Tilman Tögel
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Am Mittwoch, dem 18. November 2015 hat der Minister für Landesentwicklung und Verkehr in Stendal Fördermittelbescheide in Höhe von 2,4 Millionen € an den Oberbürgermeister übergeben. Einen Tag zuvor erreichte mich um 10.45 Uhr die Information darüber per Mail aus dem Ministerbüro. Der Terminplan der Landesregierung wurde am Freitag davor um 12.45 Uhr per Mail verschickt. Wie der Presse zu entnehmen war, konnte erstaunlicherweise wohl ausschließlich der regionale Landtagsabgeordnete der CDU teilnehmen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Hält die Landesregierung es für sachgerecht,
dass das zuständige Ministerium erst einen Tag vor Übergabe der Förderbescheide die regional zuständigen Abgeordneten informiert?
2. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hin
tergrund der Landtagsdebatte am 12. November 2015 über das Thema „Fördermittel sind keine Wahlkampfmittel“ das Verhalten des zuständigen Ministeriums?
Lieber Thomas Webel, geben Sie zu, dass es ein Unterschied ist, ob Abgeordnete mit Datum, Uhrzeit und Ort eine Einladung zur Teilnahme erhalten oder diese in einem öffentlich zugänglichen Medium ein paar Tage vorher - zugegebenermaßen Freitagnachmittag -
lediglich die Information bekommen, dass etwas stattfindet? Stimmen Sie mir also darin zu, dass zwischen einer Information und einer Einladung ein Unterschied besteht? Das ist die Frage 1.
Die Frage 2, lieber Herr Minister, lautet: Denken Sie, dass ich mir nach 25 Jahren Landtag die Hose mit der Kneifzange anziehe
und tatsächlich davon ausgehe, dass erst ein paar Tage vorher oder wenige Stunde vor der Übergabe eines Fördermittelbescheides im Ministerium über
diesen Termin keine Kenntnis vorliegt? Bitte, lieber Thomas, wir sind lange genug im Geschäft. So dämlich bin selbst ich nach dieser Zeit nicht mehr.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Lieber Frank Thiel, ich habe natürlich Verständnis für den Antrag. Ich war selbst jahrelang in der Opposition und weiß, wie es einem da manchmal geht. Selbst in einer Regierungsfraktion geht es einem nicht immer an
ders. Wenn man in einer Regierungsfraktion sitzt und zum Beispiel sieht, wo überall im Land der Ministerpräsident auf und ab unterwegs ist, dann ist das manchmal schwer hinzunehmen. Aber die Organisationskraft einer Staatskanzlei ist nun einmal größer als die einer SPD-Fraktion. So etwas nennt man im Allgemeinen auch Amtsbonus.
Mit einem Augenzwinkern möchte ich auch sagen: Irgendwann wird der Ministerpräsident wie bei Hase und Igel bei einem Termin auftauchen, sich selbst treffen und fragen: Was machst du denn schon hier?
Aber um zum Ernst zurückzukommen: Wo wollen Sie denn die Grenzen tatsächlich ziehen? Bei der, wie Sie es vorschlagen, Übergabe von Fördermitteln? - Auf dieses Thema möchte ich mich hier beschränken. Zu den juristischen Fragen hat sich Minister Herr Möllring bereits geäußert. Allerdings habe ich es im Beitrag des Ministers schon ein bisschen vermisst, dass überhaupt kein Wort zum Thema Übergabe von Fördermittelbeischeiden und Beteiligung von Landtagsabgeordneten daran gesagt wurde.
Sie haben Zeiträume genannt: sechs Wochen, fünf Monate. Sollte vielleicht - auch wenn es ein Versprecher war - gänzlich auf die Übergabe von Fördermitteln verzichtet werden? Oder sollen Regierungsmitglieder vor Wahlen am besten nicht mehr öffentlich auftreten, wie auch immer man das definiert? Keine Besuche, keine Reden im Landtag, keine Gespräche mit Journalisten, keine Interviews? Sollten sie auch nichts mehr selber unterschreiben? - Dann könnten wir die Regierungsmitglieder auch ganz abschaffen.
Können Sie sich übrigens auch vorstellen, dass sich die Antragsteller freuen, wenn ihnen Aufmerksamkeit von der Regierung entgegenbracht wird,
wenn sie dadurch auch einmal mit ihrem Projekt in den Medien auftauchen und darüber interessant berichtet wird? Oder können Sie sich vorstellen, dass Abgeordnete - ich will einmal uns selber als Beispiel nehmen -, die sich über längere Zeit für ein Projekt einsetzen, auch bei der Übergabe des Fördermittelbescheides dabei sein wollen?
Auch das ist doch Ausdruck von politischer Tätigkeit. Schließlich geben die Minister nur das Geld weiter, über das wir beim Haushalt beschlossen haben. Ich persönlich sehe es auch nicht ein, dass immer nur die Minister oder Staatssekretäre im Medieninteresse und im öffentlichen Interesse stehen,
sondern auch die Abgeordneten sollten beteiligt werden, auch wenn man es in der Regel nicht für sich allein reklamieren kann. Glauben Sie mir, ich habe es selbst oft genug erlebt, auch als Mitglied einer Regierungsfraktion, dass man dann vergessen wird oder davon aus der Zeitung erfährt.
Es gibt natürlich auch positive Beispiele. Ich möchte einmal ein unverdächtiges und aus meiner Sicht positives Beispiel nennen: Kollege Daehre hat es zu seiner Zeit als Minister immer sehr gut hinbekommen, die Abgeordneten bei solchen Dingen einzubeziehen, auch die der Opposition.
Ich erwarte auch von der Regierung, dass sie bei der Übergabe solcher Mittel alle Abgeordneten, auch die der Opposition, einlädt und das auch rechtzeitig bekannt gibt, damit man das terminlich einplanen kann. Das ist leider nicht immer der Fall.
Ich erwarte weiterhin von der Regierung dass sie angemessen und sensibel mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen jeglicher Art umgeht. Ich halte es tatsächlich für ein Problem, wenn Kandidaten, die bisher zumindest keine MdL sind, in den Vordergrund geschoben werden, damit sie auch auf dem Foto auftauchen. Das ist aus meiner Sicht
eine tatsächliche Übertreibung von Öffentlichkeitsarbeit. Bei MdL ist es aus meiner Sicht etwas anderes, aber bei Kandidaten halte ich das für problematisch.
Es wird übrigens nie eine messerscharfe Trennung zwischen Amt, Funktion, Kandidatenstatus und Partei geben können. Es wird immer einen Einfluss auf Wahlen, zumindest auf den Bekanntheitsgrad eines Politikers geben. Das lässt sich sicherlich nicht leugnen. Aber wenn dieser Einfluss wirklich so groß wäre, wie Sie befürchten, dann würde es - glauben Sie mir das - bei keiner Wahl zu anderen Mehrheitsverhältnissen kommen. Ich traue der Öffentlichkeit und auch den Medien das entsprechende Augenmaß zu, dies auch in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Deswegen lassen Sie uns das einigermaßen entspannt sehen. - Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Ja.
Lieber Herr Gallert, ich habe zu Anfang gesagt, dass ich selber lange genug in der Opposition war, viel zu lange. Es waren nämlich insgesamt zweimal vier Jahre. Die hätte ich mir auch gern erspart. Regieren macht mehr Spaß, darin gebe ich Ihnen durchaus Recht.
Aber wie gesagt, ich sehe es erstens aus der Sicht eines Parlamentariers. Ich denke, wir sollten uns den Schneid und das Selbstbewusstsein durch die Regierung nicht abkaufen lassen. Wir werden darüber auch unter einem anderen Tagesordnungspunkt noch zu reden haben. - Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass es natürlich sowohl positive als auch negative Fälle gibt. Aber ich kenne keine Firma - jedenfalls ist mir kein Beispiel bekannt -, die es nicht wollte, dass über die Fördermittelübergabe öffentlich berichtet wurde und die dazu gedrängt wurde, das öffentlich zu machen, oder die anderenfalls keine Fördermittel bekommen hätte. Ein solches Beispiel kenne ich nicht.
Ich denke, wenn jemand sagt, dass er nicht in der Öffentlichkeit erscheinen möchte, wird das von der
Regierung respektiert. Wenn Sie ein anderes Beispiel haben, wäre ich daran interessiert, dass wir dem im Einzelnen nachgehen. Ich denke, so etwas muss immer im Einvernehmen mit dem Geldempfänger passieren und vorbereitet werden, aber auch unter Einbeziehung aller Abgeordneten, einschließlich der der Opposition. - Herzlichen Dank.
Frau Kollegin, auch die Landtagsfraktionen schalten mit schöner Regelmäßigkeit bezahlte Anzeigen in den Zeitungen in diesem Land. Gehen Sie davon aus, dass es den Landtagsfraktionen gelingt, in den redaktionellen Beiträgen Themen zu setzen oder sich dadurch beliebt zu machen, indem sie Anzeigen schalten? Oder gehen Sie davon aus, dass diese Anzeigen tatsächlich nur dazu dienen, für die eigene Arbeit zu werben?
Lieber Kollege Geisthardt, vor einigen Tagen habe ich einen Artikel über die Verpachtung von kirchlichem Land in Sachsen-Anhalt und Thüringen durch die EKM gelesen. Sie haben vorhin das Thema Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf Äckern angesprochen. Die Kirche ist ja einer der größten Landbesitzer in der Bundesrepublik und auch in Ostdeutschland, und eine Bedingung, eine Pacht zu vergeben, ist, dass die Pächter keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf diesen kircheneigenen Ländereien anpflanzen. Wie beurteilen Sie denn als Mitglied einer christlichen Partei das Vorgehen der Kirchen, die dies für ihre Pachtverträge ausdrücklich ausschließt?
Ich will nur sagen, dass es da in den Landeskirchen unterschiedliche Verfahren gibt. In der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands ist es so, dass das Landeskirchenamt im Einvernehmen mit den Gemeindekirchenräten die Entscheidung vorbereitet, aber dass der Vorschlag, an wen zu verpachten ist, von der Zentralen Verwaltungsstelle der Landeskirche kommt. Das wird in der anhaltischen Kirche anders gehandhabt. Dort machen es die Gemeindekirchenräte separat.
- Wie bitte?
- Im Benehmen, genau. Okay, ich korrigiere mich: im Benehmen. Insofern ist es hier tatsächlich eine zentrale Stelle, und es sind nicht die Gemeindekirchenräte, die in der Kirchenprovinz darüber entscheiden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon etwas erstaunlich, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, dass Sie bei den Äußerungen von Minister Robra zur Unschuldsvermutung lauter klatschen als zur Beurteilung des Wahlbetrugs, der ja das eigentliche Thema der heutigen Diskussion ist.
„Ich war doch nur Bote“ - das war die Schlagzeile am 4. Dezember 2014 in der „Altmark-Zeitung“ in Stendal. Dieses Zitat von Wolfgang K. ist auf der ersten Seite zu lesen gewesen.
Wolfgang K. ist ja allseits bekannt und heute schon benannt worden. Er ist seit 25 Jahren Kreisvorsitzender, damit dienstältester Kreisvorsitzender der CDU im Land. Er ist ebenfalls seit 25 Jahren Fraktionsvorsitzender im Kreistag, genauso lange im Verwaltungsrat der Sparkasse und seit 1990 Mitarbeiter verschiedener Bundestags- und, glaube ich, auch Landtagsabgeordneter. Er gilt in der Region als graue Eminenz der CDU und als „sachkundiger Strippenzieher“ in Sachen Personen und Entscheidungen. Nicht nur für mich ist
es schwer vorstellbar, dass Wolfgang K. nur Bote war.
Ich bin zwar von Hause aus Handwerker, aber die Hose ziehe ich mir nicht mit der Kneifzange an.
Selbst Innenminister Stahlknecht - das wurde bereits hinreichend zitiert - hat Wolfgang K. am Aschermittwoch als den „Paten von Stendal“ bezeichnet. Sicherlich war das in einem anderen Zusammenhang. Soweit es mir überliefert wurde, ist das von Wolfgang K. auch nicht als besonders witzig empfunden worden. Aber es ist so gesagt worden.
Vielleicht hat sich das, was der Innenminister damals gesagt hat, inzwischen, ohne dass er es wollte, tatsächlich bewahrheitet.
Anfang November 2014, als Hausdurchsuchungen bei verschiedenen Institutionen, Unternehmen und Personen vorgenommen wurden, habe ich die Vorgänge in Stendal auf „Facebook“ eher sarkastisch kommentiert, dass sich angesichts des Sparkassen-Skandals, des Wahlbetrugs und des Schweigegelübdes die Stendaler CDU doch vielleicht in „Camorra von der Uchte“ umbenennen sollte.
Gleich am nächsten Tag wurde ich von zwei CDUMitgliedern übel beschimpft. Ich sollte mich dafür öffentlich entschuldigen; ich hätte wohl keine Kinderstube gehabt und dies würde Konsequenzen für mich haben.
Im Übrigen waren dies nicht irgendwelche CDUMitglieder. Eines dieser CDU-Mitglieder war langjähriges Mitglied dieses Hauses, auch unter dem Namen „der Schweiger von Stendal“ bekannt.
Das andere CDU-Mitglied ist ebenfalls ein Kreistagsmitglied und ich gehe davon aus, dass auch dieses Kreistagsmitglied eigentlich zur demokratischen Grundordnung steht. Selbstkritik zumindest dieser beiden CDU-Mitglieder - Fehlanzeige.
Dabei war diese Umbenennung lediglich ein Vorschlag; die Stendaler CDU muss ihn nicht aufgreifen.
Lieber Kollege Güssau, wenn ihr euch umbenennen wollt, könnt ihr es kostenfrei machen; ich verzichte auf die Namensrechte.
Ich hoffe, dass dem Innenminister Angriffe, wie ich ihnen am Tag nach dieser Äußerung ausgesetzt war, erspart geblieben sind und er nicht von eigenen Parteikollegen angegriffen wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann dieses Thema ausschließlich sarkastisch behandeln. Das ist eigentlich keine schlechte Möglichkeit, aber dazu ist es eigentlich viel zu traurig. Ich vermute allerdings, unabhängig davon, wie wir das an dieser Stelle beurteilen, werden sich in der Zukunft Heerscharen von Kabarettisten und Karnevalisten dieses Themas annehmen und diesen Skandal satirisch behandeln.
Ich finde es aber wirklich nicht lustig. Ich persönlich habe mir nicht vorstellen können, dass so etwas 25 Jahre nach der Überwindung der Diktatur, nach der Überwindung der Wahlmanipulation, der Missachtung von Menschenrechten, der Willkür, der Rechtsbeugung und des Einmauerns eines ganzen Volkes noch möglich ist.
Vor 25 Jahren war Wahlbetrug einer der Auslöser für den Sturz der Diktatur. Ich war am 14. März 1989 aus Neugierde bei einer Kommunalwahlveranstaltung der Nationalen Front zur Kandidatenaufstellung für den Kreistag in meinem Heimatort Uchtspringe. Das war doch eine sehr merkwürdige Veranstaltung.
Als ich mir am nächsten Tag das Kommunalwahlgesetz in meinem Betrieb besorgte und festgestellt habe, dass auf dieser Versammlung gleich mehrfach gegen das DDR-Wahlrecht, das ohnehin nicht so stark ausgeprägt war, verstoßen wurde, habe ich eine Eingabe an die Bezirkswahlkommission geschrieben. Ich wurde am 14. April 1989 von mehreren Vertretern des Rates des Bezirkes, des SED-Kreissekretariates, der Kreisärztin und meinem Bürgermeister bearbeitet. Innerhalb von zweieinhalb Stunden ist es ihnen leider nicht gelungen, mich von der Rechtsmäßigkeit dieser Wahlveranstaltung zu überzeugen. Der Abschlussbericht des Rates des Kreises stellt fest, dass ich das Ergebnis und die Erklärung nicht akzeptiert hätte und es keine Einigung gebe.
Sie können diese Dokumente gern bei mir einsehen, auch den sechsseitigen Bericht über meine Beiträge auf dieser Wahlversammlung am 14. März 1989, die ich meiner Stasi-Akte entnehmen konnte. Das war übrigens der Beginn meiner politischen Tätigkeit außerhalb privater Räume.
Ich habe dann, noch in der Illegalität, als die Mitglieder der Blockparteien noch voller Kampfeswillen für den Sozialismus waren, die SDP mitbegründet und aufgebaut sowie bei der Besetzung der Stendaler Stasi-Kreisdienststelle mitgeholfen - all dies mit dem Ziel getan, dass solche Betrügereien nicht wieder vorkommen.
Leider habe ich mich getäuscht. Ist es Zufall, dass so etwas gerade in einer ehemaligen Blockpartei passiert? Wir alle hier haben darunter zu leiden.
Über die sinkende Wahlbeteiligung brauchen wir uns nicht zu wundern. Wir können, wie vorgestern passiert, eine Menge Landesgeld für Demokratiebildung ausgeben, aber solche Vorgänge wie in Stendal führen das alles ad absurdum.
Die da oben sind doch alle Betrüger, lautet nur ein Vorwurf.
Und was hört man von der CDU? - Erst einmal langes Schweigen. Keine Kommentare. Es wird verniedlicht. Kritiker werden lächerlich gemacht. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Der Stadtwahlleiter Axel K., einst als OB-Kronprinz in Stendal gehandelt, gibt keine gute Figur ab. Zuerst schiebt er alle Schuld seinen Mitarbeitern zu, dann gibt er zu, sie überhaupt nicht belehrt bzw. geschult zu haben. Mal sagt er, es gebe nichts zu beanstanden, dann stellt er selbst Strafanzeige. Der unbeteiligte Zuschauer weiß nie: Spricht aus ihm jetzt der Jurist oder der im CDU-Filz verstrickte Stellvertreter des Oberbürgermeisters?
Wolfgang K. spielt im Kreistag die Ereignisse herunter, obwohl er bereits damals wusste, dass er Beteiligter an den Vorgängen war; er hat schließlich die Briefe transportiert. Kein Wort der Entschuldigung, keine Aktivitäten, um die Aufklärungen zu beschleunigen. Vermutlich hat er darauf gesetzt, dass die Seilschaften halten und nichts bekannt wird.
Auch von der Landesebene der CDU ist mir von damals keine Reaktion bekannt. Gab es die Hoffnung, dass der Kelch der Aufklärung an der CDU vorbeigeht? Erst, als es nichts mehr zu leugnen gab, die Staatsanwaltschaft und die Polizei Geschäfts- und Privaträume der CDU durchsucht haben, kam auf einmal hektische Bewegung auch in die CDU. Sehr schnell distanzierten sich CDUVerantwortliche von Holger G. Er wird aus der Partei gedrängt oder geht freiwillig und verliert seinen Job.
Nun endlich ist auch etwas vom CDU-Landesvorsitzenden Webel zum Fall des Wahlbetrugs in
Stendal zu hören. Aber sind das tatsächlich mehr als Lippenbekenntnisse? Wo ist der Aufstand der Anständigen in der CDU? Warum lassen sich die vielen engagierten, fleißigen und ehrlichen CDUVertreter in Gemeinderäten, Kreistagen und auch hier auch im Landtag damit in einen Topf werfen? - Leider stehen CDU-Vertreter überall auf der Bremse.
Die geneigte Öffentlichkeit fragt sich: Gibt es dazu Parallelen? - Beim Sparkassen-Skandal in Stendal - kein Wort der Erklärung oder Entschuldigung oder gar Aufklärung durch den langjährigen Landrat, Aufsichtsratschef der Kreissparkasse und jetzigen CDU-MdB Jörg H, durch den Alt-CDU-Landrat Lothar A. oder durch das Aufsichtsratsmitglied, den bereits mehrfach erwähnten Wolfgang K. Bis zur Hausdurchsuchung war von der CDU zum Wahlbetrug in Stendal nichts zu hören.
Oder beim Thema Jahn-Sporthalle in Wolmirstedt. Nur eine sicherlich in die Landtagsgeschichte eingehende dubiose Verteidigungsrede vom Landesvorsitzenden Webel, Medienschelte, den Olaf-Bericht anzweifelnde Attacken - nichts von Aufklärungswillen.
Oder vielleicht auch beim Thema Fördermittel in Dessau, das einen Untersuchungsausschuss in diesem Hause zur Folge hat.
Sehr geehrter Herr Landesvorsitzender Webel, zur Wahl in Thüringen haben Sie am 5. Dezember 2014 unter anderem im MDR gesagt: Diejenigen, die SPD wählen, riskieren automatisch einen linken Ministerpräsidenten. In Abwandlung dieser Aussage könnte man auch sagen: Diejenigen, die CDU wählen, riskieren Sumpf, Filz und kriminelle Aktivitäten.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich gibt es gravierende Unterschiede. Die kriminellen und undurchsichtigen Aktivitäten, über die wir jetzt reden, fanden hier und heute statt. Das, was der Vorgängerpartei der LINKEN vorgehalten wird, fand vor 25 Jahren plus x statt. Das mag etwas holzschnittartig sein, aber wer mich und meine Biografie kennt, der weiß, dass ich weit davon entfernt bin, der SED oder ihren Nachfolgern Absolution zu erteilen.
Dass in der DDR die Blockparteien, allen voran die CDU, vom System ebenfalls profitiert haben, wollen Sie dagegen vergessen machen.
Dass die CDU Bespitzelungen, Verhaftungen, Repressalien mitgetragen hat, dafür habe ich bis heute keine Entschuldigung gehört.
Dass die CDU damals von Wahlmanipulation, von Posten und Pöstchen und auch finanziell vom SED-Regime profitiert hat und die SED bis zuletzt hat hochleben lassen, ist ein offenes Geheimnis.
- Lieber Kollege Kurze - -
- Lieber Kollege Kurze, ich habe zu Hause noch einen Aufruf vom Kollegen Gies als Vorsitzender der CDU in Stendal, der den Sozialismus aber richtig hat hochleben lassen. Ich bringe Ihnen das gern in der nächsten Woche mit.
- Ich habe mehrmals gesagt, dass ich auf die anständigen Teile auch in der CDU setze. - Lassen Sie mich fortfahren. Wie gesagt, es war ein offenes Geheimnis, dass die CDU als Blockpartei innerhalb der SED und vom SED-Regime profitiert hat.
- Innerhalb des Regimes der SED, lieber Siggi - -
- Lassen Sie mich doch weiterreden. Sie haben nachher noch Gelegenheit - -
Dass die CDU von Wahlmanipulation, von Posten und Pöstchen und finanziell vom SED-Regime profitiert hat und die SED bis zuletzt hat hochleben lassen, ist ein offenes Geheimnis. Vielen wurde das Abitur unmöglich gemacht, nur weil sie vielleicht, wie ich, keine Jugendweihe hatten und, wie ich, die falschen Eltern. Meine Mutter war Pastorin, mein Vater Psychotherapeut.
Viele Menschen sind im Herbst 1989 für ein anderes Land auf die Straße gegangen.
- Seien Sie doch mal ruhig. - Nur ein verschwindend geringer Teil davon waren 1989 CDU-Mitglieder.
Nein, wir wollen diese schlimmen Zeiten nicht wiederhaben.
Deshalb ist Aufklärung wichtig. Und es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass auch die CDU daran aktiv mitwirkt.
Eines möchte ich noch anmerken: Am 31. Mai 2015 soll die Neuwahl des Stendaler Stadtrates stattfinden. Ich würde mir wünsche, dass die Aufklärung der Vorwürfe, auch durch die Staatsanwaltschaft, nicht bis zu diesem Termin andauert. Es muss Klarheit darüber bestehen, wer kriminell gehandelt hat und wer nicht und wer unschuldig ins Visier geraten ist und deshalb eine Entlastung braucht, um auch wieder ruhig schlafen zu können.
Die Wähler in Stendal - und nicht nur dort - brauchen die Sicherheit vor Betrug und Wahlfälschung. Ansonsten brauchen wir uns nicht über eine geringe Wahlbeteiligung und über Politikverdrossenheit zu wundern.
Demokratische Wahlen sind ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Das Vertrauen darin ist zumindest in Stendal erschüttert. Versuchen wir gemeinsam, es wiederherzustellen. „Ich war doch nur ein Bote“ - dieses Zitat ist symptomatisch für das Verhalten der CDU Ändern Sie Ihr Verhalten! Eine griechische Phrase sagt: Der Fisch stickt vom Kopfe her. - Herzlichen Dank.
Lieber Harry, ich habe es mir mit diesem Redebeitrag und mit diesem ganzen Thema nicht leicht gemacht. Das ist ein Thema, das mich sehr bewegt. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass in diesem Landtag irgendwann überhaupt einmal zu einem solchen Thema geredet werden muss und dass sogar ich dazu reden muss. Ich finde das, was dort passiert ist, erschütternd.
Ich fange einmal hinten an, mit dem CamorraVergleich. Ich habe ausdrücklich gesagt und geschrieben - das ist überall nachzulesen -, dass das * Absatz gemäß Entscheidung des Präsidenten nach § 83 Abs. 2 Satz 2 GO.LT geändert
ein Vorschlag ist. Dem muss ja nicht gefolgt werden.
Erkläre mir bitte den Unterschied zwischen einer von mir sarkastisch gemeinten Äußerung, die auch als solche gekennzeichnet ist, und der Aussage von Holger Stahlknecht, in der er Wolfgang Kühnel als „Paten von Stendal“ bezeichnet hat. Ich erkenne darin keinen Unterschied.
Ich sehe auch keine Notwendigkeit, mich an dieser Stelle von diesem sarkastisch gemeinten Vorschlag zu distanzieren. Ansonsten akzeptiere ich es natürlich, dass sich die CDU von diesen Vorgängen distanziert. Ich hoffe, dass die aufrechten Mitglieder der CDU sich auch tatsächlich dagegen aussprechen und dagegen vorgehen. Aber bis heute ist tatsächlich nicht bewiesen, wer außer dem bisher bekannten Holger G. darin unter Umständen noch verstrickt ist.
Es gibt von mir keine Äußerung, mit der ich irgendeine Person beschuldige, sondern nur Äußerungen, die tatsächlich die Fragen dazu aufwerfen. Diese sind - das ist richtig - zum Teil aus der Zeitung, weil ich den Eindruck habe, dass die Zeitungen diejenigen sind, die im Moment am aktivsten an der Aufklärung beteiligt sind, aktiver als manche kommunale oder Landesbehörde. - Danke schön.
Drei Punkte will ich noch sagen. Erstens die Frage an den Präsidenten, ob es nun ein Ordnungsruf gegen mich war oder nicht; denn ich könnte einem Ordnungsruf ja widersprechen.
Zweitens zu dem Kollegen Schröder. Ich erinnere in Ergänzung der Blockflötendiskussion daran, dass die CDU genauso wie die SED zu den Parteien gehört, die das Vermögen und die Mitglieder der Vorgängerpartei übernommen haben. Wir als SDP haben das nicht.
- Ich kann nur sagen, was mir dazu bekannt ist.
Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.
Wenn das anders sein sollte, dann lasse ich mich gern belehren.
Drittens möchte ich zu der Frage von Frau Dr. Paschke sagen: Sie haben völlig Recht. Ich habe nicht noch einmal Bezug auf den Antrag genommen, der von Ihnen eingebracht wurde. Wir werden diesen Antrag an den Innenausschuss überweisen und natürlich müssen dort die entsprechenden Auskünfte gegeben werden. Es tut mir leid. Ich habe nicht daran gedacht. Ich war in der Fraktion nicht anwesend, als wir dazu die Absprachen vorgenommen haben. Deswegen habe ich das in den Hintergrund treten lassen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist in der letzten Landtagssitzung inhaltlich zu dem Thema TTIP und Investor-StaatSchiedsverfahren alles gesagt worden.
Der Beschluss des Landtages sagt unter Punkt 4 eindeutig aus, dass wir als Land dieses nicht wollen. Ich bin dem Minister ausdrücklich dankbar dafür, dass er das hier noch einmal in dieser Deutlichkeit gesagt hat, und auch dafür, dass er bei der Wirtschaftsministerkonferenz dem Vorschlag von Minister Gabriel, auf ein solches Investor-StaatSchutzabkommen zu verzichten, zustimmen wird.
Es gibt aber trotzdem gute Gründe für die Einbringung unseres Änderungsantrages. Im Antrag der Fraktion DIE LINKE kommt tatsächlich ein wenig zu kurz, dass ein Freihandelsabkommen auch Vorteile mit sich bringen kann.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es zum Beispiel auch in den USA protektionistische Verfahren gibt, die Europäer vom amerikanischen Markt ausschließen. Es darf kein Blauschimmelkäse verkauft werden. Es gibt immer noch Import
einschränkungen für Rindfleisch aus der EU wegen der BSE-Gefahr usw. Das ist sachlich nicht zu rechtfertigen.
Zum Beispiel hat auch die Firma Airbus in den USA bei Passagierflugzeugen einen Marktanteil von nur 17 %. Weltweit beträgt der Marktanteil des Unternehmens 50 %.
Es gibt auch durch den „Buy American Act“ Diskriminierungen von europäischen, von ausländischen Investoren und Dienstleistern. Insofern würde es durch ein Freihandelsabkommen tatsächlich auch positive Effekte für den europäischen Markt und für europäische Anbieter geben.
Aber - damit komme ich auf den Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE zurück - wir sehen es an dieser Stelle ganz genauso: Es bedarf hierfür zwischen hochentwickelten Rechtsstaaten keiner zusätzlichen außergerichtlichen Verfahren. Wir können das hier so regeln. Deswegen stimmen wir an dieser Stelle mit den Antragstellern völlig überein.
Wir haben Ihnen den Änderungsantrag vorgelegt. Ich habe bisher auch keine grundsätzliche Kritik von der LINKEN an unserem Änderungsantrag gehört. Deswegen bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, Herr Dr. Thiel, dass Sie die Initiative für diese Debatte heute hier ergriffen haben. Wir hatten auch mit dem Gedanken gespielt, das Thema in Form eines Antrages auf die Tagesordnung zu setzen, haben es aber erst einmal zurückgestellt, weil als wichtiges EU-Thema die Regierungserklärung von Minister Robra vorgestern auf der Tagesordnung stand. Insofern bestand das Interesse, diese Debatte zu führen, auch auf unserer Seite.
Allerdings ist dies eine Debatte, die nicht auf wesentliche Kompetenzen des Landtages abstellt. Handelsfragen obliegen der alleinigen Zuständigkeit der EU, also der EU-Kommission und, was ich sehr gut finde, des Europäischen Parlaments. Wir haben auch im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung über die Demokratisierung und über die verstärkten Aufgaben, die das EP hat,
diskutiert. Auch der Europäische Rat hat Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen
Wir haben den Alternativantrag auch deshalb vorgelegt, weil wir Handels- und auch Freihandelsabkommen nicht per se als schädlich oder als nicht nützlich bezeichnen wollen. Wir sehen durchaus eine Chance, bestehende Handelshemmnisse zu verändern. Deswegen haben wir das in Punkt 1 unseres Alternativantrages aufgenommen.
Ich kann schon aus Zeitgründen nicht auf die vielen Argumente, die von Ihnen und auch von Minister Möllring genannt wurden, im Einzelnen eingehen. Wir haben im letzten Punkt unseres Alternativantrags die Landesregierung aufgefordert, uns im Wirtschaftsausschuss und im Europaausschuss zu informieren. Wir müssen einmal sehen, wie häufig und in welchen Abständen wir das behandeln, was dabei sinnvoll ist, möglicherweise dann, wenn neue Ergebnisse und Informationen vorliegen. Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht auf alle Argumente im Einzelnen eingehen will und kann.
Aber die öffentliche Debatte, die wir führen, ist auch aus einem anderen Grund nicht schlecht. Die Diskussionen, die in den vergangenen Jahren zu Acta geführt wurden, haben gezeigt: Wenn sich eine Protest- und Diskussionsbewegung zu bestimmten Themen in Europa aufbaut, dann sind das Europäische Parlament und auch die Europäische Kommission sehr vorsichtig, bestimmte Dinge so zu gestalten, wie es von einer großen Protestbewegung kritisiert wird.
Mit der Bewegung gegen Acta oder mit der europäischen Bürgerinitiative „Right to water“ haben wir einiges erreichen können. Auch deswegen halte ich die Diskussion, die wir heute führen, auch wenn wir keine Zuständigkeiten im Rahmen der Handelsabkommen haben, durchaus für sinnvoll. Über Einzelheiten sollten wir dann im Ausschuss diskutieren.
Unter Punkt 2 ist - etwas kryptisch - der Verweis auf die Entschließung des Bundesrats erwähnt. Sie und Minister Möllring haben daraus bereits einiges zitiert. In dieser Entschließung sind all die Punkte aufgeführt, die aus unserer Sicht kritisch zu betrachten sind, etwa Fragen der Tarife, der Daseinsvorsorge, der Kennzeichnungspflichten sowie der allgemeinen, sozialen und Umweltstandards usw. Wir haben unter Punkt 3 einen Hinweis auf das gegeben, was uns besonders wichtig ist.
Der letzte Satz unter Punkt 3 macht deutlich, dass wir es für sinnvoll und notwendig halten, im Rahmen des Abkommens auch über das Thema Datenschutz zu reden. Wenn sich die USA weigern, Europa und seine Regierungen, die schließlich befreundete Regierungen sind, entsprechende Zusagen im Hinblick auf den Datenschutz zu geben, dann ist aus meiner Sicht eine Basis für ein Han
delsabkommen dieser Tragweite nicht gegeben. Wir sollten an dieser Stelle als Europa sehr deutlich gegenüber den USA auftreten und deutlich machen, dass weder eine politische Spionage noch - das ist nicht minder gefährlich - eine Wirtschaftsspionage adäquate Mittel unter befreundeten Ländern sind.
Bei Punkt 4 unseres Antrages sollte noch eine kleine Änderung vorgenommen werden: Es soll nicht „Investitionsvorschriften“, sondern „Investitionsschutzvorschriften“ heißen. Am Ende dieses Satzes ist das Wort „ist“ durch das Wort „sind“ zu ersetzen.
In diesem Punkt sind wir mit Ihnen einer Meinung: Wir halten ein Investitionsschutzabkommen zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen nicht für notwendig. Sie haben vorhin auf die Geschichte hingewiesen. Für Entwicklungsländer, die überhaupt an westliche Investitionen kommen wollen, ist das sicherlich ein probates Mittel, aber zwischen entwickelten Staaten wie den USA und Europa ist das aus meiner Sicht so überflüssig wie ein Kropf.
Punkt 5 unseres Alternativantrages nimmt Bezug auf die größtmögliche Transparenz. Auch hierfür treten wir ein. Der Minister hat in seiner Rede auf einige Punkte hingewiesen, die in diesem Bereich durchaus vorangehen. Ich stimme mit ihm auch darin überein, dass man nicht immer alle Punkte auf den Markt tragen kann, aber an dieser Stelle habe ich großes Vertrauen in das Europäische Parlament.
Unter Punkt 6 bitten wir die Landesregierung, uns zu informiert. Ich bitte Sie, unserem Alternativantrag zuzustimmen und die beiden Anträge abzulehnen. - Herzlichen Dank.
Nun habe ich meine Rede bei 0,00 Sekunden verbleibender Redezeit beendet und Sie machen meinen Erfolg kaputt, Frau Klein.
Man hätte das auch anders formulieren können. Mit Punkt 2 ist die Bundesratsentschließung gemeint. In der Entschließung des Bundesrats sind zehn Punkte enthalten und darauf bezieht sich das. Wir haben auf das verweisen wollen, was uns besonders wichtig ist. Wir wollten aber nicht die gesamte Bundesratsentschließung zitieren, dann wäre der Alternativantrag drei Seiten lang geworden.
- Wie in Punkt 2 unseres Antrags, nicht der Bundesratsentschließung. Es bezieht sich tatsächlich auf Punkt 2 unseres Alternativantrags.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2014 ist ein europäisches Jahr der Erinnerungen. Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Auch wenn es für den Beginn kein konkretes Datum gibt wie beim Zweiten Weltkrieg, ist es ein Jahr, in dem wir uns daran erinnern. Der Erste Weltkrieg brachte unsägliches Leid und Zerstörung über Europa.
Vor 25 Jahren fiel die Mauer und Europa wuchs zusammen. Der Osten Deutschlands und damit auch das heutige Sachsen-Anhalt wurden ein Jahr später automatisch Teil der Europäischen Union. Vor zehn Jahren schließlich gab es mit dem Beitritt
vieler osteuropäischer Staaten die größte Erweiterungsrunde, die die EU in ihrer Geschichte bis dahin erlebt hatte.
In einigen Jahren wird man sich vielleicht aber auch an das Jahr 2014 erinnern. Es besteht die Gefahr, dass Europa nach 25 Jahren der Annäherung wieder auseinanderdriftet und längst überwunden geglaubte Konflikte neu aufleben. Die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union war zwar bisher weitgehend erfolgreich, wenn auch gerade im Osten nicht alle Wünsche der Partner in Erfüllung gingen. Ob in Weißrussland oder in der Ukraine, die jetzt Thema ist - niemand weiß genau, wo die EU im Osten einmal enden soll. Dazu gab es nie eine Klärung. Die Finalität Europas ist nicht abschließend geklärt.
Aber auch innerhalb der Union gibt es Defizite und Rückschläge. Viel zu lange ging es in der Europäischen Union nur um die Stärkung des Binnenmarktes, die Freizügigkeit und die Schaffung positiver wirtschaftlicher Effekte. Dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber es ist zu wenig. In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass geeignete Instrumente zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise in der EU fehlen. Insbesondere fehlt es an einer koordinierten Wirtschaftspolitik.
Aber ebenso fehlt eine Annäherung der Sozialsysteme. Dass es innerhalb der EU immer noch viel zu viele Steuerschlupflöcher gibt, ist ebenfalls kein Ruhmesblatt.
Der Fall des Bankengeheimnisses in der vergangenen Woche in Luxemburg und Österreich kann da nur ein Anfang sein. Dies muss zukünftig genauso für die Kanalinseln wie für Liechtenstein gelten.
Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steckt noch in den Kinderschuhen. Wir erleben es gerade wieder, dass es viel zu lange dauert, bis wir uns in der EU auf gemeinsame wirtschaftliche Sanktionen, zum Beispiel gegenüber Russland, einigen können, egal, welche Position man in diesem Konflikt für die richtige hält.
Trotz all dieser Defizite ist die EU eine Erfolgsgeschichte und wir leben mittendrin und profitieren davon. Ungebrochen ist auch der Run auf die EU, dieses weltweit einzigartige Projekt, gegründet von sechs Staaten, die zum Teil eine Jahrhunderte alte Erbfeindschaft trennte, gewachsen auf jetzt 28 friedliche Mitgliedstaaten.
Seit 69 Jahren sind die Mitgliedstaaten der EU von Kriegen verschont geblieben, wurde miteinander statt übereinander geredet, wurde verhandelt, statt Krieg geführt. Das sei allen EU-Kritikern gesagt: Trotz aller Mängel und Defizite, die es gibt, ist die
Europäische Union allemal besser und billiger sowieso, als Kriege zu führen.
Herr Czeke, ich bin Ihrer Rede genau gefolgt und habe zugehört. Ich habe kein einziges positives oder lobendes Wort über die Europäische Union von Ihnen gehört. Auch das gehört trotz aller Kritik zur Wahrheit, dass die Europäische Union eine Erfolgsgeschichte ist und eine positive Entwicklung vollzogen hat.
Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Demokratisierung der Europäischen Union erlebt. Das Europäische Parlament wurde gestärkt und mit mehr Rechten ausgestattet. Dazu zählen unter anderem ein erweitertes Budgetrecht, die Wahl der Kommissare usw.
Leider hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Kippen der Fünf- und dann der Dreiprozenthürde dem Europäischen Parlament einen Bärendienst erwiesen; denn damit werden Einigungen im neuen Europäischen Parlament komplizierter und wird seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt.
Wir haben einen EU-Verfassungskonvent gehabt. Auch ich befürworte, wie der Staatsminister es vorhin schon ausgeführt hat, einen weiteren Konvent zur Fortentwicklung der Europäischen Union.
Aber nicht zuletzt haben die technischen Möglichkeiten des Internets dazu beigetragen, dass eine deutlich breitere Beteiligung an Gesetzgebungsvorhaben der EU durch interessierte Bürger und Institutionen möglich ist.
Infolge der Gründung des Ausschusses der Regionen im Jahr 1994 haben sich die Mitwirkungsmöglichkeiten - in diesem Falle der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften - deutlich verbessert.
Neuerdings gibt es europäische Bürgerinitiativen. Sie können gestartet werden, wenn eine entsprechende Anzahl von Vertretern aus den Mitgliedstaaten dabei ist. Das Beispiel „Right to water“ mit fast 1,9 Millionen Unterschriften hat bewiesen, dass das funktioniert und erfolgreich ist.
Wir stehen kurz vor den Europawahlen. Zum ersten Mal bekommen diese Wahlen auch Gesichter. Der Spitzenkandidat mit dem besten Ergebnis soll Kommissionspräsident werden. Damit wäre erstmals dieses wichtige Amt dem ausschließlichen Zugriff der Regierungschefs und ihren Absprachen hinter verschlossenen Türen entzogen.
Dem Vorwurf, die EU sei undemokratisch, ist damit ein wichtiges Argument genommen.
Ich hoffe, damit erreichen wir am 25. Mai 2014 eine etwas bessere Wahlbeteiligung, als sie in den vergangenen Jahren zu verzeichnen war.
Es wird niemanden verwundern, dass ich persönlich Martin Schulz, den ich schon lange kenne und schätze, für den geeignetsten Kandidaten für dieses Amt halte.
Er hat bewiesen, dass er sich gegen die Regierungschefs behaupten kann, sogar gegen Berlusconi, und im Gegensatz zu Jean-Claude Juncker und Guy Verhofstadt ist Martin Schulz kein früherer Regierungschef. Er ist Parlamentarier mit Leib und Seele. Gerade diese Erfahrung halte ich für einen gewählten Abgeordneten auch in der Funktion als Kommissionspräsidenten für besonders wichtig.
Seine programmatischen Aussagen, Arbeitsplätze insbesondere für Jugendliche zu schaffen, die Finanzmärkte besser zu kontrollieren und Banken zu regulieren, für eine Unternehmensbesteuerung dort einzutreten, wo die Arbeit gemacht wird, passen genau in die heutige Zeit.
Ich will aber auch einen Christdemokraten zitieren. Günther Oettinger hat vor der Mitgliederversammlung der Europäischen Bewegung Deutschlands im Jahr 2013 in Berlin Folgendes gesagt:
„Wenn wir den Anspruch erheben, die Welt von morgen mitgestalten zu wollen, sie ein bisschen mehr nach unserem Menschenbild entwickeln zu wollen, sie europäisch zu formen, dann ist Europa die notwendige Betriebsgröße, um auf Augenhöhe mit den USA und China bei Entscheidungen dabei zu sein. Bei allem Respekt vor Deutschland - wir stellen in wenigen Jahren noch 1 % der Weltbevölkerung.“
Oettinger hat damit ganz klar dem europäischen Nationalismus eine Absage erteilt.
Aber auch die NSA-Abhöraffäre hat gezeigt, dass es nicht sein kann, dass die USA mittels einzelstaatlicher Abkommen zum Beispiel den Datenschutz aushebelt. Europa muss geschlossen und gemeinsam seine Interessen durchsetzen und jegliche politische, aber auch wirtschaftliche Spionage zu verhindern suchen.
Dabei drängt sich derzeit das Thema des transatlantischen Handels- und Investitionsabkommens mit den USA auf. Wir werden darüber am Freitag diskutieren und einen Antrag auf der Tagesordnung haben.
Deswegen will ich nur kurz darauf eingehen: Transparenz und Offenheit - darin stimme ich mit
Herrn Czeke überein - gehen anders. Aber es bieten sich natürlich auch Chancen durch ein solches Abkommen.
Wir müssen schauen, wie wir dieses Abkommen so gestalten, dass wir nicht einen Abbau von Rechten, nicht einen Abbau von öffentlicher Daseinsvorsorge und vor allem nicht einen Investorstreitbeilegungsmechanismus bekommen, der politische Entscheidungen aushebelt.
Ich will noch einiges zu uns als Landtag, als Parlament sagen. In den letzten Jahren haben wir uns in den Ausschüssen deutlich mehr mit EU-Themen befasst, als das früher der Fall war. Das Interesse in den Ausschüssen, aber auch in den Fraktionen daran ist gewachsen. Aber - das ist eine Kritik an uns selbst - wir haben noch immer kein praktikables Instrument dafür gefunden, zeitnah und fachbezogen mit EU-Themen so umzugehen, dass unsere Meinung ausreichend Berücksichtigung findet. Dieses Problem haben andere Landtage im Übrigen auch.
Ich will mich bei dieser Gelegenheit bei der Staatskanzlei für die umfangreichen Informationen herzlich bedanken, die wir in den letzten Jahren von der Staatskanzlei bekommen haben.
An dieser Stelle ist nicht nur - der Staatsminister hat es vorhin erwähnt - der jährliche Bericht über die europäischen und internationalen Aktivitäten der Landesregierung zu nennen. Auch die weiteren Berichte, die wir bekommen, sind anzuführen. Gleiches gilt für die Berichte, die Herr Staatssekretär Schneider uns über seine Arbeit im AdR zukommen lässt, die Informationen, die wir über das Landesinformationssystem bekommen, und auch die Informationen, die wir auf Nachfrage im Ausschuss bekommen.
In diesem Zusammenhang will ich von dieser Stelle einen Dank an die Landesvertretung in Brüssel richten. Die Landesvertretung hat sehr gute Arbeit geleistet. Sie braucht sich mit dem, was sie leistet, überhaupt nicht hinter den Vertretungen auch deutlich größerer Bundesländer zu verstecken. Wie gesagt, herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen unter Leitung von Frau Dr. Franz in Brüssel.
Ich verbinde meine Rede mit dem Wunsch gegenüber allen Ressorts der Landesregierung, dass die Sensibilität in Bezug auf EU-Themen weiter wächst und dass wir in allen Ressorts noch mehr Projekte internationaler Zusammenarbeit und Partnerschaft realisieren können. Diesbezüglich gibt es aus meiner Sicht noch Entwicklungsbedarf.
Wir haben einige Ministerien, die sehr aktiv sind. Aber wir haben auch einige, die aus meiner Sicht noch deutlich mehr zu tun haben; denn ein Aspekt der zurückgehenden EU-Strukturfondsförderung
wird sein, eine Kompensation durch Partnerschaften und Projekte zu erreichen, die man mit anderen Regionen, anderen Mitgliedstaaten, aber auch mit Ländern außerhalb der EU realisiert.
Ich will in Bezug auf die Zusammenarbeit des Landtages mit der Landesregierung einen kritischen Punkt ansprechen. Bei der Vorbereitung der neuen Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 konnten wir uns als Landtag und als Fraktionen nicht in dem Maße einbringen, wie ich es mir gewünscht hätte.
Das ist ein sehr komplexes Thema. Es ist schwierig, alle Interessen der Ministerien, des Bundes und der EU unter einen Hut zu bekommen. Aber wir mussten der Regierung die Informationen über den aktuellen Stand der Verhandlungen förmlich aus der Nase ziehen. Das ist aus meiner Sicht nachteilig, zumal wir mit dem Thema EU-Strukturfonds immer wieder im Zusammenhang mit den Haushaltsabflüssen, aber auch mit der Haushaltsaufstellung konfrontiert werden. Und dies, obwohl dies mit Sicherheit die letzte Fondsförderperiode sein wird, in der wir Zugriff auf so umfangreiche Mittel haben wie bisher. Wie gesagt, die Mittel, die wir für die kommende Förderperiode zur Verfügung haben werden, sind im Vergleich zu dem, was wir erwartet haben, nur geringfügig abgesenkt worden.
Mein Dank gilt noch einmal der Landesregierung, dass sie auch im Zusammenspiel mit anderen Regionen, die der Gefahr der Absenkung der Strukturförderungsmittel ausgesetzt waren, auf EU-Seite erreicht haben, dass die Fördermittel in geringerem Maße als befürchtet abgesenkt wurden.
Seit 1990 haben wir viele Milliarden D-Mark und dann Euro in Infrastruktur, Forschung, Entwicklung, Aus- und Weiterbildung und in soziale Fördermaßnahmen investieren können. Das war meist gut angelegtes Geld, sicherlich nicht alles sinnvoll. Das zeigen auch die Berichte, die die Rechnungshöfe dazu immer gegeben haben.
Aber ich will auch auf die Nachfrage hin, die Frau Dr. Klein gestellt hat, noch einmal sagen: Es kann nicht immer nur darum gehen, das vorhandene Geld auf Teufel komm raus auszugeben; vielmehr muss das Geld auch in sinnvolle Projekte investiert werden.
Aus meiner Sicht ist es durchaus nicht verkehrt, dass Geld einmal nicht abfließt und unter Umständen Geld zurückgegeben wird. Natürlich ist es mir lieber, wenn das Geld, das wir zur Verfügung gestellt bekommen, sinnvoll und auch in vollem Umfang ausgegeben wird. Aber ich denke, es kann nicht nur darum gehen, in prozentualen Abflüssen zu rechnen. Es geht vielmehr darum, dass wir die
ses Geld im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Entwicklung der Infrastruktur und der Wirtschaft des Landes vernünftig ausgeben.
Wir sollten also nicht darüber klagen, dass wir in den nächsten Jahren weniger Geld bekommen, sondern wir sollten uns darüber freuen, dass wir dann 30 Jahre lang in den Genuss einer massiven Förderung gekommen sind, um die uns viele andere Länder Europas, aber auch anderer Regionen der Welt beneiden. Allein das ist es schon wert, gegenüber Brüssel einmal danke zu sagen und anzuerkennen, was Brüssel geleistet hat.
Es ist natürlich auch ein guter Grund - aber auch nur einer von vielen -, sich am 25. Mai 2014 an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu beteiligen. - Herzlichen Dank.
Frau Dalbert, angesichts Ihrer letzten Formulierung zum Wahlkampfgetöse komme ich auf meine letzte Frage zurück. Sie haben vorhin sehr verallgemeinernd gesagt, dass sich die Kollegen der SPD und der CDU vor Ort damit profilierten, dass sie nicht zu dem stünden, was hier vereinbart worden sei.
Bitte gestehen Sie uns auch zu, dass die große Mehrheit der Kollegen beider Koalitionsfraktionen vor Ort zu dem steht, was hier vereinbart wurde. Ich fühle mich - ich kandidiere für den Kreistag in Stendal und bin Mitglied des Kreistages in Stendal - etwas ungerecht behandelt, wenn Sie pauschal sagen, wir alle machten uns angeblich vom Acker. Wir stehen dazu; das kann ich zumindest für den Kollegen Güssau und für mich in Anspruch nehmen.
Doch. Die Frage war, ob Sie anerkennen, dass das nicht so ist. Diese Frage würde ich gern von Ihnen beantwortet haben. Oder halten Sie an Ihrer Aussage fest, dass sich alle Kollegen vom Acker machen?
Doch. Die gesamte Fraktion, haben Sie gesagt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist inhaltlich schon eine ganze Menge vom Ausschussvorsitzenden und vor allem auch vom Staatsminister gesagt worden. Auch die Debatte, die wir bei der vorletzten Landtagssitzung dazu geführt haben, war doch relativ ausführlich und konstruktiv.
Klar ist - das will ich zusammenfassend dazu sagen -, dass wir eine Sozialunion brauchen, auch um die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ohne Verwerfungen hinzubekommen. Wir haben die Diskussionen, die gerade in Bayern dazu gelaufen sind, sicherlich noch gut in den Ohren.
Ich will insbesondere auf die Punkte 4 und 5 hinweisen - der Staatsminister hat es zum Teil gemacht -, die wir in die Beschlussempfehlung eingefügt haben. Darin weisen wir darauf hin, dass die Konsolidierungsmaßnahmen in den Krisenländern, die notwendig sind, in stärkerem Maße sozial abgefedert und durch Investitionen begleitet werden müssen, damit es eben nicht zu sozialen Verwerfungen kommt.
Ich denke, das ist ein entscheidender Punkt, den wir noch in die Beschlussempfehlung aufgenommen haben: Infrastruktur, Wissenschaft, Forschung usw., damit es nicht zu einem Braindrain kommt und gut ausgebildete Fachleute, die die Länder selbst brauchen, aus diesen Ländern abwandern.
Herr Czeke, eine kurze Frage. Ich verstehe nicht ganz, warum die Sozialpartner die Unterlagen nicht lesen sollen; dazu sind sie ja da.
Wenn die Sozialpartner in die Diskussion einbezogen werden sollen, dann müssen sie sich natürlich auch die Unterlagen ansehen. Das ist dann, denke ich, auch zumutbar.
Das ist eine Frage der Zeit und des Umfangs. Aber vom Grundsatz her, denke ich, ist das zumutbar.
Ich will die Gelegenheit heute aber auch noch einmal nutzen, um ein Wort zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom gestrigen Tag zu sagen. Ich halte dieses Urteil für sehr problematisch. Ich denke, damit ist dem Europäischen Parlament, welches eigentlich in den letzten Jahren auf einem guten Weg gewesen ist, zu einem wahren Parlament zu kommen, das mehr Zuständigkeiten bekommen hat und mehr Verantwortung trägt, ein Bärendienst erwiesen worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Europäischen Parlament in einer Art und Weise das Misstrauen ausgesprochen, die genau das Ziel vermissen lässt, was das Bundesverfassungsgericht eigentlich von dem Europäischen Parlament will, dass es eine richtige Regierung kontrolliert. Dies findet mit der Wahl des Spitzenkandidaten, der bei der Wahl am 25. Mai die meisten Stimmen bekommt, zum Kommissionspräsidenten seinen Höhepunkt.
Deswegen ist es für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dieses Urteil so zustande gekommen ist. Ich bin froh darüber, dass es zumindest nicht einstimmig, sondern mit knapper Mehrheit zustande gekommen ist. Das ändert zwar am Ergebnis nichts, aber es zeigt, dass es eine Diskussion beim Bundesverfassungsgericht dazu gegeben hat.
Wie gesagt, dem Weg des EP, sich mehr Rechte und Zuständigkeiten zu erkämpfen, ist damit ein Bärendienst erwiesen worden. Denn wir brauchen das EP - damit komme ich wieder auf das Thema zurück -, um die Sozialunion umzusetzen und zu begleiten. Die Kommission ist von Natur aus immer eher wirtschaftsliberal. Das Europäische Parlament ist ein soziales und ein umweltpolitisches Korrektiv. Wenn dieses geschwächt ist, dann wird es auch schwieriger, diese Ziele umzusetzen, für die wir uns alle gemeinsam einsetzen.
Ich bedanke mich für die konstruktiven Diskussionen, die wir im Ausschuss geführt haben, und bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so richtig, wie wir mit diesem Antrag umgehen sollen, weil das Kommissionsdokument eigentlich nicht das ist, was ich mir von einem solchen Kommissionsdokument versprochen habe.
Es versucht mit schönen Worten, Europa sozialer zu gestalten. Es fehlen aber konkrete Maßnahmen und konkrete Initiativen, die sich verpflichtend an die Mitgliedstaaten richten, um tatsächlich darauf hinzuwirken, dass die Europäische Union sozialer wird. Es werden Statistiken und mehr Koordination gefordert. Dazu hat der Staatsminister eben etwas gesagt. Die konkreten Maßnahmen fehlen aber.
Auf der einen Seite drängt die Europäische Union die Krisenstaaten mit scharfem Schwert zu Einsparungen und ruft damit soziale Schieflagen hervor, die auf der anderen Seite mit einem Papier und mit schönen Worten wieder ausgeglichen werden sollen. Mir persönlich reicht das nicht.
Wenn Vorschläge kommen, dann solche, wie Sie es schon gesagt haben, Herr Czeke, mit denen die Mobilität der Arbeitnehmer gefördert werden soll.
Das ist zwar gut und schön, wenn die Arbeitnehmer es denn wollen. Es kann aber nicht sein, dass dadurch Arbeitnehmer, die in ihrem Heimatland keine Arbeit finden, sozusagen gezwungen werden, ins Ausland zu gehen, weil ihnen ansonsten unter Umständen die Arbeitslosenunterstützung gestrichen wird. Das kann nicht Sinn und Zweck der Mobilität von Arbeitnehmern sein.
Die SPD fordert seit dem Bestehen der Wirtschafts- und Währungsunion neben anderen Themen, dass wir parallel dazu auch eine Sozialunion brauchen. Das habe ich hier im Parlament in den vergangenen Jahren schon mehrfach betont. Deren Schaffung ist uns allerdings nicht gelungen.
Wir Sozialdemokraten haben bei der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion ebenso die Forderung gestellt, dass wir die Steuern harmonisieren müssen. Das heißt nicht, dass überall alles gleich sein muss, aber es muss mehr aufeinander zugegangen werden.
Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen bei Umweltfragen und beim Umweltschutz; denn Umweltverschmutzung macht nicht vor den mitgliedstaatlichen Grenzen halt. Vor allem brauchen wir aber eben auch die Angleichung in sozialen Fragen.
Die erste Gelegenheit wäre bei den Maastrichter Verträgen gewesen. Das ist nicht gelungen. Damals wurde mehr Wert auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit gelegt. Das Zeitfenster, das damals offen stand, hat sich mittlerweile geschlossen.
Auch bei der Osterweiterung sind entsprechende Punkte nicht in die Verträge aufgenommen worden, sodass es angesichts der Mehrheits- und Stimmrechtsverhältnisse in der EU nachträglich unheimlich schwer ist, zu einheitlichen Regelungen zu kommen, die für die Mitgliedstaaten tatsächlich auch zwingend sind. Mit der konservativen Mehrheit im Rat und in der Kommission wird das sicherlich auch in Zukunft nicht so schnell gelingen. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf. Wir haben vielleicht die Chance, daran nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr etwas zu ändern.
Wir brauchen in Europa mehr Zusammenarbeit und weniger Nationalismus und Protektionismus. Es ist völlig klar, dass die Bedeutung Asiens wächst. Wir Europäer werden angesichts der wachsenden Bevölkerung in Asien in absehbarer Zeit nur noch 1 % der Weltbevölkerung stellen. Irgendwann sind wir dann, wenn wir uns nicht auf mehr Gemeinsamkeit und mehr Zusammenarbeit verständigen, weg vom Fenster. Dann bestimmt ein G2-Gipfel, bestehend aus China und den USA, wie es in der Welt weitergeht, und wir gucken in die Röhre.
Wer das noch etwas profunder wissen will, der kann sich die Rede von EU-Kommissar Oettinger
durchlesen, die er am 1. Juli in Berlin vor der Mitgliederversammlung der Europäischen Bewegung gehalten hat. Günther Oettinger ist ja nun tatsächlich kein Sozialdemokrat.