Protocol of the Session on March 7, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrter Herr Minister - ich kann das noch im Singular ansprechen -, die Herren Staatssekretäre - der zweite Minister kommt -, verehrte Besucher auf der Besuchertribüne, ich darf Sie herzlich begrüßen und unsere 81. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 7. März 2003 eröffnen. An meiner Seite haben Platz genommen Frau Abgeordnete Wackernagel und Herr Abgeordneter Huster. Herr Abgeordneter Huster wird die Rednerliste führen.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Minister Dr. Krapp, Herr Minister Dr. Sklenar, Herr Abgeordneter Dr. Botz, Herr Abgeordneter Döring, Frau Abgeordnete Dr. Fischer, Herr Abgeordneter Dr. Koch, Herr Abgeordneter Scheringer, Frau Abgeordnete Vopel, Herr Abgeordneter Wunderlich, Frau Abgeordnete Wolf.

Zu Katja Wolf möchte ich aber dem Haus noch etwas Erfreuliches mitteilen. Ich denke, wir dürfen uns alle freuen, dass Frau Wolf aus einem sehr schönen Grund an diesen Tagen nicht am Plenum teilnehmen kann. Sie hat nämlich am 20. Februar eine gesunde muntere Tochter namens Selena geboren. Dazu wollen wir herzlich gratulieren.

(Beifall im Hause)

Außerdem gratulieren wir von hier aus Frau Kollegin Wolf noch ganz herzlich zu ihrem eigenen heutigen Geburtstag. Ein entsprechender Blumengruß ist unterwegs.

Das war alles, was ich vorab anzusagen hatte. Damit können wir jetzt zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 10 kommen, wie wir das gestern vereinbart haben.

Zukunft der EU-Strukturpolitik nach 2006 Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3141

Ich frage, wird Begründung durch den Einreicher gewünscht?

(Zuruf Abg. Stauch, CDU: Ist angemeldet.)

Ist angemeldet, dann macht die Begründung Herr Abgeordneter Bergemann, CDU-Fraktion. Bitte schön.

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Ich darf um Aufmerksamkeit für die Begründung bitten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das haben wir uns als Europapolitiker eigentlich schon immer gewünscht, dass wir einmal frühmorgens zum ersten Tagesordnungspunkt bei vollem Hause europapolitische Debatten besprechen können.

(Beifall Abg. Braasch, CDU)

Es wird sich ja sicherlich noch weiter füllen.

Das sieht jetzt schon ganz gut aus.

Es passt natürlich auch genau in die Umfrage der letzten Woche - wer sie verfolgt und gelesen hat -, die Zustimmung zur Europäischen Union bei den Bundesbürgern hat sich auf 59 Prozent erhöht. Das sind immerhin im letzten halben Jahr 7 Prozent mehr als bisher. Ich denke, das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Sensibilität, die Europa hervorruft, nicht unter dem Kontext der europäischen Erweiterung allein, sondern auch der Fragen, die wichtig sind für die Länder und für die Regionen, einen gewissen Zuwachs an Zustimmung erkennen lässt.

Die Unionsfraktion der CDU im Thüringer Landtag hat einen Antrag vorgelegt in der Drucksache 3/3141 zur Zukunft der Strukturpolitik nach 2006, weil es für Thüringen und für die jungen Bundesländer gegenwärtig und in naher Zukunft eine der spannendsten europapolitischen Themen sein wird. Mit der Erweiterung der EU werden sich die bestehenden regionalen und territorialen Unterschiede im Entwicklungsstand innerhalb der Union vergrößern. Deutschland, meine Damen und Herren, gehört zu den europäischen Staaten mit den größten sozioökonomischen Disparitäten. Das ostdeutsche Wirtschaftswachstum verläuft seit 1998 niedriger als im EU-Durchschnitt. Das hat zur Folge, dass der Rückstand im EU-Durchschnitt nicht geringer, sondern größer geworden ist. Dies macht zugleich deutlich, wie dringend die neuen Länder auch künftig Strukturfördermittel der Europäischen Union benötigen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Angleichung der Strukturentwicklung innerhalb Deutschlands ist nicht zuletzt auch durch die Politik der Bundesregierung ganz klar ins Stocken geraten. In dem zweiten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang wurde die Lage und die Entwicklung in den Mitgliedstaaten und in den Regionen auf den aktuellsten Stand gebracht. Der Bericht macht zu Form und Inhalt der Strukturpolitik noch keine Vorschläge über 2006 hinaus. Aber er er

öffnet die Debatte, die wir ab heute und in der Zukunft führen müssen. Denn eines ist auch völlig klar: Die Frage, wie es mit der EU-Strukturförderung nach 2006 weitergeht, darf nicht nur in europäischen Institutionen in den Mitgliedstaaten, in den nationalen Parlamenten oder auf der Länderseite durch die Ministerpräsidenten gestaltet werden, die natürlich dazu entsprechende Beschlüsse gefasst haben, sondern sie muss auch hier im Parlament, in den regionalen Parlamenten eine besondere Rolle spielen.

Mit unserem Antrag wollen wir der Landesregierung bei den anstehenden Verhandlungen und den Gesprächen auf der Bundes- und auf der europäischen Ebene auch im Hinblick auf den dritten Kohäsionsbericht Ende diesen Jahres den Rücken stärken und klare Position beziehen. Denn dieser dritte Kohäsionsbericht wird detaillierte Vorschläge machen, wie geht es mit der Strukturpolitik nach 2007 weiter. Deshalb bitte ich schon an dieser Stelle auch um breite Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Damit kommen wir jetzt zur Aussprache. Als Erste hat das Wort Frau Abgeordnete Sedlacik. Entschuldigung, die Landesregierung kann natürlich immer. Bitte, dann hat die Landesregierung den Vorzug, Herr Minister Gnauck. Meistens lässt die Regierung erst einmal gern die Abgeordneten reden, aber man kann es auch umgekehrt machen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Kollege Trautvetter hat gestern bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Landesregierung immer handlungsfähig ist, und wir sind immer in der Lage, uns gegenseitig zu vertreten, sprechen als ein Herz

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

und eine Seele, aber besonders dankbar bin ich dafür, dass ich zum Thema Europapolitik und Strukturfonds heute selber hier sprechen darf. Zunächst herzlichen Dank der CDU-Fraktion für diesen wichtigen Antrag, denn beim Thema "Zukunft der europäischen Strukturpolitik" geht es nicht allein um europapolitische Entscheidungen, sondern es geht um zentrale Rahmenbedingungen für die Zukunft des Freistaats. Es geht um die Zukunft der jungen Länder und darum, ob wir wettbewerbsfähige Regionen bilden können. Regionen, die Entwicklungshemmnisse überwinden und international mithalten können. Die Herausforderungen der EU-Osterweiterung und die Problematik der zukünftigen europäischen Strukturpolitik für Thüringen sind in diesem Hause bereits ausführlich zur Sprache gekommen. Ich erinnere beispielsweise an die Große Anfrage der CDU-Fraktion vom 21. September 2001. Die

Landesregierung hat deutlich gemacht, dass wir uns ohne Wenn und Aber zur EU-Osterweiterung bekennen. Sie ist historisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell ohne Alternative.

Wir haben aber auch darauf hingewiesen, dass die Erweiterung nur dann gelingen kann, wenn die dafür notwendigen Vorkehrungen getroffen werden. Dazu gehört, dass die Entwicklungsdefizite der jungen Länder auch nach der EU-Osterweiterung angemessen berücksichtigt werden müssen: Wir brauchen nach Ablauf der Förderperiode 2000 bis 2006 eine gerechte Anschlussregelung der gegenwärtigen EU-Strukturpolitik, eine Strukturpolitik, die den tatsächlichen Gegebenheiten in den jungen Ländern entspricht, eine Strukturpolitik, die einerseits den neuen Mitgliedstaaten hilft, andererseits aber nicht einseitig zu Lasten der Regionen gehen darf, die heute im Europa der 15 zu den wirtschaftlich schwächsten Regionen gehören. Gemeinsam mit den anderen jungen Ländern haben wir bereits mehrfach auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass die jungen Länder nur statistisch reich gerechnet werden und nur deshalb keine angemessene Förderung mehr erhalten könnten. Nach den aktuellen Zahlen, es sind die Zahlen des Euro-Barometers des Jahres 2000, liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Thüringen - bezogen auf die jetzigen 15 EU-Mitgliedstaaten - bei 69,6 Prozent des EU-Durchschnitts. Rechnet man dies hoch auf die EU der 25, sind es dagegen bereits 76,7 Prozent. Das heißt ganz einfach, mit der Erweiterung der EU überschreiten wir den Schwellenwert von 75 Prozent, den die Ziel-1-Förderung zurzeit voraussetzt. Es ist erfreulich, dass die EU-Kommission in dem nun vorliegenden Bericht - der Abgeordnete Bergemann hat es bereits angesprochen - die Problematik dieses statistischen Effektes ausdrücklich anerkennt. Dies ist nicht selbstverständlich. Wir haben dafür in den letzten Monaten vehement werben müssen. Lösungsansätze enthält der zweite Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit in Europa allerdings noch nicht. Für uns bedeutet dies: "Gefahr erkannt, aber noch nicht gebannt." Deshalb kommt der Antrag der CDU zur rechten Zeit. Es geht jetzt darum, an Lösungen mitzuarbeiten und auf Lösungen hinzuwirken, die einer guten Entwicklung Thüringens auch in Zukunft förderlich sind.

Unsere Ausgangsposition hat sich erheblich verbessert. Wir haben erreicht, dass die Thematik in Brüssel wahrgenommen wird. Auch enthält der Bericht der Kommission neues, aussagekräftiges Datenmaterial, mit dem wir unsere Argumente noch besser unterfüttern können; aber Eile ist geboten. Gegen Ende dieses Jahres wird die Europäische Kommission ihren dritten Kohäsionsbericht vorlegen. In ihm werden die Weichen für die Ausgestaltung der künftigen EU-Strukturpolitik gestellt. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir jetzt noch einmal alles versuchen, um unsere Forderungen bis zur Sommerpause bei Bundesregierung und Kommission in Brüssel zu verankern. Die Kernforderungen der Ministerpräsidenten der jungen Länder lauten:

1. Die Ziel-1-Förderung muss fortgeführt werden.

2. Innerhalb der Ziel-1-Förderung muss eine gerechte Anschlussregelung gefunden werden, die mehr sein muss als das degressive Ausphasen aus dem gegenwärtigen Förderstatus.

3. Die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie jetzt in den Ziel-1-Gebieten gelten, müssen beibehalten werden.

Um unsere Forderungen durchsetzen zu können, müssen wir auf allen politischen Ebenen für unsere Position werben und die notwendige Unterstützung einfordern: bei den Ländern, beim Bund und selbstverständlich bei der EU-Kommission. Dafür ist der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion eine gute Ausgangsbasis. Leider wird innerhalb von Deutschland immer noch partiell das so genannte Nettofondsmodell favorisiert. Hierbei wird nicht nach der Förderfähigkeit der einzelnen Regionen gefragt, sondern es geht darum, die EU-Regionalpolitik in einen Finanzausgleich zwischen den Mitgliedstaaten zu verwandeln - mit der Konsequenz, dass die jungen Länder der Bundesrepublik keine EU-Strukturhilfen bekommen würden, weil sie strukturschwache Regionen in einem wohlhabenden Mitgliedstaat wären.

Ich bin froh, dass in allen Fachministerkonferenzen der deutschen Länder in einer Frage Einigkeit besteht: Das Nettofondsmodell wäre nur dann diskussionswürdig, wenn die daraus resultierenden Einnahmeausfälle für die ostdeutschen Länder von anderer Seite kompensiert und die jetzigen Beihilferegelungen garantiert würden. Allerdings: Spätestens seit November des vergangenen Jahres ist klar, dass der Bund keinerlei Kompensationszusagen für wegfallende EU-Mittel machen will. Auch angesichts der gegenwärtigen Finanzschwäche bleibt das Nettofondsmodell für uns unverständlich. Kann Deutschland wirklich auf die Rückflüsse aus Brüssel verzichten? Immerhin kommen allein in den Jahren 2000 bis 2006 rund 30 Mrd.  europäischer Strukturfondsmittel nach Deutschland zurück. Die Wirtschaftsminister haben es vorgerechnet und selbst die Finanzminister nicht widersprochen; ein Systemwechsel hin zu einem europäischen Finanztransfer würde die Nettozahlerposition Deutschlands nicht verbessern. Deshalb lehnt inzwischen auch die Bundesregierung das Nettofondsmodell ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen unter den deutschen Ländern für unsere Position werben. Die Bundesregierung müssen wir dazu bringen, in einer Frage der gerechten Nachfolgeregelung für die jungen Länder endlich aktiv zu werden. Noch ist die Unterstützung des Bundes unzureichend. Allzu lange hat die Bundesregierung gezögert und stereotyp darauf verwiesen, sie werde mit der Forderung nach "Gleichbehandlung von Regionen mit gleichen Problemlagen in der heutigen EU" den Interessen der ostdeutschen Länder gerecht. Doch Vorsicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz wäre auch dann Ge

nüge getan, wenn alle vom statistischen Effekt betroffenen Regionen künftig aus der Förderung herausfielen, und das kann ja nun wirklich nicht in unserem Sinne sein.

(Beifall bei der CDU)

Erst als Ende letzten Jahres das Bund-Länder-Gespräch beim Bundeskanzler anstand, legte die Bundesregierung ihre Eckpunkte für die EU-Strukturpolitik nach 2006 vor. Erfreulicherweise finden sich darin einige unserer Forderungen wieder. Die Bundesregierung lehnt - das habe ich bereits angesprochen - das Nettofondsmodell ab. Sie spricht sich für die Fortsetzung der Ziel-1-Förderung in einer erweiterten EU aus. Die Bundesregierung unterstützt nun auch eine Konzentration der Strukturfondsfördermittel auf Ziel-1-Regionen, wobei selbstverständlich die ostdeutschen Länder dazu zählen müssen. Unbefriedigend ist dagegen, dass brisante Fragestellungen ausgeklammert werden. Auch im Verlauf der Bund-Länder-Gespräche wurde dazu wenig Konkretes vorgetragen.

Ich will nur einige Fragen stellen: Wie werden angemessene Mittelansätze für die EU-Strukturpolitik festgelegt? Wie wird der statistische Effekt im Rahmen einer fortgeführten Ziel-1-Förderung berücksichtigt? Wie soll eine Kompensation für ausbleibende Mittel erfolgen? Auf all diese Fragen hat der Bund bislang noch keine Antworten, noch nicht einmal seine Vorstellungen hat er entwickelt. Das ist für uns in der Tat beunruhigend, denn wir haben in den jungen Ländern viel zu verlieren. Es gibt zwar Fortschritte in der Meinungsbildung in Berlin, aber das reicht noch nicht. Selbst die Zusage des Kanzlers vom Ende vergangenen Jahres, zu einem fortlaufenden Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozess von Bund und Ländern beitragen zu wollen, ist bislang ernsthaft noch nicht eingelöst worden, wie ich in meinen Gesprächen in den letzten Tagen, auch gestern, habe erfahren müssen. Was nutzt es uns, dass sich die Bundesregierung in ihren Eckpunkten z.B. zur Förderung der regionenbezogenen Ziel-1-Förderung bekennt, dafür aber in Brüssel nicht aktiv eintritt? Selbstverständlich werden wir die Bundesregierung weiterhin in ihrer Verantwortung für die jungen Länder in die Pflicht nehmen, aber wir werden mehr tun als das. Im Rahmen der Initiative "Mitteldeutschland" bereiten wir ein Positionspapier vor, das wir im Kreise aller potenziell vom statistischen Effekt betroffenen Regionen Europas diskutieren wollen. Ich erinnere daran, das sind insgesamt 18 Regionen mit rund 21 Mio. Einwohnern in Europa. So wollen wir die Basis für unsere berechtigten Forderungen auf ganz Europa verbreitern. Aber wir setzen uns selbstverständlich auch unmittelbar bei der Europäischen Kommission für unsere Forderungen ein. Mitte Januar habe ich ein ausführliches Gespräch mit dem für Regionalpolitik zuständigen Kommissar Barnier geführt. Einen Monat später habe ich mich auch noch einmal brieflich an ihn gewandt. Am 17. Februar habe ich dann auf Einladung des Kommissars gemeinsam mit Herrn Ministerpräsidenten Böhmer in einer Expertenanhörung in Brüssel unsere Vorstellungen vertreten. Wir werden

selbstverständlich mit Herrn Barnier im Gespräch bleiben. Am 9./10. Oktober dieses Jahres kommt Herr Barnier auf Einladung der Landesregierung nach Thüringen. Wir werden diesen Termin nutzen, um die Berechtigung unserer Positionen zu untermauern.

Die Kommission darf bei aller Diskussion nicht aus dem Auge verlieren, dass die Beibehaltung des beihilferechtlichen Handlungsspielraums für die weitere Entwicklung der ostdeutschen Länder essentiell ist. Wir werden darauf hinweisen, dass es notwendig ist, dass die jungen Länder rechtlich als Ziel-1-Gebiet anerkannt werden, damit auch die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Selbstverständlich wollen wir aus gesamtdeutscher Sicht auch nicht, dass die Ausgaben für die Strukturhilfen überhand nehmen. Auch wir wollen dazu unseren Beitrag leisten. Deswegen sagen wir auch, es kann eine Differenzierung bei der Pro-Kopf-Förderung geben, und zwar abhängig vom regionalen Wohlstand.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns gilt das Wort von Helmut Kohl: Heimat, Vaterland, Europa, das ist der Dreiklang der Zukunft. Wir stehen zur Solidarität mit den neu hinzukommenden Mitgliedstaaten. Wir wollen helfen, dass die deutschen Zahlungen an die EU in einem angemessenen Rahmen bleiben. Aber wir stehen auch dafür ein, dass sich unsere Heimat Thüringen weiterhin gut entwickeln kann. Deshalb meine ich, der vorliegende Antrag ist ein Dokument, in dem der Dreiklang der Zukunft bereits mitschwingt. Noch sind viele Widerstände aus dem Weg zu räumen. Auch deswegen werbe ich in diesem hohen Haus um breite Unterstützung für den vorliegenden Antrag. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Sedlacik, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Echo der in Deutschland Regierenden auf die Brüssler Kunde, dass der größte Teil Ostdeutschlands mit der EU-Osterweiterung bei unveränderter Weiterführung der jetzigen Regional- und Strukturpolitik aus der europäischen Höchstförderung herausfällt, ist für die Menschen zwischen Rostock und Thüringen enttäuschend. So mimt auch der vorliegende Antrag Betroffenheit und allgemeines Beklagen über die schlimmen Folgen der EU-Erweiterung.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Na, na, was haben Sie denn gelesen?)

Dabei ist doch seit Jahren bekannt, dass die Erweiterung kommt, auch dass die Beitrittsländer mit ihrer geringeren Wertschöpfung den Gemeinschaftsdurchschnitt des

Pro-Kopf-Inlandprodukts nach unten und den der heutigen Ziel-1-Gebiete nach oben ziehen, das ist nun einmal einfache Mathematik. Letzten Endes dürfen alle verantwortlichen Politiker bei ihren Planspielen nicht vergessen, dass das Projekt der EU-Erweiterung von den Menschen nur getragen wird, wenn ihr Leben sich dadurch verbessert, und zwar in den bisherigen wie auch in den künftigen Mitgliedstaaten.

Meine Damen und Herren, sollte der vorliegende Antrag bereits heute abgestimmt werden, würden wir ihm zustimmen, weil er für die PDS zwei Kernaussagen beinhaltet, die sich mit den Positionen der PDS zur Strukturpolitik nach Eingliederung der Mittel und europäischen Staaten decken. Dies ist erstens die Absage an eine Renationalisierung der gemeinschaftlichen Strukturpolitik. Es ist auch PDS-Auffassung, dass die Förderwürdigkeit strukturschwacher Gebiete auch weiterhin aus regionaler und nicht aus nationaler Sicht zu beurteilen ist. Denn eine Renationalisierung hieße, dass der Bund und die reichen Bundesländer die in Ostdeutschland weggefallenen EU-Beihilfen zahlen müssten. Hierfür, Minister Gnauck, sehen auch wir kaum ausreichende Voraussetzungen und Garantien. Die zweite Feststellung, die dem Antrag entnommen werden kann und die von der PDS uneingeschränkt mitgetragen wird, ist die, dass die Regionen, die nur aufgrund des mit der Erweiterung verbundenen statistischen Effekts die Schwelle von 75 Prozent des durchschnittlichen Pro-KopfBruttoinlandproduktes überschreiten, auch künftig noch Ziel-1-förderwürdige Gebiete bleiben müssen oder zumindest in angemessener Kompensation erhalten müssen bis sie den Einkommensdurchschnitt auf der Basis der EU 15 erreichen. Kritisch möchte ich allerdings anmerken, dass der Antrag an keiner Stelle die Bedeutung der übrigen Förderung nach Ziel-2 und Ziel-3 erwähnt. Stattdessen heißt es im letzten Satz des Absatzes 5: Der Thüringer Landtag stünde einer Förderung außerhalb der künftigen Ziel-1-Förderung wegen der damit verbundenen beihilferechtlichen Problematik skeptisch gegenüber. Hiermit entsteht doch der Eindruck, die bisherige Ziel-2- und Ziel-3-Förderung soll es entweder künftig überhaupt nicht mehr geben oder die Förderung solle zukünftig stärker als bisher auf Kosten Ziel-2- und Ziel-3-Förderung auf die Ziel-1-Region konzentriert werden. Schließlich betrachte ich es als einen Mangel des Antrags, dass er nicht die Forderung beinhaltet, die Regionen der neuen Mitgliedstaaten müssten gleichberechtigt in die Regional- und Strukturförderung einbezogen werden. Ich erwähne dies deshalb, weil ich für die Berücksichtigung Thüringer Interessen für entscheidend halte, dass wir nicht nur die anderen vom statistischen Effekt betroffenen Regionen als Verbündete gewinnen, sondern bei der Verfolgung unserer Ziele vor allem auch von den Beitrittsländern und den Regionen der bisherigen Mitgliedstaaten unterstützt werden, die bisher etwa von der Ziel-2-Förderung profitierten.