weitere Schlüsselstelle sein, um eben jedem Schüler, jeder Schülerin einen Abschluss zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, bislang ist es in der Thüringer Schule nur möglich, den in dem Bildungsgang eigenen Schulabschluss zu erwerben. Jugendliche können im gymnasialen Bildungsgang das Abitur erwerben, im Realschulbildungsgang kann nur der Realschulabschluss erworben werden. Das endgültige Nichtbestehen dieser Abschlussprüfungen hat zur Folge, dass die Schülerinnen und Schüler ohne jeglichen Abschluss die Schule verlassen müssen. Mit dieser Regelung nimmt Thüringen ganz klar eine Außenseiterposition in den Bundesländern ein und benachteiligt Schülerinnen und Schüler eklatant.
Forderungen nach Veränderungen sind nicht neu. Wir wollen seit Jahren den Erwerb von Abschlüssen in den Realschulbildungsgängen und den gymnasialen Bildungsgängen durch zusätzliche Möglichkeit erweitern und somit gestufte Abschlüsse ermöglichen. Bislang wurde dies allerdings immer abgeblockt. Nun wurde die Möglichkeit für weitere Schulabschlüsse, meine Kollegin Frau Sojka hat darauf hingewiesen, auch im Beschluss des Landtags zur Regierungserklärung "Der 26. April und die Konsequenzen" unterstrichen. Ebenso spiegelt sie sich in zahlreichen und eindeutigen Stellungnahmen einer breiten Öffentlichkeit bis hin in den Wissenschaftsbereich wider.
Meine Damen und Herren, Möglichkeiten der externen Prüfung, wie wir sie haben, lösen das Problem nicht.
Wer schon einmal genauer hingesehen hat, unter welchen Bedingungen der externe Realschulabschluss erworben wird, weiß von den Problemen und Belastungen der Schülerinnen und Schüler. Daneben gibt es auch noch die schlechten Beratungen der Schülerinnen und Schüler, warum man das eigentlich wolle. Wer diese Probleme negiert oder verschweigt, hat nicht hingesehen oder wollte dies bewusst nicht, weil er Auslesen und als pädagogisches, nein, ich muss sagen als politisches Prinzip das Auslesen bevorzugt.
Meine Damen und Herren, eine vernünftige, praktikable, die Chancengleichheit und Leistungsmotivation Thüringer Schülerinnen und Schüler befördernde Lösung in Sachen Abschlüsse muss her. Dem haben alle Fraktionen schon einmal zugestimmt. Ich erinnere noch einmal an den gemeinsam getragenen Beschluss zur Regierungserklärung "Der 26. April und die Konsequenzen". Sinn des heute vorliegenden Antrags meiner Fraktion ist es, dass die Landesregierung dem Landtag Entwürfe für rechtliche Regelungen unterbreitet, die es erlauben, in den Realschulbildungsgängen und den gymnasialen Bildungsgängen zusätzliche Abschlüsse zu den bisher möglichen zu erwerben. Im gymnasialen Bildungsgang einen mittleren und einen dem Hauptschulabschluss vergleichbaren Abschluss und im Realschulbildungsgang einen dem Hauptschulabschluss vergleichbaren Abschluss. Die entsprechenden Bildungsgänge an den Förderschulen müssen inbegriffen sein. Das lese ich so im Antrag der SPD nicht. Die rechtlichen Klärungen müssen nach unserer Auffassung umgehend getroffen werden.
Das ist notwendig, damit für das Schuljahr 2002/03 entsprechende Regelungen Geltung erlangen können und Verlässlichkeit für Schülerinnen und Schüler vorhanden ist.
Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, fordern neuerdings Regelungen. Ich bedaure es ja unendlich, dass Herr Althaus, nachdem er schon an der gestrigen Aktuellen Stunde nicht teilgenommen hat, auch heute offensichtlich wieder anderen Verpflichtungen nachgeht,
statt als ehemaliger Kultusminister, der für viele Regelungen mit verantwortlich ist, und jetziger Fraktionsvorsitzender der CDU hier anwesend zu sein.
Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, fordern neuerdings Regelungen. Ob diese auch der realen Problemlage entsprechen und wirkliche Lösungen für Chancengleichheit bringen, bleibt abzuwarten. Zu möglichen Ursachen Ihres Sinneswandels, mit einem Mal auch etwas zu wollen, will ich mich an dieser Stelle nicht äußern, weil ich auf keinen Fall zynisch wirken will. Allerdings, so haben Sie es angekündigt, wollen Sie Regelungen nicht umgehend, wie es der Erwartungslage vieler Bürgerinnen und Bürger, vor allem Schülern und Eltern, entspricht, sondern Sie verschieben wieder einmal. Sie verschieben die Klärung auf den Herbst und die für diesen Zeitpunkt von der Landesregierung angekündigte Gesetzesnovelle. Die Novellierung des Thüringer Schulgesetzes war eigentlich bereits für das Frühjahr vorgesehen. Vor allem mit dem Blick auf PISA und die Regionalergebnisse
wurde sie verschoben. Die Novellierung soll auch unter Berücksichtigung der Länderergebnisse erfolgen, so ließ es der Kultusminister im Mai noch einmal mitteilen. Diese Ergebnisse kommen am 27. Juni, also in zwei Wochen. Es wird Zeit brauchen, sie gründlich auszuwerten und das muss man auch tun, wenn man gute Reformen angehen will. Darüber hinaus ließ der Kultusminister im Mai verlauten, dass alle Vorschläge zur Novellierung des Thüringer Schulgesetzes in die Auswertung der Anhörung einbezogen werden. Er stellte damit auf die vielfältigen Vorschläge zur Bildungspolitik ab, die eingegangen sind. Das finde ich einen vernünftigen Weg. Ich sage aber, die Zuschriften halten weiter an.
Meine Damen und Herren, wie aber will man mit diesen umfangreichen und schwierigen Arbeiten bis zum Herbst in Solidität fertig werden, wie will man sie bewältigt haben? Ist das bis zum Herbst, der Oktober wurde benannt, überhaupt machbar? Ich glaube nein, Herr Seela, auch wenn Sie nicken. Meine Sorge gilt dem Aufschieben oder deutlicher gesagt, dem Verschleppen der Regelung. Diese Sorge wird nicht kleiner, sie wird größer, wenn ich Folgendes, völlig Unverbindliches in einem Brief aus dem Kultusministerium lese, das, so glaube ich, berechtigte Zweifel weiter nährt. Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung zitiere ich aus diesem Brief, der datiert ist vom 6. Juni 2002, also eine große Aktualität hat. Es geht um die Frage Schulabschluss mittlere Reife, die Antwort heißt: "Diese Frage wird im Rahmen der Novellierung des Thüringer Schulgesetzes breit diskutiert. Eine definitive Lösung kann es daher im Moment noch nicht geben, sondern erst nach Abschluss des Verfahrens. Dann ist es im Übrigen der Thüringer Landtag als gesetzgebendes Organ, dem die Entscheidung in dieser Frage obliegt." Da drängt sich doch mindestens die Frage nach dem Abschluss des Verfahrens auf, wann soll denn das sein? Dann möchte ich schon noch darauf hinweisen, Herr Althaus, an dieser Stelle haben Sie womöglich den schwarzen Peter in der Hand, den Sie so gern an andere verteilen.
Ein weiteres Aufschieben der Abschlussproblematik können wir uns nicht leisten, wenn wir den Schülerinnen und Schülern schon für das Schuljahr 2002/03 Rechtssicherheit bieten und den Gesamtablauf des Schuljahres garantieren wollen. Sie kennen außerdem alle die Zeiträume, die für Gesetzesänderungen im Parlament gebraucht werden. Ein weiteres Hinauszögern ist nicht zu verantworten, wenn man Lösungen will.
Deshalb kann ich Sie nur auffordern, unseren Anträgen zuzustimmen. Die Schülerinnen und Schüler, ihre Eltern erwarten eine Lösung für das nächste Schuljahr und sie haben auch Ansprüche darauf.
Deshalb muss die Lösung jetzt angegangen werden, wenn Regelungen wirksam werden sollen. Politik ist nicht zum Selbstzweck für Parteien zu gestalten, sondern hat sich um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. Alles andere ist Arroganz der Macht.
Andere Fragen, wie die Entscheidung zur Schullaufbahn, sind zu einem späteren Zeitpunkt, sind im Zuge weiterer Reformen gründlich zu diskutieren. Die Abschlussregelungen erlauben jedoch keine Zeitverzögerung mehr, wenn sie im Parlament gründlich diskutiert und im Schuljahr 2002/03 Geltung erlangen können sollen.
Meine Damen und Herren von der CDU, Schülerinnen und Schüler haben in Erfurt zu Tausenden unter dem Motto "Schrei nach Veränderung" demonstriert. Hören Sie auf die jungen Leute, verweigern Sie sich nicht noch länger. Danke.
Mit unserem Antrag in der Drucksache 3/2487 wollten wir die Landesregierung auffordern, dem Landtag rechtliche Regelungen vorzulegen.
Herr Minister Krapp hat in seiner Rede erkennen lassen...
Herr Minister Krapp...
Herr Minister Krapp hat in seiner Rede erkennen lassen, dass im Ministerium solche Regelungen erarbeitet werden, und Herr Ministerpräsident hat das noch einmal untersetzt. Warum werden diese dem Sinn unseres Antrags entsprechend dem Landtag
nicht vorgelegt? Das würde für mich Sinn machen, aber nicht die Überweisung an den Ausschuss, deshalb habe ich abgelehnt. Was hier versucht wird, ist Verschleppung, das kann ich nicht mittragen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der gemeinsame Beschluss des Landtags zur Erklärung des Ministerpräsidenten hätte, wie ich sehr gehofft habe, ein Anfang zu einem Zusammenarbeiten der Fraktionen, um Schwerpunkte und Probleme des Landes anders, stärker, gemeinsam anzugehen, sein können. Ich bin nicht erst heute eines Besseren belehrt worden. Es hätte auch, lassen Sie mich das hier einflechten, einen gemeinsamen Antrag zu den heute früh von uns diskutierten Abschlüssen geben können. Das ist von vornherein von der CDU nicht mitgetragen worden. Insofern, Herr Emde, ist das, was Sie heute früh bemerkt haben, mehr als unredlich gewesen.
Zurück zum Zusammenarbeiten der Fraktionen im Geist des gemeinsamen Beschlusses. Wir haben uns als Fraktion dazu geäußert. Es geht nicht um politischen Einheitsbrei. Unterschiede in politischen Herangehensweisen sollen und müssen benannt werden. Doch wo gemeinsames Handeln im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern notwendig ist, sind wir aufgefordert, parteipolitische Eitelkeiten hintenanzustellen.
Meine Damen und Herren, eine Enquetekommission, die sich mit dem Thüringer Bildungs- und Erziehungssystem befassen und dem Landtag Empfehlungen für dessen zukunftsweisende Verbesserung geben könnte, scheint nun von allen drei Fraktionen gewollt zu sein. Es könnte längst eine geben, denn der Antrag dazu wurde u.a. in Anbetracht der Zeit, die eine solche Kommission bis zu ihrer Konstituierung und der Langfristigkeit, die sie für fundiertes Arbeiten braucht, von uns bereits am 25. Januar dieses Jahres eingebracht. Zum Ergebnis der damaligen Debatte und zu der gegenwärtigen Diskussion bemerkte die "Thüringer Allgemeine" vom 06.06.2002 sehr richtig ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: "Man hätte auch längst eine", ich schiebe ein, gemeint ist die Enquetekommission, "haben können, aber das Richtige wurde von der PDS initiiert und war deshalb nicht mehrheitsfähig." Ich füge hinzu, sie wurde damals mit Scheinargumenten von der CDU- und der SPD-Fraktion abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir wollten damals keine parteipolitische Profilierung, wie Sie uns gern unterstellen, das war nicht das Anliegen unseres Antrags im Januar und das ist es auch heute nicht. Oppositionspolitik hat den Auftrag, den Finger auf die Wunden zu legen und die Regierung zu kontrollieren. Manchmal muss der Dackel eben zum Jagen getragen werden. Nach dem 26. April war uns wiederum daran gelegen, eine zielorientierte Politik
zur Veränderung allgemein anerkannter Probleme zu gestalten und dazu das parteipolitische Gezänk, das es ja bald zu jeder Frage gibt, und wir haben es heute früh auch wieder erlebt, außen vor zu lassen. Heute liegen nun zwei Anträge auf eine Enquentekommission vor, der meiner Fraktion und der der SPD-Fraktion. Von der CDU gibt es eine Erklärung, eine solche Kommission zwar auch haben zu wollen, aber, bitte schön, nicht heute, bitte schön, erst im August und, bitte schön, breiter gefasst, als die Anträge der SPD und PDS von der CDU interpretiert werden. Mein Unverständnis zu dieser seltsamen Art des parlamentarischen Vorgehens wird nicht nur von meiner Fraktion geteilt. Viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land schütteln darüber den Kopf.
Meine Damen und Herren, ich möchte es an dieser Stelle deutlich sagen, ich hätte es mir gewünscht, dass eine Kultur des Miteinander, wie wir sie kurz, leider viel zu kurz gehabt haben, im Interesse vor allem der Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen unseres Landes länger Bestand gehabt hätte. Im Geiste dieser Kultur wäre es gewesen, einen gemeinsamen Antrag für eine Enquetekommission zu formulieren. Das hätte einer neuen Kultur entsprochen. Aus meiner Fraktion gab es das deutliche Signal für einen gemeinsamen Antrag. Von uns hätte es für den Fall eines gemeinsamen fraktionsübergreifenden Antrags keinen eigenen Antrag gegeben. Nun sagt die CDU, die SPD habe ihren Antrag nicht zurückgezogen und damit das Gemeinsame blockiert. Ich kann das nicht einschätzen, aber egal wie auch immer es war, die CDU hat schon angekündigt, die beiden Oppositionsanträge abzulehnen, weil sie will, dass ihr eigener Antrag zu einer Enquetekommission führt. Da sind die Fragen nach dem Warum doch wohl erlaubt und das will ich nachfolgend tun. Dass die CDU-Fraktion nicht auf den Spuren der PDS wandeln möchte, kann es nicht sein, denn das tut sie auf jeden Fall, auch wenn ihr Antrag erst im August kommt. Aber vielleicht hilft ein Blick in die Presseerklärung des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Althaus, vom 6. Juni weiter, um sich dieser Frage zu nähern. Dort heißt es sinngemäß, die CDU wolle nach Vorlage der Regionalergebnisse der PISA-Studie einen Antrag auf die Errichtung einer Enquetekommission stellen. Was verspricht man sich davon? Die Enquetekommission müsste sich ohnehin erst konstituieren, dies wäre rein zeitlich vor der Vorlage der Regionalergebnisse gar nicht möglich, denn PISA-E soll am 27.06., also in etwa zwei Wochen, veröffentlicht werden. Vielleicht hofft man aber darauf, dass man mit den Thüringer Schulleistungsergebnissen die weiße Taube unter den schwarzen Vögeln sein könnte. Mindestens hat die Rede von Herrn Althaus bei mir vorhin diese Gedanken erweckt. Wenn das so wäre, bräuchte man vielleicht gar keine Enquetekommission, die sich mit der Bildung und Erziehung in Thürigen beschäftigen müsse. Für die Thüringer Schülerinnen und Schüler - das will ich sagen - wäre eine gewisse Bestätigung der Schulleistungen motivierend, aber das wäre in allererster Linie auch ihr Verdienst und nicht das Verdienst der Politik. Die Politik aber wäre schlecht beraten, nach denen zu gucken, die noch
schlechter sind, sondern sie sollte sich an den Besseren orientieren und entsprechende Veränderungen einleiten.
Meine Damen und Herren, zurück zur Presseerklärung von Herrn Althaus, dort heißt es weiter, ich zitiere wiederum mit Ihrer Genehmigung: "Die von der Opposition geforderten Enquetekommissionen" - ich gestatte mir an dieser Stelle eine Auslassung - "sind nach unserer Ansicht von der Thematik her zu eng gefasst." Nun kann ich gar nicht beurteilen, wer hier zu eng ist im Denken und welche Weiten der CDU-Antrag eröffnet. Ich kann nur feststellen: Von der CDU gibt es heute keinen Antrag. Wenn die CDU das aber so behauptet und ihr die Thematik zu eng gefasst erscheint oder ihr Arbeitsfelder wie "frühkindliche Erziehung" oder "Jugendhilfe" in unserem Antrag nicht deutlich genug sichtbar sind, muss ihr erstens gesagt werden, dass sie schon wieder fadenscheinige Argumente benutzt. In der Expertenanhörung zu PISA, das ist nur ein Beispiel, haben diese und andere Felder, wie zum Beispiel die Familie, immer eine Rolle gespielt. Warum also sollten sie jetzt ausgeklammert werden? Vielleicht denken Sie, meine Damen und Herren von der CDU, einfach zu sehr in Schubladen und blockieren sich selbst. Zweitens gäbe es die Möglichkeit der Änderungsanträge zu den Anträgen. Dazu sollte eigentlich die heutige Debatte dienen. Auf den Spuren der PDS sind Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ohnehin.
Meine Damen und Herren, ich kann auch noch fragen, ob Sie eventuell die Empfehlungen von Sachverständigen fürchten und deshalb vernünftige Entscheidungen blockieren, verschleppen, verhindern wollen? Solche Mutmaßungen kommen auf, wenn man zum Beispiel Veröffentlichungen von Wissenschaftlern wie Professor Lütgert von der Uni Jena liest - der Artikel spielte heute übrigens schon einmal eine Rolle -, der gerade einen sehr kritischen Blick auf die Thüringer Schule in Sachen Abschlüsse geworfen hat, oder auch einen Artikel von Gero Lehnhardt vom MaxPlanck-Institut, der sich mit Begabungstheorien auseinander setzt. Vielleicht gibt es ja einfach nur Sorge, wie man mit diesen Artikeln, den Äußerungen von Wissenschaftlern umgehen soll oder auch mit den vielen Zuschriften von Eltern und Lehrern, die gegenwärtig hier eingehen.
Als Fazit: Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Althaus - leider ist er nicht da, aber vielleicht kann man es ihm ja ausrichten -, was sollen alle Ihre Erklärungen oder die Ihrer Fraktionsmitglieder von Missverständnissen und Ähnlichem. Damit wollen Sie Ihre Taktik des Verschleppens und Blockierens verschleiern. Sie wollen sich profilieren, etwas anderes kann es nicht sein, statt dem Begehren der Bürgerinnen und Bürger nachzukommen, Veränderungen herbeizuführen. Sie können das widerlegen, indem Sie der Einrichtung einer Enquetekommission heute zustimmen.