Protocol of the Session on October 12, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Vertreter der Landesregierung, Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung. Es ist die 28. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 12. Oktober 2000.

Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen der Abgeordnete Höhn und Frau Abgeordnete Wackernagel. Frau Abgeordnete Wackernagel wird die Rednerliste führen.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Minister Gnauck, der aber doch noch kommen wird, nur etwas später, der Abgeordnete Böck, Frau Abgeordnete Dr. Fischer, Frau Abgeordnete Wolf, Frau Abgeordnete Zimmer und die Herren Staatssekretäre Ströbel und Illert.

Ich darf noch einige allgemeine Hinweise geben: Gegen 13.00 Uhr wird im Foyer des Verwaltungshochhauses eine Ausstellung von ORT Deutschland e.V. zum Thema "120 Jahre ORT - das größte Berufsausbildungswerk der Welt" eröffnet.

Dann hat für heute Abend nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr der Ausländerarbeitskreis zu einem parlamentarischen Abend in die Kantine eingeladen. In diesem Zusammenhang präsentiert der Ausländerarbeitskreis vor dem Plenarsaal, also hier im Foyer, eine Ausstellung in Kooperation mit der Ausländerbeauftragten der Stadt Weimar "Impressionen aus und über Thüringen" mit Werken fünf ausländischer Künstler, deren Lebenswege in den Freistaat geführt haben. Ich denke, auch das ist für jeden zu besichtigen.

Dann darf ich nach diesen allgemeinen Hinweisen noch einige Hinweise zur Tagesordnung geben. Die Tagesordnung wird wie folgt ergänzt:

Zu Tagesordnungspunkt 6: Die angekündigte Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses zu dem Antrag der Landesregierung "Einwilligung des Landtags in eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsjahr 2000 bei Kapitel 07 07, Titel 686 74" hat die Drucksachennummer 3/1031. Als Berichterstatter wurde Abgeordneter Emde benannt.

Zu Tagesordnungspunkt 15 - Fragestunde - kommen folgende Mündliche Anfragen für die heutige Sitzung hinzu, und zwar die Drucksachen 3/1017, 3/1018, 3/1019, 3/1024, 3/1030, 3/1032 und 3/1033. Für die morgige Plenarsitzung kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu, und zwar die Drucksachen 3/1035, 3/1036 und 3/1037.

Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 7, 8, 9 und 11 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Das sind die Hinweise, die ich geben möchte. Ich frage, ob der vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der genannten Ergänzungen widersprochen wird. Herr Buse.

Frau Präsidentin, namens unserer Fraktion möchte ich beantragen, den in der mit der Einladung übermittelten vorläufigen Tagesordnungspunkt 14 "Wahl eines Mitglieds zur Kommission nach Artikel 10 Grundgesetz" heute als letzten Tagesordnungspunkt zu behandeln.

Wir haben den Wunsch gehört. Spricht etwas dagegen? Das ist offensichtlich nicht der Fall, dann machen wir das so. Damit ist dann die Tagesordnung für den heutigen Tag festgestellt. Ich bedanke mich und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1

a) Thüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für die Haushaltsjahre 2001 und 2002 (Thüringer Haushaltsgesetz 2001/2002 - ThürHhG 2001/2002 -) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/979 ERSTE BERATUNG

b) Thüringer Haushaltsbegleitgesetz 2001/2002 (ThürHhBG 2001/2002) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/1022 ERSTE BERATUNG

c) Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft des Landes - Unterrichtung des Thüringer Landtags nach § 31 Abs. 2 der Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO) Unterrichtung durch den Finanzminister - Drucksache 3/1023

Wir führen diese Teile in gemeinsamer Beratung durch. Mir ist die Einbringung durch den Finanzminister des Freistaats angekündigt. Ich darf Sie, Herr Trautvetter, bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, neun Tage nach den Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Deutschen Einheit legt die Thüringer

Landesregierung dem Parlament ihren 11. und 12. Haushaltsentwurf vor. Es ist der Entwurf eines Doppelhaushalts für die Jahre 2001 und 2002. Es ist ein Haushalt der zwei Gesichter - ein Etatentwurf für 2001 im Zuge der Deutschen Mark, der Haushaltsentwurf für 2002 trägt die Gesichtszüge des Euro. Dass sich die Beträge dort fast halbieren, liegt nicht am Konsolidierungskurs der Landesregierung, sondern an der Einführung der neuen Währung endgültig ab 2002. Nach dem Einstieg in den Ausstieg aus der Schuldenfalle im letzten Jahr wird nun, so wie wir es angekündigt haben, der Konsolidierungskurs nachhaltig fortgesetzt. Das ist kein Schnellschuss. Wir sind gleich nach der Verabschiedung des Haushalts 2000 an die Arbeit gegangen, haben uns Strukturen angeschaut, Ausgaben mit anderen Ländern verglichen, Stein um Stein haben wir aufgehoben, umgedreht und analysiert und entstanden ist daraus ein Maßnahmepaket: das Personalentwicklungskonzept, die Reform der Behördenstruktur, veränderte Prioritätensetzung im Etatentwurf, die Überprüfung der Leistungsgesetze. Es ist kein Haushalt der "Heckenschere", sondern ein Haushalt der "neuen Priorität".

Herr Dr. Pidde, wenn Sie am 6. September gesagt haben, das, was die Landesregierung macht, hätte etwas mit Geheimniskrämerei zu tun - das hat überhaupt nichts mit Geheimniskrämerei zu tun, wenn einzelne Punkte der regierungsinternen Diskussion nicht nach außen dringen. Es gehört zum professionellen Handeln einer Regierung, sich erst abzustimmen, dann einen Kabinettsbeschluss herbeizuführen und diesen dann auch zu veröffentlichen. Es ist wohl selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie bei den regen Diskussionen in der Landesregierung nicht mehr mit von der Partie sind. Sie tragen keine Regierungsverantwortung mehr, Sie wurden im Herbst letzten Jahres abgewählt.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann mir schon vorstellen, was Sie wollen. Sie wollen sich Arbeit ersparen, Sie wollen kein eigenes Konzept vorstellen. Werden Sie endlich wach, beteiligen Sie sich an dieser Aufgabe der Gestaltung Thüringens! Stellen Sie dem Regierungskonzept doch Ihr eigenes Konzept gegenüber!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Doppelhaushalt der Landesregierung umfasst die nächsten beiden Jahre. Die einzelnen Maßnahmen wirken aber weit über diese Zeitspanne hinaus. Sie sollen auf Dauer zu geordneten Finanzverhältnissen in Thüringen führen. Sie sollen den Bürgern und Unternehmen aber auch Planungssicherheit geben. Dabei verliert die Landesregierung das Gestalten der Zukunft Thüringens nicht aus den Augen.

(Beifall bei der CDU)

"Sparen und Gestalten" ist der Leitgedanke dieses Zukunftsprogramms, dem wir uns verpflichtet fühlen. Bei diesem Haushaltsentwurf setzt die Landesregierung das um, was Sie zu Beginn der Legislaturperiode versprochen hat, nämlich in Zukunft weniger Schulden zu machen als in der Vergangenheit - mehr noch, Thüringen wird seine Nettoneuverschuldung bis 2002 halbieren und so wird wiederum ein Haushalt vorgelegt, der für den Thüringer Bürger ein Signal der Verlässlichkeit seiner CDU-Regierung ist und

(Beifall bei der CDU)

der darüber hinaus die Zukunftsfähigkeit des Freistaats und seiner Menschen sichert.

Meine Damen und Herren, dennoch sind wir in Thüringen noch weit davon entfernt, den eigentlichen Sinn des Sparens zu leben. Das kann wahrscheinlich nur Bayern, weil die dieses Jahr bereits 400 Mio. DM ihrer Gesamtverschuldung reduzieren, nämlich Schulden tilgen und im bayerischen Landeshaushalt einen Überschuss dieses Jahr haben werden. Denn der eigentliche Sinn des Sparens besteht doch darin, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Bei uns geht es immer noch darum, Geld, was wir nicht haben, nicht auszugeben. Der Bund der Steuerzahler hat es uns heute wieder recht deutlich vor Augen geführt, was die eigentliche Zielstellung ist.

Meine Damen und Herren von der Opposition, dass Sie schon bei der Vorstufe zum eigentlichen Sparen nicht mehr als Nein zu sagen in der Lage sind, zeugt von Ihrer mangelnden Zukunftsfähigkeit und dem fehlenden Willen, der Bevölkerung auch einmal unbequeme Wahrheiten zuzumuten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zehn Jahre deutsche Einheit sind zehn Jahre Thüringen und auch zehn Jahre Regierungsverantwortung der CDU im Freistaat, zunächst mit wechselnden Partnern, in dieser Legislaturperiode nun erstmals allein. Allesamt wichtige Stationen, die Anlass geben, einmal Bilanz zu ziehen. Dabei will ich gar nicht groß auf den kleinlichen Streit um die Wiedervereinigung eingehen. Die Wiedervereinigung gehört in erster Linie den Menschen der ehemaligen DDR,

(Beifall bei der CDU)

die das alte Honecker-Regime zum Teufel jagten. Doch auch das gehört zur Wahrheit: Was wäre gewesen, wenn ein einzelner Mann nicht die Chance ergriffen hätte, die sich für eine kurze Zeit eröffnete? Was wäre geschehen, wenn - statt zu handeln - erst einmal über die möglichen Kosten lamentiert worden wäre? Das geschichtliche Fenster für die Wiedervereinigung war nur kurze Zeit offen. Denken Sie doch an das Schicksal Gorbatschows, seine Festsetzung, die politischen Wirren in der ehemaligen Sowjetunion, in Russland in den frühen neunziger Jahren. Sind Sie

wirklich der Meinung, die Geschichte hätte uns Deutschen mehr Möglichkeiten geboten als jene, die schließlich genutzt wurde, genutzt von Helmut Kohl und lamentierend, ja fast ablehnend begleitet von Oscar Lafontaine;

(Beifall bei der CDU)

der eine Kanzler der Einheit, der andere Politrentner, nur weil es einmal schwieriger wurde. Da war und ist die Thüringer Bevölkerung doch aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Sie konnte und wollte nicht kneifen. Keiner wusste, was ihn wirklich erwartete. Die Mühen und Anstrengungen brachten so manche Enttäuschung mit sich. Der Traum von blühenden Landschaften wollte sich nicht so schnell einstellen, wie zunächst gedacht. Vor allem der Zusammenbruch der ehemaligen DDR-Betriebe traf die neuen Länder mit einer nicht für möglich gehaltenen Wucht.

Meine Damen und Herren, wir haben es ja in der Debatte gestern erlebt; sieben Jahre nach bestimmten Entscheidungen können heute viele Leute, nur die Aktenlage betrachtend, recht klug schwätzen.

Der brutal erscheinende Wettbewerb öffnete auch den Letzten die Augen über das überholte System, nährte aber zugleich auch Zweifel am neuen. Gesellschaftspolitische Träume schienen zu entschwinden, persönliche Schicksale im Familien-, Verwandten- und Bekanntenkreis schürten zusätzlich Ängste und Umfrageergebnisse zeugten von schwierigen Zeiten.

Und heute: Der lange Weg durch die Geschichte hat sich offensichtlich gelohnt. Dank der Leistungsfähigkeit der Menschen in den jungen Ländern, dank ihres Mutes und ihres Aufbauwillens, aber auch dank der solidarischen Hilfe aus den alten Ländern können wir in Thüringen erklären: Wir haben etwas geschaffen, auf das wir stolz sein können.

(Beifall bei der CDU, SPD)

In den zehn Jahren seit der Wiedergründung hat sich Thüringen zu einem erfolgreichen, zu einem spannenden Land in der Mitte des vereinten Deutschlands, zu einem Land, das es schneller als andere geschafft hat die Weichen für die endgültige Überwindung der Folgen von Diktatur und Zwangswirtschaft zu stellen, entwickelt. Thüringen - ein Land mit Perspektive, Thüringen - Deutschlands starke Mitte.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir können stolz sein auf das Erreichte und wir haben auch allen Grund dazu. Wir stehen bei vielen wirtschaftlichen Daten an der Spitze der jungen Länder. Das Wachstum des Thüringer Bruttoinlandprodukts liegt mit 2 Prozent deutlich über dem Durchschnitt der neuen Länder von 1,7 Prozent. Ich sage noch hinzu, das verarbeitende Gewerbe hat zweistellige Umsatzzahlen im

Wachstum und der Arbeitsplatzzuwachs ist 9 Prozent. Wir wissen, dass es weiterhin schwierig ist in der Baubranche. Und weil immer so viel die Binnenkonjunktur angesprochen wird, dass die jetzt schon der Träger der Konjunktur würde, meine Damen und Herren, das ist leider noch nicht der Fall. Die Binnenkonjunktur stagniert. Die Zahlen der Automobilbranche belegen es sehr deutlich: im Export zweistellige Zuwachsraten, in Deutschland werden weniger Autos verkauft als im letzten Jahr. Auch das ist eine Folge einer chaotischen Wirtschafts- und Steuerpolitik in Berlin. Die Konjunkturdaten in Deutschland entstehen nur auf der Basis der Exportstärke und des starken Dollars.

Meine Damen und Herren, Thüringen hat inzwischen weit mehr zu bieten als Goethe oder Bach, den Thüringer Wald oder die Thüringer Rostbratwurst, allesamt wichtige Grundpfeiler der Thüringer Identität, sicher, für die Zukunftsfähigkeit bedarf es allerdings mehr als Tradition der Kultur und der Natur. Der Brückenkopf zur Moderne ist die Hochtechnologie. Man braucht sich beispielsweise nur das Technologiedreieck Erfurt, Jena, Ilmenau anzuschauen und insbesondere die dort angesiedelten börsennotierten Thüringer Firmen, da bekommt man schon ein Stück Thüringer Zukunft präsentiert. Nehmen wir als Beispiel die Jenoptik AG für den Wandel eines ehemaligen Sanierungsfalls zum erfolgreichen Börsengänger. Und ich darf an dieser Stelle als Finanzminister immer wieder daran erinnern, in dem Privatisierungsvertrag stand, dass geplant war, die Jenoptik 1996 endgültig zu privatisieren mit einer Zielstellung von 1.000 eigenen Arbeitsplätzen und einem Eigenkapital von 10 Mio. DM. Wir haben mittlerweile 230 Mio. DM Erlös und der Börsenkurs ist über 400 Mio. DM unseres Aktienpakets, was wir an der Jenoptik noch halten. Nehmen wir auch zum Beispiel die Mühl AG.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Mühl, nicht Müll!)

Ja, manch einer sieht die Mühl AG als Baustoffhändler, aber wie dieses Unternehmen mit modernen Kommunikationsmethoden erfolgreich eine Nische in diesem hart umkämpften Markt eroberte und auch halten kann; oder nehmen wir Intershop als Vertreter der New Economie, die den Namen Thüringens in die Welt trägt; oder nehmen wir die vielen jungen Technologieunternehmen, die in Jena und Umgebung ihren Weg dort fortsetzen. Hier wird wirtschaftliche Zukunft Thüringens sichtbar und dies sind nur die Leuchttürme.

Meine Damen und Herren, man könnte das auch aufzählen in traditionellen Branchen, wenn ich zum Beispiel unsere Schmalkalder Eisenwarenindustrie bei ihrer Präsentation auf der Kölner Eisenwaren-Messe sehe.

(Beifall bei der CDU)

Aber wir wollen und müssen uns weiter anstrengen, damit wir den Platz unter den Ländern einnehmen, den wir ohne Teilung längst hätten, nämlich kein Nehmerland zu sein,

sondern ein Geberland, und Thüringen wirklich Deutschlands starke Mitte bereits wäre. Diese Erfolge sind natürlich auch ein Ergebnis der vergangenen Landeshaushalte und seiner Schwerpunkte. Hier wurde seit 1991 die Zukunft in Zahlen gegossen gegen so manchen Widerstand, aber immer zielgerichtet und nicht immer gingen alle Überlegungen auf. Doch entwickelte sich der Freistaat weitestgehend so wie erhofft, auch wenn wir viele dieser Zukunftsinvestitionen über Kredite finanzieren mussten. Wir stünden sicherlich auch in der Verschuldung etwas besser da, wenn in der letzten Legislaturperiode die Überprüfung der Leistungsgesetze, die wir uns ja vorgenommen hatten, schon auf den Weg gebracht worden wäre, aber der damalige Koalitionspartner war nicht bereit dazu.